This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.
Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.
Der Nucleinsäure-Stoffwechsel der Rattenmilz während der Synthese von Antikörpern gegen Brucella abortus *
H . K R Ö G E R u n d D . P A P A N A S T A S I U
Biochemisches Institut der Universitä Freiburg im Breisgau (Z. Naturforsch . 23 b , 69—72 [1968] ; e ingegangen am 30. Mai 1967)
1. 3H-Thymidin und 3H-Cytidin werden sehr rasch in die DNS bzw. RNS der Rattenmilz eingebaut. 2. Während der Erstimmunisierung mit Brucella abortus ist der Nucleinsäure-Stoffwechsel in der
Rattenmilz gesteigert; die DNS-Synthese nimmt wesentlich mehr zu als die der RNS. 3. Die Basen-Zusammensetzung der Kern-RNS wird durch Immunisierung leicht verändert. 4. Während der Zweitimmunisierung mit Brucella abortus ist der Nucleinsäure-Stoffwechsel in der
Rattenmilz ebenfalls gesteigert; die RNS-Synthese erreicht das Maximum schneller, die DNS-Synthese langsamer als bei der Erstimmunisierung.
In früheren Untersuchungen konnten wir zeigen, daß Milzzellen von Kaninchen, die mit Alkohol-dehydrogenase immunisiert worden waren, in vitro Antikörper gegen dieses Enzym bilden1. Da diese in vitro-Synthese durch Actinomycin D gehemmt wird, halten wir bei der Antikörper-Bildung eine DNS **-abhängige RNS-Synthese für unerläßlich2.
Im Rahmen unserer Arbeiten über den Ursprung der Information für die Antikörper-Synthese berich-ten wir hier über den Nucleinsäure-Stoffwechsel der Rattenmilz während der Erst- und Zweitimmunisie-rung.
Methoden
1. Immunisierung
In den meisten Fällen injizierten wir weiblichen Wistar-Ratten als Antigen inaktivierte Keime von Bru-cella abortus (Stamm Bude 19). Zur Erstimmunisie-rung erhielten die Tiere subcutan per 100 g Körper-gewicht 1ml Keimsuspension (1 • 1011 Keime/ml) ; zur Zweitimmunisierung gaben wir 3 Monate später noch 0,75 ml Antigen/100 g Körpergewicht. Bei einigen Ver-suchen wurde ein Extrakt aus Azotobacter vinelandii als Antigen verwendet. Wir injizierten pro Ratte intra-venös an zwei aufeinander folgenden Tagen je 2,5 mg Extrakt-Protein. Die Gewinnung des Bakterien-Extrak-tes ist in einer anderen Arbeit beschrieben 3.
2. Isolierung der Nucleinsäuren Die Tiere erhielten — wenn nicht anders ver-
merkt — intravenös 10 juC 3H-Thymidin bzw. 3H-Cyti-* Über einen Teil dieser Untersuchungen wurde berichtet
auf der Herbsttagung der Gesellschaft für Biologische Che-mie, Marburg 1966.
** Abkürzungen: A = Adenin; C = Cytosin; DNS = Des-oxyribonucleinsäure; G = Guanin; RNS = Ribonuclein-säure; U = Uracil.
1 H. WERCHAU U. H. KRÖGER , Biochem. Z. 3 4 1 , 1 8 4 [ 1 9 6 5 ] . 2 H . WERCHAU U. H . KRÖGER , Biochem. Z. 3 4 2 , 3 8 7 [ 1 9 6 5 ] . 3 H . KRÖGER , D. PAPANASTASIU U. R . RINGELMANN, Zentrbl. Bak-
teriol., I. Orig., im Druck.
din/100 g Körpergewicht. Zu den jeweils angegebenen Zeiten wurden sie getötet und die Milzen entnommen.
Die DNS wurde nach dem Verfahren von S C H M I D T -
T H A N N H A U S E R 4 isoliert. Zur Hydrolyse erhitzten wir die
DNS mit 2 ml 5-proz. Trichloressigsäure 15 Min. auf 90 °C. Nach dem Zentrifugieren wurden im Überstand Radioaktivität (s. unten) und Desoxyribose-Gehalt (Di-phenylamin-Test5) ermittelt.
Die Gesamt-RNS isolierten wir aus der Milz nach dem Verfahren von D A V I D S O N und S M E L L I E
6. Die ein-zelnen RNS-Fraktionen wurden in Anlehnung an die Methode von G E O R G I E V et al.7 gewonnen; bei diesen Versuchen wurden die Tiere 30 Min. nach der Injektion von 3H-Cytidin getötet. Alle RNS-Formen wurden zu-nächst zweimal mit Äthanol — Äther (3:1) und einmal mit 5-proz. Trichloressigsäure gewaschen; danach hy-drolysierten wir die RNS mit 0,3 N KOH 18 Stdn. bei 30 °C. Das Hydrolysat, bis pH 1 mit 70-proz. HC104 versetzt, wurde zentrifugiert, der Uberstand mit 2 N KOH neutralisiert. Nach erneutem Zentrifugieren be-stimmten wir im Uberstand die Radioaktivität (s. unten) und den Gehalt an Ribose (Orcinol-Test 8).
Zur Radioaktivitäts-Bestimmung wurde 0,1 ml von der Probe in 10 ml eines Dioxan-Szintillators gegeben und im Tricarb-Flüssigkeits-Szintillations-Spektrometer (Packard) gemessen.
Es ist jeweils die einfache Standardabweichung ange-geben.
3. Basenanalyse Den Ratten wurde intraperitoneal 0,8 mC 32P-Ortho-
phosphat injiziert; 30 Min. danach wurden sie getötet. Wie oben erwähnt, wurden die RNS-Fraktionen nach dem Verfahren von G E O R G I E V et al. 7 aus der Milz iso-liert. Die Basen-Zusammensetzung der RNS-Arten er-mittelten wir nach der Methode von K R Ö G E R et al.'9.
4 G . SCHMIDT and S . J . THANNHAUSER, J . biol. Chemistry 1 6 1 , 8 3 [ 1 9 4 5 ] .
5 Z. DISCHE , Mikrochem. 8 , 4 [ 1 9 3 0 ] . 6 J . N. DAVIDSON and R . M. S . SMELLIE , Biochem. J . 5 2 , 5 9 9 7 G . P . GEORGIEV, O . P . SAMARINA, M . I . LERMAN, M . N . SMIR-
NOV, and A. N. SEVERTZOV, Nature [London] 2 0 0 , 1 2 9 1 [ 1 9 6 3 ] . 8 W. MEJBAUM , Hoppe-Seyler's Z. physiol. Chem. 2 5 8 , 1 1 7
[ 1 9 3 9 ] . 9 H. KRÖGER U. T H . LUCKING, Z. Naturforsdig. 2 2 b, 9 6 7 [ 1 9 6 7 ] .
4. Präparate 32P-Orthophosphat, 3H-Thymidin-(6-T) (spezifische
Aktivität 1 , 9 - 5 C/mMol) und 3H-Cytidin-(G) (spezifi-sche Aktivität 1,9 —4 C/mMol) bezogen wir von The Radiochemical Centre, Amersham, England. Herrn Prof. Dr. J . POTEL, Asta-Werk, Brackwede, danken wir für die Brucella abortus-Keime.
Ergebnisse
A. Nucleinsäure-Stoffwechsel in Abhängigkeit von der Zeit
Injiziert man Ratten 3H-Thymidin oder 3H-Cyti-din, so kann man die Radioaktivität schon kurze Zeit später in den Nucleinsäuren der Milz nachwei-sen (s. Abb. 1). Besonders das 3H-Thymidin wird rasch von der DNS aufgenommen; der Einbau er-reicht nach 60 Min. das Maximum. In weiteren 180 Min. ändert sich der Wert nur wenig. Bei der RNS-Synthese liegt das Maximum für die Aufnahme des markierten Cytidin in der 45. Minute. Danach sinkt die spezifische Aktivität allmählich ab.
15 30 45 60 120 240 Minuten —
Abb. 1. Einbau von 3H-Thymidin in DNS und 3H-Cytidin in RNS der Rattenmilz in Abhängigkeit von der Zeit, o —O DNS, A - A RNS. Angegeben sind Mittelwerte von 4 — 6 Tieren. Die Tiere erhielten i.v. 10 /uC 3H-Thymidin bzw. 5 fxC 3H-
Cytidin/100 g Körpergewicht.
B. Nucleinsäure-Stoffwechsel während der Erstimmunisierung
Schon 4 Tage nach einer Injektion von Brucella a&ortas-Keimen sind im Serum von Ratten Antikör-per nachweisbar. Der Titer erreicht am 12. Tag den höchsten Wert und bleibt bis zum 24. Tag noch rela-tiv hoch (s. die anschließende Arbeit, diese Zeit-schrift 1 0).
Untersucht man während dieser Immunisierung die Nucleinsäuren in der Rattenmilz, so findet man deren Synthese bereits 24 Stdn. nach der Antigen-Injektion erhöht (s. Abb. 2) . Weitere 12 Stdn. spä-
Abb. 2. Nucleinsäure-Stoffwechsel der Rattenmilz während der Erstimmunisierung mit Brucella abortus, o — o DNS, A — A RNS. Angegeben sind Mittelwerte von 8 — 12 Tieren. Die Tiere erhielten i.v. 10 /uC 3H-Thymidin bzw. 3H-Cytidin/
100 g Körpergewicht; 20 Min. danach wurden sie getötet.
ter liegt der Wert der DNS-Synthese dreifach über dem der Kontrollen. Die RNS-Synthese wird weni-ger stark aktiviert. 4 Tage nach der Antigen-Injek-tion — dem Zeitpunkt, an dem erstmalig Antikörper im Serum nachweisbar sind — hat sich der Nuclein-säure-Stoffwechsel in der Milz schon fast wieder nor-malisiert.
Die Veränderungen bei der RNS-Synthese analy-sierten wir noch näher, indem wir die einzelnen Fraktionen der Milz-RNS betrachteten (s. Abb. 3) . Die Synthese der Kern-RNS wird durch die Immuni-sierung stärker aktiviert als die der Cytoplasma-RNS. Die beiden Fraktionen der Kern-RNS, die bei 50 °C und 65 °C isoliert wurden, unterscheiden sich kaum im Synthese-Verlauf.
Um zu sehen, ob sich die Kern-RNS-Arten wäh-rend der Immunisierung verändern, bestimmten wir ihre Basen-Zusammensetzung. Bei diesen Versuchen setzten wir zwei Antigene ein: Brucella abortus-Keime und Azotobacter vinelandii-Extrakt. Aus
1 0 H . K R Ö G E R , D. PAPANASTASIU U. J . P O T E L , Z. Naturforschg., im Druck.
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40
30
20
10
5
0 6 12 24 36 48 72 108 Stdn. »-
Abb. 3. Einbau von 3H-Cytidin in verschiedene RNS-Fraktio-nen der Rattenmilz während der Erstimmunisierung, o — o Cy-toplasma-RNS, 50 °C-Fraktion, A — • 65 °C-Fraktion. Angegeben sind Mittelwerte von 15 — 20 Tieren. Die Tiere erhielten i.v. 10 /uC 3H-Cytidin/100 g Körpergewicht; 30 Min.
danach wurden sie getötet.
Tab. 1 ist zu ersehen, daß sich immunisierte Tiere und Kontrollen in der Basen-Zusammensetzung ihrer RNS unterscheiden. Vergleicht man die Werte für die beiden Antigene, so weichen nur diejenigen der 65 °C-Fraktion voneinander ab; die Basen-Zusam-mensetzung für die RNS der 50 °C-Fraktion ist bei beiden Antigenen fast gleich.
C. Nucleinsäure-Stoffwechsel während der Zweitimmunisierung
Bei einer zweiten Injektion von Brucella abortus-Keimen — 3 Monate nach der ersten Verabrei-
chung — nimmt der Antikörper-Titer im Serum der Ratten nach 5 Tagen zu; er erreicht das Maximum etwa am 9. Tag und nimmt zum 24. Tag hin allmäh-lich wieder ab (s. die anschließende Arbeit, diese Zeitschrift10).
Ähnlich wie bei der Erstimmunisierung fanden wir auch hier, daß der Nucleinsäure-Stoffwechsel durch die Immunisierung angeregt wird (s. Abb. 4). Während die DNS-Synthese ihren höchsten Wert
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I 'o
5
4
3
2
1
0 12 24 36 48 72 96 Stdn. —
Abb. 4. Nucleinsäure-Stoffwechsel der Rattenmilz während der Zweitimmunisierung mit Brucella abortus. O — O DNS, A - A RNS. Angegeben sind Mittelwerte von 8 — 12 Tieren. Die Tiere erhielten i.v. 10 /uC 3H-Thymidin bzw. 3H-Cytidin/
100 g Körpergewicht; 20 Min. danach wurden sie getötet.
langsamer erreicht, nimmt die RNS-Synthese rascher zu als bei der Erstimmunisierung. Nach 4 Tagen lie-gen auch bei dieser Sekundär-Reaktion wieder nor-male Werte vor.
Der Einbau des 3H-Cytidin in die RNS-Fraktio-nen der Milz während der Zweitimmunisierung ist
Kontrolle 50°C-Fraktion Bruc. abort. Azot. vinel. Kontrolle
65 °C-Fraktion Bruc. abort. Azot. vinel.
A 17,8* 14,7 15,3 23,1 21,2 19,5 U 22,7 20,0 19,7 25,9 22,6 24,0 C 29,2 31,6 31,4 25,3 28,6 26,8 G 30,3 33,7 33,6 25,7 27,6 29,7
A + U C + G
0,68 0,50 0,50 0,96 0,78 0,77
Tab. 1. Basenverhältnisse bei der 50 °C- und 65 °C-Fraktion der RNS aus der Rattenmilz während der Erstimmunisierung. Angegeben sind Mittelwerte von 10—20 Tieren. 36 Stdn. nach der s.c. Injektion von Bruc. aftorf.-Keimen bzw. der erst. i.v. In-jektion von Azot. wne/.-Extrakt (zweite Injektion 24 Stdn. nach der ersten) erhielten die Tiere i.p. 0,8 mC 32P-Orthophosphat;
30 Min. danach wurden sie getötet. * % der Nucleotid-Summe.
in Abb. 5 dargestellt. Die Synthese der Kern-RNS wird durch die erneute Injektion von Antigen erheb-lich gefördert; die Werte der 50 °C-Fraktion z.B. nehmen innerhalb von 2 Tagen um das 21/2-fache zu.
f 7 45 o ^ 40
ce
25
20
15
10
5
0 12 24 36 46 72 Stdn. »
Abb. 5. Einbau von 3H-Cytidin in verschiedene RNS-Fraktio-nen der Rattenmilz während der Zweitimmunisierung, o —O Cytoplasma-RNS, • - • 50 °C-Fraktion, A - A 65 ^ - F r a k -tion. Angegeben sind Mittelwerte von 8 — 12 Tieren. Die Tiere erhielten i.v. 10 /uC 3H-Cytidin/100 g Körpergewicht; 30 Min.
danach wurden sie getötet.
Diskussion
Bei der Erst- und Zweitimmunisierung von Rat-ten mit inaktivierten Keimen von Brucella abortus
11 B. MACH and P. VASSALLI, Proc. nat. Acad. Sei. USA 5 4 , 9 7 5 [ 1 9 6 5 ] .
läßt sich eine gesteigerte DNS- und RNS-Synthese in der Milz eher nachweisen als Antikörper im Se-rum zu finden sind. Die DNS-Synthese ist bei der Primär- und Sekundär-Reaktion stärker angeregt als die der RNS. M A C H und V A S S A L L I
n - 1 2 stellten eben-falls fest, daß bei der Immunisierung von Ratten mit Haemophilus pertussis die DNS-Synthese in der Milz stark erhöht ist.
Während der Erstimmunisierung unterscheiden sich die DNS- und RNS-Synthese nur in der Inten-sität, nicht aber in ihrem Verlauf. Bei der Zweit-immunisierung ist das Verhältnis so, daß das Maxi-mum der RNS-Synthese dem der DNS-Synthese vor-ausgeht. Diese Befunde lassen sich so deuten: Zu Beginn der Sekundär-Reaktion sind bereits kompe-tente Zellen für die Bildung der Antikörper gegen Brucella abortus vorhanden. Das erneut verabreichte Antigen löst somit bei der Zweitimmunisierung di-rekt die Synthese spezifischer Messenger-RNS aus. Die gesteigerte DNS-Synthese bei der Sekundär-Reaktion dient vermutlich der Produktion weiterer kompetenter Zellen.
Die Basenanalyse der DNS-ähnlichen RNS aus der Rattenmilz ergab, daß sich die Zusammenset-zung dieser RNS durch die Immunisierung leicht än-dert. Demnach läßt sich die erhöhte RNS-Synthese während der Antikörper-Bildung nicht auf eine all-gemeine Zellproliferation zurückführen.
Die Untersuchungen wurden unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Bundesministe-rium für Wissenschaftliche Forschung und die Stiftung Volkswagenwerk.
1 2 B . MACH and P. VASSALLI, Science [Washington] 1 5 0 , 6 2 2 [ 1 9 6 5 ] .