Date post: | 06-Apr-2015 |
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Die Rolle des EBR bei transnationalen Restrukturierungen im Konzern
Eckhard Voss
11. DPA-djp Konzerneforum Wien, 3. Dezember 2009
Restrukturierung – Unterschiedliche Ausgangslagen und Anforderungen an den EBR
Eckhard Voss 3
Was ist Restrukturierung?
„Restructuring is the form taken at enterprise level by the permanent reshaping of the fabric of production under the effect of numerous factors.“ (Mitteilung der EU Kommission, „Restructuring and employment“, März 2005)
Aus AN-Sicht muss diese Definition erweitert werden: Restrukturierung im Unternehmen hat immer eine direkte
Wirkung auf die Beschäftigten und ihre Familien Ob Restrukturierung zu Entlassungen, Arbeitslosigkeit,
sozialen und wirtschaftlichen Verschlechterungen und Krisen führt ist keinesfalls immer vorhersehbar
Dies hängt stattdessen stark davon ab, wie Restrukturierungsprozesse gestaltet und umgesetzt werden
Eckhard Voss 4
Eine neue Dimension
Globalisierung Rapider Anstieg im Welthandel und weltweiten Investitionen (vor
der Krise – nach der Krise) Fusionen und Übernahmen Neue Role globaler Finanzinvestoren (z.B. Private Equity, Hedge
Funds, Staatsfonds) Triebkräfte der Restrukturierung
Liberalisierung des Welthandels – neue Konkurrenz Reorganisation öffentlicher Dienstleistungen / Wohlfahrtsstaat Shareholder Value Orientierung Privatisierung von öffentlichen Industrien und Dienstleistungen EU Erweiterung und EU Wettbewerbspolitik Derzeitige Weltwirtschafts- und Finanzkrise
Effekte: Globalisierung von Unternehmenskulturen und verstärkter Druck auf nationale Systeme
8 – 9 Juli 2009Eckhard Voss 5
Umstrukturierung ist nicht gleich Umstrukturierung
Eckhard Voss 6
Was wir wissen und was nicht
Trotz mannigfaltiger Initiativen, Projekte und Forschung wissen wir wenig über die quantiativen Wirkungen: Beschäftigungswirkungen infolge von Restrukturierung Europäisches Beobachtungszentrum des Wandels: Zahlen sind
allerhöchstens eine Spitze des Eisbergs Black Box KMU Restrukturierung
Jedes EU Land ist einzigartig hinsichtlich quantitativer wie qualitativer Wirkungen
Branchenspezifische und territoriale Spezifika Unterschiede in den nationalen wie unternehmensbezogenen
Rahmenbedingungen Formen wie Wirkungen von Umstrukturierung auf
Unternehmensebene differieren sehr stark
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Was sagt uns das Europäische Beobachtungszentrum?
Umfangreiche Datenbank Basiert auf Presseauswertungen
Fälle, in denen mindesten 100 Arbeitsplätze betroffen sind und/oder 10% der Belegschaft in Betriebsstätten mit mehr als 250 Beschäftigten
Probleme Nur Fälle, die es in die Presse schaffen, werden dokumentiert Große nationale Unterschiede in der Berichterstattung KMU außerhalb des “Radars” Ungenauigkeiten und politische Färbung (d.h. Job Creation deutlich
stärker beachtet als Arbeitsplätzeabbau) Wirkungen
Verzerrtes Bild: z.B. 1.1.2005 – 31.12.2006: ca. 3500 Restrukturierungsfälle europaweit mit 1,1 Mio. Arbeitsplatzverlusten und knapp 1 Mio. neu geschaffenen Arbeitsplätzen
Unschärfen: 70% aller Arbeitsplatzverluste Folge von “internal Restrukturierung” ohne nähere Konkretisierung
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Formen der Restrukturierung 2005 - 2006
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Sektoraler Strukturwandel in EU-15(durchschnittliche jährliche Veränderungen bei Bruttowertschöpfung und Beschäftigungin den vergangenen Jahrzehnten)
Quelle: EF Dublin, “Restructuring in Recession”, ERM Report 2009, S. 13
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Aktuelle Krise beschleunigt Restrukturierung(Veränderung der Beschäftigung 1. Quartal 2009 gegenüber 1. Quartal 2008 in %)
Quelle: Eurostat, Short-term Business Statistics
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Herausforderungen aus Sichtder Gewerkschaften
Umstrukturierungen betreffen insbesondere Branchen mit hoher Gewerkschaftlicher Organisationskraft
Restrukturierung führt zu Veränderungen in der Arbeitsorganisation wie den industriellen Arbeitsbeziehungen
Branchenweite Restrukturierung und Restrukturierung infolge von Globalisierung erfordern neue Ansätze auf branchenpolitischer und europäischer Ebene
Gewerkschaften müssen eine doppelte Funktion wahrnehmen: Betrieblich - Einflussnahme auf laufende Restrukturierungsprozesse und überbetrieblich - Einflussnahme der Rahmenbedingungen
EBR und Restrukturierung
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EBR und Restrukturierung
Zur Erinnerung Restrukturierung als “raison d’être” von EBRs:
“The acceleration pace of transfrontier economic restructuring (…) involving an increase in mergers, takeovers, transfers and joint ventures, will result in more and more employees being subject to key corporate decisions taken outside the country where their establishment or undertaking is located. As a result of changes in the structure of undertakings, the procedures for consulting and disclosing information ot employees are often no longer consistent with these new structures” (EU Kommission 1994)
vor zehn Jahren Dominanz der “symbolischen Europäisisierung” EBRs als “neither European, nor Works Councils” (Streek 1997)
und heute “Wildwuchs” der EBR Praxis, insbesondere hinsichtlicher der Rolle in
transnationalen REstrukturierungsprozessen Revision der EBR-Richtlinie folgt den neuen Wirklichkeiten
Eine neue Dimension EBR als Forum der Arbeitnehmervernetzung und Koordinierung EBR als Verhandlungsorgan in globalisierten Unternehmen
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Potenziale der EBR-Praxis
Wirkungen guter EBR-Praxis: Stärkung der betrieblichen Interessenvertretung
Bessere Information der Beschäftigten Koordinierung und Austausch zwischen Standorten Besseres Verständnis des Strukturwandels Kompetenzentwicklung und Resourcen
Einflüsse auf Unternehmenspolitik und -kultur Förderung sozialer Dialogstrukturen Stärkung der Interessenvertretung gegenüber dem Management Suche nach gemeinsamen Lösungen in Restrukturierungs- und
Wandelprozessen
Aber: 81% aller befragten EBR-Mitglieder berichten von Restrukturierungsfällen Aber rund ¾ aller EBR-Mitglieder wurden vor der Entscheidung des
Managements übernhaupt nicht informiert Lediglich 0,8% der EBR-Vertreter glauben, dass der EBR ein effektives
Instrument der Einflussnahme auf Managemententscheidungen ist
Quelle: Jeremy Waddington: “How EWC members see it”, Mitbestimmung 8/2006
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Ansätze einer pro-aktiveren Rolle
EBR als Verhandlungspartner von Rahmenvereinbarungen und “Gemeinsamen Texten” International Framework Agreements Codes of Conducts / CSR-Leitlinien
Von der nationalen zur grenzüberschreitenden Standortsicherung in Europa
Koordinierung und Harmonisierung betrieblicher Sozialpolitik und Mitarbeiterbeteiligung
EBR als “Transmissionsriemen” des sozialen Dialogs und Förderer von Strukturen der Interessenvertretung
Fazit: Beispiele guter Praxis sind nach wie vor rar, aber EBRs sind mehr als “verlängerte Arme” der nationalen Interessenvertretungen
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Transnationale Vereinbarungen- ein deutlicher Trend
Wachsender Trend seit 2000: rund 150 „transnationale Texte“ existieren derzeit in europäischen Konzernen
Nach Schätzungen der Kommission werden durch solche Vereinbarungen rund 7.5 Mio. Arbeitnehmer weltweit erfasst
„Vereinbarungen“, „gemeinsame Prinzipien“ oder Erklärungen Themenschwerpunkte sind fundamentale Arbeitnehmerrechte
und sozialer Verantwortung, aber auch Umgang mit Restrukturierung und Rolle des EBR
Transnationale Vereinbarungen helfen bei der Bewältigung von transnationaler Restruktierung und der sozialpolitischen Flankierung
EU Kommission unterstützt die Entwicklung solcher Vereinbarungen und den damit verbundenen Austausch, das Lernen von guter Praxis und die Vernetzung
Wichtige Rolle der EBR: Rund die Hälfte der 150 transnationalen Vereinbarungen sind
entweder allein durch EBR oder zusammen mit internationalen Gewerkschaftsföderationen unterzeichnet
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Transnationale Vereinbarungenund Restrukturierung
Quelle: EU Kommission 2008
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EBR als Verhandlungspartner In zunehmendem Maße spielen EBR als
Verhandlungspartner des Management auf transnationaler Ebene eine Rolle
Vereinbarungen zu unterschiedlichen Themenfeldern illustrieren die wichtige Rolle der EBR im transnationalen Kontext
Die folgende Tabellenübersicht verdeutlicht die Vielfalt transnationaler Vereinbarungen
Die Übersicht wurde vom EGI im Rahmen der EBR-Datenbank erstellt (Stand: Juli 2009)
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Substantive EWC-Agreements (as of July 2009)
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Substantive EWC-Agreements (as of July 2009)
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Substantive EWC-Agreements (as of July 2009)
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Vereinbarungen zum Umgangmit Restrukturierung
Eine wachsende Zahl von Europäischen Vereinbarungen zum Umgang mit Restrukturierung: Axa, Danone 1997 und 2001, Diageo, Deutsche Bank, EADS,
General Motors 2004, RWE, Solvay, Unilever, Schneider General Motors and Ford – Vereinbarungen ausschließlich zu
Restrukturierung “Management and Employee Representatives will work together in good
faith to find financially sustainable and socially responsible solutions for the necessary manpower adjustments. This includes that both parties will examine potential business opportunities in order to lessen the impact on employees. Respective solutions may cover (in no particular order) but are not limited to processes like: voluntary separation programs, early retirement programs, specific local programs based on national legislation, transfers to spin-offs, joint ventures, partnerships, other locations, etc. and will, in the event of a sufficient number of participants, enable us to work towards results without forced redundancies.” (GM Vereinbarung 2004)
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Vereinbarungen zu Antizipation,Qualifizierung und Mobilität Antizipierung des Wandels, vorausschauende Qualifizierung
und Maßnahmen zur Verbesserung der Anpassungsfähigkeit an den Wandel: Suez, Schneider, Total, Air France, Danone, ENI, Dexia
Dexia 2002, Suez 2007: Allgemeines Recht auf Weiterbildung Transnationales Management von “Employment and Skills” Anpassung von Arbeitsplatz- und Qualifikationsprofilen Mobilität und Vermeidung von Arbeitslosigkeit bei
Restrukturierungsprozessen Schneider 2007: “European Agreement on Anticipation of Change”
“The purpose of this agreement is to improve the anticipation of change by promoting firstly an active practice of social dialogue regarding necessary organisational changes and secondly adaptation tools”
“Each new corporate programme, when launched, will first be presented to the European Works Council; information on the programme will then be provided to the national representation bodies.“
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Beispiele effizienter Praxis vonInformation und Konsultation EGI hat 40 vorbildliche Vereinbarungen dokumentiert, in denen
konkrete Regelungen der Information und Konsulation zwischen EBR und Management vereinbart sind
Beispiele: Einhaltung der rechtzeitigen Information, um Konsultationsprozesse
vor Unternehmensentscheidungen durchführen zu können: Jungheinrich, Veba, ZF Group, Lindt&Sprungli, Sulzer, DSM, Baseler Insurance Group, VWR
Regelmäßige und formalisierte Informationsverahren: Tenovis Keine Management-Entscheidung bevor EBR nicht ausreichend
informiert und konsultiert worden ist: BEHR, Segerstroem, Air France-KLM, Stryker
Verpflichtung der Konsultation, d.h. Einholung einer EBR-Stellungnahme als normaler Prozess Entscheidungsverfahren: STMicroelectronics
Verhandlungsrechte – nur in sehr wenigen EBR-Vereinbarungen, z.B. Södra EBR: “to consult and negotiate”
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Weitere Maßnahmen für eine effiziente EBR-Arbeit
Vereinbarungen zu einer effizienten Arbeitsweise sind wichtige Voraussetzungen einer aktiven Rolle der EBR in transnationalen Resturkturierungsprozessen
Rund 600 von momentan 850 EBR-Vereinbarungen sehen mehr als ein jährliches EBR-Plenartreffen in “außergewöhnlichen Umständen” vor
140 EBR Vereinbarungen beinhalten konkrete Verfahren zur Information nationaler Interessenvertretungen
Rd. 70 EBR Vereinbarungen konkretisieren Verfahren der Schlichtung in Streitfällen
Mehr als 20 EBR Vereinbarungen enthalten explizit das Recht auf Betriebsbesuche durch EBR Mitglieder (z.B. EDF, SBB/BBM, EVN, Otis, PSA, Allianz SE)
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Faktoren erfolgreicher Arbeit EBRs (sowie SE Betriebsräte) können durchaus wichtige Akteure
konzernweiter und transnationaler Unternehmenspolitik, insbesondere auch im Zusammenhang mit Restrukturierungsprozessen sein.
EBR (und SE BR) sind die einzigen rechtlich abgesicherten Institutionen der Arbeitnehmervertretung auf transnationaler Ebene, denen eine besondere Bedeutung in der Kombination lokaler, nationaler sowie transnationaler Interessen zukommt
Eine erfolgreiche Praxis hängt nicht nur von externen Bedingungen (Sozialdialog, Unternehmenskultur), sondern auch von internen Faktoren ab, u.a.: Gewährleistung einer guten internen Kommunikation und Vernetzung
innerhalb des EBR Entwicklung von Verantwortlichkeiten und klarer Rollenzuweisungen
zwischen EBR und nationalen Interessenvertretungen Einbindung des EBR in nationale und transnationale
Gewerkschaftsstrukturen
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Instrumente, die weiter helfen
Prinzipien sozial verantwortlicher Restrukturierung EMB Handbuch EU-Projekte der Gewerkschaften:
AGIRE, MOOS, TRACE “Toolkit Restructuring” des EGB ETUF-TCL principles
Leitfäden zu Verlagerung und Offshoring Uni Finance TGWU-Amicus, IG Metall, ver.di, ÖGB FNV Bondgenoten “Effizienztest”
“Toolbox” Restrukturierung der EU-Kommission, GD Beschäftigung
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Kontakt
Eckhard VossWilke Maack und PartnerSchaarsteinwegsbrücke 220459 Hamburg
Tel.: 040-43278741Mail: [email protected]
www.wilke-maack.de