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Fundberichte aus ÖsterreichHerausgegeben vom Bundesdenkmalamt
Band 53 • 2014
Wien 2016Sigel: FÖ 53, 2014
Alle Rechte vorbehalten© 2016 by Verlag Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., 3580 Hornhttp://www.verlag-berger.at
Herausgeber: Mag. Nikolaus HoferBundesdenkmalamt, Abteilung für ArchäologieHofburg, Säulenstiege, 1010 Wiennikolaus.hofer@bda.athttp://www.bda.at
ISSN 0429-8926E-Book: ISBN 978-3-85028-746-3
Redaktion: Mag. Nikolaus HoferBildbearbeitung: Stefan Schwarz und Franz SiegmethSatz und Layout: Berger CrossmediaLayoutkonzept: Franz SiegmethCovergestaltung: Franz Siegmeth nach einer Vorlage von Elisabeth WölcherCoverbild: Pfahlbau-Monitoring am Attersee (Oberösterreich).Foto: Henrik Pohl, Kuratorium PfahlbautenDruck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., 3580 Horn
Fundchronik 2014
163 Fundchronik 2014
165 Burgenland
175 Kärnten
187 Niederösterreich
283 Oberösterreich
303 Salzburg
325 Steiermark
355 Tirol
381 Vorarlberg
395 Wien
Register
413 Ortsverzeichnis
415 Autorinnen und Autoren
421 Abkürzungsverzeichnis
423 Redaktionelle Hinweise
Inhaltsverzeichnis
7 Editorial
Aufsätze
Bernhard Hebert und Nikolaus Hofer
11 Archäologie im Bundesdenkmalamt 2014
Markus Staudt
41 Die spätbronzezeit liche Siedlung beim Weiler Mairhof im Kaunertal (OG Kaunerberg), Tirol
Doris Schön
83 Bau- und bodenarchäologische Beobachtun-gen im west lichen Vorburgbereich der Burg Güssing, Burgenland
Richárd Horváth
97 Das Rätsel der Holzburg oder: Wie alt könnte die Güssinger (Újvárer) Burg sein?
Beatrix Nutz
111 Spätmittelalter liche und neuzeit liche Textilien aus Goldbergbaugebieten in Österreich
Nikolaus Hofer
123 Keramische Pflanzenabdeckungen aus Wien-Nußdorf, Kahlenberger Straße Nr. 26
Miriam Krög
137 Kinderschuhe als Haussegen – ein Bauopfer aus dem Salzkammergut
Raimund Karl, Johannes Hörhan, Angelika Medek, Tanja Trausmuth, Sophie Unterweger und Mario Wallner
141 Archäologie ist wichtig: Archäologische Inter-essen der österreichischen Bevölkerung
155 Berichte zu Fachgesprächen der Abteilung für Archäologie des Bundesdenkmalamtes
359FÖ 53, 2014
Berichte zu archäologischen Maßnahmen
in Qu. V und Qu. VII ergibt sich eine kontinuier liche Belegung von der ersten Siedlungstätigkeit um die Mitte des 2. Jahr-tausends (Abb. 93) bis zum Verlassen der Siedlung um das 9. Jahrhundert v. Chr. Einige Streufunde der Fritzens-San-zeno-Kultur in auslaufenden Straten der Urnenfelderkultur und an der Grenze zur Humusbildung können bislang nicht mit einer Siedlungstätigkeit der genannten Kultur in Verbin-dung gebracht werden.
Melitta Huijsmans und Robert Krauss
KG Buch, OG Buch in TirolMnr. 87002.14.01 | Gst. Nr. 1196/3 | Bronzezeit, Kupferverhüttungsplatz
Im Oktober 2014 konnten im Rahmen einer Lehrveranstal-tung des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck geophysikalische Messungen zur Abklärung von Befundum-ständen bei einem spätbronzezeit lichen Kupferverhüt-tungsplatz unternommen werden. Diese Produktionsstätte ist bereits im Jahr 2007 von Hanspeter Schrattenthaler und Brigitte Rieser beim Bau eines Forstweges südlich bezie-hungsweise oberhalb der Ruine Rottenburg entdeckt wor-den (siehe FÖ 46, 2007, 645). Im Zuge des an der Universität Innsbruck beheimateten Forschungsprojektes SFB-HiMAT konnten 2010 ansatzweise zwei mehrphasige, mit Holzbret-tern eingefasste Waschrinnen im Straßenprofil ergraben werden. Diese Anlage diente der nassmechanischen Aufbe-reitung von Schlackengrus, um Restmengen von Kupfer aus der Schlacke extrahieren zu können (siehe FÖ 49, 2010, 417).
Im Vorfeld der Messung wurde das Untersuchungsge-biet gerodet. Anschließend wurden mehrere neuzeit liche Eisenfragmente mittels Metallsonde geborgen, da diese die Messungen stören. Die geomagnetischen Untersuchungen wurden direkt an der Südostseite der Forststraße in leicht ansteigendem Gelände auf einer Fläche von ca. 180 m2 durchgeführt. Ursprünglich war vorgesehen gewesen, den nicht ergrabenen Bereich der südlich liegenden Waschrinnen ebenfalls zu prospektieren, allerdings war durch Windbruch ein massiver Baum in diesem Bereich zu liegen gekommen. Eine geophysikalische Messung war an dieser Stelle somit
leider nicht möglich. Ziel der Untersuchungen war es, etwa-ige archäologische Strukturen (Ofenreste, Röstbett, Schla-ckenhalde etc.) zu detektieren, die zur Interpretation dieser Anlage beitragen könnten.
Im sonst relativ homogenen Messbild sind wenige Ano-malien feststellbar, die sich mit Maximalwerten bis zu 200 nT (Nanotesla) abzeichnen. Im Südwesteck der Untersu-chungsfläche ist die Schlackenhalde, die bereits im Profil des Straßenanschnittes sichtbar war, gut zu erkennen. Die Ab-lagerung des Schlackengruses ist im gesamten Böschungs-aufschluss des Forstweges sichtbar, allerdings ist er im an-gesprochenen Bereich nur wenige Dezimeter von erdigem Material überdeckt und somit besser fassbar. Ca. 2 m östlich davon ist eine Störung des Erdmagnetfeldes in Form eines Dipols sichtbar, der vermutlich ein Eisenartefakt darstellt. Weiter östlich ist eine ovale Anomalie sichtbar. Aufgrund der Form und der Messdaten dürfte es sich ebenfalls um eine Anhäufung von Schlackengrus (Schlackenhalde, Durchmes-ser ca. 3 m) handeln.
Am nörd lichen Rand des Messbildes sind drei in regel-mäßigen Abständen angeordnete schwache Abweichungen auffällig, die mög licherweise Öfen andeuten könnten. Die Tatsache, dass das Gelände dort nach Norden hin stärker an-steigt, könnte ebenfalls für eine Interpretation als mehrere mutmaß liche Öfen (Ofenbatterie) sprechen. Ebenso war im nordwest lichen Bereich des Profilaufschlusses bei der Forst-straße am meisten Ofenbruchmaterial (gerötete und ver-schlackte Steine) aufgefallen. Prinzipiell ist Richtung Osten mit geringeren magnetischen Ausschlägen zu rechnen, da die spätbronzezeit lichen Befunde in diesem Bereich stärker von erdig-lehmigem Material überlagert sind.
Markus Staudt, Thomas Bachnetzer und Christoph Baur
KG Finkenberg, OG FinkenbergOG Pfitsch (Italien)Mnr. 87104.14.01 | Gst. Nr. 1862, 1867 | Mittelsteinzeit, Jägerlager | Frühmittel-alter, Lavezabbau | ohne Datierung, Felsritzungen
Als Abschluss des 2011 begonnenen Interreg-IV-Projektes »Pfitscherjoch grenzenlos. Geschichte und Zukunft eines zentralen Alpenüberganges« fanden auf beiden Seiten des Pfitscherjoches erneut archäologische Untersuchungen statt.
Gegenstand der Forschungen auf Südtiroler Seite war eine leicht erhöhte Hügelkuppe auf ca. 2.080 m Seehöhe, etwa 20 bis 40 Höhenmeter unterhalb der Fundstelle »Joch-platte 1«. Dieser als »Jochplatte 2« bezeichnete Lagerplatz wurde bereits 2013 bei Geländeprospektionen aufgrund von Silex- und Bergkristall-Oberflächenfunden entdeckt (siehe FÖ 52, D4116–D4129). Ziel der Kampagne 2014 war es, die ma-ximale Ausdehnung sowie eine möglichst genaue Datierung des Lagers zu ermitteln. Auf einer 10 × 15 m großen Fläche ge-langten elf Quadranten zur Untersuchung. Wegen der eher exponierten Lage der Hügelkuppe war deren Oberfläche in der Vergangenheit starken Witterungsbedingungen aus-gesetzt gewesen, sodass es lediglich zu geringer Humusbil-dung kam und Silex- beziehungsweise Bergkristallartefakte bereits auf natür liche Weise aus dem Boden ausgewittert waren.
Der am Lagerplatz »Jochplatte 1« noch weitgehend er-haltene Podsolboden (SE 2) war in den ergrabenen Quad-ranten des Lagers »Jochplatte 2« – wenn überhaupt – nur mehr sporadisch und sehr dünn erhalten. Die Bleicherde war vor allem an ihrer Oberkante mit einer dunkelbraunen bis
Abb. 93: Brixlegg (Mnr. 83105.14.01). Restauriertes bronzezeit liches Doppel-henkelgefäß.
Tirol
360 FÖ 53, 2014
schwarzen, kohligen Schicht (SE 4), die als Kulturhorizont be-zeichnet werden kann, vermischt. In dieser – vor allem in Qu. A2, Qu. B6–7 sowie Qu. E5–6 enthaltenen – Schicht traten die meisten Funde zutage. In Qu. A8 sowie Qu. E11 war kein Podsolboden vorhanden. Dem teils recht dünnen, sehr stark mit Wurzeln versetzten Humus (SE 1) folgte der gewachsene rostbraune Boden (SE 3). Zudem blieben beide Quadranten komplett fundleer, ein Bild, das sich auch nach der Erweite-rung von Qu. E11 in Richtung Norden (Qu. E10) nicht änderte. Auch in Qu. A3 folgte auf die stark mit Wurzeln versetzte Humusschicht der natürlich anstehende rostbraune Boden.
Im Gegensatz dazu zeigte sich in Qu. A2 die Bleicherde, an deren Oberfläche Bergkristallartefakte zum Vorschein kamen. Die größte Artefaktansammlung trat in Qu. B6–7 sowie Qu. E5–6 auf. Vor allem am Nordrand von B6 fanden sich gehäuft Bergkristallabschläge, -absplisse und -trüm-merstücke sowie ein Abschlag aus einer schwärz lichen Si-lexvarietät. Auch Qu. E5–6 beinhaltete zahlreiche Funde, obwohl auch hier die Bleicherde nur mehr marginal vorhan-den war. Im Vergleich zu Qu. B6–7 traten in Qu. E5–6 größ-tenteils Artefakte aus verschiedenen Silexvarietäten zu-tage, Bergkristallfunde waren hier eher seltener. Die größte Fundhäufung trat an der Südkante von B6 auf, weshalb der Schnitt noch nach Süden erweitert wurde (Qu. B7). Dieser präsentierte sich ebenfalls als sehr fundreich. Zudem fand sich innerhalb dieses Abschnitts eine zunächst intentionell anmutende, ovale Steinsetzung (SE 7), in deren Umfeld sich einige größere und kleinere Holzkohlestücke befanden. Es blieb allerdings bis zum Ende der Grabungsarbeiten fraglich, ob es sich dabei um eine anthropogene Struktur handelt, da sich die Schichtenfolge inner- und außerhalb des Befundes nicht zu verändern schien.
Gegen Ende der Kampagne wurde ein Profil an der nordöst lichen Seite der Quadranten A bis E2 angelegt, um die genaue Abfolge der Stratigrafie des Lagerplatzes »Joch-platte 2« zu klären. Abschließend wurden südlich der Gra-bungsfläche A–J/1–15 zwei Suchschnitte angelegt, die beide eine klare Abfolge von humosem Material, Podsolboden sowie gewachsenem rostbraunem Boden aufwiesen. Hier-bei traten innerhalb des 1,25 m2 großen Suchschnittes 1 eine fragmentierte Klinge aus rotem Silex sowie ein ovales, mög-licherweise aus Lavez bestehendes Objekt in der hier wieder sehr dicken Bleicherde auf. Der östlich davon liegende, 1 m2 große Suchschnitt 2 blieb allerdings, abgesehen von einem noch nicht näher einordenbaren neuzeit lichen Eisenfund, komplett fundleer.
Obwohl das Artefaktspektrum der Grabung eindeutig auf ein mesolithisches Jägerlager hindeutet, wurde eine 14C-analysierte Holzkohlenprobe aus einer Holzkohlenkonzent-ration in Qu. B7, die direkt auf dem gewachsenen Boden SE 3 entnommen wurde, überraschenderweise in die mittlere Bronzezeit datiert (MAMS-22756: 3098±26 BP, 1431–1307 BC cal, Wahrscheinlichkeit: 95,4 %).
Ziel der Untersuchungen auf Nordtiroler Seite war es zum einen, weitere Lavezrohlinge aus den Haldenoberflä-chen der Abbaustellen zu sichern, und zum anderen, einen Suchschnitt durch die Halde des Lavezbruchs 4 anzulegen, um diesen datieren zu können. Wegen der schlechten Witte-rungsverhältnisse war es allerdings nicht möglich, alle Vor-haben zur Gänze auszuführen. So konnten lediglich weitere acht Lavezrohlinge mit eindeutigen Bearbeitungsspuren ge-sichert werden. Drei rund liche Halbfabrikate waren für die Lavezgefäßproduktion bestimmt, bei weiteren drei eckigen Rohformen handelte es sich mög licherweise um Ofenplat-
ten beziehungsweise -kacheln oder auch Gussformrohlinge, und bei zwei unförmig zugearbeiteten Objekten ist die Funktion noch unbekannt.
Die Grabungsarbeiten an der Halde des Lavezbruchs 4 mussten nach dem Entfernen der Grasnarbe wegen des be-reits erwähnten Schlechtwetters gestoppt werden. Unter dem Humus zeigten sich, wie zu erwarten war, teils mit Be-arbeitungsspuren versehene Lavezbruchstücke, bei denen es sich um Abfallprodukte handeln dürfte. Im unmittelbaren Nahbereich des Lavezbruchs 4 konnten zwei weitere klei-nere Lavezaufschlüsse mit Abbauspuren in Form schmaler läng licher Pickspuren und unnatür licher Ausbrüche sowie ein mög licher kleiner Probeschurf mit tiefen läng lichen Suchschlitzen dokumentiert werden.
Im Zuge der Freilegung von Lavezrohlingen in der Halde des Lavezbruchs 1 war es außerdem möglich, auf dem Rü-cken des von Gletscherschliff geprägten Aufschlusses meh-rere Felsritzungen zu erfassen. Bei den Ritzungen handelt es sich um Zahlen und Buchstaben sowie Symbole, deren Bedeutungen noch Gegenstand weiterführender Untersu-chungen sind.
Thomas Bachnetzer, Walter Leitner und Caroline Posch
KG Innsbruck, SG InnsbruckMnr. 81113.14.01 | Gst. Nr. .460 | Hochmittelalter bis Neuzeit, Stadtbefestigung
Die Umbauarbeiten an dem Gebäude Burggraben Nr. 29 wurden im Mai und Juni 2014 archäologisch begleitet. Be-reits 2009 haben an dieser Stelle umfangreiche Grabungen stattgefunden (siehe FÖ 48, 2009, 491–492); damals stand vor allem der Zwingerbereich zwischen Stadtmauer und in-nerer Grabenmauer im Fokus der Untersuchungen. 2014 lag
Abb. 94: Innsbruck (Mnr. 81113.14.01). Fundamentbereich der romanischen Stadtmauer (Ostansicht).
Bericht zu den archäologischen Untersuchungen des Instituts für
Archäologien der Universität Innsbruck am Pfitscherjoch 2014
Gemeinde Finkenberg / Nordtirol Gemeinde Pfitsch / Südtirol
Thomas Bachnetzer, Walter Leitner, Caroline Posch
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D5636
Maßnahmennummer: 87104.14.01
Maßnahmenbezeichnung: Lavezabbaue im Gebiet der Lavitzalm
Bundesland: Tirol
Politischer Bezirk: PB Schwaz
Gemeinde: Finkenberg
Katastralgemeinde: Finkenberg
Grundstücksnummer: 1862 (Interessentengemeinschaft Lavitzalpe), 1867 (Bundesforste)
Anlass für die Maßnahme: Forschungsgrabung, Lehrgrabung
Durchführungszeitraum: 21.07.-25.07. und 28.07.-02.08.2014
Grabungsinhaber: Walter Leitner
Mitarbeiter: Thomas Bachnetzer, Caroline Posch
Verlauf der Maßnahme
Das Pfitscherjoch ist seit 2011 Gegenstand archäologischer Forschungen, die vom Institut für
Archäologien, Fachbereich Ur- und Frühgeschichte, der Universität Innsbruck ausgeführt werden (siehe
FÖ 50, 2011, 406-407, D1881-D1889; FÖ 51, 2012, 421-423, D2656-D2670; FÖ 52, 356-357, D4116-
D4129). Die im Rahmen einer Lehrgrabung ausgerichteten Untersuchungen mussten aufgrund der sehr
schlechten Wetterverhältnisse im Sommer 2014 drastisch eingeschränkt werden. Dennoch gelang es auf
beiden Seiten des Pfitscherjoches interessante Ergebnisse zu erzielen.
Auf Südtiroler Seite des Pfitscherjochs stand das 2013 durch Oberflächenfunde entdeckte mesolithsiche
Jägerlager „Jochplatte 2“ im Fokus der Untersuchungen. Neben mehreren unterschiedlich stark mit
Holzkohle versetzten Befunden, kam eine beachtliche Anzahl an Silex- und Bergkristallartefakten zum
Vorschein. Auf Nordtiroler Seite konzentrierten sich die Arbeiten hauptsächlich auf die Bergung von
bereits oberflächlich sichtbaren Lavezrohlingen sowie auf einen Suchschnitt durch die Halde von
Lavezbruch 4. Wegen der ausgesprochen schlechten Wetterverhältnisse war es lediglich möglich die
Grasnarbe zu entfernen. Während der Untersuchungen im Umfeld der Abbaustelle 4 konnten zwei
weitere kleinere mögliche Lavezbrüche dokumentiert werden. Darüber hinaus gelang es im Zuge der
Bergung von Lavezrohlingen bei Lavezbruch 1, auf dessen von Gletscherschliff geprägtem Rücken,
Felsritzungen nachzuweisen.
Topografie
D5637
Es handelt sich um alpines Gelände ab 2000 m oberhalb der Baumgrenze. Dementsprechend hat sich
mit Ausnahme von ebenen Stellen, an denen die Sedimentation leichter möglich ist, relativ wenig
Humus gebildet. Das Gelände ist außerdem geprägt durch zahlreiche kleinere Felsstürze und
Gebirgsseen.
Technischer Bericht
Südtirol: Bleistiftzeichnungen auf Millimeterpapier / Fotodokumentation: Sony SLT-A65V
Nordtirol: Fotodokumentation: Panasonic Lumix DMC-FZ50; GPS-Gerät: Garmin eTrex Vista Cx
Darstellung der stratigrafischen Einheiten und Objekte
Als Abschluss des 2011 begonnenen Interreg IV Projektes „Pfitscherjoch grenzenlos, Geschichte und
Zukunft eines zentralen Alpenüberganges“ fanden auf beiden Seiten des Pfitscherjoches erneut
archäologische Untersuchungen statt.
Gegenstand der Forschungen auf Südtiroler Seite war eine leicht erhöhte Hügelkuppe auf ca. 2080
m.ü.M., etwa 20-40 Höhenmeter unterhalb der Fundstelle „Jochplatte 1“. Dieser als „Jochplatte 2“
bezeichnete Lagerplatz wurde bereits 2013 bei Geländeprospektionen auf Grund von Silex- und
Bergkristall-Oberflächenfunden entdeckt (siehe FÖ 52, D4116-D4129; Abb. 1).
Abb. 1: Das mesolithische Jägerlager „Jochplatte 2“ in der Mitte des unteren Bildbereichs mit dem Pfitscherjoch im Hintergrund. Foto: Walter Leitner, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.
Ziel der Kampagne von 2014 war es die maximale Ausdehnung sowie eine möglichst genaue
Datierung des Lagers zu ermitteln. In einer 10x15 m großen Fläche, gelangten elf Quadranten zur
Untersuchung (Abb. 2, 3). Durch die eher exponierte Lage der Hügelkuppe war deren Oberfläche in
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der Vergangenheit starken Witterungsbedingungen ausgesetzt, sodass es lediglich zu geringer
Humusbildung kam und Silex- bzw. Bergkristallartefakte bereits auf natürliche Weise aus dem Boden
auswitterten.
Abb. 2: Übersichtsplan der Grabung beim mesolithischen Lagerplatz „Jochplatte 2“. Plan: Caroline Posch, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.
Der am Lagerplatz „Jochplatte 1“ noch weitgehend erhaltene Podsolboden (SE 2) war in den
ergrabenen Quadranten des Lagers „Jochplatte 2“, wenn überhaupt, nur mehr sporadisch und sehr
dünn erhalten. Die Bleicherde war vor allem an ihrer Oberkante mit einer dunkelbraunen bis
schwarzen, kohligen Schicht (SE 4), die als Kulturhorizont bezeichnet werden kann, vermischt. In
dieser, vor allem in den Quadranten A2, B6-7, sowie E5-6 enthaltenen Schicht, traten die meisten
Funde zu Tage. In den Quadranten A8 sowie E11 war kein Podsolboden vorhanden. Dem teils recht
dünnen, sehr stark mit Wurzeln versetzten Humus (SE 1) folgte der gewachsene rostbraune Boden (SE
3). Zudem blieben beide Quadranten komplett fundleer, ein Bild, das sich auch nach der Erweiterung
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des Quadranten E11 in Richtung Norden um den Quadranten E10 nicht änderte. Auch im Quadranten
A3 folgte auf die stark mit Wurzeln versetzte Humusschicht der natürlich anstehende rostbraune
Boden.
Im Gegensatz dazu zeigte sich im Quadranten A2 die Bleicherde an deren Oberfläche
Bergkristallartefakte zum Vorschein kamen.
Die größte Artefaktansammlung trat in den Quadranten B6-7 sowie E5-6 auf. Vor allem am Nordrand
von B6, fanden sich gehäuft Bergkristallabschläge, -absplisse und –trümmerstücke sowie ein Abschlag
aus einer schwärzlichen Silexvarietät. Auch die Quadranten E5-6 beinhalteten zahlreiche Funde,
obwohl auch hier die Bleicherde nur mehr marginal vorhanden war. Im Vergleich zu den Quadranten
B6-7 traten in E5-6 größtenteils Artefakte aus verschiedenen Silexvaritäten zu Tage, Bergkristallfunde
waren hier eher seltener. Die größte Fundhäufung trat an der Südkante von B6 auf, weshalb der
Schnitt noch nach Süden um den Quadranten B 7 erweitert wurde. Dieser präsentierte sich ebenfalls
als sehr fundreich. Zudem fand sich innerhalb dieses Abschnitts eine zunächst intentionell anmutende
ovaloide Steinsetzung (SE 7), in deren Umfeld sich einige größere und kleinere Holzkohlestücke
befanden. Es blieb allerdings bis zum Ende der Grabungsarbeiten fraglich, ob es sich dabei um eine
anthropogene Struktur handelt, da sich die Schichtenfolge inner- und außerhalb des Befundes nicht zu
verändern schien.
Gegen Ende der Kampagne wurde ein Profil an der nordöstlichen Seite der Quadranten A-E 2
angelegt, um die genaue Abfolge der Stratigrafie des Lagerplatzes „Jochplatte 2“ zu klären.
Abschließend wurden südlich der Grabungsfläche A-J 1-15 zwei Suchschnitte angelegt, die beide eine
klare Abfolge von humosem Material, Podsolboden sowie gewachsenem rostbraunen Boden
aufwiesen. Hierbei traten innerhalb des 1,25 m2 großen Suchschnittes 1 eine fragmentierte Klinge aus
rotem Silex sowie ein ovales, möglicherweise aus Lavez bestehendes Objekt in der hier wieder sehr
dicken Bleicherde auf. Der östlich davon liegende, 1 m² große Suchschnitt 2 blieb allerdings,
abgesehen von einem noch nicht näher einordenbaren neuzeitlichen Eisenfund, komplett fundleer.
Obwohl das Artefaktspektrum der Grabung eindeutig auf ein mesolithisches Jägerlager hindeutet,
datiert eine 14C-analysierte Holzkohleprobe aus einer Holzkohlekonzentration in Quadrant B7, die
direkt auf dem gewachsenen Boden SE 3 entnommen wurde, überraschenderweise in die mittlere
Bronzezeit (MAMS-22756: 3098+/-26 BP, 1431-1307 BC cal, Wahrscheinlichkeit: 95,4 %).
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Abb. 3: Quadranten A-E1-15; Abschlusssituation mit den freigelegten Quadranten beim mesolithischen Lagerplatz „Jochplatte 2“. Foto: Thomas Bachnetzer, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.
Abb. 4: Lavezrohlinge aus den Halden der Lavezbrüche 1 und 4. Fotos: Thomas Bachnetzer, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.
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Ziel der Untersuchungen auf Nordtiroler Seite war zum einen weitere Lavezrohlinge aus den
Haldenoberflächen der Abbaustellen zu sichern und zum anderen einen Suchschnitt durch die Halde
des Lavezbruchs 4 anzulegen um diesen Abbau datieren zu können.
Wegen der schlechten Witterungsverhältnisse war es allerdings nicht möglich alle Vorhaben zur
Gänze auszuführen. So konnten lediglich weitere 8 Lavezrohlinge mit eindeutigen Bearbeitungsspuren
gesichert werden. Drei rundliche Halbfabrikate waren für die Lavezgefäßproduktion bestimmt (Abb.
4, Nr. 2), bei weiteren drei eckigen Rohformen handelt es sich möglicherweise um Ofenplatten bzw. –
kacheln oder auch Gussformrohlinge (Abb. 4, Nr. 3 u. 4) und bei zwei unförmig zugearbeiteten
Objekten ist die Funktion noch unbekannt (Abb. 4, Nr. 1).
Die Grabungsarbeiten an der Halde des Lavezbruchs 4 mussten nach dem Entfernen der Grasnarbe
wegen dem bereits erwähnten Schlechtwetter gestoppt werden (Abb. 5). Unter dem Humus zeigten
sich, wie zu erwarten war, teils mit Bearbeitungsspuren versehene Lavezbruchstücke, bei denen es
sich um Abfallprodukte handeln dürfte.
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Abb. 5: Der Suchschnitt durch die Halde des Lavezbruchs 4. Abb. 6: Lavezbruch 4b mit Abbauspuren. Fotos: Thomas Bachnetzer, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.
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Abb. 7: Lavezbruch 4b. Fotos: Thomas Bachnetzer, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.
Abb. 8: Möglicher Lavezprobeschurf zur Feststellung der Stärke. Fotos: Thomas Bachnetzer, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.
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Im unmittelbaren Nahbereich des Lavezbruchs 4 konnten zwei weitere kleinere Lavezaufschlüsse mit
Abbauspuren in Form von schmalen länglichen Pickspuren und unnatürlichen Ausbrüchen sowie ein
möglicher kleiner Probeschurf mit tiefen länglichen Suchschlitzen dokumentiert werden (Abb. 6-8).
Im Zuge der Freilegung von Lavezrohlingen in der Halde des Lavezbruchs 1 war es außerdem möglich
auf dem Rücken des von Gletscherschliff geprägten Aufschlusses mehrere Felsritzungen zu erfassen.
Bei den Ritzungen handelt es sich um Zahlen und Buchstaben sowie Symbole, deren Bedeutungen
noch Gegenstand weiterführender Untersuchungen sind.
Die Feldforschungen am Pfitscherjoch sind vorerst beendet, weitere Untersuchungen sind aber
unbedingt notwendig um den bislang einzigen Lavezabbau Österreichs wissenschaftlich aufarbeiten zu
können.
Dank
Die Projektmitarbeiter des Institutes für Archäologien der Universität Innsbruck danken der
Europäischen Union (Interreg IV Italien-Österreich), der Gemeinde Pfitsch, der autonomen Provinz
Bozen-Südtirol, der Gemeinde Finkenberg, dem Land Tirol, dem Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler
Alpen, der Interessentengemeinschaft Lavitzalpe und den Besitzern des Pfitscherjoch Hauses, den
Österreichischen Bundesforsten sowie dem Forstinspektorat Sterzing für die entgegengebrachte
Förderung und Unterstützung im Zuge der archäologischen Prospektionen und Grabungen.
Fundverbleib
Die Funde verbleiben zur wissenschaftlichen Bearbeitung am Institut für Archäologien der Universität
Innsbruck, Fachbereich Ur- und Frühgeschichte.
Autoren
Thomas Bachnetzer, Walter Leitner, Caroline Posch
Mag. Thomas Bachnetzer, Bakk.
Universität Innsbruck
ATRIUM - Zentrum für Alte Kulturen
Institut für Archäologien
Fachbereich Ur- und Frühgeschichte sowie Mittelalter- und Neuzeitarchäologie
Langer Weg 11 / 3. Stock / 6020 Innsbruck
Email: Thomas.Bachnetzer@uibk.ac.at
Tel.nr.: 0043 (0) 512 507 37512
D5644
ao. Univ.-Prof. Dr. Walter Leitner
Universität Innsbruck
ATRIUM - Zentrum für Alte Kulturen
Institut für Archäologien
Fachbereich Ur- und Frühgeschichte sowie Mittelalter- und Neuzeitarchäologie
Langer Weg 11 / 3. Stock / 6020 Innsbruck
Email: Walter.Leitner@uibk.ac.at
Tel.nr.: 0043 (0) 512 507 37504
Caroline Posch, Bakk.
Liebeneggstraße 16/20 / 6020 Innsbruck
Email: carolineposch@gmx.at
Tel.nr.: 0043 (0) 650 7204342
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