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Anpassen oder nicht? Die Geschichte eines Mathematikers im ...tische Korrespondenz von seiner...

Date post: 03-Aug-2020
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:rr i Volker Mehrmann und Hans Schneider Anpassen oder nicht? The world is what it is; men who are nothing, who allow themselves to become nothing, have no place in it . V. S. Naipaul 1 Die Geschichte eines Mathematikers im Deutschland der Jahre 1933-1950 von Volker Mehrmann und Hans Schneider Helmut Wielandt (1910- 2001) studierte von 1929- 1934 an der Berliner Universitat und promovierte dort am 19.4.1934 unter der Betreuung von lssai Schur 2 und Erhardt Schmidt. 3 Danach war er in der Schriftleitung des lahrbuchs fiber die Fortschrit- te der Mathematik als Hilfsarbeiter beschaftigt. Am 1. 4.1938 erhielt er eine Assistentenstelle an der Uni- versitat Tiibingen wo er am 16.2. 1939 habilitier- te und am 10.11.1939 zum Dozenten fUr Mathe- matik ernannt wurde. 1m September 1939 wurde er zum Wehrdienst eingezogen und nahm an Kriegs- einsatzen in Frankreich und Russland teil. 1m J ah- re 1942 wurde er auf Veranlassung der Luftwaffe zum Zweck theoretischer Arbeiten an das Kaiser- Wilhelm Institut fUr Stromungsforschung in Gottin- gen versetzt und dort auch 1945 unabkommlich ge- stellt. Nach Kriegsende kehrte er nach Tiibingen zu- riick. Dort wurde er am 10.8.45 wegen seiner Mit- gliedschaft in der NSDAP und der SA (seit 1. 5. 1937) vorlaufig amtsenthoben. Diese Amtsenthebung wur- de am 18.10.1945 von der franzosischen Militarre- gierung nach einer politischen Uberpriifung riickgan- gig gemacht, so dass er die Vorlesungstatigkeit im Wintersemester 1945/ 46 an der Universitat Tiibin- gen wieder aufnehmen konnte. Am 15. 10. 1946 wur- de er zum au1&erordentlichen Professor fiir Mathema- tik (insbesondere Analysis) an die Universitat Mainz berufen. Am 24.2.1951 wechselte er dann als Nach- folger von Konrad Knopp4 an die Universitat Tii- 1 A Bend in the River. Vintage Int . Ed ., Random House, 1989. bingen, wo er bis zu seiner Emeritierung als ordentli- cher Professor tatig war. Seine Mathematischen Wer- ke wurden von Bertram Huppert und Hans Schnei- der herausgegeben und sind bei de Gruyter erschie- nen. 5 Dies sind die Fakten. - Was steckt hinter diesem Le- benslauf? Nachdem Helmut Wielandt im Februar 2001 in Schliersee verst orb en ist, wurden einige bisher nicht aufgearbeitete Notizbiicher und zahlreiche mathema- tische Korrespondenz von seiner Familie zur wis- senschaftlichen Aufbereitung und Archivierung zur Verfiigung gestellt. Zu dieser Korrespondenz gehoren auch Briefe von Helmut Wielandts Doktorvater lssai Schur und anderen bekannten Mathematikern. Ba- sierend auf einem dieser Briefe und an Hand weiterer Korrespondenz wird ein typisches Dilemma eines jun- gen Wissenschaftlers zu Beginn der Nazizeit deutlich. Wahrend etablierte Wissenschaftler in gewissem Sin- ne die Moglichkeit hatten, sich "herauszuhalten", war es fUr junge Wissenschaftler sehr schwer, trotz iiber- zeugender wissenschaftlicher Leistungen eine Hoch- schulkarriere zu verfolgen, ohne sich mit dem Natio- nalsozialismus zu arrangieren. Wir mochten den Teil des Lebensweges von Helmut Wielandt von 1933 bis 1950 an Hand von Briefen do- kumentieren und beschranken uns in der Darstellung auf die notwendigsten Kommentare. 6 , 7 2 1875- 1941. 1. Schur promovierte 1901 bei G. Frobenius in Berlin. Von 1916 bis zu seiner Entlassung 1935 war er Professor an der Berliner U niversitat. 3 1876-1959. E. Schmidt promovierte 1905 in Gottingen bei D. Hilbert. Von 1917 bis zu seiner Emeritierung war er Professor an der Berliner Universitat. 4 1882- 1957 . K. Knopp promovierte 1907 bei Schottky an der Berliner Universitat. Von 1926 bis zu seiner Emeritierung 1950 war er Professor an der Universitat Tilbungen . 5 Helmut Wielandt, Mathematische Werke/Mathematical Works, hrsg. von Bertram Huppert und Hans Schneider, Band 11994, Band II 1996. 6 Die historischen Daten der Fugnoten stammen aus den folgenden Quellen: The Mathematics Genealogy Project, http:// hcoonee .math.mankato .msus. edu/index .html; The Mac Tutor History of Mathematics Archive, http://www-groups.des.st-and. ae.ukrhistory/ ; Jahresbericht der DMV, Band 69 , 1968. 7 Wir danken der Familie Wielandt flir die zur Verfilgung Stellung der Unterlagen und die Abdruckgenehmigung.
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Page 1: Anpassen oder nicht? Die Geschichte eines Mathematikers im ...tische Korrespondenz von seiner Familie zur wis ... Tatigkeit. Meine jetzige Stellung bei F.d.M hat mir verhaltnismaBig

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Volker Mehrmann und Hans Schneider

Anpassen oder nicht?

The world is what it is; men who are nothing, who allow themselves to become nothing, have no place in it .

V. S. Naipaul1

Die Geschichte eines Mathematikers im Deutschland der Jahre 1933-1950

von Volker Mehrmann und Hans Schneider

Helmut Wielandt (1910- 2001) studierte von 1929-1934 an der Berliner Universitat und promovierte dort am 19.4.1934 unter der Betreuung von lssai Schur2 und Erhardt Schmidt.3 Danach war er in der Schriftleitung des lahrbuchs fiber die Fortschrit­te der Mathematik als Hilfsarbeiter beschaftigt. Am 1. 4.1938 erhielt er eine Assistentenstelle an der Uni­versitat Tiibingen wo er am 16.2. 1939 habilitier­te und am 10.11.1939 zum Dozenten fUr Mathe­matik ernannt wurde. 1m September 1939 wurde er zum Wehrdienst eingezogen und nahm an Kriegs­einsatzen in Frankreich und Russland teil. 1m J ah­re 1942 wurde er auf Veranlassung der Luftwaffe zum Zweck theoretischer Arbeiten an das Kaiser­Wilhelm Institut fUr Stromungsforschung in Gottin­gen versetzt und dort auch 1945 unabkommlich ge­stellt. Nach Kriegsende kehrte er nach Tiibingen zu­riick. Dort wurde er am 10.8.45 wegen seiner Mit­gliedschaft in der NSDAP und der SA (seit 1. 5. 1937) vorlaufig amtsenthoben. Diese Amtsenthebung wur­de am 18.10.1945 von der franzosischen Militarre­gierung nach einer politischen Uberpriifung riickgan­gig gemacht, so dass er die Vorlesungstatigkeit im Wintersemester 1945/ 46 an der Universitat Tiibin­gen wieder aufnehmen konnte. Am 15. 10. 1946 wur­de er zum au1&erordentlichen Professor fiir Mathema­tik (insbesondere Analysis) an die Universitat Mainz berufen. Am 24.2.1951 wechselte er dann als Nach­folger von Konrad Knopp4 an die Universitat Tii-

1 A Bend in the River. Vintage Int. Ed., Random House, 1989.

bingen, wo er bis zu seiner Emeritierung als ordentli­cher Professor tatig war. Seine Mathematischen Wer­ke wurden von Bertram Huppert und Hans Schnei­der herausgegeben und sind bei de Gruyter erschie­nen. 5

Dies sind die Fakten. - Was steckt hinter diesem Le­benslauf?

Nachdem Helmut Wielandt im Februar 2001 in Schliersee verst orb en ist, wurden einige bisher nicht aufgearbeitete Notizbiicher und zahlreiche mathema­tische Korrespondenz von seiner Familie zur wis­senschaftlichen Aufbereitung und Archivierung zur Verfiigung gestellt. Zu dieser Korrespondenz gehoren auch Briefe von Helmut Wielandts Doktorvater lssai Schur und anderen bekannten Mathematikern. Ba­sierend auf einem dieser Briefe und an Hand weiterer Korrespondenz wird ein typisches Dilemma eines jun­gen Wissenschaftlers zu Beginn der Nazizeit deutlich. Wahrend etablierte Wissenschaftler in gewissem Sin­ne die Moglichkeit hatten, sich "herauszuhalten", war es fUr junge Wissenschaftler sehr schwer, trotz iiber­zeugender wissenschaftlicher Leistungen eine Hoch­schulkarriere zu verfolgen, ohne sich mit dem Natio­nalsozialismus zu arrangieren.

Wir mochten den Teil des Lebensweges von Helmut Wielandt von 1933 bis 1950 an Hand von Briefen do­kumentieren und beschranken uns in der Darstellung auf die notwendigsten Kommentare. 6 , 7

2 1875- 1941. 1. Schur promovierte 1901 bei G. Frobenius in Berlin. Von 1916 bis zu seiner Entlassung 1935 war er Professor an der Berliner U niversitat. 3 1876-1959. E . Schmidt promovierte 1905 in Gottingen bei D. Hilbert. Von 1917 bis zu seiner Emeritierung war er Professor an der Berliner Universitat. 4 1882- 1957. K. Knopp promovierte 1907 bei Schottky an der Berliner Universitat. Von 1926 bis zu seiner Emeritierung 1950 war er Professor an der Universitat Tilbungen. 5 Helmut Wielandt, Mathematische Werke/Mathematical Works, hrsg. von Bertram Huppert und Hans Schneider, Band 11994, Band II 1996. 6 Die historischen Daten der Fugnoten stammen aus den folgenden Quellen: The Mathematics Genealogy Project, http:// hcoonee .math.mankato .msus. edu/index .html; The Mac Tutor History of Mathematics Archive, http://www-groups.des.st-and. ae.ukrhistory/ ; Jahresbericht der DMV, Band 69, 1968. 7 Wir danken der Familie Wielandt flir die zur Verfilgung Stellung der Unterlagen und die Abdruckgenehmigung.

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Abbildung 1. Issai Schur an H.W., 21. 7. 1935

Wir beginnen die Dokumentation mit einem Auszug aus einem Lebenslauf von H. W. vom 19.3.1949;

Anschliessend [nach der Promotion] iibernahm ich eine gering bezahlte Tatigkeit als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter der Preussischen Akademie der Wissen­schaften, in der Schriftleitung des Jahrbuchs iiber Fortschritte der Mathematik. Meine Bemiihungen urn einen Assistentenstelle blieben erfolglos, da ich mich jeder politischen Betatigung enthielt. Nach der Verof­fentlichung des Deutschen Beamten-Gesetzes erkann­te ich die Aussichtslosigkeit des Versuchs, durch rein wissenschaftliche Leistungen in die Hochschullauf­bahn zu gelangen, und erklarte 1937 meinen Eintritt in NSDAP und SA. 1938 erhielt ich die Assisten­tenstelle am Mathematischen Institut der Universitat Tiibingen auf Empfehlung von Schur gegen Einwan­de des DozentenschaftsfUhrers. In Tiibingen erhielt ich am 16.2. 1939 den Titel eines Dr. phil. habil. und die Dozentur fUr Mathematik am 10.11.1939. Am 9.9.1939 zum Wehrdienst einberufen, nahm ich bei der Heeres-Artillerie an Feldziigen in Frankreich und Russland teil (1941 zum Unteroffizier befordert), bis ich nach kurzen Unterstellungen unter andere Heeres­einheiten, auf Veranlassung der Luftwaffe zum Zweck

Anpassen oder nicht?

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theoretischer Arbeiten dem Kaiser-Wilhelm-Institut fUr Stromungsforschung in Gottingen als Arbeitsur­lauber iiberwiesen wurde (18.7.1942); spater wurde ich zum gleichen Zweck uk-gestellt (15.2.1945). Der Riickmeldung bei der NSDAP konnte ich mich 1942-1945 entziehen. Nach Kriegsende kehrte ich nach Tii­bingen zuriick. Die gegen mich als Pg. [Parteigenosse] ausgesprochene vorlaufige Amtsenthebung wurde von der franzosischen Militarregierung am 18. 10. 1945 riickgangig gemacht, so dass ich die Assistenten­und Vodesungstatigkei t im Wintersemester 1945/6 aufnehmen konnte. Zum 15.10.1946 wurde ich als planm. a~. Professor fUr Mathematik (insb. Analy­sis) an die Universitat Mainz berufen. Laut Ent­scheidung der dortigen Universitats-Spruchkammer [31. 7.1948] falle ich unter die Amnestie gemass Ver­ordnung Nr. 133 der franzosischen Militarregierung.

o Die restliche Dokumentation geht chronologisch vor, beginnend mit einem A uszug aus einem Brief von Issai Schur vom 21. 7. 1935 (Abbildung 1).

Ich habe neulich Prof. F. K. Schmidt8 , als er mich be-

8 1901-1977. F.K. Schmidt promovierte 1925 in Freiburg bei A. Loewy und war von 1952 bis zu seiner Emeritierung Professor in Heidelberg.

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Volker Mehrmann und Hans Schneider

suchte, aufs nachdriicklichste auf Sie [ ... ] aufmerk­sam gemacht. Sie miissen auch von sich aus dafUr sorgen, daB, sobald eine Assistenstelle frei wird, Ih­rer Mehrung nichts im Wege steht. Ich horte, daB jetzt die "Dozentenschaften" die Zentralstelle fUr den Nachweis von Kandidaten fUr Assistenstellen bilden. Ich mochte Ihnen raten Erkundigungen einzuziehen.

[gez. Ihr Schur]

o

1m Jahre 1938 erhiilt H. W. die Assistentenstelle in Tiibingen. Auszug eines Briefes von Prof. Dr. Hell­muth Knese"IJ vom 1.2. 1938:

Sehr geehrter Herr Dr. Wielandt!

Zum 1. April dieses Jahres ist die Assistentenstel­Ie am hiesigen Seminar neu zu besetzen. 1m Einver­standnis mit meinem Kollegen und Mitdirektor des Seminars mochte ich Sie fragen, ob Sie die Stelle iiber­nehmen wollen. [ . .. ] Eigene wissenschaftliche Arbeit Ihrerseits ist erwiinscht. Koll. Knopp und ich haben sogar den Grundsatz aufgestellt, daB die Assisten­tentatigkeit bei Fehlen eigener wissenschaftlicher Ar­beit grundsatzlich auf zwei Jahre beschrankt sein solI. Bei Ihnen geben uns Ihre bisherigen Leistungen die Hoffnung, daB dieser Grundsatz nicht angewandt zu werden braucht. Wenn Sie noch wei teres zu wissen wiinschen, fragen Sie nur danach!

Mit best em GruB und Heil Hitler! [gez. H. Kneser]

Von der Antwort von H. W . an Kneser vom 5. 2. 1938 ist nur ein Entwurf bzw. eine handschriftliche Kopie vorhanden (A bbildung 2).

leh habe mir derartige Tatigkeit schon lange ge­wiinscht u. wiirde die Stelle gem iibemehmen. Beson­ders freut mich d. Aussicht auf wiss. Tatigkeit. Meine jetzige Stellung bei F.d.M hat mir verhaltnismaBig wenig Zeit dazu gelassen. Ich mochte mich gem in absehbarer Zeit habilitieren und bin seit einiger Zeit mit einer groBeren Arbeit beschaftigt. Diesen erfreulichen Aussichten gegeniiber wiirde in meinen Augen die wirtschaftliche Verschlechterung, die diese Stelle fUr mich voraus. bedeuten wiirde -ich habe mit meiner Frau zusammen 400 - brutto -nicht sehr ins Gewicht fallen [ ... ] Ich gehore der SA an, zum Wehrdienst bin ich noch nicht gemustert.

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Abbildung 2. H.W. an Kneser am 5.2.1938. Entwurf bzw. handschriftliche Kopie

9 1898- 1973. H. Kneser promovierte 1921 bei D. Hilbert in G6ttingen. Von 1937 bis zu seiner Emeritierung Professor an der UniversiUit Tiibingen.

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Abbildung 3. Brief der Dozentenschaft der Universitiit Tiibin­gen vom 18.2.1938

Mit herzlichem Dank fUr Ihren freundlichen Brief und Heil Hitler

Ihr sehr ergebener H.W.

o

Nach zwei weiteren Briefen von Kneser zu den be­notigten Unterlagen und den Verdienstmoglichkeiten fur Wielandts Frau vom 10.2.1938 und 16.2.1938, die wir nicht dokumentieren, folgt in der Chronologie (Abbildung 3):

Brief der Dozentenschaft der Universitat Tiibingen yom 18.2. 1938:

Ich bitte Sie haflichst in Ihrem Interesse urn baldi­ge Auskunft ob Sie der Partei oder einer ihrer Glie­derungen angehoren. Wenn ja, bitte ich urn genaue Anschrift der entsprechenden Formation. Gleichzeitig bitte ich den Fragebogen auszufUllen und mir mog­lichst bald zuriickzusenden.

Heil Hitler! (gez. Schwenk), Leiter der Dozentenschaft u.d.N.S.D.-Dozentenbunds.

Dieser Brief wurde von H. W. am 22. 2. 1939 beant­wortet. Die Antwort liegt nicht vor.

o

Anpassen oder nicht?

A uszug aus dem Brief von H. K neser vom 16. 3. 1938.

Dafl. Ihre Angelegenheit etwas langer dauert, liegt an Ihrer Jugend als SA-Mann. Als der Dozentenschafts­leiter erfuhr, dafl. Sie erst seit 1937 der SA angehoren, zog er ein etwas schiefes Gesicht. Von dem, was er bei seinen pflichtgemafl.en Erkundigungen erfahrt, hangt der weitere Verlauf abo Knopp und ich sahen in dem, was wir iiber Sie erfuhren, hinreichende Gewahr da­fUr, dafl. Sie politisch ,,richtig" sind, aber die politi­sche Begutachtung ist Sache des Dozentenschaftslei­ters. In den nachsten Tagen hoffe ich Ihnen endgiiltigen Bescheid geben zu konnen.

Mit bestem Grufl. und Heil Hitler! Ihr [gez. H. Kneser]

o

Danach erfolgt zum 1.4.1938 die Einstellung auf die Assistentenstelle in Tubingen und am 9.9.1939 die Einberufung.

Auszug aus Weinberger 8.10.1941:

o

einem Brief von Fl. -Stabsingenieur zm Reichsluftfahrtministerium vom

Sehr geehrter Herr Dr. Wielandt !

Herr Prof. Knopp und Herr Prof. Kamke10 haben mich auf Sie aufmerksam gemacht, dafl. Sie fUr den Einsatz von Arbeiten der Luftfahrtforschung eine wertvolle Kraft sein wiirden. 1930 harte ich Vorle­sungen bei Prof. Knopp in Tiibingen. Ich mochte nun anfragen, ob Sie selbst Interesse haben an mathematischen Aufgaben der Aerodyna­mik mitzuarbeiten. Es kame eine UK-Stellung und Zusammenarbeit mit dem Aerodynamischen Institut der DVL, in Berlin-Adlershof, in Frage, dessen Leiter Prof. Quick ist. Ware es Ihnen moglich, wenn man Ihnen geniigend Zeit dazu lassen wiirde, sich in die mathematische Aerodynamik einzuarbeiten? Der Aufgabenkreis be­trifft: Funktiontheorie, Potentialtheorie und Integral­gleichungen. Beispiele aus verschiedenen Gebieten liegen zur Auswahl vor. Die Hauptfrage ist die, haben Sie eine ausgesprochene Abneigung gegen die Anwen­dung der Mathematik auf die Physik und Technik? Bei Interesse und gut em Willen ist eine Einarbeitung in die Anwendungsgebiete der Mathematik bestimmt moglich. Falls Sie sich fUr dieses Gebiet interessieren,

101890-1961. E . Kamke promovierte 1921 bei E. Landau in Giittingen und war von 1926 bis zu seiner Emeritierung Professor an der Universitiit Tiibingen.

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Volker Mehrmann und Hans Schneider

bitte ich Sie, mir einen kurz gefal5ten Lebenslauf, ei­ne einfache Bewerbung eventuell Zeugnisabschriften und Lichtbild zu schicken. Herrn Prof. Kamke habe ich gebeten sich an Ihre Frau Gemahlin in Tiibingen zu wenden, zur Besor­gung der beiden UK-Karten yom Arbeitsamt Tiibin­gen und Ausfiillung derselben. Teilen Sie mir bitte auch Ihre Tiibinger Anschrift mit. Nach einem Erlal5 des Fiihrers, konnen die sich bei der Feld-Wehrmacht befindenen Soldaten erst ab J a­nuar 1942 UK-gestellt werden. Ich werde jedoch ver­suchen, wegen der grol5en Wichtigkeit Ihrer Mitar­beit, eine namhafte UK-Stellung fUr Sie zu erreichen.

Heil Hitler [gez. Weinberger]

Antwort von H. W. an Fl.-Stabsingenieur Weinberger im Reichsluftfahrtministerium:

1m Felde 25. 10. 41

Sehr geehrter Herr Stabsingenieur! Auf Ihre Anfrage yom 8.10. betr. Zusammenarbeit mit dem Aerodynamischen Institut der DVL habe ich zu antworten: Ich habe ein erhebliches Interesse daran, mich auf irgendeinem Teilgebiet der Technik mit den Anwen­dungen der Mathematik vertraut zu machen und auf diesem Gebiet selbstandig zu arbeiten. Meine Griinde: Erstens glaube ich, dal5 eine selbst erarbeitete Kenntnis der Bediirfnisse der Praxis auch bei einem Hochschullehrer der reinen Mathematik am Platze ist; und zweitens, dal5 sich gegenwartig, min­destens fiir die Dauer des Krieges, jeder Forscher fiir die Losung der unmittelbar kriegswichtigen Aufga­ben einsetzen sollte. Das Gebiet der Aerodynamik wiirde mir gut liegen. Da ich mich viel mit Funktionentheorie und etwas mit Integralgleichungen beschaftigt habe, glaube ich mich in kurzer Zeit einarbeiten zu konnen. Einen kurzgefal5ten Lebenslauf lege ich bei. Eine Bewerbung darf und will ich als Soldat nicht einreichen.

Heil Hitler [gez H.W.] Uffz., 03974

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Abbildung 4. Brief des Rektors der Universitat Tiibingen an H.W. vom 10. 9.1945

Auszug aus einem Brief des Leiters des Arbeitskrei­ses Mathematik beim Reichsforschungsmt, Prof. Dr. W. Siissll vom 8.11.1944:12

Sehr geehrter Herr Dr. Wielandt!

Da ich beabsichtige, Sie dem Reichsforschungsrat in­nerhalb einer Sonderaktion fiir Forschungszwecke zur Riickholung in Vorschlag zu bringen, bitte ich urn moglichst genaue Angaben. [ . . . ] Sollten Sie hinsicht­lich Ihrer Einschaltung in Kriegsforschungsaufgaben besondere Wiinsche haben, so bitte ich urn genaue Darlegung. Da die Angelegenheit drangt, ist umge­hende Beantwortung notwendig.

Mit kollegialem Grul5 Heil Hitler! [gez. Siil5]

o Brief des Rektors der Universitiit Tiibingen an H. W. vom 10.9.1945 (Abbildung 4):

Sehr geehrter Herr Kollege,

ich habe Ihnen zu meinem grol5en Bedauern im Auf­trage der Landesverwaltung fiir Kultur Erziehung und Kunst mitzuteilen, dal5 Sie im Zuge der poli­tischen Sauberung des Lehrkorpers der Universitat mit sofortiger Wirkung vorlaufig Ihres Amtes entho­ben sind. Die Bezahlung Ihrer Dienstbeziige wird am 1. Okto­ber 1945 eingestellt.

Ihr ganz ergebener [gez. Schneider]

111895-1958. W. Siiss promovierte 1919 in Berlin bei L. Bieberbach und war von 1934 bis 1958 Professor an der Universitat Frei­burg. Vgl. Volker R. Remmert, Griff aus dem Elfenbeinturm. Mathematik, Macht und Nationalsozialismus: das Beispiel Freiburg. DMV Mitteilungen 3- 1999, 13- 24. 12 Es ist unklar ob sich dieser Brief auf die Versetzung von der Front an ein Forschungsinstitut bezieht, dann miisste das Datum 1941 sein, oder ob sich der Brief auf die uk-SteHung bezieht, die Anfang 1945 stattfand. Bis dahin war H.W. nur zu Forschungs­zwecken beurlaubt.

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Abbildung 5. Schreiben des Rektors der Universitiit Tiibingen vom 18. 10. 1945 zur Wiedereinstellung

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A uszug aus einem Brief von H. W. an den Rektor der Universitiit Tiibingen vom 12.9.1945:

Bis zum Jahr 1937 habe ich mich jeder politischen Betatigung oder Bindung vollkommen enthalten. Ich sah und sehe mein Lebensziel in der freien Forschung und Lehre auf dem Gebiete der Mathematik. Das Ur­teil meiner Lehrer an der Universitat Berlin, Isai [sic] Schur und Erhard Schmidt, und besonders das bei meiner Doktorpriifung 1934 erhaltene Pradikat gab mir sachlich aIle Anwartschaft auf den Eintritt in die Laufbahn als Hochschullehrer. Doch wurde ich bei der Besetzung der in den folgenden Jahren in Berlin frei werdenden Assistentenstellen regelmagig iiber­gangen, offensichtlich wegen meiner politischen Zu­riickhaltung und meines vorurteilslosen Verkehrs mit jiidischen Kommilitonen und meinem Lehrer Schur.

Meine immer wiederholten Versuche, den Widerstand der an der Berliner U niversitat politisch herrschen­den Kreise auf sachlichem Wege, durch mathemati­sche Veroffentlichungen, Arbeitszirkel und Gastvor­trage zu iiberwinden, blieben erfolglos.

Die gering bezahlte Tatigkeit als Hilfsarbeiter der Preussischen Akademie der Wissenschaften liess mir nicht geniigend Zeit zum Ausarbeiten meiner gros­seren Untersuchungen und gab mir auch nicht die Moglichkeit zur Griindung einer Familie. Nach drei Jahren sah ich mich vor die Wahl gestellt, entweder wissenschaftlich Minderwertigen das Feld zu iiberlas­sen und auf die Hochschullaufbahn fUr unabsehbare Zeit zu verzichten, oder mich der damals zum minde­sten in Berlin herrschenden Forderung zu beugen, die

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Abbildung 6. Amnestiebescheinigung vom 31. 7. 1949

von allen jiingeren Beamtenanwartern die Mitglied­schaft in NSDAP und SA verlangte. 1937 erklarte ich meinen Eintritt. Ein Jahr spater setzte der gegen­wartige Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultat, Herr Prof. Knopp auf Empfehlung von Schur me i­ne Ernennung zum Assistenten am hiesigen mathe­matischen Institut gegen den Dozentenschaftsfiihrer durch.

Wahrend der Dauer meiner Mitgliedschaft (1937-1939) beschrankte ich meine politische Tatigkeit auf die Zahlung der Mitgliedsbeitrage und die Teilnahme an der sport lichen Ausbildung der SA. Ich hatte we­der ein Amt inne, noch habe ich mich jemals in Wort oder Schrift fiir den Nationalsozialismus eingesetzt. Seitdem meine Mitgliedschaft durch die Einberufung zur Wehrmacht zum Ruhen kam, konnte ich mich von der Parteitatigkeit vollstandig freihalten, sogar als ich 1942 von der Wehrmacht nach Gottingen zunachst beurlaubt und spater uk-gestellt wurde.

In den vergangenen 11 Jahren bin ich durch die Intoleranz und durch den Krieg an der Durchfiih­rung der geplanten und begonnenen Arbeiten ver­hindert worden. Ich bitte, mir durch Fortsetzung der Hochschullaufbahn Gelegenheit hierzu zu geben und die gegen mich ausgesprochene vorlaufige Amtsent­hebung riickgangig zu machen. I3

o Auszug aus der politischen Beurteilung von H. W. durch Konrad Knopp vom 8.8.1947:

Seine Anstellung als Assistent begegnete s. Z. erheb­lichen Bedenken der DozentenfUhrung der Universi­tat Tiibingen, weil Herr W. erst seit dem 1. 5.1937

13 Siehe auch Jochen Briining, Dirk Ferus und Reinhard Siegmund-Schultze, Terror and Exile. Persecution and Expulsion of Mathematicians from Berlin between 1933 and 1945. DMV 1998.

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Volker Mehrmann und Hans Schneider

(also damals seit kaum einem Jahr) der Partei und der SA angehorte und sich in keiner Weise politisch betatigt hatte. Hinzu kam, daiS Herr W. uns beson­ders von seinemjudischen Lehrer, dem Mathematiker Prof. Dr. Issai Schur (Universitat Berlin) empfohlen worden war. Seine wissenschaftlichen Leistungen ga­ben dann doch schlieiSlich den Ausschlag. [ ... ] In den Dozentenbund ist er wohl automatisch aufgenommen worden. Da er aber die ganze Zeit bei der Wehrmacht war, hat das keinerlei Bedeutung gehabt. Er hat sich, solange ich ihn kenne, nicht nur nicht im Sinne der NSDAP politisch betatigt, sondern sich wahrend der ganzen Zeit von allem politischen Treiben vollig fern gehalten. Er hat seine Mitgliedschaft bei der Partei weder zu eigenem N utzen noch zum Schaden anderer benutzt. Ich kann aus ehrlichster Uberzeugung versi­chern, daiS er sich in keinerlei Sinn etwas von dem na­tionalsozialistischen Gedankengut zu eigen gemacht hat.

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Eidesstattliche Erklarung am 29.4.1950 von H. W. anlasslich seiner Verbeamtung auf Lebenszeit in Mainz:

Ich erklare hiermit an Eides Statt: Ich trat in die NSDAP und Nebengliederungen ein, urn die Mog­lichkeit der Beschaftigung in meinem Beruf als Hoch­schullehrer der Mathematik zu erhalten.

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Auszug aus einem Brief von Bernhard Neumann14

vom 25.2.1964 an Hans Schneider im Zusammen­hang mit einer Einstellung von H. Wielandt als tenured professor an der University of Wisconsin.

Dear Hans,

I am tempted not to answer your new query about Wielandt, because firstly I feel strongly that consid­erations of our colleagues' political past are irrele­vant, and really none of our business, especially if

this past is twenty or more years ago; secondly with a man of Wielandt's stature it is sheer presumption of anybody of our size to query his qualifications: he has been accepted in the United States for the past ten years, not just by the University of Wisconsin, but by other reputable universities, and any query at this stage is well behind the times. However , just in Wielandt's case your query is easily answered, and I will, therefore, let you have the little but significant information that I possess. Wielandt was amongst the last people to attend the study group of Robert Remak15 in Berlin, at a time when this could be seriously detrimental to the academic career of anybody found doing this. I have this on the authority of Hanna [B. Neumanns Frau16 ] who was there at the time (and also was amongst this last faithful band of participants).

Yours sincerely, [gez. Bernhard]

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Wie hatten Sie sich verhalten?

Adresse der Autoren Prof. Dr. Volker Mehrmann Institut fur Mathematik MA 4-5 Technische Universitat Berlin 10623 Berlin mehrmann@math . tu-berlin.de

Prof. Dr. Hans Schneider Department of Mathematics University of Wisconsin Madison, Wi 53706, USA hans@math . wisc . edu

14 Geboren 1909. B. Neumann promovierte 1932 bei 1. Schur und E. Schmidt in Berlin. Von 1962 bis zu seiner Emeritierung war er Professor an der Australian National University in Canberra. 151888- 1942. R. Remak promovierte 1911 in Berlin bei G. Frobenius. Von 1929 bis zu seiner Entlassung 1933 war er an der Berliner Universitiit beschiiftigt. 16 1914-1971. Ab 1963 an der Australian National University in Canberra bis zu ihrem Tod.


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