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Art. 5 lit. c UWG – reloadedf99dadbe-fb90-4d6e-a9f6...Dokument sic! 2018 S. 595 Autor Florent...

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Dokument sic! 2018 S. 595 Autor Florent Thouvenin Titel Art. 5 lit. c UWG – reloaded Seiten 595-614 Publikation sic! - Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations- und Wettbewerbsrecht Herausgeber Marc Amstutz, Mathis Berger, Reto M. Hilty, Anne- Virginie La Spada, Eugen Marbach, Cyrill P. Rigamonti, Jacques de Werra, Gregor Wild Frühere Herausgeber Ivan Cherpillod, Michel Jaccard, Jürg Müller, Michael Ritscher, Werner Stieger, Rolf H. Weber ISSN 1422-2019 Verlag Schulthess Juristische Medien AG sic! 2018 S. 595 Art. 5 lit. c UWG – reloaded Florent Thouvenin * In den dreissig Jahren seiner Geltung hat Art. 5 lit. c UWG in der Rechtsprechung kaum Spuren hinterlassen. Der wichtigste Grund liegt im Verständnis des Tatbestandsmerkmals des angemessenen eigenen Aufwands, das eine sinnvolle Anwendung der Bestimmung oftmals verhindert. Der vorliegende Beitrag unternimmt den Versuch, dieses Tatbestandsmerkmal neu zu denken, damit Art. 5 lit. c UWG die ihm zugedachte Funktion doch noch erfüllen kann. En trente années de validité, l’art. 5 let. c LCD n’a laissé que peu de traces jurisprudentielles. La raison la plus importante réside dans la compréhension de l’élément constitutif du sacrifice correspondant qui empêche souvent une application sensée de la disposition. La présente contribution vise à repenser cet élément constitutif afin que l’art. 5 let. c LCD puisse encore remplir sa fonction initialement pensée. I. Einleitung Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen Wettbewerbsteilnehmer mit den Mitteln des Rechts verhindern können, dass ihre Konkurrenten identische oder ähnliche Produkte anbieten, beschäftigt Gesetzgeber, Rechtsprechung und Lehre seit jeher. Nicht nur, aber auch in der Schweiz. Sind diese Produkte nicht durch * Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, ausserordentlicher Professor für Informations- und Kommunikationsrecht an der Universität Zürich. Meiner wissenschaftlichen Assistentin, MLaw Nicole Ritter, danke ich für die Mithilfe bei den Recherchen und beim Erstellen der Fussnoten sowie für die Vorarbeiten zur Analyse der Rechtsprechung. User-ID: [email protected], 03.12.2018 14:24:37
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Page 1: Art. 5 lit. c UWG – reloadedf99dadbe-fb90-4d6e-a9f6...Dokument sic! 2018 S. 595 Autor Florent Thouvenin Titel Art. 5 lit. c UWG – reloaded Seiten 595-614 Publikation sic! - Zeitschrift

Dokumentsic! 2018 S. 595

Autor Florent Thouvenin

Titel Art. 5 lit. c UWG – reloaded

Seiten 595-614

Publikation sic! - Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations-und Wettbewerbsrecht

Herausgeber Marc Amstutz, Mathis Berger, Reto M. Hilty, Anne-Virginie La Spada, Eugen Marbach, Cyrill P.Rigamonti, Jacques de Werra, Gregor Wild

Frühere Herausgeber Ivan Cherpillod, Michel Jaccard, Jürg Müller, MichaelRitscher, Werner Stieger, Rolf H. Weber

ISSN 1422-2019

Verlag Schulthess Juristische Medien AG

sic! 2018 S. 595

Art. 5 lit. c UWG – reloaded

Florent Thouvenin*

In den dreissig Jahren seiner Geltung hat Art. 5 lit. c UWG in derRechtsprechung kaum Spuren hinterlassen. Der wichtigste Grund liegt imVerständnis des Tatbestandsmerkmals des angemessenen eigenen Aufwands,das eine sinnvolle Anwendung der Bestimmung oftmals verhindert. Dervorliegende Beitrag unternimmt den Versuch, dieses Tatbestandsmerkmal neuzu denken, damit Art. 5 lit. c UWG die ihm zugedachte Funktion doch nocherfüllen kann.

En trente années de validité, l’art. 5 let. c LCD n’a laissé que peu de tracesjurisprudentielles. La raison la plus importante réside dans la compréhension del’élément constitutif du sacrifice correspondant qui empêche souvent uneapplication sensée de la disposition. La présente contribution vise à repensercet élément constitutif afin que l’art. 5 let. c LCD puisse encore remplir safonction initialement pensée.

I. EinleitungDie Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen Wettbewerbsteilnehmermit den Mitteln des Rechts verhindern können, dass ihre Konkurrenten identische oderähnliche Produkte anbieten, beschäftigt Gesetzgeber, Rechtsprechung und Lehre seitjeher. Nicht nur, aber auch in der Schweiz. Sind diese Produkte nicht durch

* Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, ausserordentlicher Professor für Informations- undKommunikationsrecht an der Universität Zürich. Meiner wissenschaftlichen Assistentin,MLaw Nicole Ritter, danke ich für die Mithilfe bei den Recherchen und beim Erstellender Fussnoten sowie für die Vorarbeiten zur Analyse der Rechtsprechung.

User-ID: [email protected], 03.12.2018 14:24:37

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Immaterialgüterrechte geschützt, stellt sich regelmässig die Frage, ob dasWettbewerbsrecht (UWG) eingreifen kann. Dies wirft nicht nur die Frage nach demVerhältnis von Immaterialgüterrecht und UWG auf1, sondern fordert vor allem Letzteresgrundlegend heraus.

Für das Wettbewerbsrecht (UWG) hat sich, nicht zuletzt unter dem Einfluss derökonomischen Analyse des Rechts2, die Ansicht durchgesetzt, dass Nachahmungengrundsätzlich zulässig sein müssen, weil sie die Verbreitung von Innovationen fördernund zu sinkenden Preisen führen3. Diese Einsicht

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findet ihren Ausdruck im fundamentalen und heute allgemein anerkannten Grundsatzder Nachahmungsfreiheit4. Dieser stellt klar, dass es jedermann frei steht, dieErzeugnisse eines Konkurrenten nachzuahmen und ebenfalls anzubieten, sofern keinSchutz durch Immaterialgüterrechte besteht.

Eine Nachahmung liegt vor, wenn ein Erzeugnis nach einer bestimmten Vorlage mehroder minder detailgetreu nachgebildet wird, ohne dass diese Vorlage in dasReproduktionsverfahren einbezogen worden ist5. Die Nachahmung basiert damit aufeinem gedanklichen Vorgang, bei welchem das nachzuahmende Erzeugnis vomNachahmer analysiert wird, um mithilfe der so gewonnenen Erkenntnisse ein

1 Siehe dazu in jüngerer Zeit: A. Heinemann, Lauterkeitsrecht und Immaterialgüterrecht,in: R. Heizmann / L. D. Loacker (Hg.), Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb,Kommentar, Zürich / St. Gallen 2018, § 5; eingehend F. Thouvenin, FunktionaleSystematisierung von Wettbewerbsrecht (UWG) und Immaterialgüterrechten, Köln/ Berlin /München 2007.

2 A. Jenny, Die Nachahmungsfreiheit, Zürich 1997, Rn. 112 ff., 210; W.R. Schluep,Wirtschaftsrechtliche Punktationen zum Verhältnis wettbewerbsrechtlicher Normen (amBeispiel der Nachahmung fremder Leistungen), in: I. Meier / K. Siehr (Hg.),Rechtskollisionen, FS Heini, Zürich 1995, 335 ff. (zit. FS Heini), 358 ff.; B. Jecklin,Leistungsschutz im UWG, Bern 2003, 20 ff., 32 ff.; M. Fiechter, Der Leistungsschutznach Art. 5 lit. c UWG, Bern / Stuttgart / Wien 1992, 23 ff., insb. 46.

3 Siehe dazu z. B. R.H. Weber, Datenbankrecht – Regelungsbedarf in der Schweiz?, in:R. H. Weber / R. M. Hilty (Hg.), Daten und Datenbanken, Rechtsfragen zu Schutz undNutzung, Zürich 1999, 59 ff. (zit. Datenbankrecht), 71; siehe auch Ders., Dritte Spurenzwischen absoluten und relativen Rechten, in: H. Honsell / W. Portmann / R. Zäch / D.Zobl (Hg.), Aktuelle Aspekte des Schuld- und Sachenrechts, FS Rey, Zürich / Basel / Genf 2003, 583 ff., 592 (zit. Dritte Spuren); Jecklin (Fn. 2), 32 f.; Fiechter (Fn. 2), 43 f.;Jenny (Fn. 2), Rn. 290; Schluep (Fn. 2), FS Heini, 359, zur Nachahmung als «Motoreffizienter und rascher Diffusion immaterieller Güter»; R.H. Weber / L. Chrobak, in: R.Heizmann / L. D. Loacker (Hg.), Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb,Kommentar, Zürich / St. Gallen 2018, UWG 5 lit. c N 1, nach welchen es sich bei derNachahmungsfreiheit um «ein unentbehrliches Element eines dynamischenWirtschaftsprozesses» handelt, «das zu einer raschen und effizienten Diffusionimmaterieller Güter beitragen soll»; siehe dazu auch Thouvenin (Fn. 1), 85 f.; sowiehinten, V.2.e.

4 BGE 139 IV 17, 20, «Cardsharing»; BGE 131 III 384, 394, «Suchspider»; Schluep(Fn. 2), FS Heini, 361; Jenny (Fn. 2), passim, insb. Rn. 210 ff.; M. Berger, DieImmaterialgüterrechte sind abschliessend aufgezählt (numerus clausus), in: M. Kurer/ D. Sangiorgio / M. Ritscher / D. Aschmann (Hg.), Binsenwahrheiten desImmaterialgüterrechts, FS David, Zürich 1996, 3 ff., 8; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5lit. c N 1; C. Baudenbacher, in: C. Baudenbacher (Hg.), Lauterkeitsrecht, Kommentarzum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Basel 2001, UWG 5 N 6;S. Brauchbar Birkhäuser, in: P. Jung / P. Spitz (Hg.), Bundesgesetz gegen denunlauteren Wettbewerb (UWG), Kommentar, 2. Aufl., Bern 2016, UWG 5 N 1. Fürweitere Nachweise siehe Thouvenin (Fn. 1), 210 f., Fn. 521. Kritisch dagegen J. Müller,Einleitung und Generalklausel (Art. 1–2 UWG), in: R. von Büren / L. David (Hg.),Lauterkeitsrecht, SIWR V/1, 2. Aufl., Basel 1998, 1 ff., 73.

5 Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 5; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 5; R.Arpagaus, in: R. M. Hilty / R. Arpagaus (Hg.), Bundesgesetz gegen den unlauterenWettbewerb (UWG), Basler Kommentar, Basel 2013, UWG 5 N 70; A. Nussbaumer, in:V. Martenet / P. Pichonnaz (Hg.), Loi contre la concurrence déloyale, CommentaireRomand, Basel 2017, UWG 5 N 68; siehe auch Jenny (Fn. 2), Rn. 57 in Abgrenzung zurunmittelbaren Übernahme.

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identisches oder ähnliches Erzeugnis zu schaffen. Bei der Nachahmung wird also dergeistige Gehalt des nachgeahmten Erzeugnisses genutzt6. Auf diese Weise grenzt sichdie Nachahmung trennscharf von der unmittelbaren Übernahme ab, bei welcher dasErzeugnis eines Dritten gegenständlich ins Reproduktionsverfahren einbezogen wird7.Die unmittelbare Übernahme ist damit ein rein technischer und kein gedanklicherVorgang. Gegenstand einer unmittelbaren Übernahme können dabei nicht nurkörperliche, sondern auch unkörperliche Arbeitsergebnisse sein8.Mit der unmittelbaren Übernahme befasst sich Art. 5 lit. c UWG. Dieser Tatbestand warbeim Inkrafttreten des heutigen Gesetzes vor etwas mehr als dreissig Jahren nicht nurdie grösste Innovation, sondern auch der grösste Hoffnungsträger des Gesetzgebers.Dieser hatte namentlich gehofft, die neue Bestimmung könne einen angemessenenSchutz von Computerprogrammen sicherstellen und die Einführung vonLeistungsschutzrechten im Urheberrecht entbehrlich machen9. Allerdings büsste Art. 5lit. c UWG schon mit der Urheberrechtsrevision von 1992 einen massgeblichen Teil desihm zugedachten Anwendungsbereichs ein, weil der Gesetzgeber sich letztlich dochgezwungen sah, einen urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen zuschaffen (Art. 2 Abs. 3 URG) und drei Leistungsschutzrechte (Art. 33 ff., Art. 36 undArt. 37 URG) einzuführen10. Immerhin dürfte Art. 5 lit. c UWG dazu beigetragen haben,den Druck zur Einführung eines sui generis-Rechts für den Schutz von Datenbankenetwas zu mildern11.

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6 Thouvenin (Fn. 1), 210; siehe auch Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 43 zum Original alsblosser «Ideenträger»; ebenso Fiechter (Fn. 2), 101; ähnlich auch Jenny (Fn. 2), Rn. 56,welcher die Nachahmung als ein Nachvollziehen der vom Erstschöpfer geleistetenArbeit durch den Nachahmer umschreibt, dem «durch die Orientierung am Vorbild derkreative Aufwand, die konzeptionelle Gedankenarbeit erspart bleibt».

7 Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 5, 43; Fiechter (Fn. 2), 101; Weber / Chrobak (Fn. 3),UWG 5 lit. c N 23; CR-Nussbaumer (Fn. 5), UWG 5 N 68; C. Hilti,Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz statt Nachbarrechte?, Bern 1987, 85. Fürweitere Nachweise siehe Thouvenin (Fn. 1), 451, Fn. 78.

8 BGE 139 IV 17, 20 f., «Cardsharing»; Hilti (Fn. 7), 85, 87, 101; Fiechter (Fn. 2), 148 f.;M. Streuli-Youssef, Unlautere Werbe- und Verkaufsmethoden (Art. 3 UWG), in: R. vonBüren / L. David (Hg.), Lauterkeitsrecht, SIWR V/1, 2. Aufl., Basel 1998, 9 ff., 172;Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 14; J. Guyet, Die weiteren Spezialklauseln(Art. 4–8 UWG), in: R. von Büren / L. David (Hg.), Lauterkeitsrecht, SIWR V/1, 2. Aufl.,Basel 1998, 197 ff., 212 f.; M. M. Pedrazzini / F. A. Pedrazzini, Unlauterer WettbewerbUWG, 2. Aufl., Bern 2002, Rz. 9.21; C. Laux, «Arzneimittel-Kompendium II»,Bundesgericht vom 13. Februar 2008, Beschränkung von Art. 5 lit. c UWG durch dieAmortisationstheorie, 4A_404/2007, sic! 2008, 426 ff., 467.

9 Botschaft zu einem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), BBl 19831009, 1048; siehe dazu auch: M. R. Frick/R. Arpagaus, in: R. M. Hilty / R. Arpagaus(Hg.), Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Basler Kommentar,Basel 2013, UWG 5 N 5; R.M. Hilty, «Leistungsschutz» – made in Switzerland? –Klärung eines Missverständnisses und Überlegungen zum allgemeinen Schutz vonInvestitionen, in: H.-J. Ahrens / J. Bornkamm / H. P. Kunz-Hallstein (Hg.), FS Ullmann,Saarbrücken 2006, 643 ff. (zit. FS Ullmann), 648 ff.; Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5N 19.

10 Siehe dazu auch: BSK-Frick /Arpagaus (Fn. 9), UWG 5 N 7; Hilty (Fn. 9), FS Ullmann,649 f.; F. Dessemontet, La nouvelle loi contre la concurrence déloyale, JdT 1993, 368 ff.,382.

11 Siehe dazu: Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (Datenbanken-RL),Art. 7 ff. Ein solcher wird teilweise, zumindest auch unter Verweis auf Art. 5 lit. c UWG,als unnötig angesehen: N. Tissot, La protection des bases de données accessibles parles réseaux informatiques, medialex 1996, 194 ff., 198; siehe dazu auch: Hilty (Fn. 9),FS Ullmann, 654 f.; P. Kübler, Rechtsschutz von Datenbanken (EU-USA-Schweiz),Zürich 1999, 269 ff., 322, der Art. 5 lit. c UWG als «für den Rechtsschutz vonDatenbanken» geeignet ansieht; kritisch zur Frage, ob es ein solches Recht braucht,Weber (Fn. 3), Dritte Spuren, 590. A. M.: BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 38; P.Gilliéron, Google Actualités: faux problème ou vrai danger pour les éditeurs de presse?,Medialex 2010, 71 ff., 75; T. Adler, Bases de données, sites Internet, «produitsintellectuels»: quelle protection?, Medialex 1997, 65 f.

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Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen mag wenig überraschen, dass Art. 5 lit. cUWG in der Rechtsprechung bisher kaum Spuren hinterlassen hat. Wie sogleich zuzeigen sein wird, liegt dies allerdings weniger an der Anzahl Verfahren, in denen dieBestimmung ins Feld geführt worden ist, sondern an der restriktiven Auslegung derTatbestandsmerkmale, namentlich desjenigen des angemessenen eigenen Aufwand12.Dies hat dazu geführt, dass Art. 5 lit. c UWG in den dreissig Jahren seiner Geltung undin den – soweit ersichtlich – mehr als vierzig publizierten Entscheiden nur gerade dreiMal ernsthaft geprüft und als erfüllt angesehen worden ist13! Allein dies wirft die Frageauf, ob die Auslegung und Anwendung der Norm nicht überdacht werden sollte.

Ein neuer Ansatz scheint aber auch aus zwei weiteren Gründen erforderlich: Zum einenführt die fortschreitende Digitalisierung dazu, dass immer mehr Produkte – zumindestauch, zunehmend aber ausschliesslich – in digitaler Form am Markt verwertet werden.Digitale Produkte können durch digitale Reproduktionsverfahren praktisch zuNullkosten und ohne Qualitätsverlust äusserst einfach und beliebig oft reproduziertwerden. Eine erfolgreiche Verwertung dieser Produkte auf dem Markt ist deshalb inaller Regel nur möglich, wenn Dritte an deren Reproduktion gehindert werden können,bspw. durch technische Massnahmen wie Zugangs- und Kopiersperren, digitaleWasserzeichen oder das Zugänglichmachen von Inhalten in verminderter Qualität odernur in Ausschnitten14. Greifen diese Massnahmen nicht, stellt sich die Frage, ob dasWettbewerbsrecht (UWG) zur Verfügung stehen muss, um die Verwertung digitalerProdukte am Markt zu ermöglichen und damit die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbssicherzustellen.

Zum andern gerät der schweizerische Gesetzgeber aufgrund des fehlenden Eingreifenseiner wettbewerbsrechtlichen Norm immer wieder unter politischen Druck, die vongewissen Kreisen als unbefriedigend empfundene Rechtslage durch neue Regelungenzu korrigieren, bspw. durch Einführung von urheberrechtlichen Leistungsschutzrechtenoder andere Anpassungen des Urheberrechts, wie etwa durch die Schaffung einesurheberrechtlichen Sonderschutzes für Fotografien15 oder durch das Schaffen einesDateneigentums16. Diesem Druck könnte mit einer überzeugenden Auslegung und

12 Siehe dazu hinten, II.5.13 OGer Zürich, 4. Juni 1996, S2/U/SB960 165/eh, E. 2.3.2

«Adressverwaltungsprogramm»; Apphof Bern, sic! 2001, 613 ff., «ElektronischerPressespiegel I»; KGer Fribourg, sic! 2017, 228 ff., «Spidering». Ausser in diesenbeiden Entscheiden wurde ein Verstoss gegen Art. 5 lit. c UWG noch in sechs weiteren,mit einer Ausnahme durchwegs älteren Entscheiden bejaht, aber jeweils kaum ernsthaftgeprüft und nicht durchwegs überzeugend begründet: Präs. KGer Zug, SMI 1989, 58 ff.,«Auto-CAD I»; Präs. KGer Nidwalden, SMI 1989, 205 ff., «Auto-CAD II»; HGer Zürich,SMI 1992, 122 ff., «Schuttmulde»; ER OGer Zürich, SMI 1992, 199 ff., «Windows»; CJGenève, SMI 1994, 183 ff., «Sartoris»; KGer St. Gallen vom 17. Juli 2007, ZZ.2006.36,«Messtechnik»; Näheres dazu hinten, III.4.

14 Je nach Nutzung und Art des digitalen Produkts sind die möglichen technischenMassnahmen begrenzt (ein Schutz von Fotografien mittels DRM-Systemen ist z. B. nichtmöglich). Insbesondere kann auch eine Umgehung meist nicht ausgeschlossen werden(z. B. Retouchieren von Wasserzeichen).

15 Siehe dazu Art. 2 Abs. 3bis E-URG.16 Für die Einführung eines Dateneigentums in Analogie zum Sachenrecht: M. Eckert,

Digitale Daten als Wirtschaftsgut: digitale Daten als Sache, SJZ 2016, 245 ff.; Ders.,Digitale Daten als Wirtschaftsgut: Besitz und Eigentum an digitalen Daten, SJZ 2016,265 ff.; R. G. Briner, Big Data und Sachenrecht, Jusletter vom 21. Mai 2015, Rn. 42,spricht sich für eine Eweiterung des Verständnisses von «Immaterialgut und Eigentum»aus, um so die «Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen»; G. Fröhlich-Bleuler,Eigentum an Daten?, Jusletter vom 6. März 2017, Rn. 31, fordert ein neu zuschaffendes Ausschliesslichkeitsrecht, sollten Schutzlücken bestehen; A. Flückiger,L’autodétermination en matière de données personnelles: un droit (plus si) fondamentalà l’ère digitale ou un nouveau droit de propriété?, AJP 2013, 837 ff., 864, zu einem«droit de propriété sui generis»; G. Jaccard, Smart Contracts and the Role of Law,Jusletter vom 23. November 2017, Rn. 40, fragend, ob es ein solches Recht brauche,denn: «For the moment, we believe there is no need to create a new legal statute fordata if the law succeeds to create, as for personal data, a framework that protects thedata in a erga omnes manner»; umfassend jüngst auch M. Amstutz, Dateneigentum,ACP 2018, 438 ff.

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Anwendung von Art. 5 lit. c UWG begegnet und dem (weiteren) Ausbau spezifischerLeistungsschutzrechte vorgebeugt werden.

II. Heutiges Verständnis

1. VorbemerkungenDie Frage, ob und inwiefern das UWG herangezogen werden kann, um gegen dieVerwertung eigener Arbeitsergebnisse durch Dritte vorzugehen, war schon vorInkrafttreten des geltenden Gesetzes Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen inLehre und Rechtsprechung. Die Debatte wurde damals meist unter dem Begriff des«Leistungsschutzes»17 geführt. Dieser Begriff ist im Zusammenhang mit Art. 5 lit. cUWG allerdings verfehlt, weil dieser Tatbestand – anders als die urheberrechtlichenLeistungsschutzrechte –

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nicht bestimmte Leistungen schützt und einem bestimmten Rechtsinhaber subjektiveRechte an ihnen einräumt, sondern lediglich ein bestimmtes Verhalten als unzulässigqualifiziert18. Die Leistung als solche, bei Art. 5 lit. c UWG also das marktreifeArbeitsergebnis, bleibt damit frei. Sie kann ohne Weiteres von Dritten genutzt werden,sofern die übrigen Tatbestandsmerkmale von Art. 5 lit. c UWG nicht erfüllt sind. Dies istnamentlich der Fall, wenn die Leistung von Dritten nur nachgeahmt, aber nichtunmittelbar übernommen wird19.Seit dem Inkrafttreten von Art. 5 lit. c UWG haben sich Lehre und Rechtsprechung vorallem mit der Auslegung des neuen Tatbestandes befasst. Im Vordergrund standendabei die Tatbestandsmerkmale der «Übernahme und Verwertung als solche» und des«angemessenen eigenen Aufwands». In den ersten knapp zwanzig Jahren war dieDebatte recht intensiv. Mit dem Leitentscheid zum Einsatz von Suchspidern20 hat dasBGer im Jahre 2005 dann aber eine ganze Reihe von Fragen geklärt. Seither ist dieDiskussion weitgehend verebbt. Neuere Beiträge oder gar Dissertationen, die sichspezifisch mit Art. 5 lit. c UWG befassen, finden sich keine, und in den verschiedenenKommentarwerken, die in jüngerer Zeit zum UWG erschienen sind21, beschränken sichdie Autoren meist auf eine Darstellung der geltenden Rechtslage, ohne neue Konzeptezu entwickeln. Die heutige Rechtslage scheint damit einen Zustand erreicht zu haben,den man – je nach Standpunkt – als «reif» oder als «festgefahren» ansehen mag.

17 C. Schneidinger, Der Leistungsschutz, unter besonderer Berücksichtigung dertechnischen Leistung, St. Gallen 1977, 48 ff.; Hilti (Fn. 7), passim; C. Baudenbacher, DieRevision des schweizerischen UWG, Bemerkungen zum Entwurf derExpertenkommission, GRUR Int. 1981, 162 ff., 167; Ders., Schwerpunkte derschweizerischen UWG-Reform, in: C. Baudenbacher (Hg.), Das UWG auf neuerGrundlage, Bern / Stuttgart 1989, 15 ff. (zit. Schwerpunkte), 28; F. Perret, La protectiondes prestations en droit privé suisse, ZSR 1977 II, 199 ff., 227 ff.

18 Im Wesentlichen ebenso: Botschaft UWG (Fn. 9), BBl 1983 1009, 1049 und BGE 131 III384, 389, «Suchspider», wonach mit dem Tatbestand «keinerlei Schutz für eine neueKategorie von Rechtsgütern geschaffen, sondern nur ein bestimmtes Verhalten alsunlauter qualifiziert werden» soll; ebenso BSK-Frick /Arpagaus (Fn. 9), UWG 5 N 10,18; ähnlich auch BGE 118 II 459, 462, «Just Elvis II». Siehe auch: Weber / Chrobak(Fn. 3), UWG 5 lit. c N 4; Jenny (Fn. 2), Rn. 225; kritisch zum Begriff desLeistungsschutzes auch Hilty (Fn. 9), FS Ullmann, 658 f. A.M. allerdings Baudenbacher(Fn. 4), UWG 5 N 37; F. Dessemontet, La propriété intellectuelle et les contrats delicence, CEDIDAC, 2. Aufl., Lausanne 2011 (zit. propriété intellectuelle), Rn. 785.

19 Siehe dazu vorn, I.20 BGE 131 III 384, «Suchspider»; siehe dazu hinten, III.3.21 R. Heizmann / L. D. Loacker (Hg.), Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb,

Kommentar, Zürich / St. Gallen 2018; V. Martenet / P. Pichonnaz (Hg.), Loi contre laconcurrence déloyale, Commentaire Romand, Basel 2017; P. Jung / P. Spitz (Hg.),Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 2. Aufl., Bern 2016;R. M. Hilty / R. Arpagaus (Hg.), Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb(UWG), Basler Kommentar, Basel 2013.

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Bevor der Frage nachgegangen wird, ob und allenfalls wie Art. 5 lit. c UWG soweiterentwickelt werden kann, dass er die ihm zugedachte Funktion zu erfüllen vermag,ist kurz zu skizzieren, wie die einzelnen Elemente des Tatbestands nach dem heutigenVerständnis auszulegen und anzuwenden sind.

2. Marktreifes ArbeitsergebnisAls marktreifes Arbeitsergebnis gilt nach Lehre und Rechtsprechung ein Produkt, dasohne weiteres Zutun gewerblich verwertet werden kann22. Dieses Arbeitsergebnismuss in irgendeiner Form materialisiert sein, weil es andernfalls gar nicht durch eintechnisches Reproduktionsverfahren übernommen werden könnte23. Infrage kommendabei nicht nur körperliche, sondern auch unkörperliche Arbeitsergebnisse, bspw. Ton-und Bildaufnahmen, Fernsehsendungen, Computerprogramme oder auch Daten undDatenbanken, die auf einem Datenträger gespeichert sind24. Als Arbeitsergebnissegelten auch Inhalte, die nur über das Internet zum Download, als Stream oder zurNutzung angeboten werden25, wie dies bei Songs, Filmen und Computerprogrammenoft der Fall ist. Keine Arbeitsergebnisse sind dagegen Dienstleistungen26.Marktreif ist ein Arbeitsergebnis, wenn es in wirtschaftlich gebrauchsfertiger Formvorliegt und damit selbständig am Markt verwertet werden kann27. Nicht erforderlich ist,dass das Arbeitsergebnis tatsächlich bereits (oder noch) auf dem Markt angebotenwird; vielmehr reicht es, wenn es am Markt angeboten werden könnte. Dies ist der Fall,wenn eine ernsthafte Nachfrageabsicht besteht, sei dies bei einem Endkunden oder aufeiner vor- oder nachgelagerten Marktstufe28. Marktreif können dabei nicht nur End-,sondern auch

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Vor-, Teil- und Zwischenprodukte sein, sofern für diese ein Markt besteht, sie alsoselbständig am Markt verwertet werden können29.

22 BGE 131 III 384, 389, «Suchspider»; ähnlich auch Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. cN 19.

23 BGE 131 III 384, 389, «Suchspider»; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 31; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 19. A. M. Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 66, nachwelchem es unerheblich ist, ob das Arbeitsergebnis auf einem Träger materialisiert istoder nicht.

24 Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 15, 18; SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4),UWG 5 N 23; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 31, 36; SIWR-Guyet (Fn. 8), 212 f.; CR-Nussbaumer (Fn. 5), UWG 5 N 14; BGE 131 III 384, 389 f., «Suchspider»; Präs. ZivGerBasel-Stadt, sic! 2004, 490 ff., 494, «Arzneimittelkompendium I».

25 BGE 131 III 384, 389 f., «Suchspider»; KGer Fribourg, sic! 2017, 228 ff., 230 f.,«Spidering», mit Verweis auf den Suchspider-Entscheid; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5N 32; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 15.

26 BGE 117 II 199, 203 f., «Touring-Club»; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 15;SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 23; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 34;Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 9.02.

27 BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 39; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 19;Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 41; SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 24;Hilti (Fn. 7), 102; Baudenbacher (Fn. 17), Schwerpunkte, 28.

28 Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 41; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 20; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 39 f. A.M. SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 24,nach welcher das Produkt nicht für den Markt bestimmt sein müsse, eine selbständigeVerwertbarkeit, auch im Eigengebrauch, reiche aus; so auch Pedrazzini / Pedrazzini(Fn. 8), Rz. 9.20.

29 BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 40; Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 41; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 19.

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3. Technisches ReproduktionsverfahrenDer Gesetzgeber und mit ihm die Lehre und Rechtsprechung haben dasTatbestandsmerkmal des technischen Reproduktionsverfahrens nicht näher definiert.Vielmehr wird betont, dass dieses Merkmal angesichts der technischen Entwicklungoffenbleiben30 und im engen Zusammenhang mit den Tatbestandsmerkmalen derunmittelbaren Übernahme und des fehlenden angemessenen eigenen Aufwandsverstanden werden müsse31. Es soll verdeutlichen, dass die Übernahme direkt an derkörperlichen Form des fremden Arbeitsergebnisses ansetzen und dieses in derProduktion des eigenen Erzeugnisses einsetzen muss, um ohne eigenen Aufwand eineidentische Kopie des fremden Arbeitsergebnisses zu erstellen32.Anstelle einer Definition wird in Lehre und Rechtsprechung meist eine ganze Reihe vonBeispielen genannt, so etwa das Nachpressen, Nachgiessen und Nachfräsen, dasÜberspielen von Ton- und Bildträgern, das Fotokopieren und Scannen vonDruckerzeugnissen, das Weitersenden von Radio- und Fernsehsendungen und dasKopieren von Computerprogrammen33. Heute stehen zweifellos digitaleReproduktionsverfahren im Vordergrund, etwa die digitale Kopie von Fotografien,Bildern oder Filmen34, deren Download35 oder das Web-Scraping36. Dabei ist klar,dass sowohl die Digitalisierung analoger Inhalte, bspw. durch Scannen, als auch dieVervielfältigung digitaler Inhalte als technisches Reproduktionsverfahren zu qualifizierensind37.

30 BGE 139 IV 17, 21, «Cardsharing»; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 43; SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 33; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 82;Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 9.28.

31 Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 41; SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5N 31 f.; ähnlich auch Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 9.26, die im technischenReproduktionsverfahren ein blosses Hilfskriterium des angemessenen eigenenAufwands sehen. Wenn kein solches Reproduktionsverfahren eingesetzt werde, sei der«Aufwand des Übernehmers zum Vornherein und von Gesetzes wegen schon alsgenügend gross und in diesem Sinne als angemessen zu betrachten»; siehe auch Hilti(Fn. 7), 103, nach welchem «die einzige Bedeutung, die dem fehlenden materiellenAufwand immer zukommt, […] jene eines Indizes für das Vorliegen einer unmittelbarenÜbernahme [ist]».

32 Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 N 37. Dahingehend auch: SHK-Brauchbar Birkhäuser(Fn. 4), UWG 5 N 33; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 80.

33 Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 N 43; Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 49; SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 33; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 84;Dessemontet (Fn. 18), propriété intellectuelle, Rn. 786.

34 Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 N 43; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 84; so wohlauch SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 33.

35 Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 N 43; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 82, 84; sowohl auch SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 33; BGE 134 III 166, 175,«Arzneimittelkompendium III»; ZivGer Basel-Stadt vom 8. Mai 2007, P2004/7, E. 4.2.1,«Arzneimittelkompendium II»; Präs. ZivGer Basel-Stadt, sic! 2004, 490 ff., 494,«Arzneimittel-Kompendium I».

36 Siehe dazu D. Stauber, Web Scraping, Jusletter IT Flash vom 11. Dezember 2017,Rn. 8 ff., insb. Rn. 10.

37 BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 83 f.; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 43;Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 49; SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 33;Dessemontet (Fn. 18), propriété intellectuelle, Rn. 786.

38 Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 5, 43; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 23; CR-Nussbaumer (Fn. 5), UWG 5 N 68; Fiechter (Fn. 2), 101; Hilti (Fn. 7), 85. Für weitereNachweise siehe Thouvenin (Fn. 1), 451, Fn. 78.

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4. Übernahme und Verwertung als solcheAls Übernahme gilt eine Vervielfältigung, bei welcher das Arbeitsergebnisgegenständlich in den Vervielfältigungsvorgang einbezogen wird38. Damit ist klar, dassArt. 5 lit. c UWG allein die unmittelbare Übernahme erfasst, nicht aber die Nachahmungfremder Arbeitsergebnisse39.Als Verwertung gilt jede gewerbliche Anwendung oder berufliche Nutzung imwirtschaftlichen Wettbewerb40. Gemeint ist damit in erster Linie die Nutzung desübernommenen Arbeitsergebnisses zur Herstellung eines Konkurrenzproduktes. Nacheinem Teil der Lehre und Rechtsprechung soll es aber bereits ausreichen, dass dasArbeitsergebnis als Grundlage einer eigenen Leistung verwendet wird41.Lange umstritten war, ob die Wendung «als solche» lediglich auf die Übernahme oderauch auf die Verwertung des Arbeitsergebnisses zu beziehen ist, ob also dasArbeitsergebnis nicht nur unverändert übernommen, sondern auch unverändertverwertet werden muss42. Diese Streitfrage erscheint nun geklärt, zumal sich das BGerunzweideutig für eine Beschränkung des Tatbestandes auf die typischen Fälle des«parasitären Wettbewerbs» und damit auf eine unveränderte Verwertung aus-

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gesprochen hat43. Allerdings sollen geringfügige Änderungen als Umgehungenebenfalls noch erfasst sein44.

5. Fehlender angemessener eigener AufwandDas Tatbestandsmerkmal des angemessenen eigenen Aufwands ist vom Gesetzgeberbewusst offen formuliert worden. Es soll erlauben, «den ungerechtfertigtenWettbewerbsvorteil des Zweitbewerbers abzuwägen» und die «Amortisation desAufwandes des Erstkonkurrenten für die Schaffung des übernommenen Produkts» zuberücksichtigen45. Dieser Ansatz wurde in Lehre46 und Rechtsprechung47

übernommen. Er soll verhindern, dass sich der Übernehmer einen «ungerechtfertigten

39 Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 23; CR-Nussbaumer (Fn. 5), UWG 5 N 68. ZurUnterscheidung dieser beiden Konstellationen siehe vorn, I.

40 Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 25; Fiechter (Fn. 2), 155. Dahingehend auch: G.Wild, Lauterkeitsrecht, in: E. Marbach / P. Ducrey / G. Wild (Hg.), Immaterialgüter- undWettbewerbsrecht, 4. Aufl., Bern 2017, 233 ff., Rn. 1323; Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8),Rz. 9.42.

41 BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 74; KGer St. Gallen vom 17. Juli 2007, ZZ.2006.36,E. 3.a.dd., «Messtechnik»; so wohl auch Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 67.

42 Siehe dazu: Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 24; CR-Nussbaumer (Fn. 5),UWG 5 N 71 ff.; SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 26.

43 BGE 131 III 384, 391, «Suchspider».44 BGE 131 III 384, 391, «Suchspider»; ebenso: CR-Nussbaumer (Fn. 5), UWG 5 N 72;

BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 79; SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 26;Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 35.

45 Botschaft UWG (Fn. 9), BBl 1983 1009, 1071.46 BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 64, 90; R. von Büren / H. P. Walter, Die

wirtschaftsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts 2008, ZBJV 2009, 856 ff.,880; Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 69 ff., insb. 75; Ders. (Fn. 17), Schwerpunkte, 28;L. David, Ist der Numerus clausus der Immaterialgüterrechte noch zeitgemäss?, AJP1995, 1403 ff., 1408; CR-Nussbaumer (Fn. 5), UWG 5 N 88; Weber / Chrobak (Fn. 3),UWG 5 lit. c N 47, 53. Kritisch zur Amortisationstheorie: Dessemontet (Fn. 18), propriétéintellectuelle, Rn. 786; Hilti (Fn. 7), 106 ff.; A. Troller, Immaterialgüterrecht II, 3. Aufl.,Basel 1985 (zit. Immaterialgüterrecht), 958; Schneidinger (Fn. 17), 60 ff.

47 BGE 131 III 384, 391, «Suchspider»; BGE 134 III 166, 175,«Arzneimittelkompendium III»; BGE 139 IV 17, 21, «Cardsharing». Siehe auch dieRechtsprechung einiger kantonaler Gerichte: ZivGer Basel-Stadt vom 8. Mai 2007,P2004/7, 19 f., «Arzneimittelkompendium II»; Präs. ZivGer Basel-Stadt, sic! 2004,490 ff., 496, «Arzneimittel-Kompendium I».

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Wettbewerbsvorteil» verschafft48. Auf der Grundlage entsprechender Ausführungen inder Botschaft49 ist allgemein anerkannt, dass der angemessene Aufwand im Rahmeneines «doppelten Aufwandvergleichs» zu bestimmen ist.

Für diesen Vergleich ist in einem ersten Schritt der Aufwand des Erstbewerbers für dieHerstellung des Arbeitsergebnisses zu bestimmen und dieser Aufwand mit demAufwand des Zweitbewerbers für die Herstellung der Reproduktion zu vergleichen50.Zu berücksichtigen ist dabei aufseiten des Erstbewerbers nur der objektiv nötigeAufwand, nicht aber der Aufwand, der ihm durch ein ineffizientes Vorgehen entstandenist51. Umstritten ist sodann, ob aufseiten des Zweitbewerbers auch der Aufwand fürallfällige Weiterentwicklungen einfliessen soll52. In einem zweiten Schritt ist dereffektive Aufwand des Zweitbewerbers mit seinem hypothetischen Aufwand zuvergleichen, also mit dem Aufwand, den er gehabt hätte, wenn er das Arbeitsergebnisnicht übernommen, sondern selbst hergestellt hätte53. Ein angemessener eigenerAufwand des Zweitbewerbers fehlt dabei nur, wenn sein effektiver Aufwandunangemessen geringer als der Aufwand des Erstbewerbers (erster Vergleich) und alssein hypothetischer Aufwand (zweiter Vergleich) ist54.Nach der Rechtsprechung des BGer ist bei der Bestimmung des Aufwands desErstbewerbers auch zu berücksichtigen, ob dieser die Kosten für die Entwicklungseines Arbeitsergebnisses bereits amortisieren konnte. Ist dies der Fall, liegt keinMissverhältnis zwischen dem Aufwand von Erst- und Zweitbewerber vor55 und dasTatbestandsmerkmal des fehlenden angemessenen eigenen Aufwands ist nicht erfüllt.Als Begründung führt das BGer im Wesentlichen aus, dass «ein ungerechtfertigterWettbewerbsvorteil des Übernehmers und damit die Unlauterkeit seines Handelnsentfallen, wenn es dem Erstkonkurrenten möglich war, die getätigte Investition zuamortisieren»56. Im Ergebnis wird damit die Anwendung von Art. 5 lit. c UWG auf dieZeitdauer befristet, welche der Erstkonkurrent für die Amortisation seiner Kostenbenötigt57.

48 BGE 134 III 166, 175, «Arzneimittelkompendium III»; SHK-Brauchbar Birkhäuser(Fn. 4), UWG 5 N 28; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 N 45; SIWR-Streuli-Youssef(Fn. 8), 173; sinngemäss ebenso Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 51.

49 Botschaft UWG (Fn. 9), BBl 1983 1009, 1071.50 Botschaft UWG (Fn. 9), BBl 1983 1009, 1071; Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 54;

ähnlich Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 9.31; CR-Nussbaumer (Fn. 5), UWG 5 N 84,86.

51 BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 93; Fiechter (Fn. 2), 154; dahingehend auch Weber/ Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 51; Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 9.33, zumAusschluss des «in zeitlicher Hinsicht unnötig erbrachten Aufwand[s]».

52 Bejahend Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 9.32. Ablehnend hingegen: Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 N 49; Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 67; BSK-Arpagaus(Fn. 5), UWG 5 N 99; CR-Nussbaumer (Fn. 5), UWG 5 N 96.

53 Botschaft UWG (Fn. 9), BBl 1983 1009, 1071; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. cN 54; Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 9.34; Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 53, 55;ähnlich auch CR-Nussbaumer (Fn. 5), UWG 5 N 84, 98.

54 SHK-Brauchbar / Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 29; Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5lit. c N 55; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 101; CR-Nussbaumer (Fn. 5), UWG 5N 100; Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 9.35, wobei für sie auch ein «nur gerademinimaler Reproduktionsaufwand» für einen Verstoss gegen Art. 5 lit. c UWG spricht.

55 BGE 134 III 166, 175 f., «Arzneimittelkompendium III»; BGE 131 III 384, 392,«Suchspider»; BGE 139 IV 17, 21, «Cardsharing». Kritisch dazu: Dessemontet (Fn. 18),propriété intellectuelle, Rn. 786; siehe auch Laux (Fn. 8), 467.

56 BGE 134 III 166, 175, «Arzneimittelkompendium III».57 BGE 134 III 166, 176, «Arzneimittelkompendium III».

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III. Analyse der Rechtsprechung

1. KlassifizierungDie publizierten Entscheide der unter- und oberinstanzlichen kantonalen Gerichte unddes BGer, die bis heute zu Art. 5 lit. c UWG ergangen sind, lassen

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sich in drei Gruppen unterteilen: Eine erste Gruppe umfasst eine Reihe vonEntscheiden, in denen Art. 5 lit. c UWG zwar erwähnt, vom Gericht aber nicht auf denzu beurteilenden Sachverhalt angewendet wurde, sowie Entscheide, die als eigentlicheIrrläufer bezeichnet werden müssen, weil sie weitgehend an der Sache vorbeigehen.Eine zweite Gruppe bilden diejenigen Entscheide, bei denen die Anwendung von Art. 5lit. c UWG an einem der vier Tatbestandsmerkmale gescheitert ist. Die dritte Gruppebesteht sodann aus den wenigen Entscheiden, in welchen der Tatbestand von Art. 5lit. c UWG nach ernsthafter Prüfung als erfüllt angesehen worden ist.

2. Keine ernsthafte PrüfungIn einer Reihe von Entscheiden wurde Art. 5 lit. c UWG zwar erwähnt, vom Gericht abernicht geprüft, weil es sich für unzuständig erklärte58, weil die angebliche Verletzung imZeitpunkt des Massnahmeentscheides nicht mehr andauerte59, weil weder dieVerletzungsgefahr noch die Dringlichkeit glaubhaft gemacht wurde60, weil dieGesuchstellerin das Vorliegen der relevanten Tatsachen nicht behauptet hatte und derStreit teilweise durch Vergleich erledigt wurde61 oder weil sie die behauptetenTatsachen nicht glaubhaft gemacht62 oder nicht hinreichend substanziiert hatte63, weildie Beklagte die streitgegenständlichen Arbeitsergebnisse nicht selbst hergestellt,sondern auf dem Markt erworben hatte64, weil nicht erwiesen war, dass dasArbeitsergebnis der Klägerin vom Beklagten verwendet worden war65 oder weil dasGericht die Ansprüche nach einer anderen Rechtsgrundlage geprüft und gutgeheissenhat66.In einigen Fällen hatten die Gerichte Sachverhalte zu beurteilen, die nicht denKonstellationen entsprachen, auf die Art. 5 lit. c UWG ausgerichtet ist, teilweise aberdurch andere Tatbestände des UWG erfasst werden konnten: In einem älterenEntscheid hat das HGer Zürich das Signet eines Schuttmuldendienstes ohne weitereAusführungen als marktreifes Arbeitsergebnis und dessen Verwendung durch einenKonkurrenten als Verstoss gegen Art. 5 lit. c UWG qualifiziert, daneben aber auch einenVerstoss gegen Art. 3 lit. d UWG bejaht67. Anders entschied das HGer des KantonsBern, das die Übernahme von Logos aus einem Telefonverzeichnis und derenVerwendung in Offerten für einen Eintrag in einem Branchenverzeichnis nicht alsVerstoss gegen Art. 5 lit. c UWG qualifiziert hat, weil mit dem Ausschneiden, Aufklebenund Ändern des Formats der Logos ein ausreichender eigener Aufwand betrieben

58 KGer Neuenburg, RJN 2017, 214 ff., 227, «limiteur de couple».59 HGer St. Gallen, sic! 2003, 361 ff., 363, «Gold.Lifestyle»; OGer Zug, GVP 2015, 29 ff.,

32 f., «Webauftritt».60 Präs. HGer St. Gallen, GVP 1999, 134 f., 134, «Café-Bar».61 Präs. HGer St. Gallen vom 6. Januar 2009, HG_2008_104, E. II.3.c, «Secutape».62 OGer Zug, GVP 2015, 29 ff., 33 – Webauftritt; OGer Basel-Land, SMI 1990, 441 f.,

441 f., «Quell-Codes».63 ZivGer Basel-Stadt, sic! 2003, 217 ff., 222 f., «Elektronischer Pressespiegel II», wobei

die Erwägungen zur mangelnden Substanziierung aber gerade nicht veröffentlichtworden sind.

64 KGer Glarus, sic! 2010, 47 ff., 51, «Spritzgiesssysteme».65 BGer vom 19. Juli 2000, 4C.142/2000, E. 3, «Innenausbau».66 Präs. OGer Obwalden, AbR 2010/11, 74 ff., 79, «Düsen».67 HGer Zürich, SMI 1992, 122 ff., 123 f., «Schuttmulde».

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worden sei und es zudem am Einsatz moderner Kopiermethoden gefehlt habe68. Ineinem ebenfalls älteren Entscheid hatte die CJ Genève die Verwendung ähnlicherKataloge zu beurteilen und sie hat dabei mangels einer «copie servile mécanique»einen Verstoss gegen Art. 5 lit. c UWG69 und aus anderen Gründen auch einenVerstoss gegen weitere Tatbestände des UWG verneint70. Das KGer Wallis hat sodanneine Verletzung von Art. 5 lit. c UWG durch die Nachahmung einerDüngemittelverpackung mit der Begründung verworfen, die Bestimmung erfasse nichtdie Nachahmung, sondern die Verwendung eines materialisierten Objekts71. Das BGerhatte zu beurteilen, ob der «Touring Club Schweiz» einem Autohersteller verbietenkonnte, eine seiner «Touring Hilfe» ähnliche Dienstleistung anzubieten; die Anwendungvon Art. 5 lit. c UWG hat es dabei abgelehnt, weil nicht ersichtlich sei, welcheArbeitsergebnisse im Sinne des Gesetzes sich die Beklagte angeeignet haben solle72.In einem weiteren Entscheid hat das BGer eine Verletzung von Art. 5 lit. c UWGverneint, weil das Erzeugnis von beiden Parteien gemeinsam entwickelt worden war,womit es an einem fremden Arbeitsergebnis fehlte73. Schliesslich hatte das BGer auchdas Kopieren und Einfügen kurzer Textpassagen aus der Werbung der Klägerin in eineFotografie zu beurteilen, die in einer von der Beklagten herausgegebenen Zeitschriftveröffentlicht worden war. Es hat dabei einen Verstoss gegen Art. 5 lit. c UWG mangelsgewerblicher Verwertung verworfen und offengelassen, ob es sich bei denTextpassagen überhaupt um ein marktreifes Arbeitsergebnis handelte74.Eine Reihe von Entscheiden befasste sich mit Konstellationen, die nicht nur über Art. 5lit. c UWG, sondern auch durch das Urheberrecht erfasst werden konnten. Die Gerichtehaben sich dabei

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jeweils auf die Verletzung der Urheberrechte konzentriert und den Verstoss gegenArt. 5 lit. c UWG meist nur kursorisch geprüft: In zwei älteren Entscheiden hatten diePräsidenten der KGer Zug und Nidwalden in zwei Parallelverfahren das Kopieren einesComputerprogramms zu beurteilen; beide kamen zum Schluss, dass sowohl eineVerletzung der Urheberrechte am Programm als auch ein Verstoss gegen Art. 5 lit. cUWG vorliege, allerdings ohne die Tatbestandsmerkmale von Art. 5 lit. c UWG effektivzu prüfen75. Dasselbe gilt für einen älteren Entscheid des Einzelrichters des OGerZürich, in dem ebenfalls das Kopieren von Computerprogrammen zu beurteilen war76.Umgekehrt hat das KGer St. Gallen die Verletzung von Urheberrechten und einenVerstoss gegen Art. 5 lit. c UWG verneint, weil die Computerprogramme der Beklagtenderen Eigenentwicklungen seien77. Ähnlich hat auch die CJ Genève entschieden, dieeine unmittelbare Übernahme durch ein technisches Reproduktionsverfahren fürausgeschlossen hielt, weil die infrage stehenden Computerprogramme auf einerunterschiedlichen Konzeption beruhten78. In zwei anderen älteren Entscheiden hattenzunächst das HGer des Kantons Zürich und dann das BGer das Kopieren vonTonträgern zu beurteilen. Das HGer hielt dazu fest, dass der Schutz von Art. 5 lit. cUWG, wie derjenige des damaligen Urheberrechts, auf 50 Jahre befristet sei79, undkam zum Schluss, dass das Kopieren des Tonträgers mangels Ablaufs dieser Frist dieRechte der Tonträgerhersteller (Art. 4 Abs. 2 aURG) verletze und gegen Art. 5 lit. c

68 HGer Bern, SMI 1991, 410 ff., 414, «Branchenregister».69 CJ Genève, SMI 1994, 236 ff., 241, «Oasis».70 CJ Genève, SMI 1994, 236 ff., 238 ff., «Oasis».71 KGer Wallis, sic! 2005, 42 ff., 45, «sac d’engrais».72 BGE 117 II 199, 203, «Touring Club».73 BGer, sic! 2001, 330 ff., 332 f., «Kantenleimmaschine».74 BGer vom 11. Januar 2006, 4C.342/2005, E. 3.2, «Erdölvereinigung».75 Präs. KGer Zug, SMI 1989, 58 ff., 61, «Auto-CAD I»; Präs. KGer Nidwalden, SMI 1989,

205 ff., 206 f., «Auto-CAD II».76 ER OGer Zürich, SMI 1992, 199 ff., 205, «Windows».77 KGer St. Gallen vom 24. Mai 2005, DZ.2002.3, E. IV.3a, b, «Elephant».78 CJ Genève vom 10. Oktober 2003, ACJC/1053/03, E. 5.4.4.2, «Computerprogramm».79 HGer Zürich, ZR 91/1992, 83 ff., 85, «Just Elvis I».

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UWG verstosse. Das BGer führte aus, dass der Schutz nach Art. 5 lit. c UWG zwar inder Tat nicht unbefristet sein könne, liess aber die Frage der Dauer offen und beurteilteden Fall allein auf Grundlage der Rechte der Tonträgerhersteller im aURG80. In einemebenfalls bereits älteren Entscheid hat die CJ Genève die unveränderte Reproduktionzahlreicher Bilder aus einem Buch als Urheberrechtsverletzung und als Verstoss gegenArt. 5 lit. c UWG qualifiziert81. Ebenfalls ohne ernsthafte Prüfung hat dasKantonsgericht Graubünden die Übernahme von Fotografien und deren Verwendung ineinem Formel-1-Kalender als zulässig erachtet, weil der Verarbeitungs- undDruckaufwand für den Kalender «nicht geringer als der Aufwand zur Erstellung derFotos» sei82.Zur Gruppe der Entscheide, bei denen eine ernsthafte Prüfung unterlassen wurde,gehören auch zwei jüngere Entscheide, in welchen ein Verstoss gegen Art. 5 lit. c UWGbejaht worden ist. In einem Massnahmeentscheid vom 17. Juli 2007 hat der Präsidentdes KGer St. Gallen die Übernahme eines Messprogramms durch einen Konkurrentender in der Messtechnik tätigen Gesuchstellerin als Verstoss gegen Art. 5 lit. c UWGqualifiziert83. Die «Prüfung» umfasst dabei nicht mehr als zwei Sätze, wobei der erstelediglich die Tatbestandsvoraussetzungen nennt und der zweite – ohne jedeBegründung – festhält, dass diese glaubhaft gemacht seien. Die Feststellung desVerstosses gegen Art. 5 lit. c UWG ist zudem nur ein obiter dictum, weil dasMassnahmegesuch bereits aufgrund einer (ungleich eingehender geprüften) Verletzungder Urheberrechte am streitgegenständlichen Computerprogramm gutgeheissenworden war84. Ähnlich knapp begründet wurde ein strafrechtlicher Entscheid der CJGenève, mit welchem die Übernahme von Teilen eines Strategiepapiers einesUnternehmens in den Businessplan eines anderen Unternehmens als Verstoss gegenArt. 5 lit. c UWG qualifiziert worden ist. Das Gericht hat hier in einem einzigen Satzfestgehalten, der strafbare Angestellte habe das Arbeitsergebnis «sans sacrificecorrespondant» übernommen und «pour son propre compte» verwertet und allein damitdie Unzulässigkeit begründet, ohne die Frage der Marktreife des Strategiepapiers oderdie Anwendung eines technischen Reproduktionsverfahrens zu prüfen85.

3. Verletzung verneintSoweit der Verstoss gegen Art. 5 lit. c UWG von den Gerichten ernsthaft geprüft wurde,ist er – mit den drei erwähnten Ausnahmen86 – durchwegs verneint worden. Häufigscheiterte die Anwendung des Tatbestands schon am Fehlen eines technischenReproduktionsverfahrens, massgebliche Bedeutung kam aber auch demTatbestandsmerkmal des angemessenen eigenen Aufwands zu. Nur in einzelnenVerfahren fehlte es an einem Verstoss gegen eines der anderen Tatbestandsmerkmale.

Am Fehlen eines marktreifen Arbeitsergebnisses gescheitert ist der Anspruch desGesuchstellers in einem Entscheid des HGer St. Gallen, weil der GerichtspräsidentKnow-how nicht als marktreifes Arbeitsergebnis im Sinn von

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Art. 5 lit. c UWG ansah87. Dasselbe gilt für einen Entscheid des HGer Bern, das eineZusammenstellung von Fragen für die Theorieprüfung für Motorfahrzeugfahrer nicht alsmarktreifes Arbeitsergebnis qualifiziert hat. Entscheidend war für das Gericht, dass essich bei dieser Zusammenstellung «nicht um eine fertige Lernsoftware», sondern

80 BGE 118 II 459, 465 f., «Just Elvis II».81 CJ Genève, SMI 1994, 183 ff., 189, «Sartoris».82 KGer Graubünden, sic! 2007, 364 ff., 366, «Formel-1-Kalender».83 KGer St. Gallen vom 17. Juli 2007, ZZ.2006.36, E. 3.a.dd, «Messtechnik».84 KGer St. Gallen vom 17. Juli 2007, ZZ.2006.36, E. 3.a.bb f., «Messtechnik».85 CJ Genève, Urteil vom 26. Januar 2009, P/10 451/2005, E. 2.3, «Businessplan».86 Siehe dazu sogleich hinten, III.4.87 Präs. HGer St. Gallen, GVP 1997, 84 f., 85, «Know-How».

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lediglich um «das Grundlagenmaterial [handelte], aus welchem Dritte ihre Lernsoftwareentwickeln»88.Am Einsatz eines technischen Reproduktionsverfahrens fehlte es in einem Fall, dervom Einzelrichter des BezGer Affoltern und anschliessend auch vom Zürcher OGer zubeurteilen war, weil die Gesuchsgegnerin die fraglichen Daten aus den von derGesuchstellerin vertriebenen Preislisten für Occasionsautos, Karosserie- undLackierungsarbeiten nicht kopiert, sondern manuell «abgetippt» hatte89. Dasselbe giltfür einen Entscheid des KGer Schwyz, in welchem die Übernahme von Daten aus einerTabelle mit Empfehlungen zum Luftdruck für Reifen zu beurteilen war90, und für einenEntscheid der Bezirksanwaltschaft Winterthur, der das Abschreiben der Daten einerTelefonbuch-CD betraf91. Vor BGer scheiterte eine Klägerin schliesslich am fehlendenNachweis des Einsatzes eines technischen Reproduktionsverfahrens bei derÜbernahme ihres Computerprogramms92.Keine unmittelbare Übernahme und Verwertung eines Arbeitsergebnisses lag nachdem OGer des Kantons Bern in einem Fall vor, in welchem die Beklagte zwarSignaturen und Beschriftungen aus der Landkarte der Klägerin kopiert, diese aber nichtunmittelbar auf der eigenen Karte angebracht und überdies für deren Erstellungmehrere weitere Arbeitsschritte vorgenommen hat93. Nach einem Entscheid des BGerfehlt es zudem an einer unmittelbaren Übernahme, wenn ein Sendesignal mithilfe einesnicht vom Anbieter des Signals zur Verfügung gestellten Decoders entschlüsseltwird94.In mehreren Entscheiden, bei denen alle anderen Tatbestandsmerkmale gegebenwaren, scheiterte die Berufung auf Art. 5 lit. c UWG am Tatbestandsmerkmal desangemessenen eigenen Aufwands: In einem älteren Massnahmeentscheid hat derEinzelrichter am OGer Aargau einen Verstoss gegen Art. 5 lit. c UWG verneint, weilzwar gewisse Funktionen des Computerprogramms des Erstbewerbers in dasjenigedes Zweitbewerbers übernommen worden waren, der Quellcode des zweitenProgramms sich aber massgeblich von demjenigen des ersten unterschied und damitErgebnis einer eigenständigen Programmierleistung war95. In einem ersten Entscheidzur Übernahme von Immobilieninseraten mithilfe von sog. Suchspidern96 hat das OGerdes Kantons Luzern den angemessenen eigenen Aufwand der Beklagten unter Verweisauf die Notwendigkeit eigener Programmierung und steter Anpassung von Suchspidernund Skripts bejaht97. Das BGer hat die gegen diesen Entscheid erhobene Berufungabgewiesen und die Begründung der Vorinstanz gestützt, zugleich aber daraufhingewiesen, dass die Klägerin ihren eigenen Aufwand im vorinstanzlichen Verfahrenzu wenig substanziiert hatte98. Einige Tage vor dem Entscheid des BGer hatte sichauch das BezGer Sense mit dem Einsatz von Suchspidern bei der Übernahme vonImmobilieninseraten zu befassen und ist dabei mit teilweise wörtlich identischer

88 HGer Bern, sic! 2016, 56 ff., 60, «Theorieprüfung für Motorfahrzeugfahrer».89 BezGer Affoltern, SMI 1990, 429 ff., 434, «Eurotax I», hinzu kam, dass es nach

Auffassung des Gerichts schon an einer unveränderten Übernahme der Daten fehlte;OGer Zürich, SMI 1993, 331 ff., 335, «Eurotax II».

90 Präs. KGer Schwyz, sic! 1997, 143 ff., 145, «Luftdrucktabellen».91 Bezirksanwaltschaft Winterthur, sic! 2000, 98 f., 99, «TwixTel».92 BGer vom 15. April 2004, 4C.330/2003, E. 4.3.1.2, «Bankensoftware».93 OGer Bern, sic! 2009, 244 ff., 249, «Expo.02-Karte».94 BGE 139 IV 17, 23, «Cardsharing».95 OGer Argau, SMI 1991, 79 ff., 87, «Bliss».96 Suchspider (auch Crawler genannt) suchen Webseiten automatisiert nach Hyperlinks ab

und folgen diesen Links zu weiteren Webseiten oder Dateien. Die dabei gefundenenInhalte können indexiert (z. B. Google) oder auch vollständig in einer Datenbankgespeichert und für eigene Zwecke weiterverwendet werden. Der Suchbereich wirdaufgrund der im Web verfügbaren Menge an Inhalten üblicherweise vordefiniert undkann auch gezielt auf einzelne Domains beschränkt werden.

97 OGer Luzern, LGVE 2005 I, 67 ff., 70 f., «Inserateklau».98 BGE 131 III 384, 393 f., «Suchspider».

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Begründung zu denselben Schlüssen wie das BGer gekommen99. Auch der Präsidentdes ZivGer Basel-Stadt hat in einem Massnahmeentscheid zur Übernahme von Datenaus dem online zugänglich gemachten Arzneimittelkompendium den Aufwand desGesuchsgegners als angemessen angesehen. Entscheidend war aus seiner Sicht,dass die Gesuchstellerin von den Arzneimittelherstellern für das Erstellen desgedruckten Kompendiums und der dazu verwendeten Datenbank vollumfänglichentschädigt werde und die Webseite ein blosses Nebenprodukt darstelle. Bei derBeurteilung des Aufwands sei deshalb allein auf den Zusatzaufwand für die Erstellungder Webseite der Gesuchstellerin abzustellen, und dieser entspreche dem Aufwand,den auch der Gesuchsgegner für die Erstellung seiner Webseite leisten müsse100.Diese Einschätzung wurde im späteren Hauptverfahren vom ZivGer Basel-Stadt geteiltund das Urteil wurde im Wesent-

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lichen auch gleich begründet101. Diese Begründung hat schliesslich auch das BGergestützt und festgehalten, dass sich nicht auf Art. 5 lit. c UWG berufen könne, wer dieKosten für seine Tätigkeit bereits angemessen amortisiert habe102. Den fehlendenAngaben zum Aufwand der Beteiligten kam schliesslich auch in einem jüngerenEntscheid des Apphof Basel-Stadt entscheidende Bedeutung zu. Der Appellant konntein diesem Verfahren für die Übernahme von Fotografien durch Download von einerWebseite und Aufschaltung auf einer anderen nicht verurteilt werden, weil dieAnklageschrift keine Angaben zum Aufwand des Herstellers enthielt, womit das Gerichtnicht feststellen konnte, ob dieser Aufwand im Zeitpunkt der Übernahme bereitsamortisiert war103.

4. Verletzung bejahtIn den mehr als vierzig Entscheiden, die bis heute zu Art. 5 lit. c UWG ergangen sind,wurde der Tatbestand – wie erwähnt104 – lediglich drei Mal ernsthaft geprüft und alserfüllt erachtet! Zehn Jahre nach Inkrafttreten der Bestimmung hat das OGer Zürich dieÜbernahme eines der Adressverwaltung dienenden Computerprogramms als Verstossgegen Art. 5 lit. c UWG qualifiziert. Als entscheidend erachtete es dabei, dass derÜbernehmer nur geringfügige Änderungen und Verbesserungen am übernommenenProgramm vorgenommen hatte und der Arbeitsaufwand der Klägerin nach Schätzungeines Gutachters ungefähr zweieinhalb- bis fünfmal so gross gewesen sei wie der desBeklagten, weshalb nicht mehr von einem angemessenen Aufwand bei der Übernahmedes Programms gesprochen werden könne105. In einem zweiten Entscheid, der fünfJahre später erging, hatte der Apphof Bern die Zulässigkeit elektronischerPressespiegel zu beurteilen. Im Vordergrund stand dabei die Verletzung vonUrheberrechten. Da diese überwiegend bejaht wurden106, führte das Gericht aus, eskönne «an sich offen gelassen werden, ob das Verhalten der Beklagten Bestimmungendes UWG» verletze107. Im Sinn eines obiter dictums hat es dann aber dennochgeprüft, ob der «Media-Clipping-Service» der Beklagten, mit dem deren Kunden zuvoreingescannte Beiträge aus aktuellen Printmedien per Mail oder Fax zugestellt wurden,die Vorgaben von Art. 5 lit. c UWG verletze. Mit eher knapper, aber durchausüberzeugender Begründung hat das Gericht dies denn auch bejaht108.

99 BezGer Sense, sic! 2005, 675 ff., 677 ff., «Suchspider II».100 Präs. ZivGer Basel-Stadt, sic! 2004, 490 ff., 495 f., «Arzneimittel-Kompendium I».101 ZivGer Basel-Stadt vom 8. Mai 2007, P 2004/7, E. 4.2.2, «Arzneimittelkompendium II».102 BGE 134 III 166, 174 ff., insb. 176, «Arzneimittelkompendium III».103 Apphof Basel-Stadt, AGE AS-2007/320, E. 2.4, «Erotikdienstleistungen».104 Siehe dazu vorn, I.105 OGer Zürich, 4. Juni 1996, S2/U/SB960 165/eh, E. 2.3.2,

«Adressverwaltungsprogramm».106 Apphof Bern, sic! 2001, 613 ff., 621, «Elektronischer Pressespiegel I».107 Apphof Bern, sic! 2001, 613 ff., 622, «Elektronischer Pressespiegel I».108 Apphof Bern, sic! 2001, 613 ff., 622 f., «Elektronischer Pressespiegel I».

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Mehr als fünfzehn Jahre später folgte ein zweiter Entscheid. Mit diesem hatte das KGerFribourg zu beurteilen, ob das Durchsuchen des Web mithilfe von Suchspidern und dasKopieren und Veröffentlichen von (Klein-)Inseraten der Klägerin auf der Webseite derBeklagten gegen Art. 5 lit. c UWG verstösst109. Das Gericht hat dabei die Inserate alsmarktreife Arbeitsergebnisse qualifiziert und den Einsatz eines technischenReproduktionsverfahrens ohne Weiteres bejaht, das Vorliegen einer unmittelbarenÜbernahme und Verwertung aber nicht näher geprüft, sondern angesichts des insofernklaren Sachverhalts als gegeben erachtet110. Die Frage des angemessenen eigenenAufwands hat das Gericht dagegen im Einzelnen, unter eingehender Bezugnahme aufden Leitentscheid des BGer111 und auf ein technisches Gutachten, auf mehrerenSeiten erörtert112. Es kam zum Schluss, dass der Stand der Technik im Zeitpunktseines Entscheids – anders als beim bundesgerichtlichen Leitentscheid – eineeigentliche Programmierung der Suchspider und der anderen Komponenten desSystems nicht mehr erfordere und die kopierten Daten vor der Verwendung auch nichtaufbereitet werden müssten. Das Spidering sei deshalb «mit nur noch einemunbedeutend grösseren Aufwand als bei einem herkömmlichen Scan- oderKopiervorgang» verbunden113. Da sich die Beklagte am Verfahren nicht beteiligt undihren Aufwand nicht dargelegt hatte, stellte das Gericht bei der Beurteilung desangemessenen eigenen Aufwands darauf ab, dass sich die Beklagte die ersten drei dersieben für den Betrieb einer Webseite mit Inseraten erforderlichen Schritte ersparte,weshalb sie keinen angemessenen eigenen Aufwand betrieben habe114.

IV. ErkenntnisseDie Analyse der Rechtsprechung hat gezeigt, dass Art. 5 lit. c UWG in den dreissigJahren seiner Geltung in der Praxis kaum Spuren hinterlassen hat. Ganz offensichtlichhat der neue Tatbestand die Mitte der 80er-Jahre in ihn gesetzten Hoffnungen nichterfüllen können. Das ist an sich kein Problem – allerdings nur, wenn man zum Schlusskommen sollte, dass die damals als problematisch empfundenen Fallkon-

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stellationen in der Realität kaum vorkommen oder anderweitig befriedigend gelöstwerden können. Beides ist allerdings nicht der Fall. Die Gerichtspraxis zeigt vielmehr,dass marktreife Arbeitsergebnisse durchaus durch technische Reproduktionsverfahrenübernommen und verwertet werden, dass die Gerichte diese Verhaltensweisen aberweder durch Art. 5 lit. c UWG noch durch andere Normen hinreichend zu erfassenvermögen.

Zum einen ist die Rechtsprechung zu Art. 5 lit. c UWG weder durchwegs überzeugendnoch stets konsistent. Letzteres zeigt sich mit aller Deutlichkeit in den Suchspider-Entscheiden. Dass das KGer Fribourg zehn Jahre nach dem Leitentscheid des BGerund zwei weiteren Entscheiden kantonaler Gerichte einen praktisch identischenSachverhalt gerade umgekehrt beurteilt hat115, erscheint fragwürdig. Dasselbe gilt fürdie Begründung des Fribourger Urteils, die im Kern darin besteht, dass für den Einsatzvon Suchspidern – anders als im Zeitpunkt des Entscheides des BGer – kein Team vonEntwicklern mehr nötig sei, sondern am Markt erhältliche Standardsoftware eingesetztwerden könne, womit es an einem angemessenen eigenen Aufwand des Beklagtenfehle116. Dass die Vorgaben des Wettbewerbsrechts dazu führen, dass neuere undeffizientere Technologien am Markt nicht eingesetzt werden dürfen, erscheint wenig

109 KGer Fribourg, sic! 2017, 228 ff., 230, «Spidering».110 KGer Fribourg, sic! 2017, 228 ff., 231, «Spidering».111 Siehe dazu vorn, III.112 KGer Fribourg, sic! 2017, 228 ff., 231 ff., «Spidering».113 KGer Fribourg, sic! 2017, 228 ff., 233, «Spidering».114 KGer Fribourg, sic! 2017, 228 ff., 234, «Spidering».115 Siehe dazu vorn, III.3. und III.4.116 KGer Fribourg, sic! 2017, 228 ff., 233, «Spidering».

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überzeugend. Dies umso mehr, wenn man bedenkt, dass eine der Funktionen desWettbewerbs das Erzielen, Einführen und Verbreiten von Fortschritt ist117.Das Beispiel der Suchspider-Entscheide zeigt aber auch, dass wohl schon derGrundgedanke hinter dem Tatbestandsmerkmal des fehlenden angemessenen eigenenAufwands verkehrt ist: Dass ein Verhalten aus Sicht des Wettbewerbsrechts nur dannzulässig sein soll, wenn es mit einem hinreichenden Aufwand verbunden ist, eineffizientes Vorgehen also ein Verbot zu begründen vermag, kann kaum Sinn und Zweckdes UWG sein, wenn man davon ausgeht, dass dieses Gesetz den Wettbewerb alsInstitution und damit sein Funktionieren gewährleisten soll118. Denn zu einemfunktionierenden Wettbewerb gehört unter anderem, dass die Beteiligten durch denWettbewerbsdruck zu einem effizienten Einsatz von Ressourcen gezwungen werden.Es wäre deshalb verfehlt, einen Verstoss gegen das UWG (auch) damit zu begründen,dass ein Wettbewerbsteilnehmer für die Herstellung seiner Waren oderDienstleistungen keinen hinreichenden Aufwand betrieben hat.

Das Abstellen auf den fehlenden angemessenen eigenen Aufwand wirft allerdings nichtnur theoretische Fragen auf, sondern verursacht auch massgebliche praktischeProbleme, namentlich weil das Tatbestandsmerkmal zu einer hohenSubstantiierungslast der Kläger führt119. Die Schwierigkeiten beim Nachweis habendazu geführt, dass die Gerichte das Vorliegen eines angemessenen eigenen Aufwandsbisweilen nicht ernsthaft beurteilen konnten und den Verstoss gegen Art. 5 lit. c UWGmangels Substantiierung des Aufwandes der Klägerin verneint haben120. Einenanderen, nicht minder unbefriedigenden Weg hat in jüngerer Zeit das KGer Fribourggewählt, indem es den Verstoss gegen Art. 5 lit. c UWG mit der spekulativenBegründung gutgeheissen hat, es sei «überzeugt, dass der Aufwand der Beklagten beiEinsparung der ersten drei von insgesamt sieben Produktionsschritten unangemessengeringer ist als derjenige der Klägerin»121. Dies zeigt, dass die Gerichte kaum in derLage sind, den vom Gesetzgeber vorgesehenen doppelten Aufwandvergleich sauberdurchzuführen.

Die praktischen Probleme bei der Prüfung des angemessenen eigenen Aufwandsführen zudem zurück zu einem fundamentalen theoretischen Problem: Das Abstellenauf die Amortisation der Kosten122 läuft unvermeidbar darauf hinaus, dass die Gerichteentscheiden müssen, ob der Erstbewerber einen angemessenen Ertrag erzielt hat, deres «rechtfertigt», dass der Zweitbewerber sein Arbeitsergebnis übernehmen darf. DieBestimmung eines angemessenen Ertrags kann in einer Marktwirtschaft aber noch

117 Siehe dazu hinten, V.2.e.118 R. M. Hilty, in: R. M. Hilty / R. Arpagaus (Hg.), Bundesgesetz gegen den unlauteren

Wettbewerb (UWG), Basler Kommentar, Basel 2013, UWG 1 N 113; P. Jung, in:P. Jung / P. Spitz (Hg.), Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG),Kommentar, 2. Aufl., Bern 2016, UWG 1 N 2; R. M. Hilty / H. C. von der Crone / R. H.Weber, Stellungnahme zur Anpassung des UWG: Ambush Marketing, sic! 2006, 702 ff.,704; Thouvenin (Fn. 1), 115; Baudenbacher (Fn. 4), UWG 1 N 35; Ders. (Fn. 17), GRURInt. 1981, 163.

119 Ebenso: BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 102; SHK-Brauchbar / Birkhäuser (Fn. 4),UWG 5 N 29.

120 BGE 131 III 384, 393 f., «Suchspider»; Apphof Basel-Stadt, AGE AS-2007/320, E. 2.4,«Erotikdienstleistungen»; ZivGer Basel-Stadt, sic! 2003, 217 ff., 222 f., «ElektronischerPressespiegel II», wobei die Erwägungen zur mangelnden Substanziierung aber geradenicht veröffentlicht worden sind.

121 KGer Fribourg, sic! 2017, 228 ff., 234, «Spidering».122 Siehe dazu vorn, II.5.

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weniger einer staatlichen Behörde überlassen werden als die Bestimmung desrichtigen Preises123. Diese Aufgabe kann nur der Markt erfüllen.

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Vollends gescheitert sind die Gerichte schliesslich bei der Anwendung von Art. 5 lit. cUWG auf vertikale Marktkonstellationen. Dies kann insofern nicht erstaunen, als derGesetzgeber beim Erlass des Tatbestands allein horizontale Konstellationen im Augehatte, also die Übernahme der Arbeitsergebnisse durch einen Konkurrenten124. Vondieser verkürzten Perspektive haben sich auch Lehre und Rechtsprechung bisher nichtlösen können, obwohl der Tatbestand weder nach seinem Wortlaut noch nach seinemSinn und Zweck auf horizontale Konstellationen beschränkt ist. Dass eine solcheBeschränkung verfehlt ist, belegen schon der Zweckartikel, nach welchem dieFunktionsfähigkeit des Wettbewerbs im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten ist(Art. 1 UWG), und die Generalklausel (Art. 2 UWG), die nicht nur unzulässigeVerhaltensweisen im Verhältnis zwischen Mitbewerbern, sondern auch zwischenAnbietern und Nachfragern erfasst. In Übereinstimmung mit diesem umfassendenAnsatz haben die Gerichte Art. 5 lit. c UWG denn auch schon auf vertikaleKonstellationen angewendet, so namentlich in den Fällen «Formel-1-Kalender»125,«Theorieprüfungen für Motorfahrzeugfahrer»126 und in den beiden «Pressespiegel»-Entscheiden127; und auch in der Lehre wird darauf verwiesen, dass die Übernahmevon Vor-, Teil- und Zwischenprodukten von Art. 5 lit. c UWG erfasst werden kann128.Dass damit aber nicht horizontale, sondern vertikale Marktkonstellationen zu beurteilensind und das Konzept des doppelten Aufwandvergleichs mit seinem Fokus auf dieBestimmung eines «ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprungs» für die Konstellationzwischen Anbieter und Nachfrager auf verschiedenen Marktstufen nicht passen kann,wurde übersehen.

All dies zeigt deutlich, dass die Auslegung und Anwendung des Tatbestandsmerkmalsdes fehlenden angemessenen eigenen Aufwands grundlegend überdacht werdenmuss.

V. Neuer Ansatz

1. VorbemerkungZweck des Wettbewerbsrechts (UWG) ist es, den lauteren und unverfälschtenWettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten (Art. 1 UWG). Noch immerumstritten ist, ob die Generalklausel und die Spezialtatbestände des UWG mit Blick aufseinen Zweck rein ökonomisch-funktional oder auch geschäftsmoralisch auszulegenund anzuwenden sind129. Diese Streitfrage kann hier nicht geklärt werden. Stattdessen

123 K. A. Vallender, in: B. Ehrenzeller / B. Schindler / R. J. Schweizer / K. A. Vallender(Hg.), Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, Zürich / St. Gallen2014, BV 27 N 58, 63, BV 94 N 6; R. Jacobs, in: B. Ehrenzeller / B. Schindler / R. J.Schweizer / K. A. Vallender (Hg.), Die schweizerische Bundesverfassung, St. GallerKommentar, Zürich / St. Gallen 2014, BV 96 N 30, der darauf hinweist, dass Art. 96 demBund keine Kompetenz zuweist, generell in die Preisbildung einzugreifen; G. Biaggini,Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, BV Kommentar, 2. Aufl.,Zürich 2017, BV 27 N 9; Jenny (Fn. 2), Rn. 285; siehe auch BGer vom 17. Mai 2011,2C_940/2010, E. 4.3, «Taxiverordnung».

124 Botschaft UWG (Fn. 9), BBl 1983 1009, 1047.125 Siehe dazu vorn, III.2.126 Siehe dazu vorn, III.3.127 Siehe dazu vorn, III.2. und III.4.128 Siehe dazu vorn, II.2.129 Für einen rein funktionalen Ansatz: Thouvenin (Fn. 1), 145 ff., 558; so wohl auch Troller

(Fn. 46), Immaterialgüterrecht, 922. Für einen Vorrang der funktionalen Auslegung: BSK-Hilty (Fn. 118), spricht von einer «vom Gesetzgeber explizit gewollten funktionalenAusrichtung des Erlasses» (UWG 1 N 34, siehe auch N 46, 64, 75) und sieht die«funktionale Ausrichtung des Art. 1» als «an sich unbestritten» an (UWG 2 N 37), ohneaber vollständig von einer Berücksichtigung sittlicher Kriterien Abstand zu nehmen(siehe dazu UWG 1 N 80 f., UWG 2 N 38); Baudenbacher (Fn. 4), UWG 1 N 11, 41;Hilty / von der Crone / Weber (Fn. 118), sic! 2006, 704; Fiechter (Fn. 2), 20; R.

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wird nachfolgend zwar auf eine rein funktionale Auslegung des UWG abgestellt, vorababer aufgezeigt, dass auch eine geschäftsmoralische Betrachtung der Verwertungfremder Leistungen nicht zu einem anderen Ergebnis führen würde.

2. Funktionale Auslegung

a) Grundsatz

Die ökonomisch-funktionale Auslegung beruht auf einigen wenigen, grundlegenden undunbestrittenen Erkenntnissen der Wirtschaftswissenschaften. Diese Erkenntnissehaben ihren Weg in die Rechtswissenschaft und die Rechtsanwendung längstgefunden – nicht nur im Kartellrecht, sondern auch im UWG130. Noch fehlt aber einesystematische Anwendung. Ausgangspunkt einer funktional-ökonomischen Anwendungdes UWG ist die Erkenntnis, dass Wettbewerb im Wesentlichen drei grundlegendeFunktionen erfüllen kann, wenn zwei grundlegende Voraussetzungen erfüllt sind131.

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b) Voraussetzungen

Zentrale Voraussetzung für das Bestehen und Funktionieren von Wettbewerb ist dieWettbewerbsfreiheit132; diese wird durch eine Reihe von Erlassen geschützt, in ersterLinie durch das Kartellrecht. Dem UWG kommt hier nur, aber immerhin, eineergänzende Funktion zu, bspw. bei der Absicherung der Wahlfreiheit derKonsumenten133 und beim Schutz gegen Boykotte134.Die zweite grundlegende Voraussetzung für das Funktionieren von Wettbewerb ist dieGleichbehandlung der Wettbewerbsteilnehmer durch die Rechtsordnung, diesicherstellt, dass alle Akteure am Markt unter den gleichen rechtlichenVoraussetzungen tätig sein können135.

Heizmann, in: R. Heizmann / L. D. Loacker (Hg.), Bundesgesetz gegen den unlauterenWettbewerb, Kommentar, Zürich / St. Gallen 2018, UWG 1 N 30 ff. äussert sichgrundsätzlich für ein gleichberechtigtes Nebeneinander der beiden Ansätze, weist abermit Baudenbacher darauf hin, dass von diesem Grundsatz abgewichen werden könne,wenn «Lauterkeitsrecht zum Wettbewerbsverhinderungsrecht» würde; M. Reinert,Preisgestaltung in: T. Geiser / P. Krauskopf / P. Münch (Hg.), Schweizerisches undeuropäisches Wettbewerbsrecht, Basel 2005, 91 ff., Rz. 4.225; Jenny (Fn. 2), Rn. 263 ff.Für ein Nebeneinander von funktionalen und geschäftsmoralischen Kriterien: SHK-Jung(Fn. 118), UWG 1 N 20 f.; SIWR-Müller (Fn. 4), 25; BGer, sic! 2008, 454 ff., 455, «IWC/ WMC»; BGer, sic! 2009, 46 ff., 46, «Amt für das Handelsregister»; BGE 133 III 431,434, «Vorsorgestiftung». Für einen Vorrang der geschäftsmoralischen Auslegung:Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 1.30, 1.46; L. David / R. Jacobs, SchweizerischesWettbewerbsrecht, 5. Aufl., Bern 2012, Rn. 45; so wohl auch Wild (Fn. 40), Rn. 1112,1172; siehe auch C. Fountoulakis, Tupperware-Parties und Co., Diewettbewerbsrechtliche Beurteilung des Vertriebs unter Einsatz von Laien, GRUR Int.2009, 979 ff., 981.

130 Siehe dazu hinten: V.2.b. zur Wettbewerbsfreiheit, V.2.b. zur Gleichbehandlung derWettbewerbsteilnehmer, V.2.c. zur Lenkungsfunktion, V.2.d. zur Verteilungsfunktion undV.2.e. zur Fortschrittsfunktion.

131 Thouvenin (Fn. 1), 70 ff., insb. 72 ff., zu den Voraussetzungen, 77 ff., zu den Funktionen,siehe zusammenfassend auch 477.

132 Thouvenin (Fn. 1), 70 ff., insb. 72 ff., 427, 477. Siehe dazu auch BSK-Hilty (Fn. 118),UWG 1 N 113, 117; W.R. Schluep, Über den Begriff der Wettbewerbsverfälschung, in:H. Merz / W. R. Schluep (Hg.), Recht und Wirtschaft heute, FS Kummer, Bern 1980,487 ff. (zit. FS Kummer), 517 f.; Baudenbacher (Fn. 4), UWG 1 N 15; Jecklin (Fn. 2),86 f.; SIWR-Müller (Fn. 4), 13.

133 Thouvenin (Fn. 1), 260 ff., insb. 262.134 Thouvenin (Fn. 1), 258 f.135 Thouvenin (Fn. 1), 71, 75 ff., 477; BGer, sic! 1999, 156 ff., 156 ff., «Kamov»; Biaggini

(Fn. 123), BV 27 N 4, BV 94 N 2, 6; ausführlich hierzu SGK-Vallender (Fn. 123), BV 27N 28 ff.; siehe dazu auch Schluep (Fn. 132), FS Kummer, 518.

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c) Lenkungsfunktion

Der Wettbewerb stellt sicher, dass das Angebot durch die Nachfrage gesteuert wird,dass also zumindest mittelfristig nur Güter am Markt angeboten werden, für dietatsächlich eine Nachfrage besteht. Dieser fundamentale Mechanismus kann alsLenkungsfunktion des Wettbewerbs bezeichnet werden. Der Mechanismus funktioniertallerdings nur, wenn Markttransparenz besteht, wenn also die Nachfrager überausreichende und richtige Informationen über die am Markt bestehenden Angeboteverfügen136.Die Markttransparenz wird durch eine Reihe von Tatbeständen des UWG geschützt unddamit das Funktionieren der Lenkungsfunktion gewährleistet, namentlich durch dasVerbot der Irreführung (Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG) und des Schaffens vonVerwechslungsgefahr (Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG) und durch eine Reihe weitererSpezialtatbestände137.

d) Verteilungsfunktion

Der Wettbewerb gewährleistet, dass das Einkommen der Marktteilnehmer nachMassgabe ihrer vom Markt bewerteten Leistung verteilt wird. Mit anderen Worten kannam Markt nur ein Einkommen erzielen, wer Abnehmer findet, die bereit sind, für denErwerb der angebotenen Waren oder Dienstleistungen das vom Anbieter verlangteEntgelt zu leisten. Dies kann als Verteilungsfunktion bezeichnet werden138.Diese Funktion vermag Wettbewerb nur zu erfüllen, wenn das Ausschlussprinzipgewährleistet ist, wenn die Anbieter also sicherstellen können, dass die Nachfrager dasangebotene Gut nur erwerben oder nützen können, wenn sie dafür das vom Anbieterverlangte Entgelt leisten139. Wer nicht bereit ist, für das angebotene Gut zu bezahlen,muss von dessen Erwerb und Nutzung ausgeschlossen werden können.

Für das Bestehen eines Marktes und das Funktionieren des Wettbewerbs auf diesemMarkt ist das Ausschlussprinzip von zentraler Bedeutung. Es wird denn auch durcheine Reihe von Rechtsnormen gewährleistet, namentlich durch das sachenrechtlicheEigentum, durch die Immaterialgüterrechte und durch den Schutz von Fabrikations- undGeschäftsgeheimnissen. Dem UWG kommt hier nur eine ergänzende Funktion zu, wasteilweise durch den Begriff des «ergänzenden wettbewerbsrechtlichenLeistungsschutzes»140 zum Ausdruck gebracht wird. Im Vordergrund steht dabei dasVerbot der Verwertung fremder Leistungen (Art. 5 UWG).

136 Für Näheres zum Ganzen siehe Thouvenin (Fn. 1), 77 ff., 431; siehe auch SIWR-Müller(Fn. 4), 12; BGE 117 IV 193, 198, zur Markttransparenz als Voraussetzung «eineroptimalen Bedürfnisbefriedigung»; BGE 136 III 23, 44, «TouristDirectory»; siehe dazuauch Schluep (Fn. 132), FS Kummer, 518.

137 So namentlich die Verbote der Herabsetzung (Art. 3 Abs. 1 lit. a UWG), derunzutreffenden Titelführung (Art. 3 Abs. 1 lit. c), der Lockvogelwerbung (Art. 3 Abs. 1lit. f.), von Zugaben (Art. 3 Abs. 1 lit. g), der Täuschung durch Verschleierung (Art. 3Abs. 1 lit. i), des Versands von Rechnungen ohne entsprechenden Auftrag (Art. 3 Abs. 1lit. q), die Regeln über die vergleichende Werbung (Art. 3 Abs. 1 lit. e) und den sog.Verzeichnisschwindel (Art. 3 Abs. 1 lit. p), das Verbot der Verletzung vonTransparenzregeln im elektronischen Geschäftsverkehr (Art. 3 Abs. 1 lit. s) und dieBestimmungen zu den Konsumkrediten (Art. 3 Abs. 1 lit. k–n).

138 Für Näheres siehe Thouvenin (Fn. 1), 82; H. Bartling, Schlussfolgerungen ausEntwicklungstendenzen der Wettbewerbstheorie für die Wettbewerbspolitik, WuW 1993,16 ff., 17; Schluep (Fn. 132), FS Kummer, 516 f.; dazu auch schon die Botschaft UWG(Fn. 9), BBl 1983 1009, 1038.

139 Für Näheres siehe Thouvenin (Fn. 1), 83 f.; siehe dazu auch Bartling (Fn. 138), WuW1993, 18, nach welchem das Ausschlussprinzip bedeutet, dass ein Nachfrager «solange von der Nutzung eines Gutes ausgeschlossen werden können [muss], bis ereinen zwischen Anbieter und Nachfrager zu vereinbarenden Preis gezahlt hat»; ebensoR. Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, 2. Aufl., München 1998, 73.

140 BGE 118 II 459, 465, «Just Elvis II»; Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 79; Schneidinger(Fn. 17), 48, mit Verweis auf die deutsche Lehre.

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e) Fortschrittsfunktion

Der Wettbewerb führt auch zum Erzielen, Einführen und Verbreiten von Fortschritt.Denn der Wettbewerbsdruck führt dazu, dass (zumindest gewisse) Anbieter versuchenwerden, neue Waren oder Dienstleistungen auf den

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Markt zu bringen oder neue Verfahren zu entwickeln, um bestehende Waren oderDienstleistungen günstiger herstellen oder anbieten zu können. Auf diese Weisekönnen sie sich dem Preisdruck des Marktes zumindest teilweise entziehen und solange höhere Erträge erzielen, bis ihre Konkurrenten durch Imitation in der Lage sind,ähnliche oder gar bessere Waren und Dienstleistungen anzubieten oder zu gleichgünstigen oder gar günstigeren Konditionen zu produzieren. Diese Funktion desWettbewerbs kann als Fortschrittsfunktion bezeichnet werden141.Die Fortschrittsfunktion setzt ein Wechselspiel von Innovation und Imitation voraus, dasauch als «Wettbewerb der Bahnbrecher und Nachahmer»142 bezeichnet wird. Für dasFunktionieren dieses Mechanismus ist entscheidend, dass es denWettbewerbsteilnehmern nicht nur möglich ist, sich durch neue Waren,Dienstleistungen oder Produktionsverfahren einen Vorsprung gegenüber ihrenKonkurrenten zu verschaffen, sondern dass die Konkurrenten auch in der Lage sind,diesen Vorsprung durch Nachahmung wieder wett zu machen. Dies wird im UWG durchdie Nachahmungsfreiheit143 sichergestellt. Abweichungen von diesem Grundsatzbestehen nur, wenn ein immaterialgüterrechtlicher Schutz besteht. Dieser bedarf alsEingriff in den Grundsatz allerdings der eingehenden Rechtfertigung, die überwiegenddarin gesehen wird, dass die Immaterialgüterrechte – genauer: das Patent-, Urheber-und Designrecht – durch die Gewährung zeitlich beschränkterAusschliesslichkeitsrechte Anreize für die Produktion der geschützten Güter setzenmüssen, weil der Markt diese Güter ohne solche Anreize nicht oder nicht imerwünschten Mass bereitstellen würde144. Ob und inwiefern diese Anreize effektiverforderlich sind und auch tatsächlich wirken, ist zwar bis heute nicht hinreichendgeklärt145. Diese Frage ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Beitrags und musshier offenbleiben.

141 Für Näheres zum Ganzen siehe Thouvenin (Fn. 1), 84 ff.; SHK-Jung (Fn. 118), UWG 1N 16; unter dem Begriff «Innovationsfunktion» auch Bartling (Fn. 138), WuW 1993, 17.

142 Für Näheres siehe Thouvenin (Fn. 1), 16 f.143 Siehe dazu vorn, I.144 Für Näheres siehe Thouvenin (Fn. 1), 287 ff., insb. 288 f. (zur ökonomischen

Legitimation des Patentrechts), 322 ff. (zur ökonomischen Legitimation desUrheberrechts), 337 ff. (zur ökonomischen Legitimation des Designrechts). Siehe fernerauch: Weber (Fn. 3), Datenbankrecht, 71; Jecklin (Fn. 2), 68 ff.; Hilty (Fn. 9), FSUllmann, 660 f.; H.-B. Schäfer / C. Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse desZivilrechts, 5. Aufl., Berlin 2012, 667 f.; F.-K. Beier, Ausschließlichkeit, gesetzlicheLizenzen und Zwangslizenzen im Patent- und Musterrecht, GRUR 1998, 185 ff., 187; C.Kirchner, Innovationsschutz und Investitionsschutz für immaterielle Güter, GRUR Int.2004, 603 ff., 605 (zu Innovationen); Fiechter (Fn. 2), 57 ff., zum Patentrecht; J. Drexl/ R. M. Hilty /A. Kur, Designschutz für Ersatzteile – Der Kommissionsvorschlag zurEinführung einer Reparaturklausel, GRUR Int. 2005, 449 ff., 450, zum Designrecht.

145 Kritisch dazu ferner auch: Zum Patentrecht: Thouvenin (Fn. 1), 299 ff.; R.P. Merges, TheEconomic Impact of Intellectual Property Rights: An Overview and Guide, Journal ofCultural Economics, 1995, 103 ff., 107 f. Zum Urheberrecht: Thouvenin (Fn. 1), 326 ff.;E. Brem, Ist das Urheberrechtsgesetz ein Kulturgesetz? in: E. Brem / J. N. Druey/E. A. Kramer / I. Schwander (Hg.), FS Pedrazzini, Bern 1990, 535 ff., 539; W.M.Landes / R.A. Posner, An Economic Analysis of Copyright Law, Journal of LegalStudies 1989, 325 ff., 329 ff.; Dies. The Economic Structure of Intellectual Property Law,Cambridge /London 2003, 41 ff. Zum Designrecht: Thouvenin (Fn. 1), 338 f.

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3. Geschäftsmoralische AuslegungDie Verwertung fremder Leistungen erscheint aus geschäftsmoralischer Perspektivegrundsätzlich problematisch. Dies wird in Lehre und Rechtsprechung – teilweise bisheute – durch eine moralisch aufgeladene Rhetorik und die Verwendung von Begriffenwie «Schmarotzertum»146 oder «parasitärer Wettbewerb»147 zum Ausdruck gebracht.Bei einer rein geschäftsmoralischen Betrachtung müsste die Verwertung fremderLeistungen damit stets verboten sein und zwar nicht nur, wenn Leistungen unmittelbarübernommen, sondern auch, wenn sie bloss nachgeahmt werden. Mit andererBegründung kommen die Vertreter des geschäftsmoralischen Ansatzes damit zumselben Schluss wie eine funktionale Betrachtung, nämlich: dass die unmittelbareÜbernahme eines marktreifen Arbeitsergebnisses nach den Vorgaben des UWGunzulässig sein muss148.

4. Leitgedanken für Auslegung und Anwendung

a) Ausschlussprinzip

Unabhängig davon, ob man sich für eine ausschliesslich ökonomisch-funktionaleAuslegung des UWG ausspricht oder den geschäftsmoralischen Ansatz (mit-)

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anwenden will, ist klar, dass dem Ausschlussprinzip für die Gewährleistung deslauteren und unverfälschten Wettbewerbs eine grundlegende Bedeutung zukommt: Werauf dem Markt eine Ware oder Dienstleistung anbietet, muss in der Lage sein, derenErwerb oder Nutzung von der Zahlung eines Entgelts abhängig zu machen149. DieseAufgabe ist allerdings, wie erwähnt150, nicht allein dem UWG überlassen. Für Sachenwird das Ausschlussprinzip durch das Sacheigentum sichergestellt, für eine Reiheimmaterieller Güter durch die Immaterialgüterrechte und für geheimes Know-how durchden Schutz in Strafrecht und UWG. Bei vielen weiteren Gütern sind die Anbieter zudemin der Lage, die Zahlung eines Entgelts mittels tatsächlicher Massnahmensicherzustellen, bspw. durch Zugangs- und Kopiersperren151.Das Netz der Rechtsnormen ist allerdings – mit guten Gründen – nicht so dicht und dieverfügbaren tatsächlichen Massnahmen sind nicht so umfassend, dass dasAusschlussprinzip stets gewährleistet wäre. Kommt hinzu, dass Anbieter an sichmögliche Massnahmen bisweilen nicht ergreifen, weil ihnen die technischenKompetenzen fehlen, weil sie die Kosten scheuen oder weil sie negative Reaktionender potenziellen Abnehmer befürchten. In all diesen Fällen kann die Gewährleistungdes Ausschlussprinzips durch das UWG entscheidend sein. Dies zeigt sich gerade beidigitalen Gütern, die keine Körperlichkeit aufweisen und deshalb nicht als Sachen

146 BGE 83 II 154, 163, «Dublo»; BGE 104 II 322, 334, «Bata Schuh»; BGE 108 II 327,332 f., «Lego»; BGE 113 II 190, 201 f., «Le Corbusier»; BGE 116 II 365, 369 f., «Nivea/ Jana»; BGE 116 II 471, 473 f., «Volvo-Kotflügel»; David / Jacobs (Fn. 129), Rn. 349 ff.;Weber (Fn. 3), Datenbankrecht, 71; Dessemontet (Fn. 10), JdT 1993, 376; SIWR-Guyet(Fn. 8), 209; siehe dazu auch Schneidinger (Fn. 17), 53 f.

147 BGE 131 III 384, 391, «Suchspider»; KGer Neuenburg, RJN 2016, 137 ff., 143,«Vertragsverletzung»; BSK-Arpagaus (Fn. 9), UWG 5 N 62; L. Ferrari Hofer, in: R.Heizmann / L. D. Loacker (Hg.), Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb,Kommentar, Zürich / St. Gallen 2018, UWG 2 N 108; Gilliéron (Fn. 11), Medialex 2010,75; P. Kobel, Le parasitisme en droit suisse: entre Nachahmungsfreiheit (liberté d’imiter),Verwechslungsgefahr (risque de confusion) et Rufausbeutung (exploitation de laréputation), in: J. de Werra (Hg.), Défis du droit de la concurrence déloyale, Genf/ Zürich / Basel 2014, 101 ff., passim.

148 David / Jacobs (Fn. 129), Rn. 356 ff.; Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 4.61 ff.; Wild(Fn. 40), Rn. 1188 zum Profitieren von der Vorleistung des Mitbewerbers ohne dessenZustimmung sowie Rn. 1237 zu Art. 5 lit. c.

149 Siehe dazu auch Baudenbacher (Fn. 17), GRUR Int. 1981, 167 f.150 Siehe dazu vorn, V.2.d.151 Siehe dazu auch vorn, I.

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qualifiziert und durch das Sacheigentum erfasst werden können152 und die auch nurteilweise durch Immaterialgüterrechte, insb. durch Urheberrechte und verwandteSchutzrechte, geschützt sind.

b) Horizontale und vertikale Marktverhältnisse

Die Gewährleistung des Ausschlussprinzips ist nicht nur in horizontalen, sondernauch – und ganz besonders – in vertikalen Marktverhältnissen zentral. Auch Anbietervon Gütern, die Vorleistungen für nachgelagerte Marktstufen sind, müssen in der Lagesein, deren Erwerb von der Zahlung eines Entgelts abhängig zu machen. Dem Schutzgegen unmittelbare Übernahme kommt im Verhältnis zwischen den Anbietern auf einervorgelagerten und den Abnehmern auf einer nachgelagerten Marktstufe gar eine nochgrundlegendere Bedeutung zu als im Verhältnis zwischen Konkurrenten, weil dieAnbieter von Vorleistungen am Markt überhaupt keinen Ertrag erzielen können, wennes ihnen nicht gelingt, das Ausschlussprinzip durchzusetzen, während Teilnehmerderselben Marktstufe nur mit Umsatzeinbussen rechnen müssen, wenn Konkurrentenihre Güter unmittelbar übernehmen und verwerten.

Zwar kann das Ausschlussprinzip in vertikalen Verhältnissen recht häufig durchtatsächliche Massnahmen durchgesetzt werden. Es gibt aber zahlreicheKonstellationen, in denen solche Massnahmen nicht zur Verfügung stehen, nicht greifenoder umgangen werden können. Hinzu kommt, dass der Einsatz tatsächlicherMassnahmen mit Kosten verbunden ist. Diese Kosten können zumindest teilweiseeingespart werden, wenn die Rechtsordnung ein Instrument zur Gewährleistung desAusschlussprinzips zur Verfügung stellt.

Dass die unmittelbare Übernahme der Arbeitsergebnisse Dritter auch – und ganzbesonders – in vertikalen Marktverhältnissen unzulässig sein muss, hat derGesetzgeber beim Erlass von Art. 5 lit. c UWG wohl schlicht übersehen. Dies vermaginsofern kaum zu erstaunen, als bis zum Erlass des geltenden Gesetzes dieAnwendung des UWG nach verbreiteter Auffassung vom Bestehen einesWettbewerbsverhältnisses153 abhängig gemacht wurde, weshalb dessen Auslegungund Anwendung insgesamt auf horizontale Marktverhältnisse fokussiert war.

Diese eingeschränkte Betrachtungsweise zeigt sich auch in der Lehre undRechtsprechung zu Art. 5 lit. c UWG, in der vertikale Konstellationen bis heute nichtausdrücklich154 behandelt werden. Zwar ist durchaus anerkannt, dass auch Vor-, Teil-und Zwischenprodukte als marktreife Arbeitsergebnisse anzusehen sind155; einereflektierte Anwendung dieser Erkenntnis auf vertikale Marktkonstellationen ist aberbisher unterblieben. Das zeigt sich besonders deutlich im Entscheid des HGer desKantons Bern, mit welchem zu beurteilen war, ob die Übernahme von Fragen,Antworten und Fotografien für die Motorfahrzeugprüfung und deren Verwendung ineiner ent-

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152 Am Beispiel von Daten: F. Thouvenin /R. H. Weber, Zum Bedarf nach einemDateneigentum, Jusletter IT Flash vom 11. Dezember 2017, Rn. 7; Fröhlich-Bleuler(Fn. 16), Jusletter vom 6. März 2017, Rn. 13, 30; Briner (Fn. 16), Jusletter vom 21. Mai2015, Rn. 30 f.; D. Hürlimann / H. Zech, Rechte an Daten, sui-generis 2016, 89 ff.,Rn. 8; R. H. Weber / L. Chrobak, Rechtsinterdisziplinarität in der digitalen Datenwelt,Jusletter vom 4. April 2016, Rn. 16. A.M. M. Eckert, Digitale Daten als Wirtschaftsgut:digitale Daten als Sache, SJZ 2016, 245 ff., 249; Ders., Digitale Daten alsWirtschaftsgut: Besitz und Eigentum an digitalen Daten, SJZ 2016, 265 ff., passim.

153 BGE 108 II 327, 329, «Lego»; BGE 98 II 57, 60 f., «Commerzbank»; BGE 92 IV 38, 39,«Tea Room Mascotte»; BGE 90 II 315, 322 ff., «Elin»; B. von Büren, Kommentar zumWettbewerbsgesetz, Zürich 1957, Allgemeines N 45; R. von Büren, Kommentar zumBundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb, Zürich 1945, 57 f. Kritisch dazu aberbereits: BGE 92 II 22, 24, «Insektenmittel»; M. Kummer, Anwendungsbereich undSchutzgut der privatrechtlichen Rechtssätze gegen unlautern und gegenfreiheitsbeschränkenden Wettbewerb, Bern 1960, 24 ff., insb. 51 ff.; Hilti (Fn. 7), 74.

154 Siehe dazu vorn, IV.155 Siehe dazu vorn, II.2.

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sprechenden Lernsoftware gegen Art. 5 lit. c UWG verstosse. Das Gericht hat sichdabei auf den Standpunkt gestellt, dass allein die fertige Lernsoftware ein marktreifesArbeitsergebnis sei, nicht aber das Grundlagenmaterial, aus dem Dritte ihreLernsoftware entwickeln156. Es hat dabei verkannt, dass die Hersteller desGrundlagenmaterials und der Lernsoftware sich als Anbieter und Nachfrager auf dementsprechenden Markt gegenüberstehen und die Fragen, Antworten und Fotografienauf diesem Markt ohne Weiteres als marktreife Arbeitsergebnisse zu qualifizieren sind.

c) Abgrenzungen

Die unmittelbare Übernahme wird im geltenden Recht durch Art. 5 lit. c UWG geregelt.Die vergleichsweise eng formulierten Tatbestandsmerkmale führen allerdings dazu,dass die Norm nicht jede unmittelbare Übernahme von Arbeitsergebnissen Drittererfasst. Ausgeschlossen ist namentlich die Anwendung auf Dienstleistungen157. Beidiesen ist eine unmittelbare Übernahme aber ohnehin kaum denkbar. Vielmehr werdenDritte wohl stets eigene Dienstleistungen anbieten, die allenfalls als Nachahmungenbestehender Dienstleistungen qualifiziert werden können, als solche aber stets zulässigsind158.Ebenfalls ausgeschlossen ist die Anwendung von Art. 5 lit. c UWG auf die – wohlzunehmend selteneren – Fälle der unmittelbaren Übernahme, die nicht durch denEinsatz von technischen Reproduktionsverfahren erfolgt, bspw. das Abtippen ganzerDatensätze. Mit Blick auf die Umsetzung des Ausschlussprinzips erscheint dieseEinschränkung zwar als nicht unproblematisch. Für Art. 5 lit. c UWG ist sie allerdingsaufgrund des unzweideutigen Wortlauts hinzunehmen. Immerhin können solche Fällewohl durch die Generalklausel erfasst werden159.Klarzustellen ist schliesslich, dass Art. 5 lit. c UWG nur greift, wenn das unmittelbarübernommene Arbeitsergebnis am Markt auch unmittelbar verwertet wird. So muss esbspw. zulässig sein, Datenbestände Dritter unmittelbar zu übernehmen, um dieseunternehmensintern zu analysieren und die gewonnenen Schlüsse auf dem Markt zuverwerten160. Wirken sich rein betriebsinterne Vorgänge nicht auf den Markt aus, fälltnicht nur eine Erfassung über Art. 5 lit. c UWG ausser Betracht, sondern es fehlt schonam Anwendungsbereich des UWG161. Gleiches gilt für die Übernahme und Nutzungmarktreifer Arbeitsergebnisse zu privaten Zwecken, weil auch rein private Tätigkeitennicht vom UWG erfasst werden162. So kann etwa niemandem gestützt auf Art. 5 lit. cUWG verwehrt werden, ganze Bibliotheken an Musik oder Filmen zu privaten Zweckenzu vervielfältigen163.

156 HGer Bern, sic! 2016, 56 ff., 60, «Theorieprüfung für Motorfahrzeugfahrer».157 Siehe dazu vorn, II.2.158 Siehe dazu vorn, I.159 Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 82 f.; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 87.160 Siehe dazu auch: Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 58; Jecklin (Fn. 2), 122. A.M.

Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 34; Fiechter (Fn. 2), 155, wobei die hier für dieBeurteilung massgebliche Unmittelbarkeit der Verwertung von keinem der Autorenthematisiert wird; vielmehr beschränken sie sich darauf, zu erläutern, ob es sich auchbetriebsintern um eine gewerbliche Verwertung handeln könne.

161 BSK-Hilty (Fn. 118), UWG 2 N 26; SIWR-Müller (Fn. 4), 10; Baudenbacher (Fn. 4), vorUWG 2 N 4; Ferrari Hofer (Fn. 147), UWG 2 N 24; Thouvenin (Fn. 1), 429.

162 Thouvenin (Fn. 1), 429, 455; BSK-Hilty (Fn. 118), UWG 2 N 26; SHK-Jung (Fn. 118),UWG 2 N 16; SIWR-Guyet (Fn. 8), 213; Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 1.13; SIWR-Müller (Fn. 4), 10; Baudenbacher (Fn. 4), vor UWG 2 N 4; Ferrari Hofer (Fn. 147),UWG 2 N 24; Heizmann (Fn. 129), UWG 1 N 49; Wild (Fn. 40), Rn. 1127; Fiechter(Fn. 2), 155 f.

163 Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. c N 34; BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 78;Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 9.42; Hilti (Fn. 7), 76 f.; Fiechter (Fn. 2), 155 f.;Thouvenin (Fn. 1), 455; SHK-Brauchbar Birkhäuser (Fn. 4), UWG 5 N 21.

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5. Tatbestandsmerkmale

a) Marktreifes Arbeitsergebnis

Die Analyse der heutigen Rechtslage164 und die Überlegungen zur Gewährleistungdes Ausschlussprinzips165 geben keinen Anlass, dieses Tatbestandsmerkmalgrundsätzlich zu überdenken. Für dessen Auslegung und Anwendung kann deshalb aufdie herrschende Lehre und Rechtsprechung abgestellt werden166.Klarzustellen ist allerdings, dass nicht nur Arbeitsergebnisse als marktreif anzusehensind, die effektiv am Markt gegen ein Entgelt angeboten werden. Marktreif könnenvielmehr auch Arbeitsergebnisse sein, die frei zugänglich sind, bspw. auf dem Web,wenn davon auszugehen ist, dass der Anbieter deren Nutzung durch einenWettbewerbsteilnehmer nur gegen ein Entgelt gestatten würde. Zu denken ist etwa andas Zugänglichmachen von Songs oder Fotografien auf der Webseite einer Band odereines Fotografen. Solche Inhalte werden bisweilen zur privaten Nutzung frei zugänglichgemacht, während eine kommerzielle Nutzung, bspw. durch Abdruck in einer Zeitschriftoder Verwendung als Hintergrundmusik in einem Film, nur gegen Zahlung einesangemessenen Preises gestattet würde.

b) Übernahme und Verwertung durch technischeReproduktionsverfahren

Wie beim marktreifen Arbeitsergebnis besteht auch bei den Tatbestandsmerkmalen destechnischen Reproduktionsverfahrens und der Übernahme und Verwertung kein Anlassfür einen neuen Ansatz. Für die Auslegung und Anwendung kann deshalb auch hier auf

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die herrschende Lehre und Rechtsprechung verwiesen werden167. Die Orientierung ander Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs und an der Gewährleistung desAusschlussprinzips machen aber deutlich, dass der Tatbestand nur die Übernahme undVerwertung fremder Arbeitsergebnisse am Markt erfassen kann, private und reinunternehmensinterne Nutzungen der Arbeitsergebnisse Dritter also zulässigbleiben168.

c) Fehlender angemessener eigener Aufwand

aa) Grundsatz

Die Analyse der heutigen Rechtslage hat deutlich gezeigt, dass dasTatbestandsmerkmal des fehlenden angemessenen eigenen Aufwands grundlegendetheoretische Fragen aufwirft und in der Praxis massgebliche Probleme verursacht. ImVordergrund steht, dass das Merkmal die Übernahme von Arbeitsergebnissen invertikalen Marktverhältnissen nicht zu erfassen vermag169 und die Gerichte bei derDurchführung des «doppelten Aufwandvergleichs» gescheitert sind170. Mit Blick aufdiese Mängel und angesichts der grundlegenden Bedeutung der Gewährleistung desAusschlussprinzips sollte das Merkmal des angemessenen eigenen Aufwands ganzgrundsätzlich neu gedacht werden. Ein möglicher Ansatz sei hier skizziert:

164 Siehe dazu vorn, II.165 Siehe dazu vorn, V.4.a.166 Siehe dazu vorn, II.2.167 Siehe dazu vorn, II.3. und II.4.168 Siehe dazu auch vorn, V.4.c.169 Siehe dazu vorn, IV.170 Siehe dazu vorn, IV.

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Geht man davon aus, dass das Ausschlussprinzip sowohl im horizontalen als auch imvertikalen Verhältnis sicherstellen soll, dass ein am Markt angebotenes Gut von Drittennur verwendet werden kann, wenn diese das vom Anbieter verlangte Entgelt bezahlen,so drängt sich ein recht einfaches Verständnis des Tatbestandsmerkmals geradezu auf.

Für die Gewährleistung des Ausschlussprinzips ist es entscheidend, dass der Anbieterin der Lage ist, die Nutzung seines am Markt angebotenen Gutes von der Zahlung desvon ihm verlangten Entgelts abhängig zu machen. Mit Blick auf das Ausschlussprinzipist es deshalb verfehlt, den angemessenen eigenen Aufwand durch einen Vergleich deseigenen und des fremden sowie des hypothetischen und des effektiven eigenenAufwands des Übernehmers zu bestimmen. Will man die Funktionsfähigkeit desWettbewerbs gewährleisten, muss der angemessene eigene Aufwand vielmehr demAufwand entsprechen, der dem Übernehmer bei Benutzung des Marktes entstandenwäre, also dem Aufwand, der angefallen wäre, wenn er das Gut beim Anbietererworben hätte, statt es unmittelbar zu übernehmen. Der angemessene eigeneAufwand muss damit den Kosten des Erwerbs des unmittelbar übernommenen Gutsauf dem Markt entsprechen, also dem vom Anbieter verlangten Preis und den Kostenfür die Benützung des Marktes, mithin den Transaktionskosten. Die Transaktionskostenwerden allerdings in den meisten Fällen vergleichsweise gering sein und deshalb – miteiner, sogleich noch zu erläuternden Ausnahme – kaum eine Rolle spielen.

Die Gewährleistung des Ausschlussprinzips setzt zudem voraus, dass es einemWettbewerbsteilnehmer nicht freisteht, das angebotene Gut entweder gegen Entgelt aufdem Markt zu erwerben oder sich durch eine unmittelbare Übernahme zu beschaffen.Vielmehr erfordert das Funktionieren des Wettbewerbs, dass ein am Marktangebotenes Gut auch über den Markt erworben wird. Denn nur dann erhält derAnbieter das von ihm verlangte Entgelt.

Führt man diese beiden Überlegungen zusammen, ergibt sich für die Auslegung undAnwendung von Art. 5 lit. c UWG das Folgende: Die Übernahme und Verwertung einesmarktreifen Arbeitsergebnisses mithilfe eines technischen Reproduktionsverfahrens istgrundsätzlich unzulässig, weil der Übernehmer das für dieses Gut am Markt verlangteEntgelt nicht bezahlt und damit keinen angemessenen eigenen Aufwand für dessenErwerb geleistet hat. Das Fehlen eines angemessenen eigenen Aufwands wird damitstets vermutet, wenn eine unmittelbare Übernahme vorliegt. DerWettbewerbsteilnehmer, der ein marktreifes Arbeitsergebnis durch ein technischesReproduktionsverfahren unmittelbar übernommen und verwertet hat, kann aber durchden Nachweis eines angemessenen eigenen Aufwands darlegen, dass der Tatbestandvon Art. 5 lit. c UWG nicht erfüllt ist. Dieser Nachweis gelingt, wenn er belegen kann,dass er das später übernommene Gut von dessen Anbieter gegen Bezahlung desverlangten Entgelts zu erwerben versucht hat. Wollte der Anbieter die Nachfrage nichtbefriedigen, ist der Wettbewerbsteilnehmer im Ergebnis also berechtigt, sich das Gutdurch unmittelbare Übernahme selbst zu verschaffen. Dasselbe gilt, wenn derWettbewerbsteilnehmer nachweisen kann, dass er einen angemessenen Aufwandbetrieben hat, um den Anbieter des infrage stehenden Produktes aufzufinden und esvon ihm zu erwerben, damit aber gescheitert ist. Mit der Berücksichtigung dieserTransaktionskosten bei der Bestimmung des angemessenen Aufwands kannsichergestellt werden, dass Produkte – bspw. Fotografien, Songs oder Filme –, derenAnbieter nicht auffindbar sind, von der unmittelbaren Übernahme und Verwertungausgeschlossen sind, nur weil es nicht möglich ist, dem Anbieter für deren Nutzung einangemessenes Entgelt zu bezahlen oder zumindest anzubieten171.

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bb) Zwangslizenz

Folgt man dem hier vorgeschlagenen Verständnis des angemessenen eigenenAufwands, wird der Tatbestand von Art. 5 lit. c UWG zu einer Artwettbewerbsrechtlichen Zwangslizenz. Der Anbieter eines marktreifen

171 Mit der Berücksichtigung der Transaktionskosten kann für Art. 5 lit. c UWG ein Ergebniserzielt werden, das der Regelung für verwaiste Werke in Art. 22b E-URG weitgehendentspricht, auch wenn es hier nicht möglich ist, für die Nutzung die Zahlung einesEntgelts an eine Verwertungsgesellschaft zu verlangen.

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Arbeitsergebnisses hat zwar keinerlei Pflicht, sein Produkt einem bestimmtenNachfrager zu veräussern, es besteht also kein Kontrahierungszwang. Veräussert erdem Nachfrager sein Produkt aber nicht oder verlangt er von diesem einen prohibitivhohen Preis, hat der Nachfrager die Möglichkeit, das Arbeitsergebnis gegen dasAnbieten eines angemessenen Entgelts zu übernehmen und zu verwerten.

Mit Blick auf die Gefahr, dass ein Nachfrager sich das angebotene Gut durchunmittelbare Übernahme selbst verschafft, werden die Anbieter in aller Regel bereitsein, dem Nachfrager ihr Arbeitsergebnis gegen Bezahlung eines angemessenenEntgelts zu überlassen. Können sich die Beteiligten nicht auf einen Preis einigen, kannder Nachfrager das Gut gegen das Anbieten eines angemessenen Entgelts auch ohneEinverständnis des Anbieters übernehmen und verwerten. Bietet der Nachfragerallerdings ein zu geringes Entgelt, läuft er Gefahr, dass seine Übernahme undVerwertung durch ein Gericht als unzulässig beurteilt wird, weil er sich nicht durch denNachweis befreien kann, ein angemessenes Entgelt angeboten zu haben. DieserMechanismus sollte dazu führen, dass beide Beteiligten, der Anbieter und derNachfrager, ausreichende Anreize haben, um sich auf die Veräusserung desArbeitsergebnisses zu einem angemessenen Preis zu einigen.

Konnten sich Anbieter und Nachfrager nicht einigen und klagt der Anbieter wegen einerVerletzung von Art. 5 lit. c UWG auf Unterlassung, muss das Gericht nur entscheiden,ob das Angebot des Nachfragers angemessen war, das angemessene Entgelt abernicht selbst festlegen. Die Preisbildung kann damit weiterhin dem Markt überlassenwerden. Der Unterschied zur vollständig freien Preisbildung besteht dabei allein darin,dass sie hier unter dem Druck einer möglicherweise zulässigen unmittelbarenÜbernahme erfolgt. Die Erfahrung mit den Zwangslizenzen des Immaterialgüterrechts,bei welchen das Gericht den Preis gegebenenfalls sogar selbst festlegen muss, weildiese Zwangslizenzen – anders als hier – pro futuro wirken, zeigt, dass dieserMechanismus in aller Regel funktioniert und die Gerichte praktisch nie angerufenwerden müssen.

Gegenüber dem Abstellen auf den doppelten Aufwandvergleich172 hat der hiervorgeschlagene Ansatz nicht nur theoretische, sondern auch praktische Vorteile: Fürden Nachfrager eines Gutes ist es heute praktisch unmöglich, ex ante zu beurteilen, ober bei einer unmittelbaren Übernahme einen angemessenen eigenen Aufwand im Sinnder herrschenden Lehre und Rechtsprechung betreibt, weil dieser Aufwand (auch) vonder Kostenstruktur des Anbieters abhängt, die er nicht kennt. In einem allfälligenStreitfall ist es für die Gerichte zudem ungleich einfacher, zu prüfen, ob das Angebotdes Nachfragers als angemessenes Entgelt zu qualifizieren ist – namentlich durchVergleich mit den marktüblichen Preisen –, als den angemessenen eigenen Aufwandanhand der Kosten der Parteien im Rahmen des doppelten Aufwandvergleichs zubestimmen.

cc) «Schutzdauer»

Umstritten war und ist seit Jahren, ob der «Schutz» von Art. 5 lit. c UWG zeitlichbefristet ist173. Das BGer hat die Frage vor einiger Zeit mit äusserst knapperBegründung bejaht und festgehalten, dass dieser «Schutz» enden müsse, wenn es«dem Erstkonkurrent[en] möglich war, die getätigte Investition zu amortisieren»174. Mit

172 Siehe dazu vorn, II.5.173 Für eine Befristung sprechen sich aus: BSK-Arpagaus (Fn. 5), UWG 5 N 106;

Baudenbacher (Fn. 4), UWG 5 N 73 ff.; Fiechter (Fn. 2), 198 f.; CR-Nussbaumer (Fn. 5),UWG 5 N 88 f.; Laux (Fn. 8), 466 f.; differenziert Weber / Chrobak (Fn. 3), UWG 5 lit. cN 58 ff., insb. 61. Gegen eine Befristung sprechen sich aus: A. Troller, Gedanken zurBedeutung des Leistungsschutzes im Entwurf für ein neues schweizerisches Gesetzgegen den unlauteren Wettbewerb, GRUR Int. 1985, 94 ff., 97; Ders. (Fn. 46),Immaterialgüterrecht, 957 f.; Pedrazzini / Pedrazzini (Fn. 8), Rz. 9.45; Wild (Fn. 40),Rn. 1329; so wohl auch R.M. Hilty, Die Leistungsschutzrechte im schweizerischenUrheberrechtsgesetz, UFITA, Bern 1994, 85 ff. (zit. UFITA), 136; Thouvenin (Fn. 1),465 f.

174 BGE 134 III 166, 175, «Arzneimittelkompendium III»; bestätigend BGE 139 IV 17, 21,«Cardsharing».

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dem Abstellen auf die Amortisation handelt man sich allerdings das Problem ein, dassdas Gericht zur Bestimmung der «Schutzdauer» letztlich über denangemessenen Ertrag entscheiden muss175. Hinzu kommt, dass es für einenÜbernehmer bei diesem Ansatz unmöglich ist, zu bestimmen, ab wann die unmittelbareÜbernahme eines marktreifen Arbeitsergebnisses zulässig ist. Aus diesen (undweiteren176) Gründen ist eine Befristung der Durchsetzbarkeit von Art. 5 lit. c UWGabzulehnen.

Folgt man dem hier vorgeschlagenen Verständnis des angemessenen eigenenAufwands, so zeigt sich, dass Art. 5 lit. c UWG der unmittelbaren Übernahme einesfremden Arbeitsergebnisses nicht mehr entgegensteht, wenn das angemessene Entgeltfür dessen Nutzung Null beträgt. Dies dürfte bei einer Reihe von Gütern nach Ablaufeiner gewissen Zeit durchaus der Fall

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sein, etwa bei einfachen Fotografien oder Datensammlungen, die häufig schon nachvergleichsweise kurzer Zeit keinen Marktwert mehr haben. Folgt man diesem Ansatz,so scheint es auch ohne Weiteres möglich, das Verbot der unmittelbaren Übernahmenach Art. 5 lit. c UWG mit der Befristung des immaterialgüterrechtlichen Schutzes –insb. der Urheber- und Leistungsschutzrechte – zu harmonisieren177. Denn dieseBefristung beruht auf dem Gedanken, dass der Schutzrechtsinhaber die Nutzung desimmateriellen Guts zwar während einer gewissen Zeit zu verhindern vermag, das Gutnach Ablauf der Schutzfrist aber gemeinfrei wird und von jedermann frei genutztwerden kann. Damit ist klar, dass das angemessene Entgelt für die Nutzung desimmateriellen Guts nach Ablauf der Schutzfrist nach der Wertung des GesetzgebersNull betragen muss. Eine unmittelbare Übernahme und Verwertung eines solchen Gutsist damit auch ohne Zahlung eines Entgelts möglich und es ist ausgeschlossen, dassdie immaterialgüterrechtlich zulässige Nutzung über Art. 5 lit. c UWG verhindert werdenkann.

Folgt man diesem Ansatz, muss die Durchsetzbarkeit von Art. 5 lit. c UWG in keinerWeise befristet werden, weil die Übereinstimmung mit den Wertungen desImmaterialgüterrechts – in geradezu wettbewerbstypischer Form – allein über den Preiserfolgen kann, der für die unmittelbare Übernahme eines marktreifenArbeitsergebnisses zu zahlen oder zumindest anzubieten ist.

Zusammenfassung

Der Tatbestand von Art. 5 lit. c UWG war beim Inkrafttreten des heutigen UWG imJahre 1988 die grösste Innovation und ein zentraler Hoffnungsträger desGesetzgebers. In der Gerichtspraxis hat die Norm aber kaum Spuren hinterlassen. Inden dreissig Jahren seines Bestehens ist Art. 5 lit. c UWG zwar in mehr als vierzigpublizierten Gerichtsentscheiden thematisiert, aber nur gerade dreimal (!) ernsthaftgeprüft und als erfüllt angesehen worden. Dies wirft die Frage auf, ob die Auslegungund Anwendung der Norm nicht überdacht werden muss. Dafür spricht zum einen,dass die Übernahme marktreifer Arbeitsergebnisse durch technischeReproduktionsverfahren mit der zunehmenden Digitalisierung von Produkten laufendan Bedeutung gewinnt. Zum andern gerät der Gesetzgeber wegen des fehlendenEingreifens des UWG auch immer wieder unter Druck, die teilweise als unbefriedigendempfundene Rechtslage durch Einführung urheberrechtlicher Leistungsschutzrechteoder ähnlicher Instrumente zu korrigieren, wie etwa der aktuelle Vorschlag für einenurheberrechtlichen Sonderschutz für Fotografien zeigt.

175 Siehe dazu vorn, IV.176 Siehe dazu schon Thouvenin (Fn. 1) 460 ff., insb. 466.177 Zur viel diskutierten Frage, ob die unmittelbare Übernahme nach Art. 5 lit. c UWG

unzulässig sein kann, wenn das übernommene Gut durch Immaterialgüterrechte, insb.Urheber- und Leistungsschutzrechte, geschützt war, die Schutzfrist aber abgelaufen ist,siehe: BGE 118 II 459, 464, «Just Elvis II»; Thouvenin (Fn. 1), 461 ff.; Troller (Fn. 173),GRUR Int. 1985, 97; Kübler (Fn. 11), 295; Hilty (Fn. 173), UFITA, 136; Baudenbacher(Fn. 4), UWG 1 N 87; Jecklin (Fn. 2), 167 ff.

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Als besonders problematisch hat sich bei der Auslegung und Anwendung von Art. 5lit. c UWG das Tatbestandsmerkmal des angemessenen eigenen Aufwands erwiesen,über dessen Vorliegen nach herrschender Lehre und Rechtsprechung durch den sog.«doppelten Aufwandvergleich» zu entscheiden ist. Dass dieses Kriterium verfehlt ist,zeigt sich mit aller Deutlichkeit, wenn der Tatbestand nicht auf horizontale, sondern aufvertikale Marktverhältnisse angewendet wird, weil ein solcher Aufwandvergleich –wenn überhaupt – jedenfalls nur zwischen Konkurrenten Sinn machen kann. Ein neuerAnsatz für eine sinnvolle Auslegung von Art. 5 lit. c UWG muss deshalb amVerständnis des Tatbestandsmerkmals des angemessenen eigenen Aufwandsansetzen. Ausgangspunkt ist dabei die Einsicht, dass Wettbewerb nur funktionierenkann, wenn die Anbieter in der Lage sind, ihre Güter gegen ein Entgelt auf dem Marktzu veräussern und deren Nutzung zu verhindern, wenn kein Entgelt bezahlt wird (sog.Ausschlussprinzip). Wendet man dieses Grundprinzip auf Art. 5 lit. c UWG an, so wirdklar, dass der angemessene eigene Aufwand – bei horizontalen und vertikalenMarktverhältnissen – dem Aufwand entsprechen muss, der dem Übernehmer beimErwerb des Guts über den Markt entstanden wäre. Dieser Aufwand entspricht demvom Anbieter des übernommenen Guts verlangten Preis und den Kosten für dieBenützung des Marktes, also den Transaktionskosten.

Folgt man diesem Verständnis, wird Art. 5 lit. c UWG zu einer Artwettbewerbsrechtlicher Zwangslizenz: Der Nachfrager muss in einem ersten Schrittversuchen, das Gut über den Markt vom Anbieter zu erwerben. Veräussert es derAnbieter aber nicht oder verlangt er einen prohibitiv hohen Preis, steht es demNachfrager frei, das Gut gegen das Anbieten eines angemessenen Entgelts auchohne Einverständnis des Anbieters zu übernehmen und zu verwerten. Bietet derNachfrager allerdings ein zu geringes Entgelt, läuft er Gefahr, dass ein Gericht aufKlage des Anbieters seinen Aufwand als unangemessen und die Übernahme des Gutsals unzulässig qualifiziert. Dieser Mechanismus sollte dazu führen, dass beideBeteiligten, Anbieter und Nachfrager, ausreichende Anreize haben, um sich auf dieVeräusserung des Guts zu einem angemessenen Preis zu einigen. Damit istsichergestellt, dass die Verwertung des Guts grundsätzlich über den Markt erfolgt undder Wettbewerb seine Funktionen erfüllen kann.

Résumé

Les éléments constitutifs visés à l’art. 5 let. c LCD furent, lors de l’entrée en vigueur dela LCD actuelle en 1988, la plus grande innovation et porteurs d’un espoir central pourle législateur. Cela étant, dans la pratique des tribunaux, la norme n’a laissé que peude trace. L’analyse de la jurisprudence a bien davantage démontré que l’art. 5 let. cLCD en trente ans d’existence, bien qu’il fut cité dans plus de quarante décisionsjudiciaires publiées, n’a été analysé sérieusement et considéré comme rempli qu’àtrois reprises (!). Ceci pose la question de savoir si l’interprétation et l’application de lanorme ne devraient pas être reconsidérées. Le fait que la reprise des résultats detravail grâce à des procédés techniques de reproduction gagne en importance à l’èrede la numérisation des produits plaide en cette faveur. D’autre part, en raison del’absence d’effet de la LCD, le législateur est toujours guidé par la pression que lasituation juridique partiellement considérée comme insatisfaisante doit être corrigéepar l’introduction de droits de protection des prestations en droit d’auteur ou d’autresinstruments, comme le démontre la proposition actuelle d’introduction d’une protectionspéciale pour les photographies en droit d’auteur.

L’interprétation et l’application du critère du sacrifice correspondant de l’art. 5 let. cLCD, dont l’existence doit être déterminée d’après la doctrine majoritaire et lajurisprudence par une «double comparaison des investissements», se sont avérésparticulièrement problématiques. Le fait que cet élément constitutif est inadéquat, estdémontré avec clarté lorsque le critère est appliqué non pas sur les rapports demarchés horizontaux, mais sur les rapports de marchés verticaux, car une tellecomparaison des investissements – cas échéant – n’a de sens dans tous les casqu’entre des concurrents. Une nouvelle approche pour une interprétation sensée del’art. 5 let.c LCD doit donc partir de la compréhension du critère du sacrificecorrespondant. Le point de départ, à cet égard, est l’idée que la concurrence ne peutfonctionner que si les fournisseurs sont en mesure de vendre leurs biens sur lemarché moyennant une contrepartie et sont en mesure d’empêcher l’utilisation deceux-ci en l’absence de contrepartie payée (le dénommée principe d’exclusion). Enappliquant ce principe de base à l’art. 5 let. c LCD, il apparaît clairement que le

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sacrifice correspondant – lors de rapports de marché verticaux et horizontaux – doitcorrespondre à l’investissement qui eût été consenti par le repreneur en casd’acquisition d’un bien sur le marché. Cet investissement découle du prix demandé parle fournisseur du bien repris et des coûts d’utilisation du marché, c’est-à-dire des coûtsde transaction.

Si l’on suit cette conception, l’art. 5 let. c LCD devient une sorte de licence obligatoireen matière de droit de la concurrence: le demandeur doit dans un premier tempschercher à acquérir le bien auprès du fournisseur sur le marché. Si le fournisseur nevend pas le bien ou exige un prix élevé prohibitif, le demandeur est libre de reprendreet d’utiliser le bien contre l’offre d’une rémunération approprieé, et ce même sans leconsentement du fournisseur. Toutefois, si le demandeur offre une rémunération tropbasse, il encourt le risque qu’un tribunal saisi par une action du fournisseur qualifieson sacrifice comme non-correspondant et la reprise du bien comme étant nonadmissible. Le mécanisme décrit ici devrait inciter les deux parties prenantes,fournisseurs et demandeur, à s’entendre sur la vente du bien à un prix approprié, desorte que ceci garantisse l’ exploitation du bien en principe sur le marché et que laconcurrence puisse remplir ses fonctions.

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