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Date post: 09-Nov-2020
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Henry Wüstemann, Jens Kolbe and Christian Krekel Gesundheitswirkung städtischer Grünräume: eine empirische Analyse Article (Published version) (Refereed) Original citation: Wüstemann, Henry, Kolbe, Jens and Krekel, Christian (2017) Gesundheitswirkung städtischer Grünräume: eine empirische Analyse. Natur und Landschaft 92 (1). ISSN 1664-8145 DOI: 10.17433/1.2017.50153433.31-37 © 2016 W. Kohlhammer, Stuttgart This version available at: http://eprints.lse.ac.uk/78029/ Available in LSE Research Online: May 2017 LSE has developed LSE Research Online so that users may access research output of the School. Copyright © and Moral Rights for the papers on this site are retained by the individual authors and/or other copyright owners. Users may download and/or print one copy of any article(s) in LSE Research Online to facilitate their private study or for non-commercial research. You may not engage in further distribution of the material or use it for any profit-making activities or any commercial gain. You may freely distribute the URL (http://eprints.lse.ac.uk) of the LSE Research Online website.
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Henry Wüstemann, Jens Kolbe and Christian Krekel

Gesundheitswirkung städtischer Grünräume: eine empirische Analyse Article (Published version) (Refereed)

Original citation: Wüstemann, Henry, Kolbe, Jens and Krekel, Christian (2017) Gesundheitswirkung städtischer Grünräume: eine empirische Analyse. Natur und Landschaft 92 (1). ISSN 1664-8145 DOI: 10.17433/1.2017.50153433.31-37 © 2016 W. Kohlhammer, Stuttgart This version available at: http://eprints.lse.ac.uk/78029/ Available in LSE Research Online: May 2017 LSE has developed LSE Research Online so that users may access research output of the School. Copyright © and Moral Rights for the papers on this site are retained by the individual authors and/or other copyright owners. Users may download and/or print one copy of any article(s) in LSE Research Online to facilitate their private study or for non-commercial research. You may not engage in further distribution of the material or use it for any profit-making activities or any commercial gain. You may freely distribute the URL (http://eprints.lse.ac.uk) of the LSE Research Online website.

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Verlag W. Kohlhammer

91. Jahrgang 2016 Heft Seiten DOI:

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1 Einleitung

Neben der positiven Wirkung für die Luftqualität, die Biodiversität und den Klimaschutz (Nowak et al. 2006; Rown-tree, Nowak 1991; Kuhn et al. 2004) wird seit Längerem auch auf die positi-ven Wirkungen des städtischen Grüns für das menschliche Wohlbefinden ver-wiesen (Abkar et al. 2010; Ulrich et al. 1991).

Bisherige Studien zur Gesundheits-wirkung städtischer Grünflächen zeigen beispielsweise positive Effekte auf die Reduktion von Stress und Depression (Grahn, Stigsdotter 2003; Swanwick et al. 2003), eine Zunahme positiver Emotio-nen (Ulrich et al. 1991; Knecht 2004) so-wie einen positiven Einfluss auf die phy-sische Gesundheit und Lebensdauer (De

Vries et al 2003; Maas et al 2006). Neben diesen direkten Gesundheitseffekten zei-gen neuere Forschungsergebnisse auch einen positiven Zusammenhang zwi-schen urbanem Grün und dem mensch-lichen Wohlbefinden (well-being) (Am-brey, Fleming 2012; White et al. 2013; Tsurumi, Managi 2015; Bertram, Reh-danz 2014).

Vor dem Hintergrund der bisherigen Forschung zu den Gesundheitswirkun-gen städtischer Grünflächen bleibt ins-gesamt festzuhalten, dass die bisherigen internationalen Studien ausschließlich auf die Analyse städtischer Grünflächen fokussieren und dabei nicht zwischen verschiedenen Freiflächenkategorien (Wald vs. Grünfläche, bzw. Brach- und Wasserflächen) differenzieren. Auch gibt es in Deutschland bisher keine großräu-

migen empirischen Paneldaten-Unter-suchungen, die den Einfluss von urba-nen Grünflächen auf die mentale und physische menschliche Gesundheit in den Mittelpunkt stellen und dabei auch zwischen verschiedenen Flächennutzun-gen unterscheiden (z. B. Wald vs. Grün-fläche).

Im Rahmen des vom Bundesamt für Naturschutz geförderten F + E- Vorhabens „Ökonomische Effekte der Öko systemleistungen städtischer Grün - räume“ wurde versucht, diese For-schungslücke zu schließen und die Wirkungen von urbanen Grünflächen auf das individuelle Wohlbefinden mit Hilfe einer eigenen empirischen Unter-suchung für deutsche Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern abzu-schätzen (siehe dazu auch Krekel et al.

Gesundheitswirkung städtischer Grünräume: eine empirische Analyse

Health effects of urban green spaces: an empirical analysis

Henry Wüstemann, Jens Kolbe und Christian Krekel

Zusammenfassung

Neben der positiven Wirkung für die Luftqualität, den Klimaschutz und die Biodiversität, wird seit Längerem auch auf die Potenziale des städtischen Grüns für die menschliche Gesundheit verwiesen. Demgegenüber steht die sehr lückenhafte empirische Basis bezüglich des Zusammenhangs zwischen städtischen Grünflächen und der Gesundheit in Deutschland. Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht eine evidenzbasierte Untersuchung des Zusammenhangs von städtischen Freiflächen und dem menschlichen Wohlbefinden. Dazu wurden Gesundheitsdaten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 2000 – 2012 mit georeferenzierten Landnutzungsdaten des Euro-pean Urban Atlas (EUA) verschnitten. Die Ergebnisse belegen einen positiven Zusammenhang zwischen einer verbesserten Verfügbarkeit von städtischem Grün und der Lebenszufriedenheit sowie der mentalen und physischen Gesundheit. Demgegenüber übt die Anwesen-heit von städtischen Brachflächen einen negativen Einfluss auf das Wohlbefinden der befragten Haushalte aus. Obwohl die konkreten Wirk mechanismen der positiven Effekte von Grünflächen auf die Gesundheit nicht Gegenstand der Untersuchung waren, kann vermutet werden, dass die Grünflächen als Bewegungsmotor in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle einnehmen.

Städtische Grünräume – Brachflächen – Stadtentwicklung – Wohlbefinden – Lebenszufriedenheit – mentale und physische Gesundheit – Freiraumplanung

Abstract

In addition to its benefits for air quality, climate protection and biodiversity, the potentials of urban green space for human health are also often highlighted in the literature. However, the empirical base concerning the impact of urban green space on well-being in Germany is still limited. This paper provides an empirical investigation of the effects of urban land use on well-being, and on mental and physical health, by merging data on the health status of residents from the Socioeconomic Panel (SOEP) for the years 2000 – 2012 and geo-coded land-use data from the European Urban Atlas (EUA). The results confirm a positive relation between improved access to urban green space and well-being and mental and physical health. In contrast, the presence of abandoned areas negatively affects residential well-being. Possible transmission channels for the positive effects of urban green spaces on health may be found in an increase in physical activities such as jogging and walking.

Urban green space – Abandoned areas – Urban development – Well-being – Life satisfaction – Mental and physical health – Open space planning

Manuskripteinreichung: 10. 7. 2015, Annahme: 14. 10. 2016 DOI: 10.17433/1.2017.50153433.31-37

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Gesundheitswirkung städtischer Grünräume

2016; Krekel et al. 2015).1 Somit werden die eher konzeptionellen Arbeiten zur Gesundheitsförderung durch städti-sche Grünräume in Deutschland (u. a. Heiland et al. 2015; Classen et al. 2005; Job-Hoben et al. 2010) erstmalig durch empirische Untersuchungen auf natio-naler Ebene ergänzt.

2 Der Einfluss städtischen Grüns auf das Wohlbefinden und die Gesundheit: Eine empirische Untersuchung

2.1 Datengrundlage

Um den Einfluss des urbanen Grüns auf die Gesundheit und die Lebenszufrieden-heit zu untersuchen, wurden georeferen-zierte Datensätze zum individuellen Ge-sundheitsstatus mit geocodierten Daten zur Landnutzung verschnitten. Zum ei-nen wurden georeferenzierte Haushalts-daten des Deutschen Sozioökonomischen Panels (SOEP) verwendet. Das SOEP ist eine repräsentative, wissenschaftlich durchgeführte Längsschnitt erhebung, welche seit 1984 jährlich erhoben wird. Im SOEP werden jedes Jahr in Deutschland ca. 12 000 Haushalte und etwa 20 000 Per-sonen, die das 17. Lebensjahr vollendet haben, statistisch erfasst (Wagner et al. 2008). Das SOEP beinhaltet u. a. detaillier-te Informationen zu Haushaltscharakte-ristika wie Einkommen, Erwerbsfähigkeit und Bildung, aber auch Fragen bezüglich der Gesundheit. Da jedes Jahr dieselben Personen einmal befragt werden, können langfristige Trends, wie beispielsweise der Gesundheitsstatus der Befragten, besonders gut verfolgt werden. Zusätz-lich beinhaltet das SOEP Informationen zur Verortung der Haushalte, was die spätere Verschneidung der Gesundheits-daten mit georeferenzierten Daten zur Landnutzung ermöglicht (Göbel, Pauer 2014). Für die hier vorgestellte empiri-sche Erhebung wurden Ergebnisse der Befragungswellen der Jahre 2000 – 2012 verwendet.

Bezogen auf den hier besprochenen Themenbereich werden im Rahmen der SOEP-Erhebungen die Befragten auch nach den Bereichen „Gesundheit“ und „Lebenszufriedenheit“ befragt. Die Indikatoren „Gesundheit“ und „Le-benszufriedenheit“ basieren im SOEP ausschließlich auf einer subjektiven Ein-schätzung der Befragten.

Um den Einfluss von städtischem Grün auf die Gesundheit und das Wohl-

befinden analysieren zu können, wurde im Rahmen der vorliegenden Untersu-chung eine Reihe abhängiger Variablen definiert. Neben der „Lebenszufrieden-heit“ sind dies die „mentale und die phy-sische Gesundheit“ (siehe Abb. 1):

1. Lebenszufriedenheit: Diese Katego-rie enthält Fragen zur Lebenszufrie-denheit sowie zur Bereichszufrieden-heit (Zufriedenheit in den Bereichen Gesundheit oder Arbeit). Der Bereich „Lebenszufriedenheit“ wird im SOEP mit der Frage erfasst: „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrem Leben?“. Gemessen wird dieser Bereich auf einer so genann-ten 11-Punkte-Likert-Skala, wobei der Wert „0“ bedeutet, dass die be-fragte Person gegenwärtig ganz und gar unzufrieden mit ihrem Leben ist. Der Wert „10“ hingegen repräsentiert in der Gegenüberstellung vollkom-mene Lebenszufriedenheit. Die „Be-reichszufriedenheit“ konzentriert sich u. a. auf die Zufriedenheit im Bereich „Gesundheit“. Der Fragenblock „Be-reichszufriedenheit“ wird im SOEP mit der Frage: „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig mit den folgenden Bereichen Ihres Lebens?“ eingeleitet. Bezogen auf dem Bereich „Gesund-heit“ steht der Wert „0“ wiederum dafür, dass die Probanden ganz und gar unzufrieden mit ihrer Gesundheit sind und der Wert „10“ für vollkom-mene Zufriedenheit.

2. Mentale Gesundheit: Im Bereich „mentale Gesundheit“ werden neben der „Vitalität“, dem „allgemeinen mentalen Gesundheitszustand“ auch die „emotionale Rollenfunktion“ und

die „soziale Funktionsfähigkeit“ ab-gefragt. Die „emotionale Rollenfunk-tion“ erfasst den Einfluss der seeli-schen Gesundheit auf die Ausübung alltäglicher Beschäftigungen und den Beruf innerhalb der vergangenen vier Wochen. Die „soziale Funktionsfähig-keit“ kann sowohl dem Bereich „psy-chische Gesundheit“ als auch dem Bereich „körperliche Gesundheit“ zu-geordnet werden, da er neben der Be-einträchtigung der sozialen Kontakte durch mentale Probleme auch auf die Beeinträchtigung durch körperliche Probleme abzielt.

3. Physische Gesundheit: Die Fragen zum „Schmerz“, der „körperlichen Rollenfunktion“, der „körperlichen Funktionsfähigkeit“ und dem „Bo-dy-Mass-Index“ sind dem Bereich „körperliche Gesundheit“ zugeord-net. Die „körperliche Rollenfunktion“ zielt, äquivalent zur „emotionalen Rollenfunktion“, mittels zweier Fra-gen auf den Einfluss der physischen Gesundheit gegenüber der Ausübung alltäglicher Tätigkeiten zu Hause oder im Beruf innerhalb der letzten vier Wochen. Die „körperliche Funk-tionsfähigkeit“ wird durch Fragen zur Fähigkeit, mehrere Treppenab-sätze zu steigen sowie den Einfluss der körperlichen Gesundheit auf die Ausübung alltäglicher Tätigkeiten zu Hause oder im Beruf erfasst. Der „Body-Mass-Index“ erfasst die Rela-tion des Körpergewichts zur Körper-größe.

Die Indikatoren zur mentalen und physi-schen Gesundheit basieren auf Daten zur Selbsteinschätzung des Gesundheitszu-

1 Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden neben den Untersuchungen zu den Gesundheitswirkungen auch eine empirische Untersuchung zum Erholungs-wert städtischer Grünflächen in den Kommunen Berlin, Hannover und München durchgeführt. Darüber hinaus war auch die Analyse der Kapitalisierung von Grünflächen in den Immobilienpreisen mittels Immobilienwertmethode Teil des Forschungsprojekts.

Abb. 1: Abhängige Variablen der Untersuchung. (Quelle: eigene Darstellung)

Fig. 1: Dependent variables of the analysis.

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Gesundheitswirkung städtischer Grünräume Gesundheitswirkung städtischer Grünräume

stands in der SOEP-Studie, die mittels eines standardisierten Fragebogens, der SF12v2-Gesundheitsumfrage als Teil der SF-36-Befragung, erhoben werden (An-derson et al. 2007).2 „Der SF-36 ist eines der international gebräuchlichsten ge-nerischen Instrumente zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität“ (Ellert, Kurth 2004: 1 027).

Um die Landnutzung in deutschen Kommunen mit dem Gesundheitsstatus der Befragten in Beziehung setzen zu können, wurden die georeferenzierten Daten zum Gesundheitsstatus des SOEP mit georeferenzierten Landnutzungsda-ten des European Urban Atlas (EUA) der European Environment Agency (EEA) verschnitten (EEA 2011). Die in der vor-liegenden Untersuchung verwendeten Daten beziehen sich auf das Jahr 2006 und enthalten georeferenzierte Infor-mationen der Landnutzungskategorien „Grünflächen“, „Brachflächen“, „Wald“ und „Wasser“ für 32 der ca. 80 deutschen Großstädte (siehe Tab. 1).3 Als städtische Grünflächen werden in der vorliegenden Untersuchung somit alle öffentlichen Grünflächen verstanden (z. B. Parks, Gärten), die vorwiegend Erholungszwe-cken dienen und eine Mindestgröße von 0,25 ha aufweisen (siehe Tab. 1). Um auch auf den Einfluss anderer städtischer Flä-chennutzungen auf die Gesundheit kon - trollieren zu können, wurden neben Grün - flächen auch noch Flächennutzungsdaten der Kategorien „Brachflächen“, „Wald“ und „Wasser“ in die Untersuchung mit-einbezogen (siehe Tab. 1).

Um den Einfluss von städtischen Grün-flächen auf die Gesundheit statistisch ab-schätzen zu können, wurden im Rahmen der Untersuchung in einem definierten Puffer von 1 000 m um die Haushalte die Abdeckung (Flächeninhalt) der genann-ten Landnutzungskategorien berechnet.4

Zusätzlich zu den Landnutzungsda-ten wurden zahlreiche Kontrollvariablen zum sozioökonomischen und demogra-phischen Hintergrund der Befragten in die statistischen Analysen einbezogen. Insgesamt wurden über 30 Kontrollvaria-blen zum sozioökonomischen und demo-graphischen Hintergrund der Befragten in der statistischen Analyse verwendet, von denen aber der Einfachheit halber hier nur drei Variablen (Einkommen, Be-schäftigungsstatus und Alter) dokumen-tiert werden. Zum Einfluss dieser sozio-ökonomischen und demographischen

Daten auf die Lebens zufriedenheit und die Gesundheit gibt es eine sehr umfang-reiche Literatur (u. a. Clark, Oswald 2004; Blanchflower 2008; Fiscella, Franks 2000). Vor diesem Hintergrund weiß man mitt-lerweile schon sehr gut, dass beispiels-weise Arbeitslosigkeit einen negativen Einfluss und ein steigendes Einkommen einen positiven Einfluss auf die Lebens-zufriedenheit ausübt. Auch wenn also viele der sozioökonomischen und demo-graphischen Einflussfaktoren vergleichs-weise gut erforscht sind und auch nicht Gegenstand dieser Untersuchung waren, so ist ihre Untersuchung und Dokumen-tation im Rahmen der vorliegenden Ana-lysen von Relevanz, da so gezeigt werden kann, dass die Untersuchung in diesen Bereichen die Ergebnisse vorangegange-ner Untersuchungen reproduzieren und somit als valide gelten kann.

2.2 Regressionsanalyse

Die Regressionsanalyse ist eine wichtige statistische Methode zur Auswertung medizinischer Daten und ermöglicht es, Zusammenhänge zwischen verschiede-nen Faktoren – wie beispielsweise den Einfluss städtischen Grüns auf die Ge-sundheit – zu analysieren und aufzude-cken (Schneider et al. 2010). Für die statis-tische Analyse in diesem Forschungspro-jekt kam ein so genanntes GLS-Modell (Generalised Least Squares Model) mit „fixen“ Effekten zur Anwendung. Da bei Untersuchungen zu Einflussfaktoren auf die Lebenszufriedenheit Zeitreihenana-lysen bevorzugt werden, ist GLS-Mo-dellen mit fixen Effekten (FE) in diesem Zusammenhang der Vorzug zu geben (Wooldridge 2002). Im Rahmen dieser FE-Modelle wird kein Niveauvergleich

zwischen den Individuen durchgeführt (Hajek 2013), vielmehr konzentrieren sich FE-Modelle auf eine Kontrolle der Auswirkungen von intraindividuellen Veränderungen (Hajek 2013; Pfaff 2013). Die Modelle können somit zeigen, ob sich neben den individuellen Merkmalen und den strukturellen Bedingungen auch die individuelle Veränderung des Zugangs zu städtischem Grün auf die Lebenszu-friedenheit sowie die mentale und physi-sche Gesundheit auswirkt. Darüber hin-aus besitzen FE-Modelle einen weiteren Vorteil. „Die individuelle Zufriedenheit kann durch unbeobachtete zeitkonstan-te Merkmale oder Persönlichkeitseigen-schaften beeinflusst werden. Wirken sich diese Merkmale auf eine der im Modell berücksichtigten erklärenden Variablen aus, wird der Effekt der unbeobachteten Merkmale auf die Lebenszufriedenheit fälschlicherweise der erklärenden Va-riable zugeschrieben, wenn eine Quer-schnittsanalyse durchgeführt wird“ (Pfaff 2013: 122). Mit den FE-Modellen ist eine Kontrolle solcher Merkmale unbeobach-teter Heterogenität jedoch möglich (Pfaff 2013).

Im Rahmen der Regressionsanalyse interessieren insbesondere zwei Aspekte: Zum einen ist von Relevanz, ob ein sta-tistisch bedeutsamer Einfluss der Variab-len vorliegt. In diesem Zusammenhang wird nach unterschiedlichen Signifikanz-niveaus unterschieden, die anzeigen, mit welcher Irrtumswahrscheinlichkeit dieser statistische Einfluss besteht. Der zweite wesentliche Aspekt in der Re-gressionsanalyse betrifft die Richtung und Größe der jeweiligen Koeffizienten. Das Vorzeichen der ermittelten Koeffi-zienten zeigt an, ob die geprüfte Variable (z. B. Zugang zu städtischem Grün) einen positiven oder negativen Einfluss auf die

2 Für detaillierte Informationen zum Aufbau des SF-36 sowie zur Messung der hier verwendeten Variablen siehe Endlich (2014).

3 Um Gesundheitseffekte von städtischem Grün in einem urbanen Umfeld zu untersuchen, erfolgte in der vorliegenden Analyse eine Konzentration auf Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern und auf solche Städte, für die Landnutzungsdaten des EUA vorlagen. Folgende Städte wurden in die Analyse einbezogen: Augs-burg, Berlin, Bielefeld, Bonn, Bremen, Darmstadt, Dresden, Düsseldorf, Erfurt, Essen, Frankfurt am Main, Freiburg im Breisgau, Göttingen, Halle (Saale), Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Kiel, Koblenz, Köln, Leipzig, Magdeburg, Mainz, Mönchengladbach, München, Nürnberg, Saarbrücken, Stuttgart, Trier, Wiesbaden und Wuppertal. Obwohl eine Stadt mit weniger als 100 000 Einwohnern, wurde auch Schwerin mit ca. 91 000 Einwohnern in die Analyse miteinbezogen.

4 Im Rahmen der Untersuchung wurde auch auf einen Puffer von 500 m und 2 km um die Haushalte kontrolliert, ohne dass dies zu wesentlichen Änderungen der Ergebnisse führte.

Tab. 1: In der Untersuchung verwendete Landnutzungsdaten. (Quelle: eigene Darstellung basierend auf EEA 2011)

Table 1: Land-use data employed for the analysis.

Landnutzung Beschreibung Beispiele EUA-Kategorie

Grünflächen alle öffentlichen Grünflächen, die vorwiegend Erholungszwecken dienen

Parks, Gärten 1.4.1

Brachflächen alle ungenutzten Flächen Industriebrachen 1.3.4

Wald alle mit Bäumen bestockte Flächen, die einen Kronenschlussgrad von mehr als 30 % und Baumhöhen von mehr als 5 m aufweisen

Stadtwälder 3

Wasser alle Wasserflächen größer als 1 ha Seen, Flüsse, Kanäle 4

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Gesundheitswirkung städtischer Grünräume

Lebenszufriedenheit ausübt. Neben der Richtung des Einflusses zeigt die Größe des Koeffizienten zudem an, wie stark dieser Einfluss im Modell auf die Le-benszufriedenheit bzw. die mentale und physische Gesundheit ist. Eingangs der Regressionsanalyse wurde auf mögliche Korrelationen zwischen den Landnut-zungsvariablen kontrolliert. Diese Ana-lysen zeigen, dass die Landnutzungsva-riablen nur sehr schwach untereinander korreliert sind (r < 0,2).

3 Ergebnisse

Die Ergebnisse der Regression zeigen, dass die statistischen Modelle sig-nifikant sind bzw. einen vergleichbaren Erklärungsgehalt wie Vorgängerstudien aufweisen (u. a. Boyce 2010). Die Rich-tung des Einflusses der sozioökonomi-schen und demographischen Variablen entspricht den Erwartungen. In Tab. 2 sind die Ergebnisse der Analysen be-züglich des Einflusses der Landnut-zung sowie der Kontrollvariablen auf die Lebenszufriedenheit dargestellt. In Tab. 3 und Tab. 4 sind die Ergebnisse der Analysen zur mentalen und physi- schen Gesundheit (nur signifikante Va-riablen) sowie der Kontrollvariablen dargestellt.

Wie bereits in anderen Studien gezeigt, hat beispielsweise das individuelle Ein-kommen einen positiven und Arbeits-

losigkeit einen negativen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit der Befragten (Clark, Oswald 2004; Blanchflower 2008) (siehe Tab. 2). Einen sehr starken Einfluss hat ebenfalls die Selbsteinschätzung des Gesundheitszustands: Schätzen die Be-fragten ihren Gesundheitszustand näm-lich als gut ein, dann zeigen sie auch eine hohe Lebenszufriedenheit. Wird hinge-gen der Gesundheitszustand als schlecht eingeschätzt, hat dies einen negativen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit der Befragten.

Im Bereich der Landnutzungsdaten zeigen die Schätzungen einen positiven Einfluss der Abdeckung von Grünflächen auf die Lebenszufriedenheit. Je besser al-so der Zugang der befragten Haushalte zu städtischen Grünflächen ist, umso hö-her ist deren Lebenszufriedenheit. Für die Flächennutzung „Brachflächen“ konnte ein negativer Einfluss ermittelt werden. So tendieren Haushalte, die von einem hohen Anteil an Brachflächen umgeben sind dazu, weniger zufrieden mit ihrem Leben zu sein. Für die Flächennutzung

Tab. 2: Einfluss von urbaner Landnutzung auf die Lebenszufriedenheit. (Quelle: eigene Analysen)

Table 2: Influence of urban land use upon life satisfaction.

Unabhängige Variablen Lebenszufriedenheit

Landnutzungsvariablen (Abdeckung)

Abdeckung mit Grün 0.0066***

Abdeckung mit Brachflächen – 0.0395***

Wald n. s.

Wasser n. s.

Gesundheitszustand

sehr gut 0.3626***

sehr schlecht – 1.2264***

Sozioökonomie

individuelles Einkommen 0,0442**

Haushaltseinkommen 0,1380***

arbeitslos – 0,5215***

Alter – 0,0230**

Anzahl der Beobachtungen 33,782

adjusted R2 0,0557

F-Statistik 3,913500

n. s. = nicht signifikant; Signifikanzniveaus: *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001.

Tab. 3: Einfluss von urbaner Landnutzung auf die „mentale Gesundheit“. (Quelle: eigene Analysen)

Table 3: Influence of urban land use upon mental health.

Mentale Gesundheit

Unabhängige Variablen (1) (2) (3) (4) (5)

Landnutzungsvariablen

Abdeckung mit Grün n. s. n. s. n. s. 0,0366** 0,0291*

Abdeckung mit Brachflächen – 0,3885*** – 0,2661*** – 0,2092** – 0,4867*** – 0,1641*

Wald n. s. 0,0254** n. s. 0,0232* n. s.

Wasser n. s. n. s. n. s. n. s. n. s.

Anzahl der Beobachtungen 24,389 24,391 24,391 24,391 24,391

adjusted R2 0,0224 0,0269 0,021 0,0269 0,023

F-Statistik 1,753200 3,913500 3,913500 3,913500 3,913500

(1) Summenscore „Mentale Gesundheit“; (2) allgemeiner mentaler Gesundheitszustand; (3) emotionale Rollenfunktion; (4) soziale Funktionsfähigkeit; (5) Vitalität; n. s. = nicht signifikant; Signifi-kanzniveaus: *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001.

Tab. 4: Einfluss von urbaner Landnutzung auf die „physische Gesundheit“. (Quelle: eigene Analysen)

Table 4: Influence of urban land use upon physical health.

Physische Gesundheit

Schmerz Physische Funktionsfähigkeit Body-Mass-Index (BMI)

Landnutzungsvariablen

Abdeckung mit Grün 0,0324** n. s. n. s.

Abdeckung mit Brachflächen n. s. – 0,1389** 0,0464**

Wald n. s. n. s. – 0,0051**

Wasser n. s. n. s. – 0,0068*

Anzahl der Beobachtungen 24,542 24,542 25,527

adjusted R2 0,0292 0,055 0,0671

F-Statistik 3,913500 3,913500 3,913500

n. s. = nicht signifikant; Signifikanzniveaus: *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001.

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Gesundheitswirkung städtischer Grünräume Gesundheitswirkung städtischer Grünräume

„Wald“ und „Wasser“ konnten hingegen keine signifikanten Effekte auf die Le-benszufriedenheit ermittelt werden.

Vergleichbare Ergebnisse können auch für die Variablen im Bereich der „mentalen Gesundheit“ der Befragten gefunden wer-den (siehe Tab. 3). Ein verbesserter Zugang zu städtischen Grünflächen steht mit einer verbesserten sozialen Funk tionsfähigkeit und einer höheren Vitalität der Befragten im Zusammenhang. Sind Haushalte hin-gegen von einem höheren Brachflächen-anteil umgeben, so zeigen sich in allen Be-reichen der mentalen Gesundheit negative Werte. Für einen verbesserten Zugang zu Wäldern konnten positive Effekte auf den allgemeinen mentalen Gesundheitszu-stand sowie die soziale Funktionsfähigkeit gefunden werden.

Im Bereich der „physischen Gesund-heit“ konnte ein positiver Effekt von städ-tischem Grün auf den Bereich „Schmerz“ gefunden werden (siehe Tab. 4). Dies be-deutet, dass solche Haushalte weniger häufig an körperlichen Schmerzen lei-den als weniger gut versorgte Haushalte. Auch zeigen die Ergebnisse, dass solche Haushalte, die mit einem hohen Anteil an Brachflächen umgeben sind, eine schlech-tere physische Funktionsfähigkeit sowie einen höheren BMI zeigen. Geringere BMIs konnten hingegen vor allem in sol-chen Haushalten nachgewiesen werden, die einen vergleichsweise guten Zugang zu Wald und Wasser haben.

Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass ein besserer Zugang der Haushalte zu städtischem Grün

1. zu höherer Lebenszufriedenheit,2. verbesserter sozialer Funktionsfähig-

keit und3. höherer Vitalität führt und die Be-

wohnerinnen und Bewohner zudem

4. weniger häufig unter körperlichen Schmerzen leiden.

Demgegenüber zeigen die Analysen, dass Haushalte, die von einem höheren Anteil an Brachflächen umgeben sind,

1. eine geringere Lebenszufriedenheit,2. geringere Werte in allen Bereichen der

mentalen Gesundheit sowie3. eine beeinträchtigte physische Funk-

tionsfähigkeit und 4. einen schlechteren Body-Mass-Index

(BMI) aufweisen.

Ein besserer Zugang zu Waldflächen wirkt sich positiv auf

1. den allgemeinen mentalen Gesund-heitszustand,

2. die soziale Funktionsfähigkeit sowie3. den BMI aus.

Die positiven Wirkungen auf den BMI konnten auch für einen guten Zugang zu Wasser gefunden werden (siehe Abb. 2).

4 Diskussion der Ergebnisse

Die empirischen Untersuchungen zeigen, dass von städtischen Grünflächen posi-tive Effekte auf die Lebenszufriedenheit ausgehen. Damit konnten erstmalig auf einer großräumigen Ebene in Deutschland vorangegangene Untersuchungen in diesem Bereich (Ambrey, Fleming 2012; White et al. 2013; Bertram, Rehdanz 2014) bestätigt werden. Im Bereich der mentalen und physischen Gesundheit konnten ebenfalls positive Effekte von städtischen Grünflä-chen nachgewiesen werden. Dies bestätigt internationale Forschungsergebnisse in diesen Bereichen (u. a. Grahn, Stigsdotter

2003; De Vries et al 2003; Maas et al 2006). Po-sitive Effekte für die mentale und physische Gesundheit gehen zudem von Wasser und Wald aus. Diese positiven Effekte von städ-tischem Grün, Wäldern und Wasser stehen starken negativen Effekten von Brachflächen gegenüber. Hier konnte in einer Untersu-chung erstmalig überhaupt gezeigt werden, dass mit einer hohen Verfügbarkeit von Brachflächen negative Effekte im Bereich der Lebenszufriedenheit verbunden sind. Besonders stark sind die negativen Ef-fekte der Brachflächen im Bereich der mentalen Gesundheit. Damit schließt die vorliegende Untersuchung eine wichtige Forschungslücke, da erstmalig gezeigt wer-den konnte, dass neben der Verfügbarkeit von städtischen Grünflächen auch andere Freiflächenkategorien im unmittelbaren Wohnumfeld einen signifikanten Einfluss auf die Lebenszufriedenheit sowie die mentale und physische Gesundheit der Haushalte ausüben.

Vor dem Hintergrund der hier vorge-legten Analysen stellt sich auch die Fra-ge der Belastbarkeit der Ergebnisse. Im Bereich der Kontrollvariablen zum sozio-ökonomischen und demographischen Hintergrund der Befragten (u. a. Einkom-men, Erwerbsstatus) konnten in den hier vorgelegten Analysen schon vorhandene Erkenntnisse aus Vorgängerstudien re-produziert werden. Dies verdeutlicht, dass die hier gezeigten Modelle valide sind, die Ergebnisse also als belastbar gelten können. Dies ist insbesondere von hoher Relevanz, da im Bereich des Einflusses von urbaner Landnutzung auf die Lebenszufriedenheit sowie die mentale und physische Gesundheit noch keine vergleichbaren Vorläuferstudien in Deutschland existieren. Neben den hier untersuchten landnutzungsrelevanten Variablen existieren sicherlich weite-

Abb. 2: Zusammenhang einer hohen Verfügbarkeit von urbaner Landnutzung und Lebenszufriedenheit sowie der mentalen und phy-sischen Gesundheit. (Quelle: eigene Darstellung)

Fig. 2: Connections between high availability of urban land use and life satisfaction and mental and physical health.

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Gesundheitswirkung städtischer Grünräume

re Faktoren (z. B. Qualität der Schulen, Kriminalitätsrate, Qualität des Nahver-kehrs, Lärm), die möglicherweise einen Einfluss auf das Wohlbefinden der städ-tischen Bevölkerung ausüben und nicht Gegenstand dieser Untersuchung waren. Da bisher nur ein Datensatz zur Landnut-zung im ländlichen Raum von der EEA vorliegt, konnte in der vorliegenden Un-tersuchung nicht auf Effekte möglicher Landnutzungsänderungen kontrolliert werden. Da aber davon auszugehen ist, dass die Änderungen der Landnutzungs-anteile in deutschen Städten im Untersu-chungszeitraum nicht sehr dynamisch waren, wäre der Erkenntnisgewinn zu-sätzlicher Landnutzungsdaten für weite-re Zeitreihen wahrscheinlich eher gering.

Die hier vorgestellten Ergebnisse ba-sieren auf Analysen in deutschen Groß-städten mit mehr als 100 000 Einwohnern. Ob die hier gefundenen Effekte auch Gültigkeit in kleineren Städten haben, konnte im Rahmen dieser Untersuchung nicht geklärt werden. Einen weiteren Aspekt betrifft die Ausprägung der Ef-fekte auf die Lebenszufriedenheit über spezifische soziodemographische Grup-pen hinweg. Hier zeigten so genannte Heterogenitätsanalysen im Rahmen der vor liegenden Untersuchung u. a., dass vor allem ältere Menschen und Men-schen mit vergleichsweise geringem Ein-kommen in ihrer Lebenszufriedenheit von einem verbesserten Zugang zu Grün profitieren. Die negativen Effekte der Brachflächen äußern sich besonders stark bei Menschen mit hohem Einkommen, bei älteren Menschen und in kinderlosen Haushalten.5

Ein zentraler Punkt bei der Interpreta-tion der hier vorgelegten Ergebnisse be-trifft die Diskussion möglicher Wirkungs-ketten. Die hier vorgelegte Analyse zeigt statistische Zusammenhänge zwischen der Qualität von urbanen Freiflächen und dem menschlichem Wohlbefinden. Dies-bezüglich werden also keine kausalen Zusammenhänge nachgewiesen. Bei der Diskussion zu möglichen Wirkungsket-ten bei urbanem Grün und dem mensch-lichen Wohlbefinden sind insbesondere zwei Stränge der wissenschaftlichen Dis-kussion von Interesse. So zeigt ein Teil der wissenschaftlichen Literatur, dass ein verbesserter Zugang zu städtischem Grün mit einem höheren Maß an physi-schen Aktivitäten assoziiert ist (Hillsdon et al. 2011; Magalhães et al. 2010). Ein weiterer Teil der Literatur zeigt die posi-tiven Wirkungen physischer Aktivitäten auf die körperliche Gesundheit (Sigal et al. 2004; Richter et al. 2013; Wojtaszew-ski et al. 2006). Obwohl die konkreten

Wirkmechanismen der positiven Effek-te von Grünflächen auf die Gesundheit noch weitgehend unbekannt sind, kann vermutet werden, dass die Grünflächen als Bewegungsmotor in diesem Zusam-menhang eine wichtige Rolle einnehmen (Maas et al. 2008). Neben der direkten Nutzung von städtischen Grünflächen im Rahmen physischer Aktivitäten könnten mögliche Wirkungsketten auch im Be-reich sozialer Aktivitäten (Freunde tref-fen etc.) liegen, was durch Umfragen zum Nutzungsverhalten urbaner Grünflächen gestützt wird (GALK 2014). Nicht zuletzt spielen städtische Grünflächen auch eine zentrale Rolle im Rahmen der Lärm- und Klimaregulation (Cohen et al. 2014), also Effekte, die gerade im Hinblick auf die menschliche Gesundheit von hoher Re-levanz sind. Auch sollte in diesem Zu-sammenhang erwähnt werden, dass ei-ne hohe Abdeckung an Grünflächen im unmittelbaren Umfeld eines Haushalts nicht immer auch bedeuten muss, dass dieser Haushalt einen guten Zugang zu Grünflächen hat (z. B. Barrierefreiheit). Die starken negativen Effekte von Brach-flächen könnten im Zusammenhang mit fehlenden Nutzungsmöglichkeiten dieser Flächen stehen. Auch zeigen ers-te Studien für die USA, dass ein hoher Anteil an Brachflächen („vacant land“) in der Nachbarschaft, sich – durch z. B. steigende Kriminalitätsraten – negativ auf das Wohlbefinden sowie die mentale und physische Gesundheit der Bewohner auswirken kann (Cohen et al. 2003; Gar-vin et al. 2013; Branas et al. 2011).

5 Fazit und Ausblick

Die hier vorgestellte empirische Studie repräsentiert erstmalig eine großräumige Analyse zur Gesundheitswirkung städ-tischer Grünräume in Deutschland. Es konnte gezeigt werden, dass die Verfüg-barkeit von städtischen Grünflächen ei-nen signifikant positiven Einfluss auf die Lebenszufriedenheit sowie die mentale und physische Gesundheit der befragten Haushalte ausübt. Auch wenn mögliche Wirkungsketten des positiven Einflus-ses von städtischen Grünflächen auf die Gesundheit nicht im Mittelpunkt dieser Untersuchung standen, so bleibt doch zu vermuten, dass insbesondere die ver-besserten Möglichkeiten zur Ausübung physischer Aktivitäten hier eine Schlüs-selrolle spielen könnten. Die gezeigten negativen Effekte von Brachflächen auf die Gesundheit lassen vermuten, dass neben visuellen Effekten vor allem die konkrete Nutzung (spazieren gehen,

joggen etc.) urbaner Freiflächen im Rah-men der Gesundheitsvorsorge von hoher Relevanz ist.

Auch wenn die hier vorgestellten Ana-lysen einen wichtigen Beitrag zum Ver-ständnis der Gesundheitswirkung städ-tischer Grünflächen darstellen, so bleibt doch ein großes Potenzial für zukünftige Forschungsaktivitäten. Insbesondere die kausalen Zusammenhänge zwischen der Verfügbarkeit von städtischen Grünflä-chen und dem individuellen Gesund-heitsstatus sollte zukünftig stärker in den Blick genommen werden. Zudem sollte die Gesundheitswirkung spezifischer Qualitäten von urbanen Grünflächen (Naturnähe, Pflegezustand, Ausstattung etc.) im Mittelpunkt zukünftiger For-schungsaktivitäten stehen. Diesbezüglich bleibt auch festzustellen, dass gerade in Deutschland die empirische Basis in die-sem Forschungsbereich gegenüber der in-tensiven Diskussion zur Gesundheitswir-kung von städtischen Grünflächen auf eher konzeptioneller Ebene (u. a. Classen et al. 2005; Job-Hoben et al. 2010) sowie bestehender Möglichkeiten zur Integ-ration der Gesundheitsförderung in die Landschaftsplanung (Heiland et al. 2015) zurückfällt. Ohne aber konkret zu wissen, welche Wirkungsbeziehungen zwischen der Qualität von Grünflächen und der menschlichen Gesundheit bestehen, wird es zukünftig weiterhin schwierig bleiben, konkrete und verlässliche Empfehlungen für die Stadtplanung in diesem Bereich auszusprechen.

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5 Im Rahmen der Heterogenitätsanalysen wurde für folgende Sub-Samples getrennte Analysen durchgeführt: (1) Frauen, (2) Männer, (3) ältere Menschen, (4) jüngere Menschen, (5) Haushalte mit hohem Einkommen, (6) Haushalte mit geringem Einkommen, (7) Haushalte mit Kindern, (8) Haushalte ohne Kinder.

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Dr. Henry WüstemannKorrespondierender AutorTechnische Universität BerlinInstitut für Landschaftsarchitektur und UmweltplanungFachgebiet LandschaftsökonomieStraße des 17. Juni 14510623 BerlinE-Mail: [email protected]

Der Autor ist seit 2010 am Lehrstuhl für Landschafts-ökonomie der Technischen Universität Berlin tätig. Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen im Bereich der öko-nomischen Bewertung von Biodiversität und Ökosystem-leistungen sowie der nach-

haltigen Stadtentwicklung. Sein besonderes Interesse gilt dabei der ökonomischen Be-wertung des Nutzens städtischer Grünflächen für die Gesundheit und Erholung. Durch seine Tätigkeiten im Rahmen der Naturkapi-tal-Deutschland-TEEB-DE-Initiative und des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) versucht er zudem, durch transdisziplinäre Forschungs-ansätze auf nationaler und internationaler Ebene zum Erhalt von Natur und Landschaft beizutragen.

Jens KolbeTechnische Universität BerlinInstitut für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht,Fachgebiet Ökonometrie und WirtschaftsstatistikStraße des 17. Juni 13510623 Berlin

Christian KrekelLondon School of Economics and Political ScienceCentre for Economic PerformanceHoughton StreetLondon WC2A 2AEGROSSBRITANNIEN

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