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Die Entstehung des Fehderechtes im deutschen Reiche des ......die aus der Zeit der Völkerwanderung...

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ILLINOI S UNIVERSITY OF ILLINOIS AT URBANA-CHAMPAIGN PRODUCTION NOTE University of Illinois at Urbana-Champaign Library Brittle Books Project, 2011.
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Page 1: Die Entstehung des Fehderechtes im deutschen Reiche des ......die aus der Zeit der Völkerwanderung uns erhaltenen Nachrichten, noch aus der Geschichts-schreibung über die Völkerwanderung

ILLINOI SUNIVERSITY OF ILLINOIS AT URBANA-CHAMPAIGN

PRODUCTION NOTE

University of Illinois atUrbana-Champaign LibraryBrittle Books Project, 2011.

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In Public Domain.Published prior to 1923.

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It was made in compliance with copyright law.

Prepared for the Brittle Books Project, Main Library,University of Illinois at Urbana-Champaign

byNorthern Micrographics

Brookhaven BinderyLa Crosse, Wisconsin

2011

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UNIVERSITY OF ILLINOIS

LIBRARY

Class Book Q Volume

Heyne ;-Jbrary 1909

My 09-10M

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Die

Entstehung des Fehderechtes

im

deutschen Reiche des Mittelalters

von

JULIUS BROCK.

Berlin 1887.R. Gärtners Verlagsbuchhandlung

Hermann Heyfelder.

Schönebergerstrafse 26.

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Königsfriede und Landfriede.

Auf die beiden Jahrhunderte der Völkerwanderung, der grofsartigsten und folgereichstenBewegung der Weltgeschichte, folgte eine lange Zeit, in welcher überall, wo Germanen sichniedergelassen hatten, ihre Gesetze aufgeschrieben und wiederholt verbessert wurden. Besondershaben es sich die Karolinger angelegen sein lassen, die letzte Hand an diese umfangreichsteGesetzessammlung aller Zeiten zu legen; vor allem aber haben sie durch eine Unzahl vonKapitularien für ihre beste Anwendung zu sorgen sich bemüht. Das ganze germanische Rechts-system beruhte auf dem Begriffe des Friedens. Über die Erhaltung desselben wachte, so langees keine Könige gab, die ganze Gemeinde. Jedes Verbrechen galt als Friedensbruch. DenSchutz des Friedens übernahm das Königtum nach seiner Begründung. Der König erschienseitdem als die Quelle. alles Rechtes und als der oberste Richter im Lande. Insbesondereerscheint es noch als seine heiligste Pflicht, sich der Geistlichen, sowie aller Wehrlosen, derWitwen, Jungfrauen, Waisen, der Juden und fremden Einwohner, anzunehmen. Alle diese Personenstanden im besonderen Königsfrieden. Bei den Gerichten sollten sie zuerst berücksichtigt werden,sie durften sich unmittelbar an den König wenden. Für Verbrechen an ihnen mufste einebesondere Bufse entrichtet werden. Bei seinem Regierungsantritte liefs sich der König als Hortdes Friedens einen Eid schwören. War derselbe verletzt, so wurde ein neuer geschworen.*)Das Recht der Selbsthilfe ist damit unvereinbar.**) Ein solches läfst sich weder durchdie aus der Zeit der Völkerwanderung uns erhaltenen Nachrichten, noch aus der Geschichts-schreibung über die Völkerwanderung und die erste Einrichtung der germanischen Staaten

*) Näheres über diesen Königsfrieden findet sich in übereinstimmender Weise in den rechtsgeschichtlichen Werken,z. B. Eichhorn, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, I 60, 218; Wilda, Geschichte des deutschen Strafrechtes, I (einziger

Band) 224 ff, besonders 253 ff; Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, I 891 f, VI 419 ff; Zöpfl, Deutsche Rechts-geschichte, II 57 ff, 189 ff, III 44 f.

**) Über das Recht der Selbsthilfe gehen die Ansichten weit auseinander. Mit Wilda, der leider sein Werkunvollendet gelassen hat, stimme ich darin vollständig überein, dafs es seit Begründung der germanischen Staaten keinRache- und kein Fehderecht gegeben hat, und habe meine Ansicht für die Zeit von Tacitus bis zum Tode Heinrichs III.in zwei Programmarbeiten, Neumark 1874 und Konitz 1879, begründet. Dafs es in allen Jahrhunderten ein Racherechtgegeben habe, ist ziemlich allgemein angenommen, jedoch hat auch Frauenstädt in seiner 1881 darüber veröffentlichtenArbeit: Blutrache und Todtschlagsühne im deutschen Mittelalter, mich in meiner Ansicht nur bestärkt, da er füir die ältesteZeit fast nur die auch schon vorher bekannten und widerlegbaren Beweise vorbringt und dann noch in der zweiten

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beweisen. Auch die Volksgesetze enthalten keine stichhaltigen Beweise für das Recht derSelbsthilfe. Ein solches widerspricht dem Wesen des Staates Karls des Grofsen und somit des

deutschen Reiches, so lange es in seinem Geiste regiert wird.

Als die von ihm begründete Monarchie infolge des Emporkommens eines mächtigen

Fürstenstandes thatsächlich sich aufgelöst hat, tritt, nachdem etwa drei Jahrhunderte hindurch

nur wenige königliche Verordnungen erlassen sind, ein zweiter bedeutungsvoller Zeitabschnitt der

deutschen Gesetzgebung ein. Bezweckt wird durch dieselbe vor allem die Regelung des Ver-hältnisses des Kaisers und der Fürsten; auch finden sich solche strafrechtlichen Bestimmungen,

welche die neuen Verhältnisse notwendig machten. Es wäre wünschenswert, dafs diese neue

gesetzgeberische Thätigkeit einer genauen Untersuchung gewürdigt würde. Die einzelnen Aktesind unter dem Namen der Landfrieden im eigentlichen Sinne bekannt. In den durch dieselbengeschaffenen Verhältnissen liegt der bedeutsame Anfang des Überganges des deutschen Reiches

aus der monarchischen in die bundesstaatliche Verfassung. Unter den vielen Rechten, welche

durch diese Landfrieden den Fürsten gesetzlich eingeräumt werden, ist nicht das geringste dasFehderecht. Da ein solches nicht von alters her bestanden hat, so kann es durch dieselbenauch nicht beschränkt, sondern erst eingeräumt sein.

Noch weniger als die Volksgesetze und die Kapitularien ist die Landfriedensgesetzgebungfiir die Geschichte des deutschen Volkes genügend verwertet worden. Dagegen haben die ver-

einzelten und dunkeln Spuren von Gesetzen, welche vom zehnten bis zwölften Jahrhunderte sichfinden, wiederholt zur Forschung angeregt. Man ist dabei von der Voraussetzung ausgegangen,

dafs es seither in Deutschland das Recht der Selbsthilfe gegeben habe, und dafs in dieser Zeitdie ersten Anfänge gemacht seien, dasselbe einzuschränken. Der Versuch, ein solches für die

einzelnen Jahrhunderte nachzuweisen, ist nicht gemacht, wohl aber hat man geglaubt, in einzelnenFriedensbündnissen dieser Zeit, die man sämtlich als Landfrieden bezeichnet, die Bestrebungenzu finden, dem Rechte der Selbsthilfe ein Ende zu machen. Bis zur Zeit Heinrichs III. fehlt esnun, wie allgemein anerkannt ist, an jeder Spur, dafs ein solcher Landfriede errichtet wordensei; es gilt also noch allgemein der Königsfriede oder der alte Friede, der so sehr verschiedenist von den spätern Landfrieden, wie sie etwa seit dem dreizehnten Jahrhunderte errichtet werden,dafs gerade durch diese die Grundlage jenes Friedens, wonach jeder gesetzlich in seinem Friedengeschützt wurde, zerstört ist.

Durch diese neuen Friedensbestrebungen ist also nicht ein bestehendes Fehderecht

beschränkt, sondern hat sich ein solches erst allmählich herausgebildet. Während die Könige,wie wir sehen werden, sich noch lange bestreben, auf der Grundlage des allgemeinen Friedenszu regieren, machen die Fürsten zur Zeit der Schwäche der königlichen Macht wiederholt Versuche,besondere Frieden abzuschliefsen. Immer schwerer wird es derselben, den Königsfrieden aufrechtzu erhalten, bis schliefslich durch eine umfassende Gesetzgebung die Verhältnisse neu geordnetwerden und das Fehderecht vom Kaiser zugestanden wird. Besondere Mühe hat es sich schonHeinrich III. kosten lassen müssen, durch immer erneuerte Vereidigungen den allgemeinen

Hälfte des Mittelalters, also in der Zeit der zunehmenden Verwirrung des deutschen Rechtes, Spuren des Racherechtes

hat entdecken können. Die Annahme eines bedingungslosen F e h d ere c h t e s darf wissenschaftlich als beseitigt angesehen

werden. In Übereinstimmung mit Wilda, Waitz u. a. kann auch ich nicht finden, dafs vom Anfange der deutschen

Geschichte an auch nur unter gewifsen Bedingungen es gesetzlich gestattet gewesen sei, einander zu befehden.

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Frieden zu erhalten,*) jedoch ist die Ansicht, dafs darin die ersten Spuren des wirklichen Land-friedens zu finden seien, als beseitigt anzusehen.

Die Friedensbestrebungen vom Regierungsantritte Heinrichs IV. bis zum Todedes Gegenkönigs Rudolf.

Nach dem Tode Heinrichs III. leitete seine Witwe trotz der gefährlichen Lage dieRegierung mit so grofser Geschicklichkeit, ,dafs die Neuheit eines so wichtigen Ereignisses weder

Unruhen noch Feindschaften erzeugte." Weihnachten 1057 feierte der König zu Regensburgin Anwesenheit des Papstes Victor, welcher, ,nachdem die Angelegenheiten so gut, wie es die

Umstände damals zuliefsen, geordnet waren," nach Italien zurückkehrte. Aber noch in demselbenJahre ,unterhandelten die sächsischen Fürsten in häufigen Zusammenkünften über die Unbilden,

welche ihnen unter der Herrschaft des Kaisers waren zugefügt worden, und sie meinten, es

würde ihnen dafür eine schöne Genugthuung widerfahren, wenn sie dem Sohne desselben, solange noch sein zartes Alter einer solchen Gewaltthat günstig sei, das Reich entrissen. Auch

lag der Glaube nicht fern, dafs der Sohn zu der Sinnesart des Vaters übergehen werde." Man

dachte sogar daran, den König zu töten. Aber es fehlte auch nicht an solchen, welche für das

öffentliche Wohl besorgt und eifrig darauf bedacht waren, die aufsteigenden Wirren zu stillen.

Auf ihr Betreiben kam der König nach Sachsen und berief alles, was an Fürsten daselbst vor-handen war, nach Merseburg, wo er das Fest der h. Apostel Petrus und Paulus (29. Juni) feierte.**)In ähnlicher Weise hatten die Kaiser bisher für den Frieden gesorgt. Also auch dieser Thron-wechsel vollzog sich, ohne dafs man noch daran dachte, durch Aufrichtung eines besonderen

Friedens für die Ruhe zu sorgen. Zu Pfingsten (9. Juni) 1058 war der König in Augsburg, wo

eine Versammlung der Fürsten des ganzen Reiches stattfand. Dafs die Beratung vor allem der

Befestigung des Friedens gegolten habe, erscheint als selbstverständlich.***) Wenn nun im Julizu Othalmeshusen im östlichen Franken eine Versammlung der getreuen Fürsten zum Zweckeder Sicherung des Friedens, zur Unterdrückung von Räubern und Bewältigung des Aufstandes

von Plünderern stattfindet, so liegt es nahe daran zu denken, es sei zu Augsburg beschlossen,

dafs die heimgekehrten Fürsten in ihrem Lande noch für den Frieden sorgen sollten.****) Besondere

*) Progr. Konitz 1879, 27 ff; Waitz, VI 128 ff; Goecke, Die Anfänge der Landfriedensaufrichtungen, 24 ff.

**) Lamberts Jahrbücher z. d. J. 1056, 1057, SS V 158.#**) In den Jahrb. v. Altaich heifst es nur, es seien die Reichsgeschäfte geordnet, SS XX 809.

****) Die Stelle steht in: Usser mann, Episc. Wirceb. BI. 1794, No. XXI. 21. Herzberg-Fränkel, Die älte-

sten Land- und Gottesfrieden in Deutschland, in: Forschungen zur deutschen Geschichte, No. 566 XXIII, sagt darüber 125:

IDa die starke Hand des Königs fehlte, nahmen es die Völker selbst auf sich, die Fundamente staatlichen Lebens vor

Erschütterung zu bewahren." Dabei scheint übersehen zu sein, dafs die Fürsten als fideles, d. h. doch wohl nur reichs-

oder königstreu, bezeichnet werden. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, III 57, 1090 A. 2, Waitz, a. a.

O., und Goecke, 46, meinen, die Versammlung sei gehalten worden, um das Räuberwesen zu unterdrücken; es wird mehr an die

Kämpfe der Grofsen, vielleicht, wie Giesebrecht vermutet, an den Streit des BambergerBischofs Günther, eines Verwandten des da-

mals soeinflufsreichen KölnerBischofsAnno, gegen die Grafen Hermann und Gozwin zu denken sein. Man hat sich zu jenerirrigen

Auffassung wahrscheinlich durch die Ausdrücke latrones und raptores verleiten lassen, so werden aber überhaupt noch die

Grofsen genannt, welche gegen einander kämpfen. Die Thüringer erklärten 1069, Lambert, SS V 174, 175, komme

der Bischof von Mainz zu ihnen, um den vom Könige ihm zugesagten Zehnten ihnen abzupressen, so seien sie seit

alten Zeiten durch ihren Eid gebunden, Räuber und Plünderer (latrones et raptores) nicht ungestraft zu lassen; ähnlich dersächs. Annalist z. J. 1056, SS VI 691 u. a. Wie müfste es in einem Staate ausgesehen haben, in welchem gewöhnliche

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Unzufriedenheit erregte unter den Fürsten das Ansehen, welches der Bischof Heinrich vonAugsburg beim Könige genofs. Deshalb hielten sie, ,die Ungebühr nicht ertragend, htufigeZusammenkünfte, handelten lässiger bei öffentlichen Geschäften, reizten die Gemüter gegen dieKaiserin auf und bestrebten sich endlich auf jede Weise, den Sohn der Mutter zu nehmen unddie Verwaltung des Reiches auf sich selbst zu übertragen."*) Deutlicher als durch solche Wortedes Zeitgenossen können die Wünsche der Fürsten kaum ausgedrückt werden. Aber die eigen-mächtigen Fürstenversammlungen, wie die 1062 wirklich erfolgte Gefangennahme des Königsund die inneren Kämpfe waren nur möglich, ,weil jeder während der Unmündigkeit des Königsthat, was ihm sein Sinn eingab." **) Die schwache und parteiische Regierung des Königs alsowar die Ursache der Unruhen. Davon dafs infolge eines Fehderechtes es den Fürsten gestattetgewesen sei, gegen einander zu kämpfen, hören wir nichts. Das parteiische Regiment dauerteauch fort, nachdem 1065 der König ftir mündig erklärt war. Seinen ersten Feldzug unternahmer im Winter 1068/9 gegen die Liutizen; vor demselben fand zu Weihnachten in Goslar einefeierliche Aussöhnung statt, und der allgemeine Friede wurde durch einen Eid bekräftigt.Heinrich zeigte bei diesem ersten selbständigen Regierungsakte, dafs er gesonnen war, im Sinneseiner Vorfahren zu regieren, von einer neuen Art des Friedenswerkes ist keine Rede.***) Gleich-wohl ist ein solcher Vorgang ein bedeutsames Zeichen, dafs die Könige, in der Überzeugung,

Räuber das Land vergewaltigten und Aufstände machten, so dafs man förmliche Bündnifse gegen sie schlofs!

Alle 1Fehden wurden eben noch in dieser Zeit als Räuberei betrachtet, und noch war die Zeit fern, in welcher dieselben

gesetzlich erlaubt wurden. Vielleicht fanden gleichzeitig anderswo ähnliche Verbindungen zu Gunsten des jungen Königs statt.

Eilf Jahre nach jener Versammlung zu Othalmeshusen erklärten die Thüringer bei der schon erwähnten Gelegenheit, sie seien

durch ihren Eid gebunden und verpflichtet, Räuber und Plünderer nicht ungestraft zu lassen, und im folgenden Jahre

heifst es in Bezug auf dieselbe Angelegenheit, sie hätten sich vor etlichen Jahren (ante aliquot annos) dazu verbunden.

Waitz, VI 435, sagt: ,In Thüringen ward, wie es scheint, einige Jahre später," nämlich nach 1058, ,eine Vereinbarung

derart getroffen"; -- 1079 A. 4 statt 1070 ist wohl nur Druckfehler - diese Behauptung ist durch die Ausdrücke pridem

un.d ante aliquot annos nicht gerechtfertigt, es könnte denselben zufolge die Vereidigung der Thüringer in derselben Zeit

stattgefunden haben, wie die im östlichen Franken. Wenn Giesebrecht, III 231, sagt: ,Es galten beschworene Land-frieden, wie sie zuerst die Ostfranken, dann die Thüringer und Sachsen aufgerichtet hatten", so halte ich es nicht für rich-

tig, diese Vereidigungen Landfrieden zu nennen, es scheint mir vielmehr, dafs dabei nur an den dem Könige schuldigen

Eid zu denken ist. Etwas weiter heifst es nämlich bei Lambert z. J. 1069: Obgleich die Thüringer, wie sie versprochen

hatten, gegen den König und Staat unterwürfig und treu waren, so verübten sie doch gegen den Mainzer Bischof sehr

viel Feindseligkeit. Dieses Versprechen kann nach dem Zusammenhange nichts anderes bedeuten als jenen Eid, der also

dem Könige geleistet ist. Dafs dieses geschehen sei, wird noch ausdrücklich gesagt, Lambert, 179, dasselbe ergiebt sich

aus Bruno s Sachsenkrieg, SS 337. Also scheint sowohl der angeblich von den Thüringern, wie der von der Versamm-

lung in Ostfranken abgeschlossene Landfriede nichts anderes zu sein, als der dem Könige geschworene Eid. Dieser ist

zwifellos, ein besonderer Landfriede ist unter diesen Umständen undenkbar. Wenn man nicht unter der irrigen Voraus-

setzung, dafs die besonderen Landfrieden geschlossen seien, das Fehderecht zu beschränken, während doch, wie wir

sehen werden, dieselben anfangs im Gegensatze zum Könige entstehen, so eifrig nach Landfrieden gesucht

hätte, wiürde man schverlich die Bedeutung des ostfränkischen und thüringischen Friedenswerkes verkannt haben, welches

nur eine Befestigung des Friedens auf alter Grundlage ist.

*) La m b.e r t z. J. 1062, 162.**) Über die inneren Kämpfe s. Giesebrecht, 58 ff. 1061 wurde der Graf Hermann wegen seines Kampfes

gegen den Erzbischof Adalbert von Bremen in die Verbannung geschickt; ,der Erzbischof hatte damals die erste

Stelle am Hofe", sagt Adanm von Bremen in seinen Thaten der Hamburger Erzbischöfe, SS VII 352; als derselbe vom

HQfe verdrängt wurde, begann der Kampf gegen ihn von neuem, das. 351.

**) In ähnlicher Weise war Kaiser Heinrich III. vorgegangen, s. Progr. Konitz 1879, 28; Waitz, VI 429.Wenn es in Berthold s Jahrbiüchern, SSV 429, unmittelbar nach jener Nachricht heifst: ,Der König sucht das Volk der

Liutizen, heim," so ist nicht unwahrscheinlich, dafs die beiden Angaben in enger Verbindung stehen, dafs also wegen

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es sei ihnen nicht mehr möglich, mit den alten Mitteln die Fürsten in Ruhe zu halten, bei jederGelegenheit den alten Frieden beschwören liefsen. Zum Schaden des Reiches und seinesAnsehens übte der König selbst manche Gewaltthat aus. Als er Ostern (8. April) 1072 zuUtrecht feierte, bat das Volk ihn stürmisch, den vielen Gewaltthaten im Reiche ein Ende zumachen, da allenthalben Unschuldige unterdrückt, Witwen und Waisen beeinträchtigt, Klösterund Kirchen verwüstet würden. Deshalb übertrug der König die Verwaltung des Reicheswieder dem Kölner Erzbischofe. Wollten wir dessen Lobrednern glauben, so müfsten wirmeinen, dafs ein unerhörter Friede seit dieser Zeit entstanden sei.*) Es ist kein Zweifel, dafs

der Kaiser noch immer bestrebt war, den Frieden in der alten Weise aufrecht zu erhalten.

An die Aufrichtung eines besonderen Friedens dachte er gerade nach der Besiegüng desOtto von Nordheim gewifs weniger als je. Aber schon die nächsten drei Jahre brachten der

Demütigung übergenug für ihn. 1073 hielten die sächsischen Fürsten heimliche Zusammen-

künfte, ,alle beseelte nur ein Wille, alle der nämliche Gedanke, den sie durch gegenseitig

gegebenen und empfangenen Eidschwur bekräftigten, dafs sie lieber sterben, als die Freiheit

der Kämpfe die zum Zuge sich Verpflichtenden auf diese Weise untereinander ausgesöhnt wurden. War man doch gerade

das Werk des den maisten Fürsten verhafsten Erzbischofs Adalbert von Bremen wieder herzustellen im Begriffe!

Die Ablegung des Eides wird bei ähnlichen Gelegenheiten gerade in dieser Zeit häufiger erwähnt. So läfst nach den

Jahrbüchern von Altaich, SS XX 809, der König die Fürsten Ungarns und Deutschlands Frieden schliefsen, der durch

Eidschwur bekräftigt wird. Zum Kampfe gegen Otto von Nordheim i. J. 1070, Lambert, 178, verpflichtet Hein-

rich die Fürsten, von denen er wufste, dafs sie durch Blutsverwandtschaft oder ein anderes Band mit ihm verknüpft

waren, entweder durch Geiseln oder durch Eidschwur, nicht von ihm abzufallen. Auch der Friede mit Otto wurde 1071,

La mbert, 180, eidlich bekräftigt. Mit Recht sieht Herzberg-Fränkel, 127, in dieser Aussöhnung ,wahrscheinlich eine

Nachbildung der Friedensbestrebungen seines Vaters"; Go ecke erkennt ebenfalls, 47, richtig, ,,dafs es sich hier nur um eine

Beschwörung des Friedens handelt, der an und für sich in jeder Staatsgemeinschaft herrschen soll." Ganz ähnlich urteilt

darüber Waitz, 436, sieht aber doch in der Beschwörung ,ein neues Friedensgesetz." Nicht richtig scheint mir Giese-

brecht, 1120, die Stelle aufzufafsen, welcher meint, es sei in Goslar ein Landfriede für Sachsen beschworen worden.

Provinzielle vom Kaiser errichtete Landfrieden lassen sich bis dahin gewifs nicht nachweisen, sondern es haben die

Kaiser nur bei aufsergewöhnlichen Gelegenheiten, wo sie sich gerade befanden, den alten Frieden zur gröfseren Sicher-

heit beschwören lassen. Diese Ansicht entspricht dem Wortlaute der Stelle, in welcher von einer provinziellen Geltung des

Friedens nichts steht. Merkwürdig ist, dafs man von allen Friedensbestrebungen in dieser Zeit ohne weiteres äiiiimmit,

sie hätten überhaupt nur dazu gedient, einen nicht vorhandenen Frieden teilweise herzustellen. Ich halte diese Vor-

aussetzung für falsch und beurteile jeden Friedensbeschlufs an und für sich. Mit dem Friedeni zu Othalmeshusen ufid

dem in Thüringen hat dieser Friede nur das gemein, dafs in beiden Fällen der allgemeine Friede wieder hergestellt witd,

dort wird der Friede am Anfange der Regierung des Herrschers beschworen, hier nach seirier Stötung von tiuem durdh

einen Eid bekräftigt.

*) In üiberschwenglicher Weise preist Lambert, 189 f, den Erzbischof als Friedensstifter. Ähnliches berich-

tet aus dieser Zeit das Gedicht vom Sachsenkriege, Vers 20 ff, in: Waitz, Abhandlungen der Göttinger Gesellschaft der

Wissenschaft, XV 46, 47, nur mit dem Unterschiede, dafs in diesem das Lob dem Könige allein zugesprochen wird, was er-

klärlich ist, weil das Gedicht eine Verherrlichung Heinrichs IV. ist. Nach Waitz, 436, gehören Vers 0 ff z. J. 1069

und beziehen sich auf das Friedenswerk in Goslar. Mit Lamber t s Jahrbüchern hat aber im ganzen das Gedicht so

viel Gemeinsames, dafs Giesebrecht, 1045, in Lambert sogar den Verfasser desselben vermutet. Nun aber ent-

spricht unsere Stelle des Gedichtes gar nicht dem Berichte Lamberts z. J. 1069, enthält aber wohl manche Ätnlich-

keit mit dessen Darstellung von der Thätigkeit Annos im J. 1072. An die Errichtung eines besonderen Friedens ist

nicht dabei zu denken. Ich kann auch Waitz nicht Recht geben, wenn er in der Stelle den wesentlichenInhalt eines Friedens-

gesetzes dieser Zeit sieht. Solche besonderen Friedensgesetze bestehen überhaupt nioch nicht, sondern auf Grund des alt-

germanischen Friedens und der alten Gesetze wird Recht und Gerechtigkeit geübt. Um Witwen und Waisen zu ihrem

Rechte zu verhelfen, dazu hat es in Deutschland niemals eines besonderen Friedeusgesefzes bedürft, dieselben waren seit

jeher noch durch den besonderen Königsfrieden geschützt. Wiederholt werden dieselben erwähnt, z. B. Lanibert, 08

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verlieren wollten." In ähnlicher Weise vereinigten sich die Thüringer.*) Ende Oktober 1075war Heinrich Herr des Aufstandes, und zu Weihnachten finden wir ihn zu Goslar. Nichts deutetin den gleichzeitigen, zuverlässigen Geschichtswerken darauf hin, dafs er hier einen besonderenLandfrieden errichtet habe.**) Bald darauf sollte die königliche Macht tiefer sinken als je zuvor.Die Wahl des Gegenkönigs Rudolf von Schwaben hatte einen Bürgerkrieg zur Folge, wie erallgemeiner und erbitterter seit 500 Jahren nicht war geführt worden. Es lösten sich in demselbenalle Bande des Rechtes und Gesetzes. Ob es Rudolf gelungen sei, auch nur vorübergehendSachsen 1079 durch einen festen Frieden zu beruhigen, erscheint unter solchen Umständen trotzder bestimmten Versicherung eines Chronisten doch nicht recht glaubwürdig.***) Noch am Endedieses Jahres ziehen beide Parteien wieder zum Kampfe gegen einander. Weder Rudolfs nochdes Papstes Gregor VII. Tod trug etwas zur Versöhnung bei.

252, Leben Kaiser Heinrichs IV., SS XII 283, ohne dafs es jemand einfallen könnte, dabei an einen besonderen Frieden zu denken,Im Gegenteil spricht aus solchen Worten uur das Bewufstsein des Volkes, dafs der König noch immer für den alten

Frieden in der alten Weise zu sorgen habe. Richtig urteilt über die Stelle Herzberg-Fränkel, 128, welcher ebenfalls

erkennt, dafs hier das Königtum in der alten Weise für die Erhaltung des Friedens thätig gewesen sei. Wenn er aberhinzufügt, dafs nunmehr zwei Mächte, und zwar getrennt von einander, für die Ordnung thätig gewesen seien, so kann

ich darin nicht mit ihm übereinstimmen. Bis 1072 habe ich nicht finden können, dafs schon provinzielle Gewalten, un-abhängig vom Könige, für den Frieden gesorgt hätten. Die ostfränkischen und thüringischen Vereidigungeu gehören nichtdazu, und andere giebt es nicht.

*) Von einem beschworenen Landfrieden kann auch hier keine Rede sein. Auch unterscheiden diesen EidBruno, SS V 337,338, und Lambert, SS V 195, durchaus von dem S. 6 erwähnten. Der Eid im Jahre 1072 enthält geradeim Gegensatze zu jenem die Verpflichtung zum Kampfe gegen den König. Ob noch besondere Bedingungen in denselbenaufgenommen waren, wie das später in ähnlichem Falle zu geschehen pflegte, ist nicht gesagt. Derartige eid-liche Verpflichtungen zum Kampfe finden sich in dieser Zeit auch bei anderer Gelegenheit, z B. Bruno 335, 340.

**) Lambert, 241, berichtet nur, dafs sämtliche Fürsten des Reiches zu diesem Reichstage beschieden seien,damit über die Fürsten Sachsens nach ihrer Unterwerfung ein gemeinsamer Beschlufs gefafst werde, dafs sich aber nurwenige eingefunden hätten. Bruno. sagt, 349 f, der König habe die Burgen Sachsens mit Besatzung versehen und seidann um Mitfasten (März) 1076, in der Meinung, dafs nichts mehr vorhanden sei, das ihn hindern könne, in Sachsen zuthun, was ihm beliebe, hinweggezogen. Nur das Gedicht, Vers 210 ff, weifs wieder in seiner Weise viel Riühmliches überHeinrichs Thätigkeit zu Goslar zu berichten: ,,Hinc propriam sedem tendens ad Goslariensem Saxonum genti dat patriajura petenti, Per totam patriam pacis jubet esse quietem.« Unbegreiflich scheint es mir, wie Wait z dabei ebenfalls wiederan ein besonderes Friedensgesetz hat denken können. - Die Angabe des Jahres 1073 statt 1075 ist wohl wieder nur einDruckfehler - Der Ausdruck ,,patria jura" sagt vielmehr deutlich, dafs Heinrich nur wieder die heimischen Gesetze zurGeltung gebracht habe, nämlich in dem drei Jahre vom Aufruhre heimgesuchten Lande. Noch weniger deutet der Aus-druck spacis quietem« darauf hin, dafs hier ein besonderes Friedensgesetz erlassen worden sei. Mit gleichem Rechtekönnte man alsdann darthun, dafs in allen Fällen, in welchen das Wort pax vorkommt, an ein solches Gesetz zu denkensei, es bedeutet der Ausdruck nichts anderes, als dafs nach dem inneren Kriege in Sachsen Ruhe und Friede ein-gekehrt sei.

***) Bertho 1 ds Chronik, SS V 319: Aber der König Rudolph . . feierte bei Goslar Ostern mit Glanz . . ,,necnon tota Saxonia pace firmissima mirabiliter counita, legali gentis illius jure et constitutione, iudicium et iustitiam absquepersonarum acceptione omnibus in idipsum aequi servantissimus sollertissime faciebat." Es unterliegt keinem Zweifel, dafsauch Rudolph bestrebt gewesen ist, den alten Frieden mit den alten Mitteln in Sachsen von neuem zu befestigen. DerFriede wurde, wie der Zusammenhang zeigt, geschlossen, um desto energischer den Kampf gegen Heinrich aufneh-men zu können. Um die Sachsen für sich zu haben, suchte der Gegenkönig durch gerechtes Gericht sie für sich zu ge-winnen, was ihm um so leichter werden mufste, da Heinrich sie oft durch Ungerechtigkeit und Gewaltthat empört hatte.Weil kein besonderer Friede abgeschlossen ist, ist es erklärlich, dafs z. B. Bruno gar nicht einmal diese Thätigkeit desGegenkönigs erwähnt. Richtig urteilt Herz ber g -Frän kel iiber diesen Frieden, 137: ‹Unter den Sachsen war schonRudolph für diesen Frieden thätig, aber noch in der alten Weise."

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Die ersten Spuren des Gottesfriedens in Deutschland.Während dieser inneren Kämpfe nun, und zwar in der Zeit der Erniedrigung der

königlichen Macht, sind zum ersten Male von einzelnen Fürsten eigenmächtig Gesetze aufgestellt,‹damit aus Furcht vor denselben jene so vielen Mordthaten und alle unerträglichen Übel nach-liefsen."' *) Zu diesem Zwecke wurde ein in Frankreich längst bekanntes eigentümliches Friedens-werk, der sogenannte Gottesfriede (pax Dei oder treuga auch treuva Dei), das Produkt einerunruhigen und sich nach Frieden sehnenden Zeit, auch in Deutschland zumGegenstande von Beratungen gemacht. Besondere Kennzeichen dieses Friedens in Deutschlandzu dieser Zeit sind, dafs durch einen ewigen Frieden, besser Waffenstillstand, an bestimmtendurch die Kirche geheiligten Tagen die inneren Kämpfe unterbrochen werden sollten, und dafsalle, welche dagegen handelten, mit verhältnismäfsig hohen weltlichen, sowie auch noch mitkirchlichen Strafen belegt wurden.

Die erste sichere Spur des Gottesfriedens **) findet sich in Deutschland, wie es scheint,zu Lüttich 1081. Im Februar hatte im Kaufunger Walde eine resultatlose Versammlung vonVertrauensmännern der beiden Parteien stattgefunden, und Ende März war Kaiser Heinrichnach Italien gezogen. Während dieser Zeit nun gelang es dem Bischofe von Lüttich, als seinBistum durch Mord, Brand und Raub verheert wurde, einen Beschlufs durchzusetzen, durchwelchen wenigstens für bestimmte Tage voller Friede geschaffen werden sollte. Ob KaiserHeinrich von diesem Friedenswerke gewufst und sich damit übereinverstanden erklärt hat, istnicht verbürgt.***) Genauer sind wir über den Gottesfrieden unterrichtet, über welchen zweiJahre später zu Köln Beratungen gepflogen wurden. Desgleichen geschah zwei Jahre daraufauch zu Mainz. ) Von einer Teilnahme des Königs an den Beratungen zu Köln findet sich

*) Worte aus der Einleitung des Kölner Gottesfriedens, LL II 55.

**) Die älteste Spur dieser Art des Friedens auf deutschem Boden glaubt Nitzsch, Kaiser Heinrich IV. und

der Gottesfriede, in: Forschungen No. 566 XXI, 1065 gefunden zu haben. Der sogenannte Landfriede des Elsasses, besser

Gottesfriede genannt, WVaitz, Urk. 15, welcher durch den Bannstrahl des Papstes Leo gesichert ist, dürfte eine noch

ältere Spur sein, da nur Papst Leo IX. (1019-1051) gemeint sein kann, unter dem der Gottesfriede von der kirchlichen

Partei gepflegt wurde, s. Kl u c k h o h n, Geschichte des Gottesfriedens, 52. Da eingehende Untersuchungen zu keinem bessern

Resultat.

geführt haben (s. Herzberg-Fränkel, 119 f, der freilich recht selbstbewufst verfährt, aber doch auch wenig

beweist), so sehe ich keinen Grund, den Frieden der Zeit Leos IX. nicht zuzusprechen. Mehr als ein Entwurf, vielleicht

ein bedeutungsloser Beschlufs kann derselbe freilich in dieser Zeit gewils nicht gewesen sein, aber dieses Geschick teilt

er mit anderen Gottesfrieden. Weshalb sollte in der Zeit, in welcher in Frankreich wiederholt Beratungen über

denselben gehaten wurden, nicht auch nach dem Nachbarlande etwas davon gedrungen sein?

**) Aegidius von Orval, Die Thaten der Bischöfe von Liittich, SS XXV 89 f, berichtet über diese Friedens-

thätigkeit des Bischofs. Er sagt, es sei geschehen: assensu domini pape - für den Namen ist ein leerer Raum gelassen -

et imperatoris Henrici et horum principum, deren Namen alsdann aufgeführt sind. Der Name das Papstes, so scheint

es fast, ist ausgelassen, weil man auf die Beistimmung eines Papstes noch hoffte, die des Kaisers scheint man sicher

erwartet zu haben; denn nur so kann der Ausdruck aufgefafst werden, da der Kaiser zur Zeit des Beschlusses in Italien

weilte. Von einer Mitwirkung desselben ist keine Rede. Die Bestätigung des Friedens durch Heinrich ist in der Grofsen

belgischen Chronik, Pistorius, Rerum Germanic. Script., VI 126, erwähnt.

t) Über die Friedensbestrebungen zu Köln sind wir unterrichtet durch einen Brief des dortigen Bischofs

Sigiwin an den zu Münster. Auf dieser Grundlage ist zu Mainz ein fast gleiches Aktenstück abgefafst, LL II 51 ff.

Während Eggert, Studien zur Geschichte der Landfrieden, 5 ff, den Mainzer Frieden ,kaum einen letzten Entwurf',

‹kein officielles Aktenstück" nennt, behauptet Her z ber g-F r ä n k el, 139: ,,Wir dürfen also mit gr6fster Wahrscheinlichkeit

annehmen, dafs die Mainzer Konstitution keine Kompilation ist, sondern den 1085 gefafsten Entschlüssen wirklich entspricht."

M,.. 2

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keine Spur ;*) dafs auf dem Reichstage zu Mainz, auf welchem der Gottesfriede zur Beratunggezogen wurde, auch Heinrich zugegen war, ist sicher bezeugt, jedoch hat er an dem Friedens-werke keinen Anteil genommen,**) obgleich der nur für die Grenzen des Bistums berech-nete Kölner Friede so umgeändert wurde, dafs die Bestimmungen für das ganze Reich geltensollten,***) was zur Genüge beweist, dafs er mit dem Friedenswerke nicht einverstanden war.Der Grund dazu ist leicht zu finden, es lag darin ein Eingriff in das höchste Recht des Königs, -)der allein berufen war, für den Frieden zu sorgen. Auch mufsten Bestimmungen, wie sie imGottesfrieden enthalten waren, störend in die Thätigkeit der ordentlichen Gerichte eingreifen. tt)Wenn also auch durch solche Bestrebungen die Liebe zum Frieden bezeugt ist, und wenn auch dieGesetze, welche den allgemeinen Frieden für jedermann geboten, nicht durchbrochen wurden,da ausdrücklich darauf hingewiesen ist, es sollten nur in der Zeit des wirklichen Kampfes längereRuhepausen geschaffen werden, -tj-) so trat doch eine Macht neben der königlichen mit demAnspruche hervor, für den Frieden eigenmächtig sorgen zu wollen, welches Recht bisher nur

Den letzten Teil der beiden Gottesfrieden halten beide für einen spätern Zusatz, nur will letzterer nicht, wie ersterer darineinen neuen Landfrieden erblicken. Das angehängte iuramentum erklären beide als nicht zu diesem Gottesfriedengehörig. Andere, wie Kluckhohn, 66 ff, Goecke, Nitzsch, haben noch andere Meinungen.

*) Nur Nitzsch, 272 ff, will eine solche in dem Leben Heinrichs IV, SS XII 222, gefunden haben, die Stelleist aber zu allgemein gehalten, als dafs man hierauf dieses Friedenswerk beziehen müfste. Herzberg- Fr änkel sagt,144, deshalb richtig, der Verfasser meinte wohl nur die Thätigkeit Heinrichs im ganzen.

**) Das Einladungsschreiben des Kaisers zu der Versammlung LL II 5. Im übrigen s. G o e c k e, 58.

5r*~5) Deshalb liefs man in den Stellen des Kölner Friedens: Si necesse fuerit alicui . . . exire de nostro episco-patu . . . arma ferat, und: Reversus autem in episcopatum nostrum statim arma deponat, die Erwähnung des Bistums aus.In der gleichen Absicht wurde in dem Mainzer Friede der Zusatz gemacht: Excipitur etiam ab hac pacis constitutione, sidominus imperator publice expeditionem fieri jusserit. Belehrend ist in dieser Beziehung auch die Vergleichung folgenderStelle des Kölner Friedens mit dem Mainzer:

Nullus pro redimendis qui in culpa deprehensi fuerint pecuniam accipiat, Nullus pro redimendis qui in culpane favore quopiam culpabiles adjuvare contendat, quia qui fecerit, intolerabile deprehensi fuerant pecuniam accipiat.animae suae judicium incurrit, ac per omnes fideles meminisse oportet, non Mercatores in itinere quo negotiantur, rus-homini, sed soli Deo hanc pacem promissam fuisse, et tanto tenacius firmius- tici dum rusticali operi, arando, fodiendo,que observandam esse. Quocirca universos obsecramus in Christo, ut pacis metendo et aliis hujusmodi operam dant,necessaria taxatio inviolabiliter custodiatur, ut si quis eam deinceps violare omni die pacem habeant. Mulieres autempraesumpserit, omnino a sanctae ecclesiae filiis sequestretur et banno excommuni- et omnes sacris ordinibus adtitulati per-cationis inrecuperabilis, et anathemate mansurae perditionis dampnetur. petua pace fruantur.Es ist gewifs bezeichnend, dafs statt der Stelle, in der Gott allein der Friede gelobt wurde, einiges aus demKönigsfrieden eingeschaltet wurde. Die Stelle der Kölner Urkunde: Summa vero Deo promissa pacis etc. ist ebenfalls inder Mainzer Urkunde fortgelassen. Im übrigen besteht die Verschiedenheit beider darin, dafs nicht dieselben Tage befriedetsind, sowie in grammatischen und orthographischen Verbesserungen der Mainzer Urkunde.

f) Sehr recht hat der Bischof Gerard von Cambray, wenn er, aufgefordert, einer solchen Friedenseinigung beizu-treten, sagt, es sei ein Recht des Königs, was sie für sich in Anspruch zu nehmen wagten, Die Thaten der Bischöfe vonCambray, SS VII 474.

ft) So urteilt auch Nitzs ch, 283, dem sich Herzberg-Fränkel anschliefst.

-- f) Es heifst in der Einleitung deutlich und übereinstimmend: ,Wir haben dafür zu sorgen gesucht, den Frie-den, den wir zu einem dauernden nicht haben machen können, wenigstens dadurch zu gewinnen, dafs (gewisse) Tage vomKampfe frei sind." Eine andere Stelle lautet: ,Der Friede ist festgesezt, nicht damit man nach Beobachtung desselben inDörfern und Häusern zu rauben und zu plündern wage, weil der Richterspruch, welcher, bevor dieser Friede festgesetztwurde, wiederholt gefällt ist, in gesetzmäfsiger Weise beachtet werden mufs."

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dieser gebührt hatte. Freilich war Heinrich längst aufser stande gewesen, diese seine höchstePflicht auszuüben, ja das Volk war vielfach, anstatt in seinem Rechte geschützt zu werden,von ihm durch Ungerechtigkeit heimgesucht worden.*)

Da Heinrich dem Unternehmen seine Unterstützung nicht hat zu teil werden lassen, soist in dieser Zeit auch von einer Wirkung desselben in Deutschland nichts bemerkt worden.**) Dasgrofse Interesse, welches man dem Gottesfrieden seither entgegengebracht hat, ist wohl einerseits

"*) Es unterliegt wohl trotz der Lobeserhebungen in dem Leben Heinrichs IV. wie in dem Gedichte

über den Sachsenkrieg keinem Zweifel, dafs gerade Heinrich und seine Partei sich Plünderungen und Räubereien in un-

verantwortlicher Weise haben zu Schulden kommen lassen, s. Lambert, 178, 194, 198 u. a. Wiederholt fordert ihn das

Volk zur Erfüllung seiner höchsten Fürstenpflicht, zum Schutze der Witwen, Waisen und Unmündigen, auf, z. B. das. 189,

um zu geschweigen über den langen Bürgerkrieg, zu dessen Greueln und langer Dauer der König wegen seines Wankel-

mutes, seiner Heftigkeit und Unsittlichkeit viel beitrug. So mufste sein Ansehen sinken.

**) Dafs der Gottesfriede niemals Reichsgesetz gewesen ist, unterliegt keinem Zweifel; ich kann aber nicht einmal

finden, dafs auch nur auf der Parteiversammlung ein wirklicher Beschlufs zu stande gekommen sei. Ich halte die Mainzer

Urkunde nur für einen Entwurf, der vielleicht gemacht wurde, um als Vorlage zur Beratung zu dienen. Wäre man zum

Beschlusse darüber gekommen, so würde in der demselben vorausgehenden Beratung mehr geändert sein. Vielleicht

unterblieb dieselbe wegen der Weigerung Heinrichs, einen solchen Frieden zu bestätigen. So wäre es erklärlich, dafs trotz

der Umänderung der Name des Kaisers nicht genannt ist. Wenigstens also ist der Friede niemals Reichsgesetz gewesen.

Dafs noch sonst wo ähnliche Beratungen in dieser Zeit gepflogen sind, ist nicht bekannt, also auch kaum der Fall gewesen.

Dazu kommt, dafs der Gottesfriede nur dann zur Ausführung kommen konnte, wenn auch die Gegner denselben einhielten.

Wie schwer wäre das in jeder Zeit zu erreichen gewesen, zumal wenn das Gesetz kein Reichsgesetz war! In diesen Jahren

war es geradezu unmöglich. Denn noch hatte die Erbitterung beider Parteien nichts von ihrer Schärfe verloren, die

Päpste wie die Geistlichkeit waren in zwei Heerlager geschieden. Diese Friedensbestrebungen gehen aber ausschliefslich

von der antigregorianischen Partei aus. Gerade jene Synode zu Mainz wird von einem Anhänger Gregors hart getadelt

und als conciliabulum, etwa Tcufelssynode, bezeichnet, Chronik Bernolds, SS V 413. Doch würden solche Erwägungen

ohne Wert sein, wenn für die Wirksamkeit des Gottesfriedens die Geschichtsschreibung ausreichende Belege böte. Das ist

aber durchaus nicht der Fall. Dafs vereinzelt derselbe zweimal kurz erwähnt wird, kann nur meine Annahme beweisen.

Es fehlt nicht an Schriften, die im Sinne Heinrichs und seiner Partei abgefafst sind. Sollte nicht wenigstens in diesen

Werken, welche doch voll sind der Lobeserhebungen, der Gottesfriede gepriesen sein, wenn man etwas von der Wirkung

gemerkt hätte? Wenn nun gar derselbe längere Zeit auf gewisse, und zwar recht viele Tage des Jahres den im erbitterten

Kampfe so sehnsüchtig herbeigewünschten Frieden gebracht hätte, dann sollte sich auch nicht einer gefunden haben, der

üns genaueres berichtete? Auffallend ist es nicht, dafs wir über die alltäglichen Vorgänge des Altertums so wenig belehrt

sind, da es keinem eingefallen ist niederzuschreiben, was eben so alltäglich war. Dafs auch der Gottesfriede in jener Zeit

etwas Alltägliches gewesen sei, wird niemand behaupten. Und welches sind endlich die Nachrichten über

den Frieden? Ekkehar d sagt in seiner Chronik, SS VI 205: ,Zu Mainz wurde auch mit allgemeiner Beistimmung und nach

aller Rat der Gottesfriede beschlossen". Er hatte sein Material erst 1099 zusammen, s. Wattenbach, Geschichtsquellen

II 134, also 14 Jahre nach der Mainzer, sagen wir resultatlosen, Versammlung. Er hat, wie sich daraus und aus dem

knappen Ausdrucke ergiebt, nicht auf Grund eigener Anschauung geschrieben, sondern wie sonst, hat er auch hier

fleifsig gesammelt und gewissenhaft zusammengetragen, und so findet sich denn 14 Jahre nach dem Mainzer Tage die

erste geschichtliche Erwähnung des angeblich dort gefafsten Beschlusses. Die zweite Stelle steht im sächsischen

Annalisten, SS VI 721, wo es zum Jahre 1083 heilst: ,,Unter Kindern kamen viele Todesfälle vor. Ein Gottesfriede kam

zu stande. Otto von Nordheim ist . . . gestorben". Die Nachricht ist unmöglich so zu verstehen, dafs der Gottesfriede

schon damals eine allgemeine Einrichtung in Deutschland gewesen sei, wie Her zberg-Fränkel meint; ,,Die Kürze,"

sagt er, ,scheint darauf hinzudeuten, dafs es ein ,,neues Ereignis war, von dem jedermann sprach." Es hat der Annalist

nach 1158, wie Wilm ann s, Westfäl. Kaiserurkunden, 109-112, (s. Watt e n b ach II 180) beweist, geschrieben,

und doch soll er unter dem Eindrucke das Augenblickes geschrieben haben! Die Ansicht läfst sich aber auch auf Grund

des vorliegenden Materiales leicht zurückweisen. Dafs der Gottesfriede 1083 zu Köln für das Bistum beschlossen ist, istzweifellos, nach zwei Jahren denkt man daran, ihn zu einem Reichsgesetze erheben zu lassen, und schon soll er 1083

so allgemein bekannt gewesen sein! Es unterliegt keinem Zweifel, dafs die ganz kurze Nachricht sich auf den Kölner

Frieden bezieht, auf den der Annalist bei Sammlung seines Stoffes irgend wo stiefs, mit dem er aber weiter nichts anzufangen

2*

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der absonderlichen Friedensform zuzuschreiben, auf welche eine von langen inneren Kämpfenheimgesuchte Zeit verfallen ist, andererseits hat man sich von der Ausbreitung und Wirkungdes Gottesfriedens ganz übertriebene Vorstellungen gemacht. An eigenmächtigen fürstlichen

Friedensbestrebungen hat es in dieser Zeit nicht gefehlt, aber dieselben haben wenig mit demGottesfrieden gemein.

wufste, so dafs er sich auf die knappeste Erwähnung beschränkte. Noch eine dritte Stelle mufs hier erwähnt

werden, welche aus Irrtum auf den Gottesfrieden bezogen ist. BiBernold heifst es z. J. 1081, 410: Hererannus autem

rex pascha celebravit in Saxonia (zu Goslar), ubi et maximae treuvae inter fideles domni papae factae sunt, quae et in toto

pene Teutonicorum regno non multo post confirmatae sunt. Zunächst sind die Ausdrücke maximae treuvae nur dem nicht

verständlich, welcher für jeden Preis einen Gottesfrieden finden will, es fehlt gerade das bezeichnende Wort Dei.

Treuva allein bedeutet das eidlich gegebene Versprechen. Auch maximae würde als Beiwort zu Gottesfrieden nicht passen,

wohl aber zu treuva in der angegebenen Bedeutung. Wie dem Wortlaut, so widerspricht es auch der Sachlage, treuva

als Gottesfrieden aufzufassen. Eine Beteiligung der gregorianischen Partei an dem Gottesfrieden läfst sich nicht nachweisen.

Gerade B er n old, der hier Zeuge für die Verbreitung desselben sein soll, bezeichnet, wie wir gesehen haben, die Mainzer

Versammlung als Teufelssynode. Sollten die beiden einander aufs heftigste bekämpfenden Parteien so ganz ohne Aufsehn, dais

von den mitlebenden.Geschichtsschreibern nichts, von den später lebenden nichts alswenige Worte darüber aufgeschrieben wäre,

sich gerade über den Gottesfrieden geeinigt haben ? Diesen so wenigen Worten über den Gottesfrieden steht das beredte Stillschwei-

gen der gesamten gleichzeitigen Geschichtsschreibung entgegen. Jedoch selbst angenommen, es wäre niemand eingefallen, über die

dahin bezüglichen Beschlüsse zu sprechen, und es wären auch alle Beschlüsse selbst verloren gegangen, sollte sich denn nicht

wenigstens jemand gefunden haben, welcher unwiderlegbare Fälle anführte, in denen der Kampf wegen des Gottesfriedens

abgebrochen und später wieder aufgenommen wurde ? Ein solcher Fall hätte doch Aufmerksamkeit erregen müssen, es

wäre wohl auch ohne ernste oder heitere Zwischenfälle nicht abgegangen, sind uns doch Tausende von ganz alltäg-

lichen Ereignissen überliefert, weshalb also sind gerade solche Fälle nicht erwähnt? Weil es keine gegeben hat. Hielte

ich es noch für nötig, so wäre es leicht, Fälle anzuführen, aus denen sich zweifellos ergiebt, dafs auch in den durch die Gottes-

frieden als geheiligt bestimmten Tagen, ohne dafs nur ein Wort bemerkt würde, gekämpft ist. Der einzige Fall, von dem

wirklich überliefert ist, dafs der Gottesfriede zur Ausführung gebracht sei, findet sich beim sächsischen Annalisten i. J. 1085

und in gleicher Weise in den Magdeburger Jahrbüchern erwähnt. Beide haben aus derselben unbekannten Quelle geschöpft.

Die Stellen lauten, SS VI 722 f, XVI 177: ,König Heinrich wollte dem Könige Hermann entgegenziehn, aber beiderseits

hinderte den Kriegszug (utramque collectam, sc. expeditionem) die bevorstehende Fastenzeit, in welcher wegen des bis auf

den Sonntag nach Pfingsten beschworenen Gottesfriedens nicht einmal Waffen zu tragen gestattet war. In friedlichen

Unterhandlungen wird das Ende des geschlossenen Friedens erwartet, nämlich die Mitte des Sommers." Die Nachricht

ist aus verschiedenen Gründen unrichtig. Die Versammlung zu Mainz findet erst zu Ostern 1085 statt, und bereits in der

Fastenzeit hat der Friede gewirkt? In dem uns vorliegenden Mainzer Frieden heilst es ferner ausdrücklich: ,Von diesem

Frieden ist auch ausgenommen, wenn der Herr Kaiser von Staats wegen einen Kriegszug zu unternehmen befiehlt." Wie

kommt es nun, dafs von dieser Bestimmung gerade in unserm Falle abgewichen wird? Von etwaigen gleichzeitigen Ver-

sammlungen, auf denen der Gottesfriede auch nur zur Sprache gekommen sei, wissen wir aufser der Kölner, in der nur von dem

Frieden in diesem Bistum die Rede ist, nichts. Wahrscheinlich denkt auch der Unbekannte an die Mainzer Versammlung,

die er irgendwo erwähnt fand, vielleicht wurde sogar ihretwegen der Kriegszug hinausgeschoben, aber nicht, weil man

schon vorher an dem Gottesfrieden festhielt, dessen Bestimmungen übrigens noch nicht einmal für diesen Fall pafsten,

sondern weil man durch Unterhandlungen zum Ziele zu kommen hoffte. Da nun dem Chronisten von dem zu Mainz

beabsichtigten Beschlusse über den Gottesfrieden etwas zur Kenntnis kam, verwechselte er diesen mit jenen Unterhandlungen,

ohne im Eifer zu bemerken, dafs er dabei einen groben Fehler in der Zeitfolge und einen andern gegen eine gerade auf diesen Fall

passende Bestimmung beging. Bei genauerer Betrachtung der Stelle läfst sich diese Verwirrung noch sehr wohlerkennen. Der

zweite Teil stimmt mit dem ersten wenig überein. Im ersten wird gesagt, dafs die bevorstehende Fastenzeit die Ursache gewesen sei,

weshalb der Kampf nicht zum Ausbruche gekommen sei, im zweiten Teile der Stelle heifst es, in friedlichen Unterhand-

lungen habe man das Ende des Friedens erwartet; also scheint es doch, dafs dieser Unterhandlungen wegen der Friede

eingegangen war; dort heifst es, es sei verboten gewesen durch den Gottesfrieden, bis auf den Sonntag nach PfingstenWaffen zu tragen, hier, es sei das Ende des Sommers herangekommen. Also auch eine verschiedene Zeit ist in beiden

Teilen der Stelle angegeben, von denen wir nur annehmen können, dafs der zweite vom unbekannten Chronisten vorgefunden

ist und die Ursache wie Dauer des abgeschlossenen Waffenstillstandes wirklich enthalten hat, während die Erwähuung des

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Kriegs- und Friedensgesetze bis zum Ausgange der Regierungdes fränkischen Hauses.

Wenn die Fürsten mit ihren Versuchen, dem Kaiser sein höchstes Recht streitig zu

machen, bis dahin nicht viel erreicht hatten, da es ihnen wohl gelungen war, die Königsmacht

zu stürzen und einen heftigen Bürgerkrieg zu erregen, nicht aber den König als Hort des viel

begehrten Friedens zu ersetzen, so liefsen sie doch nicht, zumal die Verhältnisse ihnen günstig

blieben, davon ab, sich gelegentlich als die Herren über Krieg und Frieden aufzuspielen. 1093

gelobten dem Gerhard, Bischof von Konstanz und Legaten des apostolischen Stuhles, sein

Bruder Bertal d, Herzog von Alemannien, sowie der Herzog Welf von Bayern und andere

Fürsten Alemanniens, dafs man dem Konstanzer Bischofe auf alle Weise nach den Bestimmungendes Kirchenrechtes gehorchen, dem Herzoge Bertald und den Grafen nach dem Rechte derAlemannen willfahren sollte. Darauf schwuren die Herzöge, die Grafen, sowie hohe und niedrigeeinen unverbrüchlichen Frieden vom 25. November bis auf Ostern und von Ostern auf zweiJahre zu halten. In den Frieden wurden eingeschlossen alle Kirchen und Kirchhöfe, die Mönche,Geistlichen und Laienbrüder, sowie die Kaufleute mit Ausnahme derjenigen, welche aufserhalbdes Reiches Pferde verkauften, überhaupt alle, welche denselben Frieden wie die Versammeltenschwüren, geschworen hätten oder schwören würden. Ausgenommen von dem Frieden warArnold, der sich in die Konstanzer Kirche eingedrängt hatte, nebst allen seinen Anhängern.Wer etwas stehle im Werte von einem Solidus, solle körperlich gezüchtigt werden und dasGestohlene doppelt ersetzen. Wer etwas im Werte von mehr als fünf Solidi stehle, den Friedenverletze oder eine Jungfrau raube, solle die Augen, den Fufs oder die Hand verlieren. In dieserForm treten innerhalb der kirchlichen Partei die Bestrebungen auf, bei den unvermeidlichenKämpfen den Verbrechen etwas zu steuern.*) Diesem Bündnisse traten infolge der besonderen

Gottesfriedens im ersten Teile der Stelle als der Ursache davon ein unrichtiger Zusatz des Chronisten ist., der auf dieangegebene Weise entstanden ist. Wie achtlos der sächs. Annal. gearbeitet hat, ergiebt sich daraus, dafs er schon drei Jahre späterohne Bedenken und ohne jede Bemerkung von einer Fehde, die gerade zur Fastenzeit ausgefochten wurde, genaueres be-richtet, SS VI 724. Damit ist bewiesen, dafs vom Gottesfrieden im deutschen Reiche in dieser Zeit nichts zu spüren gewesen

ist. Über die Nachrichten darüber aus dem 12. Jahrhundert später. Die Bedeutung des Gottesfriedens ist also durch-

aus bis dahin überschätzt, besonders ist dieselbe nach Herzberg-Fränkel eine grofsartige gewesen, der überhaupt viel

darin leistet, aus kurzen, unsicheren und zerstreuten Stellen eine vollständige und zusammenhängende Geschichte zu

schreiben. So sagt er 137: ,Am 20. April hatte man unterhandelt, Volk und Klerus stimmten pari voto bei", er spricht

von einem Rundschreiben, obgleich nur der Brief an den Bischof von Münster bekannt ist, von einerMachtvergröfserung derKirche

durch diesen Frieden; 138 redet er von einem ,grofsen Gesetzgebungsakt, der den Plänen Sigiwins auch im übrigen

Deutschland die Durchführung verschafft" habe, er meint, die Principien der Kölner Beschlüsse seien bereits ins Volk ge-

drungen; das Werk Sigiwins nennt er ,eine Codification des bereits existierenden Zustandes". 144 heifst es: ,Wahr-

scheinlich wurde die Mainzer Konstitution die Grundlage mehrerer Provinzialgesetze" u. s. w. Solche Behauptungen

werden allein auf Grund des so geringen und unsicheren Quellenmateriales gemacht!

*) Über diese Versammlung zu Ulm berichtet Bernold z. J. 1093, SS V 457. Ein glücklicher Zufall scheint

uns das Protokoll der dort gefafsten Beschlüsse aufbewahrt zu haben, Waitz, Urk. 14 f. Die Übereinstimmung der

Stelle des Bernold mit dem ersten Vertragsartikel ist eine so auffallende, dafs an der Zusammengehörigkeit beider Stellen

kaum zu zweifeln ist. Auch Waitz findet, dafs sich die Urkunde an die Versammlung zu Ulm anschliefst. Darin aber

kann ich ihm nicht beistimmen, dafs dieselbe ein Friedensgesetz enthalte, welches im Namen des Königs 1097 fürdas Reich erlassen sei. Dieselbe enthält nichts weiter als einige Bestimmungen, welche an den Königsfrieden erinnern

und zum Zwecke eines weniger grausamen Kampfes erlassen sind. Das ergiebt sich aus dem, was nicht angegebenist, sowie aus jedem Worte der Urkunde selbst. Niemand wird doch allen Ecnstes glauben, dafs in den im ganzen

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Bemühungen des Herzogs Welf von Bayern im folgenden Jahre auch die bayerischen Lande, jadie Länder bis nach Ungarn bei. ,Auch Franken und Elsafs fafsten den eidlich bekräftigtenBeschlufs, den Frieden in ihrem Gebiete zu beobachten. Dieser Friede bestand bei den Alemannenganz besonders in Kraft, weil jeder ihrer Fürsten auf eigene Machtvollkommenheit Gerech-tigkeit zu üben unablässig bemüht war; die übrigen Provinzen hatten noch nicht beschlossen,dieses zu thun."*) Zum ersten Male, soviel wir wissen, geschieht es, dafs von einzelnenFürsten eigenmächtig auf eine bestimmte Zeit und unter gewissen Bedingungen einweltlicher Friede geschlossen wird. Da der König sein höchstes Recht nicht ausübte, über-nahmen es die Fürsten, für den Frieden zu sorgen, indem sie ausdrücklich erklärten, dafs diePersonen, welche dahin im Königsfrieden gestanden hatten, denselben Schutz nun von ihnenerhalten würden.

Während so in Deutschland einzelne Fürsten eigenmächtig für den Frieden zu sorgensich bestrebten, hielt derjenige, welcher berufen gewesen wäre, dafür zu sorgen, sich in Italienauf, verschwendete dort seine Kraft und büfste immer mehr von seinem Ansehen und seinerMacht ein. Deutschland wurde aufser von inneren Kämpfen auch von Krankheiten, Erdbeben,Stürmen, Regengüssen, Überschwemmungen und anderem Unglücke heimgesucht.**) Nach Friedenhatte man längst verlangt, jetzt wurde der Eifer, Bufse zu thun, ein allgemeiner und reger.

sieben Bestimmungen des Vertrages auch nur die hauptsächlichsten Gesetze enthalten gewesen seien, nach denen

jeder sich habe richten sollen; und noch dazu soll die Verpflichtung nur zwei Jahre dauern! Dais wir in demVertrage keinen Landfrieden, sondern ein Bündnis zum Zwecke des Krieges gegen den Bischof Arnold und seine Parteivor uns haben, zeigt der Wortlaut der Urkunde; damit stimmt auch die Festsetzung der Dauer auf zwei Jahre überein,während deren man jenen zu überwältigen hoffte. Diebstahl von mehr als einen Solidus ist mit körperlicher Züch-tigung und doppeltem Ersatze belegt, gewifs nicht, weil jeder fortan Sachen unter diesem Werte stehlen konnte, so ndernweil es den zum Kampfe Verschworenen erlaubt sein sollte, zu ihrem Bedarfe zu nehmen, was sie brauchten, aber nicht,was über einen Solidus Wert hatte. Ausdrücklich ist noch dieses Zugeständnis in Abschnitt fünf gemacht. Aufserdemist noch gestattet, Heu und Gras sowie Holz, wenn es nicht etwa ein Stück vom Gebäude sei, zum Gebrauche zu nehmen.Die beiden Verbrechen, Diebstahl und Mädchenraub, sind mit besonderer Strafe bedroht, weil dieselben im Kriege amhäufigsten vorkamen. Waitz giebt nicht an, wodurch er sich zu seiner Meinung hat bewegen lassen, der Name desKaisers ist nicht genannt. Die beiden Ausdrücke ,,regnum nostrum" und ,,rectores nostri", sowie das Verbot der Pferdeausfuhr,wodurch Goecke, 67, zu der Annahme bestimmt wird, dafs der Friede vom Könige abgeschlossen sei, scheinen mir dochnicht so beweiskräftig, dafs man daraus allein auf ein noch nicht dagewesenes und mit der bisherigen Handlungsweise desKönigs nicht übereinstimmendes Vorgehen schliefsen müfste. Die beim Bunde beteiligten Fürsten konnten doch nur jeneAusdrücke brauchen und auch sehr wohl jenes Verbot erlassen. Den Pferdeverkauf aufser Landes zu verbieten, lag imInteresse des beabsichtigten Kampfes. Ob dies Verbot im grofsen deutschen Reiche sich ausführen liefs, ist sehr fraglich,im kleineren Bezirke war es früher möglich. Auch Eggert, 36, ist sich über die Natur des Bundes nicht klar geworden.Kluckhohn, 80 f, irrt, wenn er meint, dafs zu Ulm zum ersten Male einzelne Grofse, unabhängig vom Kaiser, einenFrieden abgeschlossen hätten. Den ersten Versuch wenigstens bilden dazu die Gottesfrieden. Herzberg-Fränkel, derüberall Spuren des Gottesfriedens findet, nennt 144 das Bündnis einen Gottes- und Landfrieden in einem Gesetze und siehtdarin ein Ergänzungsgesetz zum Gottesfrieden von 1085 (!). Auf ähnliche Art sind die andern Versuche, eine Erklärungzu geben, ausgefallen, welche ohne Schwierigkeit sich nur bei unserer Afnahme geben läfst. Auf Widerlegung im einzelnen,die sich leicht beibringen liefse, kann ich hier nicht eingehen.

*) Bertholds Chronik, SS XIII 194. Die Wichtigkeit dieser Stelle scheint mir noch nicht recht erkannt zu sein.Dieselbe ist sehr bezeichnend für die Ansprüche, welche die Fürsten bereits erheben. Wenn es ihnen gelang, dieselbendurchzusetzen, so waren sie die Herren im deutschen Reiche. Zunächst gaben sie sich das Recht, über Krieg und Friedenauf zwei Jahre zu gebieten, bald wissen die Chronisten noch viel anderes über die eigenmächtige Friedlensthätigkeitder Fürsten zu sagen.

**) Ekkehard z. d. J. 1092., 1094, SS VI 207; Bernold, SS V. 455, 459; Augsb. Jahrb., SS III 134.

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Das war die Zeit, in welcher alles zum Kreuzzuge rüstete. Zwar wurden in derselben fle-sprechungen in Deutschland betreffs Wiederherstellung der Ruhe und der alten Zustände desReiches abgehalten,*) aber zum Frieden kam es noch nicht. Erst 1097 erschien endlich auchder Kaiser wieder in Deutschland, das er seitdem nicht mehr verlassen hat. Er hatte zumZwecke des Friedens im Dezember Unterhandlungen mit den Fürsten,**) welche nicht erfolgloswaren. Auch in den folgenden Jahren ist sich der Kaiser der Pflicht bewufst geblieben, denallgemeinen Frieden zu schaffen. Als er 1099 das Geburtsfest der Apostel (29. Juni) zu Bambergbeging, ermahnte er die Fürsten jener Gegend und beschwur sie heftig, getreulich Frieden zuhalten. Er verpflichtete dieselben durch einen Eidschwur, Räuber und Diebesgesindel ohneRücksicht zu verfolgen und zu verurteilen. Auch untersagte er es den Vögten ernstlich, andereVögte zur Beraubung des Volkes und der Kirche einzusetzen. Aber diese Vorschriften ver-mochten, wie der Chronist klagt, nur wenig, weil die Fürsten nicht geneigt waren, die Kriegs-scharen zu entlassen.***) Es ist bei diesen Worten wiederum an den alten Frieden zu denken,

den Heinrich, wie schon seine Vorfahren und er selbst noch vor Ausbruch des Bürgerkriegesgethan hatte, von neuem beschwören liefs. Der Chronist giebt selbst die genügende, in diesemSinne gehaltene Erklärung hierfür.

Zur endlichen Wiederherstellung des Friedens trug die Aussöhnung des Kaisers mit

den Herzögen Welf, Bertholf und Friedrich gewifs am meisten bei. Als 1103 auf einem Reichs-

tage zu Mainz durch einen allgemeinen Frieden dem verderblichen Bürgerkriege ein Ende gemacht

wurde, verpflichteten sich dieselben, wenigstens auf vier Jahre einen allgemein gültigen Frieden zu

halten.t) Dem Kaiser, welchem es noch nicht möglich gewesen zu sein scheint, den Streit mit

*) Augsb. Jahrb., 131.

**) Ekkehard, SS VI 209. Man hat sich nun einmal nicht von dem Gedanken frei machen können, dafs in

dieser Zeit das Wort pax entweder Gottes- oder Landfriede bedeute, und scheint dabei zu vergessen, dafs Deutschland sich

seit lange im Kriege befand; deshalb hätte man bei diesem Ausdrucke doch wohl an den Frieden denken müssen, durch

welchen diesem langen Kriegszustande ein Ende gemacht werden sollte. Der Friede, um den der Kaiser sich bemüht,

kann doch kein anderer sein als dieser. Über den angeblichen Königlichen Landfrieden des Jahres 1097 s. vorhergeh. S.

Ähnlich unrichtig scheint mir Kluckhohn 81 f zu urteilen.

***) Ekkehard 210. Ebenso gesucht wie unbegründet ist die Auslegung dieser Stelle bei Herzberg-Fränkel,

155, der wieder an eine Kombination des Gottes- und Landfriedens denkt, und bei Goecke 70 ff.

f) Urkundlich ist dieser Friede erhalten in der Constitutio pacis generalis, LL II 60. Dieselbe lautet: Anno ab

incarnatione Domini 1103 Heinricus imperator Moguntiae pacem sua manu firmavit et instituit, et archiepiscopi et epis-

copi propriis manibus affirmaverunt. Filius regis juravit et primates totius regni, duces, marchiones comites et alii quam

multi. Dux Welfus et dux Pertolfus et dux Fridericus juraverunt eandem pacem aecclesiis, clericis, monachis, laicis,

mercatoribus, mulieribus ne vi rapiantur, Iudeis. Die bisherige Annahme, dafs hier ein allgemeiner Reichsfriede nur auf

vier Jahre abgeschlossen sei, kann ich nicht teilen. Ein auf bestimmte Jahre abgeschlossener Reichsfriede ist bis dahin

nicht nachzuweisen, unser Friede wäre also das erste Beispiel eines solchen. Jener Annahme widerspricht aber

zunächst der Wortlaut der Urkunde; denn nachdem angegeben ist, dafs der Kaiser, die Bischöfe, der Kaisersohn

und andere den Frieden beschworen hätten, werden die drei Herzöge noch besonders genannt, und es wird hinzugefügt,

sie hätten den Frieden nur auf vier Jahre beschworen. Nur so läfst es sich erklären, dafs die drei Herzöge hinter den

andern, welche genau nach ihrem Range angeführt sind, noch namentlich erwähnt werden. Wie viel Gewicht im Mittel-

alter auf die Rangordnung gelegt wurde, s. F ic k e r, Vom Reichsfürstenstande, 155 ff. Wenn es dann in der Urkunde

weiter heifst: Juraverunt, dico, pacem aecclesiis etc., so ist das dico nur bei der Annahme erklärlich, dafs die Erwähnung

der Herzöge einen Gedanken fiür sich bilden soll, mit dem dico ist der folgende Gedanke an die vor Erwähnung der

Herzöge angegebene Thatsache wieder angeknüpft. Wenn wir an diesem Wortlaute der Urkunde festhalten, ist es ferner

möglich, die in den andern Geschichtsquellen erhaltenen Angaben zu erklären. Ein allgemeiner Friede, zu dessen Be-

krftigtng wieder einmal ein besonderer Eid geschworen wurde, war schon etwas so Gleichgtltiges, dafs mehrere

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diesen drei mächtigen Fürsten ganz zu beendigen, mufste viel daran gelegen sein, wenigstensauf vier Jahre Friede mit ihnen zu schliefsen, da ergerade damals eine Kreuzfahrt gelobte.*) Ob zur Be-festigung des allgemeinen Friedens auch noch besondere Strafen festgesetzt sind erscheint zweifelhaft.**)

Doch war weder dieser Friede von Dauer, noch kam der beabsichtigte Kreuzzug zustande. Schon 1104 dachten verschiedene Fürsten wieder an den Abfall vom Kaiser, und seinSohn Heinrich, vor sechs Jahren zum Könige gewählt, welcher während des Kreuzzuges die

Regierung hätte führen sollen, schlofs sich der Verschwörung an, die bei Gelegenheit derBesetzung des Bischofsstuhles von Magdeburg zum Ausbruche kam. Von neuem fühlten sichdie Fürsten mit dem jungen Könige an der Spitze als die Herren über Krieg und Frieden.Zu Goslar hielten sie zu Ostern 1105 mit ihm und in der Woche vor Pfingsten zu Nordhausen

Geschichtsschreiber denselben ganz unerwähnt gelassen haben. In den Jahrb. von Hildesheim, SS III 107, heifst es nur im

allgemeinen über diese Zeit: ‹Obschon die Fürsten öfters an den Hof des Kaisers kamen, so thaten sie doch nichts für

den Staat, nur brachten sie dort ihre eigenen Angelegenheiten ins Reine ". Die Stelle: Praeter quod sua ibi consummarent

versteht Winkelmann nicht. Er will lieber lesen consumerent und übersetzt: ,aufser dafs sie ihr Vermögen dort ver-

zehrten", s. Geschichtsschr. der deutschen Vorz. XII Jahrh., 5. Bd, 53. Consummare hat hier offenbar die gewöhnliche

Bedeutung: ins Reine bringen, welche sehr gut zu den Vorgängen dieses Reichstages pafst; denn wie sich aus der

Urkunde ergiebt, sind hier unter anderm die Angelegenheiten der drei Herzöge ,ins Reine gebracht." Ekkehard, SS VI

225, erwähnt den Reichstag, aber nichts vom Frieden, ebenso die Erfurter Jahrb. Dafs ein vierjähriger Friede abge-

schlossen sei, findet sich bei Siegbert von Gembloux, Chronik, SS VI 368: Heinricus imperator sedatis Saxonum motibus

pacem in quadriennium constituit. Dafs Siegbert ein ungenauer Kompilator ist, wird übereinstimmend angenommen, s.

Giesebrecht, III 1039, Wattenbach II 117, deshalb wird er auch in unserem Falle das ihm vorliegende Aktenstück

flüchtig und unrichtig abgeschrieben haben. Auch die ,,wertvollen" Augsburger Jahrbücher berichten von einem vier-

jährigen Reichsfrieden, die Fassung beider Stellen aber ist so kurz und einander so ähnlich, dafs dieselben kaum unabhängig

von einander oder von einer dritten Stelle können entstanden sein. Übrigens war, da die drei mächtigen Herzöge sich

zunächst nur für eine bestimmte Zeit zum Frieden verpflichteten, auch nur für diese Zeit darauf zu hoffen. Am ausführ-

lichsten handelt über den zu Mainz abgeschlossenen Frieden der unbekannte Verfasser des Lebens Heinrichs IV., SS XII:

2 7: ,,Der Kaiser entbotdie Fürsten zu Hofe, liefs den Frieden für das ganze Reich beschwören und setzte, der Gewaltthat

zu steuern schwere Strafen für den Friedensbrach fest." Dann folgen überschwengliche Lobeserhebungen über die Wir-

kung dieses Friedens. Also auch hier ist von einem vierjährigen Frieden keine Rede, und doch behauptet Giesebrecht,

1184: ,Die Abschliefsung des vierjährigen Landfriedens erwähnen aufser dem Leben Heinrichs die Annales Augustani und

Siegbert," was, wie wir gesehen haben, nur von den beiden letzteren gilt. Wenn Giesebrecht hinzufügt: ,Auffälliger Weise

schweigen Ekkehard und die Annales Hildesheimenses davon", so ist die Erklärung dafür bei der Annahme einesallgemeinen Friedens leicht. Es scheint mir also, soweit überhaupt auf Grund des vorliegenden Materiales sich etwas ent-scheiden läfst, wahrscheinlicher, dafs zu Mainz ein allgemeiner als dafs ein vierjähriger Friede abgeschlossen ist. Im letztemrn Falle

würde dieser Friede der erste sein, welcher vom Könige auf einen beschränkten Zeitraum festgesetzt ist. Her z b er g- F r änk el ver-

vollständigt bei dieser Gelegenheit seine Geschichte des Land- und Gottesfriedens. ,Wir sehen deutlich," sagt er 159, ,wieder Gottesfriede durch die Ergänzungsbeschlüsse von 1093 und 1094 hindurchgeht, um sich 1103 zum ersten reinen und

vollständigen Landfrieden herauszubilden" u. s. w. Solche Behauptungen bei so ganz unsicherem Materiale! Still-

schweigende Voraussetzung kann dabei nur sein, dafs aus einer grofsen Masse von Beschlüssen alles bis auf so geringeSpuren verloren gegangen und dafs alles nach einem Willen im Reiche systematisch, etwa wie H.-Fr. es sich denkt,geordnet

wäre. Die erste Voraussetzung ist unrichtig, die zweite widerspricht der Geschichte dieser ganzen Zeit.

*) Jahrb. v. Hildesh., SS III 107.

**) Nur im Leben Heinrichs heifst es: ,Er setzte schwere Strafen gegen den Friedensbruch fest." In der Urkunde

selbst steht nur: ‹Man beschwor den Frieden den Kirchen, den Geistlichen, den Mönchen, den Laien, den Kaufleuten, denJuden und (schwor) keinen Mädchenraub zu begehen." Da unter Laien doch wohl vorzugsweise die schutzbedürftigen zuverstehen sind, scheint der Schwur nur auf die Verpflichtung, den Königsbann zu beachten, sich bezogen zu haben. Des

Königs Ansehen sollte wieder hergestellt werden.

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ohne denselben Besprechungen ab, wo Beschlüsse über kirchliche Angelegenheiten gefafst wurden.*)Doch wurden auch am Anfange des neuen Kampfes, wie das vorher schon geschehenwar, gewisse nicht kirchliche Strafbestimmungen getroffen, die bei der Streitlust und der Ver-schiedenheit des Interesses der im Lager des Königs Heinrich Vereinigten zur Aufrecht-erhaltung der Ruhe notwendig schienen. Ausdrücklich wird hervorgehoben, dafs dieseBestimmungen,die durch einen Eid bekräftigt wurden, nur den Freunden des Königs Heinrich als Schilddienen, den Feinden gar nichts nützen sollten. Einem solchen Feinde zu schaden, sollte erlaubtsein, wenn man ihn auf dem Wege treffe; wenn er in ein Haus oder in einen Hof flüchte, sosollte er unverletzt bleiben. Verboten wurde bei Strafe des Verlustes der Augen oder einerHand, in das Haus eines Schwurgenossen einzudringen oder dasselbe anzuzünden, desgleicheneinen solchen gefangen zu nehmen, zu verwunden, zu schlagen oder zu töten. Gleiche Strafesollte derjenige erleiden, welcher einen verteidige, der solches gethan habe. Wenn der Ver-brecher in eine Burg flüchte, sollte dieselbe von den Schwurgenossen drei Tage belagert unddann zerstört werden. Wenn es demselben gelinge zu entfliehen, sollte, falls es ein Lehnsmannsei, sein Herr das Lehn zurücknehmen, die allodialen Güter sollten seine Verwandten erhalten.Aufserdem wurden Strafen für Diebstahl festgesetzt.**) Einen im ganzen ähnlichen Vertrag hat

*) Am ausführlichsten berichtet darüber Ekkehard, SS VI 227, kürzer, aber sonst gleich ist der Bericht in den

Jahrb. v. Hildesh., SS III 108, nur fügt E., nachdem er über ein Fastengebot gesprochen hat, hinzu: Et pax Dei con-

firmatur, und fährt fort, über die von Pseudobischöfen Geweihten zu berichten. E. gehört der strengen kirchlichen Partei

an, welche gerade damals im Gegensatze zu der einstigen Partei Gregors VII. den Gottesfrieden aus der Vergessenheit

hervorholte, aber lediglich durch kirchliche Strafen fiir den Frieden zu sorgen bestrebt war, s. Kluckhohn 99 ff. Die

kirchliche Partei nun war es, welche auch den König Heinrich begünstigte. Deshalb sieht auch die Versammlung zu N.

nicht wie ein Reichstag, sondern wie ein Konzil aus. Dafs der Versuch, mit rein kirchlichen Strafen für die Ruhe zu

sorgen, welcher mit dem frühern Gottesfrieden fast nur noch den Namen gemeinsam hat, nicht zum Ziele geführt habe,

ersehen wir aus den Klagen E. zu den Jahren 1113, 1116 und 1119, noch mehr aus dem vollständigen Schweigen der

andern Schriftsteller. Auch Klu c k hohn kann über eine Wirksamkeit des Gottesfriedens in Deutschland keine Beweise

vorbringen. Herzberg-Fränkel selbst drückt sich darüber bei dieser Stelle etwas kleinlaut und dunkel aus, 169: ,Auch

die Bestätigung des Gottesfriedens im Jahre 1105 bezog sich wohl nur auf den kirchlichen Teil: Die Einhaltung der

geheiligten Zeiten." Wie sehr die kirchliche Partei in dieser Zeit bestrebt war, allein mit kirchlichen Strafen zum Frieden

beizutragen, zeigt auch die LL II 61 verzeichnete Constitutio pacis in Diocesi Constantiensi. Wenn später die Päpste

wiederholt einzelne Geistliche auffordern, das kanonische Recht anzuwenden, s. S. 26, so scheint es mir, dafs damit besonders

auch die in den Konzilien des 12. Jahrh. getroffenen kirchlichen Strafbestimmungen gemeint sind, worunter auch die Reste

des ehemaligen Gottesfriedens sich finden.

**) Das merkwürdige Aktenstück steht LL 60 Bisher haben sämtliche Erklärer desselben übersehen, dafs nicht

der Kaiser Heinrich, sondern der König, also der Sohn des Kaisers, gemeint ist, da es zum Schlusse heifst: Hoc juramento

utuntur amici regis pro scuto, inimicis regis nequaquam prodest. Dadurch erhalten die ganzen Bestimmungen, in denen man

unrichtigerweise wieder einen Landfrieden glaubt gefunden zu haben, eine völlig andere Bedeutung. Nicht einmal der Name

pax steht in der Urkunde, sondern es steht judicium, d. h. etwa Beschlufs, dafür. Dafs ausdrücklich angegeben wird,

e, sollten die Bestimmungen nur den Anhängern des Königs zum Schutze dienen, kann doch nur den Sinn haben, dafs

die Bestimmungen überhaupt nur für die Schwurgenossen, d. h. die Anhänger des Königs, Geltung haben sollten. In der

That sind auch in der Urkunde nur solche Bestimmungen vorhanden, die bei unserer Annahme als notwendig und des-

halb leicht erklärlich erscheinen. Wenn es an einer Stelle heifst: Si in castra fugerit (nämlich wer gegen den Schwur

gehandelt hat), per tres dies obsessum a conjuratoribus disperdatur, so hat dieselbe nur Sinn bei der Annahme, dafs die

Bestimmungen für den Fall getroffen worden sind, dafs das Heer beisammen ist. Denn nur in diesem Falle konnte man

mit Bestimmtheit die festgesezte Strafe der Zerstörung der Burg zur Vollziehung bringen. Die drei Tage sollten wahr-

scheinlich eine Bedenkzeit für den Belagerten sein, wie später bestimmt wurde, dafs jede Fehde drei Tage vorher angesagt

werden sollte; dafs wir endlich nur ein Parteigesetz vor uns haben, zeigt die Stelle: Si in via occurrerit tibi inimicus,Mt.G. a

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König Heinrich in dieser Zeit auch mit seinen Anhängern in Italien abgeschlossen.*) Gleich-

zeitig scheinen von den Anhängern des Königs, damit während des Kampfes gegen den

Kaiser der Friede im Lande möglichst gesichert bleibe, besondere Frieden, wie das

unter ähnlichen Umständen schon vorher geschehen war, aufgerichtet zu sein, so vom HerzogFriedrich von Schwaben, den Bischöfen von Augsburg und Eichstädt. Dafs Grafen und

andere Grofsen den Frieden mitbeschworen, wird ausdrücklich angegeben, ebenso, dafs von

jedem einzelnen im Lande der Eid darauf geleistet wurde.**)So trug der Abfall des Sohnes, worauf bald der Tod des Vaters folgte, viel dazu bei,

dafs die Fürsten sich immer mehr als selbständige Herren des Reiches fühlten. Wenn dieselben

aber gemeint hatten, dafs auch unter dem Kaiser Heinrich sie dieselbe Stellung behalten

würden, welche ihnen der K ö n ig zugestanden hatte, so sahen sie sich, wie bekannt ist, gründlich

getäuscht. Dafs Heinrich V. sich dazu verstanden hätte, das Recht über Krieg und Frieden

mit ihnen zu teilen, d. h. ihnen das Fehderecht einzuräumen, dafür ist auch nicht das geringste

Anzeichen vorhanden, im Gegenteil ergiebt sich mit Gewifsheit, dafs er seit dem Tode seines

Vaters gesonnen war, auf Grund des alten Friedens zu regieren, demzufolge jede Gewaltthat an

si possis illi nocere noceas. Eine solche That ist in der ganzen germanischen Gesetzgebung der vorhergehenden Jahr-

hunderte nicht erlaubt. Man sollte deshalb nicht aus dieser Stelle zu beweisen suchen, dafs in Deutschland jede Privat-

rache erlaubt gewesen sei; das thut u. a. Zöpfl, II 322 A. 12.

*) Ich glaube bestimmt, dafs uns eine Abschrift dieses Vertrages in der Urkunde LL 53 erhalten ist, die Pertz

willkürlich ins Jahr 1081 gesetzt hat. Der Anfang lautet: Ab hac hora adiuvabo Heinricum regem, qui nunc regnat in

Italia, et nuntios ejus et comites quos ipse ad hoc elegerit ad iustitiam ac legem faciendam. Auch hier wird man unter

König Heinrich keinen andern zu verstehen haben, als den Sohn des Kaisers Heinrich IV., nicht also wie bisher geschehenist, den Kaiser selbst, der nicht als König bezeichnet wäre. Die Grofsen Italiens verpflichteten sich in der Urkunde,den König H. zu unterstützen, was darauf hinweist, dafs wir keinen Landfrieden vor uns haben, den man natürlich auchin diesem Aktenstücke wieder glaubt gefunden zu haben - IHerzberg-Fränkel nennt den Vertrag einen Landfrieden

von einer merkwürdigen Gestaltung, 144 -, sondern einen Vertrag, den dieselben mit dem abtrünnigen Sohne abschliefsen,

und in den zur Aufrechterhaltung der Ruhe im eigenen Lager mehrere Strafbestimmungen aufgenommen sind. Der Zusatz:Qui nunc regnat in Italia erscheint nur begründet bei der Annahme, dafs der Vertrag bald nach dem Abfalle des Sohnes

Heinrich abgeschlossen ist, da eben damit angegeben werden soll, dafs man fortan ihn, und nicht mehr den Kaiser als

Herrscher Italiens ansehe. In diese Zeit allein passen auch die folgenden Worte; ,(Ich werde unterstützen) seine Ge-

sandten und die Richter, welche er noch, um Recht und Gesetz auszuüben, gewählt haben wird"; denn noch hatte

seitens des Sohnes in dieser Beziehung nichts geschehen können, es war aber in nächster Zeit zu erwarten. Jedes Wort

also erklärt sich bei unserer Annahme von selbst, während bei der Ansicht des Pertz u. a. eine Erklärung dafür nicht

gegeben werden kann. Giesebrecht setzt die Urkunde in die Zeit Heinrichs III, Goecke, 48 ff, dem Waitz beistimmt,

ins Jahr 1077. Übrigens ist der Inhalt dem der vorher erwähnten Urkunde ähnlich. Die Verpflichtung soll aber

uur für zehn Jahre gelten. Kleinere Verschiedenheiten des Inhaltes erklären sich aus der Verschiedenheit der Verhältnisse.

So erklärt sich die ganze Urkunde bei unserer Annahme leicht, auf näheres brauche ich um so weniger einzugehen, weil

das ganze Aktenstück nach Italien gehört. Also auch in diesem haben wir keinen eigentlichen Landfrieden vor uns. Am

merkwürdigsten sind die Schlüsse, welche aus demselben für deutsche Verhältnisse gezogen werden, z. B. von Z öpfl,

320 A. 4, 323 A. 15, 18. Selbst die Überschrift wird zu Beweisen verwendet, obgleich dieselbe entweder von Pert zselbst herrührt, oder von einem Abschreiber hinzugefügt ist. Auch entspricht dieselbe wenig dem Inhalte. Mit solchen

Beweisen werden Ansichten über staatliche Verhältnisse des ganzen deutschen Mittelalters begründet!

**) LL 61. Das ganze Aktenstück scheint einzelne Bestimmungen zu enthalten, die aus zwei bis drei zu demselben

Zwecke und etwa in derselben Zeit entstandenen Friedensverträgen in oberflächlicher und verwirrter Weise zusammengeschrieben

sind. Darauf deutet wenigstens der Anfang hin: Talis pax jurata est a duce Friderico et a multis comitibus, epis-copo Augustensi et Eistetensi et utriusque prioribus consentientibus. Wahrscheinlich soll damit gesagt sein, es seien von

dem Herzoge Friedrich und seinen Grafen, dann von dem Augsburger und (drittens?) von dem Eichstädter Bischof und

den Grofsen beider BistUmer besondere Bestimmungen zum Zwecke des Friedens in lCraft gesetzt. Nur so läfst sich die

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ihm den höchsten Richter fand.*) Wenn nun die allgemeine Annahme richtig wäre, dafs es einFehderecht die Jahrhunderte hindurch gegeben habe, welches die Kaiser durch die Gottes- undLandfrieden einzuschränken bestrebt gewesen wären, so wäre die Thatsache ganz unerklärlich,dafs gerade in jenen Zeiten, in welchen die königliche Macht bedrängt war, manche Spurensolcher Frieden vorhanden sind, da man doch denken müfste, dafs der Kaiser in den Zeitender Not nicht habe die Macht der Fürsten einschränken können, sondern vielmehr geneigt gewesensei, Zugeständnisse zu machen, während andererseits Heinrich V., als die Fürsten sich vor seinerMacht beugten, ohne dafs doch volle Ruhe herrschte, nicht daran gedacht hat, Landfrieden zuerrichten und so den ewigen Unruhen zu steuern. Diese Thatsache, welche bei der allgemeinenAnsicht über das Fehderecht unerklärt bleibt, läfst sich eben nur dadurch erklären, dafs dasselbeals Zugeständnis an die Fürsten vom Kaiser aufgefafst ist, und dafs durch die Landfrieden einFehderecht nicht eingeschränkt oder abgeschafft, sondern schliefslich, wie wir sehen werden,eingeführt ist.

In den ersten Jahren der neuen Regierung war der Friede gesichert. Im Frieden konnteHeinrich nach Italien ziehen, um den seit den Zeiten seines Vaters noch nicht beendigtenInvestiturstreit zu beseitigen. Aber bald fehlte es auch unter seiner Regierung nicht an Wirren.Als er 1116 zum zweiten Male nach Italien aufbrach, war er noch nicht Herr derselben, gleich-wohl hat er sich zu einem Separatfrieden nicht verstanden.**) 1119 finden wir ihn zu Triburmit Wiederherstellung des Friedens beschäftigt, nachdem er auf die Nachricht, dafs die FürstenVersammlungen gegen ihn abhielten, schleunigst aus Italien zurückgekehrt war. ,,Der .Königverfügte in Übereinstimmung mit d;-m Rate der Feinde wie der Freunde, dafs einem jeden imReiche, der seines Vermögens beraubt sei, sein Eigentum wieder gegeben werden sollte; alleEinkünfte der alten Könige nahm er wieder in seine Hand; auch wurde gelobt, dafs in dengesamten Provinzen von allen Frieden gehalten werde." Jeder Zweifel, was für ein Friedegemeint sei, mufs schwinden, wenn man die Verhandlungen liest, welche zwei Jahre später zuWürzburg gepflogen wurden. ,Ein durchaus sicherer und allgemeiner Friede wurde hier vonallen bei Todesstrafe gesetzlich beschlossen. Einmütig wurde durch Vereidigung festgesetzt,

gewählte Reihenfolge erklären. Dafs diese Friedensbestimmungen fiür das Volk, das nicht zum Kampfe auszog, getroffensind, ergiebt sich trotz der Verwirrung aus der Urkunde, z. B. aus folgender Stelle: Si quis incalpatus fuerit pro furto vel

pro aliqua culpa istius corruptae pacis, ille in quo pax corrupta est, vadat ad parochiam accusati, et dicat populo: Ille N.in hac re corrupit pacern . . me. Et det sibi inducias per quatuordecim dies, oder aus folgender: Si corruptor pacis sein aliqua municione absconderit, ille in quo pax fuit corrupta, faeiat apud populum proclamationem et persequatur reumper unum diem et per noctem et cum populo municionem obsideat per tres noctes et tres dies; et si municio expugnarinon potest infra tres dies, dux vel comes cum mai ribus ad destruendum castellum advocetur. In den beiden vorhergenannten Urkunden, welche Bestimmungen für die zum Kampfe Verschworenen enthielten, soll in demselben Falle nachdrei Tagen die Burg zerstört werden.

*) Mit Recht sagt Gie sebrecht 798: ,Von der Errichtung eines neuen allgemeinen Reichsfriedens hören wir

nichts." Ebensowenig ist von einem besonderen Frieden die Rede. Dafs 1107 sich das Reich in Frieden befunden habe,sagt der Kaiser selbst in einem Schreiben an den Bamberger Bischof, worin er ihn einladet, an dem Zuge gegen den Grafen

Robert von Flandern teilzunehmen. Es ergiebt sich aus dem Schreiben, dafs er noch ganz in der alten Weise für den

Frieden sorgte, LL 64.*'*) Ekkehard, der über diese Unruhen berichtet, SS VI 252, fügt hinzu: ,Weil der König abwesend war, that ein

jeder, nicht was ihm recht schien, sondern was ihm beliebte. Zuerst begann jede der beiden Parteien in beständigenZusammenrottungen die Äcker der andern zu verwüsten und die Landbewohner zu berauben . . . Sodann kamen Strafsen-räuber, da die Gelegenheit sich darbot, von allen Seiten hervor.' Also nicht ein Fehderecht, sondern die Abwesenheit des

Königs als des höchsten Richters ist die Ursache der Unruhen.8*

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dafs Räuber und Diebe nach kaiserlichen Edikten verfolgt oder durch die von alters her be-stehenden Gesetze in Schranken gehalten werden sollten.*) Nur im allgemeinen behielten sich dieFürsten zu Würzburg vor, falls der Kaiser auf den Antrieb eines andern an jemand Rache zunehmen beabsichtige, ihm in aller Ehrerbietung Vorstellungen zu machen, und wenn er diesennicht Raum gebe, nach ihrer Übereinkunft zu handeln.**) Den alten Frieden mit den altenMitteln aufrecht zu erhalten, war er auch noch später beschäftigt. Noch wenige Wochen vorseinem Tode (März 1125) wurde ein allgemeiner Friede verkündigt.***)

Mochte Kaiser Heinrich V. auch den Glauben ins Grab mitnehmen, dafs er die Fürstenwieder zur Anerkennung des allgemeinen Friedens gebracht und im Sinne Karls des Grofsenregiert habe, die Verhältnisse waren stärker als er.t) Die Fürsten konnten es nicht vergessen.

dafs sie zeitweise schon selbst Bestimmungen über den Frieden getroffen hatten. Auch nochin andern Beziehungen war die Fürstenmacht so bedeutend gewachsen, daIs der Anspruch auf

Selbständigkeit dem Kaiser gegenüber immer dringender wurde. Zwar hatte dieselbeseit lange allmählich zugenommen, und häufig hatten die Grofsen mit dem Schwerte ihre An-gelegenheiten auszufechten gewagt, aber sie waren doch auch immer wieder vom Kaiser in die

Schranken gewiesen, meistens auch bestraft worden. Höchstens hatten sie auf dem Wege der

Gnade der Strafe entgehen können. Immer schwerer aber war es den Kaisern geworden, denFrieden zu erhalten. Deshalb war seit Heinrich III. immer häufiger das Mittel angewendet,wenn Unruhen ausgebrochen waren, den Frieden beschwören zu lassen. Daneben hatten dieFürsten schon mehrmals den Versuch gemacht, ihrerseits für den Frieden zu sorgen. Es läfstsich nicht mit Bestimmtheit nachweisen, dafs Kaiser Heinrich IV. auch nur einmal in Drangeder Not dieses eigenmächtige Vorgehen, wodurch ihm seine höchste Macht, über Krieg und

Frieden zu gebieten, geschmälert wurde, hinterher bestätigt habe. Sicher ist, dafs sein Sohnniemals daran gedacht hat, jenes Recht mit den Fürsten zu teilen, sondern gesonnen gewesenist, das alte Gesetz, wonach jede Fehde Gewaltthat und als solche strafbar war, wieder zurallgemeinen Geltung zu bringen. Aber die Macht einzelner Fürsten war schon eine zu grofsegeworden. Eine Sonderstellung nahm z. B. der bayerische Herzog ein.t-) Heinrich V. war

*) Über die erste Versammlung, deren Ort unbestimmt ist, s. Giese brecht, 1217, berichtet E k k ehard

255, über die zweite 257. Giesebrecht, 932, sagt richtig: ,Die alte Ordnung des Reiches, welche so lange in Frage

gestellt war, trat wenigstens äufserlich wieder in Kraft." Nicht darin sieht Heinrich V. ein Heilmittel fiir die fortwährenden

Unruhen, dafs er durch einen Landfrieden das angebliche Fehderecht beschränkt, sondern darin, dafs er wieder einKönig zu sein sich bestrebt, wie der grofse Karl es gewesen war. Alle, welche meinen, dafs nur durch den Gottes- und

Landfrieden die Kaiser sich bemüht hätten, der Unruhe zu steuern, gehen schweigend über diese Stellen Ekkehards

hinweg, obgleich dieselbe von unzweifelhaftem Werte ist, was von den bis dahin gefundenen Belegen zum Gottes- und

Landfrieden nicht gesagt werden kann.

**) LL 74.

**) LL 77, Schreiben des Kaisers an den Bischof von Trier, auch hier ist nur von dem Frieden die Rede,der an und für sich in dem Reiche sein soll.

t) Ekkehard sagt z. J. 1125, 265, über den Kaiser: ,Über Handhabung der Gerechtigkeit im Reiche wachteer wenig." Wie sehr derselbe für den allgemeinen Frieden gesorgt hat, haben wir gesehen, aber diese Worte zeigen,dafs schon seine Zeitgenossen die Erfolglosigkeit seines Strebens erkannt haben, da die Gerechtigkeitspflege schon mehr

von den Fürsten als vom Kaiser abhing, der zufrieden sein mufste, wenn es ihm gelang, jene in Frieden zu halten.Ähnlich urteilt auch Franklin, Das königliche nnd Reichshofgericht in: Forschungen, No. 566, IV, 525.

tt) Mehreres über die Vermehrung der fürstlichen Macht in dieser Zeit findet sich bei Gie sebrecht, 980 ff.Nur auf den Gedanken, dafs erst dadurch die Grundlage für ds Fehderecht geschaffen wurde, und dafs so diese

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nicht im stande, diese Bewegung zum Stillstande zu bringen. Unter seiner Regierung erlangteLothar von Sachsen ein Ansehn, wogegen der Kaiser nichts ausrichten konnte. ,Selbst das sächsischeVolk begann 1120 wegen Herstellung der Einheit öfters Zusammenkünfte zu veranstalten, un-einige mit einander zu versöhnen, sich einander die Hände zu reichen, Räubereien zu vertilgenund ohne Rücksicht auf die Person des Kaisers gegen jedermann, der ihr Landanzugreifen sich unterstehe, sich zu bewaffnen; . . . so stellte es, wiewohl andern Ortes nochdie gewöhnliche Verwirrung herrschte, in seinen Landesteilen in kurzem den so erwünschtenFrieden her."*) Auch Heinrich also hat es nicht hindern können, dafs Fürsten und Völker dieSorge für den Frieden als ihre eigene Aufgabe zu betrachten anfingen. Ja er selbst scheint esam Ende seines Lebens erkannt zu haben, dafs auf diese Weise der Friede am besten gewahrtbleibe; denn er schreibt an den Bischof von Trier, vermutlich auch an andere Fürsten: ,DamitDu den Frieden in Deiner Diöcese und Deinem Gebiete, wie Du schon angefangen hast, inZukunft zu besserer Blüte bringen kannst, ermahne und fordere ich Dich sogar noch dringendund ernst dazu auf. Niemand soll sich also unterstehen, .. . in Deinem Bistume Beute zumachen, mit Brand zu wüten oder mit Gewalt in Güter und Dörfer einzubrechen." Schliefslicherteilt er ihm den Auftrag, sich des dem Gerüchte nach vorbereiteten Einfalles des PfalzgrafenWilhelm selbst zu erwehren.**)

Damit nun war die Zeit bedeutend näher gerückt, in welcher die Fürsten selbständigdie Sorge dafür übernehmen, dafs in ihrem Lande jedem sein Recht werde und so der alteFriede gewahrt bleibe, während der Kaiservor allem das unmittelbare Oberhaupt derFürsten blieb.***)

Der Kaiser und die Fürsten als Hüter des Friedens bis zum RegierungsantritteFriedrich Barbarossas.

In einem aus den Tagen nach dem Tode Heinrichs V. uns erhaltenen Schreiben geist-licher und weltlicher Fürsten -) wird über die Bedrückung der Kirche und des ganzen Reichesgeklagt und der Wunsch ausgesprochen, dafs es gelingen möge, einen Kaiser zu finden, derfür Kirche und Reich so sorge, dafs man doch wenigstens frei werde von dem so grofsen Jocheder Knechtschaft, dafs man seine eigenen Gesetze haben dürfe, und dafs die Fürsten

Macht erst zum gewissen Abschlusse gebracht ist, kommt G. ebensowenig wie ein anderer. Bei der Schwäche der Fürsten-macht soll jenes Recht bestanden, bei der riesig angewachsenen Macht beschränkt sein!

*) Ekkehard 255 f. Daraus hat die Nachricht der sächsische Annalist, SS VI 756.*~*) LL II 77: ,Quare, ut eam tota diocesi provinciaque tua, uti quidem coepisti, melius excolere in posterum

queas, te graviter etiam et sero moneo atque adhortor. Auf kaiserliche Ermahnung also soll der Bischof das Friedenswerk,das er ohne dieselbe zu betreiben bereits angefangen hat, mit mehr Nachdruck ausführen.

***) Waitz scheint mir wenig konsequent zu bleiben, wenn er 439 A. 4 sagt: ,,Was er (Ekkehard) 1120 von

den Sachsen erzählt, gehört wohl kaum hierher." Denn der gröfste Teil der Friedensbestrebungen, welche er schon als

Landfrieden bezeichnet, ist durchaus ähnlicher Art. Es sind eben Versuche, für den Frieden unabhängig vom obersten

Friedenshorte zu sorgen. Aus solchen Friedensversuchen entwickeln sich jene Landfrieden, welche besonders von

Friedrich II. und Rudolf von Habsburg festgesetzt sind. Dieselben stehen in sofern im Gegensatze zum alten Frieden,

als sie die Friedensbündnisse bezeichnen, welche der Kaiser mit den Fürsten abschliefst, während der alte Friede die für

das Volk in Geltung bleibenden Gesetze bezeichnet. Erst nachdem die Fürsten der oberste Hort des Rechtes in ihrem

eigenen Lande geworden sind, sehen es die Kaiser zunächst nicht für ihre Pflicht an, jedem im Volke sein Recht zu

verschaffen, sondern die Verhältnisse der fürstlichen Macht zu Kaiser und Reich zu ordnen, und die zu diesem Zwecke

erlassenen gesetzlichen Bestimmungen sind die Landfrieden im eigentlichen Sinne. Die Spuren davon, dafs die Fürsten

für den Frieden ihres Landes sorgen, werden in der folgenden Zeit immer deutlicher.

t) LL 79 f.

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samt dem ihnen unterworfenen Volke sich des weltlichen Friedens erfreuen könnten. Gewifseine deutliche Sprache! Es folgt dann die Aufforderung an den Empfänger des Briefes, denBischof von Bamberg, ,dem ihm von Gott anvertrauten Volke" (credito vobis coelituspopulo) innerhalb des Wahltermines und bis vier Wochen nach demselben Frieden anzuordnen.Man sieht, wie die Fürsten über ein straffes Kaiserregiment denken, und wie sie ihrVerhältnis zu den Eingessenen ihres Landes bereits auffassen. Auch ist bezeichnend, dafsgerade derjenige wider seinen Willen gewählt wurde, welcher der gröfste Gegner der Regierungs-weise Heinrichs bis zu dessen Tode gewesen war. Von ihm konnte man annehmen, dafs erals Kaiser eine derselben entgegengesetzte Politik den Fürsten gegenüber einschlagen werde.Man hat sich nicht getäuscht. Der Friede, welchen Lothar nach der Wahl beschwören liefs,wurde nur für die kurze Zeit eines Jahres beschworen. Jeder Friedensbruch sollte nach demGesetze und Rechte jedes Gebietes bestraft werden, d. h. es wurde die Gerichtsbarkeit darüberden Grofsen überlassen. Unter Wahrung seiner königlichen Majestät habe er diesen Friedenbeschwören lassen, heifst es; aus dem kurzen Ausdrucke läfst sich, wie es scheint, entnehmen,dafs Lothar auf sein Recht, einen dauernden Frieden zu setzen, nicht habe verzichten wollen,*)vielleicht war auch nur vorläufig für ein Jahr ein allgemeiner Friede angeordnet, in der Hoffnung,während dieser Zeit mit den Hohenstaufen zur vollen Eintracht zu gelangen.**)

Das ist der erste etwas sicherer beglaubigte Fall, in welchem ein Kaiser sich dazu verstandenhat, einen allgemeinen Frieden nur auf eine bestimmte Zeit aufzurichten. Enthielt eine solcheBeschwörung nicht stillschweigend die Anerkennung des Kaisers, dafs es nach Ablauf dieserZeit erlaubt sei, sich über das Gesetz zu stellen und sich mit den Waffen sein Recht zu suchen?Trotz solcher Nachgiebigkeit konnte nicht einmal auf diese kurze Zeit Friede geschaffen werden.Wenn Lothar vielleicht gehofft hatte, innerhalb eines Jahres die Hohenstaufen mit seinerWahl auszusöhnen, so sah er sich getäuscht Erst nach zehn Jahren war der Aufstand be-wältigt, und erst jetzt konnte Lothar daran denken, einen allgemeinen Reichsfrieden beschwörenzu lassen. Man schwor einander Frieden auf den Reichstagen zu Magdeburg und zu Bamberg.Die Fürsten liefsen den allgemeinen Frieden in ihrem Lande noch besonders beschwören,***) wasauch schon sonst geschehen war.

*) Genauere Nachrichten über die Wahl enthält der Bericht über die Wahl! Lothars, SS XII 512, welcher,soweit er mit andere Angaben verglichen werden kann, sich als ziemlich zuverlässig erwiesen hat, so dafs wohl auch dieNachricht, über den Abschlufs eines einjährigen Friedens, der sonst nirgends erwähnt wird, nicht zu bezweifeln ist, soauffallend auch dieselbe ist. Die Worte: Sub regiae majestatis obtentu scheinen mir von Waitz, 410 A. 4 und 439 A. 1,nicht richtig erklärt zu sein, den ich hier überhaupt nicht ganz verstehe. Sub obtentu kann doch wohl schwerlich einenandern als den von mir angegebenen Sinn haben, häufiger kommt es in Wibalds Briefen vor, z. B. Jaffd, I 121; auchLL II 98 steht es in der häufig vorkommenden Redewendung: Sub obtentu gratiae nostrae. Unter ,königlicher Autorität",wie Waitz anscheinend die Steile übersetzt wissen will, würde doch wohl anders lauten.

**) In einem andern Falle wenigstens wurde so verfahren. Ein gewisser Otto beklagte sich bei Lothar,Böhmens ungerechter Weise beraubt zu sein. Dem Herzoge Udalrich von Böhmen stellte deshalb Lothar nach dem Rateder Fürsten eine Frist und kündigte ihm erst nach Ablauf derselben den Krieg an, Chronik von St. Peter, z. J. 1125,Geschichtschr., XII Jahrhd. IV Bd. S. 11. In ähnlicher Weise hatten auch einst die drei Herzöge, als Heinrich IV. zumKreuzzuge entschlossen war, zu einem vierjährigen Frieden sich verstanden, s. S. 5 A. -t).

**5) Die Pöhlder Jahrb., SS XVI 79, erwähnen nur die Aussöhnung Lothars mit den beiden HohenstaufenschenBrüdern. Ähnlich heifst es in den Jahrb. von Magdeburg, SS XVI 185: ,In den Fasten kam der Kaiser nach Bamberg,wo ein grofser Zusammenflufs von Fürsten und Volk geschah und Herzog Friedrich, mit den Seinen . . . dem Kaiser öffentlichzu Füfsen fallend, demütig seine Gnade nachsuchte und gewann." In den Erfurter Jahrb. heifst es, SS VI 540: Exsententia imperatoris et unanimi consensu principum pax esse de ceim an n i s per regnum universum, conjurantibus cunctis in

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Über den wunderbaren Erfolg der Friedensthätigkeit Lothars überbieten die zeit-genössischen Geschichtsschreiber einander förmlich,*) worüber wir uns wundern könnten, da erdoch den gröfsten Teil seiner. Regierung mit den beiden Hohenstaufen zu kämpfen gehabt und

id ipsum. Daraus ist die Nachricht in der Peterschronik, SS VI 510, entlehnt, s. Wattenbach, 177, Giesebrecht 368. DieStelle in den Hildesheimer Jahrb. lautet, SS III 116: In Festo pentecosten apud Magadeburgum primum principes regnicoram imperatore firmissimam pacem ad decem annos juraverunt. Ganz gleich lautet die Nachricht im sächsischenAnnalisten, SS VI 769, doch ist hinzugefügt: Ed deinceps cetera multitudo plebis tam ibi quam per singulas regni parteshaec eademn facere suadetur et compellitur. Ebenso in den gröfsten Jahrb, von Köln, SS XVII 757. Die Stellen sindwahrscheinlich aus den verloren gegangenen Paderborner Jahrbüchern entlehnt, s. Wattenbach, 31, 310, Scheffer-Boichorst,Annales Patherbrunenses S. 162. Die Angabe, dafs ein zehnjähriger Friede abgeschlossen sei, fliefst daher nur aus zweiQuellen, die aber betreffs des Ortes auseinander gehn. Ich wüiird im Gegensatze zu der gewöhnlichen Annahme nichtbehaupten, dafs ein allgemeiner Friede abgeschlossen sei, wenn nicht zunächst die beiden Belegstellen einen andern Sinnals denjenigen, welchen man darin gefunden hat, zuliefsen. Es soll heifsen, der Friede sei auf zehn Jahre abgeschlossen,nun steht aber einmal decem annis, was doch nur der Dativ sein kann, und zweitens ad decem annos. Ich gebe zu, dafsdurch diese Ausdrücke die zehn folgenden Jahre gemeint sein können, aber man wird mir auch zugeben, dafs demWortlaut nach auch die nächst vorhergehenden zehn Jahre gemeint sein können: es wird für die zehn Jahre Friedengeschlossen, und die Fürsten beschwören in Bezug auf die zehn Jahre den Frieden, nämlich die zehn vorhergehendenKriegsjahre, denn zehn Jahre war wirklich gekämpft, und bei der Aussöhnung leistete man einander das eidliche Ver-sprechen, betreffs der in dieser Zeit vorgefallenen Gewaltth aten fortan Frieden zu halten, oder mit anderen Worten, esendeten die zehn Kriegsjahre mit einem eidlich beschworenen Friedef, der zugleich eine Amnestie in sich schlofs. Eswürde schon ein besonderer Zufall sein, wenn nach dem zehnjährigen Kriege auch gerade ein zehnjähriger Friede

beschlossen wäre. Wenn ich keine andern Gründe fiir meine Ansicht beizubringen wüfste, könnte man mir, glaube ich,nicht bestreiten, dafs dieselbe ebensoviel für sich hat wie die landläufige. Ich habe aber noch manche andere Gründe fürmeine Ansicht. Der Ausdruck domi forisque spricht zunächst daffir: man beschwört den Frieden für alles, was innerhalb

und aufserhalb des Vaterlandes vorgefallen ist. Platner übersetzt den Ausdruck domi forisque in- und aufserhalb ihrer

Gebiete, was mir derselbe weniger zu bedeuten scheint, ich nehme an, es sei gegenseitige Amnestie zugesichert für das,was in Deutschland und was in Italien während des Kampfes verübt war. Ferner möchte ich geltend machen, dafs nur

bei meiner Annahme es erkläirlich erscheint, wenn nur der kleinste Teil der Chronisten den zehnjährigen Frieden erwähnt,was doch auffallend wäre, wenn ein solcher für das folgende Jahrzehnt wäre abgeschlossen worden, da in diesem Falle

die Zeitdauer doch etwas Wesentliches war, dagegen erklärt es sich leicht, dafs die zehn Jahre unerwähnt bleiben, wennwir annehmen, dafs der Friede nur das Ende der zehn verflossenen Kriegsjahre gewesen sei. Dazu kommt, dafs die

Dauer des Friedens eine aufsergewöhnliche ist, und dafs nicht, wie das sonst der Fall ist, angegeben wird, es solle der

Friede vom nächsten grofsen Feste an zehn Jahre dauern. Diese Gründe würden mich bestimmen, statt des zehnjährigenFriedens einen allgemeinen anzunehmen, auch wenn ich die gewöhnliche Ansicht teilen könnte, dafs die Kaiser ohne

besonders zwingende Gründe Frieden auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen hätten; dafs diese Ansicht nicht sicherbeglaubigt ist, habe ich für die vorhergehende Zeit gezeigt, und werde ich auch fiür die folgende Zeit beweisen.Auch gelten die Landfrieden Friedrichs II. und Rudolfs fiir eine unbestimmte Zeit. In unserm Falle würde ein ähn-licher Grund nicht vorliegen, da übereinstimmend angegeben wird, dafs die erfolgte allgemeine Aussöhnung und der Friedeim engsten Zusammenhange gestanden haben. Endlich würde mit meiner Ansicht über die Sonderfrieden auch nichtübereinstimmen, dafs erwähnt wird, auch das Volk habe diesen Frieden beschworen, wenn derselbe ein zehnjährigergewesen wäre. Denn ich finde nirgends angegeben und kann mich auch zu der Ansicht nicht verstehen, dafs gar auchdas Volk seinem Kaiser nur auf einige Jahre Frieden zu halten geschworen habe. Die wenigen Sonderfrieden, welcheüberhaupt erwähnt werden, sind nur zwischen dem Kaiser und einzelnen Fürsten abgeschlossen; über den Frieden inRheinfranken v. J. 1179 später. Der Annahme, dafs die Fürsten auf zehn Jahre, das Volk auf unbestimmte Zeit denFrieden beschworen hätten, widerspricht der Wortlaut. Der zehnjährige Friede daher scheint mir weder ausreichendbelegt werden zu können, noch entspricht derselbe den Verhältnissen, die im übrigen Giesebrecht, 103-109, richtig dar-stellt. Hinzufüigen will ich noch, dafs, da eben ein besonderer Friede nicht abgeschlossen ist, sondern Lothars Be-streben nur darauf gerichtet war, mit seinen bisherigen Feinden im allgemeinen zum Frieden zu ikommen, sehr wohl zuBamberg und zu Magdeburg, vielleicht auch noch auf andern Reichstagen das Friedenswerk betrieben sein kann.

*) In den gröfsten Kölner Jahrb. heifst es z. J. 1137, SS XVII 758: ,Die Zeiten dieses Königs waren angenehm.Er regierte in Eintracht, herrschte in Ruhe und zeichnete sich aus durch Mäfsigung. Im Kriege und im Frieden war er

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es auch an anderen Kämpfen nicht gefehlt hat. Des allgemeinen Friedens, der zwei Jahre vordem Tode Lothars zu stande kam, können doch die Zeitgenossen kaum froh geworden sein.Die überschwenglichen Lobeserhebungen sind um so auffallender, wenn man damit das über dieRegierung Heinrichs III. gefällte Gesamturteil zusammenstellt. Einen Teil des Lobes werden wirvielleicht auf Rechnung der streng kirchlichen Gesinnung Lothars setzen dürfen. Doch scheintauch der Friede wirklich unter ihm mehr gewahrt gewesen sein, als unter vielen seiner Vorgänger,weil bereits die Fürsten es als ihre Aufgabe anzusehen gewohnt waren, in ihrem Lande selb-ständig für den Frieden zu sorgen.

Wir wissen, dafs wahrscheinlich auch schon früher der auf dem Reichstage beschlosseneFriede vor den Fürsten vom Volke in ihrem Lande beschworen wurde,*) es ist aber bezeichnend,dafs, was vorher nur leise angedeutet wurde, jetzt schon als etwas Hauptsächliches betont wird.Während die Kaiser früher im Lande umherzogen und sich den Frieden beschwören liefsen,thun letzteres, wahrscheinlich noch in seinem Namen, die Fürsten. Und wie war auch im übrigendie Macht derselben gewachsen! Wie ein König schaltete der Welfe Heinrich in seinemHerzogtume Sachsen. Er berief einen Reichstag nach Regensburg und trat mit allem Glanzeund aller Energie eines Herrschers auf.**) Es ist in der neueren Geschichtsschreibung die Be-hauptung aufgestellt worden, ,das Kaisertum Ottos des Grofsen zu seiner vollen Kraft wiederaufzurichten: in dem Gedanken fasse sich alles zusammen, was Lothar als König und Kaiserbeschäftigt habe." Ich würde die Behauptung nicht unterschreiben. Wie gewaltig hat sich seitdes grofsen Otto Zeiten die Stellung der Fürsten zum Kaiser verändert! Mir scheint eineStimme aus den Zeiten Lothars recht zu haben, welche nicht einstimmt in das allgemeine Lob,sondern das Urteil spricht: ,,Er that nichts, was würdig gewesen wäre der königlichen Majestät,und wollte mit dem Zustande des Reiches keine Ordnung vornehmen." j) Jedenfalls ist auf demWege zur Vielherrschaft das ,heilige römische Reich deutscher Nation" eine bedeutende Streckeunter ihm weiter gekommen.

Freilich den Lauf der Dinge hat auch sein Nachfolger Konrad nicht aufhalten können,obgleich er wieder mehr im Sinne Karls des Grofsen regierte. Manche Ordnung des Vorgängerswurde von ihm rückgängig gemacht.-t) Niemals hat er sich entschlossen, auch nur mit einemseiner Fürsten für eine bestimmte Zeit Frieden zu schliefsen. Ebensowenig freilich hat er zuder so notwendigen Ordnung des Reiches etwas beigetragen, sei es dafs es auf der Grundlage desStaates Karls des Grofsen oder im Sinne der Fürsten geschehen wäre. An Kämpfen hat es während

sehr berühmt." Ähnliche Lobeserhebungen finden sich im sächs. Annalisten, SS VI 770, 775, in den Jahrb. von Pöhide,SS XVI 77, in Helmholds Chronik, SS XXI 44 und an andern Stellen. Viel Gewicht ist auf solche Lobeserhebungennicht zu legen. Wie wird nicht Heinrich IV. gelobt! Otto III. heifst in den Jahrbüchern von Magdeburg, SS XVI157, 161: Iustitia mundi, sectator justitiae.

*) S. 5.**) Geschichte der Welfen, SS XXI 463; die Stelle ist zu bezeichnend, als dafs ich mich enthalten könnte, sie

hierher zu setzen: Igitur Heinricus defuncto patre ducatum ejus adeptus, generalem conventum Ratispone indixit. Quocollecto milite adveniens, quidquid insolentiae in civitate sive extra circumquaque ad aures ejus perlatum est, proindedispensatione judicavit, discrimina bellorum inter principes seu majores terre diu agitata compescuit, pacem firmissimamomnibus annuntiavit et juramento confirmari praecepit, et sic demum accepta a burgensibus pecunia, terrorem cunctis in-cutiens, civitatem egreditur et munitiones et villas predonum et proscriptorum per totam provinciam devastat.

***) Giesebrecht, 105.t) Anselm, Forts. des Siegbert von Gem bloux, SS VI 384.tt) Giesebrecht, IV 178.

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seiner Regierung nicht gefehlt, aber überall, wo vom Frieden die Rede ist, wird nur der alteFriede gemeint, auf dem seither das germanische Staatswesen beruhte. Mit einem einjährigenFrieden hatte Lothar seine Regierung angefangen, vielleicht um seinen Hauptgegner wenigstensfiir diese Zeit in Ruhe zu halten; auch gegen Konrad nahm ein Fürst, der Welfe Heinrich, einefeindliche Stellung ein, er wurde deshalb in die Acht erklärt. Nach vierjährigem Kampfe wurdezu Frankfurt ein Friede geschlossen, wodurch wenigstens einem Teile des Reiches die erwünschteRuhe verschafft wurde.*) Ein allgemeiner und vollständiger Friede für das gesamte Land kamerst vor Konrads Aufbruch zum Kreuzzuge zustande.**) Denselben während der Abwesenheitdes Kaisers aufrecht zu erhalten, war sein auf demselben Reichstage zum Könige gewählterSohn rastlos thätig. Dazu forderte ihn auch noch der Vater von Jerusalem aus auf. Alsim Frühjahr 1149 der Kaiser wieder den Boden seines Reiches betrat, liefs er es seine ersteSorge sein, für den Frieden zu wirk.n. So suchte er auf dem Reichstage zu Frankfurt dieschwebenden Streitigkeiten auszugleichen und die Gemüter zu versöhnen.***) Dafs Konraddaran gedacht habe, durch einen Gottesfrieden die Ruhe in seinem Reiche zu sichern, davonfindet sich keine Spur.-f) Während seiner Abwesenheit erklärt sein Sohn sich bereit, demPapste zu gehorchen, damit das weltliche Schwert mit dem geistlichen zusammenwirke; erbittet um den Schutz (patrocinium) des Papstes, der ihm auch zugesagt wird. Auch fordertder Papst die Bischöfe und Äbte auf, ihm beizustehn, ,damit der Friede unter den dem Königeunterworfenen Völkern unversehrt bleibe." t) Der Papst ist es überhaupt, der in dieser Zeitzur Bewahrung des Friedens viel beiträgt; an ihn wendet man sich nicht nur in geistlichen,sondern auch in weltlichen Dingen, und wiederholt fordert er die Bischöfe auf, von demkanonischen Rechte Gebrauch zu machen.f#t) Dafs aber der Kaiser trotz alledem nicht geneigtwar, auf sein höchstes Recht zu verzichten, hat er noch im letzten Jahre seiner Regierung be-

*) Jahrb. von Pöhlde, SS XVI 681.

**) Wibalds Briefsammlung in: Jaffe, Bibliotheca, 1 111 f. Es heifst darin: ,In zahlreicher Fürstenversammlung

haben wir (Konrad) in Frankfurt, wo wir einen Reichstag abhielten, mit Eifer und Erfolg unter Gottes Hilfe verhandelt,

Es wurde ein allgemeiner Friede über alle Teile nnseres Reiches angeordnet und bekräftigt." Konrad ladet den Papst Eugen III.,

an welchen der Brief gerichtet ist, ein, an den Rhein zu kommen, ,,damit wir", fährt er fort, ,.... in gleicher Weise ver-

handeln und Mafsregeln treffen können, durch welche der Friede der Kirchen und die Satzung der christlichen Religion

durch übereinstimmende heilsame Anordnungen gestärkt, sowie der Zustand des uns von Gott gegebenen Reiches zur

Vermehrung unserer eigenen Ehre durch geeignete Beschlüsse gesichert werde." Eggert, 43, denkt auch hier unrichtiger-

weise an einen Landfrieden, Giesebrecht, der doch auch immer gern von einem solchen spricht, sagt, 260, mit Recht,

es sei ein ,vollständiger Friede" zustande gekommen.

***) Jaffe 165; 163; 121, 155.

t) Vom Gottesfrieden ist in der Briefsammlung Wi balds nirgends die Rede. Auffallend ist, dafs 1133Wolfratshausen

wegen der Fastenzeit von dem Bayernherzoge Heinrich im Kampfe gegen den Bischof von Regensburg verschont bleibt,

während der Kampf sonst fortdauert, Gesch. der Welfen, SS XXI 4{i5. Ein gewisser Folcuin heifst pacis constitutae

in sacra passione dominica violator. Otto von Freisingen klagt, SS XX 267, dafs man sich sogar nicht scheue,

während der Fastenzeit gegen göttliche und menschliche Gesetze zu wüten. Das sind Spuren des Gottesfriedens aus

dieser Zeit. Sie zeigen, dafs die Beschlüsse der Konzilien von 1121, 1131 und 1139, s. Kl uckhohn, 102 ff, nicht ganz

unbemerkt in Deutschland geblieben sind. Es sind durch dieselben aber nur geistliche Strafen angedroht. Die befriedete

Zeit ist sehr abgekürzt.

ft) Jaff6, 120, 121; 155. Heinrich dankt dem Papste dafür, das. 169.

fttf) Zahlreiche Beispiele dafür finden sich in Wibalds Briefsammlung, z. B. Jaff6, 1 122, 152, 157 u. a. Der

Kardinal Guido sagt über diese Hilfe des Papstes: ,,Gewifs würde nach der Abfahrt des Römerkönigs Konrad, wenn esnicht der Herr Papst ganz besonders und ausdrücklich verhindert häitte, gegen seinen Sohn, den jungen König, Aufruhr

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wiesen. Wochenlang war er im April und Mai 1151 in Lothringen beschäftigt, den Frieden

wieder herzustellen, ohne doch, wie es scheint, etwas auszurichten.*) Bei einer streitigenBischofswahl in Utrecht hatte Konrad dem Bischof Hermann die Investitur erteilt. Als nun

die Anhänger des Gegenbischofs sagten, sie hätten die Angelegenheit als eine rein kirchliche

zu Ohren des Papstes gebracht und könnten sich vor dem weltlichen Richter nicht verantworten,erhob der Kaiser gegen sie als Verächter der Majestät bittere Klagen.**) Mit Zustimmung desPapstes blieb Hermann Bischof.

Läfst sich also nicht bezweifeln, dafs während seiner ganzen Regierung Konrad ent-

schlossen gewesen sei, im Sinne eines Karl des Grofsen zu regieren, so ist doch auch nicht zu

verkennen, dafs auch er aufser stande gewesen ist, auf der alten Grundlage den Frieden zu er-

halten. Die zweite Hälfte seiner Regierung ist mit Kämpfen erfüllt. Es erweckt vor allem

eigentümliche Gedanken über den Zustand des Reiches, wenn wir hören, dafs selbst die

Abteien Corvey und Stablo, deren Abt Wibald war, einer der einflufsreichsten Männer am

kaiserlichen wie am päpstlichen Hofe, wiederholt von Gewaltthaten heimgesucht wurden.***)Auch hat es Konrad nicht verhindern können, dafs unter seiner Regierung die Macht der

Grofsen bedeutende Fortschritte machte. ,Als Herzog Heinrich dem neu Gewählten den Eid ver-weigerte und es zum Kampfe kam, entstanden Mord, Raub und Brand in ganz Sachsen, undHeinrich verfolgte die Übelthäter," sagt ein gleichzeitiger Chronist und meint damit die Kaiser-lichen, ,welche das Land in Verwirrung setzten."t) So sehr war schon den Zeitgenossen Konradsdas Bewufstsein geschwunden, dafs der König der alleinige Hort des Friedens und jeder Kampfgegen ihn gesetzwidrig sei, denn diese Sprache findet sich nicht etwa in einer Parteischrift.‹Dann zog Heinrich durch ganz Bayern und übte auf der Grenze desselben am Lech, der StadtAugsburg gegenüber, woselbst er drei Tage lang die Geschäfte des Landes versah, das Amtdes strengen Richters." tt) Man sieht, wie sehr man bereits gewöhnt war, die Herzöge als dieFriedensbringer zu betrachten. Dafs die Fürsten in ihrem Lande selbständig für den Friedensorgten, erscheint bald als die Regel. So suchte nach Heinrichs des Stolzen Tode sein GegnerLeopold durch Gerechtigkeitspflege sein Ansehen in dem ihm übertragenen Lande Bayern zubefestigen. ,Leopold hatte", heifst es, ,das Herzogtum Noricum in seiner Gewalt und r e g i er t ees (potenter habuit et r e xi t)". Um seine herzogliche Macht geltend zu machen, hielt HerzogGottfried von Niederlothringen, sobald es ihm gelungen war, in das von Heinrich von Limburg besetzte

sich erhoben haben und eine nicht geringe Verwirrung entstanden sein", s. auch Gi e s e b r e c h t 330, 487. So oft auch der Papst

befiehlt, von diesem Mittel Gebrauch zu machen, so ist mit Ausnahme des erwähnten Falles dasselbe doch nie für eine

etwaige Übertretung des Gottesfriedens bestimmt, gewifs nicht der geringste Beweis, wie wenig seitens desselben darauf in

dieser Zeit Gewicht gelegt ist.

*) Jaffe, 461: ,Den Frieden in Lothringen wieder herzustellen", klagt Wibald den Mönchen von Corvey,

,,sind wir, so lange wir mit dem Könige da waren, mit brennendem Eifer bestrebt gewesen, aber . . . wir haben nichts

ausrichten können. Wenn in den nächsten zehn Tagen - nach welchen der König in Regensburg einen Reichstag

abhalten mufste - ein definitiver oder zeitweiliger Friede nicht zustande kommt, mufs man an dem Heile des Landes

verzweifeln."

**) Otto von Freisingen, Thaten Friedrichs, SS XX 388 f.***) Jaff6, 129 f, 134 f , 177 f u. s. w.

t) Die Gröfsten Jabrbicher von Köln z. J. 1138, SS XVII 758.f) Otto von Freis., Chron., SS XX 262.

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Herzogtum vorzudringen, einen grofsen Gerichtstag ab.*) Vor allen anderen hatte Heinrich der Löweeine selbständige Macht. Er nannte sich Herzog von Bayern und Sachsen von Gottes Gnaden.**)Die Thätigkeit der Grofsen für den Frieden scheint übrigens erfolgreicher gewesen zu sein,als die des Kaisers. Glücklicher z. B. als Konrad in Lothringen scheint gleich darauf derErzbischof Arnold von Köln in seinem Bistum gewesen zu sein.***) Das Verhältnis der Fürstenzum Kaiser wurde schon wie eine Art Bündnis aufgefafst, durch welches der Friede im Landeerhalten wurde. ,Als 1142", heifst es in einer Chronik, ,,die würdigsten Fürsten von Bayernund Sachsen sich zu Frankfurt, wo der König die Gertrud, die Tochter des Königs Lothar, dieWitwe des Herzogs Heinrich, mit seinem Bruder vermählte, um ihn versammelten und s ich beidieser Gelegenheit die Fürsten mit ihm verbanden, wird der erwünschte Friede derGegend zu teil." ) So werden also schon die Fürsten dem Kaiser als gleichberechtigt aufgefafst. Esist nicht das geringste Zeichen, dafs jedermann meint, er könne auf eigene Hand Frieden

gebieten, wenn wir hören, dafs selbst die Ministerialen des Reiches und der anderen Gewaltenohne Geheifs öfters sur Besprechung zusammengekommen seien und, ohne den König und dieFürsten zu fragen, nach Art der Gerichte allen Recht gesprochen hätten, von welchen sie darumangegangen scien.-t) Der Chronist nennt das eine erstaunenswerte und bisher im Reiche

unerhörte Sache, aber man sieht, dafs nach dem Vorgange der Fürsten bald auch jeder glaubte,

auf eigene Hand für den Frieden sorgen zu dürfen,

Aber wie grofs auch die Schwierigkeiten sein mochten, die Konrad zu überwinden hatte,

niemals hat er daran gedacht, sein höchstes Recht mit den Fürsten zu teilen, niemals hat er

sich dazu verstanden, die Ohnmacht seiner kaiserlichen Majestät dadurch zu offenbaren, dafs er

einen Frieden auf eine bestimmte Zeit abschlofs oder gar ein Fehderecht anerkannte. Wenn

die gewöhnliche Annahme richtig wäre, dafs nur durch die Aufrichtung von Landfrieden die

Kaiser fiü die Ruhe des Reiches hätten sorgen können, und dafs schliefslich dadurch das

Fehderecht, welches mit oder ohne Einschränkung während dieser ganzen Zeit bestanden habe,

eingeschränkt worden sei, so müfste man sich doch wundern, dafs weder der kraftvolle Heinrich V.

noch der energische Konrad in irgend einer Weise nach dieser Richtung thätig gewesen ist. Wie

hoch auch die Macht der Fürsten unter ihm angewachsen sein mochte, auch Konrad hat sich

noch als höchsten Richter über sie gefühlt. Tt t)Ob auf diese Weise zur Zeit am besten für den Frieden gesorgt wurde, ist freilich eine

andere Frage. Während über Lothars Friedensthätigkeit viel Rühmliches gesagt wird, hören

wir tiber die Konrads nichts. ,Die Zeiten dieses Königs", heifst es im Gegenteile, ,waren sehr

*) Forts. des Siegb. von Gembloux, SS VI 387.

*) Giesebrecht, IV 348.'**) Jaff6, 334.

f) Jahrb. von Pöhlde, SS XVI 81. Ahnlich heifst es in den Gröfsten Jahrb. von Köln, XVII 759: ,Denn

die Fürsten, welche sich bisher widersetzt hatten, söhnten sich nun mit dem Kaiser aus und versprachen ihm Treue in jeder

Hinsicht; auch er, mit ihnen versöhnt, gab jedem, was zu seiner Würde gehörte, und liefs es sich dann

angelegen sein, die mit einander im Streite liegenden Fürsten, wie es einem Könige geziemte, zu versöhnen.

ft) Jahrb. von Pöhlde, SS XVI 82.

ttt) ,Wir werden"' , schreibt er dem Abt von Tegernsee, den er zum Reichstage nach Bamberg beruft, ~wenn

Du Klagen über Dir zugefügtes Unrecht vorzubring n hast, dieselben gütig und gnädig anhören und dadurch, dafs wir

volle Gerechtigkeit üben, in alter Freiheit zu beharren bestrebt sein", LL 84 f. So dachte er auch am Ende seiner

Regierung, Jaff6 431, selbst gegenüber dem mächtigsten Fürsten, das. 449.4*

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traurige. Denn Anderung des Geldwertes, ungünstige Witterung, anhaltende Hungersnot undTeuerung, sowie vielfältiger Kriegslärm herrschten unter ihm. Er war selbst ein wackerer Mann,

von ritterlicher Tugend und, wie es einem Könige ziemt, äufserst mutvoll; aber der Staat fing

unter ihm an, von einem gewissen Mifsgeschick erschüttert zu werden (quodam infortuniolabefactari coepit)."*) Das Mifsgeschick kann kein anderes sein, als das Streben der Fürstennach übermäfsiger Erhöhung ihrer Macht. Deshalb mochte er auch mit gleicher Selbstverleugnung,wie Konrad I. bei seinem Tode den kräftigen Heinrich empfahl, die Wahl auf seinen NeffenFriedrich lenken.

Friedrich Barbarossas Politik und die Einräumung des Fehderechtesan die Fürsten.

Das Vorbild Friedrich Barbarossas war Karl der Grofse.**) Gleich nach seiner Wahl

schrieb er an den Papst: ,Wir haben in Wahrheit neben vielerlei äufserem Schmucke zum

würdigen Aussehen eines Königs . .. . auch königliche Gesinnung angenommen, da wir mit der

ganzen Kraft unseres Geistes bestrebt sind, Euch zu ehren und zu achten, unserer heiligen

Mutter, der römischen Kirche, sowie allen kirchlichen Personen bereitwillige und schuldige

Gerechtigkeit und Verteidigung zu teil werden zu lassen, den Witwen und Waisen, sowie dem

gesamten uns anvertrauten Volke Gesetz und Frieden zu schaffen und zu erhalten."***) Dem

Abte Wibald verspricht der Herrscher, für die seinem Kloster zugefügte Gewaltthat eine Strafe

zu verhängen, dafs andere zurückschrecken würden, ähnliches zu begehen.-) Die Bestrafung der

Utrechter, welche sich noch immer weigerten, den von Konrad eingesetzten Bischof Hermann

anzuerkennen, ft) war eine der ersten Herrscherthaten Friedrich Barbarossas. Es konnte sich

noch in der That der kraftvolle Herrscher als höchsten Richter fühlen, weil von diesem Rechte

bisher von keinem Kaiser gesetzlich etwas vergeben war. Noch stand es also den Fürsten

gesetzlich ebenso wenig frei, gegen einander zu kämpfen, wie in den Zeiten des grofsen Karl.

Den Streit über Bayern liefs Friedrich, nachdem zwei Jahre hindurch Heinrich Jasomirgott Ausflüchte

gebraucht hatte, zu Regensburg (11. Juni 1154) durch das Urteil der Fürsten zu Gunsten

Heinrichs des Löwen entscheiden. Freilich murrten die Fürsten infolge dieses gegen einen so

grofsen Fürsten des Reiches gefällten Spruches.'tj) Eine während des Zuges nach Italien in Deutsch-

land ausgebrochene Fehde endete damit, dafs der Mainzer Erzbischof Arnold und der Pfalzgraf

Hermann für schuldig befunden wurden. Den erstern schützte vor Strafe sein Alter, sein ehrwürdiges

Aussehn und die Ehrfurcht vor dem bischöflichen Stande, der Pfalzgraf, sowie zehn mitschuldige

Grafen wurden gezwungen, eine Meile Hunde zu tragen. ,Als dieses so strenge Urteil durch

das ganze Reich bekannt wurde, gerieten alle in so grofsen Schrecken, dafs sie lieber sich

*) Die Gröfsten Jahrb. von Köln, SS XVII 764. Unrichtig urteilt über ihn Otto, Th. Friedrichs,

SS XX 389, der von trefflicher Ordnung aller Verhältnisse spricht; Fehden herrschten während seiner Regierung und bei

seinetn Tode, s. Giesebrecht, 363. An eine Ordnung der Verhältnisse hat er nicht gedacht.

**) HIarzheim, Konzilien, III 390.

*e) Jaffd, 499, 513.

t) Das. 52~.

tt) Otto, Th . Friedr., SS XX 393.ttt) I)as. 9.:

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ruhig verhalten, als kriegerischen Wirren sich hingeben wollten. Zur Vermehrung dieses herr-lichen Glückes trug noch bei, dafs der Fürst überall rastlos umherzog, die Burgen, Befestigungenund Schlupfwinkel einiger Räuber zerstörte, einige, die er gefangen nahm, mit dem Todebestrafte, über andere die Qual des Galgens verhängte".*) Dieser ausführliche und klare Berichtdes mit Barbarossa befreundeten Geschichtsschreibers läfst keinen Zweifel zu, dafs der Kaisernur mit den alten Mitteln zum Ziele zu kommen suchte. Unvereinbar ist damit die Ansichtvon dem Bestehen eines Fehderechtes in dieser Zeit. Auch dachte der Kaiser nicht daran,einen besondern Frieden abzuschliefsen, nur liefs er den Zug nach Mailand auf dem Reichstagezu Fulda 1157 von den Fürsten beschwören, die sich eidlich verpflichteten, denselben gleich nachPfingsten des folgenden Jahres anzutreten. Vor demselben brachte er auch betreffs Bayerns, dasallein sich noch des vollen Friedens nicht erfreute, im September zu Regensburg eine voll-ständige Aussöhnung zu stande. Heinrich leistete nun ebenfalls jenen von den Fürsten ge-schworenen Eid.**) An dem Zuge, der wie bestimmt war, im Frühjahre 1158 angetreten wurde,nahm der österreichische Herzog auch wirklich teil.

*) Das. 412. Giesebrecht, 74 ff, spricht wiederholt davon, dafs an verschiedenen Orten Landfrieden aufgerichtetseien. Ich kann nur finden, dafs Friedrich überall, wo er die feindlichen Gemüter versöhnt hatte, in der alten Weise denFrieden herstellte, welcher nicht als Landfrieden bezeichnet werden sollte, da mit diesem Ausdrucke sich ein bestimmterBegriff verbindet, der sich lange nicht mit dem des alten Friedens oder Königsfriedens deckt. Auf eine Widerlegung imeinzelnen kann ich nicht eingehen, da die Beweisstellen von Giesebrecht für diese Zeit noch nicht veröffentlicht sind.Dafs Friedrich, wie Eggert, 44, behauptet, provinzenweise den Frieden hergestellt habe, ergiebt sich aus den Quellen auchnicht. Wenn Hermann von Altaich, SS XVII 382, sagt: Hic in principio regni omnium Teutonicorum favorem habens, perdistricta judicia pacem optimam fecit in omnibus partibus regni sui, so kann darunter nur der allgemeine Friede verstandenwerden, ebenso bei den andern von Eggert angeführten Stellen.

"*) Die beiden Stellen lauten Otto, Th. Friedr, SS XX 414: Ex judicio igitur principum expeditionem contra Medi-olanum a proximo pentecosten ad annum juratum tibi indicimus, und 415: Sequenti die in publico residens consistorio, neBaioaria ulterius totius regni quietis immunis esset, treugam a proximo pentecosten ad annum jurari fecit. Natürlich denkenGiesebrecht u. a. auch hierbei wieder an einen einjährigen Frieden. Wenn derselbe, 95, sagt: ,Am Tage nach demAbschlusse des Vertrages zwischen den beiden Heinrichen liefs der Kaiser einen Landfrieden bis Pfingsten über das Jahrvon den bairischen Grofsen beschwören", so befindet er sich im doppelten Irrtum. Zu Fulda wird im März 1157, wiedie Stelle zweifellos dem Wortlaute und den Thatsachen nach nur übersetzt werden kann, von den Fürsten das eidlicheVersprechen abgegeben, zu Pfingsten über ein Jahr den Zug antreten zu wollen. Denn der König mufste einen Zugnach Italien ein Jahr und sechs Monate vorher ansagen, s. Const. de expeditione Romana, LL II 2. Teil S. 2 ff. Frei-lich gehört die Urkunde zu den unächten, jedoch entspricht der Inhalt, wie das auch sonst der Fall ist, ganz den Ver-hältnissen dieser Zeit, was Pertz a. a. O. richtig bemerkt hat. Ähnlich urteilen darüber Eichhorn, I, 314, Homeyer,Sachsenspiegel, Teil II Bd. 2 S. 2 u. a. Auch das sächsische Lehnrecht enthält diese Bestimmung. Mithin kann überden Sinn dieser Stelle kein Zweifel sein. Friedrich macht auch in der That keine Anstalten, in diesem Jahre noch denZug über die Alpen anzutreten. Von einem Landfrieden kann hier glücklicherweise niemand sprechen, da doch zu deut-lich angegeben ist, dafs nur der Römerzug beschworen wurde, und zwar gilt, wie sich zweifellos ergiebt, der Schwur fürdie unbestimmte Dauer des Krieges. Man hätte nun aber nicht übersehen sollen, dafs beide Stellen denselben Wortlautenthalten. Da nun die erste Stelle zweifellos so aufzufassen ist, dafs der Zug nach etwa einem Jahre und sechs Wochenangetreten werden soll, so kann die Zeitbestimmung, welche dort vom Zuge angegeben wird, hier auch nur von der treugagelten; dafs der Zug zum zweiten Male erst im September beschworen wird und es wieder heifst a proximo pentecosten,ist natürlich so zu verstehen, dafs jener Zug, der früher für diese Zeit beschworen war, auch hier eidlich bekräftigt wurde.Der Wortlaut beider Stellen stimmt zu auffallend überein, als dafs man eine andere Erklärung geben könnte. Wird dochauch fast immer der Friede, welcher für eine bestimmte Zeit bekräftigt wird, fiür die Zeit vom nächsten grofsen Feste abauf ein oder mehrere Jahre festgesetzt. Auch in dieser Beziehung würde unser Friede auffallend sein. Also hat Giese-brecht unrecht, wenn er sagt, bis Pfingsten über das Jahr sei der Friede beschworen, er hat aber auch zweitens nichtecht, wehn er hier wieder an einen Landfrieden denkt. Zunächst steht hier nichts vom Landfrieden, das hier gebrachte

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Die sechsiährigen angestrengten Bemühungen Barbarossas, in seinem ganzen Reiche den

allgemeinen und vollen Frieden zur Herrschaft zu bringen, waren nicht vergeblich gewesen.

,Nun lächelte dem ganzen Reiche nordwärts der Alpen eine so grofse Heiterkeit des Friedens,dafs Friedrich nicht allein Kaiser und Augustus, sondern auch Vater des Vaterlandes genannt

wurde".*) Friedrich, der schon von den deutschen Fürsten das Versprechen, am Zuge teilzu-

nehmen, sich hatte eidlich bekräftigen lassen, berief gleich nach seiner Ankunft in Italien eine

Fürstenversammlung und erliefs ein Heergesetz, wie auch bereits 1155 geschehen war.**) Dafs

Wort treuga hat, wie bereits angegeben ist, s. S. 12 A., hier wir sonst die Bedeutung von eidlich gegebenem Versprechen, und

dieses Versprechen kann, wie es der Zeit nach mit dem zu Fulda geleisteten Eide übereinstimmt, auch dem Sinne nach

nichts anderes sein. Wie vorsichtig die Nachrichten über Frieden, welche der Kaiser auf eine bestimmte Zeit

habe beeidigen lassen, aufzunehmen sind, ist gezeigt, Nach Lothar ist, zunächst von unserer Stelle abgesehen, kein Fall

auch nur mit Scheingründen zu belegen, dafs die Kaiser sich zu solchem Zugeständnisse verstanden hätten. In den

ganz vereinzelten Fällen, wo von einem zeitweiligen Frieden des Kaisers die Rede ist, wird, wie ich es wenigstens

glaube wahrscheinlich gemacht zu haben, derselbe vom Kaiser in der Hoffnung abgeschlossen, es inzwischen zur vollen

Aussöhnung mit einzelnen Fürsten zu bringen, oder in der Absicht einzelne Fürsten wenigstens für einige Jahre, in denen

dem Kaiser die Überwachung des Friedens unmöglich ist, zu beruhigen. Ohne Zweifel trat in diesen Fällen der Friede

sofort nach Ablegung des Eides ein. In unserm Falle würde der Friede erst eine lange Zeit nach dem Eide eintreten,

was doch unerhört wäre. Oder soll man annehmen, dafs in den beiden Stellen genau dieselben Worte: a proximo pentecosten

ad annum eine verschiedene Zeitangabe enthielten? Noch vieles andere wäre bei Giesebrechts Annahme höchst merk-

würdig. Wenn der Friede nur für etwas länger als ein Jahr beschworen wäre, so würde er abgelaufen sein in der Zeit,

in welcher die Fürsten mit dem Kaiser sich auf der Romreise befanden, und gerade in dem Lande, welches doch, wie

bestimmt angegeben ist, durch das Abkommen auf dem Regensburger Reichstage ,an der im ganzen Reiche herrschenden

Ruhe ferner nicht unteilhaftig sein sollte", hätte es alsdann nur einen Frieden noch für kurze Zeit gegeben. Das also

wäre der Dank gewesen an das Land, dafiür dafs es seine besten Kräfte dem Kaiser zur Verfügung stellte und auch noch

manches andere Opfer brachte; denn wir wissen bestimmt, dafs Heinrich Jasomirgott sich dem Zuge anschlofs, und dafs

Heinrich der Löwe etwas später dem Kaiser über die Alpen folgte, Ich glaube genug Gründe vorgebracht zu haben, dafs

auch dieser Landfriede nichts ist als eine Erfindung. Damit fällt von selbst die Ansicht des Pertz, dafs der Landfriede,

LL II 101, von Friedrich Barbarossa errichtet sei. Die Urkunde ist ohne Tag und Jahr überliefert; dafs dieselbe in die erste

Zeit Friedrichs gehöre, ist von Pertz ohne Beweis behauptet, und Giesebrecht ist ihm hierin gefolgt. Auf seine Beweise

bin ich gespannt. Waitz, 439 A. 3, drückt sich sehr vorsichtig aus, ebenso Eggert, 43 A. 2. Die Urkunde gehört nach

meiner Ansicht in die Zeit der Herrschaft des Fehderechtes und ist, wie Waitz richtig bemerkt, mit der LL II 267 mit-

geteilten verwandten Inhalts.

*) Otto, Th. Friedr., SS XX 415.

S^) Rahewin, Fortsetzung, 431. Eine Ähnlichkeit dieser Verordnung mit einigen der früher angeführten Friedensbe-

stimmungen ist nicht zu verkennen. Während durch e 1 des Heergesetzes Streitigkeiten überhaupt verhütet werden sollen, sind

z. B. am Anfange des Juramentum, LL II 58, Strafen besonders für solche Fälle festgesetzt, welche vorzukommen pflegen,

wenn Tausende von Streitlustigen zusammenleben. In dem sogenannten Kgl. Landfrieden von 1097, Waitz, Urk. 14,

ist am Anfange den durch Königsbann geschützten Personen Schutz zugezichert. Derartige Bestimmungen hatte der Kaiser

nicht nötig. In e 2 des Heergesetzes ist für Verwundung das Abhauen der Hand, in 3 für Totschlag die Todesstrafe

bestimmt. Im Juramentum ist die Verwundung ebenfalls gleich am Anfange aufgeführt und gleichfalls mit Verlust der

Hand oder der Augen bedroht. Wahrscheinlich war im Lager diese Strafe die gewöhnliche, Friedrich bestimmte nur

eine höhere Strafe für den Totschlag und setzte fest, auf welche Weise man der Verbrechen überführt werden sollte.

Der Schutz der Kaufleute ist in e 5 vorausgesetzt und in e 12 Brandstiftung mit besonderer Strafe belegt. Häufig mochte

aufser diesen Verbrechen im Kriege Diebstahl vorkommen, deshalb sind in den zur Vergleichung mit dem Heergesetze

Friedrichs herangezogenen Urkunden darüber eingehende Bestimmungen; den Verhältnissen mehr entsprechend ist in jenem

nun über den durch einen Knecht begangenen Diebstahl genaueres festgesetzt. Ein anderes Verbrechen im Kriege war

Frauenraub, darüber enthalten alle unsere Urkunden eingehende Bestimmungen. d 16 des Heergesetzes enthält die Erlaubnis,

sich der Vorratsgruben zu bedienen. Dafs aus der Bestimmung der Strafe für Diebstahl sich ergiebt, es sei dem Heereerlaubt gewesen, Vorräte zu nehmen, ist früiiher angegeben. In dem Kgl. Landfrieden ist diese Erlaubnis geradezu erteilt.

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dieser Friede noch besonders beschworen wurde, ist wahrscheinlich.*) Wichtiger als solche

Heergesetze, die nur für einen Feldzug Geltung hatten, waren für die Entwicklung der staat-

lichen Verhältnisse das auf den ronkalischen Gefilden vom Kaiser erlassene Lehnrecht und das

Friedensgebot; von jenem ist es sehr wahrscheinlich, von diesem zweifellos, dafs die Bestimmungen

auch nördlich der Alpen Gesetzeskraft haben sollten.**) ,Alle Unterthanen unseres Reiches",

heifst der Anfang des Friedensgesetzes, ,sollen einen wahren und beständigen Frieden unter

sich beachten, und unverletzt soll er unter allen fortan gehalten werden." Das ist eine Ver-

ordnung, wie man sie nach der bisherigen Wirksamkeit des Kaisers nicht anders erwarten kann.

Etwas Neues damit einzuführen, hat Friedrich nicht beabsichtigt, weil das Grundgesetz, dafs

jeder Unterthan ohne Ausnahme durch den alten Frieden gesichert sein solle, so oft auch gegen

dasselbe verstofsen war, noch immer, seitdem es überhaupt germanische Staaten gab, als zu

Recht bestehend angesehen werden mufste. Trotz mancher Mängel des Gerichtsverfahrens hatte

doch jeder gewöhnliche Mann mehr, als man gewöhnlich annimmt, noch seinen Richter gefunden,

durch den er im Frieden geschützt wurde; neu mochte schon manchem Grofsen erscheinen,

dafs alle im Reiche Friedrichs Lebenden einfach als Unterthanen bezeichnet wurden und in

ganz gleicher Weise zum Frieden gezwungen sein sollten. Noch immer also sollten alle Fehden

als Verbrechen angesehen werden, und gerade jetzt war Friedrich von dem Gedanken, den

Fürsten das Recht zum Kampfe einzuräumen, weit entfernt. Auch nachdem der Kaiser seine

dem Papste und den Mailändern gegenüber zu hochgespannten Forderungen gemäfsigt und so

durchgesetzt hatte, hat er in Deutschland sich zur Aufrichtung besonderer Frieden nicht ver-

standen, wohl aber fuhr er fort, in der Weise seiner Vorfahren den allgemeinen Frieden

beschwören zu lassen, wenn derselbe gestört war.***)

Trotzdem aber der Kaiser sich bestrebte, wie Karl der Grofse zu regieren, läfst sich

doch nicht verkennen, dafs auch von ihm das natürliche Wachstum der Fürstenmacht nicht

zurückgehalten ist,t) eher ist dasselbe durch ihn gefördert worden. Sehr bezeichnend, wie der

Kaiser gleich am Anfange seiner Regierung sein Verhältnis zu den Fürsten auffafste, ist ein

Vertrag, den er mit dem Herzog Bertholf wie mit einem gleichberechtigten Fürsten abschlofs.ft)

Dem Herzoge von Österreich verlieh er Rechte, wie sie bis dahin ein deutscher Fürst nicht

besessen hatte.ttt) Unter Friedrich hatte auch Albrecht der Bär, vor allem Heinrich der Löwe

In ee 21-25 des Heergesetzes sind Jagdbestimmungen erlassen. Andere Bestimmungen desselben, z. B. ee 15, 17, 18, 20,

sind durch die besonderen Verhältnisse erklärlich. Trotz aller Verschiedenheit also durfte doch eine Ahnlichkeit der in

eine frühere Zeit gehörenden, aber nicht unter ungleichen Verhältnissen entstandenen Urkunden nicht zu verkennen sein.

*) Die andern Heergesetze Friedrichs sind beschworen, s. Otto, Th. Friedr., SS XX 399; Arnold

von Lübeck, SS XXI 171; die gröfsten Jahrb. v. Köln, SS XVII 797.

**) Rahewin, SS XX 447 ff. Wenn es in dem Friedensgebote am Anfange heifst: ,,Wir Friedrich . . . befehlen

allen dem Reiche Unterworfenen durch dieses Edikt als Gesetz, welches auf ewig Kraft haben soll, dafs alle unserem Reiche

Unterworfenen einen wahren und dauernden Frieden unter einander bewahren", so kann doch nichts anderes darunter

verstanden werden, als dafs auch die Unterthanen in Deutschland an dieses Gesetz gebunden sein sollten.

***) So 1169 zu Walhausen bei Sangerhausen, wo er den Frieden erneuerte und die Friedensstörer mit sich fort-

führte, Jahrb. von Pöhlde, XVI, 94.t) Zu Ende des 12. Jahrhunderts hat sich ein Reichsfürstenstand gebildet, s. Ficker, 94 ff. Zu gleicher Zeit

hört der Gebrauch auf, die Grofsen, welche nicht Fürstenrang haben, in Beziehung auf einen kleinen staatlichen Kreis

als Principes zu bezeichnen.

tt) Jaffe, 514.

ttt) Die Zugeständnisse sind in Otto, Th. Friedr., SS XX 412, nur angedeutet. Die Urkunde in LL II 99 ff, nach

welcher unter andern bisdahin unerhörtenZugeständnissen der Herzog auch schon ein vom Kaiser unabhängiges Gericht in seinem

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in der That eine königliche Macht, zu deren Vermehrung nicht wenig die Verleihung Bayernsals zweiten Herzogtums beitrug. In dem von ihm unterworfenen Lande der Wenden hatte ersogar das Recht, die Bischofstühle zu besetzen.*) Auch leg e er Städte an und verlieh denselbenRechte. ,So wuchs die Macht des Herzogs über alle, welche vor ihm gewesen waren, er wurdeFürst der Fürsten seines Landes." Mit einer Regierung im Sinne Karls des Grofsen,welcher doch das Vorbild Friedrichs war, liefs sich eine solche Macht nicht vereinigen. Bereitshatte man sich überhaupt gewöhnt, in den Fürsten die Hüter des Friedens zu sehen.**) Daherverordnete 1179 der Kaiser, dafs über Fälle des besondern Königsbannes, über dessen Beachtungschon die einzelnen Fürsten mehr als der Kaiser zu wachen pflegten, auch die Grafen einesLandstriches am mittleren Rheine, wo es keine gröfseren Fürsten gab und die kaiserlichen Güterlagen, zwei Jahre lang richten durften. Er that es, nachdem er selbst dieses höchste Gericht dort ausgeübthatte, auf besondere Bitten und gewifs auch aus dem Grunde, weil der Kampf mit Heinrich inAussicht stand, da er fürchten mufste, sich während der Zeit um die Gerechtigkeitspflege desjenigenLandes nicht kümmern zu können, über welches er sich nicht blofs als Kaiser, sondern auch als Fürstfühlte, und welches leicht während der ringsum tobenden Kämpfe von Gewaltthaten heimgesuchtwerden konnte.***) In der That hatte er nach zwei Jahren den mächtigsten Fürsten seinesReiches niedergeworfen. Als er bei dieser Gelegenheit von neuem den allgemeinen Frieden

Lande soll erhalten haben, ist, wie Wattenbach, Archiv f. österreich. Geschichtsqu., VIII77 ff nachgewiesen hat, gefälscht,s. Huber, in Sitz.-Ber. der kaiserlichen Akademie der Wiss., Phil.-histor. Klasse, XXXIV 41. Die ächte Urkunde,genannt privilegium minus, gedruckt im Archiv, 110 f, ist wohl von O. Lorenz in der Zeitschrift f. d. österr. Gymn., VIII97, ohne Grund angezweifelt, s. Ficker, Sitz.-Ber. XXIII 489. Die zum Herzogtume erhobene Grafschaft wird selbst inweiblicher Linie für erblich erklärt und kann, wenn keine Kinder sind, frei vergeben werden. ,Keine Person soll imBereiche des Herzogtumes ohne des Herzogs Zustimmung oder Erlaubnis irgend welches Recht auszuüben sich anmafsen."Der Herzog braucht keinen andern Dienst dem Reiche zu leisten, als auf den Reichstagen in Bayern zu erscheinen, undist nur verpflichtet, Kriegsdienste in die Österreich benachbarten Lande zu leisten. Auf solcher Grundlage erstwar ein Fehderecht möglich.

*) Helmhold, SS XXI 81, 94.**) In den Jahrb. von Altaich, SS XX 818, heifst es z. B.: ,In dieser Zeit brachen unter den bayerischen

Fürsten Kämpfe aus; infolge dessen wurden viel Menschen tot geschlagen, der Augen beraubt oder an anderen Gliedernverstümmelt. Herzog Otto kümmerte sich nicht darum."

***) Die höchst interessante Urkunde ist gedruckt in Böhmer, Acta, I 130. Wegen des so vieldeutigen Aus-druckes pax ist natürlich auch hierbei wieder an einen Landfrieden gedacht worden. Was es aber heifsen soll, dafs füreinen kleinen Teil des Reiches der Kaiser einen zweijährigen Landfrieden aufgerichtet habe, ist mir nicht klar. Niemandkann doch allen Ernstes glauben, dafs im ganzen Mittelalter vollständige Rechtlosigkeit geherrscht habe, und dafs derselbennur zeit- und streckenweise durch wenige Gesetze etwas gesteuert sei? Ein solcher Zustand ist an und für sich eineUnmöglichkeit; es hat im Mittelalter gerade der gewöhnliche Mann noch seinen Schutz beim Richter gefunden. Dasergiebt sich unter anderem aus Lothars Frieden von 1135, sowie aus dem Landfrieden von 1235. Dort heifst es: ,Wenn jemand denFrieden bricht, so soll er nach dem Gesetze und Rechte jedes Landes Strafe erleiden", SS XII 513, hier: ,Mag man auch imganzen Deutschland nach den von alters her überlieferten Gewohnheiten und nach dem nicht aufgeschriebenenRechte leben, so sinddoch gewisse schwierige Fragen nicht aufgeklärt" u. s. w., LL11313. An unserer Stelle heifst es ausdrücklich, dafs dervon Karl dem Grofsen errichtete Friede eingeführt sei, das kann nur der Königsfriede sein, der zwar nicht von ihm ein-geführt, aber doch mit Zusätzen vermehrt und befestigt war, denn überhaupt galt dieser mächtigste der Herrscherauch als der Begründer dieses Friedens. Das Edikt kann Friedrich aus keinem andern Grunde für zwei Jahre erlassenhaben, als weil er in diesem Lande die Rechte, welche er sonst selbst ausübte, den Grafen für dieZeit übertragen wollte, in der er voraussichtlich mit dem Kampfe gegen Heinrich den Löwen beschäftigt war. Geradedieser Teil des Reiches, sonst als Rheinfranken bezeichnet, war ohne gröfsere ftirstliche Macht und enthielt die grofsenkaiserlichen Güter. Während, wie wir gesehen haben, in den übrigen Teilen des Reiches die Fürsten in dieser Zeit schonmit stiller Genehmigu-g des Kaisers für den Frieden sorgten, safs Friedrich hier noch selbst zu Gericht, und er wird,

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beschwören liefs*,) mochte er hoffen, endlich die letzten Jahre seiner Regierung in Ruhe ver-

leben zu können. Aber bald begann wieder der Zwist mit dem Papste. Herzog Bernhard

konnte nicht wie Heinrich der Löwe den Frieden im Norden Deutschlands aufrecht erhalten.**)

Auch erhob sich am Rheine ein bedenklicher Widerstand gegen den Kaiser.***) Gerade in dieser Zeit

erscholl die Nachricht vom Falle Jerusalems, welche ganz Europa, besonders den greisen Kaiser

in Bestürzung versetzte. Deshalb machte er seinen Frieden mit dem Papste und suchte, so gut

es eben ging, auch dafür zu sorgen, dafs während des beabsichtigten Kreuzzuges das Gesetz

herrsche. Zu dem Zwecke erliefs er zu Nürnberg Bestimmungen über Verheerungen des Eigentums

und gestand den Fürsten, die längst sich als Herren über Krieg und Frieden gefühlt hatten,

das Recht der Fehde unter der Bedingung zu, dafs dieselbe wenigstens drei Tage vorher

angesagt würde.-) Diese Wendung der Politik kann nicht mehr auffallend erscheinen. Den

Lombarden und dem Papste gegenüber hatte er einst verhältnismäfsig ebenso hohe Ansprüche

erhoben wie seinen Fürsten gegenüber. Wie viel er von jenen Forderungen abgelassen hat, ist

bekannt, weniger bemerkt ist, dafs er am Ende seiner Regierung seine Politik in auffallen-

der Weise auch den Fürsten gegenüber geändert hat. Hier wie dort stellt er, nachdem er mit aller Kraft

wie es ausdrücklich heifst, bei dieser Gelegenheit gebeten, den Frieden Karls des Grofsen, also den Königsfrieden, für

dieses Land zu gebieten. Die Bewachung vertraute er den Grafen an. Eine solche Befugnis für immer aus der Hand

zu geben, war der Kaiser nicht gesonnen, er that es also nur fiir die Zeit von zwei Jahren, weil der Kampf mit Heinrich

dem Löwen bevorstand und er für diese Zeit durch denselben in Anspruch genommen zu sein fürchtete. Den Grafen

wird z. B. das Recht der Achtserklärung gewährt; freilich sollten sie, wenn sie eine solche verhängt hätten, noch vor ihm

erscheinen, um sich dieselbe bestätigen zu lassen. Die Stelle lautet: Si malefactores legitime citati ad ternas inducias

quatuordecim dierum venire contempserint, ipsi . . proscribantur . .. Iudices malefactorum proscriptores ad praesentiam

imperatoris debent venire et a sua clementia postulare, ut illos sua proscribat auctoritate. Bei meiner Annahme erklärt

sich der gesamte Inhalt der Urkunde, dessen Erklärung noch nicht gelungen ist. Es ist nicht schwer nachzuweisen, dafs

die einzelnen Bestimmungen mit Fällen des Königsbannes zur Zeit Karls des Grofsen übereinstimmen, obgleich im Laufe

der vier Jahrhunderte, welche dazwischen liegen, und auch bei dieser Gelegenheit kleinere Anderungen getroffen sind.

Meine Ansicht bestätigt auch vor allem die Unterschrift der Urkunde, welche auf andere Weise kaum erklärt werden kann

nur der Kaiser, der Pfalzgraf und die beteiligten Grafen haben unterschrieben.

*) Chronik von St. Peter in: Geschichtschr. d. d. Vorz. XII Jahrh. IV Bd. S. 49 f.

**) Arnold v. Lübeck, Chronik, SS XX 142 f.

***) Scheffer-Boichorst, Kaiser Friedrich I. letzter Kampf mit der Kurie, 99 ff.

t) Chronik von Ursperg, SS XXIII 361. Die Stelle, in welcher zum ersten Male das Fehderecht eingeräumt

ist, lautet: ,Wir haben auch festgesetzt, dafs, wer auch immer einem andern Schaden zu machen oder ihn selbst zu

verletzen beabsichtigt, wenigstens drei Tage vorher durch einen sichern Boten ihm widersage (diffiduciet, was in den

deutschen Landfrieden Rudolfs durch widersagen ausgedrückt ist; fiducia, wovon offenbar das Zeitwort gebildet ist, heifst

das Pfand, diffiduciare also, sich des Pfandes wegen entzweien, was offenbar dem Wesen der Fehde entspricht, deren

eigentliche Ursache nicht in der Rache, sondern darin zu suchen ist, dafs das Pfandrecht, die Macht, diejenigen, welche

über ein Objekt stritten, durch ein Pfand zur friedlichen Ausgleichung vor dem Richter zu zwingen, die schwächste

Stelle des deutschen Rechtes war). Merkwürdig erscheint in der genannten Chronik die Vorbemerkung zu

dem amtlichen Aktenstücke: Eo anno Fridericus imperator iam cruce signatus conventum principum apud Nurinberc

coadunavit, ubi de pace terrae disposuit et in litteras redigi iussit, quas litteras Alemanni usque in praesens fridebrief, i. e.

litteras pacis vocant nec aliis legibus utuntur, tamquam gens agrestis et indomita. Wer ohne weiteres annimmt, dafs

nur rechtl0se Zustände im Mittelalter geherrscht haben, wird natürlich diese Stelle zum Beweise seiner Ansicht verwerten.

Aber erstens ist dabei zu bedenken, dafs der Verfasser aus einer italienischen Quelle ausgeschrieben hat, s. Wattenbach

II 314, und gerade diese Worte deuten auf die verschiedenen Verhältnisse und die den Deutschen feindselige StimmungItaliens hin. Zweitens enthalten denselben Sinn, aber in richtiger Weise ausgedrückt die schon erwähnten Ein!eitungs-

worte zu dem Landfrieden Friedrichs II. des Jahres 1235: Licet per totam Germaniam constituti vivant in causis et negotiis

privatorum consuetudinibus antiquitus traditis et jure non scripto; quia tamen ardua quaedam, quae generalem statum et

1.-c. 5

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eine wahrhaft kaiserliche, aber nicht mehr zeitgemäfse Politik zu verfolgen versucht hat,schliefslich wirklich erreichbare Forderungen. So hatten die Fürsten doch endlich erreicht, wo-nach sie so lange gestrebt hatten. Seit dieser Zeit hat die Macht der Fürsten zum Schadendes monarchischen Charakters des deutschen Reiches immer mehr zugenommen, wovon nur noch in

Kürze die wichtigsten Beweise angeführt werden können.

Während in der Zeit Heinrichs VI. es zwar an inneren Kämpfen nicht fehlt, jedoch noch

nicht einmal von neuen Vereidigungen, geschweige von Friedensbestrebungen die Rede ist, sodafs es fast scheint, als habe das Gesetz seines Vaters Geltung behalten, wurde durch die ersteDoppelwahl und den darauf folgenden Bürgerkrieg die Macht der Fürsten wieder bedeutendvermehrt, da die beiden Könige, wo sie gerade das Übergewicht hatten, den Frieden sichbechwören liefsen.*) Auf dem Reichstage zu Frankfurt schwur am 11. Nov. 1208 zuerst derKönig, was zum ersten Male unter diesen Umständen erwähnt wird, dann die übrigen Fürsten,einen dauernden Frieden zu Wasser und zu Lande aufrecht zu erhalten, alle ungerechten Er-

hebungen an Steuern abzustellen und alle von Karl dem Grofsen eingesetzten Rechte zu

beobachten und beizubehalten.**) Wenn dann in ähnlicher Weise auf den folgenden Reichstagen

die Anerkennung Ottos von slavischen Völkern und dem päpstlichen Gesandten beschworen

wird,***) so ergiebt sich auch daraus, dafs die Fürsten schon wie Gleichberechtigte dem Kaiser

gegenüberstehen. Die erste Thätigkeit des am 25. Juli 1215 zu Aachen feierlich gekrönten

Königs Friedrich war das Gebot des Landfriedens zu Köln.-)

tranquillitatem imperii reformabant, nondum fuerant specialiter introducta, . . .. constituciones quasdam certis capituliscomprehensas . . . fecimus promulgari. Also nicht sowohl um den gewöhnlichen Leuten zum Rechte zu verhelfen, sondernum die allgemeinen Verhältnisse des Reiches zu ordnen, ist das Gesetz erlassen. Diese letztern konnten einen Italienerfreilich zu jenen Worten verleiten. Davon dafs durch Friedrich Barbarossa das Fehderecht eingeschränkt worden sei, kann,nach meiner Ueberzeugung nicht die Rede sein. Selbst angenommen, dafs ein solches bestanden habe, so bliebe doch ganz unauf-geklärt, weshalb auch nicht einer der vielen kräftigen Herrscher vor Barbarossa dieses Recht zu beschränken versucht haben sollte.

Wie wenig die sogenannten Landfrieden ein solches wenigstens zeitweise eingeschränkt haben, ist wiederholt klar gelegtworden. Schon die Unsicherheit des Materiales, wovon die ganze Theorie des Fehderechtes und der Landfriedensgesetz-gebung aufgebaut ist, hätte davon überzeugen müssen, dafs in demselben nur Versuche, zum Frieden zu gelangen, unsvorliegen. Diese Unsicherheit des Materiales ist nur erklärlich bei der Annahme, dafs die Kaiser sich solchen Bestre-bungen gegenüber bis dahin ablehnend verhalten haben. Dafs erst aus der Zeit Friedrich Barbarossas sichereFriedensinstruinentevorhanden sind, erkennt auch Datt, De pace publica, 65, 618 f. Die sichere Deutung des ganzen so unsichern Materialeswird kaum jemals gelingen, dafs aber in allen jenen Bestrebungen nicht, wie man geglaubt hat, die Versuche znfinden sind, einem Fehderecht ein Ende zu machen, sondern darin im Gegenteile der Ursprung desselben zusuchefn ist, welches dann zum ersten Male durch Friedrich Barbarossa gesetzlich zugestanden wird, glaube ich bewiesenzu-haben. Ich gebe also Barthold, Gesch. d. d. Städte, II 29, 90, Recht, welcher sagt, dafs Friedrich Barbarossa,die füirstliche und ritterliche Selbsthülfe, das Faustrecht, gesetzlich und ehrenhaft gemacht" habe.

*) Z. B. die Gröfsten Jahrb. v. Köln z. J. 1207, SS XVII 822.

**) A. a. O. 823. Ähnlich die Chr. v. St. Peter, 67 f, kürzer die Jahrb. von Stade, SS XVI 355, und Otto vonSt. Blasien, SS XX 322. Es ist zu merken, dafs der Wortlaut der Friedensschlüsse ein anderer wird: die Fürsten geloben,die ungerechten Steuern aufzugeben, worüber auch im Landfrieden Friedrichs II. Bestimmungen getroffen werden, und dieGesetze Karls des Grofsen zu beachten, was offenbar den Sinn hat, dafs sie füir die Ausführung derselben sorgen werden.

*~*) Arnold, SS XXI 246.

t) Die Grö fsten Jahrb. von Köln, SS XVII 828. Hier heifst es ähnlich, nur noch deutlicher wie über denFrieden zu Frankfurt: ,,Der König befiehlt allen anwesenden Edlen aus Ober- wie aus Niederdeutschland, den falschenMiinzen und den ungerechten Erhebungen von Steuern eidlich zu entsagen und einen dauerhaften Frieden zu begründen."Das ist der wesentliche Inhalt der Landfrieden Friedrichs II und Rudolfs von Habsburg.

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Die Landesherrlichkeit der Fürsten ergiebt sich unter anderm auch aus den Verträgen,welche Otto und Philipp mit einzelnen derselben abschliefsen.*) Wie einst Heinrich der Löwe,nennen sich jetzt überhaupt die Fürsten ,von Gottes Gnaden",**) und wie Herrscher von GottesGnaden stellen sie Urkunden aus.***) Ohne gegen das königliche Ansehen zu verstofsen, machensie Frieden und Bündnisse unter einander. Unter solchen Umständen erscheint es erklärlich,dafs urkundlich die Fürsten bereits als Landesherren bezeichnet werden; sie üben die höchsteGerichtsbarkeit unabhängig vom Kaiser aus und sind zur Landesregierung berechtigt. Sie habendie Befugnis, Verordnungen zu erlassen, und sind jetzt selbst berechtigt, Landfrieden auf-zurichten.)

Damit hat sich eine der wichtigsten Veränderungen, welche die deutsche Geschichte seit der

Völkerwanderung kennt, vollzogen. Neben andern wichtigen Rechten haben nunmehr dieFürsten auch gesetzlich die Macht, ihre Streitsachen mit dem Schwerte auszufechten. Den neuenVerhältnissen eine gesetzliche Grundlage zu geben, sind Friedrich und sein Sohn Heinrich. sowieRudolph von Habsburg besonders bestrebt gewesen.

*) Z. B. LL II 206, 209, 218 ff; in ähnlicher Weise sind Biindnisse mit dem Könige Englands und demFrankreichs abgeschlossen, das. 207, 223.

*5) Das. 270 f.

5*) Das., 290, heifst es: Per hoc praesens scriptum notum fieri volumus modernis et posteris etc.

t) Näheres darüber Zöpfl, II 278 ff.

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