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Herkunftsstatus und Sekundarschulwahl. Die relative ... · Herkunftsstatus und Sekundarschulwahl...

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www.ssoar.info Herkunftsstatus und Sekundarschulwahl: die relative Bedeutung primärer und sekundärer Effekte Stocké, Volker Veröffentlichungsversion / Published Version Sammelwerksbeitrag / collection article Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Stocké, V. (2008). Herkunftsstatus und Sekundarschulwahl: die relative Bedeutung primärer und sekundärer Effekte. In K.-S. Rehberg (Hrsg.), Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2 (S. 5522-5533). Frankfurt am Main: Campus Verl. https://nbn-resolving.org/ urn:nbn:de:0168-ssoar-153962 Nutzungsbedingungen: Dieser Text wird unter einer Deposit-Lizenz (Keine Weiterverbreitung - keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt. Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. Terms of use: This document is made available under Deposit Licence (No Redistribution - no modifications). We grant a non-exclusive, non- transferable, individual and limited right to using this document. This document is solely intended for your personal, non- commercial use. All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public. By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use.
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www.ssoar.info

Herkunftsstatus und Sekundarschulwahl: dierelative Bedeutung primärer und sekundärer EffekteStocké, Volker

Veröffentlichungsversion / Published VersionSammelwerksbeitrag / collection article

Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:Stocké, V. (2008). Herkunftsstatus und Sekundarschulwahl: die relative Bedeutung primärer und sekundärer Effekte.In K.-S. Rehberg (Hrsg.), Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaftfür Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2 (S. 5522-5533). Frankfurt am Main: Campus Verl. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-153962

Nutzungsbedingungen:Dieser Text wird unter einer Deposit-Lizenz (KeineWeiterverbreitung - keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt.Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares,persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung diesesDokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich fürden persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt.Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alleUrheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichenSchutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokumentnicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Siedieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zweckevervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oderanderweitig nutzen.Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie dieNutzungsbedingungen an.

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Herkunftsstatus und Sekundarschulwahl

Die relative Bedeutung primärer und sekundärer Effekte

Volker Stocké

Einleitung

Nach Raymond Boudon (1974) lässt sich der Gesamteffekt des Familienstatus auf das Bildungsergebnis von Kindern in primäre und sekundäre Effekte unterteilen. Primäre Effekte sind jene Statuseffekte, die zu Unterschieden in den Schulleistun-gen von Kindern führen. Diese Unterschiede gehen auf die ungleiche Ausstattung von Familien mit kulturellen Ressourcen zurück und erklären einen substanziellen Teil der Bildungsungleichheit. Der familiäre Sozialstatus beeinflusst aber auch direkt und bei gleichen Schulleistungen die Bildungsentscheidungen. Diese sekundären Effekte werden auf Unterschiede in den Kosten und Erträgen von Bildung zurück-geführt (Boudon 1974: 29). Die Kenntnis der relativen Stärke von primären und sekundären Herkunftseffekten ist von großer Bedeutung, da auf dieser Grundlage die Selektion der effektivsten Interventionsmaßnahmen zur Reduktion von Bildungsungleichheit möglich ist.

Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die elterliche Klasse und Bildung auf die Schulleistungen von Kindern auswirken (Alexander/Entwisle 1996; Hill u.a. 2004), und dass diese eine wichtige Determinante der Bildungsergebnisse sind (Ganzach 2000; Light/Strayer 2000). Nach Ergebnissen der bisher einzigen Studie, in der die relative Bedeutung primärer und sekundärer Effekte untersucht wurde, lassen sich, je nach Verwendung von Leistungstest- oder Prüfungsergebnis-sen, zwischen 25 und 50 Prozent der Bildungsungleichheit auf die Wirkung primä-rer Effekte zurückführen (Jackson u.a. im Druck). Die Verallgemeinerbarkeit dieser Ergebnisse ist jedoch auf die Entscheidung über den Eintritt in höhere Bildungs-gänge in England und Wales beschränkt. Außerdem könnte vermutet werden, dass die subjektive Leistungswahrnehmung der Eltern eine größere Bedeutung bei der Erklärung von Bildungsentscheidungen und deren Statusdifferenziertheit hat.

Im vorliegenden Beitrag wird die relative Wichtigkeit von primären und sekun-dären Effekten des elterlichen Sozialstatus auf die Entscheidung zwischen Sekun-darschulformen nach der Grundschule untersucht. Es wird zuerst gezeigt, wie stark Leistungstestergebnisse, elterliche Leistungseinschätzungen und Schulnoten am Ende der Grundschulzeit durch den Klassen- und Bildungsstatus der Herkunftsfa-

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milien geprägt sind. In einem zweiten Schritt wird analysiert, welcher dieser Leis-tungsindikatoren am vollständigsten primäre Effekte auf die Selektion zwischen weiterführenden Schulformen erfasst.

Theoretischer Rahmen

Die Rational-Choice-Theorie (RCT) geht davon aus, dass die Wahl zwischen Schul-formen das Ergebnis einer zweckrationalen Investitionsentscheidung ist (Breen/ Goldthorpe 1997; Erikson/Jonsson 1996; Esser 1999: 266ff.; Stocké im Druck). Demnach reduzieren erstens höhere direkte Kosten und mehr entgangenes Arbeits-markteinkommen während der Schulzeit die Neigung zur Selektion bestimmter Bil-dungsgänge. Diese Kosten steigen monoton mit der Länge der für Schulabschlüsse benötigten Zeit an und werden, wegen der geringeren Verfügbarkeit ökonomischer Ressourcen, von Familien mit weniger vorteilhaftem Sozialstatus als belastender beurteilt. Der zweite Entscheidungsfaktor sind die bei erfolgreicher Realisierung von Bildungsgängen erwarteten Erträge. Demnach wählen Familien, bei gleichem Leistungsstand der Kinder, zunehmend anspruchsvollere Schulkarrieren, wenn geringere Kosten und höhere Erträge erwartet werden. Drittens nimmt die Neigung zur Selektion von höheren Schulformen dann zu, wenn die Wahrscheinlichkeit, mit der diese erfolgreich realisiert werden können, ansteigt. Die Schulleistungen der Kinder sind ein wichtiger, wenn auch nicht der einzige Bestimmungsfaktor dieses Entscheidungsparameters. Die Entwicklung der Schulleistungen in der Vergangen-heit und die schulische Motivation der Kinder sind weitere Determinanten des in der Zukunft erwarteten Schulerfolgs. Demnach wird angenommen, dass sich primä-re Effekte des Herkunftsstatus ausschließlich vermittelt über die Ausprägung der Erfolgserwartungen auf die Bildungsentscheidungen auswirken. Während die Ent-scheidungsrelevanz von Schulleistungen vollständig durch die Erfolgserwartungen der Akteure vermittelt ist, werden diese jedoch nicht durch die schulischen Fähig-keiten der Kinder determiniert.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nach den Annahmen der RCT die bei Kontrolle von Indikatoren der Schulleistungen der Kinder verbleibenden direk-ten Effekte des familiären Sozialstatus durch Unterschiede in den Kosten und Er-trägen von Bildungsabschlüssen, sowie durch die nicht leistungsbasierte Kompo-nente der Erfolgserwartung bewirkt werden. Die Stärke sekundärer Effekte lässt sich somit als Residualeffekt der elterlichen Klasse und Bildung, bei gleichzeitiger Kontrolle der Schulleistungen der Kinder, konzipieren.

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Empirische Untersuchung

Stichprobe und Operationalisierung

In dieser Studie verwenden wir Daten des Mannheimer Bildungspanels, an dem Familien teilnahmen, die im Schuljahr 2003/04 Kinder in der 3. Klasse der Grund-schule in Rheinland-Pfalz hatten. Im ersten Schritt wurden 52 Grundschulen zufäl-lig ausgewählt, und 48 (92,3 Prozent) nahmen an unserer Studie teil. Alle 2.186 Fa-milien mit Kindern in der 3. Klasse dieser Schulen, sofern die Eltern keine Migran-ten der 1. Generation waren, wurden um eine Teilnahme an der Studie gebeten. Insgesamt 977 (44,7 Prozent) der Eltern der Ausgangsstichprobe willigten ein und nahmen am Anfang der 3. Klassenstufe an den Interviews der ersten Panelwelle teil. Zu diesem Zeitpunkt wurden, neben anderen Informationen, die soziodemogra-phischen Merkmale der Familien erfasst. In der Mitte der 4. Klassenstufe, nachdem die Familien das Zwischenzeugnis sowie die Grundschulempfehlung erhalten hat-ten, und bevor sie sich für eine weiterführende Schulform für ihre Kinder entschei-den mussten, wurde ein weiteres Interview durchgeführt. In dieser zweiten Panel-welle wurde die elterliche Wahrnehmung der Schulleistungen ihrer Kinder sowie deren Halbjahreszeugnisnoten erfasst. In der dritten Welle der Elterninterviews, am Ende der 4. Klassenstufe im Sommer 2005, gaben die Eltern die gewählte weiter-führende Schulform an. Wegen Panelmortalität und Item-Nonresponse waren für 750, also für 31,2 Prozent der 2.402 an der Ausgangsstichprobe von 52 Schulen re-präsentierten Familien, vollständige Daten für alle relevanten Variablen verfügbar. In jeder Familie wurden die Interviews mit der Person durchgeführt, die angab, sich hauptsächlich mit den schulischen Angelegenheiten des Zielkindes zu befassen. Dies war in 94,3 Prozent der Fälle die Mutter, in 5,3 Prozent der Vater und in 0,4 Prozent eine andere Person. Parallel zu der Fragebogenstudie mit den Eltern wur-den im Klassenverband Schulleistungstests mit den Kindern durchgeführt. In der folgenden Untersuchung verwenden wir Daten der zweiten Welle dieser Leistungs-tests, die in der zweiten Hälfte der 4. Klasse, also während oder kurz nach der Ent-scheidung über die weiterführende Schulform, durchgeführt wurden.

Elterlicher Sozialstatus: Als Operationalisierung des familiären Sozialstatus wird die Bildung und Klassenposition der Eltern herangezogen. Indikator für den Bildungs-status der Familien waren die von den Eltern erreichten höchsten Schulabschlüsse. Diese Abschlüsse sind (a) ein Hauptschulabschluss, (b) eine Mittlere Reife und (c) ein Abitur. Die Klassenposition der Eltern wurde mit Hilfe des EGP-Klassensche-mas operationalisiert (Goldthorpe 2000). Die folgenden sechs Klassen wurden unterschieden: (I) obere Dienstklasse, (II) untere Dienstklasse, (III) nicht manuelle Berufe, (IVab) Selbständige, (V,VI) Vorarbeiter und qualifizierte Arbeiter und (VII) unqualifizierte Arbeiter. Wenn Informationen über die Bildung und Klassenposition

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der Mutter und des Vaters verfügbar waren, wurde die jeweils höchste Ausprägung als Indikator für den familiären Sozialstatus herangezogen.

Gewählte weiterführende Schulform: Die Familien mussten am Ende des ersten Halb-jahres der 4. Klassenstufe entscheiden, welche Schulform ihre Kinder ab der 5. Klasse besuchen sollten. Während in einigen anderen Bundesländern Deutschlands die Grundschulempfehlung bindenden Charakter hat, ist dies in Rheinland-Pfalz nicht der Fall, sodass den Familien ein hohes Ausmaß an Entscheidungsfreiheit zu-kommt. Die Entscheidungsoptionen bestehen aus drei Schulformen, die, wenn er-folgreich abgeschlossen, zu eindeutig definierten Bildungsabschlüssen führen: (1) dem Hauptschulabschluss, (2) der Mittleren Reife und (3) dem Abitur. Weiterhin können Schulformen gewählt werden, die, abhängig von der Länge des Schulbe-suchs, zu unterschiedlichen Abschlüssen führen: (1) die Gesamtschule, an der nach 9 Jahren der Hauptschulabschluss, nach 10 Jahren die Mittlere Reife und nach 13 Jahren das Abitur erreicht werden kann, (2) die Waldorfschule, an der ebenfalls alle Abschlüsse möglich sind, und (3) die Regionalschule, an der entweder ein Haupt- oder Realschulabschluss erlangt werden kann.

Die teilnehmenden Eltern gaben in der dritten Panelwelle an, in welcher Schulform sie ihre Kinder eingeschrieben haben. Insgesamt 85,5 Prozent hatten sich für eine Schulform entschieden, die, wenn erfolgreich absolviert, zu einem klar definierten Abschluss führt, während 14,5 Prozent sich für eine Gesamt-, Waldorf- oder Regionalschule entschieden hatten. Bei der letzteren Gruppe von Familien wird angenommen, dass sich diese noch nicht für einen konkreten Schulabschluss für ihre Kinder entschieden haben, daher wurden diese von der folgenden Analyse ausgeschlossen. Von den verbleibenden 641 Familien wählten 4,7 Prozent einen Hauptschulabschluss, 26,5 Prozent die Mittlere Reife und 68,8 Prozent das Abitur.

Indikatoren für die schulische Leistungsfähigkeit der Kinder: Wir vergleichen die Erklä-rungskraft von drei unterschiedlichen Indikatoren für die schulische Leistungsfähig-keit der Kinder und damit unterschiedlicher Operationalisierungen für primäre Ef-fekte. Dabei handelte es sich erstens um die Testergebnisse der Schüler in einem standardisierten Leistungstest, dem »Bildungs-Beratungs-Test für 3. und 4. Klas-sen«. Diesem Test kommt ein hohes Ausmaß an Reliabilität und Validität bei der Prognose der zukünftigen Schulleistungen von Kindern zu (Ingenkamp 1996; Bor-chert u.a. 1991: 175). Der Test gliedert sich in drei Teile: (a) Verständnis von Wort-bedeutungen, (b) Umgang mit Zahlen und (c) Lösen von Denkaufgaben. Der Pro-zentsatz der korrekt gelösten 60 Aufgaben wurde als Indikator für die objektiven schulischen Fähigkeiten der Kinder herangezogen. Der zweite Indikator für das Ausmaß primärer Effekte, ebenfalls unabhängig von den Einschätzungen der Eltern, sind die Schulnoten in Deutsch, Mathematik und Sachkunde aus dem Zwischenzeugnis der 4. Klasse. Diese Noten variieren zwischen 1 (»sehr gut«) und 6 (»ungenügend«). Deren Polung wurde zuerst umgekehrt und anschließend der

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Notendurchschnitt über die drei Schulfächer gebildet. Als dritter Indikator wurden, direkt vor der Entscheidung über die weiterführende Schulform, die subjektiven Wahrnehmungen der Eltern über die Schulleistungen ihrer Kinder erfasst. So wur-den die Eltern gebeten, die Schulleistungen ihrer Kinder in Deutsch, Mathematik und Sachkunde auf der Notenskala zu bewerten. Hier wurde ebenfalls die ursprüng-liche Skalenrichtung umgedreht und anschließend der Notendurchschnitt errechnet. Um eine Vergleichbarkeit der Effektstärken zu erreichen, wurden die drei Indika-toren auf einen Wertebereich zwischen 0 (»sehr schwache Schulleistung«) und 1 (»sehr gute Schulleistung«) normalisiert.

Deskriptive Statistiken

In Tabelle 1 werden deskriptive Statistiken für die in unserer Analyse verwendeten drei Leistungsindikatoren vorgestellt. Im Durchschnitt weisen die an unserer Studie teilnehmenden Kinder hohe Werte auf allen drei Indikatordimensionen auf. Dabei wird nach den Testergebnissen die schulische Leistungsfähigkeit mit einem Durchschnittswert von .84 am positivsten eingeschätzt, während die Lehrernoten mit einem Wert von .77 weniger vorteilhaft ausfallen und die elterliche Leistungs-einschätzung eine Mittelposition einnimmt. Einfache bivariate Korrelationen zeigen, dass die drei Leistungsindikatoren ähnliche, aber keineswegs identische Dimensio-nen messen. Die Testergebnisse der Kinder korrelieren r = .55 mit den Lehrernoten und r = .52 mit der Leistungsbewertung der Eltern. Den stärksten Zusammenhang von r = .84 gibt es zwischen der subjektiven Leistungsbewertung der Eltern und den Schulnoten der Kinder. Min. / Max. Mittelwert Standard-

abweichung Testergebnisse .37 / 1 .84 .13 Subjektive Bewertungen der Eltern .33 / 1 .80 .11

Noten der Lehrer .27 / 1 .77 .13 N = 641; Für alle Indikatoren: 0 ’schwache Schulleistungen, 1 ’sehr gute Schulleistungen’.

Tabelle 1: Deskriptive Statistiken für die verwendeten Leistungsindikatoren

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Primäre Effekte des Herkunftsstatus auf die schulischen Fähigkeiten der Kinder

Im ersten Schritt wurde untersucht, ob und wie stark sich Klasse und Bildung der Eltern auf die schulischen Kompetenzen der Kinder auswirken. Insbesondere wur-de analysiert, welcher der einbezogenen Indikatoren am stärksten durch primäre Effekte beeinflusst wird. Mit Hilfe von Regressionsanalysen wurde daher für jeden Leistungsindikator der Einfluss der elterlichen Klassenposition und Bildung über-prüft (siehe Tabelle 2). Als erstes Ergebnis lässt sich feststellen, dass beide Status-dimensionen (a) die Leistungstestergebnisse der Kinder (Bildung: F (2, 596) = 6.6; p ≤ .05), Klasse: F (5, 596) = 4.2; p ≤ .05), (b) die Bewertung der Schulleistungen durch die Eltern (Bildung: F (2, 596) = 10.9; p ≤ .05), Klasse: F (5, 596) = 3.1; p ≤ .05) und (c) die Lehrernoten (Bildung: F (2, 596) = 12.8; p ≤ .05), Klasse: F (5, 596) = 4.8; p ≤ .05) signifikant beeinflussen. Bei allen Indikatoren hat die elterliche Bildung einen Nettoeffekt in der Form, dass Kinder, deren Eltern Mittlere Reife oder Abitur haben, höhere Leistungsindikatoren aufweisen, verglichen mit solchen, bei denen die höchste elterliche Bildung ein Hauptschulabschluss ist. Ein ähnliches Bild ergibt sich für den Nettoeffekt der elterlichen Klassenposition: Arbeiterkinder weisen auf allen drei Leistungsindikatoren ungünstigere Werte als Schüler anderer sozialer Klassen auf. Dieser Unterschied ist bei allen Leistungsindikatoren statistisch signifikant für den Vergleich mit der oberen und unteren Dienstklasse.

Zweitens lässt sich feststellen, dass die Stärke der primären Effekte teilweise deutlich zwischen den untersuchten Leistungsindikatoren variiert. Im Falle der Test-ergebnisse der Kinder erklären die elterliche Bildung und Klassenposition zusam-men 11,0 Prozent der Varianz. Mit einem Anteil von ebenfalls 11,0 Prozent erklärter Varianz erweisen sich die primären Effekte im Falle der subjektiven Leis-tungsbewertungen der Eltern als gleich stark. Hinsichtlich der Lehrernoten hat sich aber eine deutlich stärkere Statusdifferenzierung gezeigt. Hier erklären die beiden Statusdimensionen zusammengenommen 13,7 Prozent der Leistungsunterschiede der Kinder.

Drittens zeigt sich, dass es vom betrachteten Leistungsindikator abhängt, ob die elterliche Bildung oder Klassenposition die stärkere Quelle primärer Effekte ist.1 Im Falle der Testergebnisse lassen sich 28,3 Prozent der insgesamt beobachteten pri-mären Effekte eindeutig der sozialen Klasse und 17,8 Prozent der Elternbildung zu-schreiben. Hinsichtlich der relativen Stärke der Klassen- und Bildungseffekte zeigt sich bei der subjektiven Leistungsbewertung der Eltern ein umgekehrtes Bild. In —————— 1 Für jeden Leistungsindikator wurde der relative Effekt der Klasse und Bildung der Eltern dadurch

ermittelt, indem das R2 der Regressionsmodelle ohne Klasse und Bildung vom Effektparameter des Vollmodells subtrahiert wurde. Der Effekt der von den zwei Statusindikatoren geteilten Varianz ist die Differenz zwischen dem R² des Vollmodells und der Summe der Nettoeffekte der beiden Sta-tusdimensionen.

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diesem Fall erfasst die Klassenposition 20,6 Prozent und die Elternbildung 28,1 Prozent des insgesamt beobachteten primären Effektes. Bei den Lehrernoten, die insgesamt die stärkste Statusdifferenzierung aufweisen, sind die Klassen- und Bil-dungseffekte ähnlich stark (24,9 Prozent vs. 25,3 Prozent). Es ist ein interessantes Ergebnis, dass die relative Stärke des Klasseneffektes ansteigt, wenn »objektivere« Leistungsindikatoren betrachtet werden: Der Prozentsatz der primären Effekte, der dieser Dimension zugeschrieben werden kann, steigt von 20,6 Prozent im Falle der subjektiven Bewertungen der Eltern auf 24,9 Prozent für die Lehrernoten und ist mit 28,3 Prozent am stärksten bei den Leistungstestergebnissen. Der relative Effekt der Bildung der Eltern zeigt genau die umgekehrte Tendenz: Hier liegen die stärks-ten Effekte bei den subjektiven Leistungsbewertungen vor (28,1 Prozent) und sind am schwächsten für die Testergebnisse (17,8 Prozent).

Modell 1

Testergebnisse

B

Modell 2 Bewertungen

der Eltern B

Modell 3 Noten der

Lehrer B

Sozialer Status

EGP-Klasse a) – I (Obere Dienstklasse) .13 * .12 * .15 * – II (Untere Dienstklasse) .09 * .10 * .13 * – III (Nicht-manuelle Berufe) .07 .09 * .11 * – IVa,b (Selbständige) .10 * .07 .06 – V,VI (Qualifizierte Arbeiter/Vorarbeiter) .02 .08 .07 Bildung b) – Mittlere Reife .02 .04 * .05 * – Abitur .06 * .07 * .09

Konstante .71 * .64 * .58 *

Nettoeffekt der Statusdimensionen: R2 (%) – Klasse – Bildung – Geteilte Varianz – Gesamt (Modell)

0.032 ( 28.3%) 0.020 ( 17.8%) 0.060 ( 54.0%) 0.111 (100.0%)

0.023 ( 20.6%) 0.031 ( 28.1%) 0.056 ( 51.2%) 0.110 (100.0%)

0.034 ( 24.9%) 0.035 ( 25.3%) 0.068 ( 49.8%) 0.137 (100.0%)

Beobachtungen (N) 605 641 641

Signifikanz: * p ≤ .05; Referenzkategorie: a) VII (Unqualifizierte Arbeiter); b) Hauptschulabschluss.

Tabelle 2: Primäre Effekte des Sozialstatus der Eltern auf Kompetenzindikatoren der Kinder (OLS-Regressionsergebnisse)

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Relative Stärke der primären und sekundären Effekte

Im folgenden Teil der Studie untersuchten wir, (a) inwiefern die Entscheidung über die weiterführende Schulform vom sozialen Status der Eltern beeinflusst wird, (b) welche Operationalisierung der Schulleistungen der Kinder den besten Prädiktor für die Bildungsentscheidung darstellt und (c) wie stark die direkten Statuseffekte durch primäre Effekte auf die verschiedenen Leistungsindikatoren erklärt werden können. Die abhängige Variable der Analyse war die von den Familien für ihre Kinder ge-wählten drei Sekundarschulformen. Da die Akteure gleichzeitig zwischen allen Ent-scheidungsoptionen gewählt haben, verwendeten wir nicht das von Mare (1981) vorgeschlagene sequenzielle Übergangsmodell. Vielmehr zogen wir multinomiale logistische Regressionsmodelle zur Erklärung der Wahlwahrscheinlichkeit der ver-schiedenen Sekundarschulformen heran. Im ersten Schritt wurde untersucht, ob sich die Klasse und Bildung der Eltern auf die Bildungsentscheidungen auswirken (siehe Tabelle 3, Modell 1). Es hat sich gezeigt, dass sowohl die soziale Klasse (χ²(10) = 31,0; p ≤ ,05) als auch die Bildung (χ²(4) = 33,8; p ≤ ,05) der Eltern signifikante Nettoeffekte auf die Bildungsentscheidungen ausüben. Demnach liegt die Wahrscheinlichkeit, die Realschule zu wählen, verglichen mit der für die Basiskategorie »Hauptschule«, für unqualifizierte Arbeiter und Eltern mit Haupt-schulabschluss niedriger als für alle anderen Klassen und Bildungsgruppen. Dieser Unterschied ist signifikant für alle Bildungsgruppen, im Falle der EGP-Klassen jedoch nur für den Kontrast zur unteren Dienstklasse. Für die Wahrscheinlichkeit, das Gymnasium statt der Hauptschule zu wählen, haben sich die gleichen Ergeb-nisse ergeben, wobei allerdings stärkere Klasseneffekte vorliegen: Hier haben Kin-der aus der oberen und unteren Dienstklasse sowie die von Eltern mit nicht-manu-ellen Berufen eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit auf das Gymnasium zu gehen, verglichen mit Kindern von unqualifizierten Arbeitern. Beide Statusindika-toren zusammengenommen haben eine Erklärungskraft von .143 in der Metrik von McFadden’s R².

Im zweiten Schritt wurde die Erklärungskraft der verschiedenen Leistungsindi-katoren überprüft. Dabei hat sich gezeigt, dass alle drei Indikatoren einen zusätz-lichen signifikanten Effekt auf die Bildungsentscheidungen ausüben (siehe Tabelle 3, Modell 2-4). Gemessen an der Größe der Regressionsparameter für die normali-sierten Variablen lässt sich feststellen, dass sich die durch alle Indikatoren erfassten Leistungsunterschiede stärker auf die Wahl des Gymnasiums statt der Hauptschule als auf die einer Realschule statt der Hauptschule auswirken. Außerdem sind die Ef-fekte hinsichtlich beider Übergangswahrscheinlichkeiten am stärksten bei Verwen-dung der Lehrernoten und am schwächsten für die Testergebnisse. Diese Unter-schiede in der Erklärungskraft der unterschiedlichen Operationalisierungen der schulischen Fähigkeiten der Kinder lassen sich durch einen Vergleich der für die

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verschiedenen Modelle festgestellten Effektparameter bestätigen: McFadden’s R² beträgt .311 für die Testergebnisse, .517 für die subjektiven Leistungsbewertungen und .576 für die Lehrernoten.

Im dritten Schritt wurde untersucht, ob und wie stark die soziale Klasse und Bildung der Eltern immer noch einen Effekt auf die Bildungsentscheidungen aus-üben, wenn die Bedeutung der verschiedenen Leistungsindikatoren und somit die primären Effekte kontrolliert werden. Die Elternbildung erweist sich auch dann als statistisch signifikante Entscheidungsdeterminante, wenn die Testergebnisse (χ²(4) = 23,3; p ≤ ,05), die subjektiven Leistungsbewertungen (χ²(4) = 18.0; p ≤ ,05) und die Lehrernoten (χ²(4) = 12,8; p ≤ ,05) kontrolliert werden. Dies trifft ebenfalls für den Effekt der Klassenposition bei Konstanthaltung der Testergebnisse zu (χ2(10) = 21,9; p ≤ ,05). Allerdings erweist sich diese Statusdimension nicht mehr als signifikant, wenn die Leistungsbewertungen der Eltern (χ2(10) = 14,9; p > ,05) oder die Lehrernoten (χ2(10) = 12,6; p > ,05) kontrolliert werden. Der bei Kontrolle der unterschiedlichen Leistungsindikatoren verbleibende Nettoeffekt der beiden Status-dimensionen beträgt in der Metrik von McFadden’s R2 .097 für die Testergebnisse, .072 für die Leistungsbewertungen der Eltern und nur noch .055 im Falle der Lehrernoten.2 Nimmt man die Effektparameter aus Basismodell 1 und somit den Gesamteffekt von Klasse und Bildung als Ausgangspunkt, führt die Kontrolle der verschiedenen Leistungsindikatoren zu Residualeffekten des familiären Sozialstatus von 67,8 Prozent bei Kontrolle der Testergebnisse, 50,3 Prozent bei den elterlichen Leistungseinschätzungen und 38,5 Prozent, wenn die Lehrernoten konstant gehal-ten werden. Demnach sind die Lehrernoten, wie im vorherigen Abschnitt gezeigt wurde, nicht nur am stärksten nach der Klasse und Bildung der Familien differenziert, sondern dieser Kompetenzindikator ist auch der beste Prädiktor für die Bildungsentscheidungen sowie die hierbei vorliegenden Statuseffekte. Nach den für diesen Leistungsindikator gewonnenen Ergebnissen kann festgestellt werden, dass primäre Effekte für 61,5 Prozent und sekundäre Effekte für die verbleibenden 38,5 Prozent des Gesamteffektes der Klasse und Bildung der Eltern auf die Bildungsentscheidungen verantwortlich sind.

—————— 2 Der Nettoeffekt der beiden Statusvariablen ist die Differenz der Effektparameter des Vollmodells

und dem um die Klasse sowie Bildung der Eltern reduzierten Modells.

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Modell 1 B

Modell 2 B

Modell 3 B

Modell 4 B

Realschule (Basiskat.: Hauptschule) Sozialer Status EGP-Klasse a) – I (Obere Dienstklasse) 1.30 1.29 1.19 2.20 – II (Untere Dienstklasse) 1.75 * 2.12 * 1.39 1.90 – III (Nicht-manuelle Berufe) 1.39 1.44 0.88 1.02 – IVa,b (Selbständige) 1.60 1.37 0.87 3.14 – V,VI (Qualifizierte Arbeiter, Vorarbeiter) 1.49 1.86 1.42 3.00 Bildung b) – Mittlere Reife 1.14 * 1.30 * 1.39 * 0.93 – Abitur 1.51 * 1.56 * 1.51 0.51 Primäre Effekte (Leistung) Testergebnisse -- 7.84 * -- -- Bewertungen der Eltern -- -- 18.5 * -- Noten der Lehrer -- -- -- 28.3 * Konstante -0.54 -5.93 * -12.1 * -17.1 *

Gymnasium (Basiskat.: Hauptschule) Sozialer Status EGP-Klasse a) – I (Obere Dienstklasse) 3.90 * 3.93 * 4.33 6.76 – II (Untere Dienstklasse) 3.48 * 4.21 * 3.84 5.73 – III (Nicht-manuelle Berufe) 2.67 * 3.08 * 2.71 4.46 – IVa,b (Selbständige) 2.43 2.13 2.95 7.17 – V,VI (Qualifizierte Arbeiter, Vorarbeiter) 2.30 3.32 * 2.40 6.50 Bildung b) – Mittlere Reife 1.69 * 2.03 * 2.30 * 1.84 * – Abitur 2.84 * 2.93 * 3.12 * 2.15 * Primäre Effekte (Leistung) Testergebnisse -- 17.3 * -- -- Bewertungen der Eltern -- -- 43.8 * -- Noten der Lehrer -- -- -- 53.4 * Konstante -2.18 -15.8 * -34.3 * -39.9 *

Gesamtnettoeffekt der sozialen Klasse und Bildung der Eltern (McFaddens R²) Verbleibender direkter Effekt in %

.143

100.0%

.097

67.8%

.072

50.3%

.055

38.5% McFaddens R² (Modell) .143 .311 .517 .576 Beobachtungen 641 641 641 641

Signifikanz: * p ≤ ,05; Referenzkategorie: a) Unqualifizierte Arbeiter; b) Hauptschulabschluss.

Tabelle 3: Konsequenzen primärer Effekte für den gewählten Sekundarschultyp (Multinomiale Logistische Regressionen)

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5532 A D - H O C - G R U P P E : B IL D U N G S P R O Z E S S E

Zusammenfassung und Diskussion

In der vorliegenden Studie wurde untersucht, welche Operationalisierung der schu-lischen Leistungsfähigkeit von Kindern (a) am stärksten durch primäre Effekte der sozialen Klasse und Bildung der Eltern geprägt sind, (b) der stärkste Prädiktor für die Entscheidung zwischen Sekundarschulformen ist, und (c) den größten Anteil direkter Statuseffekte auf diese Entscheidung erklärt. Die in unsere Untersuchung aufgenommenen Indikatoren sind die Leistungstestergebnisse der Schüler, die sub-jektive Bewertung der Schulleistungen durch die Eltern, und die von den Lehrern vergebenen Schulnoten. Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass die Schulnoten in Hinblick auf alle drei Kriterien den umfassendsten Indikator für primäre Herkunfts-effekte darstellen. Dieser Leistungsindikator war (a) am stärksten durch den familiä-ren Status beeinflusst, (b) hatte die höchste Vorhersagekraft für die Bildungsent-scheidungen und (c) erklärte den höchsten Anteil der direkten Statuseffekte. Nach den für diesen Indikator gewonnenen Resultaten lassen sich 61,5 Prozent der Her-kunftsunterschiede in den Sekundarschulwahlen auf Statusunterschiede in den Schulnoten und damit auf primäre Effekte zurückführen. Dieses Schätzergebnis liegt um etwa 10 Prozentpunkte höher als der in der bereits vorliegenden Studie be-richtete Wert (Jackson u.a. im Druck). Andere Untersuchungen haben belegt, dass Einflüsse der Herkunftsfamilien mit zunehmendem Alter abnehmen. Demnach geht der in unserer Untersuchung festgestellte stärkere primäre Herkunftseffekt möglicherweise darauf zurück, dass die Kinder in der vorliegenden Studie mit knapp 10 Jahren deutlich jünger waren als die 16jährigen Kinder in der früheren Untersuchung. Vor dem Hintergrund unserer Ergebnisse kann geschlussfolgert werden, dass, zumindest im Schulsystem von Rheinland-Pfalz, Maßnahmen zur Reduktion der Leistungsdifferenzierung nach dem Herkunftsstatus von Kindern ein höheres Erfolgspotential bei der Reduktion von Bildungsungleichheit zukommt, verglichen mit solchen, die auf die Beseitigung von sekundären Effekten zielen. Da hier die Grundschulempfehlung einen nicht verbindlichen Stellenwert einnimmt und somit den Eltern ein hohes Ausmaß an Entscheidungsfreiheit zukommt, muss jedoch im Geltungsbereich anderer institutioneller Regeln eher noch mit einer größeren Bedeutung von Leistungsunterschieden bei der Entstehung von Bildungs-ungleichheit gerechnet werden.

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S T O C K É : H E R K U N F T S S T A T U S U N D S E K U N D A R S C H U L W A H L 5533

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