FoodFirst Information and Action Network
Neue Technologien und der Kampf gegen Hunger und schlechte Ernährung aus der
Perspektive der Menschenrechte
Dr. Flavio Luiz Schieck Valente Generalsekretär von FIAN International
Heidelberg, Januar 2012
1. FIAN International
FIAN hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Menschenrecht auf angemessene Ernährung zu fördern und zu schützen:
◦ 500 Fälle von Verstößen sind dokumentiert, in 60 Ländern und in 25 Jahren. 80% davon im Zusammenhang mit dem Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen
◦ Hilfe und Unterstützung der Gruppen und Gemeinden, die von den Verstößen betroffenen sind
◦ Verteidigung der Rechte gegenüber Regierungen und der internationalen Gemeinschaft
1.1. FIAN : internationale Menschenrechtsorganisation
FIAN fördert:◦ die Überwachung der nationalen und der
internationalen Politik
◦ die Zusammenarbeit mit internationalen Menschenrechtsorganisationen
(wie die brasilianische Organisation “Zentrum für Menschenrechte”, der Interamerikanische Ausschuss für Menschenrechte, der UN-Auschuss über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte, etc.)
◦ die Schaffung neuer internationaler Menschenrechtsnormen (CG 12, freiwillige Richtlinien und Protokolle, grenzüberschreitende Vorschriften)
1.2. FIAN : internationale Menschenrechtsorganisation
2. „Ernährungskrise“: Fakten, Daten und
traditionelle Lösungswege
2011 gab es weltweit:
◦ 925 Millionen unterernährte Menschen;
◦ Zusätzlich 1 Millarde Menschen mit Mikronährstoffmangel
◦ 4 Millionen Kinder sterben jährlich an Mangelernährung, d.h. 1 Kind alle 3 Minuten
◦ 1,5 Millarden Menschen haben Übergewicht / 500 Millionen leiden unter Adipositas – Verschlechterung der Lebensqualität und früher Tod
◦ Bei jungen Müttern und Säuglingen besteht ein 20 bis 200% größeres Risiko bei der Geburt oder durch Mangelernährung zu sterben (30% bei der Heirat von Minderjährigen)
2.1. Wie viele Menschen leiden unter Hunger?
75% Menschen im ländlichen Raum:◦ 50% Kleinbauern◦ 20% landlose Landarbeiter◦ 5% Viehzüchter, Fischer, Indigene etc.
25% Menschen in Elendsvierteln Insgesamt sind 25% Kinder und 70%
Frauen.
2.2. Wer leidet unter Hunger?
Hunger und Mangelernährung sind Folgen von◦ mangelnder Nahrungsmittelproduktion und / oder
◦ Mangel an Nahrungsmitteln mit angemessenem Nährwert.
Lösung: Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und Produktivität sowie Produktion von Nahrungsmittelzusätzen
Aktionen, Technologien und deren Anwendung werden durch diese Sichtweise bestimmt
Andere Sichtweise aus der Perspektive der Menschenrechte
2.3. Traditionelle technische Lösungen
2.4. Ist die „Ernährungskrise “ ein neues Phänomen?
Number of hungry people, 1969-2010
Source: FAO
3. Aus der Perspektive der
Menschenrechte
Regelung aller Arten von Machtmissbrauch Kampf aller Völker gegen Diskriminierung,
Unterdrückung, Gewalt und Missbrauch - und der Kampf ist noch nicht beendet
Ziel der Politik: Überwindung von Ungleichheiten
◦ Priorität: die am stärksten betroffenen Menschen
◦ Nur 60 Jahre in 200.000 Jahren Menschheitsgeschichte
3. 1. Was sind Menschenrechte?
Festgelegt in internationalen Verträgen und Abkommen
Staaten sind verplichtet, die Menschenrechte in nationale Gesetze umzusetzen
Das Internationale Menschenrechtsgesetz legt fest:
◦ Rechte: Rechtsträger, ◦ Verpflichtungen und Verantwortliche:
Staaten Verantwortung aller gesellschaftlichen
Akteure◦ Lösung: Rechte einfordern
3.2. Menschenrechte und Verpflichtungen
Jeder hat das Recht, am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben (IPwskR, Art. 17)
Menschenrecht auf angemessene Ernährung (IPwskR, Art.11)
3.3. Verbundene Rechte
4. Die Ernährungskrise aus der Perspektive der Menschenrechte
Wurde nicht durch unzureichende Nahrungsmittelproduktion verursacht
Fragen wie: Wer produziert? Für wen und wie wird es produziert? Und wer hat Zugang zu Land und Nahrungsmitteln? spielen eine wichtige Rolle
Ist kein neues Problem, sondern ein chronisches Problem mangelernährter Menschen
Wird durch nationale und internationale Politik verstärkt, die der globalen Elite und der Wirtschaft dient
4.1. Die “Ernährungskrise”
5.Technologie und Menschenrechte
Exzessiver Anbau von Monokulturen:
◦ Hybridsaatgut (gentechnisch verbessert), ◦ Hohe Investitionen,◦ Senkung der Zahl der Beschäftigten in der
Landwirtschaft (Grüne Revolution)
Verfügbares Kapital für Investitionen in der Nachkriegszeit
Anhaltender Gewinn
5.1. Technische Lösungen in der Nachkriegszeit
Nutzung der bestehenden Infrastruktur und Kriegsindustrie in der Landwirtschaft
◦Rüstungsindustrie (Panzer, etc.) – Produktion landwirtschaftlicher Maschinen
◦Sprengstoffindustrie – Herstellung von Stickstoffdünger und synthetische Düngemitteln
◦Giftgasindustrie – Biozide (Pestizide, Herbizide, etc.)
5.2. Technische Lösungen in der Nachkriegszeit
Steigerung der Produktion von Handelswaren für den Export
Liberalisierung des internationalen Handels von landwirtschaftlichen Erzeugnissen◦Strukturanpassungen und
Armutsbekämpfungsprogramme (Poverty Reduction Strategy Papers - PRSP)
5.3. Technische Lösungen in der Nachkriegszeit
Gentechnisch veränderte Lebensmittel und stärkere Nutzung von Schädlingsbekämpfungsmitteln◦ Stärkere Nutzung von Bioziden und Düngemitteln◦ Saatgutmonopol◦ Exzessiver Anbau von Monokulturen und
Homogenisierung der Kulturen und Landschaften (Soja, Mais, Zuckerrohr)
Neue Technologien◦ Terminator-Technologie – transgene Pflanzen, die
unfruchtbares Saatgut herstellen◦ Biotechnologie und Biomasse, Nanotechnologie,
etc.
5.4. Neue technische Lösungen – 90er Jahre -
Biokraftstoffe◦Rechtfertigung durch Anstieg der Ölpreise
und Kampf gegen Erderwärmung◦Quotensystem der EU und der USA
stimuliert Produktion auf der Südhalbkugel◦Verwendung von transgenem Zuckerrohr
und Soja bei Produktion (Ethanol und Diesel)
Patente auf Saatgut
5.5. Neuer internationaler Kontext
Rechtswidrige Aneignung und Besetzung von Land, Erwerb großer Landflächen
Beschleunigung, Ausbau und Vertikalisierung der Agrar- und Ernährungswirtschaft im Kontext des Welternährungssystems
Monokulturen für Nahrungsmittel, Energie, Viehzucht und Rohstoffe für die Industrie
Ausbau der Agrar- und Ernährungswirtschaft für Kleinbauern◦ Private Investitionen in der Landwirtschaft
5.6. Neuer internationaler Kontext
Vertreibung der Bauern von ihrem Land
Anstieg des Treibhauseffekts (Rodung von Wäldern und Anstieg der Treibhausgasemissionen - ca. 30% der Emissionen werden durch die Agrar- und Ernährungswirtschaft verursacht)
Rückgang der Artenvielfalt
5.7. Risiken
Stärkere Abhängigkeit der Kleinbauern von transgenem Saatgut◦ Stärkerer Rückgang der Artenvielfalt
(Verschwinden des kreolischen Saatguts)◦ Stärkere Verwendung von Bioziden und höhere
Risiken für Böden, Grundwasser und Gesundheit◦ Höheres Risiko des Landverlusts
Anstieg der Ungleichheiten, des Hungers und der Mangelernährung
5.8. Risiken
Weltagrarbericht (2008) – Studie von mehr als 500 Wissenschaftlern – zeigt, dass:◦Die Agrar- und Ernährungswirtschaft nicht
nachhaltig ist, dadurch werden die Umweltverschmutzung und der Klimawandel verstärkt
◦Es wichtig ist einen Wandel hin zu einer Ökologischen Landwirtschaft zu fördern
UN-Sonderbeauftragter für das Recht auf Ernährung – Olivier De Schutter hat einen wichtigen Beitrag geleistet
5.9.Wissenschaft bestätigt die Risiken der aktuellen Agrarwirtschaft und der neuen Technologien
6.Fortschritte und Herausforderungen
Durch die Krise der Agrar- und Ernährungswirtschaft und des freien Handels von landwirtschaftlichen Erzeugnissen ist die Ernährungssicherheit nicht gegeben.
Menschenrecht auf Nahrung eröffnet neue Möglichkeiten für den Wandel
FAO-Ausschuss für Welternährungssicherheit:◦ Regulierung auf internationaler und nationaler
Ebene◦ Mehr Übernahme von Verantwortung durch die
Staaten◦ Stärkere Integration der betroffenen Menschen
Fakultativprotokoll des UN-Zivilpakts (IPbpR)
6.1. Fortschritte
Zunehmende Bedeutung der multinationalen Unternehmen und größerer Einfluss dieser auf die Regierungen
Stärkung der UNO und ihrer Menschenrechtsinstrumente
Demokratisierung der Entscheidungsprozesse auf internationaler Ebene
Überwindung der repräsentativen Demokratie
6.2. Herausforderungen
7. Schlussfolgerungen
Die Technologie ist das Ergebnis sozialer Prozesse und leidet unter dem Einfluss des bestehenden Systems und der Machthaber
Die Nutzung der Technologie ist nie losgelöst von dem sozioökonomischen Kontext
Die neuen Technologien erhöhen die Nahrungsmittelproduktion, sowie die Konzentration von Reichtümern, die Entstehung von Abfall, die Verschmutzung der Böden und des Grundwassers und den Hunger
7.1. Schlussfolgerungen
Ohne Regulierung kommen die neuen Technologien, die privaten Interessen dienen, nur der Industrie, der Schlachtviehzucht und dem Profit zugute und zerstören die Umwelt, fördern Krankheiten, sowie die Erderwärmung
Die Menschenrechte können ein mächtiges Instrument sein für die Regulierung und die Nutzung der Technologien sowie die Orientierung der Politik
7.2. Schlussfolgerungen