Sprachwahrnehmung bei Tieren Perzeption für Fortgeschrittene Dozent: Uwe Reichel Referenten: Lina...

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Sprachwahrnehmung bei Tieren

Perzeption für FortgeschritteneDozent: Uwe Reichel

Referenten: Lina Hecker & Veronika Neumeyer28.11.2007

Überblick

1. Experiment von Kuhl & Miller

2. Experiment von Lotto et al.

Speech perception by the chinchilla: Identification functions for synthetic VOT stimuli Patricia K. Kuhl, James D. Miller

Problematik

Theorien über Sprachwahrnehmung gehen davon aus, dass die Transformation vom Signal zur Information ein hierarchisch organisierter Prozess ist

es wird zwischen auditorischen phonetischen

Levels unterschieden

Problematik

Beweis für einen Gegensatz zwischen auditorischen und phonetischen Levels:

keine akustische Invarianz zwischen einem akustischen cue und dem Wahrgenommenen

gleicher akustischer cue kann in unterschiedlichem Kontext als unterschiedliches Phonem wahrgenommen werden

verschiedene cues können als gleiches Phonem in unterschiedlichen Kontexten wahrgenommen werden

Problematik

Welche Phänomene der Perzeption sind phonetisch, also allein der

Sprachwahrnehmung zu zuschreiben???

Wie kann man das untersuchen?

Versuche mit Tieren!

Problematik

Unterschied zwischen stimmhaft und stimmlos wird untersucht

kommt in allen Sprachen der Welt vor

wird jedoch unterschiedlich realisiert

Stimuli

synthetisch erzeugt Dauer: 435ms 60dB Lautstärke

12dB lautes Hintergrundgeräusch Grundfrequenz

während das Signal stimmhaft ist: 114Hz fällt in den letzten 100ms auf 70Hz

Stimuli

VOT- Intervall: 2. und 3. Formant durch Rauschen erzeugt

1. Formant unabhängig vom VOT bei b/p und d/t Stimuli die ersten 5sec „off“ bei g/k die ersten 20sec „off“

„off“-Technik simuliert bei sehr kurzen VOT das Friktionsgeräusch bei der Verschlusslösung

bei langen VOT wird das Aspirationsgeräusch synthetisiert

Versuchstiere

4 Chinchillas ca. 2 Jahre alt einzeln untergebracht kontinuierlichen Zugang zum Futter Wasser nur bei den Versuchen verfügbar 2 Chinchillas waren schon Versuchstiere

Versuchspersonen

4 englisch sprechende Erwachsene

die Autoren

2 Assistenten

Versuchsaufbau Käfig in einer Kabine vor einem Lautsprecher

Käfig durch eine Schwelle in der Mitte zweigeteilt

ein Summer an einem Ende des Käfigs

eine Metall-Trinkflasche am selben Ende

Lichter an beiden Enden der Schwelle und über der Trinkflasche

Training Hintergrundaktivität:

Trinken aus der WasserflascheWasserentzug vor dem ExperimentBeginn nach 10% Abnahme des KörpergewichtsGewicht sollte auch während den Versuchen

gehalten werdenwurde einmal am Tag in den Versuchskäfig

gesetzt und bekam Tagesration WasserBeginn der Versuche wenn das Tier 10 bis 15

Minuten durchgehend trinkt

Training

Prinzip der Vermeidung

innerhalb von 10-15s wurde ein Stimuli 2 mal vorgespielt = „Trial“

Tier trinkt währenddessen

dann 500ms Stille

Training positives Trial

Tier muss über die Schwelle laufen hat 2,5s Zeit dazu sonst ertönt der Summer sonst kriegt es einen leichten Elektroschock Tier verhält sich richtig: für 500ms das Licht an der

Schwelle aus negatives Trial

Tier bleibt an der Trinkflasche darf nicht über die Schwelle Tier verhält sich richtig: für 1s freies Wasser und Licht

über dem Wasser geht aus

Training

für 2 Chinchillas war stimmlos positiv

für 2 Chinchillas war stimmhaft positiv

in jeder Kategorie ist einer dabei, der bei dem anderen Experiment dabei war

Training

zu Beginn nur negative Trials

Tier lernt weiter zu trinken

immer mehr negative Trials dazwischen

müssen 4 Tage hintereinander 96% richtig haben

Experiment zufällige Reihenfolge der 28 Stimuli

nicht mehr wie 4 Endpoint-, bzw. Generalization-Stimuli hintereinander

14 Endpoint-Stimuli: VOT = 0 / VOT = +80ms Bestrafung / Belohnung als Konsequenz

14 Generalization-Stimuli: +10ms bis +70ms Tier ist immer richtig

jedes Tier hört jeden Generalization-Stimuli 10 mal

Experiment

jede Versuchsperson wird 10 Tage täglich getestet

sitzt in der selben Kabine wie die Tiere, Kopf in der selben Position wie der Kopf des Tiers beim trinken

gleiche Stimuli, gleiche Anzahl mussten zwischen stimmhaft und stimmlos

entscheiden

Experiment

sofort nach der letzten Sitzung wurden die Chinchillas mit den Stimuli für das nächste Experiment trainiert

die Umstellung erfolgte immer schnell und problemlos

neues Experiment startet wenn 4 Tage hintereinander die 96% erreicht sind

Experiment 1

Versuchstiere: 4 Chinchillas

4 Versuchspersonen

Stimuli: /da/ und /ta/

Ergebnisse Experiment 1

Grenzwerte Chinchilla 26,7ms - 36,0ms 9,3ms Unterschied vorher trainiert: 31,4ms „Neulinge“: 32,8ms

Mensch 29,9ms - 42,0ms 12,1ms Unterschied

Ergebnisse Experiment 1

Experiment 2

Versuchstiere: 2 Chinchillaseiner für den das stimmhafte positiv wareiner für den das stimmlose positiv wareiner der schon am früheren Experiment

teilgenommen hat

4 Versuchspersonen

Stimuli: /ba/ und /pa/

ErgebnisseExperiment 2

Grenzwerte Chinchilla 21,3ms und 24,5ms 3,2ms Unterschied

Mensch 21,3ms - 29,5ms 8,2ms Unterschied

ErgebnisseExperiment 2

Experiment 3

Versuchstiere: 2 Chinchillas einer für den das stimmhafte positiv war einer für den das stimmlose positiv war einer der schon am früheren Experiment

teilgenommen hat die selben wie in Experiment 2

4 Versuchspersonen

Stimuli: /ga/ und /ka/

ErgebnisseExperiment 3

Grenzwerte Chinchilla 41,0ms und 43,7ms 2,7ms Unterschied

Mensch 37,2ms - 47,5ms 10,3ms Unterschied

ErgebnisseExperiment 3

Experiment 4

Versuchstiere: 1 Chinchilla für den das stimmhafte positiv war

4 Versuchspersonen

Stimuli: /da/vs./ta/, /ga/vs./ka/ und /ba/vs./pa/

Versuch dauerte 30 Tage

ErgebnisseExperiment 4

Grenzwerte:single:

21,3ms /ba/, /pa/

26,7ms /da/, /ta/

41,0ms /ga/, /ka/

mixed: 28,7ms

/da/, /ta/

ErgebnisseExperimente 1-4

Die Grenzwerte (in ms) zwischen stimmhaft und stimmlos werden von bilabial über alveolar zu velar immer größer

Beweis dafür, dass die Chinchillas den vorgegebenen Bereich nicht einfach in der Mitte aufteilen

Fazit

Die Grenzwerte zwischen stimmhaft und stimmlos der Chinchillas

unterscheiden sich nicht von denen des Menschen

Perceptual compensation for coarticulation by Japanese quail

Andrew J. Lotto, Keith R. Kluender, Lori L. Holt 1997

Überblick

Einleitung Frühere Untersuchung Methode Durchführung Ergebnisse Diskussion Kritik

Einleitung

Erfolgreiche sprachliche Kommunikation besteht aus dem Einklang von Produktion und Perzeption

Hypothese von Lotto et al.

Ist die Perzeption wirklich abhängig von der Produktion?

Ist „speech special“?

Frühere Untersuchung

„Effekt von einem vorhergehenden Liquid auf die ‚stop-consonant‘ Wahrnehmung“ (Mann, 1980)

/al/-/ga/ wurde besser wahrgenommen als /ar/-/ga/

Widerspruch zur Koartikulation

Methode des Wachtelexperiments von Lotto et al. 4 Japanische Wachteln Stimuli: CV-Silben /da/ /ga/

hoher F3 onset niedriger F3 onsetF3 variiert von 1800-2700 HzF2 reduziert 1600-1200 HzF1 erhöht von 300-750 HzF0 = 110 Hz

Länge der CV-Silben 250ms

Durchführung Training

2 Wachteln CV mit niedrigem F3 onset (1800-1900Hz)

pos. Verstärkung bei /ga/

2 Wachteln CV mit hohem F3 onset (2600-2700 Hz)

pos. Verstärkung bei /da/

Durchführung

18-22 Std vor der Durchführung kein Essen

Raum mit Taste 15cm über dem Boden auf welche, die Wachtel bei positiver Stimulierung 2 mal häufiger picken soll als bei negativer Stimulierung

Lautsprecher über der Taste

Durchführung

CVs wurden in 3 verschiedenen Kontexten präsentiert /a/ /al/ /ar/

/a/ /al/ /ar/ 50ms Pause /ga/ oder /da/ ≈ Dauer 30s pro Versuch

jedes Silbenpaar wurde alle 1550ms wiederholt bei 70 dB

Durchführung

pos. Verstärkung: 1,5 - 2,5s Zugang zum Essen

neg. Verstärkung: Wachteln sollen für 5s aufhören zu picken

Verhältnis pos.- neg.: 4:1 nach einer Woche 1:1

Durchführung

Wachteln lernten schnell auf die unterschiedlichen F3 Frequenzen zu reagieren

nach 50 Tagen Training (3600 Versuche)

pickten sie bei positiver Stimulierung doppelt so oft als bei negativer Stimulierung

Ergebnisse

Ergebnisse

Wachtel 1 & 2 wurden auf /ga/ trainiert und pickten verstärkt im /al/ Kontext

Wachteln 3 & 4 wurden auf /da/ trainiert und pickten verstärkt im /ar/ Kontext

Vergleichbar mit den Ergebnissen von Mann (1980): Menschen entscheiden sich öfter für /ga/ im /al/ Kontext als im /ar/ Kontext

Diskussion

Wachteln und Menschen zeigen eine ähnliche CV Einteilung

Wachteln weisen keinen Sprachwahrnehmungsprozess auf, der nur für die menschliche Sprache gilt

es muss eine allgemeinen auditiven Ursprung geben

Diskussion

Ergebnisse widerlegen, dass es nur einen Sprach-spezifischen Prozess gibt

(Motor Theory)

Zusammenhang zwischen Sprachwahrnehmung und Produktion ist nicht nur eine menschliche Errungenschaft

Kritik

Sind Tierversuche ethisch vertretbar?

Ist es eine repräsentative Studie mit nur 4 oder weniger Versuchstieren?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!