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Auswirkungen kulturspezifischer Verhaltensmuster auf das Sozialkapital in multinationalen...

Date post: 22-Aug-2016
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WI – AUFSATZ Auswirkungen kulturspezifischer Verhaltensmuster auf das Sozialkapital in multinationalen IT-Projektteams Ein Fallstudienansatz Kulturelle Unterschiede in multikulturellen IT-Projektteams oder in Nearshore- und Offshore-Beziehungen können ernsthafte Probleme nach sich ziehen. Die vorliegende Forschungsarbeit untersucht die in einer Kultur verankerten Ursachen für bestimmte kulturspezifische Verhaltensweisen, wie beispielsweise Gesichtswahrung bei indischen oder Post-Kommunismus bei tschechischen Teammitgliedern. Die Untersuchung von sechs IT-Projekten in verschiedenen deutschen Unternehmen zeigt, welche Art von Problemen in der Zusammenarbeit durch derartige kulturelle Verhaltensmuster entstehen können und wie geeignete Managementmaßnahmen helfen, diese Probleme besser zu verstehen und zu entschärfen. DOI 10.1007/s11576-012-0322-6 Die Autoren Dipl.-Wirtsch. Inf. (FH) Alexander von Stetten, M.Sc. ( ) Dr. Daniel Beimborn Prof. Dr. Tim Weitzel Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insb. Informationssysteme in Dienstleistungsbereichen Otto-Friedrich-Universität Bamberg Feldkirchenstr. 21 96052 Bamberg Deutschland alexander.von-stetten@ uni-bamberg.de [email protected] [email protected] Eingegangen: 2011-08-15 Angenommen: 2012-03-17 Angenommen nach drei Überarbei- tungen durch Prof. Dr. Heinzl. Online publiziert: 2012-04-26 This article is also available in Eng- lish via http://www.springerlink.com and http://www.bise-journal.org: von Stetten A, Beimborn D, Weit- zel T (2012) Analyzing and Mana- ging the Impact of Cultural Behavior Patterns on Social Capital in Multi- national IT Project Teams – A Case Study Approach. Bus Inf Syst Eng. doi: 10.1007/s12599-012-0214-8. Zusätzliche Information ist in der Online-Version dieses Beitrags (doi: 10.1007/s11576-012-0322-6) enthalten. © Gabler Verlag 2012 1 Einleitung Die zunehmende länderübergreifende Zusammenarbeit im IT-Sektor hat die Aufmerksamkeit der wirtschaftsinforma- tischen Forschung in den letzten Jahren verstärkt auf die Bedeutung kultureller Unterschiede in multinationalen Teams gelenkt. Bereits vor 15 Jahren bezeichne- ten Watson et al. (1997, S. 99) die Kul- tur eines Landes neben den wirtschaft- lichen Strukturen, dem politischen und gesetzlichen Umfeld und dem Technolo- gisierungsgrad als eine der vier Schlüs- selherausforderungen im Management von Informationssystemen (IS). Auch in der jüngeren Vergangenheit betrachten Ranganathan und Balaji (2007), Dibbern et al. (2008) oder Sarker et al. (2010, S. 212) landeskulturelle Unterschiede bzw. kulturelle Distanz als eine weit- verbreitete Herausforderung in globa- len Softwareentwicklungsprojekten und beim Offshore-Outsourcing. In der einschlägigen Fachliteratur exis- tieren zwei Forschungsströmungen, die sich mit dem Einfluss von Landeskul- tur beschäftigen. Der erste Ansatz, der bislang kaum im Bereich multikultu- reller IT-Projektteams Anwendung fand, stützt sich auf die bekannten ausdifferen- zierten Dimensionen nationaler Kultur (Ford et al. 2003; Leidner und Kayworth 2006, S. 388–398), wie zum Beispiel Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung oder Individualismus vs. Kollektivismus (Hofstede 1980; House et al. 2004). Der Fokus dieser Forschung liegt beispiels- weise auf der Technologieadoption oder -nutzung. Im zweiten Forschungsstrang werden kulturelle Unterschiede dage- gen explizit im Kontext multikulturel- ler Teams betrachtet. Forschungsarbeiten aus dieser zweiten Gruppe greifen aller- dings kaum auf bekannte multidimen- sionale Kulturmodelle zurück und ver- zichten somit in der Regel auf eine de- taillierte Analyse der Auswirkungen von Kulturdimensionen (z. B. Dibbern et al. 2008; Rai et al. 2009; Rao 2004). Im Gegenzug schlagen sie jedoch verschie- dene Managementmaßnahmen vor, mit- tels derer resultierende Probleme zwi- schen Teammitgliedern adressiert wer- den (z. B. Brett et al. 2006; Govindar- ajan und Gupta 2001; Krishna et al. 2004; Maznevski und Chudoba 2000; Nichol- son und Sahay 2001; Sarker und Sahay 2004; Sarker und Sarker 2009). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird eine Integration der beiden ge- WIRTSCHAFTSINFORMATIK 3|2012 135
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Auswirkungen kulturspezifischer Verhaltensmusterauf das Sozialkapital in multinationalenIT-Projektteams

Ein Fallstudienansatz

Kulturelle Unterschiede in multikulturellen IT-Projektteams oder in Nearshore- undOffshore-Beziehungen können ernsthafte Probleme nach sich ziehen. Die vorliegendeForschungsarbeit untersucht die in einer Kultur verankerten Ursachen für bestimmtekulturspezifische Verhaltensweisen, wie beispielsweise Gesichtswahrung bei indischen oderPost-Kommunismus bei tschechischen Teammitgliedern. Die Untersuchung von sechsIT-Projekten in verschiedenen deutschen Unternehmen zeigt, welche Art von Problemen inder Zusammenarbeit durch derartige kulturelle Verhaltensmuster entstehen können undwie geeignete Managementmaßnahmen helfen, diese Probleme besser zu verstehen undzu entschärfen.

DOI 10.1007/s11576-012-0322-6

Die Autoren

Dipl.-Wirtsch. Inf. (FH)Alexander von Stetten, M.Sc. (�)Dr. Daniel BeimbornProf. Dr. Tim WeitzelLehrstuhl für Wirtschaftsinformatik,insb. Informationssysteme inDienstleistungsbereichenOtto-Friedrich-Universität BambergFeldkirchenstr. 2196052 BambergDeutschlandalexander.von-stetten@[email protected]@uni-bamberg.de

Eingegangen: 2011-08-15Angenommen: 2012-03-17Angenommen nach drei Überarbei-tungen durch Prof. Dr. Heinzl.Online publiziert: 2012-04-26

This article is also available in Eng-lish via http://www.springerlink.comand http://www.bise-journal.org:von Stetten A, Beimborn D, Weit-zel T (2012) Analyzing and Mana-ging the Impact of Cultural BehaviorPatterns on Social Capital in Multi-national IT Project Teams – A CaseStudy Approach. Bus Inf Syst Eng.doi: 10.1007/s12599-012-0214-8.

Zusätzliche Information ist in derOnline-Version dieses Beitrags(doi: 10.1007/s11576-012-0322-6)enthalten.

© Gabler Verlag 2012

1 Einleitung

Die zunehmende länderübergreifendeZusammenarbeit im IT-Sektor hat dieAufmerksamkeit der wirtschaftsinforma-tischen Forschung in den letzten Jahrenverstärkt auf die Bedeutung kulturellerUnterschiede in multinationalen Teamsgelenkt. Bereits vor 15 Jahren bezeichne-ten Watson et al. (1997, S. 99) die Kul-tur eines Landes neben den wirtschaft-lichen Strukturen, dem politischen undgesetzlichen Umfeld und dem Technolo-gisierungsgrad als eine der vier Schlüs-selherausforderungen im Managementvon Informationssystemen (IS). Auch inder jüngeren Vergangenheit betrachtenRanganathan und Balaji (2007), Dibbernet al. (2008) oder Sarker et al. (2010,S. 212) landeskulturelle Unterschiedebzw. kulturelle Distanz als eine weit-verbreitete Herausforderung in globa-len Softwareentwicklungsprojekten undbeim Offshore-Outsourcing.

In der einschlägigen Fachliteratur exis-tieren zwei Forschungsströmungen, die

sich mit dem Einfluss von Landeskul-tur beschäftigen. Der erste Ansatz, derbislang kaum im Bereich multikultu-reller IT-Projektteams Anwendung fand,stützt sich auf die bekannten ausdifferen-zierten Dimensionen nationaler Kultur(Ford et al. 2003; Leidner und Kayworth2006, S. 388–398), wie zum BeispielMachtdistanz, Unsicherheitsvermeidungoder Individualismus vs. Kollektivismus(Hofstede 1980; House et al. 2004). DerFokus dieser Forschung liegt beispiels-weise auf der Technologieadoption oder-nutzung. Im zweiten Forschungsstrangwerden kulturelle Unterschiede dage-gen explizit im Kontext multikulturel-ler Teams betrachtet. Forschungsarbeitenaus dieser zweiten Gruppe greifen aller-dings kaum auf bekannte multidimen-sionale Kulturmodelle zurück und ver-zichten somit in der Regel auf eine de-taillierte Analyse der Auswirkungen vonKulturdimensionen (z. B. Dibbern et al.2008; Rai et al. 2009; Rao 2004). ImGegenzug schlagen sie jedoch verschie-dene Managementmaßnahmen vor, mit-tels derer resultierende Probleme zwi-schen Teammitgliedern adressiert wer-den (z. B. Brett et al. 2006; Govindar-ajan und Gupta 2001; Krishna et al. 2004;Maznevski und Chudoba 2000; Nichol-son und Sahay 2001; Sarker und Sahay2004; Sarker und Sarker 2009).

Im Rahmen der vorliegenden Arbeitwird eine Integration der beiden ge-

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nannten Forschungsströme angestrebt.Wir identifizieren landesspezifische Ver-haltensmuster, die sich aus einer Kom-bination mehrerer Kulturdimensionenergeben, und entsprechende Heraus-forderungen für das Management imKontext multikultureller IT-Projektteamsund nutzen das Konzept des Sozialkapi-tals, um zu analysieren, wie sich verschie-dene Kulturdimensionen auf die Zusam-menarbeit in solchen Teams auswirken.Ausgangspunkt ist die Grundannahme,dass landeskulturelle Verhaltensmuster1

die Bildung von Sozialkapital in einemmultikulturellen Team beeinflussen. Kul-turelle Unterschiede können zu Missver-ständnissen, Konflikten und Misstrauenführen (Salk und Brannen 2000, S. 191);dies behindert die Bildung von Sozial-kapital in einem Team und führt so zuweniger Wissensaustausch, schlechtererZusammenarbeit und letztlich niedrige-rem Projekterfolg. Mit unserem neuarti-gen Ansatz reagieren wir auf Walshams(2002) Bedenken, dass „in der Regel nurein schwacher Zusammenhang zwischendiesen Merkmalen [= Kulturdimensio-nen] und detaillierten arbeitsbezogenenEinstellungen und Verhaltensweisen be-steht“ (Walsham 2002, S. 376), was auf ei-ne geringe Erklärkraft einzelner Kulturdi-mensionen hindeutet. Dieser Einwand istdurchaus nachvollziehbar, da sich ein be-stimmtes Verhalten einer Person (z. B. ei-nes Teammitglieds) kaum auf eine einzel-ne Kulturdimension zurückführen lässt.Allerdings sind wir der Ansicht, dass sichdie Erklärungskraft von Kulturdimensio-nen enorm verbessert, wenn mehrere Di-mensionen zu sogenannten „kulturellenVerhaltensmustern“ kombiniert werden.Der Wert der Konzeptualisierung vonKultur in Form eines multidimensiona-len Konstrukts liegt darin, dass Bündelvon Kulturdimensionen (in ihren spezifi-schen Ausprägungen in einer bestimmtenKultur) mit einem tatsächlich beobacht-baren Verhalten verknüpft werden kön-nen. Dabei ist das Verhalten das letztend-lich relevante Untersuchungs- (→ Ver-stehen der Auswirkungen eines kultur-spezifischen Verhaltens) und Handlungs-objekt (→ Management der Auswirkun-gen, die aus diesem kulturspezifischenVerhalten resultieren), das durch dieseVerknüpfung besser verstanden und er-klärt werden kann. Somit trägt dieser An-satz auch zu einem verbesserten Mana-

gement negativer Auswirkungen kultur-spezifischer Verhaltensweisen auf das so-ziale Beziehungsgeflecht in multikultu-rellen IT-Projektteams bei. Wir reagie-ren auf Walshams (2002) Anmerkung,dass es „theoretisch möglich sein könn-te, eine Verbindung zwischen Hofstede-typischen Dimensionen und detaillier-ten [Verhaltensweisen] und Einstellun-gen herzustellen, [was jedoch] in derLiteratur kaum zu finden ist“ (S. 376)und untersuchen, wie Ausprägungen ver-schiedener Kulturdimensionen (in denenkulturelle Unterschiede verankert sind)zu kulturellen Verhaltensmustern kom-biniert werden und letztere dadurch er-klären können. Unsere Forschungsfragen(FF) sind demnach:

FF1 In welchen Kulturdimensionen sindlandesspezifische, kulturelle Verhaltens-muster verwurzelt, und wie beeinträch-tigen sie die Bildung von Sozialkapital inmultikulturellen IT-Projektteams?

FF2 Welche Managementmaßnahmenkann man ergreifen, um kulturspezi-fische negative Auswirkungen besseradressieren zu können?

Im Folgenden entwickeln wir einen kon-zeptuellen Rahmen, der Kulturdimen-sionen mit kulturellen Verhaltensmus-tern verknüpft, die wiederum das So-zialkapital eines IT-Projektteams beein-flussen. Dieser konzeptuelle Rahmendient als Ausgangsbasis für die Analy-se von Fallstudien in sechs verschiede-nen IT-Projekten mit Teammitgliedernu. a. aus Deutschland, Tschechien undIndien. Aus diesen Fallstudien werdenwir zwei beispielhafte kulturelle Ver-haltensmuster herausgreifen und unter-suchen, wie diese in Kulturdimensio-nen verankert sind und Sozialkapital in-nerhalb der Teams negativ beeinflussen(FF1). Weiterhin identifizieren wir Ma-nagementmaßnahmen, die helfen, die-se negativen Auswirkungen zu entschär-fen (FF2).

Mit der Beantwortung dieser For-schungsfragen decken wir die drei Säu-len der Kulturforschung nach Leidner(2010, S. 71) ab. Zuerst werden kul-turelle Verhaltensmuster von Teammit-gliedern identifiziert, im zweiten Schrittwerden diese Verhaltensmuster vor demHintergrund des Konzepts der Kulturdi-mensionen erklärt, und schließlich wer-den Maßnahmen abgeleitet, mittels de-

rer man die negativen Auswirkungen die-ser kulturellen Verhaltensmuster adres-sieren kann.

2 Theoretischer Hintergrund undverwandte Forschungsarbeiten

2.1 Dimensionen von Landeskultur

Für eine detaillierte Untersuchung kul-tureller Unterschiede bedienen sich For-scher in der Regel dem Konzept dermenschlichen Werte (engl. Human Va-lues). Diese Werte teilen Menschen einerbestimmten Kultur miteinander, jedochnicht oder in einem geringeren Ausmaßmit Menschen aus einem anderen Kultur-kreis. Gemäß Schein (2004, S. 27) resul-tieren diese Werte in sichtbaren Artefak-ten (wie beispielsweise impliziten Klei-dungsvorschriften) und entsprechendenVerhaltensweisen. Im Gegensatz zu diesersichtbaren „Schicht“ von Kultur, sind diesich in der darunter liegenden Schicht be-findlichen Werte (z. B. Machtdistanz, Un-sicherheitsvermeidung oder Individualis-mus vs. Kollektivismus) zwar nicht direktsichtbar, prägen jedoch eine Kultur. Diesemenschlichen Werte haben sich als geeig-netes Konzept zur Beschreibung und zurUnterscheidung von Kulturen bewährt.So haben beispielsweise Schwartz (1992)und Trompenaars (1994) verschiedeneFacetten von Kultur auf Basis von Wer-ten betrachtet und zum Teil auch empi-risch gemessen. Das im Bereich der IS-Forschung in diesem Kontext am häu-figsten angewandte Konzept stammt je-doch von Hofstede (1980). Eine aktu-ellere Forschungsarbeit, die auf Hofste-des Werk aufbaut, ist die GLOBE-Studie(House et al. 2004), in der Daten vonüber 17.000 Befragten aus 62 Länderngesammelt wurden. Die Studie wurdeim Jahr 1991 initiiert und erweitert dieKulturkonzepte von Hofstede und an-deren Kulturforschern zu einem Modellaus neun Kulturdimensionen (Tab. 1).Im Folgenden nutzen wir dieses GLOBE-Modell (House et al. 2004) als theore-tische Grundlage, weil es auf Hofstedesfundierter Konzeptualisierung von Kul-tur aufbaut, diese weiterentwickelt unddamit das empirisch umfassendste undaktuellste Kulturmodell darstellt.

1Ziel unserer Forschungsarbeit ist eine Untersuchung der Auswirkungen kulturspezifischen Verhaltens in multinationalen und nicht in unterneh-mensübergreifenden Teams. Folglich basiert unsere Analyse der Auswirkungen kultureller Unterschiede auf dem Konzept nationaler Kulturen undnicht auf Unternehmenskulturen.

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Tab. 1 Definitionen der Kulturdimensionen von House et al. (2004)

Unsicherheitsvermeidung(engl. Uncertainty Avoidance (UA))

Grad, zu dem Mitglieder einer Organisation oder Gesellschaft versuchen, Unsicherheit zuvermeiden, indem sie auf bewährte soziale Normen, Regeln oder Bürokratie zurückgreifen

Machtdistanz(engl. Power Distance (PD))

Grad, zu dem Mitglieder einer Organisation oder Gesellschaft davon ausgehen und akzeptieren, dassMacht hierarchisch verteilt ist und sich auf die höheren (Führungs-)Ebenen einer Organisation oderInstitution beschränkt

Institutioneller Kollektivismus(engl. Institutional Collectivism (I/C 1))

Grad, zu dem organisatorische und gesellschaftliche institutionelle Praktiken eine Verteilung vonRessourcen sowie gemeinsames Handeln fördern und honorieren

Gruppenkollektivismus(engl. In-group Collectivism (I/C 2))

Grad, zu dem Individuen Stolz, Loyalität und Zusammengehörigkeit in ihrer Organisation, Familieoder anderen Gruppen ausdrücken

Geschlechtergleichheit(engl. Gender Egalitarianism (GE))

Grad, zu dem eine Gesellschaft Unterschiede in der Geschlechterrolle minimiert undGeschlechtergleichheit fördert

Selbstbehauptung(engl. Assertiveness (AS))

Grad, zu dem Individuen in ihren sozialen Beziehungen innerhalb einer Organisation oderGesellschaft durchsetzungsfähig, konfrontativ und aggressiv sind

Zukunftsorientierung(engl. Future Orientation (FO))

Grad, zu dem sich Mitglieder einer Organisation oder Gesellschaft zukunftsorientiert verhalten (z. B.Planung, Investitionen in die Zukunft)

Leistungsorientierung(engl. Performance Orientation (PO))

Grad, zu dem eine Organisation oder Gesellschaft ihre Mitglieder zu Leistungssteigerungen ermutigtund sie dafür belohnt

Menschenorientierung(engl. Humane Orientation (HO))

Grad, zu dem Mitglieder einer Organisation oder Gesellschaft andere Individuen ermutigen, fair,uneigennützig, freundlich, großzügig, fürsorglich und liebenswürdig zu sein und dies auchhonorieren

2.2 Sozialkapital

Unser Ziel ist die Untersuchung nega-tiver Auswirkungen kulturspezifischenVerhaltens auf soziale Beziehungen inmultikulturellen IT-Projektteams. ZurKonzeptualisierung sozialer Beziehun-gen ziehen wir das theoretische Konzeptdes Sozialkapitals heran. Sozialkapitalrepräsentiert das „Netzwerk zwischen-menschlicher Beziehungen, auf das einAkteur zurückgreifen kann“ (Levina undVaast 2008, S. 309). Das Sozialkapital-konzept wurde in vielen Forschungsar-beiten im Bereich der IT-Kollaboration,insbesondere im Zusammenhang mitOutsourcing- und Offshoring-Bezie-hungen, sowohl explizit (z. B. Chouet al. 2006; Kelly und Noonan 2008;Levina und Vaast 2008; Rottman 2008)als auch implizit (z. B. Han et al. 2008;Lee und Kim 1999) angewandt. Sozialka-pital hat einen positiven Einfluss auf Wis-sensaustausch (Ghosh und Scott 2009;Nahapiet und Ghoshal 1998) und so-zialen Austausch (z. B. gegenseiti-ge Verpflichtungen, gemeinsame Pro-blemlösung etc.; Goo et al. 2009;Rai et al. 2009) zwischen Individuenund verbessert dadurch die Effektivi-tät der Zusammenarbeit (Levina undVaast 2008), strategisches Alignment(Ye und Agarwal 2003), Projekter-gebnisse (Kelly und Noonan 2008;Spohrer et al. 2011), oder auch den Erfolgvon Outsourcing-Beziehungen (Rottman2008). Diese Forschungsarbeiten bele-gen die Wichtigkeit von Sozialkapital

für effektive Projektzusammenarbeit undlassen Sozialkapital als endogene Variablefür die Erforschung sozialer Phänomene(wie beispielsweise dem Einfluss kul-tureller Unterschiede) im Teamkontextgeeignet scheinen.

In der bestehenden Literatur existiertkeine allgemein akzeptierte präzise De-finition von Sozialkapital. Auch herrschtkeine Einigkeit darüber, wie man Sozi-alkapital misst und interpretiert. Aller-dings stimmt eine Vielzahl von Wissen-schaftlern aus verschiedenen Forschungs-richtungen dahingehend überein, dasszwischenmenschliche Beziehungen einewichtige Ressource für soziales Handelnsind (Yang et al. 2009, S. 186) und „Per-sonen von der Mitgliedschaft in einemsozialen Netzwerk oder anderen sozialenStrukturen profitieren können“ (Portes1998, S. 6). Im Mittelpunkt aller bekann-ten Definitionen von Sozialkapital stehtdie große Bedeutung sozialer Beziehun-gen. Grundsätzlich lassen sich drei Grup-pen von Definitionen unterscheiden: (1)Definitionen, deren Fokus auf den Bezie-hungen liegt, die eine Person mit ande-ren Personen hat; (2) Definitionen, de-ren Fokus auf der Struktur der Bezie-hungen zwischen Personen innerhalb ei-ner Gruppe liegt; (3) Definitionen, derenFokus auf den beiden genannten Bezie-hungstypen liegt (Adler and Kwon 2002,S. 19). Definitionen aus der ersten Grup-pe sehen Sozialkapital als eine Ressour-ce, die in einem sozialen Netzwerk vor-handen ist. Dabei verbindet dieses Netz-werk einen zentralen Akteur mit anderen

Akteuren und unterstützt so das Handelnvon Individuen oder Gruppen („exter-ne Sichtweise“). Die zweite Art von De-finitionen konzentriert sich auf die in-ternen Merkmale oder Strukturen einesKollektivs (z. B. Organisation, Gemein-schaft, Land), wobei das Sozialkapital inden Beziehungen zwischen Individuenoder Gruppen innerhalb dieses Kollek-tivs verankert ist („interne Sichtweise“).Definitionen aus der dritten Gruppe fas-sen die externe und die interne Sichtwei-se auf Sozialkapital zusammen, wodurchdie nachfolgend genannten Schwächendieser beiden Sichtweisen beseitigt wer-den. Zum einen ist die Unterscheidungzwischen einer externen und einer inter-nen Dimension grundsätzlich eine Frageder Perspektive oder des Untersuchungs-objekts. Des Weiteren schließen sich diesebeiden Dimensionen nicht zwingend ge-genseitig aus. Das Verhalten eines kollek-tiven Akteurs (z. B. einer Organisation)wird sowohl durch seine externen Ver-bindungen zu anderen kollektiven Ak-teuren als auch durch die Struktur oderMerkmale seiner internen Verbindungen(z. B. Beziehungen zwischen Mitarbei-tern innerhalb einer Organisation) be-einflusst. Dementsprechend ist die Fähig-keit zum effektiven Handeln von beidenDimensionen abhängig (Adler and Kwon2002, S. 19 ff.).

Nahapiet und Ghoshal (1998), die ei-ne der in der Organisationsforschungam häufigsten verwendeten Konzeptua-lisierungen von Sozialkapital entwickel-ten (Robert et al. 2008, S. 318), definie-

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ren Sozialkapital als „die Summe der tat-sächlichen und potenziellen Ressourcen,die im Beziehungsnetzwerk eines Indivi-duums oder einer sozialen Einheit ver-wurzelt sind, durch dieses Netzwerk ver-fügbar gemacht und aus ihm abgelei-tet werden können“ (S. 243). Diese De-finition deckt sich sowohl mit der ex-ternen als auch mit der internen Sicht-weise auf Sozialkapital und ist daher derdritten Gruppe von Definitionen zuzu-rechnen. Aufbauend auf den Konzeptua-lisierungen von Burt (1992) und Cole-man (1990) umfasst die Sozialkapital-perspektive von Nahapiet und Ghoshalvier Merkmale: (1) Als soziostrukturel-le Ressource ist Sozialkapital in den Be-ziehungen zwischen Personen verwur-zelt und damit gemeinsamer Besitz derParteien, die an der Beziehung beteiligtsind; (2) Sozialkapital kann nicht von ei-ner Person an eine andere weitergegebenwerden; (3) Sozialkapital ermöglicht es,Ziele zu erreichen, die ansonsten nichtoder nur unter Aufwendung zusätzlicherKosten erreichbar wären; (4) Sozialkapi-tal erhöht die Handlungseffizienz (z. B.infolge eines besseren Informationsaus-tauschs) und reduziert Transaktionskos-ten (beispielsweise, indem mehr Vertrau-en die Wahrscheinlichkeit opportunisti-schen Verhaltens reduziert und folglichdie Notwendigkeit von Überwachungenverringert).

Nahapiet und Ghoshal spezifizierendrei Dimensionen von Sozialkapital – ei-ne strukturelle, eine kognitive und ei-ne relationale Dimension. Die struktu-relle Dimension wird definiert als „dieKonfiguration von Verbindungen zwi-schen Personen oder Einheiten [. . . ][oder als] das umfassende Verbindungs-netzwerk zwischen Akteuren“ (Nahapietund Ghoshal 1998, S. 244) und ver-weist auf Verbindungen zwischen Akteu-ren („wer kennt wen“ und „wie erreichtman jemanden“), aus denen sich po-tenzielle Ressourcen für ein Individuumoder eine Gruppe ergeben können. Diekognitive Dimension beschreibt „Res-sourcen, die zu gemeinsamen Vorstellun-gen, Interpretationen und Bedeutungs-systemen zwischen Parteien beitragen“(Nahapiet und Ghoshal 1998, S. 244)und wird durch Attribute verkörpert,die ein gemeinsames Verständnis kollek-tiver Ziele sowie ein angemessenes Han-deln in einem sozialen System begüns-tigen. Gemeinsame Vorstellungen, Inter-pretationen und Bedeutungssysteme bil-den einen Verbund, der, ebenso wie ei-ne gemeinsame Sprache und gemeinsa-

me Kodes, zwischenmenschliche Konflik-te vermindern sowie eine Einigung aufgemeinsame Ziele und Kommunikationim Allgemeinen fördern kann (Tsai undGhoshal 1998, S. 467). Die relationa-le Dimension entspricht „persönlichenBeziehungen, die Menschen miteinanderdurch Interaktion im Laufe der Zeit ent-wickelt haben“ (Nahapiet und Ghoshal1998, S. 244) und trägt durch ihre Kon-zeptualisierung in Form von Vertrauen,Normen, Identifikation, Verpflichtungenund Erwartungen zur Qualität sozialerBeziehungen bei.

2.3 KulturbedingteBeziehungsprobleme in multikulturellenIT-Projektteams

Kulturelle Unterschiede können zu Pro-blemen in der Zusammenarbeit in mul-tikulturellen Szenarien führen (Carmel1999; Krishna et al. 2004; Sarker et al.2010). Walsham (2002, S. 363–368) be-richtet zum Beispiel von kulturbeding-ten Missverständnissen und Konfliktenin einem jamaikanisch-indischen Softwa-reentwicklungsteam. Ursache dieser Pro-bleme war unter anderem die im Ver-gleich zu den indischen Mitarbeiternsehr lockere und entspannte Einstellungder Jamaikaner gegenüber Meilensteinen.Obwohl der Fokus bei Walsham nichtauf Lösungsansätzen für derartige kul-turbedingte Probleme liegt, werden den-noch interkulturelle Bildung und offeneDiskussionen über interkulturelle Streit-punkte als mögliche Maßnahmen ge-nannt (Walsham 2002, S. 378). Krish-na et al. (2004) sowie Nicholson undSahay (2001) verweisen auf die großeBedeutung von Hierarchie, Status undMacht in Indien als Grund für Konflik-te in multikulturellen Teams mit indi-scher Beteiligung. Aus Respekt vor derAutorität stellten indische Mitarbeiter inBesprechungen keine kritischen Fragen,sehr zum Leidwesen der britischen Ma-nager (Krishna et al. 2004, S. 65). DieAutoren empfehlen unter anderem inter-kulturelles Training, die Einführung ei-ner Verhandlungs- bzw. Diskussionskul-tur und sogenannte „kulturelle Brücken-köpfe“ (engl. „Cultural Bridgeheads“)(Teams oder Mitarbeiter, die über einenlängeren Zeitraum vor Ort in der ande-ren Kultur arbeiten), um globale Soft-wareteams besser koordinieren zu kön-nen. Auch andere Arbeiten zeigen, dassder extreme Hang zur Konfliktvermei-dung auf indischer Seite in Schüchtern-heit und einer Tendenz zum „Ja-Sagen“

resultiert (Nicholson und Sahay 2001,S. 36). Im Gegenzug werden beispiels-weise Briten von Indern als deutlich di-rekter und aggressiver wahrgenommen(Nicholson und Sahay 2001, S. 35). Sar-ker und Sarker (2009, S. 452) weisendarauf hin, dass „Nein-Sagen“ in Indi-en in bestimmten Situationen kulturellnicht akzeptiert ist, was „negative Aus-wirkungen auf [interkulturelle] Bezie-hungen/Verbindungen haben und zu un-erwarteten Verzögerungen bei der Reak-tion auf Änderungen [bzw. im Antwort-verhalten] führen kann“ (Sarker und Sar-ker 2009, S. 452). Earley und Mosakow-ski (2000, S. 31 f., 36) identifizierten eineVielzahl kulturbedingter Schwierigkei-ten in US-amerikanisch-thailändischenTeams. Beziehungskonflikte entstandenbeispielsweise durch einen grundsätzli-chen Mangel an Empathie und Verständ-nis für die jeweils andere Kultur, durcheine fehlende oder zu geringe Identi-fikation mit dem eigenen Team oderdurch eine „Wir gegen die anderen“-Atmosphäre. Des Weiteren wurde betont,dass sich die teaminterne Kommunika-tion aufgrund der Konfliktvermeidungs-strategie der thailändischen Teammitglie-der schwierig gestaltete (Earley und Mo-sakowski 2000, S. 32). In einer ande-ren Forschungsarbeit waren das Einge-stehen, der Umgang und die aktive Dis-kussion kultureller Distanzen Schlüsselfür eine effektive Teamarbeit in verschie-denen multikulturellen Szenarien (Brettet al. 2006, S. 88). Ausgangsbasis warin diesem Fall eine reduzierte Leistungs-fähigkeit von Teams infolge zwischen-menschlicher Konflikte und eines gerin-gen Informationsaustauschs. Die Ursa-chen hierfür lagen wiederum in unter-schiedlichen Kommunikationsstilen (in-direkte Kommunikation in Japan ver-sus direkte Kommunikation in den USA(Brett et al. 2006, S. 86)), unterschiedli-chen Einstellungen gegenüber Hierarchieund Autorität (hierarchischer in Mexikound Südkorea als in den USA (Brett et al.2006, S. 87)) und in sich widersprechen-den Normen der Entscheidungsfindung(schneller in den USA als in Südkorea(Brett et al. 2006, S. 88)).

Auch zwischen westlichen Kulturenkann es zu Problemen aufgrund kultu-reller Unterschiede kommen. Sarker undSahay (2004, S. 12) stellten fest, dass US-Amerikaner unsicher wurden, weil sieden Kommunikationsstil ihrer norwegi-schen Kollegen als sehr ruppig und di-rekt warnahmen. Hier trug vor allem ein

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Abb. 1 Konzeptueller Bezugsrahmen

sensiblerer Umgang mit der jeweils ande-ren Kultur zu einer verbesserten Bezie-hung zwischen beiden Seiten bei. Maz-nevski und Chudoba (2000) zeigen, dassregelmäßige persönliche Treffen von An-gesicht zu Angesicht und gemeinsameAktivitäten abseits des Arbeitsalltags zwi-schen US-Amerikanern und Westeuro-päern zu einer verbesserten Teamatmo-sphäre führen. Interkulturelle Konflik-te entstanden laut dieser Studie haupt-sächlich durch Fehlkommunikation undMissverständnisse im Allgemeinen sowiedurch unterschiedliche Auffassungen imHinblick auf Verantwortlichkeiten (dieeigene Person versus die gesamte Grup-pe) und Arbeitsstile (sorgfältige Planungversus schnelles Handeln; Maznevski undChudoba 2000, S. 480).

Alle bislang zitierten Forschungsarbei-ten vereint der Umstand, dass Kulturnicht auf Basis theoretischer Kulturmo-delle konzeptualisiert wird, obwohl jeneModelle (wie zum Beispiel die von Hof-stede 1980, House et al. 2004 oder Trom-penaars 1994) helfen, die Multidimen-sionalität von Kultur zu erfassen und zustrukturieren. Dies steht in deutlichemKontrast zu anderen Forschungsströmen,die sich mit Kultur im IS-Bereich befas-sen, wie beispielsweise die Erforschungkultureller Auswirkungen auf die Tech-nologieadoption (z. B. McCoy et al. 2007;Srite und Karahanna 2006; Straub et al.1997). Im Gegensatz dazu stellt diejenigeLiteratur, die sich mit den sozialen Bezie-hungen in multikulturellen Szenarien be-fasst (z. B. Offshoring oder internationa-

les Projektmanagement) zumeist keinenBezug zu den genannten Kulturmodellenher oder erwähnt diese lediglich am Ran-de. Rao (2004, S. 18 f.) verweist beispiels-weise auf mögliche Konsequenzen spe-zifischer Ausprägungen einiger der Kul-turdimensionen von House et al. (2004).Demnach könnte es aufgrund einer ho-hen Machtdistanz problematisch sein,„[bestimmte] Ansichten in Frage zu stel-len oder offen mit Vorgesetzten zu disku-tieren“ (Rao 2004, S. 18). Zudem könn-ten „Unterschiede in der Zukunftsori-entierung in grundsätzlich unterschied-lichen Einstellungen hinsichtlich Meilen-steinen und Arbeitstempo resultieren“(Rao 2004, S. 19). Diese Aussagen stel-len jedoch lediglich Vermutungen dar,die nicht empirisch untersucht und be-legt wurden. Auch Dibbern et al. (2008,S. 358) greifen diese Thematik kurz in ih-rer Diskussion auf, indem sie auf mögli-che negative Folgen einer hohen Macht-distanz (→ starker Konformismus, strik-te Beachtung und Abhängigkeit von Re-geln und Verpflichtungen) und eines aus-geprägten Kollektivismus (→ Schwierig-keiten, offen zu kommunizieren und ta-zites Wissen auszutauschen) in Indienfür Offshoring-Projekte verweisen. Go-vindarajan und Gupta (2001, S. 65)erwähnen zudem potenzielle Problemebei der Entscheidungsfindung aufgrundder Unterschiede zwischen individualis-tischen und kollektivistischen Kulturen.Ein empirischer Beleg für diese Einschät-zung bleibt jedoch wiederum aus. Aus

diesem Grund wollen wir mit der vor-liegenden Forschungsarbeit einen Beitragzur bestehenden Literatur leisten, indemwir explizit die Rolle verschiedener Kul-turdimensionen in kulturübergreifendenArbeitsbeziehungen untersuchen.

3 Konzeptueller Bezugsrahmen

Um die angesprochene Forschungslückezu adressieren und kulturbedingte Be-ziehungsprobleme in IT-Projektteamsauf Basis der Kulturdimensionen vonHouse et al. (2004) zu analysieren, füh-ren wir eine exploratorische Fallstudien-untersuchung durch, die sich an demin Abb. 1 dargestellten Bezugsrahmenorientiert.2 Dieses Gerüst geht zunächstdavon aus, dass eine bestimmte Ausprä-gung jeder einzelnen Kulturdimensionjede der drei Dimensionen von Sozialka-pital beeinflussen könnte. Zu beachten isthierbei allerdings unsere Annahme, dassSozialkapital (in erster Linie) nicht direktdurch die einzelnen Kulturdimensionenselbst (in Form von Werten und Über-zeugungen) beeinflusst wird, sonderndass das in der jeweiligen Kultur ver-wurzelte Verhalten der Teammitgliederzu Problemen in der Zusammenarbeitführt und so die Bildung von Sozialka-pital erschwert. Dieses kulturabhängigeVerhalten ist jedoch wiederum in denwertebasierten Kulturdimensionen einerKultur verwurzelt. Wir identifizieren ent-sprechende kulturelle Verhaltensmusterund erklären diese, indem wir sie auf

2Die A-Priori-Entwicklung eines, die Untersuchung leitenden Bezugsrahmens wird beispielsweise von Carroll und Swatman (2000, S. 237 f.) odervon Yin (2009, S. 18) empfohlen. Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht mit einer deduktiven Theorieentwicklung und einer anschließendenexplanativen Fallstudienmethodik zu verwechseln, sondern dient einer besseren Strukturierung der Untersuchung.

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Kombinationen mehrerer Kulturdimen-sionen zurückführen. Abschließend lenktdieser konzeptuelle Bezugsrahmen un-sere Untersuchung auch in Richtung derIdentifikation von Managementmaßnah-men, die helfen, negative Auswirkungenkultureller Verhaltensmuster innerhalbeines Projektteams besser zu adressieren.Wie Abb. 1 zeigt, wollen wir mittels unse-res exploratorischen Forschungsansatzes(1) kulturelle Verhaltensmuster identi-fizieren, (2) diese Verhaltensmuster aufdie zugrunde liegenden Kulturdimensio-nen zurückführen, (3) die Auswirkungendieser Verhaltensmuster auf die drei Di-mensionen von Sozialkapital aufdeckenund (4) Managementmaßnahmen iden-tifizieren, die zu einer Eindämmung ent-sprechender negativer Effekte beitragen.In anderen Worten ausgedrückt, beab-sichtigen wir, aus der Gesamtheit allermöglichen Verbindungen zwischen Kul-turdimensionen, kulturellen Verhaltens-mustern und den Dimensionen von Sozi-alkapital nur diejenigen herauszufiltern,die in unseren Fallstudien tatsächlichexistieren.3

4 Forschungsmethodik

Kaplan und Duchon (1988, S. 15) ver-weisen auf Fallstudien als „eine Quel-le wohl begründeter, reichhaltiger Be-schreibungen und Erklärungen von Pro-zessen in lokalen Kontexten“, wodurchsie zur Erforschung auftretender Phä-nomene bestens geeignet sind. In Ein-klang mit Kaplan und Duchon (1988)betont Yin (2009, S. 8), dass Fallstudi-en ein ideales Forschungsinstrument dar-stellen, wenn es „Wie“- oder „Warum“-Fragen zu beantworten gilt, wenn manals Forscher nur begrenzte Kontrolle überEreignisse und Grenzen eines komple-xen sozialen Phänomens (wie Auswir-kung kultureller Unterschiede auf Sozi-alkapital) in der realen Welt (multikul-turelle IT-Projektteams) hat und wenndieses Phänomen und der Kontext, indem es untersucht wird, eng miteinanderverbunden sind.

Es wurden mehrere Fallstudien durch-geführt, weil dadurch „typischerweise ro-

bustere, eher generalisierbare und bes-ser überprüfbare Theorien erzeugt wer-den als auf Basis einer einzigen Fall-studie“ (Eisenhardt und Graebner 2007,S. 27). Da eine zufallsbasierte Auswahlder Fallstudienobjekte „weder notwen-dig noch wünschenswert“ (Eisenhardt1989, S. 537) ist, wurde gemäß Patton(Patton 2002, S. 237–244) bei der Aus-wahl der Fallstudienobjekte und der In-terviewpartner eine zielorientierte Selek-tionsstrategie angewandt. Ausgangsbasisbildete eine Datenbank von Industrie-partnern unseres Lehrstuhls, in der eineVielzahl von Unternehmen verschiedenerBranchen und Größen enthalten sind. Indiesen Unternehmen wurden aktuell lau-fende oder kürzlich abgeschlossene Pro-jekte erfragt, welche die beiden folgendenBedingungen erfüllen:– Projekte mit IT-Kontext (z. B. Softwa-

reentwicklung, Systemeinführung etc.)– Projekte mit Teammitgliedern in und

aus verschiedenen Ländern (multikul-turelle Projekte)

Bei Identifikation eines solchen Projekteswurde der Kontakt zu einem führendenMitglied aus dem entsprechenden Pro-jektteam hergestellt, bei dem wir uns zu-nächst nach der grundsätzlichen Einwil-ligung in die Teilnahme an der Studie er-kundigten. Des Weiteren fragten wir an,ob dieser Ansprechpartner selbst als Pro-jektbeteiligter für ein Interview zur Ver-fügung steht und weitere geeignete Ge-sprächspartner innerhalb seines Teamsidentifizieren kann.

Dieses Vorgehen resultierte in sechsverschiedenen multikulturellen IT-Projekten (Tab. 2), die uns als Fallstudie-nobjekte dienten. Die Projekte stammenaus vier verschiedenen Unternehmen ausunterschiedlichen Branchen. Projektin-halte waren ERP-Neueinführungen undSoftwareentwicklung. Sowohl die Un-ternehmen als auch die Projektteamsvariieren in ihrer Größe. Die zwölf Inter-viewpartner sind im Ergänzenden On-linematerial, Tab. A-2 aufgeführt. DieInterviewpartner A1, B1, C4 und D1hatten in ihren Projekten eine leitendeFunktion. Sie dienten uns als Einstiegs-punkte und identifizierten weitere geeig-nete Gesprächspartner. Es wurden aus-schließlich Teammitglieder interviewt,

die bereits seit mindestens einem Jahr inihrem jeweiligen Team gearbeitet hatten.

Interviews sind bestens zur Sammlungreichhaltiger empirischer Daten im Rah-men von Fallstudien geeignet (Eisenhardtund Graebner 2007, S. 28). Komplemen-täre Einsichten mehrerer Forscher er-höhen dabei den Wert der Daten unddas kreative Potenzial der Studie. Zu-dem resultieren gemeinschaftliche Beob-achtungen in einem gesteigerten Vertrau-en in die Ergebnisse (Dubé und Paré2003, S. 611 f.; Eisenhardt 1989, S. 538).Dementsprechend führte ein Team vonjeweils zwei Forschern unter Beachtungder Empfehlungen von Myers und New-man (2007, S. 16 f.) zwölf semistruktu-rierte Interviews durch (vgl. Ergänzen-des Onlinematerial, Tab. A-2 für einenÜberblick über die Interviewpartner). Je-des dieser zwischen 60 und 120 Minutendauernden Interviews wurde aufgezeich-net und vollständig transkribiert. In allenProjekten mit Ausnahme von Projekt 4hatten wir die Möglichkeit, mit mehrerenbeteiligten Mitarbeitern zu sprechen. DieInterviewpartner stammen aus verschie-denen Ländern (acht aus Deutschland,zwei aus Indien sowie zwei aus Tsche-chien), was eine ausgewogene Perspektivegewährleistet.

Die transkribierten Texte wurdenim Rahmen der Datenanalyse sys-tematisch in verschiedenen Katego-rien kodiert (Brodbeck et al. 2007;Kohlbacher 2005). Kulturelle Unter-schiede und Sozialkapital wurdenauf Basis der Kulturdimensionen vonHouse et al. (2004) und der Konzeptua-lisierung von Sozialkapital nach Naha-piet und Ghoshal (1998) kodiert. ZurErreichung des ersten Forschungsziels(= Identifikation kultureller Verhaltens-muster und Erforschung deren Veranke-rung in Kulturdimensionen sowie derenAuswirkung auf Sozialkapital) wurdenzuerst bestimmte kulturspezifische Ver-haltensmuster mittels offener Kodierung(engl. „open coding“) (Strauss und Cor-bin 1998, S. 123) identifiziert. Im An-schluss wurden diese Verhaltensmustervor dem Hintergrund der detailliertenBeschreibungen jeder einzelnen Kultur-dimension in der GLOBE-Studie (House

3Da der in Abb. 1 dargestellte, konzeptuelle Bezugsrahmen an ein Kausalmodell erinnert, soll noch einmal betont werden, dass wir einen reinexploratorischen Forschungsansatz verfolgen. Unser Bezugsrahmen ist keine deduktiv hergeleitete Theorie, die wir überprüfen wollen, sonderndient lediglich als „Leitstrahl“ für unsere Untersuchung. Des Weiteren ziehen wir nicht den Projekterfolg, sondern das Sozialkapital als abhängigeVariable heran. Die Gründe hierfür liegen, wie in Abschn. 2.2 beschrieben, zum einen darin, dass bereits zahlreiche Forschungsarbeiten eine posi-tive Beziehung zwischen diesen beiden Variablen nachgewiesen haben. Zudem ist Sozialkapital die präzisere und damit besser geeignete Variablefür die Untersuchung der Auswirkungen kultureller Unterschiede auf teaminterne Beziehungen, weil es die hauptsächliche Erklärungskomponentezwischen kulturellen Aspekten und Projekterfolg ist.

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Tab. 2 Fallstudienprojekte (um die Anonymität der Unternehmen zu wahren, werden keine exakten Zahlen genannt)

Projekt 1 (Unternehmen A) Projekt 2 (Unternehmen B) Projekt 3 (Unternehmen D)

Projekttyp Ablösung einesERP-Altsystems durchERP-Standardsoftware ineinem Werk in Tschechien

Ablösung einesERP-Altsystems durchERP-Standardsoftware ineinem Werk in Tschechien

Softwareentwicklungsprojekt für einen Kunden aus derFinanzindustrie

Initiator Deutscher Mutterkonzern Deutscher Schwesterkonzern –

GeografischeVerteilung

Team verteilt zwischenDeutschland und Tschechien

Team verteilt zwischenDeutschland und Tschechien

Team verteilt zwischen der Schweiz und Indien

Teamkonfiguration 15 Teammitglieder (neunTschechen, sechs Deutsche)

23–29 Teammitglieder(16–22 Tschechen, siebenDeutsche)

62 Teammitglieder, organisiert in mehreren Sub-Teams inder Schweiz (17 Schweizer Berater aus Unternehmen D, 30Schweizer Mitarbeiter von Kundenseite und ein deutscherProjektleiter) und in einem Sub-Team in Indien (14 Inder)

Projektstart Anfang 2008 April 2007 November 2009

Projekterfolg Projekt noch nicht beendet;zeitliche Verzögerungen

Projekt erfolgreich im März2008 beendet (Zeitplaneingehalten)

Projekt noch nicht beendet

Unternehmens-daten

Bauunternehmen, Umsatz:1–5 Mrd. €, 5.000–10.000Beschäftigte

Unternehmen aus demproduzierenden Gewerbe,Umsatz: <1 Mrd. €, <5.000Beschäftigte

Beratungsunternehmen, Umsatz: >15 Mrd. €, >50.000Beschäftigte

Projekt 4 (Unternehmen C) Projekt 5 (Unternehmen C) Projekt 6 (Unternehmen C)

Projekttyp FortlaufendesSoftwareentwicklungsprojektmit einem Release-Zyklus vonsechs Monaten

Softwareentwicklungsprojekt Fortlaufendes Softwareentwicklungsprojekt mit einemRelease-Zyklus von drei Monaten

Initiator – – –

GeografischeVerteilung

Team verteilt zwischenKanada und Indien

Team verteilt zwischenDeutschland und Indien

Team verteilt zwischen Deutschland und Indien (seit Mitte2008)

Teamkonfiguration Ca. 50 Teammitglieder,organisiert in fünfSub-Teams; vier Sub-Teamsin Kanada (Teammitgliederaus verschiedenen Ländern);ein Sub-Team in Indien (zehnInder)

Vier Teammitglieder (dreiInder, ein Deutscher)

Zehn Teammitglieder (fünf Inder, fünf Deutsche)

Projektstart Anfang 2007 Mitte 2009 Projektstart 1998; geographische Verteilung derTeammitglieder Mitte 2008

Projekterfolg Projekt noch nicht beendet Projekt erfolgreich imFrühjahr 2010 beendet(Zeitplan eingehalten)

Projekt noch nicht beendet; Ende 2008 Verlagerung desGesamtprojekts zurück nach Deutschland aufgrund vonQualitätsproblemen und zeitlichen Verzögerungen

Unternehmens-daten

IT-Branche, Umsatz: 5–15 Mrd. €, 10.000–50.000 Beschäftigte

et al. 2004) analysiert. Dabei wurde er-gründet, in welchen Kulturdimensionendie identifizierten Verhaltensmuster tat-sächlich verwurzelt sind. Dies geschahmittels einer axialen Kodierung (engl.„axial coding“; Strauss und Corbin 1998,S. 123). In einem dritten Schritt wurdendie Beziehungen zwischen den kulturel-len Verhaltensmustern und Sozialkapitaluntersucht. Dabei wurde wiederum mit-tels axialer Kodierung analysiert, ob dieidentifizierten Verhaltensmuster die dreiSozialkapitaldimensionen beeinflussen

oder nicht. Abschließend wurden Ma-nagementmaßnahmen, die dem Kontextunseres Forschungsmodells entsprechen,aus den Interviewtexten extrahiert (offe-ne Kodierung). Während mehrerer Ab-stimmungsrunden zwischen den Autorenwurden sämtliche Ergebnisse (kulturelleVerhaltensmuster, Beziehungen zwischenden Kulturdimensionen und den Ver-haltensmustern, Beziehungen zwischenden Verhaltensmustern und den Dimen-sionen von Sozialkapital, Management-maßnahmen) überarbeitet und hinsicht-

lich ihrer Reliabilität überprüft. DiesesVorgehen resultierte in 163 Kodes. Einebeispielhafte Kodierung findet sich imErgänzenden Onlinematerial, Tab. A-1.Im Rahmen der Datenanalyse wurde dieSoftware MAXQDA genutzt.

Um die identifizierten Management-maßnahmen hinsichtlich ihrer Bedeu-tung für den Projekterfolg bzw. das Pro-jektergebnis beurteilen zu können, wur-den zusätzliche Analysen durchgeführt.Zu diesem Zweck bewerteten zwei derAutoren alle Kodierungen für jede iden-

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Abb. 2 Kulturelles Verhaltensmuster „Gesichtswahrung“ in IT-Projekten mit indischer Beteiligung

tifizierte Managementmaßnahme auf ei-ner Skala von 0 („kein Effekt“) bis3 („starker Effekt/sehr wichtig“).4 An-schließend wurden die Kodierungen derbeiden Forscher je Managementmaßnah-me paarweise verglichen. Ergab sich hier-bei eine Bewertungsdifferenz größer 1,diskutierten die beiden Forscher den je-weiligen Kode. Dies war jedoch nur beiweniger als sechs Prozent alle Kodes not-wendig und führte stets sehr schnell zu ei-nem Konsens bzw. zu einer Korrektur, dazumeist einer der beiden Forscher ledig-lich ein relevantes Detail übersehen oderden Kontext missverstanden hatte. Da-nach wurde je Kode der Mittelwert ausden beiden Kodewerten der Forscher ge-bildet und zwischen 0 und 1 normalisiert.Abschließend wurden die dabei erhal-tenen Werte je Managementmaßnahmesummiert. Dieses Vorgehen resultierte inKennzahlen, die Aufschluss über die Be-deutung einer jeden Managementmaß-nahme geben.5 Die finalen Werte sind inden Abb. 2 und 3 hinter den einzelnenManagementmaßnahmen dargestellt.

5 Ergebnisse

Die Projekte 1 und 2 bestanden austschechischen und deutschen Teammit-gliedern, während an den Projekten 3 bis6 Mitarbeiter aus Indien und verschiede-nen westlichen Industrienationen (vor-dergründig aus Deutschland, der Schweiz

und Kanada) beteiligt waren. Diese ver-schiedenen Szenarien führten zu unter-schiedlichen Ergebnissen, die im Folgen-den separat vorgestellt werden.

5.1 Ergebnisse der Projekte mitindischer Beteiligung

Die Interviews mit deutschen und in-dischen Teammitgliedern aus den Pro-jekten 3 bis 6 offenbarten ein speziel-les kulturelles Verhaltensmuster auf in-discher Seite, das alle drei Dimensionenvon Sozialkapital negativ beeinflusst. Umdiese negativen Auswirkungen zu adres-sieren, wurden in den Projekten Ma-nagementmaßnahmen ergriffen, die sichexplizit auf dieses spezifische kulturel-le Verhaltensmuster beziehen. Darüberhinaus wurden weitere, generelle Maß-nahmen ergriffen, mithilfe derer inter-kulturelle Probleme im Allgemeinen ent-schärft werden sollten. Die identifizier-ten Zusammenhänge sind in Abb. 2 dar-gestellt. Sie ergaben sich aus einer Re-duktion unseres konzeptuellen Bezugs-rahmens (Abb. 1) auf diejenigen Bezie-hungen, die in den Interviews in den Pro-jekten mit indischer und westlicher Betei-ligung tatsächlich festgestellt wurden.

Das Verhaltensmuster der Gesichts-wahrung (Goffman 1967; Ting-Toomeyund Cole 1990; Ting-Toomey et al. 1991)in der indischen Kultur wurde sowohlvon unseren deutschen als auch von un-

seren indischen Interviewpartnern wie-derholt betont und stellt einen großenkulturellen Unterschied zwischen Indernund Deutschen bzw. Schweizern dar. Ty-pische Facetten dieses kulturellen Ver-haltensmusters, die sich aus den Inter-views ergaben, sind unter anderen ei-ne Tendenz zum „Ja-Sagen“, die Ver-meidung offener Kritik sowie eine zwei-deutige und indirekte Ausdrucksweise.Dementsprechend bringen House et al.(2004, S. 131) Gesichtswahrung mit ei-nem ausweichenden und indirekten Ver-haltung in Verbindung sowie mit derBemühung, Negatives zu vermeiden.

Die in Abb. 2 dargestellten Ergebnis-se zeigen, dass dieses kulturelle Verhal-tensmuster in einer Kombination aus ver-gleichsweise höherer Machtdistanz, stär-ker ausgeprägtem Kollektivismus undgeringerer Selbstbehauptung indischerTeammitglieder im Vergleich zu ihrendeutschen bzw. westlichen Kollegen ver-wurzelt ist. Die spezifischen Ausprägun-gen dieser drei Kulturdimensionen aufindischer Seite sind stark voneinanderabhängig und können vor dem Hin-tergrund des Verhaltensmusters der Ge-sichtswahrung nicht getrennt vonein-ander betrachtet werden. Weder unse-re Interviews noch die ausführlichenBeschreibungen in der GLOBE-Studie(House et al. 2004) lassen eine Zuord-nung von Gesichtswahrung zu einer ein-zigen Kulturdimension zu. Gemäß der

4Dabei wurde auch berücksichtigt, ob eine Managementmaßnahme von einem Interviewpartner lediglich vorgeschlagen (bzw. ob sich derInterviewpartner hinsichtlich ihrer Effektivität unsicher war) oder tatsächlich erfolgreich im Projekt ergriffen wurde.5Die Kombination qualitativer und quantitativer Ansätze bei Textanalysen ist in der fallstudienbasierten Forschung keine Seltenheit. EntsprechendeBeispiele aus der Offshoring-Literatur sind beispielsweise Dibbern et al. (2008, S. 346 f.) oder Kotlarsky und Oshri (2005, S. 44).

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Abb. 3 Kulturelles Verhaltensmuster „Post-Kommunismus“ in IT-Projekten mit tschechischer Beteiligung

GLOBE-Studie stehen Gesichtswahrung(House et al. 2004, S. 554) sowie eineindirekte und zweideutige Ausdruckswei-se (S. 555) sowohl mit hoher Macht-distanz als auch mit geringer Selbstbe-hauptung (S. 403–405) in Zusammen-hang. Zudem führt auch ein ausgepräg-ter Kollektivismus zu indirekter Kom-munikation (S. 452, 454, 460), Gesichts-wahrung (S. 452, 460 ff., 500 f.) undKonformismus (S. 461). So unterstrei-chen House et al. (2004) die im Rah-men der Interviews gewonnene Erkennt-nis, dass Gesichtswahrung nicht auf eineeinzelne Kulturdimension, sondern nurauf eine Kombination der drei genann-ten Kulturdimensionen in ihren ent-sprechenden Ausprägungen (d. h. hoheMachtdistanz, ausgeprägter Kollektivis-mus und geringe Selbstbehauptung) zu-rückgeführt werden kann. Im Interviewdeutet auch Herr D1 an, dass eine hoheMachtdistanz zur Gesichtswahrung in-discher Teammitglieder beiträgt: „Es istkulturbedingt. Wenn die indischen Kol-legen eine Aufgabe nicht erfüllen kön-nen, haben sie Angst, das ihrem Vorge-setzten zu sagen, weil Hierarchien in In-dien sehr ausgeprägt sind.“ Dementspre-chend berichtet Herr C4, als Leiter vonzwei deutsch-indischen Teams: „Autori-tät ist definitiv ein sehr wichtiger Aspekt.Ich muss sehr vorsichtig sein, wenn ichmit meinen indischen Mitarbeitern re-de, da alles, was ich sage, als unumstöß-liche Wahrheit angesehen wird. [. . . ] Siewürden niemals widersprechen. Oder siewürden es zumindest niemals offen zei-gen.“ Die geringe Selbstbehauptung vonIndern im Vergleich zu ihren westlichenKollegen spielt im Zusammenhang mitGesichtswahrung ebenfalls eine wichti-ge Rolle, wie die beiden indischen Inter-

viewpartner Herr D3 und Frau D2 beto-nen: „Probleme treten insbesondere auf,wenn wir vor Ort in der Schweiz sind,weil die Schweizer Kollegen viel direktersind als wir. Das ist schwierig für uns.[. . . ] Wir sollten selbstsicherer und di-rekter werden. Das sollte durch mehr Er-fahrung im Laufe der Zeit auch mög-lich sein, aber es ist ein langer Weg bisdorthin. Wir werden nicht von heute aufmorgen eine offensive Einstellung ent-wickeln“ (Herr D3). „Einige SchweizerKollegen, in der Regel ältere, sind sehr,sehr direkt in dem, was sie wollen oderwas sie als nicht gut erachten; oder wennsie erklären, wie etwas ausgeführt wer-den soll. [. . . ] Wir haben manchmal Pro-bleme mit dieser Bestimmtheit oder Di-rektheit oder mit dieser leicht aggressi-ven Art, weil wir ein derartiges Verhal-ten hier in Indien nicht kennen“ (FrauD2). Letztendlich kann Gesichtswahrungauch Ergebnis eines ausgeprägten Kol-lektivismus sein, beispielsweise wenn einindischer Mitarbeiter zum Wohl des ge-samten Teams darauf verzichtet, eineneinzelnen Kollegen zu kritisieren: „DieSchweizer Kollegen kritisieren manch-mal öffentlich während einer Bespre-chung, wenn jemand im Team einen Feh-ler gemacht hat. Sie sind gewohnt, aufso etwas hinzuweisen. [. . . ] Wir würdenniemals jemanden in einer derart offe-nen Form vor jedermann kritisieren, weildas sowohl seinem eigenen Ruf als auchdem Ruf des gesamten Teams schadet“(Frau D2).

Gesichtswahrendes Verhalten wirktsich auf alle drei Sozialkapitaldimen-sionen negativ aus. In den Interviewskristallisierte sich immer wieder heraus,dass insbesondere die relationale Di-mension in Form von Vertrauen durch

Gesichtswahrung gestört wird. Die deut-schen Interviewpartner hatten vor allemaus Qualitätsgründen Schwierigkeiten,ihren indischen Kollegen zu vertrauen.Der Grund hierfür lag zum einen dar-in, dass die indischen Kollegen nichtum Unterstützung baten, selbst wennsie große Probleme bei einer Aufgabehatten. Zudem würden sie nie Beden-ken äußern oder zugeben, dass sie eineAufgabe nicht lösen können: „Man kannnicht jedem Wort Glauben schenken.Wenn man indische Kollegen beispiels-weise fragt ‚Schaffen Sie das?‘, werden sieimmer mit ‚Ja‘ antworten, völlig unab-hängig davon, ob sie die Aufgabe wirklicherfüllen können oder nicht. [. . . ] Wenndann ein Meilenstein oder ein Abga-betermin erreicht wurde, mussten wirzu häufig feststellen, dass sie es nichtgeschafft hatten, ihre Arbeit ordnungs-gemäß zu verrichten“ (Herr C1). HerrD1 teilt diese Auffassung: „Wenn unsereindischen Mitarbeiter nicht im Standesind, eine Aufgabe zu lösen, werden sieim Normalfall keinen Kollegen um Ratfragen, selbst wenn sie sich sicher sind,dass einer ihrer Kollegen weiß, wie mandie Aufgabe löst. Stattdessen werden siees immer wieder selbst versuchen, auchwenn sie sich dabei im Kreis drehen. [. . . ]Ich bin immer etwas skeptisch, was dieErgebnisse betrifft.“ Herr D3 bestätigtzeitliche Verzögerungen als Folge indi-rekter Kommunikation indischer Mitar-beiter: „Indirekte Kommunikation vonunserer Seite führte zu einigen Proble-men im Projekt, hauptsächlich im Hin-blick auf die zu liefernden Ergebnisse.Wir haben Projektpläne, und überhauptwird alles geplant. [. . . ] Aber manchmalschaffen die Mitarbeiter das eine oderandere nicht in der dafür vorgesehenen

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Zeit. [. . . ] Sie eskalieren dann aber auchnicht rechtzeitig, was zu Ergebnispro-blemen führt. [. . . ] Das resultiert dannhauptsächlich in zeitlichen Verzögerun-gen.“ Umgekehrt hatten alle deutschenInterviewpartner in den Projekten 3 bis6 das Gefühl, dass die indischen Kollegenihnen vertrauten, was im Allgemeinenauch von den indischen Gesprächspart-nern bestätigt wurde. Allerdings kanndieses Vertrauen sehr schnell verletztwerden, wenn es zu Kritik kommt: „Inihrer [der indischen] Kultur wird Kritikniemals öffentlich und direkt geäußert.Wenn man das trotzdem tut, werden siesich nicht beschweren oder etwas in die-ser Art ansprechen, aber sie werden nochstiller, als sie sowieso schon sind. [. . . ] IhrVertrauen in die Kritik äußernde Personwird sinken. [. . . ] Wenn man sie kritisie-ren will, muss man sehr vorsichtig sein,weil sie uns sehr schnell als verletzendwahrnehmen“ (Herr C3). Herr D3 be-stätigt dies aus der indischen Perspektive:„Ich denke, dass wir Inder von Natur aussehr empfindlich sind. Manchmal füh-len wir uns schlecht, wenn wir kritisiertwerden. Ich denke, dass Kritik manchmalzu Recht geäußert wird. Aber weil wirso empfindlich sind, fühlen wir uns zu-mindest für einige Zeit schlecht [. . . ], vorallem, wenn wir öffentlich während ei-ner Besprechung kritisiert werden.“ Zwarbetonen die indischen Interviewpartner,dass es in Bezug auf den Projekterfolgvorteilhaft sei, wenn indische Mitarbei-ter grundsätzlich direkter wären, jedochweisen sie auch darauf hin, dass ihrewestlichen Kollegen (insbesondere dieälteren) in manchen Situationen etwaszu direkt oder sogar aggressiv sind. Dasführt wiederum dazu, dass junge indi-sche Kollegen noch schüchterner werden,als sie es ohnehin schon sind.

Mit Blick auf die kognitive Dimensi-on von Sozialkapital gestaltet sich vorallem die Schaffung eines gemeinsamen(Begriffs-)Verständnisses zwischen indi-schen Teammitgliedern und ihren Kol-legen aus anderen Ländern aufgrundder indirekten Ausdrucksweise der In-der als schwierig: „Man muss lernen, ihreAussagen zu interpretieren. Falls es bei-spielsweise ausnahmsweise einmal pas-siert, dass ein indischer Kollege etwas da-hingehend erwähnt, dass bei einer zu er-füllenden Aufgabe ein (sehr) kleines Pro-blem besteht, heißt das in der Regel, dasser absolut keine Ahnung hat, wie er die-se Aufgabe erfüllen soll und dass die Auf-gabe niemals fristgerecht erfüllt werdenwird“ (Herr C3). Ein weiteres Beispiel,

das Probleme infolge des Konformismusindischer Teammitglieder aufzeigt, gibtHerr C4: „Ein wirklich großes Problemist, dass die indischen Kollegen nichtnachfragen, zum Beispiel, wenn man ih-nen einen Geschäftsprozess erläutert, sieihn aber nicht verstehen. Sie sagen nie-mals etwas wie ‚Bitte warten Sie einenkurzen Moment, ich habe das nicht ver-standen‘. Man bekommt immer die ste-reotypische Antwort ‚Alles ist klar, keinProblem‘. Und wenn wir sie dann späterbitten, alles noch einmal in ihren eigenenWorten zu erklären, dann können sie dasnicht und uns wird klar, dass sie es nichtverstanden haben. Das ist wirklich eingroßes Problem, mit dem wir erst lernenmussten, umzugehen.“ Unsere indischeGesprächspartnerin Frau D2 beobachte-te Probleme dieser Art vor allem bei jün-geren indischen Kollegen, die gerade erstihren Abschluss gemacht hatten. Sie weistauch darauf hin, dass derartige Schwie-rigkeiten im Hinblick auf ein gemeinsa-mes (Begriffs-)Verständnis nicht nur inmultikulturellen, sondern auch in reinindischen Teams auftreten können: „Esgibt nicht nur Probleme mit den Schwei-zer Kollegen. Es kann Probleme mit je-dem geben. Wenn man nicht offen zu denKollegen ist oder wenn man ‚Ja‘ sagt, aberdann eine Aufgabe nicht erledigen kann[. . . ], dann kann das auch zu Proble-men unter den indischen Kollegen füh-ren. [. . . ] Man muss sich sehr sicher sein,in dem, was man sagt. Wenn man 100Prozent sagt, dann muss das auch 100Prozent bedeuten und nicht, dass es nocheiniger Überarbeitungen oder Tests be-darf. Wäre das der Fall, würde ich nichtvon 100 Prozent sprechen. Probleme tre-ten dann auf, wenn man sich nicht sicherist, was 100 Prozent wirklich bedeuten.Folglich können immer Schwierigkeitenauftreten, wenn junge und unerfahreneKollegen Probleme haben, das zu sagen,was sie wirklich denken.“ Allerdings be-tont sie auch, dass sie als indische Team-leiterin besser damit umgehen kann alsSchweizer Kollegen: „Ja, ich kann sicher-lich besser mit diesen Situationen umge-hen. Ich weiß, wo das Problem liegt, weilich selbst aus Indien komme. Ich kann eslösen.“ Die negativen Auswirkungen vonGesichtswahrung auf die relationale unddie kognitive Dimension von Sozialkapi-tal wurden durch alle Gesprächspartneraus den Projekten 3 bis 6 bestätigt.

Schließlich identifizierten wir auch ne-gative Konsequenzen von Gesichtswah-rung für die strukturelle Dimension vonSozialkapital, die jedoch im Vergleich

zu den Auswirkungen auf die kogniti-ve und die relationale Dimension weni-ger offensichtlich waren. Herr D1 gab be-reits ein Beispiel dafür, wie die struk-turelle Dimension von Sozialkapital ne-gativ durch Gesichtswahrung beeinflusstwird. Da diese Aussage zusätzlich auchnegative Auswirkungen auf die relatio-nale Dimension offenbart, wurde sie be-reits im entsprechenden Abschnitt wei-ter oben wörtlich zitiert. Herr D1 äu-ßerte hierbei, dass Inder darauf verzich-ten, einen Kollegen zu fragen, von demsie sich sicher sind, dass er zur Lö-sung eines Problems beitragen kann, weildas einen Gesichtsverlust bedeuten wür-de. Herr C4 deutet mit Bezug auf Feed-backgespräche in eine ähnliche Richtung:„Ich bin für die Leistungsbeurteilung al-ler Teammitglieder verantwortlich. [. . . ]Ich habe in diesem Zusammenhang al-len Teammitgliedern Feedbackgesprächeunter vier Augen angeboten. [. . . ] Aller-dings nahm dieses Angebot kein indi-scher Kollege wahr, ganz im Gegensatzzu den deutschen Teammitgliedern.“ DesWeiteren erwähnt Herr C3, dass die in-dischen Teammitglieder noch schüchter-ner werden, wenn man sie öffentlich kri-tisiert, was wiederum dazu führt, dass siedie Kritik äußernde Person noch selte-ner kontaktieren werden als vorher. Die-se Erfahrungen werden im Allgemeinenauch durch unsere indischen Gesprächs-partner bestätigt. So fordert beispielswei-se Frau D2 ihre Kollegen auf, proaktiverzu werden: „Wir sollten nicht so schüch-tern sein. Und wir sollten von Angesichtzu Angesicht mehr Fragen stellen.“

Zur Lösung der sich infolge der Ge-sichtswahrung ergebenden Problemewurden in den untersuchten Projekteneinige Managementmaßnahmen ergrif-fen, die speziell dieses Verhalten adres-sieren. Darüber hinaus wurden wei-tere, generelle Maßnahmen ergriffen,die dabei halfen, interkulturelle Pro-bleme im Allgemeinen zu lösen. ImFolgenden werden wir zunächst näherauf die gesichtswahrungsspezifischenMaßnahmen eingehen, weil diese ex-plizit auf die Lösung der oben iden-tifizierten Probleme abzielen, die auseiner Gesichtswahrung resultieren. Da-nach diskutieren wir weitere, generel-le Maßnahmen (obwohl diese zumeistsogar einen stärkeren Effekt aufwei-sen als die gesichtswahrungsspezifischenMaßnahmen).

Von den speziell auf Gesichtswahrunghin ausgerichteten Maßnahmen wurde

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„strukturierte Kommunikation in kurz-en Abständen“ als sehr wichtig bewer-tet (Abb. 2). Die große Bedeutung die-ser Maßnahme wird sowohl von dendeutschen als auch von den indischenInterviewpartnern unterstrichen: „Regel-mäßige Besprechungen in kurzen Inter-vallen – falls möglich täglich – erhö-hen die Transparenz und als Folge darausdas Vertrauen auf unserer Seite, weil sieuns die Möglichkeit geben, den Arbeits-fortschritt zu kontrollieren und mög-liche Probleme umgehend zu adressie-ren“ (Herr C3). „Eine Sache, die ich ab-solut vermissen würde, sind die tägli-chen Telefonkonferenzen. Aber die fin-den ja mittlerweile statt. Das war Teil un-seres Lernprozesses. Jetzt ist das effek-tiv. [. . . ] Jeden Tag haben wir eine Tele-fonkonferenz für Statusaktualisierungenin jedem funktionalen Block. Wir redenjetzt darüber, wenn irgendwelche Proble-me auftreten. Als Folge daraus sind wirjetzt alle auf demselben Stand hinsicht-lich dessen, was Onshore und was Off-shore passiert“ (Herr D2). „Wir sind täg-liche Telefonkonferenzen zwischen demOnshore- und dem Offshore-Team mitt-lerweile gewohnt. [. . . ] Diese täglicheKommunikation hilft uns definitiv da-bei, möglicherweise auftretende Proble-me zu lösen“ (Herr D3). Die Interview-partner erwähnten ergänzend, dass Mo-nologe der europäischen Teammitglie-der während dieser Besprechungen nichthilfreich seien. Es gehe vielmehr um ech-te Diskussionen, an denen sich alle Team-mitglieder beteiligen. Um dies zu ge-währleisten, sei die Einführung einer of-fenen und diskussionsorientierten Ge-sprächskultur förderlich: „Zunächst ein-mal sollte man [den indischen Kollegen]nicht die Möglichkeit geben, mit ‚Ja‘ oder‚Nein‘ zu antworten. Will man eine rich-tige Diskussion in Gang setzen, mussman beispielsweise fragen ‚Was hat sichseit unserem letzten Gespräch verändert?‘oder ‚Wie beurteilen Sie den Fortschritt

im Hinblick auf den nächsten Meilen-stein?‘ “(Herr C3). Herr C4 hebt wei-terhin hervor, dass es sehr wichtig ist,„sie immer und immer wieder nach ih-rer Meinung zu fragen und sie auch stän-dig zu ermutigen, ihre eigene Meinungvon sich aus zu äußern. Das wird zwarauch nicht dazu führen, dass ein indi-scher Kollege etwas wie ‚Nein, das istnicht möglich‘ sagt, aber zumindest ein‚Ja, aber . . . ‘ sei durchaus realistisch. [. . . ]Dabei ist es jedoch in keinster Weise un-ser Ziel, zu erreichen, dass sich die indi-schen Kollegen wie Deutsche benehmen.Aber wenn beide Seiten ein bisschen auf-einander zugehen, werden unterschied-liche Interpretationen und Bedeutungs-systeme besser verstanden und Missver-ständnisse unwahrscheinlicher.“ Schließ-lich betrachten unsere Gesprächspartnereindeutige und ausführliche Arbeitsan-weisungen als ebenso wichtig wie dieEinführung einer Diskussionskultur inBesprechungen. Eine typische Aussagenbezüglich dieser Managementmaßnahmestammt von Herrn D1, der erklärt, dass„die indischen Kollegen sehr detaillierte,klare und eindeutige Anweisungen brau-chen, weil sie nicht nachfragen würden,wenn etwas unklar wäre.“

Für einen angemessenen Umgang mitgrundsätzlichen kulturellen Unterschie-den zwischen Deutschen und Indernmuss man mit der jeweils anderen Kul-tur vertraut sein. Das ist unverzicht-bar für jede Art kulturellen Manage-ments, das stets darauf abzielt, kulturel-le Unterschiede zu bewältigen anstatt siezu beseitigen. Um ein umfassendes Ver-ständnis der jeweils anderen Kultur zuerreichen, wurden in den untersuchtenProjekten auch generelle Management-maßnahmen (neben den im vorange-henden Abschnitt vorgestellten gesichts-wahrungsspezifischen Maßnahmen) er-griffen. Diese Maßnahmen zielen nichtdarauf ab, speziell die Probleme infolgevon gesichtswahrendem Verhalten zu lö-sen, sondern sollen generell ein besseres

Verständnis für die jeweils andere Kulturschaffen, was dazu führt, dass interkul-turelle Probleme (inklusive der Problemeinfolge von Gesichtswahrung) grundsätz-lich seltener auftreten und man auch bes-ser auf sie reagieren kann. In diesem Zu-sammenhang wurden regelmäßige beid-seitige Arbeitseinsätze im jeweils anderenLand als am wichtigsten erachtet. Der-artige Arbeitseinsätze ermöglichen eineEinsicht in die Kultur der ausländischenKollegen und tragen dazu bei, dass mansich untereinander besser versteht. Un-sere Interviewpartner betonen, dass einArbeitseinsatz in Indien und vice ver-sa unabhängig von den dadurch entste-henden Kosten – zumindest für eine ge-wisse Zeit – unverzichtbar ist. Weiterhinwerden Teamaktivitäten jenseits des Ar-beitsalltags (z. B. gemeinsame Abendes-sen oder gemeinsame Ausflüge) als wich-tig angesehen, ebenso wie die Auswahleines Projektleiters mit möglichst großerinterkultureller Kompetenz und Erfah-rung, der im Projekt die Rolle eines Me-diators einnimmt und dadurch als soge-nannter „kultureller Brückenkopf“ (engl.„Cultural Bridgehead“) fungiert.6

5.2 Ergebnisse der Projekte mittschechischer Beteiligung

Im Folgenden betrachten wir die Ergeb-nisse aus den deutsch-tschechischen Pro-jekten, denen fünf Interviews mit deut-schen und tschechischen Mitarbeitern inden Projekten 1 und 2 zugrunde liegen.Die Kombination verschiedener Kultur-dimensionen zu kulturellen Verhaltens-mustern und die Untersuchung der Aus-wirkungen dieser Verhaltensmuster aufdie Dimensionen von Sozialkapital aufBasis dieser Interviews resultierte in denin Abb. 3 illustrierten Ergebnissen. Wei-tere Beziehungen konnten in den Inter-views nicht identifiziert werden.

Alle Gesprächspartner (A1, A2, B1, B2und B3) bestätigen kulturelle Unterschie-de zwischen tschechischen und deut-schen Teammitgliedern, betonen dabei

6Neben der Gesichtswahrung identifizierten wir ein weiteres kulturspezifisches Verhaltensmuster auf indischer Seite, das sowohl unsere deutschenals auch unsere indischen Interviewpartner erwähnten. Dieses Verhaltensmuster wurde jedoch im Vergleich zur Gesichtswahrung als weniger wich-tig erachtet. Demnach impliziert ein ausgeprägter Gruppenkollektivismus in Indien auch eine enge Beziehung zum erweiterten Familienkreis. Dieskann beispielsweise dazu führen, dass ein indisches Teammitglied recht spontan tausende Kilometer reist, wenn ein mehr oder weniger engerVerwandter (nicht einmal zwingend ernsthaft) erkrankt ist und so lange bei ihm bleibt, bis dieser sich besser fühlt. Währenddessen werden mögli-cherweise anstehende Meilensteine im Projekt oder sonstige dringende Termine gänzlich vernachlässigt. Als Folge daraus besteht auf deutscher Seiteein gewisses Misstrauen, wenn Meilensteine unmittelbar anstehen, weil es jederzeit passieren kann, dass ein indisches Teammitglied ohne Vorwar-nung verschwindet. Ein derartiges, plötzliches Verschwinden infolge des ausgeprägten Gruppenkollektivismus indischer Teammitglieder behindertfolglich auch die Bildung von Sozialkapital (relationale Dimension). Herr D1 kommentiert dies wie folgt: „Wenn es irgendein Problem im größerenFamilienkreis gibt, sind sie weg. Von heute auf morgen. Sie sagen, dass sie eine vierwöchige Auszeit brauchen, und dann sind sie einfach weg. [. . . ]Als Folge daraus steigt die Skepsis auf unserer Seite, je näher ein Meilenstein kommt. [. . . ] Ja, das könnte auch dazu führen, dass unser Vertrauensinkt.“ Allerdings ergriffen unsere deutschen Interviewpartner keine Maßnahmen, um dieses Problem besser adressieren zu können: „Aus meinerSicht kann man nichts dagegen tun. [. . . ] Man muss sich daran gewöhnen“ (Herr D1).

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jedoch, dass diese Unterschiede in denmeisten Fällen nicht sehr groß sind undauch nicht zu ernsthafteren Problemenführen. Sie verweisen auf tendenziell ne-gative Auswirkungen eines spezifischenVerhaltensmusters auf tschechischer Sei-te, das wir als Post-Kommunismus be-zeichnen. Dieses Verhaltensmuster zeigtsich unter anderem im Festhalten an ei-nem Status Quo. Statusänderungen, bei-spielsweise hervorgerufen durch die Ein-führung einer neuen Software, sind teil-weise unerlässlich, um konkurrenzfähigzu bleiben, werden jedoch von den Betei-ligten als unvorteilhaft und unnötig be-trachtet. Als Folge daraus ist persönli-che Engagement eher selten. Müssen Än-derungen zwingend durchgeführt wer-den, ist eine offizielle Anweisung durcheinen Vorgesetzten sehr wichtig. Oh-ne die Anweisung einer Autoritätsper-son wird wenig bis nichts geschehen, weilnur ein solcher formaler Auftrag die per-sönliche Verantwortung und folglich dieUnsicherheit der Mitarbeiter verringert.

Die Analyse der Interviews vor demHintergrund der Kulturdimensionen ausder GLOBE-Studie (House et al. 2004)resultiert in der Erkenntnis, dass Post-Kommunismus durch eine Kombinationaus hoher Machtdistanz, hoher Unsicher-heitsvermeidung und geringer Zukunfts-orientierung verursacht wird. Einen Hin-weis auf hohe Machtdistanz und ho-he Unsicherheitsvermeidung liefert HerrA1: „In Tschechien ist alles sehr for-mal. Ohne die Unterschrift eines Vor-gesetzen passiert nichts. Alles muss un-terschrieben oder zumindest abgestem-pelt werden. [. . . ] Dokumente, die hierin Deutschland von einem Auszubilden-den unterschrieben werden, müssen inTschechien von einer Führungskraft un-terzeichnet werden.“ Gemäß House et al.(2004) reflektiert diese Aussage eine ho-he Unsicherheitsvermeidung, weil es zurVerifizierung eines Gesprächs der schrift-lichen Form bedarf (z. B. S. 618, 640)und weil ein hoher Formalisierungsgradbesteht (z. B. S. 603, 618, 640, 645).Des Weiteren zeigt diese Aussage auch ei-ne hohe Machtdistanz, da die Mitarbei-ter stark von ihren Vorgesetzen abhän-gig sind, wenn es darum geht, eine Ent-scheidung zu treffen oder eine bestimm-te Richtung einzuschlagen (vgl. House etal. 2004, z. B. S. 529, 534). Indem erdie fehlende Akzeptanz des Projekts an-spricht, deutet Herr B1 zudem eine gerin-ge Zukunftsorientierung an: „Die meis-ten tschechischen Teammitglieder sahen

keine Notwendigkeit für einen System-wechsel. [. . . ] Weil sie die Systemeinfüh-rung als nicht notwendig erachteten, ver-hielten sie sich sehr passiv. [. . . ] Persönli-ches Engagement war sehr selten“ (HerrB1). Dies wird auch von unserem tsche-chischen Interviewpartner Herrn B2 be-stätigt: „Die Bereitschaft, etwas zu verän-dern, ist in Deutschland sicherlich höherals in Tschechien. Aber das ist eben un-sere Mentalität. [. . . ] Wenn etwas funk-tioniert, wollen wir nichts Anderes oderNeues. [. . . ] In diesem Projekt wolltendie Anwender nicht mit uns zusammen-arbeiten, weil sie das neue ERP-Systemnicht haben wollten, sondern weiterhindie alte, bereits existierende Lösung nut-zen wollten. [. . . ] Auch in anderen Pro-jekten konnte ich feststellen, dass derWiderstand gegen eine Veränderung desStatus Quo in Tschechien höher ist alsin Deutschland.“ Diese Aussagen wei-sen vor dem theoretischen Hintergrundder GLOBE-Studie (House et al. 2004)auf eine geringe Zukunftsorientierunghin, weil die entsprechende Dimensions-ausprägung mit Personen in Verbindunggebracht wird, die grundsätzlich wenigintrinsisch motiviert sind und denen esan der Fähigkeit mangelt, eine Verbin-dung zwischen einer aktuellen Handlungund den daraus resultierenden Folgen inder Zukunft herzustellen. Das führt wie-derum zu einer geringen Leistungsmo-tivation (S. 293). Wenig überraschendist der Hinweis vonseiten der Interview-partner, dass Post-Kommunismus über-wiegend bei älteren tschechischen Kolle-gen auftritt, die das entsprechende po-litische System miterlebt haben. Folglichkann Post-Kommunismus nicht nur ne-gative Folgen für das Verhältnis zwischendeutschen und tschechischen Teammit-gliedern, sondern auch für die Beziehungzwischen älteren und jüngeren Tschechenhaben.

Im Hinblick auf Sozialkapital kön-nen negative Auswirkungen von Post-Kommunismus auf die relationale unddie kognitive, jedoch nicht auf die struk-turelle Dimension identifiziert werden.Grundsätzlich wird die Vertrauensbil-dung (relationale Dimension) erschwert,weil die älteren tschechischen Teammit-glieder das Projekt ablehnen bzw. weilsie generell gegen Veränderungen sind(Meinung sowohl der tschechischen alsauch der deutschen Interviewpartner)und weil es infolge der in Tschechien imVergleich zu Deutschland deutlich stär-ker ausgeprägten Formalität immer wie-der zu zeitlichen Verzögerungen kommt

(Meinung hauptsächlich der deutschenInterviewpartner). Des Weiteren behin-dert der Widerstand gegen Veränderungauf tschechischer Seite die Bildung ge-meinsamer Normen und Ziele (kognitiveDimension).

Auf diese Probleme wird mithilfe spe-zifischer Managementmaßnahmen rea-giert. In diesem Zusammenhang betonenunsere Interviewpartner die große Be-deutung einer gemeinsamen Vision in-nerhalb des Projektteams. Sollte die Ein-führung und Akzeptanz einer derartigenVision scheitern, müsse man sogar Per-sonal austauschen: „Jedes Teammitgliedsollte von Anfang an in das Projekt invol-viert sein, die Projektziele kennen, verin-nerlicht haben und verfolgen. [. . . ] Fallsjemand im Team den Projektzielen nichtzustimmt, dann muss diese Person ausdem Projektteam entfernt werden. An-sonsten sind ernsthafte Probleme zu er-warten. Wir erlebten genauso einen Fall.Ein tschechischer Kollege sah die Not-wendigkeit des Projektes nicht und legteuns ständig Steine in den Weg. Schließ-lich wurde er aus dem Team entfernt.Ab diesem Zeitpunkt lief das Projekt oh-ne Probleme“ (Herr A2). Sicherlich istes unabhängig vom kulturellen Hinter-grund der Teammitglieder immer vongrößter Bedeutung, dass in einem Pro-jektteam ein allgemein akzeptiertes Pro-jektziel und eine gemeinsame Vision vor-liegen. Allerdings scheint es so, dass die-se Voraussetzungen in vormals kommu-nistischen Ländern wie Tschechien nochweitaus wichtiger sind, um möglichwei-se auftretenden Post-Kommunismus bes-ser adressieren zu können. Unser tsche-chischer Interviewpartner Herr B2 machtAndeutungen in diese Richtung: „AlleTeammitglieder müssen an einem Strangziehen. [. . . ] Ein gemeinsames Ziel, dasjeder im Team verfolgt, ist immer vongrößter Bedeutung, könnte jedoch inTschechien aufgrund unserer Mentalitätnoch wichtiger sein als in Deutschland.“

Im Hinblick auf sonstige, generelle Ma-nagementmaßnahmen sind die Erkennt-nisse aus den deutsch-tschechischen Pro-jekten mit den Ergebnissen aus denProjekten mit indischer Beteiligung ver-gleichbar. Die größte Bedeutung wirddabei regelmäßigen Arbeitseinsätzen vorOrt im jeweils anderen Land zuge-schrieben, gefolgt von der Auswahl ei-nes Projektleiters mit großer interkul-tureller Kompetenz und Erfahrung. Zu-dem werden wiederum Teamaktivitätenabseits des Arbeitsalltags empfohlen.

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6 Diskussion

Unsere Forschungsarbeit erweitert diebestehende Literatur, die sich mit denAuswirkungen kultureller Unterschiedeauf die Zusammenarbeit in multikul-turellen Teams beschäftigt, und lieferthilfreiche Erkenntnisse für die unter-nehmerische Praxis. Im Folgenden ge-hen wir zunächst näher auf den Theo-riebeitrag ein. Im Anschluss zeigen wir,wie unsere Ergebnisse Managern mul-tikultureller Teams helfen können, bes-ser mit kulturspezifischen Verhaltenswei-sen und daraus resultierenden kulturel-len Unterschieden umzugehen. Abschlie-ßend werden die Einschränkungen derArbeit diskutiert.

6.1 Implikationen für die bestehendeTheorie

In ihrer Forschungsarbeit über die Aus-wirkungen kultureller Unterschiede aufden Erfolg eines Offshoring-Projekts ineinem deutsch-indischen Szenario iden-tifizierten Winkler et al. (2008) nega-tive Folgen von Gesichtswahrungsver-halten indischer Teammitglieder auf dieBeziehungsqualität. Dieses kulturspezifi-sche Verhalten wird jedoch nur auf eineeinzige Kulturdimension (Machtdistanz)zurückgeführt. Unser Ansatz geht einenSchritt weiter, indem ein bestimmtes kul-turspezifisches Verhalten nicht auf ei-ne einzige Kulturdimension sondern aufein Bündel verschiedener Kulturdimen-sionen zurückgeführt wird. In diesemneuartigen Ansatz liegt der wichtigsteBeitrag zur bestehenden Literatur. Zu-künftige Forschungsarbeiten, die sich mitkulturellen Unterschieden in multina-tionalen Teams beschäftigen, erreichenauf diesem Wege ein tiefergehendes undgründlicheres Verständnis dessen, wastatsächlich hinter einem kulturspezifi-schen Verhalten steht.

Weiterhin trägt unser Ansatz zum ak-tuellen Stand der Forschung bei, in-dem zwei bestehende Forschungsströme,die sich mit der Erforschung von Kul-tur im IS-Bereich befassen, zusammen-geführt werden. Im ersten dieser beidenForschungsströme, der Themen wie IT-Adoption behandelt, wird Kultur auf Ba-sis bekannter Kulturdimensionsmodelleuntersucht. Im Kontrast hierzu wählt derzweite Forschungsstrom ein strikt inter-pretatives Vorgehen, im Rahmen des-sen Kultur in der Regel im Kontext in-terkultureller Arbeitsbeziehungen im IS-Bereich analysiert wird. Den Hauptgrund

für den Verzicht auf Hofstede- oderHouse-typische Kulturdimensionen indiesem zweiten Forschungsstrang nenntWalsham (2002, S. 376), der betont,dass der Zusammenhang zwischen die-sen Dimensionen und einem tatsächli-chen arbeitsbezogenen Verhalten oder ei-ner Handlung im beruflichen Kontextin der Regel schwach ist. Dem stimmenwir uneingeschränkt zu, vereinen jedochdennoch die beiden angesprochenen For-schungsstränge, indem unser neuartigerAnsatz eine Verbindung zwischen Kul-turdimensionen und spezifischen Verhal-tensweisen herstellt. Wir stimmen Wals-ham (2002) zu, dass sich ein bestimm-tes Verhalten oftmals nicht auf eine ein-zige Kulturdimension zurückführen lässt.Es ist weder angemessen noch hinrei-chend, ein bestimmtes (möglicherweisekulturbedingtes) Verhalten in eine einzi-ge, noch dazu schon vorher definierte Va-riable oder Dimension zu pressen. Aller-dings zeigen unsere Ergebnisse, dass ei-ne Kombination mehrerer Kulturdimen-sionen in ihren spezifischen Ausprägun-gen durchaus in einem kulturbedingtenVerhalten resultieren und dieses folglichauch erklären kann. Somit trägt der indiesem Artikel vorgestellte Ansatz zumaktuellen Stand der Kulturforschung imIS-Bereich bei. Die bekannten und schonhäufig in anderen Bereichen angewand-ten Kulturdimensionen stellen ein ver-nünftiges theoretisches Konstrukt dar,das hilft, ein bestimmtes kulturbedingtesVerhalten besser zu verstehen – allerdingsnur, wenn man mehrere Kulturdimen-sionen zu kulturellen Verhaltensmus-tern (wie beispielsweise Gesichtswahrungoder Post-Kommunismus) kombiniert.Daher ist es wichtig, sowohl die Kultur-dimensionen selbst als auch deren ge-bündelte Wirkung auf (kulturspezifische)Verhaltensmuster zu verstehen.

Letztendlich liefert unsere Forschungs-arbeit noch eine weitere neue Perspekti-ve, indem wir kulturspezifische Verhal-tensweisen mit dem Konzept des Sozi-alkapitals verknüpfen. Unseres Wissenssind wir die ersten, die den Einfluss ei-nes kulturabhängigen Verhaltens auf zwi-schenmenschliche Beziehungen in multi-kulturellen Teams aus einer Sozialkapital-perspektive betrachten. Der Rückgriff aufdie drei Sozialkapitaldimensionen hilft,die Auswirkungen von kulturellen Unter-schieden und Managementmaßnahmenauf das soziale Gefüge in einem multikul-turellen Team besser strukturieren underfassen zu können.

6.2 Implikationen für die Praxis

Unsere Ergebnisse zeigen, dass es fürProjektmanager wichtig ist, zu wis-sen, in welchen Kulturdimensionen einbestimmtes kulturspezifisches Verhal-ten (z. B. Gesichtswahrung oder Post-Kommunismus) verwurzelt ist, weil mandadurch besser versteht, wie man ange-messen auf negative Folgen eines solchenVerhaltens reagieren kann. Das resultie-rende bessere Verständnis einer kulturab-hängigen Verhaltensweise führt in Kom-bination mit verhaltensspezifischen undgenerellen Managementmaßnahmen da-zu, dass man mit diesem Verhalten undseinen negativen Auswirkungen auf Sozi-alkapital in einem multikulturellen Teambesser umgehen kann. Dabei ist es je-doch nicht ausreichend, ausschließlichverhaltensspezifische Managementmaß-nahmen zu ergreifen. Wie unsere Ergeb-nisse zeigen, wurden sonstige generelleMaßnahmen mit wenigen Ausnahmenals wichtiger eingestuft als die verhaltens-spezifischen. Das ist wenig überraschend,da generelle Maßnahmen, wie beispiels-weise Arbeitseinsätze vor Ort im jeweilsanderen Land oder die Auswahl einesProjektmanagers mit großer interkultu-reller Kompetenz, als Basis eines grund-legend verbesserten Umgangs mit kultu-rellen Unterschieden dienen. DerartigeMaßnahmen ermöglichen eine ganzheit-lichere Handhabung des Problems, dasskulturelle Unterschiede soziale Beziehun-gen in multikulturellen Szenarien negativbeeinflussen können. Bei Betrachtungder gewonnenen Erkenntnisse zeigt sich,dass regelmäßigen Arbeitseinsätzen vorOrt im jeweils anderen Land sowohl inden indisch-westlichen als auch in dendeutsch-tschechischen Teams die größ-te Bedeutung beigemessen wird. Es er-scheint klar, dass kulturbedingte Bezie-hungsprobleme jeglicher Art am leichtes-ten zu lösen sind, wenn sich die betroffe-nen Personen persönlich treffen, kennen-lernen und zusammenarbeiten. Im Ge-gensatz hierzu sind verhaltensspezifischeMaßnahmen nur dann (ergänzend) hilf-reich, wenn das entsprechende Verhalten(wie beispielsweise Gesichtswahrung)auch tatsächlich auftritt.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten,dass ein präziseres Verständnis der ne-gativen Auswirkungen von Kultur aufSozialkapital gemeinsam mit geeigneten(generellen und verhaltensspezifischen)Managementmaßnahmen dazu beiträgt,dass im Management besser verstan-den wird, wie sich diese negativen Fol-

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gen besser und strukturierter adres-sieren lassen. Die gewonnen Erkennt-nisse könnten insbesondere für Mana-ger deutsch-tschechischer Teams wert-voll sein, da es bislang kaum Litera-tur gibt, die sich mit den Beziehun-gen in derartigen Nearshore-Szenarienbefasst (im Gegensatz zur reichhaltigenOffshore-Literatur).

6.3 Einschränkungen unserer Arbeit

Die hauptsächliche Einschränkung unse-rer Forschungsarbeit liegt – wie es beifallstudienbasierter exploratorischer For-schung immer der Fall ist – in der Tatsa-che, dass unsere Ergebnisse nicht als voll-ständig angesehen werden können. In an-deren Teams, deren Mitglieder aus den-selben Ländern stammen wie in unserenProjekten, treten sicherlich auch anderekulturspezifische Verhaltensmuster auf,die wiederum auf Kombinationen an-derer Kulturdimensionen zurückzufüh-ren sind und ebenfalls gewisse Problemeerzeugen. Allerdings sind wir weitestge-hend sicher, dass wir diejenigen Verhal-tensmuster identifiziert haben, die denvergleichsweise größten Einfluss auf Sozi-alkapital aufweisen, da wir mehrere Fall-beispiele in unterschiedlichen Kontexten(unterschiedliche Unternehmen, Team-größen, Projektinhalte etc.) analysiert ha-ben, weshalb ein gewisses Generalisie-rungspotenzial besteht.

Allerdings beschränken sich unsereErgebnisse auf die spezifischen kultu-rellen Szenarien, die analysiert wur-den (deutsch/schweizerisch-indische unddeutsch-tschechische Teams). Sie könnenzwar durchaus auch Managern aus ande-ren Kulturen Indizien dafür liefern, wiesich besser mit kulturbedingten Bezie-hungsproblemen umgehen lässt, genera-lisierbar oder auf andere kulturelle Sze-narien übertragbar sind sie jedoch nicht.7

Umgekehrt sind die identifizierten kul-turellen Verhaltensmuster nicht notwen-digerweise nur für die betrachteten Län-der spezifisch. Ähnliche Verhaltensmus-ter werden auch in anderen Ländernaus denselben Kulturkreisen auftreten(wie beispielsweise Post-Kommunismusin anderen osteuropäischen Ländern).Auf der anderen Seite ist eine Kulturin der Regel auch innerhalb eines Lan-des nicht einheitlich. Kulturelle Hetero-genität (vgl. Srite et al. 2008; Walsham

2002) entsteht dadurch, dass Individuenaus demselben Kulturkreis unterschied-lich handeln, weil sie aus verschiedenenSubkulturen stammen. Schließlich könn-te die Generalisierbarkeit unserer Ergeb-nisse auch durch den kulturellen Hinter-grund der Autoren limitiert werden, daalle in die Datensammlung und -analyseinvolvierten Forscher aus Deutschlandkommen.

Des Weiteren stellt sich die Frage, obdie identifizierten negativen Auswirkun-gen auf die sozialen Beziehungen in mul-tikulturellen Teams tatsächlich eine Fol-ge der kulturellen Unterschiede zwischenden beteiligten Parteien ist oder eine Fol-ge der Ausprägungen der Kulturdimen-sionen selbst. Führt Gesichtswahrungs-verhalten immer oder nur in Interakti-on mit anderen Kulturen zu Problemenbezüglich des Aufbaus von Sozialkapital?Unsere Interviewpartnerin D2 bestätigt,dass Gesichtswahrung (die insbesonderebei jungen Indern, die gerade erst ihrenAbschluss gemacht haben, in ein einemverstärkten Ausmaß auftritt) auch in reinindischen Teams einige Probleme nachsich zieht. Allerdings verweist sie auchdarauf, dass die resultierenden Proble-me nicht so groß wie in multikulturellenTeams sind, weil die Inder wissen, „wiedas Spiel funktioniert“ und folglich ihrenManagementstil ihrem eigenen kulturel-len Verhalten angepasst haben. Im Ge-gensatz dazu werden Menschen aus west-lichen Kulturen von Natur aus größereProbleme mit einem solchen Verhaltenhaben, weil sie nicht oder in einem gerin-geren Ausmaß verinnerlicht haben, wiemit einem solchen „fremden“ Phänomenumzugehen ist. Folglich kann ein kul-turspezifisches Verhaltensmuster wie Ge-sichtswahrung an sich bereits zu Bezie-hungsproblemen führen. Wesentlich grö-ßere Probleme sind jedoch in einem mul-tikulturellen Team zu erwarten, in demsich die Ausprägungen der verschiedenenKulturdimensionen, die diesem Verhal-tensmuster zugrunde liegen (z. B. hoheMachtdistanz, ausgeprägter Kollektivis-mus und geringe Selbstbehauptung füh-ren zu Gesichtswahrung in Indien) vonden Ausprägungen derselben Dimensio-nen in der anderen beteiligten Kulturunterscheiden (z. B. geringere Machtdi-stanz, weniger ausgeprägter Kollektivis-mus und höhere Selbstbehauptung inDeutschland verglichen mit Indien).

Abschließend könnten unsere Ergeb-nisse teilweise durch sogenannten „re-spondent bias“ verzerrt sein, da uns invier unserer Fallbeispiele lediglich ein(Projekt 4) bzw. zwei Interviewpartner(Projekte 1, 5 und 6) zur Verfügung stan-den. Wir bewerten dies allerdings als un-wahrscheinlich, weil die Ergebnisse ausdiesen Projekten den Ergebnissen aus denanderen Projekten entsprechen.

7 Fazit

Aufbauen auf unseren früheren For-schungsarbeiten (von Stetten et al. 2011a,2011b) liefert dieser Artikel tiefe Einbli-cke in die Bedeutung kulturspezifischerVerhaltensweisen in multikulturellen IT-Projektteams und zeigt dabei, wie wichtiges ist, resultierende Probleme zu adres-sieren, um den Projekterfolg zu gewähr-leisten. Der Schlüssel hierfür liegt in derEnthüllung des Beziehungsgeflechts zwi-schen kulturspezifischen Verhaltenswei-sen, Kulturdimensionen und Sozialkapi-tal. Unsere Argumentation, die wir auchempirisch begründen, besagt, dass einkulturbedingtes Verhaltensmuster auf ei-ne Kombination verschiedener Kulturdi-mensionen zurückzuführen ist. Weiter-hin ist eine strukturierte Analyse die-ser Beziehungen notwendig, um zu ver-stehen, wie kulturelle Unterschiede diesozialen Beziehungen in einem Teamund als Folge daraus die tägliche Arbeitim Projekt beeinflussen, und wie die-se Auswirkungen mithilfe geeigneter Ma-nagementmaßnahmen adressiert werdenkönnen.

Zukünftige Forschungsarbeiten solltennäher auf die Beziehungen zwischenKulturdimensionen und daraus resultie-renden Verhaltensweisen eingehen. Derin diesem Artikel vorgestellte neue An-satz für eine tiefgründigere Analyse kul-turspezifischen Verhaltens mittels einerRückführung auf eine Kombination ver-schiedener Kulturdimensionen scheinthierfür hilfreich zu sein und wird da-her zukünftig hoffentlich auch in denArbeiten anderer Forscher Anwendungfinden.

Im Hinblick auf spezielle kulturelleSzenarien verdienen insbesondere kul-turelle Unterschiede zwischen Deutsch-land und Ländern in Osteuropa zu-künftig mehr Beachtung, da derartige

7Uns ist es sehr wichtig, zu betonen, dass unsere Ergebnisse nicht dahingehend missinterpretiert werden dürfen, dass wir ausschließlich indischeoder tschechische Teammitglieder für die angesprochenen Beziehungsprobleme verantwortlich machen. Zudem liegt es uns völlig fern, die für In-der oder Tschechen typischen Verhaltensweisen als unpassend oder nachteilig einzuordnen. Die deutsche oder Schweizer Seite legt mit Sicherheitauch Verhaltensweisen an den Tag, die zu Beziehungsproblemen beitragen; in Abschn. 4 sind wir bereits kurz auf diesen Umstand eingegangen.

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Unterschiede bislang noch kaum unter-sucht wurden, obwohl auch hier teilwei-se schon langjährige Traditionen in derIT-Zusammenarbeit bestehen. Im Ver-gleich dazu existiert bereits eine Vielzahlan Forschungsarbeiten, die sich mit „tra-ditionellen“ Offshore-Ländern wie ins-besondere Indien beschäftigen. Obwohldie kulturellen Unterschiede zwischenDeutschland und typischen Nearshore-Ländern in Osteuropa (wie Tschechienoder Polen) scheinbar vergleichsweise ge-ring sind, existieren sie dennoch undkönnen zu Problemen in der Zusammen-arbeit führen. Einen weiteren interessan-ten Anreiz für zukünftige Forschungs-arbeiten in diesem Bereich liefert indi-rekt auch die GLOBE-Studie (House etal. 2004): Vergleicht man beispielswei-se die Wertepaare jeder einzelnen Kul-turdimension für Deutschland und Russ-land sowie für Deutschland und Indi-en,8 so ergibt sich, dass der kulturelleUnterschied zwischen Deutschland undRussland größer ist (durchschnittlichesDelta der Werte9 = 1,1) als zwischenDeutschland und Indien (durchschnittli-ches Delta der Werte = 0,7), obwohl Ex-perten häufig die kulturelle Distanz zuIndien deutlich höher einstufen als zuRussland. Aufbauend auf unserer For-schungsarbeit, die zeigt, dass nicht ein-zelne Kulturdimensionen, sondern Di-mensionsbündel das geeignete Analyse-objekt sind, stellt sich die Frage, obKulturen auch in quantitativen Studiennicht entlang aller, sondern nur entlangder verhaltensmusterrelevanten Dimen-sionen verglichen werden sollten, umplausiblere und relevantere Vergleicheanzustellen.

Letztendlich offenbart die Unter-suchung des für Tschechien charak-teristischen Verhaltensmusters Post-Kommunismus, dass sich Kultur auchteilweise erheblich von einer Genera-tion zur nächsten verändern kann. InZeiten der Globalisierung verdient die-ses Phänomen umso mehr Beachtung.Soziopolitische Veränderungen wie derArabische Frühling können extreme Aus-wirkungen auf die Kultur eines Landeshaben. Zudem kommt es häufig gera-de in jenen Ländern zu solch umfas-senden Veränderungen, die schon jetztOffshore- oder Nearshore-Destinationensind oder es in naher Zukunft wer-den. Zukünftige Forschungsarbeiten,die sich mit den Auswirkungen von

Kultur beschäftigen, müssen derartigeDynamiken berücksichtigen und ge-eignete Forschungsansätze entwickeln.Aufgrund solcher Veränderungen darfman sich sicher sein, dass Kultur ei-ne faszinierende und wichtige Facetteder Erforschung der Gestaltung undNutzung von Informationssystemenbleiben wird.

Literatur

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8Das Ergebnis aus diesem Vergleich könnte man als „kulturelle Distanz“ zwischen den jeweiligen Ländern interpretieren (Kogut und Singh 1988).9Die Bewertung der verschiedenen Kulturdimensionen erfolgt anhand einer Skala von 1 bis 7.

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Zusammenfassung / AbstractAlexander von Stetten, Daniel Beimborn, Tim Weitzel

Auswirkungen kulturspezifischer Verhaltensmusterauf das Sozialkapital in multinationalen IT-Projektteams

Ein Fallstudienansatz

Die vorliegende Forschungsarbeit hilft, negative Auswirkungen kultureller Unter-schiede in multikulturellen IT-Projektteams besser verstehen und mittels geeigneterManagementmaßnahmen adressieren zu können. Es wird untersucht, wie sich kul-turspezifische Verhaltensweisen auf das Sozialkapital multikultureller Teams auswir-ken und wie ein Unternehmen dadurch entstehende Spannungen besser bewältigenkann. Die bestehende Literatur, die sich mit den kulturellen Auswirkungen im Kon-text von Informationssystemen beschäftigt, führt kulturspezifische Verhaltensweisen– wenn überhaupt – nur auf einzelne Kulturdimensionen zurück. Der in dieser Ar-beit vorgeschlagene Ansatz geht dagegen einen Schritt weiter. Wir argumentieren,dass eine Kombination und Aggregation mehrerer Kulturdimensionen zu sogenann-ten kulturellen Verhaltensmustern notwendig ist, um ein bestimmtes kulturspezifi-sches Verhalten besser verstehen und die sich daraus ergebenden Beziehungspro-bleme in multikulturellen Szenarien in der Folge besser nachvollziehen und bewälti-gen zu können. Auf Basis von Fallstudien in sechs länderübergreifenden IT-Projektenwerden zwei beispielhafte kulturspezifische Verhaltensmuster betrachtet (Gesichts-wahrung in Indien und Post-Kommunismus in Tschechien). Zudem werden geeigneteManagementmaßnahmen abgeleitet, die zur Vermeidung der sich in den Projektenergebenden Probleme beitragen. Die gewonnenen Erkenntnisse fördern ein besse-res Verständnis sowie das Management negativer Auswirkungen kulturspezifischenVerhaltens in IT-Projektteams und bestätigen, dass Forschung auf Basis bewährterKulturdimensionen hierfür einen wichtigen Beitrag liefern kann.

Schlüsselwörter: Kulturelle Verhaltensmuster, Landeskulturelle Unterschiede, Sozi-alkapital, Multinationale IT-Projektteams, Exploratorische Fallstudien, Gesichtswah-rung, Post-Kommunismus, Managementmaßnahmen

Analyzing and Managing the Impact of Cultural Behavior Patternson Social Capital in Multinational IT Project Teams

A Case Study Approach

This paper contributes to a better understanding and to mitigate negative conse-quences of cultural diversity in multinational IT project teams. Our research exploreshow culture-specific behaviors impact social capital among team members and howfirms can manage the strains. In the existing IS culture literature, culture-specific be-haviors are – if at all – traced back to single culture dimensions. In contrast, the ap-proach proposed in this article goes one step further suggesting that it is necessaryto combine several culture dimensions to better understand a certain culture-specificbehavior and consequently be able to better manage resulting relationship problemsin multinational settings. Conducting exploratory case studies in six multinational ITprojects, two exemplary cultural behavior patterns (face maintenance in India andpost-communism in the Czech Republic) are identified, and management actions toavoid project performance problems are derived. The results contribute to a betterunderstanding and management of the negative impact of culture-specific behaviorsin IT project teams and corroborate that research based on culture dimensions, suchas those conceptualized by Hofstede or House et al., is valuable for understandingmulti-country IS projects. The findings in particular suggest that aggregating thesedimensions to cultural behavior patterns improves their explanatory power and con-sequently the management’s capability to mitigate the negative consequences ofcultural diversity.

Keywords: Cultural behavior patterns, Differences in national culture, Social ca-pital, Multinational IT project teams, Exploratory case studies, Face maintenance,Post-communism, Management actions

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