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Siedlungsgeschichten bei den Kassena: orale Traditionen und Lokalitat*
Hans Peter Hahn LS Ethnologie, Universitat Bayreuth, 95440 Bayreuth
?Zwe mv ye naa siyiysri na."
?Nur das Ohr weifivon den Ahnen, nicht aber dieAugen."
(Sprichwort der Kassena)
Abstract. As it is the case for many societies in the region, the Kassena of Southern Burkina Faso have an
oral tradition about a Prince of the Mossi who immigrated and founded the local chiefdom. But this
history is only one of several oral traditions about the origin of the Kassena and other, partly divergent oral traditions are presented in the text. Each of the histories justifies the claim of superiority or of special
privileges of the members of a group of clans or settlements. Beside that competition, the plurality of oral
traditions gives a mental representation of cultural characteristics for each group. One of the groups is
composed of the descendants of the Mossi immigrant. Another group is composed of the supposed autochthonous people. A third group claims its relationship through maternal parenthood, which is not
the rule in the patrilinear and patrilocal society of the Kassena, but a very frequent exception. Finally there are several settlements which, following to the tradition, have been founded recently. The people of
this last group were allowed by the local earth priest to settle there. The intertwining of these groups in the area is represented in the oral tradition and results in a cognitive map.
1. Einleitung
Geschichten sind immer auch als Landkarten zu verstehen. Eine innerhalb einer Ge
sellschaft allgemein bekannte und als wahr empfundene Geschichte, so wie es fur
orale Traditionen zur Siedlungsgeschichte typischerweise anzunehmen ist, kann in der
* Die hier wiedergegebenen Ergebnisse beruhen auf Forschungen, die mit Unterstiitzung der DFG im Rahmen des SFB 268 an der Universitat Frankfurt (1993-95) und des Graduiertenkollegs Jnterkulturelle
Beziehungen in Afrika" an der Universitat Bayreuth (1996/97) durchgefiihrt wurden. Daftir sei an dieser Stelle aufrichtig gedankt. In den Jahren 1993-1997 hielt sich der Autor insgesamt 17 Monate in der
Region auf. Wertvolle Anmerkungen zu fruheren Fassungen dieses Beitrages kamen von Andreas Dafinger,
Carola Lentz und Ute Roschentaler, denen an dieser Stelle daftir gedankt sei.
Zeitschrift fur Ethnologie 125 (2000) 241-263 ? 2001 Dietrich Reimer Verlag
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Form einer Karte ausgedriickt werden, ohne dass eine solche Karte jemals von den Betroffenen gezeichnet worden sein muss. Auf diese Weise sind raumliche Strukturen in das historische Bewusstsein und gesellschaftliche Geschehen eingebunden.1 Land schaft ist nicht nur als Natur aufeufassen, sondern immer auch einTeil des kulturellen
Gedachtnisses, wie Susanne Kiichler (1993:86) beschreibt. Gerade auch im Alltag der Kassena in Burkina Faso spielen die in den Geschichten bezeichneten, speziellen Qua litaten bestimmter Orte oder Landmarken und die damit verbundenen Teile der Be
volkerung eine wichtige Rolle, wie im Foigenden zu zeigen sein wird. Soziale und kulturelle Institutionen auf der einen Seite sowie die regionale Ge
schichte auf der anderen Seite wurden in der Ethnologie haufig genug isoliert von
ihrem geographischen Umfeld beschrieben. Wenn im vorliegenden Beitrag von Bezti
gen zwischen Kultur und Raum die Rede ist,2 so ist damit nicht ein Riickfall in die
Anthropogeographie Friedrich Ratzels aus dem 19. Jahrhundert gemeint, so wie er
mit dem holistischen Verstandnis des Begriffes Landschaft durch Wilhelm von Hum boldt verbunden ist.3
Im Foigenden soil dagegen gezeigt werden: Orte und andere topographische Ele
mente,4 d. h. Berge, Fliisse und Taler, werden zwar nicht unmittelbar von einer Ge sellschaft oder Kultur einer Region hervorgebracht; sie erhalten aber eine ganz speziel le Bedeutung durch Geschichten, in denen diese topographischen Elemente in be stimmte Bedeutungszusammenhange gestellt werden (vgl. Mtiller 1999: 94 ff.). Der lokale Raum ? also das Siedlungsgebiet der Kassena in seiner speziellen Bedeutung
?
wird durch die Geschichten konstituiert und immer wieder rekonstruiert. In dem
Sinne, wie Michel Foucault schon 1967 den Zusammenhang von Raum und Ge schichte mit dem Begriff ?Heterotopia" beschrieb, werden Berge und Wasserstellen fur die Bevolkerung zu Landmarken oder Grenzen mit bestimmten Funktionen.5 Die
1 In allgemeiner Form gehort dieser Satz sicher zu den Grundaussagen der Ethnologie. Bargatzky
(1997:61) formuliert diesen Zusammenhang im Sinne einer Ontologie, dass in den betrachteten Gesell schaften ?jeder Ort seine durch die Arche gegebene Personalitat" habe. Miiller (1973:94) sieht in der
Verortung der ?ersten" Menschen unter der Erde, wie es auch nach den hier vorzustellenden oralen Traditionen der Kassena der Fall ist, einen Grundzug agrarischer Gesellschaften. 2 Hard (1969:262) zeigt in einem kritischen Beitrag zur Verwendung des Begriffs Landschaft, wie schlecht dieser abgegrenzt ist und wie weitgehend er in der Geschichte der Geographie von einem vor
wissenschaftlichen, idealisierenden Verstandnis gepragt war. 3 Vergleiche zu einer Kritik der Verwendung dieses BegrifFs Zonneveld (1990:10). 4 In dieser Beziehung ist die begriffliche Bestimmung von ?Landschaft" von Luig und von Oppen
(1997:16) auch giiltig fur den vorliegenden Beitrag: "We tend to see landscape as a historical process rather as than a finished result, as the dynamics of material, cognitive and political construction of a
society's environment'." Vgl. zum Begriff Landschaft auch Schama 1998. 5 'The second principle of this description of heterotopias is that a society, as its history unfolds, can
make an existing heterotopia function in very different fashion; for each heterotopia has a precise and determined function within a society and the same
heterotopia can, according to the synchrony of the culture in which it occurs, have one function or another." (Foucault 1986:25).
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Himmelsrichtungen konnen fur Gruppen innerhalb der Gesellschaft stehen. Dabei
geht es nicht nur um die Qualitaten dieser Orte, sondern - und das zu zeigen ist
Anliegen dieses Beitrags - um die aktive Zuordnung bestimmter Eigenschaften der
Orte zu den Personen, die zugleich die Erzahler der Geschichten sind.6 Arjun Appadurai (1996:180) druckt diesen grundlegenden Zusammenhang so aus:
"The organization of paths and passages, the making and remaking of fields and
gardens, the mapping and negotiation of transhuman spaces [...] is the incessant, often humdrum preoccupation of many small communities studied by anthro
pologists. These techniques for the spatial production of locality have been copi
ously documented. But they have not usually been viewed as instances of the
production of locality, both as a general property of social life and as a particular valuation of that property."
Jan Vansina (1985:44ff.) hat den Wert oraler Traditionen fur die Rekonstruktion von
Migrationsgeschichte oder politischer Geschichte uberzeugend aufgezeigt und dafiir
spezifische Interpretationstechniken entwickelt, die gerade auch die Bedeutung von
Objekten und Landschaften als mnemotechnische Hilfsmittel herausstellen. Die Ge
schichten der Besiedlung enthalten jedoch iiber die Sichtweise dieser Analyse hinaus
weitere, oft qualitative Bestimmungen von Handlungen, Orten und Landschaftsteilen,7 die zunachst nicht historisch erklart werden konnen.8 Diese Elemente der Geschich
ten stehen in Verbindung mit Mustern raumlicher und sozialer Ordnung, die fur die
gegenwartige Gesellschaft von Bedeutung sind, und so dem Raum oder Teilen des
Raumes ganz spezifische semantische Felder zuweisen.9 In diesem Prozess der Aneig
nung des Raumes (Schama 1998:245) spielt die Geschichte einzelner Siedlungen oder
Landschaftselemente naturlich eine herausragende Rolle.10 Der folgende Beitrag wird
diese Thesen am Beispiel der oralen Traditionen der Kassena im Siiden Burkina Fasos
erlautern.
6 Die Eigenschaften des Raumes werden von der Gesellschaft produziert, und zugleich ist sie ihnen
unterworfen. Diese Wechselseitigkeit driickt Soja (1989:25) so aus: 'The spatial order of human existence
arises from the (social) production of space and the construction of human geographies that both reflect
and configure being in the world." 7 Allesch (1990:20) bezieht sich auf phanomenologische Studien zur Landschaft, um die Gegebenheit eines Landschaftsbildes als Teil der ?Lebenswelt" der Menschen darzustellen. Landschaft ist nicht nur
Teil des kollektiven Gedachtnisses sondern auch Teil gesellschaftlicher Werte und Wertungen. 8
Calvet (1984:96) spricht in diesem Zusammenhang von einer Reformation" des Inhaltes. Wright
(1982:320) fasst solche Veranderungen als Techniken auf, wenn er orale Traditionen als 'means by which
members use their understanding of the past to shape the present" beschreibt. Zu den Grenzen der
Rekonstruktion von Geschichte aus oralen Traditionen vergleiche auch Afigbo (1985). 9 Murphy und Bledsoe (1987:126) belegen diese Konzeptualisierung des Raumes anhand der semanti
schen Zuweisung unterschiedlicher politischer Bedeutungen der Siedlungen von Erstsiedlern und der
Orte spater hinzugekommener Bevolkerungsteile. 10 Ein Element der Geschichten, das dabei eine Rolle spielt, sind die immer wiederkehrenden Topoi, wie sie Bazin (1988) am Beispiel der oralen Traditionen iiber Segu aufgezeigt hat. Ohne selbst historische
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Das Siedlungsgebiet der ethnischen Gruppe der Kassena befindet sich im Siiden
Burkina Fasos und zu einem kleinerenTeil im Norden Ghanas. Die ca. 120 000 Spre cher des kasim kennen einen Begriff fur ihren Siedlungsraum, das kassohon, aber keine
gemeinsame ethnische Selbstbezeichnung.11 Ohne an dieser Stelle auf die Problema dk ethnischer Bezeichnungen naher einzugehen, sei hier vor einer essentialistischen
Bestimmung des Ethnonyms ?Kassena" gewarnt. Berechtigterweise stellt Liberski
(1991:82ff.) dieses Ethnonym aufgrund eigener Untersuchungen (s. u.) in Frage und
schlagt anstelle dessen den Begriff awyna vor. Das ist eine sehr haufig in der Gegend zu horende Redewendung, die man wichtigen Aussagen voranstellt. Sie ist ungefahr mit ?ich sage, dass"zu iibersetzen. Die Frage des giiltigen Ethnonyms ist also auch nach dem Vorschlag Liberskis als noch nicht geklart anzusehen. Im Folgenden soli
dagegen gezeigt werden, wie viel wichtiger die Zugehorigkeit der Gruppen von Perso nen zu bestimmten Teilgruppen der Kassena ist. Die Bezeichnung Kassena fur die Gesamtheit der Sprecher des kasim ist also nur insofern gerechtfertigt, als sie sich auf den allgemein anerkannten Namen fur das Siedlungsgebiet, das kassohon, bezieht. Fur
topographische Elemente gilt, wie fur materielle Kultur auch, dass erst durch die Be
nennung die Objekte beziehungsweise die Landschaftseinheiten in den kulturellen Kontext eingebracht werden. Schlereth (1990:198ff.) stellt dem Entstehen neuer Sied
lungen daher auch eine Phase der Namengebung voran. Der Name des Siedlungsge bietes kann daher eine wichtige Legitimation der ethnischen Selbstbezeichnung sein.
Die politische Organisation der Kassena ist durch ein in Tiebele12 angesiedeltes Hauptlingstum gekennzeichnet. Der Hauptling verfiigt zwar uber das Recht der Er
nennung der Hauptlinge in den meisten anderen Orten der Kassena, hat aber anson sten keine unmittelbaren Rechte in Bezug auf diese Orte. Mit der schwachen Zentra litat ist zugleich ein wichtiger Unterschied zu den Mossi im Norden und den Dagomba im Siiden bezeichnet, die beide ein sakral sanktioniertes Konigtum kennen. Sowohl
Mossi aus dem Norden als auch Dagomba und andere Gruppen aus dem Siiden und
Interpretationen zu ermoglichen, konnen sie wichtige Informationen iiber die gegenwartige Gesellschaft
widerspiegeln. Das gilt besonders auch fur die im Foigenden naher zu betrachtenden topographischen Beziige in den Siedlungsgeschichten der Kassena. 11
Tauxier (1912:201) beschreibt ?Kasson-Fra" und ?Kasson-Bourra" (1912:295), beziehungsweise ein fach >,Fraa und ?Bourra". Dittmer (1961) und Zwernemann (1989:209) modifizieren diese Gliederung in ?West-", ?Ost-" und ?Sud-Kassena", wobei die Ost- und die in Ghana lebenden Sud-Kassena relativ
gesehen die grofieren Ahnlichkeiten haben sollen. 12
Tiebele ist in administrativer Hinsicht der ?chef-lieua eines Departements und damit der weiter west lich gelegenen Provinzhauptstadt P6 untergeordnet. Tiebele ist eigentlich eine Agglomeration aus zahl reichen Siedlungen, die ihrerseits dem ansonsten
grundlegenden Muster der Kassena entsprechen. Grund satzlich besteht eine Siediung aus den Mitgliedern eines Patriklans. Die Komplexitat dieses in der west
afrikanischen Savanne verbreiteten Musters beschreibt Gallais (1966:131) genauer. Der Sitz des Haupt lings der Kassena beflndet sich in der Siediung Tiebele-Gorobie.
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Sudwesten haben immer wieder Teile des Siedlungsgebietes der Kassena mit militari
schen Mafinahmen unterworfen und Manner und Frauen als Kriegsbeute versklavt
und verschleppt.13 Auch die Nachbarn im Osten spielen eine wichtige Rolle in der
Gesellschaft der Kassena. Wie die Kassena leben die ostlichen Nachbarn, die ethni
sche Gruppe der Nankana oder Fra-Fra, sowohl in Burkina Faso als auch in Ghana.
Mit ihnen bestehen durch zahlreiche Zwischenheiraten und Tauschbeziehungen fur
handwerkliche Erzeugnisse enge Verbindungen. Soziale und politische Organisation, materielle Kultur und Wirtschaft beider Gruppen weisen nur geringe Unterschiede
auf.14 Wie Zajakowski (1967) feststellt, gibt es zumindest im ghanaischen Siedlungs
gebiet eine graduelle Assimilation der Kassena durch die dort demographisch gewich
tigeren Nankana. Die Sprachen, das kasim und das nankanse, sind jedoch grundle
gend verschieden und werden linguistisch zwei eigenstandigen Sprachgruppen zuge ordnet.15 In diesem Zusammenhang ist auch auf den in der Literatur ofters auftau
chenden Begriff ?Gurunsi" hinzuweisen.16 Sprachwissenschaftlich wird damit eine
Gruppe von einander sehr ahnlichen Sprachen bezeichnet. Es ist jedoch nicht sinn
voll, damit auch die Gesellschaften der Sprecher dieser Sprachen zusammenzufassen, da die betreffenden Kulturen zum Teil sehr unterschiedlich sind und zumindest in
einigen Fallen wesentlich grofiere kulturelle Ahnlichkeiten mit Gruppen anderer
Sprachzugehorigkeit bestehen, wie das Beispiel der Beziehungen zwischen Kassena
und Nankana zeigt. Es gibt einige Dokumentationen zur lokalen Geschichte der Kassena, die sich mit
der Rekonstruktion des Hauptlingstums und den moglichen historischen Einflussen
der benachbarten, politisch wie demographisch ubermachtigen Gruppen befassen.17
Tatsachlich sind sowohl direkte Beziehungen (Migration) als auch indirekte Einfliisse
(militarische Unterwerfung, Tributzahlungen) konstituierend fur das heutige gesell schaftliche und politische System. Im Folgenden sollen solche Aspekte jedoch nur am
13 Vgl. fur die vorkoloniale Geschichte des Siedlungsgebietes der Kassena Duperray (1984:13-70) und
for die Sklavenrazzien Howell (1997:29-32). Einen lebhaften Eindruck, wie bedeutend die Verluste durch diese Gewalttaten in der lokalen Bevolkerung gewesen sein miissen, gewinnt man durch die Schil
derungen von Binger (1892,1:483 und 11:2). 14 Vgl. for die Nankana etwa Smith (1987). Ein weithin bekanntes Element materieller Kultur ist die
Architektur, die weitgehende Obereinstimmungen aufweist. Oft findet man daher in popularwissen
schaftlichen Werken, wie z. B. Curtney-Clarke (1993), die Bezeichnung ?Kassena-Nankana". 15 Das nankanseist der Sprache der Mossi, dem more, sehr ahnlich. Das kasim gehort dagegen zu den
Gurunsi-Sprachen, die von kleineren, sudlich oder wesdich des Siedlungsgebietes der Mossi lebenden
Gruppen gesprochen werden. Vgl. die Sprachenkarte des Institut Geographique du Burkina (1988). 16 Vgl. dazu die Debatte von Nicolas (1952), Zwernemann (1958) und Dittmer (1961).
17 Vgl. dazu zum Beispiel Dittmer (1961), Zwernemann (1969), St.Jalmes (1972) und Awedoba (1985).
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Rande beriihrt werden.18 Wichtiger werden fur den vorliegenden Beitrag diejenigen
Interpretadonen sein, die darauf hinweisen, welche Rollen den in den Geschichten
bezeichneten Orten und der dort ansassigen Bevolkerung im Verhaltnis zu anderen
Teilen der Bevolkerung zugewiesen werden. Es geht also um die in der Geschichte
enthaltene Topographie des Siedlungsgebietes der Kassena und um die damit verbun
denen, Bevolkerungsgruppen zugeschriebenen Bedeutungen.
2. Orale Traditionen
Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung sind Geschichten, die in ahnlicher Form
sicher schon viele Historiker und Ethnographen gehort haben, wenn sie in der west
afrikanischen Savanne nach der altesten Besiedlung der Region gefragt haben. Ver
schiedene Erzahler der Kassena haben auf Fragen des Autors hin die Geschichten mit
abweichenden, zum Teil sogar einander widersprechenden Details vorgetragen. Das
Material fur die hier in deutscher Ubersetzung wiedergegebenen Texte wurde in meh reren Gesprachen mit Aseba KiyizurD(ca. 70 Jahre alt), einem seiner Vertrauten und seinem Neffen Dandiga Ktyizur^ (ca. 35 Jahre alt, spricht franzosisch) zusammenge
tragen. Gesprache mit diesen drei Personen, die alle in Tiebele leben, fanden im No
vember 1995, im Dezember 1996 und im April 1997 statt.19 Weitere Gesprache mit meinem Gastgeber in Kollo-Zeka, Alsghissno Kodya, (ca. 60 Jahre alt), undTuhidwi
(ca. 40 Jahre alt, spricht franzosisch) in Kolo-Zeka erganzten meine Informationen um alternative Versionen.20 Die strittigen Punkte, die sich in verschiedenen Varianten der Erzahler aus Tiebele' und der aus Kollo ausdrucken, sind fur die Interpretation naturlich von besonderem Interesse und sollen daher jeweils mit dargestellt werden:
18 Nach einer Feststellung von M. Gomgninbou (CNRST, Ouagadougou, pers. Mitt, am 22. 11. 1995) bleibt die Geschichte der Kassena trotz des grundlegenden Werkes von Duperray (1984) noch zu schrei ben. Neben den Beitragen von Gomgninbou (1989a und b, 1994) ist auf die neue Arbeit von Kibora (1997) hinzuweisen. Er problematisiert am Beispiel der oralen Tradition einer Ortschaft der Kassena (Kaya) die Rekonstruktion der Regionalgeschichte anhand oraler Traditionen und bestimmter Rituale. 19
Diese Personen wurden nicht im Sinne reprasentativer Gewahrsleute ausgewahlt. Grundlage der Ge
sprache war vielmehr der spontan geaufierte Wunsch, ihre Kenntnis oraler Traditionen in die Dokumen tation einzubringen. 20
Um das Interesse am Thema auch einem weiteren Personenkreis plausibel zu machen, wurden im Verlauf weiterer Gesprache der Bericht von St.Jalmes (1971) vorgelegt. Dies loste zum Teil heftige Kon troversen um die ?wahre" Geschichte der Kassena aus. Eine fruhere und detaillierte Dokumentation oraler Traditionen von Dittmer (1961) diente zwar auch als Grundlage fur die Arbeit von St.Jalmes, ist jedoch nicht in franzosischer Sprache zuganglich.
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Am Anfang lebten zwei verschiedene Gruppen von Menschen in dem hugeligen Land wesdich des heutigen Ortes Tiebele. Da gab es die Wuorobie, die in den
Bergen, auf den Baumen lebten. Aufierdem gab es die Kumbuli, die viel zahlrei
cher waren und auf der Erde lebten. Es heifit, dass die Erde schlammig war, offen
sichtlich siedelten sie also in den Talern und in der Ebene, um moglichen Streit
mit den Menschen in den Bergen zu vermeiden.
Soweit stimmen die Versionen iiberein. Dabei ist allerdings unklar, welche Sprache die Gruppen damals gebrauchten. In Kollo, dem Ort, wo alien Uberlieferungen zu
folge heute die Nachfahren der Kumbuli leben, berichtet man, jene hatten damals
nankansegesprochen, die ubliche Sprache der Nankana. Bis heute erfordert der Ritus, dass viele wichtige Ansprachen von Erdheiligtumern in Kollo in der Sprache der ost
lichen Nachbarn durchgefuhrt werden. Dies fuhrt man darauf zuriick, dass das nankanse
einmal die eigene Sprache der Leute von Kollo gewesen sei. In Tiebele erklart man
dagegen, die Bewohner von Kollo seien an diesen Ort zugewandert. Demzufolge hat ten sie die Erde mit ihren Heiligtumern von einer Vorbevolkerung aus Sprechern des
Nankana erhalten. Zuriick zur Geschichte:
Eines Tages kam ein junger Prinz der Mossi mit dem Namen Patiringomie21 in die
Gegend. Er hatte im Streit um die Thronfolge keinen Erfolg gehabt und suchte
nun einen Platz, wo er sich niederlassen konnte, um fern von seinen Brudern sein
Leben zu verbringen. Wahrend er sich am Fufie des Berges, der heute Tiebele22
heifit, vom anstrengenden Weg ausruhte, beobachtete er eine Krabbe,23 die unter
einen Felsen kroch, wo es offensichtlich Wasser geben musste. Da er nun selbst
sehr durstig war, versuchte er, den Felsen zur Seite zu bewegen. Der Felsen ist grofi und schwer (man kann ihn noch heute besichtigen), aber der Prinz verspurte mit
einem Mai ubernaturliche Krafte. Er rollte ihn zur Seite und labte sich am kuhlen
Wasser. Er fasste den Gedanken, sich an diesem Ort, in der Nahe der frischen
Quelle niederzulassen.24 Er fragte also fur sich, seine Frauen und die Leute, die
mit ihm unterwegs waren, nach einem Platz bei den Menschen der Berge, den
Wuorobie, die ihnen auch die Erlaubnis dazu gaben. Kurze Zeit danach wurde er
gebeten, da er als Fremder keinen Anlass zur Voreingenommenheit hatte, das Amt
des Schiedsrichters bei Streitfallen zwischen den Wuorobie und den Kumbuli zu
21 Die Genealogie Dittmers (1961:152) beginnt mit dem Namen Katahg hgo. 22 Der BergTiebele' (vgl. Karte 1) liegt ca. 7 km westlich des gleichnamigen Ortes, der in der burkinischen
Administration Hauptstadt des Departements ist. Die Bewohner von Ti^bele, soweit sie in verwandt
schaftlicher Beziehung zum Hauptlingstum stehen, diirfen den Berg nicht aufsuchen, es sei denn unter
Beachtung bestimmter Opfer. Fur alle anderen ist er frei zuganglich. 23 Eine erste, heute weitergegebene Etymologic ist daher tiibile (more)
= ?Krabbe". 24 Die zweite, heute bekannte Etymologie fur den Ortsnamen ist: tiebele {more) =
?guter Platz".
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iibernehmen. Diese Aufgabe fiihrte er aus, so gut er konnte; bald aber verdachtig ten ihn die Kumbuli der Parteilichkeit, hatte er doch seinen Platz zum Wohnen
von den weniger zahlreichen Wuorobie erhalten.
An dieser Stelle gibt es abweichende Versionen im Hinblick auf den Anlass der Aus
einandersetzung. So heiSt es in einer Fassung, die Kumbuli hatten den Frauen des
Mossi als Fremden verboten, ihre Kinder im Haus zur Welt zu bringen, weil dabei die
Erde mit dem Blut Fremder verunreinigt wiirde. Nachdem eine der Frauen zweimal
ein Kind in der Astgabel eines Baobab zur Welt gebracht hatte, weigerte sie sich, ihr
drittes Kind aufierhalb des Hauses zur Welt zu bringen. Dies fiihrte zu dem Konflikt, der dann nicht mehr zu schlichten war.
Eine andere Version erzahlt von einem Brunnen im Tal, zu dem die Kumbuli den
zahlreicher werdenden Mossi den Zugang verweigerten.25 Die Mossi und die Wuorobie
erstritten sich daraufhin das Recht zur Benutzung dieses Brunnens. St.Jalmes (1972:11)
gibt aufierdem eine dritte Fassung wieder, die er in Kollo in Erfahrung gebracht hat.
Danach sollen die Bewohner von Ti^bele in der Matrilinie mit den Leuten von Kollo
verwandt sein. Allerdings ist dabei zu beachten, dass St. Jalmes sich in Kollo nur beim
Hauptling des Ortes, Lugudu, informiert hat. Der Hauptling war schon Kraft seines
Amtes daran interessiert, gute Beziehungen mit dem ihm iibergeordneten Hauptling von Tiebele zu unterhalten. Andere Versionen, in denen der Konflikt mit den Nach
fahren der Mossi deutlicher hervortritt, werden in anderen Ortsteilen von Kollo iiber
liefert (s. u.). Zunachst weiter mit der Geschichte:
So geschah, was unausweichlich in solchen Situationen geschieht: Es kam zum
Krieg von Patiringomie und den Wuorobie auf der einen und den Kumbuli auf
der andere Seite. Nur durch die Mithilfe des Chefs von Zabre (der seinerseits auch
erklart, von einem Mossi abzustammen) gelang es, die zahlreichen Kumbuli zu
besiegen und zu vertreiben. Die Kumbuli liefien sich daraufhin weiter sudlich
nieder, dort, wo heute der Ort Kollo ist. Die Bewohner von Kollo sind daher die Nachfahren der Kumbuli, wahrend die Bewohner von Gorobie (das entspricht Wuorobie), sich auf die Immigranten aus dem Mossiland zuriickfiihren.
Patiringomie selbst verlangte aber niemals die formelle Fiihrung iiber die Men
schen, die mit ihm erfolgreich zum Kampf geschritten waren. Erst sein Sohn, Buinkiete mit Namen, oder (anderen Versionen zufolge) dessen Sohn, Wongo, beanspruchte das Hauptlingstum und begriindete damit zugleich die Dynastie von Tiebele\26 Der Hauptling benotigte nun noch ein Abzeichen, eine Versiche
rung seiner frisch erworbenen Wiirde. Er erhielt ein wirkungsvolles Attribut sei ner Macht vom Konig der Mamprussi in Nalerigu in der Form eines magischen
25 Beide Fassungen werden von Stjalmes (1972:9-10) als Bericht der Leute von Tiebele dargestellt. 26 Vgl. dazu in der Liste in Dittmer (1961:152): Bu-etyete= Buinkiete.
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Homes kwara I kwari27 Dieses Horn verwahrte er gut und gebrauchte es nur im
Fall eines kriegerischen Konfliktes, da es ihm dann unfehlbar zum Sieg verhalf.
Dittmer (1961:131) vertritt die These, dass - entgegen der lokalen oralen Tradition -
das Hauptlingstum der Kassena nicht auf eine Migration der Mossi zurtickzufuhren
sei. In der Tat handelt es sich bei dem Motiv des zum Hauptling aufsteigenden Sohnes
eines Migranten aus dem Norden um einen Topos, der auch in vielen anderen oralen
Traditionen wiederzufinden ist.28 Die Frage, in welchem Mafie das lokale politische
System autochthon ist, wird sich auch bei genauer Untersuchung der oralen Traditio nen und anderer Quellen nicht mit voller Sicherheit beantworten lassen.
Die Beziehungen zu dem im Norden Ghanas gelegenen Konigtum der Mamprussi in Nalerigu waren jedenfalls von grofier Bedeutung fur die politische Struktur bei den
Kassena. Orale Traditionen berichten iiber den jahrlichen Weg des Hauptlings29 von
Tiebele nach Nalerigu mit alien Gaben, die zur Erneuerung der magischen Kraft des
Homes vom Konig dort gefordert wurden. Der fiinfte Herrscher von Tiebele, Kwara
mit Namen, beendete die jahrliche Erneuerung des magischen Homes.30 Dennoch
blieb die Zahlung von Tribut in Form von Naturalien und Arbeitsleistungen erhalten.
Alte Leute berichten, sie hatten in Nalerigu auf den Feldern des Konigs im Auftrag des
Hauptlings von Tiebele gearbeitet.31 Jeder der untergeordneten Hauptlinge hat im
Gehoft des Konigs einen Teil der architektonischen Einheiten zu unterhalten. Wah
rend das dem Hauptling von Tiebele zugeordnete Haus eingestiirzt sei, und man sich
auch nicht mehr an dessen Platz erinnerte, ist dem Hauptling von Paga, einem unmit
telbar an der ghanaischen Grenze gelegenen Ort der Kassena, das Vestibul zugeordnet.
Jahrlich schickt der Hauptling von Paga Arbeiter und Material, um das Dach neu zu
decken und gegebenenfalls die Mauern auszubessern. Die Geschichte der Griindung des Hauptlingstums der Kassena ist damit aber, wie alle Erzahler ubereinstimmend
berichten, noch nicht zu Ende erzahlt:
27 Die - der oralen Tradition zufolge -
spate Aneignung dieses Homes betrachtet Dittmer (1961:131) in
seiner historisch ausgerichteten Arbeit als Beleg fur die autonome Entstehung des Hauptlingstums bei
den Kassena. Vielleicht unterschatzte er die Rolle der bis in die jiingste Vergangenheit engen Verbindun
gen mit Nalerigu, tiber die damals, wahrend der Kolonialzeit, weniger offen gesprochen wurde. 28 Howell (1997:22) berichtet dies z. B. auch fur den ersten Hauptling von Chiana, der im Streit um die
Thronfolge von Nobere' unterlegen gewesen sein soil und schliefilich unweit des heutigen Chiana die Erlaubnis zur Niederlassung erhielt. 29 Der Begriff Hauptling wird hier synonym verwendet furpe/pa. Der haufig im burkinischen Kontext
gebrauchte Begriff ?Chef' ist m. E. nicht geeignet, da es sich dabei um eine eindeutig kolonialzeitliche
Pragung aus dem Franzosischen handelt. Dementsprechend sind auch viele Attribute der Kolonialzeit in
den damit verbundenen Vorstellungen enthalten. 30
Vgl.StJalmes (1972:15). 31 Die folgenden Angaben wurden Gesprachen in Nalerigou mit Chief F. Y. Wari Tungbriamara und dessen Familienangehorigen im Marz 1997, bei denen auch Dandiga Kvyizuro aus Ti^bele als Besucher anwesend war, entnommen.
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War auf diese Weise die Macht des Haupdings von Tiebele gesichert, so musste er
doch bald feststellen, dass ihm der fur das Gedeihen der Ansiedlung erforderliche
Nachwuchs fehlte. Die Kinder seiner Frauen und die der Briider starben schon im
jungen Alter. Er befragte alle Wahrsager in der Region, bis ihm schliefilich ein
alter Mann den Hinweis gab, in seinem Machtbereich gebe es ein zweites Horn, das ebenfalls von grofier magischer Kraft sei. Erst wenn er dieses - Fruchtbarkeit
spendende - Horn in seinen Besitz gebracht habe, konne sich die Ansiedlung
vermehren. So liefi der Hauptling in alien Ortschaften suchen und man fand
schliefilich in Boulmona einen Knaben mit dem zweiten Horn. Dessen Mutter
stammte zwar aus Boulmona, aber sie war mit einem Mann in Songo verheiratet
gewesen. Von dort war sie, nach der Trennung von ihrem Gatten, zusammen mit
dem Sohn an ihren Geburtsort zuruckgekehrt. Der Knabe, dessen verborgenen Besitz man so gefunden hatte, erklarte sich bereit, das ?Horn der Fruchtbarkeit", das der Hauptling so dringend als Erganzung zum
?Horn des Krieges" benotigte, fur die Dauer von dessen Regentschaft abzugeben. Als Gegenleistung dafur durften er und seine Kinder ihr Land unter dem Schutz
des Haupdings bestellen. Und so lebte der Hauptling gliicklich und seine Nach
fahren waren zahlreich.
Bis heute ist es bei dieser Regelung geblieben: Die Leute von Boulmona berufen sich
insgesamt auf die Herkunft von diesem namentlich nicht genannten Knaben, der in
der Patrilinie ja aus Songo stammte. Sie sind die kwara-tu, die Inhaber des kwara
Hornes, und geben das Horn, dessen Wirkungskraft in Friedenszeiten viel wichtiger ist als die des Kriegshornes, dem jeweils amtierenden Hauptling. Nach dessen Tod
wird das Horn wieder in Boulmona in ein spezielles Haus, das kwara-dige, gebracht und erst nach erfolgter Inthronisierung eines Nachfolgers wieder herausgegeben.32
3. Landkarten
Die Erinnerung der Erzahler oder, besser ausgedriickt, die ?kognitive Landkarte "33, die Karte im kulturellen Gedachtnis, wird in Gesprachen oder durch die Weitergabe
32 Die Magisterarbeit von Annea (1986) beschreibt ausfuhrlicher das komplementare Verhaltnis dieser beiden magischen Objekte. Die Horner werden nach Annea als Wesenheiten weiblichen Geschlechtes betrachtet. Die Aneignung des Horns der Fruchtbarkeit wird ferner mit der Metapher einer Heirat um
schrieben, bei der ein Brautpreis zu zahlen ist. Fur die Braut, das Horn, muss jeder neue Hauptling von
Ti^bele daher auch ein neues Haus in seinem Gehoft errichten. 33
'Cognitive Mapping"definiert Jamesson (1988:353) wie folgt: "[..] to span or to co-ordinate, to map
by means of conscious and unconscious representations". Vgl. fur diesen Begriff auch Downs und Stea
(1982). Ensembles kulturell konstruierter Orte und ihre Representation in der Form kognitiver Land
karten beschreibt auch Olwig (1993:320). Ohne speziell auf die historische Dimension der kognitiven
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Hans Peter Hahn: Siedlungsgeschichten bei den Kassena: orale Traditionen und Lokalitat 251
ihrer oralen Tradition als solcher immer wieder aktualisiert.34 Als kognitive Landkarte
sollen dabei Muster oder Netze von Orten und andere Lokalitaten in den Vorstellun
gen der Angehorigen der Gesellschaft bezeichnet werden, die auf diese Weise sich und
anderen Personen eine bestimmte Qualitat oder Rolle innerhalb der Gesellschaft zu
weisen. Die Bedeutungen der Lokalitaten, die als konstituierend fur die ?kognitive Landkarte "gedacht werden konnen, existieren nicht als autonome Grofie. Sie werden
vielmehr unter der Beteiligung der Mitglieder der Gesellschaft durch das Erzahlen
und andere Praktiken immer wieder neu konstituiert. Es gilt also im Folgenden aufeu
zeigen, dass die oral tradierte Abfolge von Ereignissen, einschliefilich der Migratio nen, sich zwanglos in eine raumliche Struktur umsetzen lasst. Das tradierte Gesche
hen ordnet der Topographic jedem Ort des Siedlungsgebietes in der Umgebung von
Tiebele und der entsprechenden Bevolkerung eine ganz bestimmte Rolle zu.
An erster Stelle ist die Bedeutung dieser Geschichten fur die Identitat der ethni
schen oder kulturellen Kategorie der Kassena beziehungsweise von Gruppen inner
halb der Bevolkerung zu nennen. Vor dem Hintergrund der oralen Tradition wird z.
B. die lebhafte Schilderung von Liberski (1991:82) unmittelbar verstandlich, wenn
sie ihre Suche nach den ?echten" Kassena beschreibt. So wurde sie von P6 ausgehend immer weiter nach Westen, bis nach Leo verwiesen, genauso wie in sudostlicher Rich
tung die echten ?Ost-Kassena" immer noch ostlich oder sudlich der gerade in Frage stehenden Siedlung leben sollten. Eigentlich ist niemand ?Kassena".35 Die hier wie
dergegebenen Geschichten verdeutlichen, dass in der oralen Tradition jeder einen spe ziellen Platz hat, aufgrund dessen er oder seine Gruppe eigentlich Mossi-Immigrant,
eigentlich Kumbuli oder eigentlich Nachfahre der dem Hauptling von Tiebele zu Hilfe
geeilten Truppen aus Zabre ist. In den Mittelpunkt der folgenden Betrachtung soil
nicht die Frage des Prestiges der Einwanderer gestellt werden, die Frage also, ob der
Status des Immigranten moglicherweise mit hoherem Ansehen verbunden ist als der
des Autochthonen. Mit dieser Frage wurde sich eine politische Interpretation der ora
len Traditionen befassen, die dann auch die Beweggrunde fur das Fortbestehen ver
schiedener Varianten zu untersuchen hatte.36 Eine solche Interpretation wurde z. B.
Landkarten einzugehen, entwickeln Hillier und Hanson (1984:82ff.) methodische Zugange zu einer
Analyse der ?Logik des Raumes". 34
Vgl. dazu auch das eingangs wiedergegebene Zitat von Appadurai (1996:180). 35 Es lage vielleicht nahe, die Untersuchung an dieser Stelle abzubrechen und die Kategorie ?ethnische
Zugehorigkeit" als Konstrukt zu klassifizieren und daher auf ihre weitere Beriicksichtigung zu verzichten.
Linguistische Argumente sprechen jedoch gegen diesen Schritt. Die Kassena sind eine sprachlich relativ
gut abzugrenzende Gruppe. 36 Vgl. fur eine explizit politische Betrachtung z. B. Lentz (1993) uber oraleTradiuonen im Nordwesten
Ghanas. Das Beispiel der oralen Traditionen der Kassena (wie auch von anderen Gruppen der Region) stellt den von Kopytoff (1987:55f.) aufgezeigten Sonderfall dar, bei dem der spater Ankommende - im
Siedlungsgebiet der Kassena ist das der Prinz der Mossi - den hoheren sozialen Rang einnimmt und den alteren Bevolkerungsteilen nur eine ritualisierte Zustandigkeit uberlasst.
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252 Zeitschrift fur Ethnologie 125 (2000)
die Zuordnung von Amtern, sei es im Zusammenhang mit dem Erdherrentum oder
dem Gefolge des Hauptlings genial? der in den Geschichten genannten Legitimatio nen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Solche Aspekte sind in der Analyse
wichtig, aber sie sind nur ein Teil der Bedeutungen der raumlichen Struktur, die in
den Geschichten wiedergegeben wird.
Einen anderen Aspekt der Interpretation betrifft die in der oralen Tradition zu
findende Feststellung, dass Tiebele, beziehungsweise der gleichnamige Berg, iiber wei
te Strecken im Mittelpunkt des Geschehens steht. Das entspricht der historischen
Tatsache, dass die Gegend um Tiebele in vorkolonialer Zeit ein Zentrum der Besied
lung mit besonders hoher Dichte (iiber 100 E/qm) war.37 Erst im Laufe des 20. Jahr hunderts erfuhr die Gegend eine standige Bevolkerungsabnahme, wahrend die weiter
westlich gelegene Provinzhauptstadt P6 eine rasante Zunahme der Einwohnerzahlen
verzeichnete. Fur die Zentralitat und das Alter des Ortes Tiebele spricht auch der
sprachwissenschaftliche Befund. Aufnahmen zur Dialektologie zeigen, dass das Zen
trum alter Besiedlung in der Umgebung des heutigen Ortes Tiebele liegt.38 Beide bislang angefuhrten Aspekte der oralen Traditionen, die Heterogenitat der
Besiedlung und die Zentralitat des Ortes und des Berges Tiebele, sind nur zwei Bei
spiele fur Bedeutungen, die in der Gegenwart der Gesellschaft der Kassena eine wich
tige Rolle spielen. Weitere, sich zum Teil ganz speziell auf Gruppen innerhalb der
Bevolkerung beziehende Interpretationen sollen im Zusammenhang mit einer nahe ren Beschreibung der Beziehungen zwischen Gruppen von Ortschaften aufgezeigt wer
den.
Die Ortschaften der Kassena sind, dem Verstandnis der Geschichten folgend, zwang los in vier ?Siedlungsgruppen" einzuordnen, dessen Begrifflichkeit im Folgenden le
diglich als analytisches Hilfsmittel der Interpretation verwendet wird.39 Eine Ort
schaft umfasst bei den Kassena in der Regel immer nur Angehorige einer Patrilinie, die sich auf einen namentlich bekannten Ortsgrtinder zuriickfiihren und ein gemein sames ?erstes" Haus (didoho) und bestimmte heilige Haine kennen. Alle Anwohner einer Ortschaft sind somit auch einer der Siedlungsgruppen zuzuordnen. Damit ist
nicht in alien Fallen eine Liste von Vorrechten oder Pflichten zu verbinden, sondern es handelt sich zunachst nur um Aspekte gemeinsamer, aufgrund der Geschichte an
genommener Beziehungen. In den Vorstellungen der Erzahler der Geschichten neh
37 Vgl. die Daten des Zensus von 1909 in Duperray (1984:270). 38 Eine im November 1995 gemeinsam mit G. Miehe (Universitat Bayreuth) durchgefuhrte Kartierung
der Isoglossen ergab als Zentrum der grofiten Heterogenitat die Gegend umTidbele, wahrend im Westen nur geringe dialektale Unterschiede bestehen. Dieser Behind lasst auf ein hoheres Alter und eine fruhere
DifFerenzierung der Dialektformen im Siedlungsgebiet der Ost-Kassena schliefien. 39 Der BegrifF der ?Siedlungsgruppe" wird hier lediglich als heuristisches Mittel eingesetzt, um Ahnlich keiten und Unterschiede zwischen den Orten deutlicher herausstellen zu konnen. Der BegrifF wird zur
Beschreibung qualitativer Unterschiede verwendet, die in den lokalen Vorstellungen enthalten sind.
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Hans Peter Hahn: Siedlungsgeschichten bei den Kassena: orale Traditionen und Lokalitat 253
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IE Karte 1 Siedlungen der Klane mit Mossi-Herkunft und der Erstsiedler. Orte der ersten Gruppe (Wuorobie, Mossi-Herkunft) sind grau markiert. Schwarz und mit Asterisk eingetragen sind die Orte der zweiten Gruppe (Kumbuli, Erstsiedler). Erhebungen iiber 350 m ii. NN sind schraffiert.
men zwar die Beziehungen untereinander und die Unterschiede in der Qualitat zwi schen den Orten einen wichtigen Platz ein, sie wiirden aber niemals dafur den Begriff der ?Siedlungsgruppen" verwenden.
Die erste Siedlungsgruppe besteht aus den Orten Gorobie, Kassira und Doulnia, die mit ihren zahlreichen Ortsvierteln den heute administrativ bestimmten Ort Tiebele bilden (vgl. Karte 1). Ihre Bevolkerung erklart sich dabei als Nachkommen der Sohne von Wongo, dem Griinder des Hauptlingstums. Cicam (1. Sohn) und Bassoro (3. Sohn), die Ahnvater von Kassira und Gorobie, sind die Sohne der ersten Frau. Dullu
(2. Sohn), der Griinder von Doulnia, ist der Sohn der zweiten Frau. Andere Orte, die sich ebenfalls auf Bruder oder Sohne von Wango oder dessen Nachkommen berufen, sind Goumpia, im Siiden Tangassogo und Mayoro, sowie im Osten L6, Tyalo und Idenia.40 In besonderer Weise lokalisiert sich die Eigenart dieses Teils der Bevolkerung
40 In mehreren Fallen war es fur den Erzahler unklar, ob der Name, mit dem man sich in die allgemein
bekannte Genealogie einhangt, nun der des Bruders oder der des Sohnes ist. Diese Frage ist auch nicht von Bedeutung, wenn es darum geht, sich in eine relativ nahe Position zum Hauptling zu bringen.
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254 Zeitschrift for Ethnologie 125 (2000)
bei den Gehoften einzelner ?Prinzen", die sich auch heute noch durch den Besitz eines
Pferdes mit entsprechendem prachtvollen Zaumzeug auszeichnen. Sie demonstrieren
damit auch materiell die unmittelbare Zugehorigkeit zum Hof des Haupdings.41 An dieser Stelle ist nicht der Ort, um die Linien und Briiche in der dynastischen
Folge des Haupdingstums in Tiebele weiter zu verfolgen. Die Hauptlingsliste ist so
wohl in Dittmer (1961:152) als auch ausfiihrlicher und nur mit geringen Modifika tionen in St.Jalmes (1972:22) verzeichnet. Dennoch soil auf eine Abweichung in der
normalen Erbfolge hingewiesen werden, die sich in ganz ahnlicher Konstellation auch
bei den Aufnahmen in L6, Guenon42 und beim Hauptling von Kollo wiederfand.
Nach der iiblichen Erbfolge ubernimmt der erste Sohn das Amt vom Vater. In alien
genannten Orten gibt es aber eine Persdnlichkeit, die nicht als erster, sondern als
jiingerer Bruder durch Geschicklichkeit, List oder Gewalt die Macht des Haupdings tums an sich riss. Bossoro, der dritte Sohn von Wango, ist der Akteur dieser Ubernah
me in der Reihe der Hauptlinge in Tiebele; in L6, Guenon und Kollo treten jeweils andere Figuren mit dem gleichen gunstigen Geschick auf. Ein Vergleich der tradierten
Geschichten erweckt den Eindruck, erst ein solcher Verstofi gegen die Regeln der
Erbfolge bestatige die durch die Verwandtschaft mit dem Mossi-Prinzen gestiftete
Sonderstellung. Den Erzahlern ist dabei der Verstofi gegen die Ordnung bewusst. Die
Abweichung von der iiblichen Regel wird kommentiert mit dem Hinweis, dass Starke
oder List des jiingeren Kandidaten ausreichend war, um das Amt an sich zu reifien.
Guenon nimmt in der ersten Siedlungsgruppe eine Sonderstellung ein, da sich die
Bevolkerung auf einen Teil der aus Zabre gesandten Hilfstruppen zuriickfiihrt, die
dem Hauptling von Tiebele zu Hilfe geeilt waren. Die Leute von Guenon legen heute
Wert auf ihren Status als Krieger des Haupdings. Die zweite Siedlungsgruppe bilden die Bewohner des Ortes Kollo mit seinen zahl
reichen Ortsteilen (u. a. Pogo, Zeka und Pissungu, vgl. Karte 1). Zwischen den Erzah
lern in Kollo und denen in Tiebele, den beiden Orten, in denen die Geschichten
aufgenommen wurden, gibt es auch die grofiten Unterschiede. Beide Seiten aber be
statigen die grundlegende Unterscheidung in Bezug auf die Verwandtschaft mit dem
Mossi-Prinzen. Allerdings gibt es in Kollo noch eine zweite Tradition zum Ursprung der Bevolkerung in der Gegend, die folgendermafien lautet:
41 Pferde gibt es unter anderem in Tangassogo und Tyalo. In Mayoro (Nord-Ghana) wurden dem Autor
ein spezielles Kostum und Waffen vorgezeigt, die nur bei der Inthronisierung des Hauptlings in Tiebele
offentlich getragen werden. 42
Unstrukturierte Interviews wurden durchgefiihrt in Guenon im November 1995, in Kollo am 10./11.
1. 97 und in L6 am 1.-3. 4. 1997.
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Hans Peter Hahn: Siedlungsgeschichten bei den Kassena: orale Traditionen und Lokalitat 255
Bevor es die ersten Menschen in dieser Gegend gab, lebten hier die Geister der
Erde. Sie hatten zwar eine menschliche Erscheinung, wohnten aber unter der Erd
oberflache. So lebten hier Akollo und Dinga jeweils mit ihren Familien. Das gro fiere Haus gehorte dabei Akollo, und hier versammelte man sich allabendlich fur
Gesprache. Auch Kumbuli, der Sohn von Dinga fand sich dort regelmafiig ein. Er
zog es allerdings vor, eine heimliche Liebesbeziehung mit Kauri, der Tochter von
Akollo zu knupfen. Kumbuli nahm nie an den Gesprachen teil und bald fragte Akollo, der Gastgeber, Dinga nach dem Grund fur das seltsame Verhalten seines
Sohnes. SchlieElich entdeckte die Mutter von Kauri die Wahrheit und informier
te ihren Mann. Dieser unternahm aber nichts, bis Kauri eines Tages schwanger wurde und ihre Beziehung mit Kumbuli offen eingestand. Nun brachte sie der
Vater zu Dinga43, und ubergab ihm die Frau seines Sohnes zu seiner Verantwor
tung. Dinga wurde dariiber wiitend und verbot beiden, Kauri und Kumbuli, sein
Haus.
Da sie von den Eltern vertrieben worden waren, beschlossen sie, von nun an auf
der Erde zu leben. Nachts kamen die Frauen von Akollo und die Briider von
Kauri, um ihnen beim Bau eines Gehoftes zu helfen. Als bald darauf ihr Sohn auf
die Welt kam, hatte Kauri den Wunsch, das Neugeborene dem Grofivater, Akollo, zu zeigen. So begab sie sich zu ihrer Mutter unter die Erde und vertraute ihr das
Kind an. Als jedoch Akollo das Kinderschreien horte und erfuhr, dass Kauri heim
lich sein Enkelkind gebracht habe, ordnete er an, das Kind sofort zuruck auf die
Erde zu bringen. Angesichts der Weigerung des Grofivaters, seinen Enkel zu se
hen, gaben die Eltern ihm den Namen ?Akollo", um zu zeigen, dass es aus der
Erde geboren sei. So wurden Kumbuli und Akollo die Griinder von Kollo.
St.Jalmes (1972:7) bezeichnet diese zweite orale Tradition als ?mythische" Fassung und stellt sie damit der ersten, seiner Meinung nach ?historischen" Uberlieferung
gegenuber. Die damit vollzogene analytische Unterscheidung zwischen den beiden
Geschichten muss aber in Frage gestellt werden, da beide Geschichten mythische Ele
mente enthalten. Die Geschichte von der Immigration eines Mossi ist ja in der Region ein weit verbreiteter Topos, so dass auch diese Uberlieferung kaum einem historischen
Anspruch gerecht werden diirfte (s. o.). Als weitere mythische Elemente der ersten
Geschichte sind die Lokalisierung der Bewohner vor der Ankunft des Mossi-Migranten und die Wirkungen der verschiedenen Horner zu werten.
Es ist ohne weiteres mdglich, die hier vorgelegte ?Zusatzgeschichte" mit der ein
gangs referierten Geschichte zu verknupfen. Die Verbindung entsteht iiber den Na
43 ?Dinga" ist heute der Name eines heiligen Berges unmittelbar nordlich der Ortsteile von Kollo (vgl.
Karte 1). Geliibde, die auf seinen Namen abgelegt werden, erfreuen sich weit iiber Kollo hinaus eines
guten Rufes. Auch andere, westlich von Kollo gelegene Berge mit den Namen ?Pulu" und ?Banga" spie
len in den oralen Traditionen eine Rolle.
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256 Zeitschrift fur Ethnologie 125 (2000)
men ?Kumbuli", der hier eine Person bezeichnet, in der ersten Geschichte dagegen eine Gruppe von Menschen meint. Alle anderen Details widersprechen der ersten
Geschichte nicht. Sie konnen ohne weiteres als Erganzungen, die sich auf die beson
dere Situation von Kollo zuriickfiihren lassen, interpretiert werden. Verstandlicher
weise wird die Auseinandersetzung mit dem Mossi und seinen Leuten ausgelassen. Aufierdem wird die Person Akollo als Namensgeber der Ortschaft eingefiihrt und eine
besondere Beziehung zu den Geistwesen der heiligen Haine (tahgwam I tatgwana)
hergestellt. Wahrend der Name ofFensichtlich auf den Ortsnamen verweist, wird durch
den zweiten Aspekt auf die spezielle Rolle der Nachkommen von Akollo als Erdherren
(flag tu I tit tin? hingewiesen. In vielen Ortschaften der Kassena wird das Amt des
Erdherren an einen aus Kollo stammenden Angehorigen vergeben. Fast immer han
delt es sich dabei um matrilaterale Verwandte. Frauen, die mit einem Mann in Kollo
verheiratet waren, kehren nach der Trennung oder nach dem Tod des Mannes zum
Wohnort ihres Vaters zuriick, und ihre Sohne versehen dann das Amt des Erdherren
am Wohnort der Mutterbruder. Heilige Haine im ganzen Siedlungsgebiet der Ost
Kassena sind grundsatzlich den Leuten aus Kollo zugeordnet.44 Die jeweiligen Alte sten diirfen dort erst opfern, nachdem sie ein vorausgehendes Opfer in Kollo verrich tet haben.
Dass die zweite Geschichte nicht in Konkurrenz zur anderen Grundungsgeschichte steht, ist auch an der allgemein bekannten Ortlichkeit des ersten Gehoftes der Leute von Kollo zu erkennen. Dieser Platz befindet sich nicht im Bereich der heutigen Sied
lung Kollo, sondern liegt in Tiebele im Ortsteil Gorobie und damit zugleich in un
mittelbarer Nahe des Hauptlingsgehofts. Das Gelande ist heute durch einen heiligen Hain markiert, den nur die Altesten aus Kollo betreten diirfen, um dort Opfer darzu
bringen. DieTatsache, dass die Angehorigen des Hauptlings und der Klan des Erdherrn
jeweils eigene Versionen der Siedlungsgeschichten haben, reflektiert die politische Dichotomie in der Gesellschaft der Kassena. Die grundsatzliche Komplementaritat, die eine Konkurrenz in einzelnen Fragen nicht ausschliefit, ist bereits von Dittmer
(1961) ausfuhrlich beschrieben worden und auch heute noch ein Teil des Alltags in
alien Ortschaften.
Die dritte Siedlungsgruppe ist indirekt in dem Geschehen der beiden angeftihrten Geschichten wiederzuerkennen. Es handelt sich dabei um die Bewohner der Ort
schaften, die in mannlicher Linie weder mit dem Mossi-Immigranten noch mit den
Kumbuli-Nachfahren verwandt sind. Das Fehlen einer solchen Verbindung wird aus
geglichen durch eine matrilaterale Beziehung, die als Grund der Ansiedlung gilt.
44 Dieser Zusammenhang belegt, dass Elemente des Bodenrechtes zur Konstruktion der oralen Traditio
nen mit herangezogen werden. Vgl. zur Rolle der Erdherrn und seine Verantwortlichkeit fur die Erde der
jeweiligen Ortschaft Hahn (1997a: 14).
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Hans Peter Hahn: Siedlungsgeschichten bei den Kassena: orale Traditionen und Lokalitat 257
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Karte 2 Siedlungen mit matrilateraler Herkunft und Neusiedler. Orte mit Geschichten uber
Griindungen durch matrilaterale Verwandte sind grau gekennzeichnet. Neue Siedlungen sind schwarz und mit Asterisk markiert. Die Pfeile zeigen von der alten zur neuen Siedlung.
Dies ist der Fall bei den Inhabern des so wichtigen ?Horns der Fruchtbarkeit" in
Boulmona, die aus Songo stammen45, aber mit Billigung des Hauptlings aus Tiebele ihren jetzigen Wohnplatz gefunden haben. Das gleiche gilt fur die Bewohner von
Sabie, die sich auf den Sohn einer Schwester des Griinders von Kollo zuruckfuhren,
(vgl. Karte 2). Die Ursprungsgeschichte dieser beiden Orte reflektiert eine durchaus iibliche Regel zur Verlegung von Gehoftplatzen: Nachst der patrilokalen Siedlungs
weise gibt es im Fall von Konflikten immer auch die Moglichkeit fur einen jungen Mann, am Geburtsort seiner Mutter um einen Platz nachzusuchen.
In der zweiten Geschichte ist es bezeichnenderweise die Familie der jungen Mut
ter, die in der konfliktbeladenen Situation beim Hausbau zu Hilfe kommt. Tatsach lich kann jeder, der sich etwa durch die nur innerhalb des Patriklans ausgeiibte Hexe rei bedroht fiihlt, zum Wohnort des Klans seiner Mutter zuriickziehen. Matrilokale
45 Liberski (1991:263) hat die orale Tradition zur Griindung des Ortes Songo aufgenommen. Danach
soil der Ortsgrtinder aus Nalerigu gekommen sein.
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258 Zeitschrift for Ethnologie 125 (2000)
Ansiedlungen einzelner Familien gibt es heute in alien Ortschaften. Sie spielen gleich falls eine grofie Rolle fiir die Vergabe des Erdherrenamtes (s.o.).
Die vierte Siedlungsgruppe schliefilich besteht aus Ortschaften, die sich auf andere, altere Ansiedlungen zuriickfiihren und von Siedlern aus diesen Orten vor weniger als
fiinf Generationen gegriindet wurden. Oft handelt es sich dabei um Gelande, in de nen ehemals Buschfelder (kara I kan) angelegt waren. Irgendwann wurden die Busch zu Hausfeldern, indem die Feldbauern aus der alten Siedlung dort das Recht der dau
erhaften Nutzung erbaten, Gehofte erbauten und einen Ahnenaltar einrichteten. Der
Vorgang der Ortsgrundung vollzog sich in der letzten Zeit in ganz verschiedenen Ge
genden des Siedlungsgebietes, ohne dass es irgendeine Verbindung zwischen diesen
Orten gegeben hatte (vgl. Karte 2). Diese Form der Ortsgrundung konnte unter an
derem fur die Orte Sossoro (aus Goumpia gekommen) und Badabie (aus Doulnia
gekommen) dokumentiert werden.46 In beiden Fallen gilt der heutige Erdherr als
letzter Angehoriger einer vorangehenden, heute nicht mehr vorhandenen Bevolke
rung. In Badabie kennt man sogar bis heute den Preis, den der Vorfahre des heutigen Erdherren den aus Doulnia stammenden Siedlern fiir die endgultige Niederlassung abforderte.
Ein drittes Beispiel fur einen solchen Prozess, in dem einer bestimmten Lokalitat neue Qualitaten zugeschrieben werden, ist zur Zeit an verschiedenen Orten im Tal des
Nazinon zu beobachten. In Mantiongogo, wo es seit ca. 1980 zu einer spontanen
Besiedlung kam, gibt es z. B. ein altes Gehoft, dessen Bewohner das Amt des Erdherren
innehaben. Der Erdherr, der hier den neuen Siedlern den Boden zuweist, gilt als An
gehoriger der letzten Familie einer Vorbevolkerung, deren Ortschaft durch Migration und Krankheiten fast ganz verschwunden ist. Inzwischen haben die ersten, aus Kollo stammenden Nutzer von Buschfeldern die Erlaubnis zur Errichtung einiger Gehofte erhalten. Die Siedler selbst driicken dabei durch die Verwendung bestimmter archi tektonischer Elemente ihre Vorstellung aus, dass hier eine dauerhafte Siedlung ent
steht. Bis daraus ein neuer Ort mit eigenen Opferplatzen fur Ahnen wird, werden
allerdings sicher noch mehrere Generationen vergehen. Wahrend die ersten drei Siedlungsgruppen von Ortschaften und die so zugeschrie
benen Eigenschaften der Lokalitaten sich unmittelbar aus den oralen Traditionen er
geben, wird die vierte Siedlungsgruppe nur mittelbar reflektiert. Es geht dabei um die
Situation, in der Akollo sich der Unterstutzung der Mutter und der Nebenfrauen des Vaters bedient, um auf neuem Territorium sein Haus zu errichten. Tatsachlich ist die
Errichtung eines neuen Gehoftes, das nicht nur als Unterkunft wahrend der Periode der Feldarbeit dienen soil, an bestimmte Vorschriften gebunden. Dazu gehort auch
46 Vgl. zu den Moglichkeiten und Problemen bei einer solchen Verlagerung von Siedlungen Hahn
(1997b:121).
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Hans Peter Hahn: Siedlungsgeschichten bei den Kassena: orale Traditionen und Lokalitat 259
ein Opfer des Patriklans, dessen Unterstiitzung in der Geschichte auf diese Weise
angezeigt wird.
Mit Ausnahme der Leute von Kollo, die insgesamt einen Klan bilden, ist der hier verwendete BegrifF der ?Siedlungsgruppe" nicht identisch mit einer Verwandtschafts
gruppe. Innerhalb der ersten Siedlungsgruppe gibt es mehrere Klane, die teils unmit
telbar zum Klan des Hauptlings gehoren, zum Teil Mitglieder der Familien der Die ner sind oder als ?Noble" wie die Leute von Guenon in politischer Allianz zum Klan des Hauptlings stehen. Die dritte und vierte Siedlungsgruppe schliefilich definieren
sich durch einen matri- oder patrilinearen Verwandtschaftsbezug zu einem anderen
Ort, der seinerseits zur ersten oder zweiten Siedlungsgruppe gehort.
4. Interpretationen
Die oralen Traditionen umfassen die Zuschreibungen von qualitativen Unterschieden
for Ortschaften, die in der Form einer Karte interpretiert werden konnen. Diese nur
implizit in der lokalen Vorstellung enthaltene Karte ordnet jede Ortschaft im Umkreis von Tiebele einer der vier hier beschriebenen ?Siedlungsgruppen" zu, ohne dass dafor
ein vergleichbarer Name wie der nur heuristisch verwendete BegrifF der Siedlungs
gruppe" eingesetzt wird. Eine solche kognitive Landkarte, die zugleich eine Karte der
oralen Tradition der Kassena ist, zeigt in eindrucksvoller Weise, dass die eingangs na
her geschilderte Problematik der kulturellen Zusammengehorigkeit (Wer sind die
?Kassena"?) auch im Netz der Beziehungen zu erkennen ist. Engere Beziehungen be
stehen dabei einerseits zwischen gleichartigen Orten, also z. B. zwischen verschiede nen Angehorigen der Familie des Hauptlings und der Prinzen. Andererseits gibt es
Beziehungen mit relativ grofierer Distanz zwischen unterschiedlichen Gruppen. Ein
Beispiel daFiir ist das Verhaltnis zwischen den Leuten von Kollo als Geber des
Erdherrenamtes und den Leuten des Hauptlings, die ihrerseits einen matrilateralen
Verwandten als Inhaber dieses Amtes akzeptieren. In abermals anderer Form gestalten sich die Beziehungen zwischen den Angehorigen der dritten ?Siedlungsgruppe" und
den Gruppen, von denen sie als matrilaterale Verwandte den Boden fur die Siedlung erhalten haben. Dabei kann es sich, wie oben gezeigt wurde, um die Ortschaft aus
irgendeiner der drei anderen ?Siedlungsgruppen" handeln. Wiederum anders gestal tete Beziehungen gelten for die Neusiedler der vierten ?Siedlungsgruppe" gegeniiber den bekannten Orten der Herkunft, oder gegeniiber den Personen, von denen sie den
Grund erhalten haben.
Wenn die hier vorgelegten Interpretationen mit den Vorstellungen der Erzahler
der Kassena ubereinstimmen, dann nur aus dem Grund, dass es ein zentrales auF die
Gegenwart bezogenes Motiv der Geschichten ist, kulturelle und politische Unterschiede
zwischen den einzelnen Orten zu zeigen. Jeder Ort wird dadurch zu einer spezifischen
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260 Zeitschrift fur Ethnologie 125 (2000)
Lokalitat, und er unterscheidet sich von den anderen Orten durch ganz spezielle Er
fahrungen und Qualitaten. Im Verhaltnis der Orte zueinander ist allgemein bekannt, wer als welcher Nachkomme eines Vorfahren anzusehen ist, wer Nachfahre des gro fien oder des kleinen Bruders oder Verwandter in matrilinearer Beziehung ist; oder
zwischen welchen Orten grundlegende Unterschiede bestehen, wie sie oben mit Hilfe
der ?Siedlungsgruppen" gezeigt wurden.47
Die Siedlungsgeschichte, so wie sie oral tradiert wird, ist dabei nur ein Medium
der Representation, in dem solche Unterschiede einen konkreten, in die Vergangen heit hinein projizierten Ausdruck finden. Die Unterschiede stellen sich im Handeln
bei besonderen Anlassen, wie etwa bestimmten Opfern in heiligen Hainen und be
sonders denTotengedenkfeiern offentlich dar (Abasi 1993:224?). In solchen Situatio nen wird der Offentlichkeit die Ordnung im kulturellen Gedachtnis durch die zere
moniell festgelegte Reihenfolge der Tanzer oder deren gleichzeitiges Auftreten sicht
bar. Jeder Klan tritt bei dieser Gelegenheit gemeinsam oder zeitlich getrennt mit an
deren Klans auf. Ein ordnendes Prinzip ist dabei naturlich die unmittelbare verwandt
schaftliche Beziehung zum Verstorbenen. Ein zweites, wichtigeres Kriterium fur die
Abfolge der Gruppen der Tanzer ist aber auch ihre Zugehorigkeit zu einer der vier
?Siedlungsgruppen", die z. T. durch bestimmte Ausstattungsstiicke erkennbar gemacht wird, oder denen z. T. keine eigenen Tanzergruppen zugestanden werden.48
Die Interpretationen der oralen Tradition sind ein Schritt auf dem Weg der Doku
mentation lokaler Vorstellungen iiber Raum und Geschichte bei den Kassena. Die
oralen Traditionen mit ihren Varianten sind zum grofien Teil allgemein bekannt und
gehoren ohne weiteres zum abfragbaren Wissen aller erwachsenen mannlichen Mit
glieder der Gesellschaft; sie sind also Teil der lokalen Offentlichkeit. Viel weniger
eindeutig sind die Konsequenzen der hier geschilderten komplexen Verhaltnisse auf das Alltagshandeln der Kassena. Sie sind nur schwer beschreibend zu erfassen, da es nur wenige Situationen gibt, in denen auch fur nicht unmittelbar Beteiligte Trennen des und Gemeinsames zwischen den Ortschaften sichtbar werden. Als Beispiele, in
denen solche Unterscheidungen sichtbar werden, sei noch einmal auf die Besonder heiten des Erdherrenamtes und des Hauptlingstums verwiesen, die beide schon von
Dittmer (1961) eingehend beschrieben wurden. Mit Sicherheit beeinflusst das Wis
47 Nadel (1938:85f.) beschreibt eine ahnliche Konstellation in einer Ortschaft der Nupe unter strukturfunktionalistischem Blickwinkel als "social symbiosis". Naturlich kann auch die Situation im
Siedlungsgebiet der Kassena als ?Symbiose" zwischen dem Klan mit Mossiherkunft, dem Klan Wuorobie und den Kumbuli beschrieben werden. Schon der Begriff berechtigt aber zu der Kritik, es handele sich dabei um eine biologistische Gesellschaftsbeschreibung. Wichtiger noch ist die Frage nach den Motiven. 1st die Komplementaritat freiwillig, oder ist man ihr unterworfen? Welche Konsequenzen haben Selbst
und Fremd-Zuschreibung? Kopytoff (1987:52) zeigt deutlicher, wie Herkunft und Siedlungsalter in ei nem Rechtfertigungsdiskurs um die lokale Macht eingebunden werden. 48 Dittmer (1959:E 159 und E 219) hat eine solche Zeremonie, den laara-Tanz, im Film festgehalten.
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Hans Peter Hahn: Siedlungsgeschichten bei den Kassena: orale Traditionen und Lokalitat 261
sen uber die spezifischen Qualitaten der Ortschaften aber auch das alltagliche Spre chen uber die Orte, Siedlungen, Berge und uber die mit ihnen verbundenen Men
schen.
Uber die verwandtschaftlichen Beziehungen hinaus ergeben sich durch die ? zum
Teil divergierenden -
Erinnerungen soziale und politische Zusammenhange, die auf
ihre Weise den Raum und die Siedlungsstruktur der Kassena bestimmen. Dass es sich
bei den oralen Traditionen um eine besondere Form des Wissens handelt, das eben
nicht augenfallig ist, sondern von der Gegebenheit einer Erzahlsituation abhangt, wird
in dem Epitaph deutlich: Die Ahnen sind nur durch das Medium der oralen Tradition
und deshalb nur durch das Zuhoren und die Aufmerksamkeit dem Erzahler gegen iiber zuganglich. Die Existenz dieser Ahnen wird deshalb nicht in Zweifel gezogen. Im Gegenteil, wer nur sieht, ist der Unwissende. Wer aber auch das Ohr gebraucht,
weifi von der Wahrheit der Ahnen. Die oralen Traditionen sind dem Sichtbaren, dem
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