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Homepage: Online-Datenbank ... · in der konservativen Therapie der Struma nodo-sa, zeigte einen...

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Austrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism Austrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism www .kup.at/klinendokrinolog ie Homepage: www .kup.at/klinendokrinolog ie Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Praxisrelevante Entwicklungen 2011/2012 in der Thyreologie Feldkamp J Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel - Austrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2013; 6 (1), 7-10
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Austrian Journal of Clinical Endocrinology and MetabolismAustrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism

www.kup.at/klinendokrinologie

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www.kup.at/klinendokrinologie

Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche

Praxisrelevante Entwicklungen 2011/2012 in der Thyreologie

Feldkamp J

Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel - Austrian

Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2013; 6 (1), 7-10

J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2013; 6 (1)

Praxisrelevante Entwicklungen 2011/2012 in der Thyreologie

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Praxisrelevante Entwicklungen 2011/2012in der Thyreologie

J. Feldkamp

Eingelangt am 2. November 2012; angenommen am 16. Dezember 2012

Aus der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie,Pneumologie, Infektiologie, Klinikum Bielefeld, DeutschlandKorrespondenzadresse: PD Dr. med. Joachim Feldkamp, Klinik für AllgemeineInnere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie, Pneumologie, Infektiologie,Klinikum Bielefeld, D-33604 Bielefeld, Teutoburger Straße 50;E-Mail: [email protected]

Kurzfassung: In den Jahren 2011 und 2012 sindrelevante, neue wissenschaftliche Erkenntnissein der Thyreologie publiziert worden. Die LISA-Studie, die größte Untersuchung zur Effektivitätin der konservativen Therapie der Struma nodo-sa, zeigte einen signifikanten Effekt einer Kom-binationstherapie aus Levothyroxin plus Jodidmit einer relevanten Abnahme der Größe derSchilddrüsenknoten nach 1-jähriger Therapie.Zwei große multizentrische Untersuchungen konn-ten unabhängig voneinander belegen, dass eineniedrig dosierte Radiojodtherapie mit 1,1 GBqJod131 im Vergleich zur konventionellen Dosisvon 3,7 GBq Jod131 in der Behandlung des diffe-renzierten Schilddrüsenkarzinoms nach Thyreoid-ektomie ebenso effektiv ist. Von einer Vorbe-handlung mit rekombinantem TSH profitiertendie Patienten deutlich im Hinblick auf ihre Le-bensqualität. Bei Patienten mit Morbus Base-dow mit einer milden endokrinen Orbitopathiekonnte eine Behandlung mit Selen im Vergleichzu Pentoxiphyllin und Placebo zu einer signifikan-ten Verbesserung des objektiv durch Ophthalmo-logen messbaren Augenbefundes beitragen beigleichzeitig gebesserter Lebensqualität in derGruppe der selenbehandelten Patienten. In einergroßen Metaanalyse der bisher publizierten Da-ten mit > 52.000 eingeschlossenen Personenwurde gezeigt, dass eine subklinische Hyperthy-reose mit einer erhöhten kardiovaskulären Mor-talität, einer erhöhten Gesamtmortalität und ei-

nem deutlich erhöhten Risiko für Vorhofflimmerneinhergeht. Ein TSH-Screening bei Schwangerenführte nicht zu einer Verbesserung des Intelli-genzquotienten bei Kindern im 3. Lebensjahr,wenn Frauen mit erhöhten TSH-Werten nach der13. Schwangerschaftswoche mit Levothyroxinbehandelt wurden. Zu kritisieren ist der späteZeitpunkt für das Screening in dieser Untersu-chung. Im Mausmodell gelang es einer Arbeits-gruppe, Stammzellen zu Thyreozyten zu transfor-mieren, und die auf athyreote Mäuse transplan-tierten Zellen waren in der Lage, eine Schilddrü-senhormonproduktion aufzunehmen.

Schlüsselwörter: differenziertes Schilddrüsen-karzinom, Radiojodtherapie, endokrine Orbitopa-thie, Selen, Struma nodosa

Abstract: Clinically Relevant New Scien-tific Results in Thyroidology. In 2011 and2012, a number of clinically relevant new scien-tific publications contributed to new insights inthe field of thyroid research. LISA, the largeststudy regarding the impact of medical treatmenton the size of thyroid nodules, demonstrated thebest treatment effect when levothyroxine wasgiven combined with iodine. In differentiatedthyroid carcinomas, radioiodine ablation after to-tal thyroidectomy is as effective when a dose of1.1 GBq radioiodine131 is given in comparison to

the standard dose of 3.7 GBq radioiodine131. Pa-tients reported better quality of life if they werepretreated with recombinant TSH when com-pared to patients under thyroid hormone with-drawal. Endocrine orbitopathy in patients withGraves’ disease could be ameliorated if patientswere treated with selenium compared to a treat-ment with pentoxyphyllin and placebo. Quality oflife was also better in the selenium group. Ametaanalysis including all published data withmore than 52.000 persons showed an increasedrate of cardiovascular mortality, overall mortal-ity, and atrial fibrillation in patients with sub-clinical hyperthyroidism. Screening for elevatedTSH levels with levothyroxin treatment in preg-nant women with positive screening tests didnot lead to better intellectual development intheir offspring if tests were performed at the ageof 3 years compared to women without interven-tion. A major point of criticism in this study is thelate screening that took place after week 12 ofgestation. For the first time, researchers couldtransform stem cells in a murine model to func-tional thyroid follicle cells. If transplanted toathyreotic mice these cells were capable ofstarting thyroid hormone production. J KlinEndokrinol Stoffw 2013; 6 (1): 7–10.

Key words: differentiated thyroid carcinoma,radioiodine therapy, endocrine orbitopathy, sele-nium, struma nodosa

Schilddrüsenkarzinom

Die Prognose des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms istfür die Gesamtgruppe der Erkrankten sehr gut. In den ver-gangenen Jahrzehnten hat es eine Verschiebung zu den weni-ger aggressiven papillären Schilddrüsentumoren gegeben.Nach einer Thyreoidektomie mit anschließender Ablationvon Schilddrüsengewebe nähert sich heute die Prognose auchvon Patienten, die früher einer Hochrisikogruppe zugerechnetwurden, solchen mit bereits initial niedrigen Tumorstadien an[1]. Die Einführung von rekombinantem TSH zur Vorberei-tung auf die Radiojodtherapie hat den Patienten mit Schild-drüsenkarzinom deutlich mehr Lebensqualität gebracht. Viel-fach werden Standardaktivitäten an radioaktivem Jod zur Ab-lation von Restgewebe verabreicht. Zwei große Studien habendie Fragen adressiert, ob die Effektivität einer reduzierten

Dosis an Radioaktivität einer konventionellen Dosis ebenbür-tig und ob die Vorbehandlung mit rekombinantem TSH versusendogener Hypothyreose gleichwertig ist.

HiLo-StudieDie 2006 begonnene randomisierte Multicenter-Studie schlossPatienten mit papillären und follikulären Schilddrüsenkar-zinomen ein, die nach vollständiger Thyreoidektomie als Low-risk-Patienten klassifiziert wurden (TNM-KlassifikationpT1–T3; Nx, N0 oder N1; M0). Es sollte die Nichtunterle-genheit (non-inferiority) einer niedrig dosierten Radiojod-therapie mit 1,1 GBq Jod131 gegenüber einer Standarddosisvon 3,7 GBq Jod131 untersucht werden. Gleichzeitig wurdenPatienten mit konventionellem Schilddrüsenhormonentzugvor der Radiojodablation mit Patienten verglichen, die eineVorbehandlung mit rekombinantem TSH ohne Absetzen derLevothyroxinsubstitution erhielten [2]. Der Behandlungser-folg wurde 6–9 Monate nach der Ablationstherapie gemessen.Zielparameter waren das Ergebnis der Ganzkörperszintigra-phie sowie die Thyreoglobulinspiegel im Serum. Studienteil-nehmer wurden in 29 Studienzentren rekrutiert. Letztendlichkonnten 258 Datensätze ausgewertet werden. Ein signifikanterUnterschied in diesen Outcomes zwischen der Niedrigdosis-

For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.

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gruppe und den Patienten, die eine Standardaktivität erhielten,konnte nicht nachgewiesen werden (p = 0,53). Gleichzeitig warder Krankenhausaufenthalt durch die geringere Strahlenakti-vität signifikant kürzer als in der Standardgruppe (1,7 vs. 2,3Tage; p < 0,001). Positive Effekte ergaben sich für die Patien-ten, die zur Vorbereitung auf die Ablationstherapie mit re-kombinantem TSH vorbereitet wurden. Sie unterschieden sichvom übrigen Studienkollektiv durch geringer ausgeprägte Mü-digkeit und hatten weniger Konzentrationsstörungen.

ESTIMABL-StudieParallel zur Studie aus Großbritannien wurde eine multi-zentrische Studie aus Frankreich mit 24 beteiligten Studien-zentren publiziert [3]. Ziele der Untersuchung und Patienten-kollektive ähnelten denen der HiLo-Studie. Auch in der fran-zösischen Untersuchung wurden Patienten mit und ohneHormonentzug miteinander verglichen und es wurde dieStandarddosis von 3,7 GBq Jod131 der niedrigen Dosis von 1,1GBq Jod131 gegenübergestellt. In 92 % der untersuchten Fällelag ein papilläres Schilddrüsenkarzinom vor. Insgesamt konn-ten in Frankreich 542 Datensätze ausgewertet werden. Wie inder HiLo-Studie zeigte sich, dass eine Ablationsdosis von 1,1GBq Jod131 genauso effektiv wie die Standarddosis von 3,7GBq Jod131 ist. In 92 % der Fälle war die erste Ablation erfolg-reich ohne Gruppenunterschied. Das posttherapeutische sti-mulierte Thyreoglobulin lag in 95 % der Fälle < 1 ng/ml.Auch hier unterschieden sich die Patienten mit endogenerHypothyreose nicht von den mit rekombinantem TSH behan-delten Patienten.

Die HiLO- und die ESTIMABL-Studie werden sicher die The-rapie des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms wesentlichbeeinflussen. Die beiden voneinander unabhängigen Untersu-chungen belegen, dass eine niedrigere Behandlungsdosis füreine Ablationsbehandlung zumindest bei Niedrigrisiko-Pati-enten ebenso erfolgreich ist wie die Standardaktivität. Es istzu erwarten, dass sowohl in den USA als auch in Europa dieLeitlinien zum Schilddrüsenkarzinom dahingehend geändertwerden. Im Sinne der Patienten ist die Vorbehandlung mitrekombinantem TSH, das gegenüber der endogenen Hypo-thyreose gleichwertig im Hinblick auf das Outcome ist, je-doch die verträglichere Alternative darstellt.

Struma nodosa – LISA-Studie

Eine Vielzahl von älteren kleineren Untersuchungen beschäf-tigt sich mit der Frage, ob eine TSH-suppressive Therapie ei-nen volumenverkleinernden Effekt bei nodösen Strumen hat.Die Studienlage ist dabei sehr uneinheitlich. Es wurden oftLevothyroxin-Dosierungen eingesetzt, die eine vollständigeTSH-Suppression (TSH-Wert < 0,1 mIU/l) zur Folge hatten.Mit der Erkenntnis, dass eine solche TSH-Suppression un-günstige Auswirkungen, einschließlich der Begünstigung desAuftretens von Vorhofflimmern, haben kann, scheint eine sol-che Behandlung heute obsolet. Die weltweit größte Untersu-chung zur Wirkung einer Therapie mit Levothyroxin, Jodidoder einer Kombination aus beidem wurde von Grußendorf et al.2011 publiziert [4]. Insgesamt wurden 1020 Personen rando-misiert einem der Therapiearme oder einer Placebogruppezugeordnet und über einen Zeitraum von 12 Monaten beob-achtet. Die TSH-Werte wurden in den mit Thyroxin behandel-ten Gruppen auf Werte zwischen 0,2 und 0,8 mIU/l einge-stellt. Einschlusskriterien waren ein Alter zwischen 18 und 65Jahren sowie Knotendurchmesser von mindestens 1 cm. Aus-geschlossen wurden Patienten mit einer Vortherapie in denvergangenen 3 Jahren, Patienten mit autonomen Funktions-störungen der Schilddrüse und Patienten mit Zysten. Der pri-märe Wirksamkeitsendpunkt war die prozentuale Volumen-reduktion aller vorhandenen Schilddrüsenknoten. Der wich-tigste sekundäre Endpunkt war die Volumenveränderung derSchilddrüse. In die Endauswertung gingen 795 Patienten ein.In allen 3 Behandlungsgruppen konnte eine Volumenreduk-tion der Schilddrüsenknoten beobachtet werden (Abb. 1).Den größten therapeutischen Effekt hatte die Kombinations-behandlung mit Levothyroxin und Jodid (n = 191). Im Ver-gleich zur Placebogruppe (n = 199) kam es zu einer signifi-kanten Größenabnahme von 17,3 %. Auch im direkten Ver-gleich schnitt die Kombinationsbehandlung (–21,6 %) besserab als die Monotherapie mit Levothyroxin (–12,1 %) und dieTherapie mit Jodid (–9 %). Die LISA-Studie erlaubt denSchluss, dass in einem Gebiet mit grenzwertig normaler Jod-versorgung die medikamentöse Therapie einer Struma nodosaam sinnvollsten mit einer Kombinationsbehandlung ausLevothyroxin und Jodid durchzuführen ist.

Abbildung 1: Einfluss derMedikation auf das Volumender Schilddrüse und dasVolumen der Schilddrüsen-knoten in der LISA-Studie.Aus [4] (Creative CommonsAttribution Non-CommercialLicense).

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Selen bei endokriner Orbitopathie

Die endokrine Orbitopathie beim Morbus Basedow ist eineschwierig zu behandelnde Erkrankung. Neben der immun-supprimierenden Therapie mit Steroiden stehen fast nur symp-tomatische Maßnahmen zur Verfügung, die eine Linderungder Symptome der Patienten bewirken sollen. Aus Vorunter-suchungen war bekannt, dass die Selen-Spiegel bei Patientenmit endokriner Orbitopathie niedriger als in der Normalbe-völkerung sind.

In einer multizentrischen Untersuchung der EUGOGO (Euro-pean Group of Graves’ Orbitopathy) wurde die Wirksamkeiteiner 2× täglichen Gabe von Pentoxiphyllin (2 × 600 mg) imVergleich mit einer Selen-Supplementation (2 × 100 Mikro-gramm Natriumselenit) oder Placebo bei Patienten (n = 159)mit moderater endokriner Orbitopathie untersucht [5]. Derprimäre Endpunkt war der Augenbefund, dokumentiert durcheinen für die Therapie verblindeten Ophthalmologen und einFragebogen zur Lebensqualität, der durch die Patienten aus-gefüllt wurde. Sekundäre Endpunkte waren ein klinischerAktivitätsscore der Erkrankung und ein Diplopiescore. DieBefunde wurden vor und nach 6-monatiger Therapie erhobensowie nach einem Zeitraum von weiteren 6 Monaten nachAbsetzen der Therapie. Die Ergebnisse zeigten eine signifi-kante Verbesserung des Augenbefundes nach 6 Monaten nurin der Gruppe der Patienten, die mit Selen behandelt wurden.Es wurde unter Selen ebenfalls eine geringere Progression derAugenerkrankung als unter Pentoxiphyllin oder unter Place-bo beobachtet. Die Lebensqualität war in der Selen-Gruppesignifikant besser als in den Vergleichsgruppen. RelevanteNebenwirkungen traten unter Selen nicht auf, während es un-ter Pentoxiphyllin zu vermehrten Magen-Darm-Problemenkam. Zusammenfassend könnte eine Selen-Supplementationin Zukunft eine ergänzende Therapieoption bei Patienten mitmoderater Krankheitsaktivität sein.

Subklinische Hyperthyreose

Seit etwa 20 Jahren wird die klinische Bedeutung einer TSH-Suppression bei Patienten mit und ohne Schilddrüsenerkran-kung diskutiert. Die subklinische Hyperthyreose wird dabeiüber einen erniedrigten oder nicht nachweisbaren TSH-Wertbei normalen Werten für die peripheren Schilddrüsenhor-monwerte definiert. Zum Teil ergaben die Untersuchungender Vergangenheit sich widersprechende Ergebnisse im Hin-blick auf die Morbidität und Mortalität dieser Patienten-gruppe. Einem Teil der Studien, die Verlaufsuntersuchungenbei Patienten mit supprimierten TSH-Werten bei der Ein-gangsuntersuchung durchführten, mangelt es an Verlaufsda-ten über die Beobachtungszeit, sodass eine erhöhte Mortalitätauch durch einen Übergang in eine definitive Hyperthyreosebei den Patienten erklärt werden könnte. Nicht alle Untersu-chungen zeigen jedoch eine erhöhte Mortalität. So konnteeine Untersuchung aus den Niederlanden aus dem Jahre 2011keine erhöhte Mortalität bei einer Verlaufsuntersuchung übereinen Zeitraum von 10 Jahren bei sehr alten Menschen nach-weisen [6]. Die aktuell publizierte größte Metaanalyse mitDaten von > 52.000 Patienten zeigt jedoch eine erhöhteGesamtmortalität, eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalitätund ein deutlich erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern bei

Menschen mit einem TSH-Wert von < 0,1 mIU/l [7]. DieGesamtschau aller publizierten Studien lässt also den Schlusszu, dass eine endogene subklinische Hyperthyreose, aberauch die iatrogen induzierte subklinische Hyperthyreosedurch die exogene Zufuhr von L-Thyroxin ungünstige ge-sundheitliche Auswirkungen hat und vermieden werdenmuss. Lediglich bei bestimmten Patientengruppen mit diffe-renziertem Schilddrüsenkarzinom sind in der Hochrisiko-konstellation noch vollständig supprimierte TSH-Werte (TSH< 0,1 mIU/l) gefordert.

Schilddrüse und Schwangerschaft

Erhöhte TSH-Werte von schwangeren Frauen scheinen miteiner Verschlechterung der kognitiven Funktion der Kinderdieser Frauen einherzugehen [8]. Da die Schilddrüse einesFetus erst ab der 18.–20. Schwangerschaftswoche mit derSchilddrüsenhormonproduktion beginnt, ist der Fetus in denersten Schwangerschaftswochen auf die Hormonversorgungdurch die Mutter angewiesen. Es kann also sinnvoll sein, einTSH-Screening in der Schwangerschaft durchzuführen, umnachteilige Effekte auf das Neugeborene zu vermeiden.

In Großbritannien und Italien wurde eine sehr breit angelegtemultizentrische Studie durchgeführt, um ein antenatalesTSH-Screening durchzuführen und den Einfluss der mater-nalen TSH-Werte bei den Kindern dieser Frauen im Alter von3 Jahren zu untersuchen [9]. Blutabnahmen wurden bei21.846 Frauen in der 15. Schwangerschaftswoche ± 6 Tagedurchgeführt. Die Frauen wurden entweder einer Screening-gruppe (n = 10.924) zugeteilt oder einer reinen Kontroll-gruppe (n = 10.922). In der Kontrollgruppe wurden die TSH-und fT4-Werte der tiefgefrorenen Proben erst nach derSchwangerschaft gemessen. In der Screeninggruppe wurdenTSH und freies T4 sofort gemessen. Bei TSH-Werten über der95. Perzentile oder bei Werten für das freie T4 unterhalb der2,5. Perzentile (oder bei einer Kombination aus beidem) wur-de eine Levothyroxin-Substitution eingeleitet, beginnend miteiner Dosis von 150 Mikrogramm. Nach 6 Wochen erfolgteeine Dosisanpassung. Die Zielwerte für TSH lagen zwischen0,1 und 1,0 mIU/l. Ein Intelligenztest und eine psychologi-sche Untersuchung erfolgten bei allen Kindern von Müttern,die entweder in der Schwangerschaft oder nach der Geburt(Kontrollgruppe) positiv im Sinne zu hoher TSH-Werte odererniedrigter fT4-Werte gemessen worden waren.

In der Screeninggruppe wurden 4,6 % der Frauen positiv getes-tet, in der Kontrollgruppe 5 %. Die Schilddrüsenhormon-therapie in der Interventionsgruppe startete im Median in der13. Schwangerschaftswoche (+3 Tage). Die psychologischenTests konnten bei 78,2 % der Kinder, deren Mütter bereits inder Schwangerschaft gemessen wurden (Screeninggruppe),und bei 73,3 % der Kinder der Mütter aus der Kontrollgruppe3 Jahre nach der Geburt durchgeführt werden. Zwischen derInterventions- und der Kontrollgruppe konnten keine signi-fikanten Unterschiede gefunden werden. Die Schwanger-schaftsdauer war nahezu identisch (Median 40,1 und 40,2Wochen; p = 0,1). Die Rate der Frühgeburten (< 37. Schwan-gerschaftswoche) unterschied sich nicht signifikant (5,6 %und 7,9 %; p = 0,2). Auch das Geburtsgewicht der Kinder warnicht relevant unterschiedlich (Median 3,5 kg und 3,3 kg; p =

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0,1). Auch im primären Endpunkt der Studie, dem Intelli-genzquotienten der Kinder im dritten Lebensjahr, gab es kei-ne Unterschiede. Der per Definition auf 100 festgelegte IQder Kinder aus der Kontrollgruppe war nicht signifikant un-terschiedlich von dem der Kinder der Screeninggruppe (IQ =99,2; p = 0,4). Der Anteil der Kinder mit einem IQ von weni-ger als 85 lag etwa gleich hoch mit 12,1 % in der Scree-ninggruppe und 14,1 % in der Kontrollgruppe.

Ein wesentlicher Kritikpunkt dieser wirklich großen Untersu-chung ist der späte Zeitpunkt des TSH-Screenings. Es könntesein, dass zu diesem Zeitpunkt die wesentlichen Schritte derfetalen Hirnentwicklung bereits abgelaufen sind und sich spä-tere Erhöhungen des TSH-Wertes nicht mehr relevant be-merkbar machen. Grundsätzlich hat damit auch diese Studiedie Frage, ob ein frühzeitiges TSH-Screening bei Schwange-ren sinnvoll ist, nicht abschließend geklärt. Aufgrund der ak-tuellen Datenlage aus der Literatur hat die AmerikanischeEndokrinologische Fachgesellschft in einer Praxisleitlinie imSommer 2012 empfohlen, bei Schwangeren einen TSH-Wert< 2,5 mIU/l anzustreben [10]. Es scheint ratsam, zunächstdieser Empfehlung zu folgen, bis weitere Daten zur Verfü-gung stehen.

Stammzellforschung

Ein großer Durchbruch in der Stammzellforschung scheintWissenschaftlern aus Belgien gelungen zu sein. Antonica etal. berichten vorab in einer Online-Ausgabe von Nature vonder Möglichkeit, Mäusestammzellen in funktionsfähigeSchilddrüsenfollikelzellen zu transformieren [11]. Bisher gabes ein solches Stammzellmodell, das eine ausreichende mor-phogenetische und molekulare Zelldifferenzierung erlaubte,für die Schilddrüse noch nicht. Die Forscher nutzten einetransiente Überexpression der Transkriptionsfaktoren NKX2-1 und PAX8, um diese Differenzierung zu erreichen. Es ge-lang ihnen, im Mäusemodell die Stammzellen zu veranlassen,sich nach Behandlung mit Thyreotropin (TSH) in 3-dimensi-onalen Schilddrüsenfollikeln zu organisieren. Die Follikelwaren darüber hinaus in der Lage, Jodid zu organifizieren. Inder Folge war es möglich, diese Follikelzellen in athyreoteMäuse zu implantieren, wo es ihnen gelang, eine Schild-drüsenhormonproduktion in Gang zu setzen und die Hypo-thyreose auszugleichen. Diese Ergebnisse sind auch im Lichtder Stammzellforschung auf anderen Organgebieten als sen-sationell zu bezeichnen. Es bleibt abzuwarten, ob die Ergeb-nisse von anderen Forschergruppen reproduziert werden kön-nen. Sollte dies auch mit menschlichen Stammzellen möglichsein, ergäbe sich die Möglichkeit, Patienten mit angeborenerAthyreose, Patienten nach Thyreoidektomien oder Patientenmit Hypothyreose im Rahmen von Autoimmunerkrankungender Schilddrüse durch eine Stammzelltherapie eine körperei-gene Hormonproduktion zu ermöglichen. Betrachtet man je-doch die Rückschläge vieler Forschergruppen auf anderenOrgangebieten (z. B. Insulinproduktion von Pankreaszellen inder Diabetes-Therapie), dann scheint eine gewisse Skepsisangebracht.

Relevanz für die Praxis

Die beste Option für die medikamentöse Therapie der Stru-ma nodosa ist die kombinierte Gabe von Jodid und Levo-thyroxin. Bei milder endokriner Orbitopathie ist die Gabevon 200 Mikrogramm Natriumselenit hilfreich. Eine nied-riger dosierte Radiojodtherapie ist in der Therapie des dif-ferenzierten Schilddrüsenkarzinoms zu erwarten. EineVorbehandlung mit rekombinantem TSH führt zu größererPatientenzufriedenheit bei gleich hoher Sicherheit.

Interessenkonflikt

Der Autor hat eine beratende Tätigkeit bei Sanofi-Aventis undGenzyme.

Literatur:

1. Verburg FA, Stokkel MP, Düren C, et al. Nosurvival difference after successful (131)I ab-lation between patients with initially low-riskand high-risk differentiated thyroid cancer. EurJ Nucl Med Mol Imaging 2010; 37: 276–83.

2. Mallick U, Harmer C, Yap B, et al. Ablationwith low-dose radioiodine and thyrotropinalfa in thyroid cancer. N Engl J Med 2012; 366:1674–85.

3. Schlumberger M, Catargi B, Borget I, et al.;Tumeurs de la Thyroïde Refractaires Networkfor the Essai Stimulation Ablation EquivalenceTrial. Strategies of radioiodine ablation in pa-tients with low-risk thyroid cancer. N Engl JMed 2012; 366: 1663–73.

4. Grussendorf M, Reiners C, Paschke R, et al.;LISA Investigators. Reduction of thyroid nod-ule volume by levothyroxine and iodine aloneand in combination: a randomized, placebo-controlled trial. J Clin Endocrinol Metab 2011;96: 2786–95.

5. Marcocci C, Kahaly GJ, Krassas GE, et al.;European Group on Graves’ Orbitopathy. Sele-nium and the course of mild Graves’ orbitopa-thy. N Engl J Med 2011; 364: 1920–31.

6. de Jongh RT, Lips P, van Schoor NM, et al.Endogenous subclinical thyroid disorders, phy-sical and cognitive function, depression, andmortality in older individuals. Eur J Endocri-nol 2011; 165: 545–54.7. Collet TH, Gussekloo J, Bauer DC, et al.;Thyroid Studies Collaboration. Subclinical hy-perthyroidism and the risk of coronary heartdisease and mortality. Arch Intern Med 2012;172: 799–809.8. Haddow JE, Palomaki GE, Allan WC, et al.Maternal thyroid deficiency during pregnancyand subsequent neuropsychological develop-ment of the child. N Engl J Med 1999; 341:549–55.9. Lazarus JH, Bestwick JP, Channon S, et al.Antenatal thyroid screening and childhoodcognitive function. N Engl J Med 2012; 366:493–501. Erratum in: N Engl J Med 2012;366: 1650.10. Groot L, Abalovich M, Alexander EK, et al.Management of thyroid dysfunction duringpregnancy and postpartum: an Endocrine So-ciety clinical practice guideline. J Clin Endo-crinol Metab 2012; 97: 2543–65.11. Antonica F, Kasprzyk DF, Opitz R, et al.Generation of functional thyroid from embry-onic stem cells. Nature 2012; 491: 66–71.

PD Dr. med. Joachim FeldkampChefarzt der Klinik für Allgemeine InnereMedizin, Endokrinologie und Diabetologieam Klinikum Bielefeld. Zuvor leitenderOberarzt der Endokrinologie am Klinikumder Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf(Leitung der endokrinologischen Laborato-rien und Vertretung des Klinikdirektors).Habilitation zu einem Thema zur Fas-indu-zierten Apotose bei humanen Thyreozyten.

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