Research Collection
Doctoral Thesis
Der Nachweis härtbarer Kunstharze in Viscosefasern
Author(s): Bernegger, Rolf
Publication Date: 1948
Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000105017
Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted
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ETH Library
DER NACHWEIS
HÄRTBARER KUNSTHARZE
IN VISCOSEFASERN
Von der
Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich
zur Erlangung der Würde
eines Doktors der Technischen Wissenschaften
genehmigte
PROMOTION S ARBEIT
Vorgelegt von
ROLF BERNEGGER
dipl. Ing.-Chemiker
von St.Gallen
Referent : Herr Prof. Dr. H. E. Fierz-David
Korreferent: Herr Prof. Dr. L. Blangey
St.Gallen 1948 Zollikofer & Co., St.Gallen
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Meinen sehr verehrten Lehrern
Herrn Prof. Dr. H. E. Fierz-David
Eidg. Techn. Hochschule, Zurich
und
Herrn Prof. Dr. A. EngelerDirektor der Hauptabteilung C der Eidg. Materialprüfungs- und
Versuchsanstalt, St.Gallen
möchte ich für ihre Hilfe und wertvollen Anregungen
herzlich danken.
Diese Arbeit wurde in den Laboratorien der Eidgenössischen
Materialprüfungs- und Versuchsanstalt, Hauptabteilung C,
in St.Gallen ausgeführt. Für die materielle Unterstützung aus
einer Dotation des Chemie-Syndikates möchte ich an dieser
Stelle ebenfalls meinen verbindlichsten Dank aussprechen.
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INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung 7
Problemstellung 9
Allgemeiner Teil
I. Die Chemie der härtbaren Harze und ihre Anwen¬
dung aufTextilien 9
1. Die Harnstoff-Formaldehyd-Kondensate ....9
a) Die Harzvorkondensate 9
b) Die Gewebeimprägnation 10
c) Der Kondensationsvorgang beim Härteprozeß . 10
2. Die Melamin-Formaldehyd-Kondensate ....12
II. Die Sichtbarmachung der Harzkörper auf Faser und
Gewebe 13
1. Allgemeines 13
2. Erzielung eines Farbkörpers durch Berührung von
Harz mit farblosem Reagens 14
a) Hydrolyse des Harzes; Bildung von Methyl¬aminen 14
b) Die Abspaltung von Formaldehyd aus dem
Endharz 15
c) Die Anfärbung des Harzes 16
d) Der entstehende Farbkörper 16
Experimenteller Teil
I. Überführung des Harzes in einen Farbkörper ...16
1. Allgemeines 16
2. Reaktion mit den sekundären Aminogruppen der
Harzkörper 16
a) Die Liebermannsche Reaktion 16
b) Nitrosoreaktion 17
3. Diazotierung und Kupplung monomerer Melamin-
harzvorkondensate 17
II. Anfärbung mit harzaffinen Farbstoffen 18
1. Allgemeines 18
2. Der Färbevorgang 18
3. Formalisierung und Kunstharzbehandlung ...18
III. Erzeugung eines sichtbaren Niederschlages durch
Kontaktreaktion mit dem Harz 19
1. Reaktionsfolge 19
2. Die Anfärbung melaminharzausgerüsteter Fasern
mit ammoniakalischer Silbernitratlösung ....19
a) Das Reagens 19
b) Die Anfärbung harzimprägnierter Fasern im
Strang 20
c) Die Anfärbung harzimprägnierter Fasern im
Schnitt 21
d) Präparation und Anfärbung mit Silberdiamin. 22
e) Herstellung der Kunstharzlösung 22
f) Einbettung mit Cementit 22
g) Das Schneiden der Präparate 23
h) Das Anfärben 23
i) Die Empfindlichkeit der Reduktionsreaktion.. 24
k) Die Harzlagerung 24
1) Silberreaktion und Harzlagerung 25
m) Reduktionsreaktion und formalisierte Faser. . 25
3. Die Anfärbung harnstoffharzbehandelter Fasern
mit ammoniakalischer Silbernitratlösung .... 26
a) Verhalten der Harnstoffkondensate in Lösung . 26
b) Die Lagerung der Carbamidharze 26
c) Einfluß der Katalysatoren 27
d) Immunisieren einer formalisierten Faser gegen
die ammoniakalische Silbernitratlösung ... 28
e) Kondensationsverlaufin der Harzflotte....
29
f) Wanderungserscheinung des Harzes 32
g) Allgemeines über den Harznachweis 33
IV. Zusammenfassung 33
Literaturzusammenstellung 35
Lebenslauf 36
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Einleitung
Die Erfindung der Kunstseiden auf der Basis
von regenerierter Zellulose hat der Forschungauf textilem Gebiete neue Probleme gestellt. Es
war hauptsächlich die Aufgabe des Ausrüsters,die gewonnenen Kenntnisse zu erweitern und
die Resultate zu verbessern, denn es darf nicht
verschwiegen werden, daß die Zelluloseregene¬rate gegenüber den vegetabilen Fasern vor
allem hinsichtlich Quellung und Knitterungwesentliche qualitative Differenzen aufweisen.
Nach eingehendenUntersuchungenvon Elöd1sind Quellung und Knitterfreiheit eines Ge¬
webes eng miteinander verknüpft und von der
Feinstruktur der Faser abhängig. Sie werden
nach seinen Ausführungen durch den innern
Aufbau der Faser bestimmt. Daß dieser bei¬
spielsweise zwischen Baumwolle und Viscose
merkbare Unterschiede aufweisen muß, gehtdeutlich aus den verschiedenen Entstehungs¬verhältnissen der beiden Faserarten hervor,
ganz abgesehen davon, daß letztere zur Er¬
möglichung des Spinnprozesses eine empfind¬liche Depolymerisation der langen Zellulose¬
ketten durchzumachen hat.
Es ist naheliegend, die ungünstigen Quel-lungs- und Knitterwerte der Viscosekunstseiden
durch Beeinflussung des inneren Faseraufbaues
zu verbessern. Die vorliegende Arbeit bestätigt,daß die Kunstharzausrüstung der Faserproduktetatsächlich einen Eingriff ins Faserinnere dar¬
stellt und dementsprechend auch die Quellungs¬und Knittereigenschaften zu verändern ipi-stande ist.
Vor rund zwanzig Jahren sind zum ersten¬
mal knitterfeste Kunstseidengewebe von Too-
tal Broadhurst & Lee Co. in den Handel ge¬
bracht worden (epp. 291473, 291474; drp.
499818). Das überraschende Moment lag darin,daß ein weiches, schmiegsames Material, wie es
ein Gewebe darstellt, mit einem Harz imprä¬gniert werden kann, ohne daß das Textil-
material den Gewebecharakter verliert.
Fast zur gleichen Zeit nahm die IG. Farben¬
industrie Patente zur Herstellung quellfesterAusrüstungen an Kunstseidengeweben (drpp.535234, 537036, bzw. ep. 278684), wobei der
Quellfesteffekt ebenfalls durch Kunstharzbe¬
handlung erreicht wurde.
Es ist nicht verwunderlich, daß die Effekte der
Ausrüstung von den beiden Firmen verschieden
charakterisiert worden sind: Knitterfreiheit im
einen, Quellfestigkeit im andern Fall. Auf ihre
enge Verknüpfung ist bereits oben hingewiesenworden.
Die Textilindustrie bedient sich heute der
thermoplastischen (Polyvinylharze, Akrylsäure-
polymerisate usw.) wie der härtbaren Harze
(Carbamid-, Melaminharze usw.). Diese bei¬
den Typen unterscheiden sich aber nicht nur in
ihren physikalischen Eigenschaften, sondern
auch in ihrer Anwendung auf Textilien. Die
Thermoplasten werden nur im auspolymerisier-ten Zustand, die härtbaren Harze hingegen im
monomeren Zustand auf die Fasern gebracht,also große Moleküle im ersten, kleine Moleküle
im zweiten Fall. Die Größenverhältnisse der
Faserkapillarhohlräume2 von rund 100 Â und
Makromoleküle der thermoplastischen Massen3
von maximal 15000 Â sind so verschieden, daß
die Riesenmoleküle unmöglich ins Faserinnere
vorstoßen können und deshalb nur Oberflächen¬
filme zu bilden imstande sind. Sie können also
Fasereigenschaften, welche durch die Struktur
des Faserinnern bedingt sind, nicht beeinflussen.
Anders liegen die Verhältnisse bei den härt¬
baren Harzen. Die meisten sind in auskonden¬
siertem Zustande vollständig unlöslich, sei es in
Wasser oder organischen Mitteln, so daß der
Chemiker genötigt ist, den Übergang vom
monomeren Zustand zum Makromolekül, dem
Harz, erst nach der Gewebeimprägnationdurch¬zuführen. Dadurch ist eine für die Textilvered¬
lung viel günstigere Bedingung gegeben :
Die kleinen Harzvorkondensatmoleküle ver¬
mögen sehr wahrscheinlich durch die Kapillar¬räume ins Faserinnere einzudringen. Darnach
müßte die Fertigkondensation im Innern der
Faser stattfinden. Diese Auffassung über die
Harzlagerung äußerte schon Tootal Broad¬
hurst & Lee Co. in seinem Erstlingspatent, ob¬
wohl ein Beweis nicht gegeben werden konnte.
Dafür spricht jedoch eindeutig die Tatsache,daß - im Gegensatz zu den Thermoplasten -
die härtbaren Kunstharze die Fasereigenschaf¬ten weitgehend zu beeinflussen imstande sind,die ihre Abhängigkeit in der Faserfeinstruktur
haben. Diese durch die Struktur gegebenenEigenschaften (Knitterung, Quellung) können
7
also bei Viscose zum Beispiel nur verbessert
werden, wenn das Bestimmungselement dieser
Eigenschaften, also das Faserinnere selbst, ver¬
ändert wird.
Daß die monomeren Produkte bei der Ge¬
webeimprägnierung vollständig in das Faser¬
innere diffundieren, wird fast in jedem Aufsatz
über Kunstharze als selbstverständlich ange¬
nommen. Wie erwähnt, verlangte schon das
Patent von Tootal, daß die Vorkondensation
der Harzausgangskörper nur so weit fortge¬
schritten sein dürfe, daß sie noch in die Hohl¬
räume der Fasern einzudringen vermögen (sieheauch Rath4, Weltzien5).W. Pässler6 (1944) erklärte, daß die Effekte
der Harzbehandlung stark abhängig seien von
der Lagerung des Harzes. Dazu fehlt aber bis
heute jede Prüfungsmöglichkeit. Die Einlage¬
rungen sind sicher ganz verschieden je nach
Dichte, Schwere und Musterung des Gewebes,
je nach Stärke der Zwirnung, kurz gesagt also
von Durchlässigkeit und Diffusion.
Schon Ellis Clayton7 machte imJahre 1932
die wichtige Überlegung, daß die Kenntnis über
die Harzeinlagerung in die Faser sehr viel Auf¬
schluß geben könnte und machte die Anregung,
die Fasern mikroskopisch zu untersuchen, nach¬
dem sie von einem harzaffinen Farbstoff ange¬
färbt worden sind.
Einen Ansatz dazu machte Elöd8, indem er
die Faser nach Anfärben mit Kitonechtblau V
im Mikroskop untersuchte. Ihm genügte aber
die Feststellung, daß die Faser mehr oder weni¬
ger von Kunstharz durchdrungen sei. Einen
analogen Versuch führte Johnstone9 an be¬
handelten Wollfasern aus.
Den wohl wichtigsten Ansatz zu diesem Pro¬
blem machte die Northern New England Section,
deren Versuche unter «The mechanics of zone
control in resin finishing»10 veröffentlicht sind.
Die Faser wurde mit einem Melamin-Formal-
dehyd-Vorkondensat imprägniert, getrocknetund gehärtet. Nach Anfärben mit einem harz¬
affinen Farbstoff (Anthraquinone Blue BN)
zeigte der Faserquerschnitt eine vollständigeFärb- bzw. Harzdurchdringung. Ganz andere
Anfärbungen der Querschnitte sollen jene Fa¬
sern gezeigt haben, welche mit einer alkoholi¬
schen Harzlösung imprägniert worden sind. Es
sollen dabei nur die Randzonen der Fasern an¬
gefärbt worden sein, wobei auf die analoge
Lagerung des Harzes geschlossen wurde. Die
beiden verschieden imprägnierten Gewebe wur¬
den dann auf alle erdenklichen Eigenschaften
geprüft und diese zu den entsprechenden mikro¬
skopischen Feststellungen in Beziehung gesetzt.
Diese Resultate konnten leider durch eigeneVersuche nicht bestätigt werden. Die Appli¬kation mit alkoholischen Harzlösungen ergabimmer das gleiche Querschnittbild wie bei nor¬
maler Imprägnation. In beiden Fällen war der
ganze Querschnitt der Viscosefaser angefärbt.Auf ganz anderem Wege versuchte Powers11
die Frage der Kunstharzeinlagerung zu lösen.
Er zerschlug die Fasern in einem Rotor sehr
hoher Tourenzahl in feinste Splitter und photo-
graphierte diese «Faserdispersion» bei zehn¬
tausendfacher Vergrößerung unter dem Elektro¬
nenmikroskop. Dabei machte er folgende Fest¬
stellungen :
1. Die rohe Faser läßt sich in feinste Teile zer¬
reißen.
2. Die mit einem härtbaren Kunstharz behan¬
delte Faser ergibt bei gleicher Rotorbehand¬
lung nur viel größere Splitterstücke.3. Die mit einem Thermoplasten behandelte
Faser zeigt kleine wie auch große Bruchstücke.
Daraus zog Powers folgende Schlüsse:
Im Falle 2 konnte die Faser nicht in die
kleinsten Teile zerlegt werden wie bei 1. Sie
mußte also durch irgend etwas zusammenge¬
halten worden sein. Dieser Zusammenhalt war
aber nur durch das Harz selbst möglich. Also
mußte es unbedingt in die Faser hineingewan¬dert sein.
Fall 3 zeigt die Merkmale von 1 und 2. Die
Faser war nicht harzdurchdrungen, weil sie sich
in kleinste Stücke zerreißen ließ. Dem Harz
blieb also kein anderer Lagerungsort übrig als
nur die Faseroberfläche. Es stellt im Bild die
großen Splitterstücke dar.
Erwähnung verdient auch die Arbeit von G.
Landells12, «Dimensiohally Stable Cellulosic
Fabrics». Es wurde der Harzstandort analogschon besprochener Arbeiten durch Anfärben
der imprägnierten Faser mit Säurefarbstoffen
festgestellt. Miss Gordon13 entwickelte dabei
dieAnfärbetechnik. Die einzigen Photographien,die den Harzstandort in der Faser beweisen sol¬
len, sind in dieser Arbeit von Landells ver¬
öffentlicht. Darüber wird im folgenden noch die
Rede sein.
Alle die erwähnten Arbeiten sind sich dar¬
über einig, daß das Harz wirklich im Faser¬
innern verteilt ist. Daß es aber unter Umstän¬
den als Oberflächenfilm die Faser gleichsam
8
umschließen könne, wird nicht gesagt. Und
gerade dies ist wohl der Punkt, welcher dem
Ausrüster so viel zu schaffen macht.
Problemstellung
Die ungelösten Probleme der Knitterfreiaus¬
rüstung können vielleicht beseitigt werden,
wenn über die Topographie des Kunstharzes in
bezug auf die damit imprägnierte Ware völligeKlarheit herrscht. In der vorliegenden Arbeit
soll deshalb eine Methode entwickelt werden,
die eine eindeutige Feststellung der Lagerungder härtbaren Harze in bezug auf die imprä¬
gnierte Faser erlaubt.
Allgemeiner Teil
I. Die Chemie der härtbaren Harze und ihre Anwendungauf Textilien
1. Die Harnstqff-Formaldehyd-Kondensate
Um die im experimentellen Teil beschriebene
Harzerkennungsreaktion zu verstehen, ist es not¬
wendig, vorerst einen Blick auf die Chemie14
der härtbaren Kunstharze zu werfen. Da die
Phenoplaste in der Textilindustrie kaum mehr
Verwendung finden, wird von einer Besprechungdieses Harztypes abgesehen. Heute interessieren
vor allem die Harnstoff- und in steigendemMaße auch die Melamin-Formaldehyd-Harze.Beim Harnstoff handelt es sich bekanntlich
um die klassische organische Substanz. Wöhler
hat mit der Darstellung des Harnstoffes mit
«rohen unorganischen Kräften», wie es damals
hieß, zum erstenmal ein Produkt der organi¬schen Chemie im Laboratorium synthetisch ge¬
wonnen. Die Kunststoffchemie baute dann aus
Harnstoff und Formaldehyd die Carbamid-
harze auf.
a) Die Harzvorkondensate
Die Vorgänge, welche sich bei der Bildung von
Harnstoff-Formaldehyd-Harzen abspielen, sind
äußerst verwickelt. Die Reaktion führt über
niedermolekulare Zwischenstufen hinweg zu
den technisch wichtigen hochmolekularen Kon¬
densationsprodukten. Unter den zahlreichen
Faktoren, welche für die Art der entstehenden
Endprodukte und für ihre Eigenschaften ma߬
gebend sind, dürften die während der Konden¬
sation herrschenden Aziditätsverhältnisse, das
Mengenverhältnis der Reaktionskomponentenund die Reaktionstemperatur von besonderer
Wichtigkeit sein. Sicherlich komplizieren sich
diese Verhältnisse, wenn der Kondensations¬
vorgang sich wirklich im Faserinnern abspielensollte. Die Oberfläche, die das Faserinnere den
Reaktionsteilnehmern darbietet, ist - ver¬
glichen mit dem erfüllten Raum — außerordent¬
lich groß. Diese Oberfläche wird deshalb auch
ihre Auswirkungen auf den Reaktionsvorganghaben. Alle Einflüsse zu erfassen und in ihrer
ursächlichen Bedeutung festzulegen, ist bis heute
noch kaum möglich. Vor allem sind es die
höheren Kondensationsstufen, bei denen die
Schwierigkeiten, die beim Arbeiten mit hoch¬
molekularen Stoffen allgemein angetroffen wer¬
den, naturgemäß besonders bemerkbar werden
und das Studium der obwaltenden Verhältnisse
behindern. Um so wichtiger ist die Kenntnis
der ersten Kondensationsstufen, die Schlüsse
auf den Chemismus der eigentlichen Harz¬
bildung zulassen.
Sicher ist, daß unabhängig von der Art der
Reaktionsführung stets die Methylolharnstoffeals Primärprodukte auftreten. Diese besitzen
dann auch so hohe Funktionalität, daß bei
ihrer Kondensation direkt zwangsläufig «An¬
fangs-, Zwischen- und Endharze» erwartet wer¬
den können (vgl. die verschiedenen Phasen der.
Melamin-Formaldehyd-Kondensation15).Die Methylolharnstoffe können als gewöhn¬
liche Anlagerungsprodukte zwischen Form¬
aldehyd und Harnstoff betrachtet werden:
NH2 + HCHO NH-CH2OHI pH ICO CO
| 8-8,5 ]NH2 NH2
Monomethylolharnstoff
NH2 + HCHO NH-CH2OH
NH2 + HCHO NH-CH2OH
Dimethylolharnstoff
Sie sind zuerst von H. Hamburger und A.
Einhorn beschrieben worden16 und können-
chemisch rein hergestellt werden.
Die Kondensation dieser Methylolharnstoffe
geht immer unter beträchtlicher Formaldehyd¬
abgabe vor sich. Es ist deshalb nicht zweck¬
mäßig, auf 1 Mol Harnstoff 2 Mole Formalde¬
hyd zu verwenden. Der Praxis genügt ein
Mischungsverhältnis von Harnstoff: Formalde-
9
hyd = 1 : 1,6. Diese Lösung dient direkt der
Gewebeimprägnation, nachdem saure Konden¬
sationskatalysatoren zugesetzt worden sind.
Durch diese Arbeitsweise wird das Harz im
Trocken- und Härteprozeß direkt aus den im¬
prägnierten Ausgangskörpern auf der Faser
selbst aufgebaut.
b) Die Gewebeimprägnation
Der Ausrüster zieht im allgemeinen eine Ge¬
webeimprägnation mit den sogenannten Harz¬
vorkondensaten vor. Die EinzelkomponentenHarnstoff und Formaldehyd werden im alkali¬
schen Bereich zwischen pH 8-8,5 zu den oben¬
erwähnten Methylolkörpern umgesetzt. Die
Reaktion ist exotherm, so daß sie nach ihrem
Einsetzen ohne fremde Wärmezufuhr von selbst
weitergeht. Nach dem Abkühlen der Lösungauf Normaltemperatur wird die nun fertige
Imprägnierflotte mit sauren Katalysatoren auf
einen pH von 4,5-5 eingestellt. Eine beträcht¬
liche Vereinfachung des Prozesses bieten die
käuflichen Harzvorkondensate. Diese pulver-förmigen Methylolharnstoffe sind sehr leicht in
Wasser löslich. Nach Zugabe der Katalysatorenkönnen die Gewebe direkt imprägniert werden.
Abquetscheffekte der Ware auf 100 % sind üb¬
lich. Bezüglich der Menge des aufgebrachtenHarzes gibt es für jede Ware ein Optimum, ab¬
hängig in erster Linie von der Zellulosequalität,der Schwere, Dichte und Musterung des Ge¬
webes und nicht zuletzt von dem beabsichtigten
Verwendungszweck der ausgerüsteten Ware.
Eine Übersättigung der Faser an Kunstharz
wirkt in jedem Falle schädlich.
H. D. Powers hat den Konzentrationseffekt
gefunden17. Jede Faser und jedes Gewebe
scheint einen Sättigungspunkt oder eine Grenz¬
konzentration an aufgenommenem Harz zu
haben, bei der maximale Effekte erzielt werden.
Mecheels18 machte diesbezüglich ähnliche
Feststellungen.Die Trocknung des imprägnierten Materials
soll ohne große Spannung bei mäßiger Tempe¬ratur erfolgen, bei etwa 70-80° C. Höhere
Trocknungstemperaturen sind nicht ratsam,
weil dadurch eine allzu schnelle Verdampfungdes Wassers auf der Faseroberfläche stattfindet.
Die Harzlösung konzentriert sich dabei sehr
rasch, so daß die im Innern eines Faserbündels
vorhandene verdünntere Lösung notgedrungenan die Verdampfungsfläche zu wandern be¬
ginnt. Im experimentellen Teil wird noch näher
auf diese Wanderungserscheinungeneinzugehensein. Eine ganz analoge Erscheinung kann bei
zu langsamem Trocknen, also bei zu niedriger
Temperatur eintreten. Die Gewebe werden
fleckig und unansehnlich dadurch, daß die nied¬
rig molekularen Harze auf der Oberfläche aus¬
kristallisieren. Die Trocknungstemperaturen
vermögen die Harze wohl bis zur Unlöslichkeit
zu kondensieren (es entweicht viel Formalde¬
hyd), waschbeständige Kunstharzeffekte ent¬
stehen jedoch erst nach Härtung des Harzes bei
Temperaturen von 120 bis 140°C während 5 bis
15 Minuten. Unvollständig auskondensierte
Harze haben die Tendenz, bei weiterer Wärme¬
behandlung merkbare Mengen an Formalde¬
hyd abzuspalten. Ein Harz hingegen, welches
sich schon in seinem Endzustand befindet, spal¬tet auch bei erhöhter Temperatur keine geruch¬lich merkbaren Mengen Formaldehyd mehr ab.
c) Der Kondensationsvorgang beim Harteprozeß
Die Weiterkondensation der Methylolharn¬stoffe ist von vielen Seiten sehr eingehend stu¬
diert worden. Die Reaktionsmechanismen schei¬
nen jedoch außerordentlich kompliziert zu sein,
so daß die Erforschung der bereits fortgeschrit¬teneren Kondensate auf große Schwierigkeitenstößt. Die Isolierung beständiger Methylolharn¬stoffe ist nur bei einer Arbeitsweise im schwach
alkalischen Bereich möglich. Für den Reak¬
tionsablauf in wässerigen Lösungen sind die
Komponentenverhältnisse und der pH der Re¬
aktionsgemische wesentlich. E. Bois de Chesne
hat diese Verhältnisse eingehend studiert. Nach
seiner Zusammenstellung19 der Resultate ent¬
stehen bei Wasserstoff-Ionenkonzentrationen
größer als sieben Methylolkörper, während bei
solchen kleiner als zwei Methylenharnstoffe ge¬
bildet werden. Man glaubt jedoch, daß auch im
stark sauren Bereich als Primärprodukte die
Methylolharnstoffe auftreten, diese aber unter
sofortiger Wasserabgabe in die unter dem
Sammelbegriff Methylenharnstoffe bekannten
Verbindungen übergehen :
NH- CH2OH N = Cr
/
-* CO
\
1CO
i
sauer
pH<2
NH2 NH2+ H20
NH--CH2OH N=CH
/-* CO
\
1CO
1
sauer
pH<2NH--CH2OH N= CH.
+ 2H20
10
Die Existenz dieser monomeren Verbindungenist jedoch nicht mit Sicherheit erbracht. Ihre
Polymerisation ließe die kompliziertesten Mole¬
küle zu, von der eindimensionalen Kette, Rin¬
gen verschiedenster Größe bis zum dreidimen¬
sionalen Riesenmolekül. Die Unterteilung in
eine Dehydratationsphase und eine Polymeri-.sationsphase scheint außerordentlich fraglich zu
sein. Die Harzbildung darf sehr wahrscheinlich
als verkettete Polykondensation aufgefaßt wer¬
den, die natürlich zu den gleichen Endproduk¬ten führen kann.
Zwischenprodukte, wie sie zum erstenmal von
Goldschmidt20, dann auch von Dixon21 be¬
schrieben wurden, sind wahrscheinlich:
CO
/ \NH NH
| 1
HOH.C1
CH2OH/ \
NH
I-CH2-N-CH2OH
i
NH-i
-CH2-N-CH2OHi
1
COi
1
CO1
1
CO1
1
CO1
1
NH1
-CH.-NH1
NH-1
CH2-N-CH,OH+ 2 H20 + HCHO + 2H20
Methylol-Methylenverbindungen
Nach Walter22 ist dieser Körper ein Zwi¬
schenglied der Harzbildung. Die Reaktionsfolgemuß jedoch nicht unbedingt die oben ange¬
gebene sein. Die Methylol-Methylen-Verbin¬dungen können sich ebenso im Sinne der er¬
wähnten Polykondensation aus Methylen- und
Methylol-Harnstoff gebildet haben.
Die Erforschung dieser Vor- und Zwischen¬
kondensationsprodukte läßt ohne weiteres
Schlüsse auf die Konstitution des Endharzes zu,
die jedoch nicht als endgültig hingestellt wer¬
den dürfen. Sicher ist, daß bei der Verharzungdes Dimethylolharnstoffs zu höher molekularen
Produkten das Harz immer sauerstoffärmer
wird und sich in seiner Zusammensetzung der¬
jenigen eines polymeren Dimethylenharnstoffsnähert. (G. Walter, Wien: Die Kondensation
von Harnstoff und Formaldehyd23.)
/CO
N= CH,
XN = CH, X
Eine Ausbildung kettenpolymerer Verbin¬
dungen scheint, aus den physikalischen Eigen¬schaften der Endharze zu schließen, nicht als
wahrscheinlich. Vielmehr bietet diese Poly¬kondensation ein Verzweigen der wachsenden
Moleküle nach allen drei Dimensionen. Diese
räumliche Ausbildung ist deshalb denkbar, weil
an den zusammenkondensierten Methylol-Me-thylen-Harnstoffkomplexen mehrere reaktions¬
fähige Stellen vorhanden sind, so daß die Mög¬lichkeit einer dreidimensionalen Vernetzungdurchaus gegeben ist. Nach Widmer und Frey21
sieht ein Schnitt durch ein derartig gebautesMakromolekül folgendermaßen aus :
-NH-CH2-N-...I ICO CO
I I
...-N-CH2-N-CH2-N-CH2-NHI I
CO CO
I ICH2 HN-CH„-N-CH2-N-...
CH,OH
N-CH2-N Lockerstelle, hydrophil (Baufehler)
CO
I
CO
I
N-CH2-N-CH2-N-CH2-N-...I I
/
CO CO
I I
...-N-CH2-NH
Schnitt durch das räumliche Carbamidharzmolekul
wobei man sich das Gebilde als ein unregel¬mäßig im Räume ausgebreitetes Netzwerk vor¬
zustellen hat. Die Tatsache, daß die Wasser¬
aufnahmefähigkeit der Carbamidharze nie ganzNull wird, berechtigt zur Annahme, daß auch
im stark auskondensierten Harzgerüst noch
hydrophile Atomgruppierungen Vorhandensein
müssen. Die Harnstoff-Formaldehyd-Konden¬sate zeigen kein Röntgendiagramm. Wir haben
es mit einer durchwegs amorphen Substanz zu
tun; die einzelnen Komponenten liegen nicht
geordnet im Verband des Makromoleküls vor.
Der Zusammentritt der aufbauenden Vorkon¬
densate ist also unregelmäßig und der Fall mög¬
lich, daß eine noch reaktionsfähige Methylol-gruppe an einen toten Punkt zu liegen kommt,wo kein entsprechender Reaktionspartner vor¬
handen ist. Diese Methylolgruppen bleiben
während dem Härtevorgang erhalten und bil¬
den sogenannte Lockerstellen oder Baufehler
im Gerüst des Harzes. Ihre Existenz ist weiter
dadurch bewiesen, daß sie bei noch nicht allzu¬
stark gehärteten Harzen veräthert werden kön¬
nen zur Herstellung alkohollöslicher Lacke.
Vielleicht bieten gerade diese noch reaktions¬
fähigen Lockerstellen eine Möglichkeit, durch
irgendeine Umsetzung den Harzkörper in der
Textilfaser sichtbar zu machen. Es wird nach¬
her noch daraufeinzutreten sein.
11
2. Die Melamin-Formaldehyd-Kondensate
Die überraschenden Resultate der Carbamid-
harze veranlaßte die Forschung, durch Varia¬
tion der beiden Ausgangskomponenten, nach
neuen, analogen Harztypen zu suchen. Zu einer
erheblichen Bedeutung sind in der letzten Zeit
Kondensationskunststoffe aus Melamin und
Formaldehyd gelangt. Melamin ist das Tri-
amid der Zyanursäure,NHNH2
IC
// \N N *-
I IIH„N-C C-NH,
\ /N
Melamin
C
/ \^
HN NH
I I
HN=C C=NH
\ /N
H
Isoform des Melamins
das 2, 4, 6-Triamino-l, 3, 5-triazin.
Die Geschichte des Melamins ist merkwür¬
digerweise ganz ähnlich derjenigen des Harn¬
stoffes. Es ist 1834 von Liebig25 entdeckt und
beschrieben worden. Dann blieb es bis in die
neuere Zeit ein unbeachtetes, sehr seltenes Pro¬
dukt, bis dann seine Eigenschaften für Pre߬
massen, Lacke und als Kunstharz zur Vered¬
lung von Textilien erkannt wurden. Seine aus¬
gedehnte Verwendung wurde selbstverständlich
erst möglich - genau wie beim Harnstoff- nach¬
dem ein großtechnisches Herstellungsverfahren
gefunden worden war.
Melamin selbst ist in kaltem Wasser nurwenig
löslich (1 : 300). Seine Löslichkeit in heißem
Wasser ist lOmal größer. Beim Abkühlen kri¬
stallisiert es in farblosen, monoklinen Prismen
aus, die bei 354° C unter Sublimation und Zer¬
setzung schmelzen15. Ganz in Analogie zum
Harnstofflassen sich beim Melamin die Wasser¬
stoffatome der Aminogruppen durch Formalde¬
hyd ersetzen. Dem Dimethylolharnstoff ent¬
spricht das Trimethylolmelamin, das jedoch
unbeständig ist und keinen scharfen Schmelz¬
punkt zeigt. Im Gegensatz zum Harnstoff kann
beim MelaminjedesWasserstoffatom derAmino¬
gruppen durch Formaldehyd ersetzt werden,
so daß das am stabilsten und am leichtesten zu
isolierende Hexamethylolmelamin gewonnen
werden kann.
//N
I
HOH2C-HN-C
NH-CH2OHI
,C.
N
\C-NH-CH2OH Trimethylolmelamin
N
HOH2C CH2OH\ /N
IG
// \HOH2C
N N CH2OH\ I II /N-C C-N Hexamethylolmelamin
/ \ / \- HOH2C N CH2OH
Das in Wasser schwer lösliche Melamin löst
sich in kalten, wässerigen Formaldehydlösungen
langsam unter Bildung der obigen Körper auf.
Nach kurzem Erwärmen geht die Reaktion
unter Wärmeentwicklung sehr heftig vor sich.
Die Methylolmelamine sind außerordentlich
empfindlich und gehen im sauren Bereich sehr
leicht unter Wasser und Formaldehydabspal¬
tung in Harze über. Das Endharz wird erst er¬
reicht nach Durchschreiten verschiedener Zwi¬
schenstufen, wie sie schon bei den Harnstoff-
Formaldehyd-Kondensaten erwähnt wurden.
Über die Konstitution der Endharze haben sich
vor allem A. Gams, G. Widmer, W. Fisch15 und
R. Köhler26 ausgesprochen.Bei den Melaminharzvorkondensaten finden
sich drei reaktionsfähige Stellen im Molekül.
Die Verkettungsmöglichkeiten sind dement¬
sprechend viel größer als bei den Carbamid-
harzen. Eine lineare Kondensation kommt nicht
in Frage. Sehr wahrscheinlich liegt nach der
Härtung ein großes, dreidimensionales Mole¬
kül vor, in dem die Materie nach allen Rich¬
tungen hauptvalenzmäßig miteinander verbun¬
den ist.
Während bei den ausgehärteten Carbamid-
harzen eine Äthergruppierung
-HN-CO-NH-CH2Q|H+OH|H2C-NH-CO-NH *
-HN-CO-HN-CH2-0-CH2-NH-CO-HN-+2H20Äthergruppe
in der einschlägigen Literatur gar nicht in Er¬
wägung gezogen wird, glauben Gams, Widmer,
Fisch und Köhler bei der Bildung der Mel-
aminharze weitgehend an solche Sauerstoff¬
brücken zwischen den einzelnen Triamino-
triazinresten. Da aber eine gewisse Formalde¬
hydabspaltung während der Harzhärtung im¬
merhin eintritt, müssen auch Methylenbrücken
unbedingt vorhanden sein, die auf sehr ver¬
schiedenen Reaktionswegen entstanden sein
können (siehe weiter hinten). Ein Querschnittdurch die Materie eines Melamin-Formaldehyd-
Harzes, wie er von W. Pässler27 dargestellt
wurde, scheint, aus den Arbeiten obiger Autoren
zu schließen, als sehr wahrscheinlich.
12
-NHN N=^C—NH-
\ ^C —NH—CH»-NH\ / N
\,N
\NH
N C
CH2
CH2
./
V"'
0 CH2
NH
I
NH
NH
CH2-~NH-
\
C N NH
I \
N I I 1 NH\/ \ /NH J, I CH2.
NH—C (T N. N
NHI
CH2
NH
NH-
Nv/
NH
CH2
./
N NH
/ \ /C (T
c' NH-
CH2/
CH2
\
CH2
NH
\
N
\ C—NH—
VNH
/CH2
/
/CH2
/NH
CH2- "NH c/ \.
Melaminharzquerschnitt
%C— NH—
Selbstverständlich besteht auch hier die Mög¬lichkeit der Bildung von Lockerstellen, wie sie
bei den Carbamidharzen erwähnt wurden.
II. Die Sichtbarmachung der Harzkörper auf Faser
und Gewebe
1. Allgemeines
Die Eigenschaften eines harzimprägnierten Ge¬
webes variieren verhältnismäßig stark bei Nicht¬
einhaltung optimaler Arbeitsbedingungen. Bei¬
spielsweise vermag zu langsames, wie auch zu
schnelles Trocknen der imprägnierten Ware
diese in Griff und Aussehen zu verändern. Man
glaubt, diese Erscheinung mit dem Wandern
der Harzlösung auf dem Gewebe erklären zu
können. Verschiedene Arbeiten, auf die noch
eingegangen werden soll, haben diese Ansicht
bestätigt. Mit ganz extremen Bedingungen ge¬
trocknete imprägnierte Gewebe zeigten nach
Anfärbung mit harzaffinen Farbstoffen, daß die
Gewebestücke an jenen Stellen am farbkräf¬
tigsten waren, an denen die Wasserverdampfungam spontansten stattgefunden hatte. Ist nach
diesem Vorgang die Einzelfaser noch harz¬
durchdrungen, oder liegt es als Oberflächen¬
film um die Faser? Eine Methode, die den
Harzstandort richtig anzeigt, muß auch diese
Erscheinung zu erfassen imstande sein, und
zwar auch in Fällen, wo das Harz aufdem gan¬
zen Gewebestück homogen verteilt ist in bezugauf Faser oder Faserbündel jedoch eine Stand¬
ortveränderung durchgemacht hat.
Die Aufgabe der vorliegenden Arbeit besteht
also nicht nur darin, zu beweisen, daß eine
Harzlösung in das Faserinnere zu wandern ver¬
mag, sondern das Harz an seinem jeweiligenStandort sicher erkennen zu können. Dazu ist
nicht nur eine Harzerkennungsreaktion not¬
wendig, sondern auch eine präparative Methode,die letztere Bedingung erfüllt.
Die Autoren der bis heute vorliegenden Ar¬
beiten glauben, die Diffusionsfähigkeit der Harz¬
teilchen ins Faserinnere bewiesen zu haben.
13
Ihre Methoden arbeiteten fast durchwegs mit
harzaffinen und zellulosereservierenden Farb¬
stoffen. Andere Methoden schlössen aus physi¬kalischen Messungen an imprägnierten Fasern
auf den Standort des Harzes.
Die Sichtbarmachung des Harzes kann prin¬
zipiell auf drei verschiedenen Wegen erfolgen :
1. Das Harz wird selbst zu einem Farbkörper
umgewandelt.2. Die Faser wird mit einem Farbstoff behan¬
delt, der die Eigenschaft hat, sich nur an
Stellen von Harzablagerungen abzuscheiden.
3. Die Fasern werden mit einem farblosen Rea¬
gens behandelt, das nach Berührung mit dem
Harzkörper an der Berührungsstelle farbigwird oder eine sichtbare Ablagerung erzeugt.
Harz und Reagens müßten also in irgend¬einer Beziehung zueinander stehen.
Auf die Punkte 1 und 2 wird im experimen¬tellen Teil näher eingegangen.
2. Erzielung eines Farbkörpers durch Berührung von
Harz mitfarblosem Reagens (Kontaktreaktion)
Die Bestimmung der Harzlagerung durch eine
Kontaktreaktion wäre sehr wünschenswert. Die
Reaktion müßte aber mindestens die Bedingung
erfüllen, daß sie topochemisch verläuft, das
heißt, daß genau dort ein farbiger Körper ab¬
gelagert wird, wo das Harzteilchen mit dem
Reagens in Kontakt tritt. Das Harz darf also
zum mindesten keine Fernwirkung auf das
Reagens ausüben. Anderseits muß der ausge¬
schiedene Farbkörper nach seiner Entstehung
festsitzen; wäre er noch einer Wanderung unter¬
worfen, so würde die Reaktion den erstrebten
Effekt nicht erreichen.
a) Hydrolyse des Harzes; Bildung von Methylaminen
Harnstoff, bzw. Melamin und Formaldehydscheinen sich nach der Härtung vollständig ab¬
reagiert zu haben. Das Endharz ist reaktions¬
träge, gleichsam reaktionslos geworden. Die
einzige mögliche Umsetzung besteht in der
Hydrolyse, also der Zersetzung des Endkörpersdurch Einfluß von Säure. Diese Degenerationzu den monomeren Produkten, welche die Auf¬
lösung des Harzes bedeutet, geht aber unter
Umständen sehr schnell vor sich, so daß die
oben gestellten Bedingungen der Kontakt¬
reaktion kaum erfüllt würden.
Nun hat aber das Kondensat die Eigenschaft,bei Lagerung an feuchter Luft zu hydrolysieren.Es tritt ein Zerfall ein, der allerdings ohne frem¬
den Eingriff außerordentlich langsam vor sich
geht. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, die
auftretenden Zerfallsprodukte sofort abzufan¬
gen und durch eine momentane Reaktion in
einen Farbkörper überzuführen. Zur Auffin¬
dung einer geeigneten Reaktion ist jedoch die
Kenntnis der auftretenden Hydrolyseprodukteunbedingt notwendig :
Damit hat sich H. Rath32 in einer Arbeit
«Über die Möglichkeit der Bildung von Methyl¬aminen bei der Kunstharzausrüstung» ein¬
gehend befaßt. Seine Beobachtungen sind die
folgenden: Es kann gelegentlich vorkommen,daß der mit Kunstharz ausgerüsteten Ware ein
widerwärtiger Geruch nach Heringslake hart¬
näckig anhaftet. Dieser Geruch ist auf das Vor¬
handensein von Methylaminen, und zwar
namentlich von Trimethylamin zurückzufüh¬
ren, dessen Bildung aus Ammoniak und Form¬
aldehyd zustande kommt :
2 NH3 + 9 HCHO > 2 N(CH3)a (Trimethylamin)
+ 3 H20 + 3 C02
Das Vorhandensein von freiem Ammoniak ist
oft „dadurch gegeben, daß dieser den Harz¬
vorkondensaten zur Stabilisierung der Lösungen
zugefügt wird. Des weiteren besteht die Mög¬lichkeit der Bildung von Ammoniak beim Er¬
hitzen von Harnstoff in saurem Medium (Kon¬densation zum Harz) dadurch, daß unter diesen
Bedingungen Harnstoff unter Bildung von
Kohlensäure und Ammoniak nach folgendemSchema verseift wird :
NH2/
0 = C OHH C02 + 2NH3
\NH3
wobei zu berücksichtigen ist, daß bei der Ver¬
seifung zunächst Umwandlung in Ammonium-
cyanat eintritt.
Bei der technisch üblichen Verwendung von
Ammoniumsalzen entstehen zudem bei Gegen¬wart von Formaldehyd direkt die Salze der
Stickstoffbasen :
2NH4C1+9CH20 *2N(CH3)3- HCI+3C02 + 3 H20,
welche an und für sich nicht übel riechen, die
aber beim Eintreten der geringsten alkalischen
Reaktion in Freiheit gesetzt werden.
Zur Verhinderung des üblen Geruches kunst¬
harzbehandelter Ware wird meist eine relativ
kräftige Sodawäsche durchgeführt. Dadurch
werden die schwachen Stickstoffbasen zerstört
und bei bleibender alkalischer Reaktion der
14
Gewebe an der weiteren Entstehung gehindert.Das wiederholte Auftreten der üblen Geruchs¬
bildner kann durch mehrere Wäschen jedochkaum aufgehalten werden, wenn der pH der
Ware jeweilen ganz schwach sauer bleibt (pH6-7). Da durch die Waschungen die freien
Ammoniak- und Formaldehydmengen entfernt
werden, Methylamine aber immer wieder auf¬
treten, so scheint die Annahme berechtigt, daß
diese Basenbildner fortwährend durch lang¬samen Harzzerfall sich neu bilden.
Der hydrolytisch frei werdende Ammoniak
ist zur Heranziehung einer Farbreaktion un¬
geeignet. Hingegen hat Formaldehyd kräftigesReduktionsvermögen, so daß er allenfalls sofort
nach seiner Freisetzung aus dem Harz durch
eine Fällungsreaktion den Harzstandort anzu¬
zeigen vermag. Der örtliche Harznachweis, auf
einer solchen Fällungsreaktion beruhend, kann
nur dann richtig sein, wenn folgende Bedin¬
gungen erfüllt sind :
A. Der Nachweis darf nicht durch solchen
Formaldehyd gestört werden, der absorptivin der Faser festgehalten wird.
B. Der durch Hydrolyse abgespaltene Form¬
aldehyd muß sofort nach seiner Freisetzungdie Fällungsreaktion eingehen; würde diese
erst nach einer Wanderung des Formalde¬
hydes eintreten, so wäre die Lagerung des
Harzes nicht richtig fixiert.
Auf diese Punkte wird der experimentelleTeil noch näher eingehen.
b) Die Abspaltung von Formaldehyd aus dem Endharz
Die Beobachtung zeigt, daß das gehärtete Pro¬
dukt aus Harnstoff-, bzw. Melamin-Formalde-
hyd, wenn auch nur in geringen Mengen, so
doch laufend Formaldehyd abzuspalten ver¬
mag. Die aufgestellten Konstitutionsformeln der
Endharze müßten also die auftretende Hydro¬lyse erklären können. Im Falle des Melamin-
harzes sind sich die Autoren darüber einig, daß
die einzelnen Triazinreste mehrheitlich durch
Ätherbrücken miteinander verbunden sind :
H R
\ /N-CH2OH + HOH2C-N
/ \R H
H R
\ /N-CH,-0-CH,-N -i- H,0
/ \R H
wobei R ein Diamino-Triazinrest bedeutet.
Nach Köhler (loc. cit.) ist ebenfalls eine be¬
trächtliche Bildung von Methylenbrücken wäh¬
rend der Kondensation möglich, die nach Auf¬
zeichnungen von Gams, Widmer und Fisch
nach folgendem Schema entstehen müßten:
H RH R
/N-CH2OH + H-N
R
H\
/R
/N-CH2-N +H20
H R
R H
/ \N-CH2-0-CH2-N — N-CH2-N
H R
H (I)
R
+ CH20
"H (2)
Nach Reaktion (2) ist auch das Endharz zu
einer Formaldehydabspaltung fähig. Eingehen¬de Versuche zeigten, daß diese jedoch abnimmt,je höher die Kondensationstemperatur getrie¬ben und je länger die Härtung ausgeführt wird.
Interessanterweise ist das Verhalten der Car-
bamidharze ganz entsprechend denjenigen aus
Melamin, obwohl die Möglichkeit der Äther¬
brückenbildung zwischen den einzelnen Harn¬
stoffresten in der Literatur kaum Erwähnungfindet. Nach dem bisherigen Stand der Konsti¬
tutionsaufklärung wäre eine Formaldehyd¬abspaltung nur aus den noch freien Methylol¬gruppen, den Lockerstellen möglich unter Rück¬
bildung einer gewöhnlichen Aminogruppe:
CH2o
(3)
-NH-CO-NH-CH2OH -* -NH-CO-NH»
Lockerstelle
Das Eintreten dieser Reaktion scheint aber aus
dem gleichen Verhalten der beiden Harztypennicht die einzig mögliche zu sein. Die Formalde¬
hydabspaltung ist bei der Härtung der Carb-
amidharze bedeutend größer als bei den Mel-
aminprodukten. Es darf daher sicher mit Recht
angenommen werden, daß bei den ersteren die
Methylenbrückenbildung vorherrscht, nicht
aber, daß sie die allein mögliche ist. Es ist un¬
richtig, bei quantitativen Harzanalysen, wie sie
in der Literatur erwähnt werden, den über¬
schüssigen Sauerstoff nur den Methylolgruppenzuzuteilen, denn diese können elementarana¬
lytisch von Äthergruppierungen nicht unter¬
schieden werden; sie haben die gleiche Zu¬
sammensetzung :
NH-CO-NH-CH2-0-CH2-NH-CO-NH o-
I I
NH-CO-NH-CH2-NH-CO-N-CH2OHI I
Selbstverständlich beweist dieser Gedanken¬
gang nicht das Vorhandensein von Sauerstoff¬
brücken in den Carbamidharzen. Die Form¬
aldehydabspaltung aus solchen Gruppierungen
15
ist aber durchaus anzunehmen, entsprechenddem analogen Verhalten zu den Melaminpro-
dukten.
c) Die Anfärbung des Harzes
Das gute Reaktionsvermögen von Formaldehyd
gibt nun die Möglichkeit der Harzsichtbar¬
machung. Die unter A. und B. im vorigen Ab¬
schnitt gestellten Bedingungen müssen jedoch
erfüllt sein.
d) Der entstehende Farbkörper
Er muß in unlöslicher Form sofort abgelagert
werden. Ein wasserlöslicher Farbstoff ohne
Affinität zum Harz würde sich schnell verteilen
und ebenfalls ein Trugbild geben. All diese
Forderungen erfüllen nur ganz wenige Form¬
aldehydreaktionen, so daß die Auswahl gering
ist. In Frage kommen vor allem Reduktionen
von empfindlichen Salzen zum freien Metall,
wie zum Beispiel die Reduktion alkalischer
Auratlösungen zu metallischem Gold und Aus¬
fällung von Silber oder Kupfer aus entsprechen¬den ammoniakalischen Salzlösungen. Eine
außerordentliche Empfindlichkeit auf Form¬
aldehyd zeigt vor allem die ToLLENsche Silber¬
lösung33. Sie spricht schon bei sehr hohen Ver¬
dünnungen des Reduktionsmittels an.
Nach Aussagen von O. Loew und Th.
Bokorny34 soll schon L'iebig die ammoniak¬
alkalische Silberlösung als Reagens auf Alde¬
hyde erwähnt haben. Die außerordentliche
Reaktionsfähigkeit der mit Alkali versetzten
ammoniakalischen Silbersalzlösung hat Tollen
endgültig erkannt und beschrieben. Er schreibt:
«Ein Überschuß von Ammoniak ist außer¬
ordentlich schädlich für die Empfindlichkeit der
Reaktion, fördernd wirkt jedoch freies Alkali.»
Nach seinen Ausführungen35 bildet sich beim
Lagern der Silberlösung das hochexplosive
Berthollets Knallsilber, so daß er empfiehlt, die
Lösung jeweilen erst vor dem Gebrauch herzu¬
stellen: 1 Teil AgN03 in 10 Teilen Wasser mit
1 Teil Ätznatron in 10 Teilen Wasser gut
mischen und Ammoniak tropfenweise zusetzen,
bis das Silberoxyd gelöst ist.
Da die Reaktion an den alkalischen />H-
Bereich gebunden ist, muß Alkali unbedingt im
Überschuß vorhanden sein, um die entstandene
starke Salpetersäure wirkungslos zu machen.
2 AgN03 + 4NH3 * 2 Ag(NH3)2N03 >_
+ CH20 + 5 H20
*
2Ag + 2HNQ3
+ 4NH4OH + HCOOH
Experimenteller Teil
Die vorliegende Arbeit soll nicht nur eine theo¬
retische Aufklärung über den Harzstandort in
der Faser geben, die Methode soll möglichst be¬
triebsmäßig und die entsprechenden Unter¬
suchungen auch an Geweben, welche im Be¬
trieb ausgerüstet wurden, ausführbar sein. Aus
diesem Grunde wurden die Kunstfasern nicht
mit chemisch reinen Laboratoriumsprodukten
imprägniert, sondern mit technischen, käuf¬
lichen Harzvorkondensaten auf der Basis von
Harnstoff und Melamin.
/. Überführung des Harzes in einen Farbkörper
1. Allgemeines
Bis vor wenigen Jahren nahmen die Harnstoff-
Formaldehyd-Harze unter den härtbaren Pro¬
dukten eine Monopolstellung in der Ausrüstung
von Textilien ein. Wohl wurden die verschie¬
densten Patente genommen, in denen Harnstoff
durch andere Komponenten ersetzt war. Di-
cyandiamid-, Guanidin-, Anilinharze usw. konn¬
ten sich auf dem Markt aber nicht halten. Die
damit erzielten Effekte aufKunstseidengeweben
entsprachen nicht den Erwartungen. Erst mit
den Melamin-Formaldehyd-Kondensaten wur¬
de dem Ausrüster ein Produkt gegeben, welches
allgemeine Anwendungsmöglichkeiten gestat¬
tete und befriedigende Resultate lieferte. Wohl
erreichen sie nicht die extremen Knitterfrei¬
effekte wie die Carbamidharze, ihre dem Faser¬
material verleihenden Eigenschaften sind aber
viel ausgeglichener und beständiger. Variatio¬
nen am Ausgangskörper, dem Triaminotriazin
selbst, gestatten zudem eine große Erweiterung
des Anwendungsgebietes. Schon heute werden
die verschiedensten Äther der Methylolmel-
amine erfolgreich zum Entschrumpfen und Filz¬
freimachen von Wolle verwendet.
Die zu entwickelnde Methode zur Sichtbar¬
machung des Harzes soll für alle mit Formalde¬
hyd härtbaren Produkte gültig sein.
2. Reaktion mit den sekundären Aminogruppen der
Harzkörper
a) Die Liebermannsche Reaktion
Die Reaktion zwischen Formaldehyd und den
Aminokomponenten mit anschließender Kon¬
densation lassen im Endharz sekundäre Amino¬
gruppen vermuten. Es sind dies die einzigen
Atomgruppierungen, die die Überführung in
16
eine Farbkomponente gestatten. Wie bereits er¬
wähnt, sind aber alle ansprechenden Reaktio¬
nen viel zu kräftig, als daß das Zellulosegerüstder Kunstfaser dabei erhalten bliebe. Immer¬
hin bestätigt die Liebermannsche Reaktion28,
ausgeführt an gehärteten Harzen in Substanz,
das Vorhandensein von sekundären Amino-
gruppen:
Fein pulverisiertes und bei 150° C gehärtetesMelaminharz wurde 10 Minuten in der Kälte
mit salpetriger Säure behandelt zur Überfüh¬
rung der sekundären Aminogruppen in die ent¬
sprechenden Nitrosoverbindungen. Das Pulver
färbte sich leicht gelb. Es wurde durch Spülenmit Wasser und Sulfaminsäure von der salpe¬
trigen Säure vollständig befreit und unter dem
Mikroskop mit konzentrierter Schwefelsäure
und etwas Phenol versetzt. Vor allem die Spitzenund Kanten der amorphen Harzteilchen nah¬
men sofort eine rotblaue Färbung an, lösten sich
dann aber infolge hydrolytischer Spaltung durch
die Säure langsam auf. Vorbedingung für die¬
sen Versuch ist die vollständige Befreiung des
Harzpulvers von salpetriger Säure, da diese
allein die Farbreaktion ebenfalls gibt.
b) Nitrosoreaktion
Das Nitrosieren der Harze gibt also bereits eine,
wenn auch für das Auge sehr unempfindliche,schwache Gelbreaktion. Eine normal knitter¬
freiausgerüstete Viscosekunstseidefaser zeigt die¬
ses Gelbwerden nicht. Infolge zu großer Ver¬
dünnung der Harzteilchen im Fasermaterial
bleibt der Effekt vollständig aus. Diese Tat¬
sache spricht eindeutig dafür, daß die Vertei¬
lung eine homogene ist, denn gewisse Harz¬
anreicherungen hätten sicher eine Farbver¬
stärkung am betreffenden Lagerungsort hervor¬
rufen müssen, so daß diese im Mikroskop nach
Einschaltung von Farbfiltern erkannt worden
wären. Allein schon diese Beobachtung deutet
auf eine gleichmäßige Verteilung des Harzes in
der Faser hin.
Im Zusammenhang mit später zu beschrei¬
benden Versuchen wurde eine imprägnierteFaser, welche stark brüchig war und einen
außerordentlich rauhen Griff aufwies, nach
Herstellung von 10 \x dicken Schnitten der eben
erwähnten Salpetrigsäurebehandlung unter¬
worfen. Das mikroskopische Bild entsprach
ganz den Erwartungen. Kleine, schwach gelbeKörnchen lagerten sich rund um den Kunst¬
seidequerschnitt, vor allem aber in den Ein¬
buchtungen des unregelmäßigen Faserumrisses.
Die Methode läßt absolut keinen Zweifel auf¬
kommen. Nur das Harz als alleiniger Stick¬
stoffträger konnte die Gelbfärbung eingegangen
sein; sein Standort wurde dadurch eindeutigfixiert. Auf eine Reproduktion wurde verzich¬
tet, da die Farbunterschiede zwischen Faser und
Harzfilm so minim waren, daß die photo¬
graphische Platte kaum darauf reagiert hätte.
Das mikroskopische Bild entsprach jedoch ziem¬
lich genau der linken unteren Hälfte von Abb. 3,
in welcher der Querschnitt eines Faserbündels
wiedergegeben wird: ein dunkel gefärbterHarz¬
film umgibt die Fasern.
Die Methode der Nitrosierung erreicht das
gewünschte Ziel leider nicht. Wir können im
günstigsten Falle nur aussagen, ob die Faser von
einem Film umgeben ist oder nicht, ob sie aber
gleichzeitig vom Harz durchdrungen ist, läßt
sich nicht entscheiden.
In diesem Zusammenhang sollen noch Ver¬
suche erwähnt werden, die die Melaminharze
allein betreffen. Die Harzfärbung blieb leider
aus,- dafür lassen sich interessante Einblicke in
die Verharzung der monomeren Produkte tun.
3. Diazotierung und Kupplung monomerer Melamin-
harzvorkondensate
Erwärmt man in einem kleinen Becherglaszirka 12 ccm 38%ige Formaldehydlösung
(^3/20 Mol) mit 12,6 g Triaminotriazin (2/20
Mol), so geht letzteres unter Wärmeentwick¬
lung als Methylolmelamin in Lösung. Das Re¬
aktionsprodukt riecht nicht mehr nach Form¬
aldehyd und kristallisiert in der Kälte aus. Es
ist ein Gemisch von Methylolkörpern. Die
freien Aminogruppen lassen sich bei gewöhn¬licher Zimmertemperatur diazotieren. Ein
Überschuß von salpetriger Säure muß jedochvermieden werden (Jodkaliumstärkepapier soll
keine Blaufärbung mehr geben). Wird zu dieser
salzsauren Diazolösung /9-Naphthol unter gutemUmrühren zugegeben, so bildet sich eine tief¬
rote Lösung, welche im alkalischen Bereich auf
Grüngelb wechselt. Der Farbumschlag kann
beliebig wiederholt werden.
Interessanterweise zeigt einKunstfasergewebe,welches mit obigem Vorkondensat imprägniert,getrocknet und gehärtet wurde, die Farbreak¬
tion nicht mehr. Offenbar sind durch den Kon¬
densationsvorgang sämtliche noch freien Amino¬
gruppen gebunden und zur Diazotierung un¬
fähig geworden.
17
//. Anfärbung mit harzaffinen Farbstoffen
Siehe E. Elöd29,30, Northern New England
Section10, G. Landells12, Gordon13.
/. Allgemeines
Alle Veröffentlichungen, die sich mit der Topo¬
graphie der härtbaren Harze in Faser und Ge¬
webe beschäftigen, suchten die Harzsichtbar¬
machung durch Behandlung mit zellulose¬
reservierenden Säurefarbstoffen zu erreichen.
Die stark stickstoffhaltigen Carbamid- und
Melaminharze zeigen leicht basischen Charak¬
ter, so daß diese wie Wolle und Seide mehr oder
weniger Affinität zu diesen Farbstoffen auf¬
weisen. Zellulosehaltige Materialien werden
mit solchen Kunstharzen sogar «animalisiert».
Die bereits erwähnten Arbeiten (Elöd, Nor¬
thern New England Section, Landells) ver¬
treten wohl mit Recht die Auffassung, daß die
Faser harzdurchdrungen sei, die Methode selbst
zeigt aber empfindliche Mängel und tiefer¬
greifende Beobachtungen sind damit kaum mehr
möglich.
2. Der Färbevorgang
Die von Landells veröffentlichten Photo¬
graphien sowie eigene mikroskopische Präparate
zeigen sehr schön, daß eine kunstharzimprä¬
gnierte Faser durch diese Behandlung eine
weitere Aufnahmefähigkeit für Fremdstoffe ab¬
solut nicht verlustig geht. Wird harzbehandelte
Viscose im Strang gefärbt und nachträglich in
Mikroschnitte präpariert, so zeigt sich eine bis
in die Kernzone völlig von Farbstoff durch¬
drungene Faser. Das Harz hat also die Diffu-
sionskanäle nicht verstopft. Eine nachträglicheFarbstoffaufnahme ist noch möglich.Die meisten Querschnitte von Viscosefasern,
welche mit den verschiedensten Säurefarb¬
stoffen behandelt worden sind, zeigten die
gleichen Merkmale wie die von Landells ver¬
öffentlichten Bilder: deutlich angefärbte Kern¬
zonen, jedoch fast farblose Mantelzonen. Er er¬
klärte sich diese Erscheinung damit, daß durch
das relativ saure Färbebad bereits eine Hydro¬
lyse in den äußeren Faserteilen eintrete. Das
zerfallene Harz wird herausgeschwemmt, und
diese Hydrolysestellen bleiben reserviert. Diese
Auffassung wird dadurch gestützt, daß die härt¬
baren Harze und vor allem diejenigen vom Typdes Harnstoffes schon in siedendem, destillier¬
tem Wasser meßbaren Formaldehyd abzu¬
spalten vermögen. Ganz entsprechend wurden
die homogensten Anfärbungen nicht im heißen,sondern im kalten Färbebad erzielt (12 Stunden
bei Zimmertemperatur), in dem die Hydrolysesehr stark zurückgedrängt war. Das Auftreten
von farblosen Mantelzonen konnte jedoch nicht
vermieden werden.
Die Versuche wurden mit den verschieden¬
sten zellulosereservierenden Farbstoffen unter¬
nommen, unter denen Echtsäuremarineblau
GRL die einheitlichsten Resultate lieferte. Die
Viscosestränge wurden 12 Stunden in die y2 %ige
Farbstofflösung eingelegt und nachträglich so
lange mit kaltem Wasser gespült, bis die nicht
imprägnierte Viscosefaser vollständig farblos ge¬
worden war. Leider vergrößerte die lange Spül¬dauer die Unzulänglichkeit dieses Harzlage¬
rungsnachweises im oben besprochenen Sinn.
Harzfilme um die Faser, wie sie ebenfalls auf¬
treten, konnten auf diese Weise nur unschön ge¬
zeigt werden. Nach dem Spülen und Trocknen
wurden die Faserbündel jeweilen in Nitrozellu¬
lose eingebettet und zu mikroskopischen Prä¬
paraten geschnitten. Eine ausführliche Be¬
sprechung scheint unnötig, weil die im nächsten
Abschnitt zu behandelnde Methode viel bessere
Resultate liefert und vor allem einen viel tieferen
Einblick in das Wesen der Kunstharzausrüstungselbst gibt.
3. Formalisierung und Kunstharzbehandlung
Ein weiteres Moment der Unzulänglichkeit der
Säurefarbstoffmethode liegt darin, daß sie ab¬
solut nichts auszusagen vermag über die Rolle
des freien Formaldehyd in der Faser. Tatsache
ist, daß bei der Trocknung und Härtung kunst¬
harzbehandelter Gewebe eine beträchtliche
Menge Formaldehyd frei wird. Seine Wirkungund sein Verhalten der Faser gegenüber kennt
man in diesem speziellen Falle nicht. Die Frage,ob gleichzeitig mit der Harzbeladung eine
Formalisierung eintrete, ist bis heute unbeant¬
wortet, besser gesagt, unbewiesen geblieben.Die meisten Fachleute glauben nicht an eine
solche, da die Wasserstoff-Ionenkonzentration,
wie sie die Formalisierung benötigt, nicht er¬
reicht wird. Hingegen bemerkt G. Schwen36 in
seinem Artikel «Kunststoffe in der Textilindu¬
strie»: «Bei den Aminoplasten, die beispiels¬weise in Form von Dimethylolharnstoff durch
Klotzen in wässeriger Lösung auf das Gewebe
gebracht und bei einem Kondensationsprozeß
in, bzw. auf der Faser fixiert werden, besteht die
Möglichkeit, daß der währendderKondensation
18
sich abspaltende Formaldehyd ebenfalls zu
einem gewissen Teil mit der Faser reagiert.»
(Aus unveröffentlichten Arbeiten der I. G.
Farbenindustrie.)Es läßt sich leicht feststellen, daß auch eine
gewöhnlich formalisierte Faser eine gewisseAffinität zu sauren Farbstoffen zeigt. AufjedenFall läßt sie sich durch eine beliebig langeWasserspülung nicht mehr entfärben. SpätereVersuche werden zeigen, daß die von G. Schwen
vertretene Auffassung berechtigt ist. In diesem
Falle ist die Säurefarbstoffmethode aber zwei¬
deutig, weil sie aufFormaldehyd wie auf Kunst¬
harz anspricht.
III. Erzeugung eines sichtbaren Niederschlages durch
Kontaktreaktion mit dem Harz
1. Reaktionsfolge
Eine große Zahl von Versuchen hat immer wie¬
der gezeigt, daß sich die ToixENSche Silber¬
lösung außerordentlich gut zur örtlichen Sicht¬
barmachung des Harzes in der Faser eignet.Dabei lassen sich die Versuche beliebig repro¬
duzieren, das heißt, die Querschnitte von ein
und derselben Faser geben nach Behandlungmit dem Reagens immer das gleiche Bild. Be¬
liebige Wiederholung von Harzimprägnation,Trocknung und Härtung an ein und demselben
Fasertyp, jedoch unter stets gleichen Bedin¬
gungen, ändert das Bild der Harzlagerung nicht.
Der Anfärbevorgang der harzbeladenen Faser
zerfällt in zwei übereinandergeordnete Reak¬
tionen. Die sekundäre, die Reduktion von am-
moniakalischem Silbernitrat durch Formalde¬
hyd ist bereits besprochen worden. Später kann
gezeigt werden, daß der aus dem Harz sich ab¬
spaltende Formaldehyd die Reaktion mit der
Silberlösung sofort eingeht, das heißt bevor eine
Abwanderung an andere Stellen des Faser¬
raumes möglich wird. Ebenfalls setzt sich das ab¬
geschiedene Silber am Ort seiner Ausfällung ab.
Schnelligkeitsbestimmend für den gesamten
Vorgang ist die Primärreaktion, die Freisetzungdes Formaldehydes aus der gehärteten Harz¬
substanz. Die Farbtiefe der silberbehandelten
Faser ist demnach bei gleichlanger Einwirkungs¬dauer entsprechend abhängig von der pro Zeit¬
einheit abgespaltenen Menge Formaldehyd und
diese wiederum von der herrschenden Wasser¬
stoff-Ionenkonzentration.
Quantitative Bestimmungen ergaben, daß
ein normal gehärtetes Kunstharz im Luftstrom
bei 105°C kaum meßbare Mengen Formalde¬
hyd abgibt. Günstiger liegen die Resultate im
feuchten Medium.
Melaminvorkondensat wurde in der drei¬
fachen Menge heißem Wasser gelöst und bei
70° C mit Ameisensäure als Katalysator soweit
zur Trockene verdampft, bis das Teilkondensat
im Mörser zu einem staubfeinen Pulver ver¬
rieben werden konnte. Die anschließende Här¬
tung wurde während einer halben Stunde bei
150°C vorgenommen. Je 30 g Harzpulverwurdein Lösungen (je 750 ccm) von verschiedenem
/>H-Wert verteilt und nach 4 Stunden Lagerungdurch Titration die freigewordene Formalde¬
hydmenge bestimmt:
pH der Pi-fFirlcoung . . 3 5 7 10 A B
abgespaltene Menge For¬
maldehyd in mg . . .9 9 9 18 74 153
Die Lösungen A und B haben die Zusammen¬
setzung des später verwendeten Reagens für den
Harznachweis, jedoch ohne Silbernitratzusatz :
Lösung A: 100 ccm 0,05n NaOH + 2,5 ccm 0,5n NH.,-Lösung
Lösung B: 100 ccm 0,In NaOH + 5 ccm 0,5n NH3-Lösung
Ganz entsprechend diesen Resultaten konnte
die harzbeladene Faser mit neutralem Silber-
acetat, wie sie Götze (loc. cit.) zur Bestimmungvon oxydierter Zellulose verwendete, nicht an¬
gefärbt werden, während die alkalische Silber-
diaminlösung in einer halben Stunde die Faser
tief braun bis schwarz anzufärben vermochte.
Alkali bewirkt also nicht nur eine schnelle Re¬
duktion zu Silber (siehe Tollen), sondern
gleichzeitig eine genügende Freisetzung von
Formaldehyd, wodurch die Methode zum ört¬
lichen Harznachweis befähigt wird. Ob nun die
Primärreaktion eine eigentliche Hydrolyse
R-NH-CH2-jO-CH2j-NH-Rho-! !—h
R-NH-CH2OH + NH2-R + CH2Q
oder nur eine gewöhnliche Abspaltung ist,
R-NH-CH2-0-CH2-NH-R *
R-NH-CH2-NH-R + CH2Q
interessiert näher nicht und wurde infolgedessennicht weiter untersucht.
2. Die Anfärbung melaminharzausgerüsteter Fasern
mit ammoniakalischer Silbernitratlösung
a) Das Reagens
Die Praxis zeigt, daß melaminharzausgerüsteteGewebe weit waschbeständiger sind als die ent-
19
sprechenden mit Harnstoff/Formaldehyd be¬
handelten. Ganz analog verhalten sich die Harze
der alkalischen Silberlösung gegenüber. Die
Hydrolyse der Carbamidharze ist bei gleicherAlkalität viel größer, sie erzeugt infolgedesseneine viel stärkere Silberfällung, also eine schnel¬
lere Anfärbung der Faser (gleiche Harzkonzen¬
trationen vorausgesetzt). Ein Ausgleich kann
mit verschiedener Alkalität des Reagens ge¬
schaffen werden, indem für Melaminharz aus¬
gerüstete Fasern 0,ln Natronlauge, für die
Carbamide aber nur 0,05n Lauge verwendet
wird.
Herstellung des Silberreagens für den Mel-
aminharznachweis* :
50 ccm l,0n Ammoniaklösung werden mit
10 ccm l,0n Silbernitratlösung versetzt und mit
destilliertem Wasser auf 100 ccm aufgefüllt. Je
1 ccm davon wird mit 20 ccm 0,ln Natronlauge
vermischt und damit das Prüfungsmaterial be¬
handelt. Lauge und ammoniakalische Silber¬
lösung sollten jeweilen erst vor dem Versuch ge¬
mischt werden, da das fertige Reagens sehr
empfindlich ist und bei wochenlanger Lagerung
sich etwas verändert.
Wird ein kunstharzimprägniertes Gewebe 30
Minuten in diese alkalische Silberlösung einge¬
legt, so färbt es sich erst gelb, dann braun und
wird bei starker Harzbeladung direkt schwarz.
Der Reduktionsvorgang kann in einem beliebi¬
gen Stadium der Anfärbung unterbrochen wer¬
den, indem das Gewebe kurz gewaschen und
nachher mit einer 0,1 -0,05n Natriumthiosulfat-
lösung behandelt wird. Wie in der Photo¬
graphie beim Fixieren, so bindet auch hier das
im Überschuß vorhandene Thiosulfat das noch
in Lösung verbliebene Silber in komplexer Form
als Na4[Ag2(S2Q3)3]. Ein im Reagensglas aus¬
geführter Versuch zeigt sehr schön, daß das mit
Thiosulfat im Überschuß versetzte Reagens
auch von sehr viel Formaldehydlösung nicht
mehr reduziert werden kann. Es tritt keine
Silberfällung mehr auf.
Die Fixierung des Gewebes beträgt 15-20
Minuten; ebensolange dauert die darauffol¬
gende Spülung mit entlüftetem Wasser.
Zur Herstellung der mikroskopischen Prä¬
parate wurden Bündel zu je 4 Fäden 15-20
Minuten mit einer 80° C warmen 70%igen
Gelatinelösungdurchtränkt und in einem Spann-
* Das gleiche Reagens verwendete E. Geiger (37) zum Nachweis freier
Carbonylgruppen in geschädigter Zellulose (siehe letzter Abschnitt: Allge¬
meines über den Harznachweis).
rähmchen %-l Stunde zum Trocknen aufge¬
hängt. Die nachfolgende halbstündige Behand¬
lung mit 20%iger Formaldehydlösung be¬
zweckte eine durchgehende Härtung der Gela¬
tine. Anderntags nach vollständigem Trocknen
waren die Präparate schnittfähig. Es stand ein
Schlittenmikrotom zur Verfügung mit ruhen¬
dem Messer. Die folgenden Mikrophotographien
zeigen alle Faserquerschnitte von 10 ja Dicke.
b) Die Anfärbung harzimpragnierterFasern im Strang
Werden die Kunstseidefäden, wie oben be¬
schrieben, im Strang angefärbt und erst nach¬
träglich zu mikroskopischen Querschnitten ver¬
arbeitet, so entstehen Bilder, wie sie in Abb. 1
und 2 photographiert sind: sie zeigen Aus¬
schnitte aus Faserbündeln.
Abb. 1 : Querschnitt am Rand des Bündels.
Wird dieses nach der Harzimprägnation sorg¬
fältig verarbeitet, so daß die einzelnen Fäden
gegeneinander nicht mehr verschoben werden,
so zeigt sich nach halbstündiger Behandlung
mit dem farblosen Reagens eine außerordent¬
lich kräftige, dunkle Silberausscheidung am
Bündelrand. Nur in geringem Abstände von
dieser dunklen Zone finden sich schon wieder
Fasern, die kaum angefärbt worden sind.
Ein ganz analoges Bild erkennt man in Abb. 2
In diesem Bündel wurden die einzelnen Fasern
vor der Anfärbung durch leichtes Aufscheuern
voneinander getrennt, also aus ihrer kompakten
Verklebung befreit. In der Folge trat kein aus¬
gesprochener Bündelrand mehr auf. Dafür er¬
kennt man mit Leichtigkeit, daß derselbe Rand¬
effekt nun bei der einzelnen Faser auftritt. Sie
zeigen alle dunkle Zonarstruktur mit hellem,
fast farblosem Zentrum. Das Bündel im spe¬
ziellen Fall von Abb. 1 verhielt sich also genau
gleich wie die Einzelfaser in Abb. 2. Da aber
beide Querschnitte aus dem gleichen Faser¬
strang stammen, muß notwendigerweise der
Schluß gezogen werden, daß diese Photo¬
graphien falsche Bilder der Harzlagerung ent¬
werfen.
Bei zeitlich längerer Einwirkungsdauer des
Reagens auf die Faser wandert die dunkle, stark
silbergefärbte Zone immer weiter, bis schlie߬
lich die ganze Faser vollständig braunschwarz
durchzogen ist. Diese Erscheinung ist unbedingt
eine Folge der Diffusion der Silberlösung ins
Innere der Kunstseide :
Das Vordringen der Lösung ist sehr langsam
vor sich gegangen. Während einer halben
20
Abb. I
Stunde (Anfärbedauer) ist kaum % des Faser¬
durchmessers durchlaufen worden. Sicherlich
fällt die Diffusionsgeschwindigkeit bei zuneh¬
mender Harzbeladung, weil dadurch die Micell-
zwischenräume mehr und mehr ausgefüllt wer¬
den. Andererseits erzeugt das fortwährend aus¬
scheidende Silber der nachfolgenden Lösungein immer größer werdendes Hindernis, so daß
das Vorwärtsschreiten der braunen Zone immer
langsamer wird. (Im Versuch festgestellt.)
c) Die Anfärbung harzimprägnierter Fasern im Schnitt
Das negative Resultat der eben beschriebenen
Methode weist gleichzeitig den Weg zur Über¬
brückung der Hindernisse. Die einzige Schuld
an der Entstehung eines unrichtigen Bildes der
Harzlagerung tragen die Diffusionsverhältnisse.
Unsere Blickrichtung im Mikroskop verläuft
parallel der Kunstseidenfaserachse. Die Ein-
dringungsrichtung der Silberlösung steht jedochsenkrecht dazu, so daß wir das Vordringen des
Silbers gleichsam sehen können. Die Anfärbungim Strang vermag wohl auszusagen, ob die
ganze Länge eines Zellulosefadens mit Harz be¬
laden sei, nicht aber, ob dieses Harz sich außer-
oder innerhalb der Faser abgelagert hat.
Geht aber die Diffusion der Silberlösung
parallel der Faserachse, also parallel unserer
Blickrichtung, so können wir das Vorwärts¬
schreiten der Grenzebene der Silberausschei¬
dung nicht verfolgen. Die einzige Wahrneh¬
mung besteht darin, daß mit zeitlichem Fort¬
schreiten der Reagenslösung in die Tiefe eine
Verstärkung der Färbung eintritt.
Abb. 2
Die Technik der Querschnittsanfärbung be¬
reitete insofern Schwierigkeiten, weil die Gela¬
tine als allgemein gebräuchliches Einbettungs¬mittel nicht mehr in Frage kam. Die Härtungder Gelatine mit Formaldehyd durfte nicht
mehr durchgeführt werden, da die Reaktion mit
Silberlösung erst nach der Einbettung erfolgen
mußte und auf dieses vorher eingeführte Re¬
duktionsmittel ebenfalls reagiert hätte. Luft¬
getrocknete Gelatine ist leider wasserlöslich, so
daß die Fasern während der Behandlung mit
Silber von ihrer Umklammerung befreit wur¬
den. Eine nachträgliche Fixierung mit Thio-
sulfat und Waschung mit Wasser war deshalb
unmöglich und hatte auf dem Objektträgernicht mehr ausgeführt werden können, ohne die
Fasern in ihrer gegenseitigen Lage zu verän¬
dern. Schließlich interessiert aber nicht nur eine
Einzelfaser, sondern das Bündel als Ganzes
(zum Beispiel aus den Abb. 1 und 10 ersicht¬
lich).Die aus der mikroskopischen Präparations¬
technik bekannte Methode der Celloidineinbet-
tung befriedigte leider nicht; sie war viel zu um¬
ständlich und zeitraubend zur Ausführung von
Reihenversuchen.
Recht brauchbare Resultate lieferte Acetyl-
zellulose, vermischt mit Weichmachern. Ein
günstiges Mischungsverhältnis der beiden Kom¬
ponenten liegt im «Cementit» vor, einem im
Handel erhältlichen Klebstoff. Er erfüllt die ge¬
stellten Bedingungen weitgehend; schnelles
Durchdringungsvermögen, gute Schneideigen¬schaften aufdem Mikrotom.
21
Abb. 3
Um dem Präparat beim Schneiden Halt zu
geben, wird dieses meist durch eine entspre¬
chend kleine Öffnung eines Korkes gezogen und
dieser ins Mikrotom eingespannt. Dadurch läßt
sich das Präparat in bezug auf das Messer um
ganz bestimmte Intervalle mittels einer Mikro-
schraube vorschieben. Es resultieren ziemlich
konstante Schnittdicken. Getrocknetes Cemen-
tit ist nun etwas zu weich, um nach der Kork¬
methode geschnitten werden zu können. Viel
besser eignet sich stark verkieseltes, trockenes
Mark eines älteren Holunderbaumes. Der große
Kieselsäuregehalt macht das Mark fest und gibt
ihm die Eigenschaft, beim Ansetzen des Messers
diesem absolut nicht auszuweichen. Dadurch
gelingt fast ohne Ausnahme jeder Schnitt, wo¬
durch eine regelmäßige Dicke des Präparates
gewährleistet ist.
d) Präparation und Anfärbung mit Silberdiamin
Abb. 3 zeigt einen mit ammoniakalischer Silber¬
nitratlösung behandelten Faserbündelquer¬schnitt.
Die Fasern links und rechts unten im Bild
sind mit der gleichen Kunstharzlösung, jedoch
unter verschiedenen Bedingungen imprägniert
worden, während die oberen, farblosen Viscose-
kunstseideschnitte nicht harzbehandelt, zur
Kontrolle aber gleichzeitig dem Anfärbereagens
ausgesetzt worden sind. Die Photographie ist
ein vollständig richtiges Bild der Harzlagerungin bezug auf die Fasern. Diejenigen rechts zeigen
eine über den ganzen Querschnitt gleichmäßige
Silberausscheidung. Sie sind vom äußersten
Rand bis in den Kern homogen vom Kunstharz
durchdrungen, während die Kunstseide links
im Bild in ihrem Innern kein Harz enthält. Sie
ist farblos. Dieses jedoch sitzt als anschmiegen¬
der Film um die Faser. Es ist durch die schwarze
Silberfällung angezeigt. Dieser Ausschnitt zeigt
nun jenen typischen Fall, wo das in Lösung sich
befindende Harz seine Diffusionsfähigkeit ins
Faserinnere vollständig verloren hat und nun
als spröder, glasiger Film dem Gewebe rauhen
Griffund schlechte Gebrauchseigenschaften ver¬
leiht. Auf die Ursache der Filmbildung wird
später eingegangen.Der Werdegang der Viscoseseide in Abb. 3
bis zum fertigen mikroskopischen Präparat war
folgender :
e) Herstellung der Kunstharzlosung
40 g Melaminvorkondensat wurden in der dreifachen
Menge kochend heißem Wasser gelöst und durch
Stehenlassen bei Raumtemperatur auf 30° C abge¬
kühlt. Die Lösung wurde dann zu 800 ccm einer vor¬
bereiteten, ebenfalls 30°C warmen Flotte gegossen, die
13,4 ccm 85%ige Ameisensäure als Kondensations¬
katalysator enthielt, und das Ganze schließlich auf
1 Liter eingestellt. Es resultierte ein pH von 4,5-5.
Ein Strang gebleichte Viscosekunstseide von 1500 m
zu 40 Fasern wurde fünf Sekunden mit obiger Harz¬
lösung imprägniert und in der Zentrifuge auf 119 %
Lösungsaufnahme abgeschleudert. Nach völliger
Trocknung bei 70° C wurde das aufgeklotzte Harz fünf
Minuten bei 140° C gehärtet. Während dem Konden¬
sationsprozeß entwich eine betrachtliche Menge
Formaldehyd. Anschließend erfolgte eine Waschung
in einem Bad von 40° C und 2 g Soda pro Liter ent¬
haltend. Nach dreimaligem Spülen wurde der Strang
zur Trocknung aufgehängt.
f) Einbettung mit Cementit
Zur Kontrolle, ob die Harzlagerung im ganzen Vis-
cosestrang dieselbe sei, wurden Präparate aus ver¬
schiedenen Strangstellen hergestellt. Alle ergaben
gleiche Bilder. Für die Herstellung von Dauerpräpa¬
raten ist folgende Einbettungsvorschrift zu verwenden :
1. Es werden kleine, zirka 8-10 cm lange Bündel zu 4
Fäden gebunden und diese gemeinsam mit einer
verdünnten Cementitlösung durchtränkt.
2. Die verdünnte Einbettungslösung besteht aus einem
Teil Aceton und drei Teilen Cementit. Die Ein¬
bettungslösung muß homogen und vor allem frei
von Luftbläschen sein. Am besten läßt man sie vor
Gebrauch etwa eine Woche gut verschlossen stehen.
3. Die Faserbundel werden gemeinsam in ein Rea¬
gensglas gegeben und darauf geachtet, daß sie ge¬
streckt liegen und keine Knäuel bilden.
22
4. Dann wird langsam die luftfreie Einbettungslösungso zugegeben, daß die Luft laufend nach oben ver¬
drängt wird und nicht an den Fasern als Blasen
haften bleibt. Um eine vollständige Durchdringungzu erzielen, wird das Reagensglas in einen Va-
kuum-Exsikkator gestellt und der Druck für etwa
5 Minuten so niedrig gehalten, daß.die Lösung
ganz leicht zu sieden beginnt. Durch diese Ope¬ration werden die Fäden völlig von Luft befreit.
5. Nach 2- bis 3tägiger Durchtränkung werden die
Bündel einzeln vorsichtig herausgezogen und zwi¬
schen den Enden eines gebogenen, festen Stahl¬
drahtes leicht gespannt während 6-8 Stunden zum
Trocknen aufgehängt. Das überschüssige Lösungs¬mittel verdampft. Die Fasern sind jetzt mit einem
feinen Acetylcellulosefilm zusammengeklebt und in
ihrer gegenseitigen Lage fixiert. Bei vorsichtigemArbeiten können die Fäden, ja sogar die einzelnen
Bündel mit dieser Einbettungsmethode so gegen¬
einander fixiert werden, daß sie unter dem Mikro¬
skop noch die genau gleiche gegenseitige Lage auf¬
weisen wie nach der Harzimprägnation bzw. Här¬
tung. Dadurch lassen sich nicht nur Aussagen über
die Lagerung des Harzes in der Einzelfaser machen,sondern es kann auch festgestellt werden, ob bei der
Imprägnation das Faserbündel, der Faden, nur
oberflächlich angenetzt oder vollständig harz¬
durchdrungen worden ist.
6. Die nun fixierten Bündel werden über Nacht im
Reagensglas noch mit einer unverdünnten, hoch-
viscosen Cementitlösung versetzt und anderntagswieder am Spanndraht zur vollständigen Trock¬
nung aufgehängt; bis zur Schnittreife des Präpa¬rates dauert diese mindestens 3 Tage. Ein abge¬kürztes Trocknungsverfahren (4 Stunden bei 40° G
plus 4 Stunden bei 60-70° C) liefert ein ebenso
schnittfähiges Material. Die fertig eingebettetenBündel haben zylindrische Stäbchenform von etwa
%—1 mm Durchmesser. Einige Luftblasen können
oft nicht vermieden werden. Das Präparat weist
aber in jedem Fall genügend schnittfähige, luft¬
freie Stellen auf.
Paraffin eignet sich leider nicht als Einbettungs¬mittel; es ist viel zu brüchig, als daß der Schnitt die
verschiedenen Behandlungen im Anfärbeprozeß über¬
stehen würde. Dagegen ist die Durchführung einer
betriebsmäßigen Feststellung der Harzlagerung mit
Cementit möglich. Mit ihm kann die Einbettung in
nur 1 Stunde gemacht werden. Bei dieser Schnell¬
methode leidet selbstverständlich die Schönheit des
Schnittes; die Lagerung des Harzes kann man jedocheindeutig feststellen.
a) Die Fäden werden in einem offenen Gefäß an ihren
Enden mit Bleiklötzchen beschwert und mit ver¬
dünnter Cementitlösung (siehe Punkt 2) zirka 2-3
Zentimeter überschichtet.
b) Dann wird im Exsikkator 5-10 Minuten stark eva¬
kuiert, was eine vollständige Entlüftung der Faser
und ein Eindicken der Einbettungslösung zur Folgehat.
c) Anschließend werden die Bündel eingespannt und
im Trockenschrank eine halbe Stunde bei 50-55° C
und die restliche Zeit bei steigender Temperaturbis 100° C gehalten. Nach dem Abschrecken in
kaltem Wasser sind die Bündel schnittreif.
g) Das Schneiden der Präparate
Stark verkieseltes Holundermark wird der Länge nach
mit einem scharfen Messer gleichmäßig durchschnit¬
ten und ein zirka 1 cm langes Präparatstück zwischen
die beiden Holundermarkteile gelegt; diese werden
dann zwischen zwei Metallblöcken in aufeinander-
passenden halbkreisförmigen Bohrungen scharf zu¬
sammengepreßt, so daß das Mark als feste, kompakteMasse das Präparat umschließt. Die Holunderpre߬masse wird wenig aus der Bohrung vorgeschoben und
mit den Metallstücken ins Mikrotom eingespannt. Bei
schräggestelltem, aber fast flachem Messer lassen sich
Schnitte von 5 n an aufwärts herstellen. In der vor¬
liegenden Arbeit sind immer Fasern gleicher Schnitt¬
dicke (10 |i) untersucht worden.
h) Das Anfärben
In ein Uhrglas von etwa 3 cm Durchmesser werden
10 Tropfen der Reagenslösung gegeben und die
Schnitte sorgfältig mit der Nadel des Mikroskop¬besteckes unter die Flüssigkeitsoberfläche geschoben.Einwandfreie Resultate werden nur dann erzielt, wenndie Fasern während der Anfärbung von keinen Luft¬
bläschen bedeckt sind. Die Kontrolle mit einer Lupeist deshalb unerläßlich. Das Uhrglas wird schließlich
für eine halbe Stunde in einen dunkeln Raum ver¬
setzt.
Zur Weiterbehandlung können die Schnitte im
gleichen Gefäß belassen werden. Die Silberlösungwird mit einer Kapillare, welche am Vakuum ange¬
schlossen ist, abgesaugt, das Uhrgläschen mit einigenTropfen Wasser gespült, wieder abgesaugt und die
Reduktionsreaktion schließlich mit n/20 Natrium-
thiosulfatlösung unterbrochen. Ihre Einwirkungsdauersoll 15-20 Minuten betragen. Die Schnitte müssen da¬
bei vollständig von der Lösung bedeckt sein. Nach
einer weiteren Spülung mit Wasser (10-15 Minuten)wird jeder einzelne Schnitt, um ihn nicht zu ver¬
letzen, mit der Kapillare angesaugt und auf den
Objektträger hinübergewechselt.Kanadabalsam eignet sich als Einschlußmittel
nicht, da die Präparate naß sind und erst getrocknetwerden müßten. Als wässeriges Einschlußmittel diente
für alle vorliegenden Versuche die Lösung von Hoyer :
In 33%iger Kaliumacetatlösung wird so viel Gummi-
arabicum gelöst, bis sich eine dickflüssige, leimartigeFlüssigkeit gebildet hat. Das HoYERsche Einschlu߬
mittel trocknet unter dem Deckgläschen nur langsam
23
ein. Hingegen wird es am Glasrand schon nach eini¬
gen Stunden fest, so daß das Präparat beliebig lange
aufbewahrt werden kann.
i) Die Empfindlichkeit der Reduktionsreaktion
Die Tiefe der Silberanfärbung nimmt mit fallen¬
der Harzbeladung der Faser ab. Bei einem Ab¬
quetscheffekt der Ware aufzirka 100 % liegt die
Grenzkonzentration der noch sichtbaren An-
färbung bei etwa 10 g Melaminharzvorkonden-
sat pro Liter Lösung. Die außerordentliche
Empfindlichkeit ersieht sich daraus, daß also
1 g Harz verteilt auf 100 g Viscosekunstseide
noch eine sichtbare Silberfällung erzeugt. 100 g
entsprechen 333 km der verwendeten Einzel¬
faser von 2,7 den. Im Querschnitt von 10 y.
Dicke befindet sich also nur 3 .10-11 g Harz,
dieses spaltet nur einen Bruchteil seines Ge¬
wichtes an Formaldehyd ab, welcher durch die
Silberreduktionsreaktion noch sichtbar gemacht
wird.
k) Die Harzlagerung
Wie bereits erwähnt wurde, sind die in Abb. 3
gezeigten Fasern zusammen eingebettet und ge¬
schnitten, also auch miteinander und unter
gleichen Bedingungen dem Anfärbereagens aus¬
gesetzt worden. Die oberen nicht harzimprä¬
gnierten Fasern sind vollkommen farblos ge¬
blieben. Wo kein Kunstharz vorhanden war, hat
also auch keine Reduktion zu Silber stattge¬
funden.
Die Fasern links und rechts unten im Bild
sind in der gleichen Flotte und unter gleichen
Bedingungen imprägniert, getrocknet, gehärtet
und gewaschen worden. Der einzige Unter¬
schied liegt im Alter der verwendeten Flotte.
Die über den ganzen Querschnitt gleichmäßig
angefärbte Faser wurde mit der jungen, frisch
hergestellten Vorkondensatlösung behandelt.
Die noch kleinen, diffusionsfähigen Harzmole¬
küle vermochten durch die noch größeren Ein-
dringungskanäle in das Faserinnere vorzudrin¬
gen und haben sich, aus der egalen Färbung zu
schließen, gleichmäßig darin verteilt.
Während 24stündigem Stehen wurde die
Lösung schwach blau opaleszierend, Harz fiel
keines aus. Durch fortschreitende Kondensation
während dieser Zeit sind die Harzteilchen zu
einer Größe angewachsen, die ein Eindringen in
die Kanäle der Faser nicht mehr gestattete. Die
Faser ist «leer» geblieben, das Harz vermochte
sich als umschließender Film abzulagern, was
Abb. 4
durch die scharfgezeichnete Silberfällung ange¬
zeigt wird.
Dies sind zwei ausgesprochene Extremfälle
der Imprägnierung. Es wird wohl keinem Aus¬
rüster einfallen, eine 24stündige Vorkondensat¬
lösung noch zu verwenden, auch wenn absolut
kein Harz ausgefallen ist. Der Versuch zeigt
aber sehr deutlich, daß mit zunehmendem Alter
der Flotte diese die Diffusionseigenschaften all¬
mählich verliert und als filmbildende Substanz
den Ckarakter der Ware verschlechtert. Die
harzdurchdrungene Kunstseide hatte einen
weichen Griff. Die harzumschlossene Seide aber
war wie Bast, sie war rauh und außerordentlich
brüchig.Abb. 4 zeigt ein Zwischenstadium, indem die
Viscose harzdurchdrungen ist, zum Teil aber
auch schon äußerliche Harzablagerung zeigt.
Die Imprägnation fand mit der 3 Stunden alten
Flotte statt, welche auf 30° C bei einem pH von
4,5 gehalten worden war. Während die Photo¬
graphie leider nur Schwarzweißeffekte liefert,
kann im Mikroskop erkannt werden, daß die
Anfärbung der Faser mit fallender Harzkon¬
zentration von dunkelbraun bis braun zu gelb
wechselt. Zur Beurteilung der Photographie ist
also ein Vergleich mit der unbehandelten Faser
(siehe Abb. 3 oben) unumgänglich.Die Haltbarkeit der Harzlösung ist stark von
den Bedingungen abhängig, unter denen sie her¬
gestellt worden ist. Je nachdem kann schon eine
relativ junge Flotte filmbildend sein. Abb. 4
zeigt dabei sehr deutlich, daß die größte Menge
der Harzteilchen die Faser noch zu durch-
24
dringen vermochte, während die Kondensation
für einzelne Teilchen schon zu weit fortgeschrit¬ten war; sie lagerten sich am Faserrand vor
allem in seinen Einschnürungen ab. Der Aus¬
rüster hat nicht nur darauf zu achten, durch
vorzeitiges Abbrechen der Imprägnation die
unerwünschte Filmbildung zu vermeiden, son¬
dern durch genaueste Einhaltung der Lösungs¬vorschriften eine möglichst lange haltbare Harz¬
flotte herzustellen.
Zu weit fortgeschrittener Kondensationsgraddes Harzes ist der hauptsächlichste Faktor der
Filmbildung. Die gleichen Effekte treten auch
bei Verwendung zu konzentrierter Lösungenauf. Die Aufnahmefähigkeit der Faser für
Fremdstoffe ist begrenzt und richtet sich nach
der Größe der Micellarhohlräume. Sind diese
ausgefüllt, so lagern sich die überschüssigenHarzteilchen notwendigerweise auf der Ge¬
webeoberfläche ab. Zu geringer Abquetsch¬effekt der Ware kann aus den gleichen Gründen
dasselbe Resultat hervorrufen. Ein unliebsames
Moment ist die Erscheinung der Harzwande¬
rung, auf die bereits hingewiesen worden ist.
I) Silberreaktion und Harzlagerung
Der Beweis, daß die Silberausscheidung genau
am Orte der Harzlagerung stattfindet, liefert
die Photographie der Schnitte selbst (sieheAbb. 3). Die umschlossene Faser zeigt absolut
keine Anfärbung in ihrer Kernzone. Sie ist ent¬
weder vollständig frei von Harzteilchen oder
dann ist die Konzentration so sehr klein, daß
eine sichtbare Silberausscheidung ausblieb. Die
um die Faser ausgeschiedenen Harzteilchen sind
sehr scharf gezeichnet. Der bei der Hydrolyseentstandene Formaldehyd ist vor der Silber¬
reduktion also nicht erst an entferntere Stellen
verschoben worden. Wäre primär tatsächlich
eine Wanderung eingetreten, so dürften die
Harzränder nicht so scharf gezeichnet sein. Ein¬
bettungsmittel (Cementit) und Kernzone mü߬
ten dann gegen harzentferntere Stellen ab¬
nehmende Farbtiefe aufweisen. Die gleiche Be¬
obachtung läßt sich auch an der durchdrun¬
genen Faser machen; außerhalb des Faserran¬
des ist die Silberausscheidung ausgeblieben.Ein weiterer Beweis für die Richtigkeit des
Lagerungsnachweises liefert die auf Seite 17 be¬
schriebene Nitrosierung. Das Harz ist dort selbst
zum Farbkörper geworden. Das Bild ist aber
das gleiche, wie es durch die Reduktionsreak¬
tion erzielt worden ist.
Abb. 5
Auf Grund der Bildungsmöglichkeit von
Methylamin muß während der Lagerung der
Ware Formaldehyd aus dem Harzkörper ent¬
stehen. Es ist also möglicherweise schon vor der
Anfärbereaktion freier Formaldehyd in der
Faser vorhanden, der den örtlichen Harznach¬
weis stören könnte. Trimethylamin (-«—NH3+ CH20) ist aber nur in kleinsten Konzen¬
trationen vorhanden, so daß auch die freie
Formaldehydmenge weit unter der Empfind¬
lichkeitsgrenze der Reaktion liegen muß. Wer¬
den die Schnitte vor der Silberfärbung einigeZeit bei 80-85°C gelagert (freier Formaldehydist bei dieser Temperatur flüchtig), so resultiert
das genau gleiche Bild der Harzlagerung, wie
wenn diese Vorbehandlung nicht durchgeführtwird.
m) Reduktionsreaktion undformalisierte Faser
Bekanntlich wird bei der Trocknung und Här¬
tung der imprägnierten Ware viel Formaldehydfrei, und die Frage, ob eine eigentliche Formali¬
sierung der Faser eintrete, ist berechtigt, vor
allem darum, weil sie bis heute unbeantwortet
geblieben ist. Die formalisierte Faser spricht auf
das Silberreagens ebenfalls an wie Abb. 6 illu¬
striert. Die Methode erlaubt damit, auch hier
tiefere Einblicke zu gewinnen, auf die nachher
noch eingegangen werden soll. Vorläufig ge¬
nügt die Feststellung, daß im Falle der Mel-
aminharzbehandlung eine Formalisierung der
Faser nicht eintritt oder nur in so geringem
Maße, daß die Empfindlichkeitsgrenze der Re¬
duktionsreaktion nicht erreicht wird. Den Be-
25
weis liefern die harzumschlossenen Kunstseiden¬
schnitte in Abb. 3, deren Kernzonen nicht an¬
gefärbt sind.
Abb. 5 zeigt Fasern, die unter den gleichen
Bedingungen formalisiert worden sind wie die¬
jenigen der Abb. 6. Der einzige Unterschied
liegt in der Verwendung eines anderen Kataly¬
sators. Melaminharze werden alle mit der
stärksten organischen Säure, der Ameisensäure,
kondensiert. Zur Kontrolle wurde diese auch für
die Fasern in Abb. 5 verwendet, und zwar in
gleicher Konzentration wie im Falle der Harz¬
imprägnierung. Melaminvorkondensate reagie¬
ren leicht basisch. Das Formalisierungsbad je¬doch bindet keine Säure, so daß der pH auf 2
hinunterfiel. Trotzdem färbten sich die Schnitte
nicht im geringsten an. Die Formalisierung der
Zellulose ist unterblieben. Das Bild der Kunst¬
harzlagerung wird also nicht gestört, da die auf
ammoniakalische Silberlösung ansprechende
Formalisierung unterblieben ist.
3. Die Anfärbung harnstoffharzbehandelter Fasern mit
ammoniakalischer Silbernitratlösung (Knitterfrei¬
ausrüstung)
Die geringere Waschbeständigkeit der Harn¬
stoff-Formaldehyd-Kondensate äußert sich beim
Harzlagerungsnachweis darin, daß der während
einer halben Stunde erfolgte Silberniederschlagbedeutend kräftiger und die Anfärbung viel
tiefer wird als bei den Melaminharzen. Zur
Verlangsamung der Hydrolyse genügt deshalb
ein kleinerer Zusatz an Alkali zur vorbereiteten
ammoniakalischen Silbernitratlösung: 1 ccm
der getrennt gelagerten Lösung mit 20 ccm
0,05n Natronlauge versetzt, ergibt als Reagensauf Carbamidharze befriedigende Resultate.
a) Verhalten der Harnstoffkondensate in Lösung
Melaminharze fallen bei Anwesenheit der
Kondensationskatalysatoren in der Imprägnier¬flotte nicht als unlösliche flockige Niederschlägeaus. Die Vergrößerung der Harzteilchen bei
längerem Stehen äußert sich nur im Ansteigen
der Viscosität. Aus diesem Grunde kann die
Filmbildung um die einzelnen Fasern bis zu
jenem Punkte im Bilde verfolgt werden, in dem
ein Vordringen in die Kernzone ganz unter¬
bleibt. Die Kondensation der Teilchen ist dann
so weit fortgeschritten, daß sie alle die Fähig¬keit der Diffusion verloren haben.
Etwas anders ist das Verhalten der Carbamid¬
harze. Ihre Kondensation geht in Lösung so
weit, daß eine vollständige Ausflockung als un¬
löslicher, schwammiger Niederschlag erfolgt.Schon etwas vor diesem Zeitpunkt wird die
Flotte für den Ausrüster unbrauchbar. Für ihn
bedeutet dieses Verhalten insofern eine Erleich¬
terung, weil er dadurch im richtigen Moment
gezwungen wird, die Imprägnation abzu¬
brechen. Die Melaminharze geben keinen sol¬
chen Hinweis, und erst die fertig gehärteteWare zeigt durch Griff und Gebrauchswert, in
welchem Stadium der Kondensation das Auf¬
klotzen vorgenommen worden ist.
b) Die Lagerung der Carbamidharze
Die von der Tootal Broadhurst & Lee Co. in
ihrem Patent über Knitterfreiausrüstung ausge¬
drückte Vermutung, wonach das Kunstharz ins
Innere der Faser zu liegen komme, darf als
richtig angenommen werden. Die Beweis¬
führung gestaltete sich zwar etwas komplizier¬ter als bei den Melaminkondensaten, die Resul¬
tate sind jedoch die gleichen. Bei vorschrifts¬
gemäßem Imprägnieren, Trocknen und Härten
sind die Carbamidharze der Faser eingelagert.Der Griff der Ware wird fest, jedoch nicht hart
und rauh. Letztere Effekte treten nur auf bei
Verwendung gealterter Flotten, in denen die
Kondensation schon weit fortgeschritten ist und
das Harz selbst vor der Niederschlagsbildungsteht. Ein beträchtliches Absinken der Scheuer¬
festigkeit kann in keinem Falle vermieden wer¬
den.
Die vorliegenden Knitterfreiausrüstungenwurden alle mit einem technischen, käuflichen
Vorkondensat von Harnstoff und Formaldehydunter Mitverwendung eines Weichmachers aus¬
geführt: 160 g Vorkondensat wurde in der
5fachen Menge Wasser von 80° C gelöst und
nach Abkühlung auf Raumtemperatur mit
6 ccm konz. Ammoniak abgestumpft, 10 g
Ammoniumchlorid in 30 ccm Wasser zugegebenund auf 1 Liter eingestellt. Die Imprägnations-dauer der Kunstseiden betrugjeweilen 5 Sekun¬
den. Nach sofortigem Abquetschen auf 100 %
Feuchtigkeitsaufnahme wurde bei 70° C ge¬
trocknet und anschließend 10 Minuten bei
130° C gehärtet. Zur Herstellung der Bündel¬
querschnitte diente dasselbe Verfahren, wie es
im Abschnitt über Melaminharze beschrieben
worden ist.
Nach den Beobachtungen von Wuhrmann31
färbt sich Mantelviscose mit Kongorot nur in
der Kernzone an. Es wäre deshalb gar nicht er-
26
staunlich, wenn das Kunstharz die Mantel¬
zonen meiden und sich nur im mehr lockeren
Gefüge des Faserkerns ablagern würde. Eine
Vielzahl von Versuchen hat jedoch gezeigt, daß
das Harz sich auch in den Mantelzonen fest¬
setzt. Bei richtiger Einstellung der Beckeschen
Linien erscheinen sie deutlich mit Silber ange¬
färbt, und es sind keine Fehlschlüsse möglich.Etwas störend wirken die sehr häufig auf¬
tretenden, dunkler angefärbten Querstriche im
Faserschnitt (siehe Abb. 4). Diese verlaufen alle
parallel der Mikrotommesserschneide und kom¬
men deshalb zustande, weil das weiche und
elastische Bündelpräparat beim Schneiden in
Fibration gerät. Dadurch entsteht eine leichte
Wellenbewegung aufder Oberfläche des Schnit¬
tes. Wellental und -berg erscheinen bei gleich¬
mäßiger Silberausscheidung dann notgedrun¬
gen etwas heller. Diese Erscheinung ist also be¬
dingt durch das nicht ganz vollkommene Ein¬
bettungsmittel. - Die dunkleren Querstriche be¬
deuten nicht Stellen größerer Harzkonzen¬
tration !
Mit Harnstoff-Formadlehyd behandelte Fa¬
sern ergeben gleiche Querschnittsbilder, wie sie
schon gezeigt worden sind, und neue Photogra¬
phien wären nicht notwendig, wenn für Knitter¬
freiausrüstungen nicht hauptsächlich anorgani¬sche Kondensationskatalysatoren Verwendungfinden würden.
c) Einfluß der Katalysatoren
Es handelt sich um die Frage derFormalisierung(K. Götze und A. Reiff38; Jos. Stadler39; K.
Richter40) .In dieser Arbeit interessiert sie nur
vom Standpunkt der Silberreduktion aus. Schon
früher wurde festgestellt, daß die stärkste der
organischen Säuren, die Ameisensäure, unter
den Bedingungen der Kunstharzbehandlungkeine Formalisierung erzeugen kann, welche auf
die ammoniakalische Silbernitratlösung an¬
sprechen würde. Ammoniumchlorid (haupt¬sächlich zur Knitterfreiausrüstung als Kataly¬sator gebraucht). erweist sich in der Hitze als
starke Säure. Es wirkt nicht nur seiner chemi¬
schen Natur wegen (schwache Base — starke
Säure) sauer, sondern wirkt insofern acidifi-
zierend, als es sich mit dem bei der Kunstharz¬
behandlung immer vorhandenen überschüssi¬
gen Formaldehyd gemäß folgender Gleichung4 NH4C1 + 6 HCHO (CH^.Nj + 4 HCl + 2 H20
unter Bildung von gegen Lackmus neutral re¬
agierendem Hexamethylentetramin und freier
Säure umsetzt41, die eine auf das Silberreagens
ansprechende Formalisierung herbeizuführen
vermag.
Die Kunstseide in Abb. 6 zeigt eine starke
Silberfällung über die ganze Faser. Die Im¬
prägnation wurde mit einer Flotte vorgenom¬
men, welche im Liter 120 g Formaldehyd und
10 g Ammoniumchlorid enthielt, die Trocknungbei 70° C und die Härtung 5 Minuten bei
140°C ausgeführt. Katalysatorkonzentrationund Wärmewirkung sind gleich wie im Falle
der Kunstharzbehandlung. Bei Ersatz des Am¬
moniumsalzes durch 1 ccm konz. Salzsäure war
die Anfärbung nicht tiefer. Beide Katalysatorenhatten also dieselbe Wirkung. Erst unterhalb
10 g Formaldehyd pro Liter blieb die wahr¬
nehmbare Silberausscheidung bei Verwendungvon Ammoniumchlorid aus. 20 g HCHO/Liter
erzeugte im Schnitt schon eine deutliche An¬
färbung.Bei diesen Versuchen ist der Formaldehyd als
freier Körper auf das Gewebe gebracht worden,so daß schon bei der Trocknung der größte Teil
der aufgeklotzten Menge wieder verdampftwurde. Eine Überlegung zeigt, daß bei der
Kunstharzbehandlung die Bedingungen zur
Formalisierung noch viel günstiger liegen. Die
oben angeführten, auf das Reagens noch an¬
sprechenden Konzentrationen von 20 g HCHO/Liter werden bei der Verwendung von Harn¬
stoff-Vorkondensaten sicher auch erreicht, wie
das Diagramm auf Seite 31 deutlich illustriert.
Selbstverständlich wird ein Teil dieses Form¬
aldehydes durch die Kondensation der Harze
noch gebunden und geht der Formalisierungverlustig. Das Harz dient aber gleichzeitig als
Träger von Formaldehyd, welcher gleichsamaufbewahrt und erst im günstigsten Stadium
der Formalisierung, bei Temperaturen über
100°C in Freiheit gesetzt wird (Härtung).Bei der Knitterfreiausrüstung wird durch die
Reduktionsreaktion also nicht nur das Harz,sondern gleichzeitig auch eine Formalisierungder Faser angezeigt. Der Harzeinlagerungs¬beweis bleibt aber trotzdem eindeutig: Würde
das Harz nicht in der Faser liegen, so müßte
mindestens ein Film sichtbar sein, der bei vor¬
schriftsgemäßer Imprägnierung jedoch nicht
auftritt.
Ein weiterer Beweis der Harnstoffharzein¬
lagerung kann so geführt werden, daß als
Katalysator, wie bei den Melaminprodukten,Ameisensäure verwendet wird. Diese hat bei
27
Abb. 6
ersteren leider eine schnelle Kondensation zur
Folge, und die Flotte wird schon nach 2-3 Stun¬
den unbrauchbar. Sofortige Imprägnation nach
Herstellung der Lösung ergibt, wie die mikro¬
skopischen Untersuchungen zeigten, eine klare
Einlagerung in die Faser. Die Anfärbung ist in
diesem Falle aus schon erwähnten Gründen be¬
stimmt nicht durch eine Formalisierung «über¬
deckt» worden.
Die bei Verwendung von anorganischen
Katalysatoren (NH4C1) entstandene Formali¬
sierung der Faser kann durch eine besonders
entwickelte Methode der Querschnittsbehand¬
lung immunisiert werden, das heißt, das formali¬
sierte Gewebe vermag das Silberreagens nicht
mehr zu reduzieren; der einzige damit an¬
sprechende Körper bleibt das Harz selbst.
d) Immuniiieren einer formalisierten Faser gegen die am-
moniakalische Silbernitratlösung
K. Götze, A. Reiff und Jos. Stadler (loc. cit.)
ziehen aus ihren Arbeiten den Schluß, daß in
einer mit Formaldehyd behandelten Zellulose¬
faser dieser zum Teil in gebundener und zum
Teil in polymerisierter Form vorliegt. Der ge¬
bundene Formaldehyd verknüpft nach Schenk42
entweder zwei Hydroxylgruppen des gleichenGlucoserestes oder zwei Hydroxylgruppen von
Glucoseresten benachbarter Zelluloseketten
durch Oxymethylenbrücken. Wohldefinierte
Verbindungen sind bis heute jedoch nur an ein¬
fachen Zuckern erhalten worden43. Im Falle des
Formaldehydes bilden sich Methylenverbin¬
dungen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß
Abb. 7
sie Fehlingsche Lösung nicht reduzieren und
gegen Alkali, nicht aber gegen Säure beständig
sind.
Ob bei der Knitterfreiausrüstung tatsächlich
eine Reaktion mit der Zellulose eintritt, ist für
das Folgende unwichtig. Von Bedeutung ist nur
die Tatsache, daß allfällig gebundener Form¬
aldehyd in alkalischer Lösung nicht befreit wird
und weder Fehlingsche Lösung noch Silber-
diamin zu reduzieren vermag.
Reduzierend wirkt also nur der von den oben¬
genannten Autoren beschriebene ungebundene
Formaldehyd, der in Form von losem Polyoxy-
methylen in der Faser eingelagert sein soll. Von
Götze und Reiff konnten diese PolyVerbin¬
dungen mit 10%iger Natronlauge in 5stündiger
Extraktion herausgelöst werden, deren Anteil
rund 40 % des gesamt eingelagerten Form¬
aldehydes beträgt. Die verbleibenden gebun¬
denen 60 % wurden nachträglich nach einer
analytischen Methode bestimmt. Eigene Ver¬
suche bestätigten tatsächlich, daß nach der Ex¬
traktion im Querschnitt die formalisierten Fa¬
sern von Silberdiamin nicht mehr angefärbtwurden. Die außerordentlich hohe Laugen¬
konzentration zerstört aber auch jeden härt¬
baren Harzkörper. Seine analytische Trennung
von dem ungebundenen Formaldehyd nach die¬
ser Vorschrift ist also nicht möglich. Auch die
Methode von Stadler war ungenügend, der die
Extraktion mit einer verdünnten Natriumsulfit¬
lösung vornahm. Die Fasern gingen die Re¬
duktionsreaktion auch nach der Behandlung
noch ein.
28
Nach der im Folgenden beschriebenen Vor¬
schrift gelingt die eindeutige analytische Tren¬
nung. Die Formahsierung wird immun gegen
die Silberlösung, das heißt, sie erzeugt keine
Metallreduktion mehr, während das Kunstharz
in der Faser erhalten bleibt und mit nur wenigverminderter Anfärbekraft nachgewiesen wer¬
den kann.
Behandlungsvorschrift
10-15 Tropfen einer Lösung, bestehend aus 1 Teil 2n
Soda- und 1 Teil In Natriumsulfitlösung werden in
ein Uhrgläschen von 3 cm Durchmesser gegeben und
2-5 der zu prüfenden Faserquerschnitte so hinzuge¬
fügt, daß keine Luftbläschen an den Schnitten haften
bleiben. Nach 4- bis 5stündigem Stehenlassen bei
Raumtemperatur wird nach der früher beschriebenen
Methode mit einer Kapillare abgesaugt und während
einer halben Stunde zweimal mit Wasser gespült.Direkt anschließend kann die Anfärbeprüfung mit
ammoniakalischer Silbernitratlösung erfolgen, die je¬doch in diesem besonderen Falle mit einer Alkalität
. von 0,ln Natronlauge zu erfolgen hat.
Die Fasern in Abb. 7 sind unter den gleichenkräftigen Bedingungen formalisiert worden
(NH4C1 als Katalysator) .wie diejenigen in
Abb. 6. Nach der oben beschriebenen Behand¬
lung wurde die Formahsierung gegen die
Silberlösung vollständig immunisiert. Der Form¬
aldehyd war herausgelöst; die Anfärbung unter¬
blieb. Im Mikroskop war nur noch ein ganz
schwaches, helles Gelb zu erkennen.
Die Methode ist nicht gültig bei Ausführungim Strang. Das Extraktionsreagens ist viel zu
milde, um die Oxymethylenkörper so weit zu
depolymerisieren, daß sie die stärker orientierte
Faserhaut zu verlassen vermögen. Die Reduk¬
tion von Silberdiamin verläuft in diesem Falle
positiv.Harnstoffharze werden durch organische
Säuren schnell, jedoch nur ungenügend konden¬
siert, so daß eine Prüfung nichtformalisierter, mitCarbamidharz behandelter Fasern mit dem Ex¬
traktionsreagens ungünstig ausfällt. Die Hydro¬lyse und damit die Zerstörung des Harzes gehtviel zu leicht vor sich. Hingegen zeigen die mit
Melàminkondensat behandelten Schnitte nach
der Extraktion mit der Soda-Sulfit-Lösung und
anschließender Silberfärbung kaum eine Farb¬
aufhellung, verglichen mit nur silberbehandel¬
ten Fasern. Die Sulfit-Soda-Lösung vermag also
genügend kondensiertes Harz nicht zu zer¬
stören.
Abb. 8 zeigt eine mit Harnstoffharz knitter¬
frei ausgerüstete Faser, die mit einer jungenFlotte imprägniert worden ist. Die Fasern in
Abb. 9 wurden gerade bei beginnendem Harz¬
ausfall geklotzt. Das erste Bild (8) zeigt voll¬
ständige Faserdurchdringung ohne Filmbil¬
dung. Das Gewebe war von festem, jedoch nor¬
malem Griff. Die Fasern in Abb. 9 sind nicht nur
harzdurchdrungen, sondern auch von einem
Film umgeben. Die Ware zeigte harten, unan¬
genehmen Griff. Beide Faserquerschnitte (Abb.
8, 9) sind mit dem Extraktionsreagens (Soda-
Sulfit-Lösung) behandelt worden. Die Anfär¬
bung kann also nicht von der Formahsierung,sondern nur vom Harz allein stammen. Die
nicht extrahierten entsprechenden Schnitte sind
durch die zusätzliche Formahsierung nur wenigdunkler angefärbt worden, so daß die geringenFarbunterschiede in der Photographie gar nicht
hätten erfaßt werden können.
Vor allem Abb. 9 illustriert deutlich, daß die
Vergrößerung der einzelnen Harzteilchen in
Lösung verschieden schnell vorwärtsschreitet.
Während die einen noch diffusionsfähig sind,haben die andern bereits schon jene Größe er¬
reicht, die das Eindringen in die Faser verun-
möglicht. Sie umschließen als harter Harzfilm
die Einzelfasern. Der Übergang zur filmbilden¬
den Flotte ist nicht plötzlich. Vielmehr trübt
sich die Lösung ganz allmählich. Der Grad der
Filmbildung steigt, und von einem bestimmten
Moment an geht die flockige Niederschlags¬bildung sehr schnell vor sich. Eine Imprägna¬tion, kurz vor dem Milchigwerden der Flotte
durchgeführt, gibt der Ware bereits zu harten
Griff.
Die Imprägnation sollte deshalb frühzeitigunterbrochen und die alte Flotte durch eine
neue ersetzt werden. Zeitliche Angaben können
leider keine gemacht werden, da die Haltbarkeit
der Harzlösungen stark von den Lösebedin¬
gungen abhängig ist. Hingegen könnte mit einer
noch zu beschreibenden Titrationsmethode der
kritische Punkt festgestellt werden.
e) Kondensationsverlauf in der Harzflotte
Während das Fortschreiten der Kondensation
bildlich erst vom Moment der Filmbildung an
beobachtet werden kann, gestattet die Form-
aldehydtitrationsmethode nach G. Romijn44 den
Kondensationsverlauf von Anfang an zu ver¬
folgen :
HCHO + H20 + J2 = 2 HJ + HCOOH
29
Abb. 8
Von der auf Seite 26 beschriebenen Vorkon-
densatlösung wurde jeweilen 5 ccm in einem
Meßkolben auf 200 ccm aufgefüllt und davon
20 ccm auf den momentan freien Formaldehyd
geprüft. Sie wurden mit 40 ccm n/10 Jodlösungund gleich darauf tropfenweise mit starker
Natronlauge versetzt, bis die Farbe in Hellgelb
umschlug und hernach jede Probe genau eine
halbe Stunde stehengelassen. Nach kräftigem
Ansäuren mit Salzsäure wurde die nicht ver¬
brauchteJodmenge mit n/10 Natriumthiosulfat-
lösung zurücktitriert (siehe folgende Tabelle).
Freier Lösliches
FlottenalterAussehen der Flotte
HCHO pro Harz pro
in Stunden Liter Flotte Liter Flotte
«" = CCH20 S/1 = CHarz
0 Klare Losung .... 67,8 124,3
l Klare Losung .... 67,7 123,5
2 Klare Losung .... 65,4 123,6
3 Klare Losung .... 63,0 123,3
4% Klare Lösung .... 56,2 121,5
6 Milchigtrube Losung . 43,65 121,2
7 Starker Harzausfall. . 34,65 109,4
m Starker Harzausfall. . 32,1 99,8
9 Starker Harzausfall. . 25,8 71,0
12 Starker Harzausfall. . 20,1 48,2
23 Starker Harzausfall. . 17,25 32,7
Tabelle zu den Kurven CcHiO und CHarz im Diagramm aufSeile 31
Kolonne Cch20 erfaßt den mit der Romijn-schen Methode bestimmbaren Formaldehyd.Die dazugehörige Kurve zeigt deutlich, daß die
erfaßbare Menge Formaldehyd trotz augen-
Abb.9
scheinlich unveränderter Flotte abnimmt. Die
reaktionskinetische Kurve springt auch im
Moment des starken Harzausfalles nicht aus
ihrer Bahn. Dabei wurde die Titration jeweilenmit der klaren, nitrierten Lösung vorgenommen.Zusätze von ausgeschiedenem Harz änderten
die Resultate keineswegs. Jod vermag also nur
sogenannten freien Formaldehyd zu oxydieren.
Der schwammige Harzniederschlag bleibt auch
bei längerer Einwirkung der alkalischen Jod¬
lösung unverändert. Die Hydrolyse ist so gering,daß die Titrationsresultate nach Oxydation des
freien Formaldehydes bei verschiedener Lage¬
rungszeit nicht beeinflußt werden. Das Fallen
der Kurve ist durch die Kondensation bedingt.
Die größer werdenden Harzteilchen binden im¬
mer mehr und mehr Formaldehyd, welcher der
Oxydation entgeht. Die zeitlich wachsenden
Abszissen zeigen gleichzeitig also auch das
Wachsen der Moleküle in der Flotte an.
Nach Einstellung des Gleichgewichtes zwi¬
schen Bodenkörper und Lösung ist immer noch
so viel freier Formaldehyd vorhanden, daß un¬
bedingt eine aufdas Silberreagens ansprechende
Formalisierung eintreten muß (siehe Seite 27
Abschn. c). Zudem gibt das Harz beim Härten
noch sehr viel Formaldehyd ab, so daß die Be¬
dingungen zur Formalisierung noch günstiger
liegen. Über den Grad der Formalisierung kön¬
nen keine Angaben gemacht werden, da ent¬
sprechende Prüfungen nicht durchgeführt wur¬
den. Für die vorliegende Arbeit ist auch nicht
von Bedeutung, ob eine feste Verbindung zwi¬
schen Formaldehyd und Zellulose bei der Knit-
30
Kondensationsvorgangb
ei
30,0°
Cinder
Hamstoff-Formaldehyd-Vorkondensatlösung(
160
gje)
mit
Ammoniumchlorida
ls
Katalysator
pH<^o
4,5-5,0
ZEIT
IN
STUNDEN
terfreiausrüstung in Gegenwart von Ammonium¬
chlorid als Katalysator eintritt. Wichtig ist nur
die Feststellung, daß eine auf Silberdiamin tat¬
sächlich ansprechende Formalisierung entsteht.
Die viel diskutierte Frage, ob bei der Knitterfrei¬
ausrüstung eine Formalisierung eintrete oder
nicht, ist nur für den speziellen Fall bei Ver¬
wendung von Ammoniumchlorid und Ameisen¬
säure entschieden.
Für den Ausrüster scheint die Titrationskurve
nur theoretischen Wert zu besitzen. Tatsächlich
läßt sich aber damit der Zeitpunkt des Harz¬
ausfalles vorherbestimmen. Die Werte der Kur¬
ven A, B und Cch20 sind Messungen aus ver¬
schiedenen Lösungen. Sie zeigen zwei Merk¬
male:
1. Der Formaldehydgehalt der Lösungen A,
B und C ist im Flottenalter Null (Zufügen des
Katalysators) verschieden, obwohl sie alle gleichviel Harnstoffvorkondensat enthalten. Diejeni¬
gen mit einem niedrigeren Gehalte an me߬
barem Formaldehyd zeigen früheren Harzaus¬
fall als diejenigen mit höherem Gehalte. An¬
scheinend ist die Kondensation der Lösung A im
Zeitpunkt Null schon bedeutend weiter fort¬
geschritten als in Lösung C. Tatsächlich wurde
C vorschriftsgemäß bei 80°C gelöst, während A
nochmals kurz auf Siedetemperatur erhitzt
wurde. Die Lösungsbedingungen von B waren
ganz entsprechend ihrer Stellung im Dia¬
gramm. Die verschiedene Haltbarkeit der
Flotten ist bei gleicher Acidität und Lagerungs¬
temperatur also stark von den Bedingungen ab¬
hängig, unter denen sie hergestellt worden sind.
2. Ein allen Lösungen gleiches Merkmal ist
die Formaldehydkonzentration im Zeitpunktdes Harzausfalles (zirka 36-38 g pro Liter). Da
diese Zahl für ein und dasselbe Vorkondensat
bei gleichen Harzkonzentrationen eine Kon¬
stante darstellt, kann nach ihrer einmaligen Be¬
stimmung der Harzausfall auf mindestens drei
Stunden vorhergesagt werden, da die Kurven
außerordentlich gleichmäßig verlaufen und
nach den ersten Titrationsresultaten hypothe¬tisch weitergezeichnet werden können. Da¬
durch läßt sich ziemlich genau bestimmen, wie
lange die Flotte zur Imprägnation brauchbar
bleibt.
Kurve bzw. Kolonne CHarz gibt den im be¬
treffenden Zeitpunkt noch löslichen Harzanteil
pro Liter Flotte der Lösung G an. Es wurden je
5 ccm bei 100°C verdunstet und der Rückstand
bei 140°C eine halbe Stunde gehärtet. Der nie-
Abb. 10
drige Anfangswert (124,3 g) zeigt deutlich, daß
während der Härtung eine beträchtliche Menge
an Formaldehyd abgespalten wird, sind doch
ursprünglich 160 g Vorkondensat pro Liter ge¬
löst worden.
Auch die Kurven A und B besitzen analogeKurven AHarz und BHarz, die jedoch entspre¬
chend dem früheren Harzausfall nach links ver¬
schoben wären.
f) Wanderungserscheinung des Harzes
Während den vielen Versuchen wurde sehr oft
die Beobachtung gemacht, daß unter gewissen
Bedingungen die Fasern nicht alle gleichmäßigmit Kunstharz beladen waren. Beim Trocknen
einer größeren Warenmenge trat diese Er¬
scheinung nie auf, kleine Chargen zeigten fast
ohne Ausnahme eine Wanderung des Harzes an
die Bündeloberfläche (siehe Abb. 10).Eine Erklärung konnte anfangs nicht ge¬
geben werden, wurden doch bei allen Ver¬
suchen die Trocknungstemperatur auf 70°C ge¬
halten und die Härtung bei 130-140° C durch¬
geführt.Die genau gleiche Beobachtung machte C. C.
Wilcogk45. Er schreibt: «Wanderungserschei¬
nungen können bei verschiedenen Trocknungs¬
bedingungen bei allen Geweben auftreten, die
mit Materialien imprägniert worden sind,
welche nur kleine oder gar keine Affinität zur
Faser haben, wie zum Beispiel gewisse Farb¬
stoffe und Harzkörper. Ein Fibro-Gewebe wur¬
de mit einem Farbstoff geringer Affinität, Dur-
azol Blue 8GS gefärbt und von einer Seite her
32
mit einem heißen Luftstrom getrocknet. Das
Gewebe war auf der Seite des aufprallendenHeißwindes viel dunkler gefärbt, weil auf dieser
Seite die Lösung viel schneller verdampfte und
notgedrungen eine Wanderung eintreten mu߬
te.» Ähnliche Unregelmäßigkeiten beobachtete
Wilgock an entsprechend knitterfrei behandel¬
ten Geweben nach Anfärbung mit harzaffinen
Farbstoffen.
Eigene Versuche lieferten analoge Resultate.
Die Trocknung der imprägnierten Ware wurde
immer im gleichen Schrank ausgeführt. Bei der
Ausrüstung größerer Garnmengen dauerte die
Trocknung bis zu einer halben Stunde, während
kleine Mengen in wenigen Minuten trocken
waren. Bei der letzteren war die Verdampfungs¬geschwindigkeit auf der Bündeloberfläche sehr
groß. Die Harzlösung konzentrierte sich nur
einseitig, und die Folge davon war, daß die
äußere konzentrierte Lösung sich zu verdünnen
suchte und notgedrungen eine Wanderung von
innen nach außen entstand.
Für diese Wanderung des Harzes ist also nicht
in erster Linie die herrschende Temperatur ver¬
antwortlich, sondern allein die Trocknungsge¬schwindigkeit, die abhängig ist von der Luftum¬
wälzung, dem Verhältnis von Warenmenge und
Raum und in zweiter Linie von der Temperatur.
g) Allgemeines über den Harznachweis
Der Großteil der Versuche wurde mit Viscose-
kunstseide durchgeführt. Die Harznachweis¬
methode ist aber auch gültig für Leinen und
Baumwolle. Aussagen über das Verhalten dieser
Fasern, dem Kunstharz gegenüber können je¬doch noch keine gemacht werden, da vorläufigzu wenig Tatsachenmaterial vorliegt.Vor allem Abb. 10 beweist, daß Stellen ver¬
schiedener Harzkonzentrationen durch die
Menge der Silberausscheidung, also durch die
Farbtiefe angezeigt werden. Viscosestränge, die
mit Flotten verschiedener Harzkonzentration
imprägniert (20, 40, 60, 80 g Melaminvorkon-
densat/Liter), miteinander getrocknet und ge¬härtet worden sind, lassen sich im Mikroskopnach der Anfärbung außerordentlich gut unter¬
scheiden (schwach braun, hellbraun, braun,dunkelbraun). Es ist jedoch gewagt, aus der
Farbtiefe unbekannter imprägnierter Gewebe
auf die Harzbeladung zu schließen, denn stark
auskondensierte Ware färbt sich im allgemeinenetwas weniger stark an als schwach kondensierte
gleicher Harzkonzentration.
Die Blindprobe in Abb. 3 ist nach der Behand¬
lung mit ammoniakalischer Silbernitratlösungvollständig farblos geblieben. Stark geschädigteZellulose (oxydierte, lichtgeschädigte) färbt sich
aber je nach dem Zerstörungsgrad mehr oder
weniger an. Die Silberausscheidung ist vor
allem bei Anfärbung im Strang leicht zu er¬
kennen. Die durch den sauren Katalysator und
die hohe Härtungstemperatur der Faser zuge¬
fügte Schädigung erreicht jedoch die Empfind¬lichkeitsgrenze der sichtbaren Silberausschei¬
dung nicht.
IV. Zusammenfassung
1. Es wurde eine Methode gesucht zur Be¬
stimmung der Kunstharzlagerung in imprä¬gnierten Zellulosefasern. Sie wurde an tech¬
nischen Melamin-, bzw. Harnstoff-Formalde¬
hyd-Kondensaten entwickelt und ist allgemeinfür härtbare Harze gültig, die bei der HydrolyseFormaldehyd abspalten.
2. Die Sichtbarmachung der Kondensate
durch Anfärben mit harzaffinen, zellulose¬
reservierenden Farbstoffen lieferte nur unge¬
nügende Resultate, indem das in der Faserrand¬
zone gelagerte Harz nicht angezeigt wird.
3. Das Harz selbst konnte nicht zu einem
Farbkörper umgewandelt werden, der die ge¬
stellten Bedingungen erfüllte. Die Nitrosierungder sekundären Aminogruppen ergab nur an
Stellen hoher Harzkonzentration ein sehr
schwaches Gelb.
4. Hingegen liefert die Kontaktreaktion zwi¬
schen Kondensat und Tollenscher Lösung eine
kräftige, gut sichtbare Silberausscheidung. Die
alkalische Lösung bewirkt primär eine Hydro¬lyse und setzt Formaldehyd frei, welcher sekun¬
där das Silberdiamin zum freien Metall redu¬
ziert.
5. Beim Betrachten der Fasern im Schnitt
muß die Silberanfärbung ebenfalls mit dem
mikroskopischen Schnittpräparat vorgenom¬
men werden. Nur bei dieser Arbeitsweise ent¬
stehen gültige Bilder der Harzlagerung.6. Die Mikrophotographien bestätigen, daß
das ausfallende Silber am Orte der Formalde¬
hydabspaltung abgelagert wird. Das Harz wird
deshalb an seinen eigentlichen Lagerstellen an¬
gezeigt. Eine weitere Bestätigung für die Rich¬
tigkeit der Bilder liefert die Nitrosierung der
33
stickstoffhaltigen Kondensate, bei der diese
selbst zum Farbkörper werden.
7. In der Imprägnationslösung geht die Kon¬
densation, also das Größerwerden der Harz¬
teilchen, bei Gegenwart der Katalysatoren un¬
aufhaltsam vor sich. Ein mit einer jungenFlotte imprägniertes Gewebe zeigt normalen
Griff. Die Fasern sind harzdurchdrungen. Mit
steigendem Flottenalter wird der Griff der
Ware immer fester. Die Harzteilchen verlieren
allmählich ihre Diffusionsfähigkeit. Sie lagern
sich als faserumschließenden Film ab, und das
Gewebe wird mit wachsendem Kondensations¬
grad härter.
8. Die Haltbarkeit einer Kunstharzlösung ist
stark von den Bedingungen abhängig, unter
denen die Vorkondensate gelöst wurden (siehe
Tabelle und Diagramm).9. Ameisensäure als Kondensationskatalysa¬
tor vermag während der Kunstharzbehandlung
keine Formalisierung der Zellulose herbeizu¬
führen, wohl aber Ammoniumchlorid. Ob im
letzteren Falle eine Formalisierung im Sinne
von Götze, Reiff und Stadler vorliegt (ge¬
bundener und nicht gebundener Formaldehyd),
wurde nicht näher untersucht.
10. Polymerer, eingelagerter Formaldehyd
kann mit einer Soda-Sulfit-Lösung aus der
Faser extrahiert werden, wobei genügend ge¬
härtetes Kunstharz zur folgenden Nachweis¬
reaktion erhalten bleibt.
Die Harnstoffharzimprägnierung wird auch
im extremsten Fall kaum soweit getrieben, daß
kein Harz mehr die Faser durchdringt. Es ist
deshalb nur von Interesse, ob bereits eine Film¬
bildung eingetreten sei oder nicht; diese kann
aber beobachtet werden, ohne daß die Extrak¬
tionsbehandlung vorgenommen wird. Sie diente
im Laufe der Arbeit lediglich zur Beweis¬
führung.
34
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20 Goldschmidt, B. 29, 2438 (1896).
21 Dixon, Trans. Chem. Soc. 113, 247 (1918).
22 G. Walter, Koll. Beih. 34, 163 (1931).
23 G. Walter, Wien, Die Kondensation von Harnstoff und
Formaldehyd; s. a. Z. Ang. 1936, 68.
24 Widmer, Frey: s. Houwink14, 278.
25 A. 70,48(1834).
26 R. Köhler, Koll.-Zeitschrift 103, 138 (1943).
27 W. Pässler, Allg. Text.-Zeitschrift 1944, 246
28 Rosenthaler, Der Nachweis organischer Verbindungen,
1923, 515.
29 E. Elöd, Z. Ang. 1938, 49.
30 E. Elöd, s. 8, 463.
31 K. Wuhrmann, Helv. Chim. Acta 28, 666 (1945).
32 H. Rath, Melliands Text.-Ber. 1941, 477.
33 Tollen, B. 15, 1635 (1882).
34 O. Loew, Th. Bokorny, B. 14, 2509 (1881).
35 Tollen, Sai.dowski, B. 15, 1828 (1882).
36 G. Schwen, Melliands Text.-Ber. 1942, 30.
37 Geiger, Helv. Chim. Acta, 28, 283.
38 K. Götze, A. Reiff, Zellwolle, Kunstseide, Seide 1941,
129 und 331.
39 J. Stadler, Melliands Text.-Ber. 1942, 593.
40 K. Richter, Zellwolle, Kunstseide, Seide 1942, 635.
41 Chwala, Textilhilfsmittel, Jul.-Springer-Verlag 1939, 417.
42 Schenk, Helv. Chim. Acta 14, 520 (1931) und 15, 1088
(1932).
43 Vgl. Micheel, Chemie der Zucker- und Polysaccharide,
Leipzig 1939, 102 ff.
44 F. P. Trfadwell, Lehrbuch der anal. Chemie II. 1930,
597.
45 C. C. WiLcocK,Dyer, Dezember 1945, 495.
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LEBENSLAUF
Am 26. Januar 1923 wurde ich als Sohn der
Emma und des Hans Bernegger-Graf in Flawil
geboren. In St.Gallen besuchte ich die Primar¬
schule, trat 1936 in die Kantonsschule über, be¬
suchte während zwei Jahren das Gymnasium
und erhielt im Herbst 1942 das Maturitätszeug¬
nis naturwissenschaftlicher Richtung (Typus C).
Anschließend trat ich in die Chemische Ab¬
teilung der Eidgenössischen Technischen Hoch¬
schule in Zürich ein und bestand im Frühling
St.Gallen, den l.Juli 1947
1946 die Diplomprüfung als Ingenieur-Chemi¬
ker.
Seither war ich an der Eidgenössischen Mate-
rialprüfungs- und Versuchsanstalt, Hauptabtei¬
lung C, in St.Gallen, tätig, wo die Versuche für
die vorliegende Dissertationsarbeit durchgeführt
wurden. Daneben verrichtete ich laufende Ar¬
beiten des Institutes und wirkte als Hilfslehrkraft
an der Handels-Hochschule St.Gallen.
Rolf Bernegger
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