This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.
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Beiträge zur Chemie der Schwefelhalogenide, 6 [1] Untersuchungen an Trichlorsulfonium(IV)-Salzen Contributions to the Chemistry of Sulfur Halides, 6 [1] Investigations on Trichlorosulfonium(IV) Salts
Rolf Minkwitz*, Klaus Jänichen, Herbert Prenzel und Volker Wölfel Universität Dortmund, Anorganische Chemie, Postfach 500500, D-4600 Dortmund 50 Z. Naturforsch. 40b, 5 3 - 5 6 (1985); eingegangen am 4. Juli/10. Oktober 1984 Crystal Structure, Bonding and Force Constants, Sulfur Halides
The crystal structure of SCl3+AsF6~ is reported.
The mean S - C l stretching frequency v of the SC13+ cations, weighted according to the degree
of degeneration, in the different SC13+X~ salts is directly proportional to the mean S - C l distance
r s c l , the force constant f s c i and the sulfur . . .anion distance (C13S+ . . .X") . That SC13
+C1" should be isostructural with PC14~, the large variation in the S - C l stretching frequencies in the SC13
+X~ salts is due to cation-anion interaction forces.
Einleitung
Schon von Dehnicke und Sawodny [2] wurde bei einem Vergleich isoelektronischer Moleküle für das SCl3
+-Kation im SCl 3+ Cr , SC13
+A1C14" und SCl3
+AsF6~ die Vermutung geäußert, daß die unter-schiedliche Lage von vsc i durch Kation-Anion-Wech-selwirkungskräfte verursacht sein könnte. Die ex-trem niedrige Lage der vsc rSchwingungen im SC13
+C1~ (vs 450 cm - 1 , vas 471 cm - 1) veranlaßte uns zu einem systematischen Vergleich der entsprechen-den Frequenzen aller bekannten SCl3
+X~-Salze. Hierbei wurde festgestellt, daß die mittlere dem Ent-artungsgrad entsprechend gewichtete S—Cl-Valenz-schwingungsfrequenz v in der Reihe
SCl3+AsF6~ [3], SbCl6" [4], A1CLT [5], UC16~ [6], 533 520 517 501
IC14- [7], e r [8] 498 464 v/cm"1
abnimmt. Es besteht offensichtlich ein Zusammen-hang zwischen v und der Elektronendonator-Stärke der verschiedenen Anionen. Um diese Hypothese zu überprüfen, haben wir die Kristallstruktur des die Reihe anführenden S C 1 3
+ A S F 6 ~ bestimmt. Mit den so gewonnenen Strukturdaten wurden
dann die Kraftkonstanten des SCl3+-Kations im
S C 1 3+ A S F 6 ~ und auch die der anderen Salze berech-
net, von denen Strukturuntersuchungen vorliegen [6, 9-12] ,
* Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. Rolf Minkwitz. 0340 - 5087/85/0100 - 0053/$ 01.00/0
Ergebnisse und Diskussion
Struktur des SCl3+AsF6~
Das SC13+ASF6~ kristallisiert orthorhombisch
(Raumgruppe P212121; Nr. 19) mit den Gitterkon-stanten a = 789, b = 880 und c = 1196 pm mit vier Formeleinheiten pro Elementarzelle. Ausgehend von 1646 Strukturfaktoren in der asymmetrischen Einheit erfolgt die Strukturbestimmung. Aus der Patterson-Synthese wird die Lage des Arsenatoms und mit Hilfe der Schwermetallmethode die Lage-parameter aller anderen Atome bestimmt. Die Ver-feinerung der Lageparameter mit anisotropen Tem-peraturfaktoren liefert einen /?-Wert von 8%. Zur Veranschaulichung ist ein Molekül mit Schwingungs-ellipsoiden der Atome in Abb. 1 wiedergegeben.
Sowohl die Kationen als auch Anionen sind je-weils übereinanderliegend kettenförmig parallel zur z-Achse angeordnet. Die drei bindenden Chlor-atome und der Schwefel bilden eine trigonale Pyra-mide mit angenäherter C3v-Symmetrie, wobei der mittlere S—Cl-Bindungsabstand r sc i 197 pm und der mittlere Cl-S-Cl-Bindungswinkel ä a Sci 102,3° be-trägt. Eine zweite Koordinationssphäre um das Schwefelatom wird von drei Fluoratomen von drei verschiedenen AsF6-Oktaedern gebildet (Abb. 1). Mit 290 pm ist der mittlere S---F-Abstand um 30 pm kleiner als die Summe der van-der-Waals-Radien. Der As—F-Bindungsabstand des oktaedrisch koordi-nierten Arsenatoms beträgt im Mittel für die drei Brückenfluoratome 169,2 pm, während die anderen drei Fluoratome einen mittleren As—F-Bindungsab-stand von 167,9 pm aufweisen.
54 R. Minkwitz et gl. • Beiträge zur Chemie der Schwefelhalogenide
Cl(3)
Cl (2)
F(6)
F(2)
Abb. 1. Molekülstruktur von SCl3
+AsF6-. Ausgewählte Strukturparameter [13] (pm bzw. Grad): S - C l ( l ) 194,9, S -Cl (2 ) 197,2, S - C l ( 3 ) 198,8, A s - F ( l ) 173,9, As—F(2) 170.7, As—F(3) 170,2, A s - F ( 4 ) 163,1, As—F(5) 163,0, A s - F ( 6 ) 170,6; C l ( l ) - S - C l ( 2 ) 103,59, Cl(l)-S—Cl(3) 102,14, C l ( 2 ) - S - C l ( 3 ) 101,20.
Bindungsverhältnisse in SCl3+X -Salzen
Einen Hinweis auf die Ursache der sehr unter-schiedlichen Lage der S-Cl-Valenzschwingungen in SCl3
+X~-Salzen erhält man aus vergleichenden Be-trachtungen des mittleren S-Cl-Bindungsabstandes r sc l . Krebs und Mitarbeiter [14] haben bei den TeCl3
+X~-Salzen eine lineare Abhängigkeit zwi-schen der mittleren, dem Entartungsgrad entspre-chend gewichteten Valenzschwingungsfrequenz v und dem mittleren Te-Cl-Bindungsabstand fTeCi festgestellt.
Lediglich mit Ausnahme des SC13+UC16~ [6] ist
diese Korrelation bei allen übrigen röntgenogra-phisch untersuchten SCl3
+X~-Salzen [6, 9—12] sehr gut erfüllt (Abb. 2). Unter der vereinfachenden An-nahme einer C3v-Symmetrie für die SCl3
+-Kationen und den in Tab. I angegebenen mittleren Bindungs-abständen r s c i werden die Kraftkonstanten f s c l be-rechnet. Dabei zeigt sich erwartungsgemäß, mit Aus-nahme des SC13
+UC16~ [6], ebenfalls eine lineare Ab-hängigkeit der Kraftkonstanten f s c i von r s a
(Abb. 3).
x ICI4-
X AIU4
V X A s F g
£50 500 5 5 0 vi cm
Abb. 2. Abhängigkeit des mittleren S—Cl-Bindungsabstandes r s c l von v in den SCl3
+X~-Salzen.
55 R. Minkwitz et gl. • Beiträge zur Chemie der Schwefelhalogenide
Tab. I. Ramanfrequenzen (cm '), mittlere S—Cl-Bindungsabstände (pm) und -winkel (Grad) und GVFF-Kraftkonstan-ten (102 N/m) von SCl3
+-Kationen und SC12.
SC13+
c r K V [11] UC16" [6] A l C l r [10] SbCl6- [9] ASF6" [12] SC12 [15]
vs (A.) 450 485 488 498 501 520 Vas (E) 471 498/512 507 521/535 524/535 531/547 V 464 498 501 517 520 533 ha 1,821 2,158 2,149 2,382 2,407 2,522 2,77 ös 280 279 285 276 280 285
215 212/220 218 208/215 210 217 fa 1,677 1,586 1,614 1,474 1,474 1,550 1,032 rs-ci 198,8 196,2 197,8 197,4 197,0 "cisci 101,3 102,3 102,3 102,7 102,3 fci3S+...X- 310 320 320 290 A 50 40 40 30
3 2 N m ' 1
2 . 8
2.3 -
1 . 8
\ x AsFg \
SbClg- x N
x UCIg X ICI4-
195.0 197.5 2 00.0 r s _ c | /pm
Abb. 3. Abhängigkeit der Valenzkraftkonstanten f s c i von dem mittleren S—Cl-Bindungsabstand r s a in den SC13
+-Salzen.
In den SCl3+X~-Salzen wird die pseudotetraedri-
sche Koordination des Schwefels in einer zweiten Koordinationssphäre durch jeweils drei Halogenato-me der komplexen Anionen (nur beim SC13
+UC16~ sind es zwei Chloratome) erweitert. Die hieraus resultierende Kation-Anion-Wechselwirkung ist of-fensichtlich für die unterschiedlichen S—Cl-Bin-dungsstärken im SCl3
+-Kation verantwortlich. Ei-ne meßbare Größe, die Rückschlüsse auf die C13S+-^"-Wechselwirkung zuläßt, ist der mittlere Schwefel--Anionen-Abstand rci3s+ x-- Um die für verschiedene Anionen gemessenen fcl3S+ x—Abstän-de miteinander vergleichen zu können, müssen sie
normiert werden. Dies geschieht durch Differenzbil-dung zwischen der Summe der van-der-Waals-Radien von Schwefel und den jeweiligen Halogenen rs+Hai und fa,s+...x-.
A = rs+Hal — rcl3s+. x-
Der kleinste Zl-Wert für das SCl3+AsF6~ mit A =
30 pm belegt eindrucksvoll, daß in diesem Salz die geringste SCl3
+-Anionen-Wechselwirkung beobach-tet wird. Demnach ist im SCl3
+AsF6~ das reine SCl3
+-Kation am ehesten realisiert, so wie es von Krebs [14] für TeCl3
+AsF6~ bei den TeCl3+-Salzen
festgestellt wurde. Eine zunehmende SCl3
+-Anionen-Wechselwir-kung bedingt ansteigende A-Werte, wie dies für die hier untersuchten SCl3
+X~-Salze gezeigt wird (Tab. I). Der lineare Zusammenhang zwischen A und v (Abb. 4) verdeutlicht, daß beide meßbaren
A / p m
80
60
40
20
x 4CI4-
AICI£ XX SbClg
450 500 550 Wem
Abb. 4. Abhängigkeit des mittleren Schwefel-Anionen-Abstandes A (A = rs+Hai ~ ?ci3s+...x-) von v.
56 R. Minkwitz et gl. • Beiträge zur Chemie der Schwefelhalogenide
Parameter in gleichem Maße von den Kation-Anion-Wechselwirkungskräften der verschiedenen Anionen abhängen, und sie verursachen eine Aufweitung der S—Cl-Abstände in den SCl3
+-Kationen. In einer kürzlich erschienenen umfassenden Publi-
kation über das SCl3+-Kation kommt L. Kolditz [16]
auf Grund von 3?C1-NQR-Messungen zu dem glei-chen Ergebnis bezüglich der Wechselwirkung mit verschiedenen Anionen.
Die vorliegenden Korrelationen lassen eine Ex-trapolation auf fCi3s+...ci- u n d ?sci i m SC13
+C1~ zu. Mit 201 pm erhält man für r sc l genau den Wert, der der Summe der Einfachbindungskovalenzradien von Schwefel und Chlor entspricht, während er bei den anderen SCl3*X~-Salzen deutlich verringert ist. Der Cl3S~---Cr-Abstand sollte 290 pm betragen. Er ist um 70 pm (19%) kleiner als die entsprechenden van-der-Waals-Radien, und es sollten bereits merk-liche kovalente Bindungsanteile im Gegensatz zum SC13
+ASF6~ vorliegen. Die Struktur des SC14 ist mit dem PCl4~-Ion vergleichbar [17], in dem neben drei annähernd gleich langen P—Cl-Abständen (fPC1 = 207 pm) eine Bindung um 78 pm verlängert ist, wel-ches einer Verkleinerung der van-der-Waals-Radien hier um 23% entspricht.
Experimentelles Darstellung von SCl3
+AsF6~-Kristallen In ein Zweischenkelgefäß aus Duran mit angesetz-
tem Young-Hahn werden in einem Schenkel 0,5 g
Schwefel eingewogen. An einer Hochvakuumappa-ratur werden dann 1,5 g Arsentrifluorid und Chlor im Überschuß aufkondensiert. Nach beendeter Re-aktion werden die Nebenprodukte ASC13, SC12 und CL2 von dem festen SC13
+ASF6~ abgepumpt. Das so erhaltene reine SC13~ASF6~ wird bei Raumtem-peratur in ca. 1 ml AsF3 gelöst. Danach kühlt man diese Lösung langsam auf —5 °C ab. Anschließend wird das Lösungsmittel von den ausgefallenen SCl3
+AsF6~-Kristallen abdekantiert, und Reste von AsF3 werden im Hochvakuum abgepumpt.
Kraftkonstantenberechnung An einer MODCOMP-II-Anlage erfolgt die Be-
rechnung der Kraftkonstanten (GVFF) mit dem Pro-gramm NORKO [18] nach der Methode von Wilson. Unter der Annahme der idealen C3v-Symmetrie des SCl3
+-Kations werden nur die Mittelwerte der für die Berechnung notwendigen Strukturparameter r s c i und ä C I s a eingegeben. Da die Deformationsschwin-gungsfrequenzen und die röntgenographisch ermit-telten Cl—S—Cl-Bindungswinkel ä c l s c l nahezu kon-stant sind (Tab. I), wird für das SCl 3
+ Cr ä c i s a = 102° angenommen.
Wir danken dem Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Fonds der Chemischen Industrie für finanzielle Unterstützung.
[1] 5. Mitteilung: F. Claus und R. Minkwitz, Chem. Ber. 114, 3737 (1981).
[2] W. Sawodny und K. Dehnicke, Z. Anorg. Allg. Chem. 349, 169 (1967).
[3] F. Claus und R. Minkwitz, Chem. Ber. 114, 3737 (1981).
[4] H. Gerding und D. J. Stufkens, Rev. Chim. Minerale 6, 795 (1969).
[5] H. E. Boorenbos, J. C. Evans und R. O. Kagel, J. Phys. Chem. 74, 3385 (1970).
[6] W. Sawodny, K. Rediess und U. Thiewalt, Z. Anorg. Allg. Chem. 499, 81 (1983).
[7] A. Finch, P. N. Gates, T. H. Page. K. B. Dillon und T. C. Waddington, Inorg. Chim. Acta 25, L 49 (1977).
[8] M. Feuerhahn und R. Minkwitz, Z. Anorg. Allg. Chem. 426, 247 (1976).
[9] B. Krebs, K. Gretenkord und E. Lührs, Z. Anorg. Allg. Chem., in Vorbereitung.
[10] M. Hein, Dissertation, Universität Bielefeld 1979; S. I. Trojanow, L. Kolditz und A. Radde, Z. Chem. 23, 136 (1983).
[11] A. J. Edwards, J. Chem. Soc. Dalton Trans. 1978, 1723.
[12] Diese Arbeit. [13] Weitere Einzelheiten zur Kristallstrukturuntersuchung
können beim Fachinformationszentrum Energie, Phy-sik, Mathematik, D-7514 Eggenstein-Leopoldshafen 2, unter Angabe der Hinterlegungsnummer CSD 50946, der Autoren und des Zeitschriftenzitats ange-fordert werden.
[14] B. Krebs, B. Buss und W. Berger. Z. Anorg. Allg. Chem. 397, 1 (1973).
[15] D. Bielefeldt und H. Willner, Spectrochim. Acta 36 A, 989 (1980).
[16] L. Kolditz, T. Moya, U. Calov, E. A. Kravcenko und J. A. Busalev, Z. Chem. 24, 51 (1984).
[17] K. B. Dillon, A. W. G. Platt, A. Schmidtpeter. F. Zwaschka und W. S. Sheldrick, Z. Anorg. Allg. Chem. 488, 7 (1982).
[18] P. Bleckmann, B. Schräder und W. Meier, Ber. Bun-senges. Phys. Chem. 75, 1279 (1971).