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M sa aerztenetz nw_310113

Date post: 22-Jun-2015
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Macht und Ohnmacht der Experten Markus Saurer Retraite I/2013 31. Januar 2013 Novartis Campus, Basel
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Macht und Ohnmacht der ExpertenMarkus Saurer

Retraite I/201331. Januar 2013Novartis Campus, Basel

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Markus Saurer | 31. Januar 2012 | Macht und Ohnmacht der Experten | Retraite Ärztenetz Nordwest 2

VORBEMERKUNGEN I

TESTIMONY BY EXPERT WITNESSES (Gutachter in Rechtsstreitigkeiten, USA)

A witness who is qualified as an expert by knowledge, skill, experience, training, or education may testify in the form of an opinion or otherwise if:

a) the expert’s scientific, technical, or other specialized knowledge will help the trier of fact to understand the evidence or to determine a fact in issue;

b) the testimony is based on sufficient facts or data;

c) the testimony is the product of reliable principles and methods; and

d) the expert has reliably applied the principles and methods to the facts of the case.

Selbst Nobelpreisträger müssen erst ihre Glaubwürdigkeit anhand dieser Punkte belegen. Und dies wird von den Richtern ebenso seriös geprüft wie die Daten und Fakten des Falls erwogen werden.

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VORBEMERKUNGEN II

• Ich bin kein anerkannter Experte in der Frage „Macht und Ohnmacht der Experten“(naja, Prof. Borner auch nicht)

• kein prominenter öffentlicher Intellektueller(nun, Prof. Borner schon)

• aber

• Begleiter von Studien und Expertisen (Seite des Auftraggebers)(Bundesamt für Verkehr, Stv. Sektionschef Planung)

• interner Berater in Liberalisierungsfragen und interner Strategieberater(GD PTT Unternehmensentwicklung, Leiter Ökonomie)

• interner Experte in einer Untersuchungsbehörde(Sekretariat Wettbewerbskommission WEKO, Vizedirektor, Leiter Produktemärkte)

• Leiter einer Beratungsfirma /Auftragnehmer von Studien, Expertisen und Strategieberatungen(Plaut Economics bei Plaut AG - heute als Polynomics AG verselbständigt)

• heute als selbständiger Berater in Expertenbereichen tätig(mit ad hoc Partnern wie Prof. Borner und IWSB AG)

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VORBEMERKUNGEN III

• Merkur-Sonderheft ist ausgezeichnete Grundlage

• ich erzähle von meinen Erfahrungen und streuetheorie- oder thesenartige Überlegungen ein

Inhalt:

• Öffentliche Intellektuelle (Posner)

• Wissenschaftstheorie und Wissensgeneration

• Politische Ökonomie und Eigennutz

• Parteiexperten und "neutrale" Experten

• Instrumentalisierung der Experten

• Auftraggeber wollen Zahlen (und somit angelogen werden)

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ÖFFENTLICHE INTELLEKTUELLE

“A public intellectual is an individual who writes or speaks on issues ofpolitical or ideological moment ... addressing a general, educated public. Socrates was the first public intellectual in the modern sense.”

“In recent years, the rapid growth of the media has led to an

1. increasing number of highly visible forms for discussion,

2. while greater academic specialization has yielded a proliferation of narrowly trained scholars.

The intersection of these two trends has resulted in modern academics’ writing and commenting on topics outside their ken. … the quality of today’s punditry is degraded by narrow vision and the often instant demand for media-savvy expertise.” [Zitate von Posners Umschlagtext]

ken = geistiger Horizontmedia-savvy = medienwirksam, die Medien für bestimmte

Zwecke ausnützend

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WISSENSCHAFT UND WISSEN

Wissenschaft ist nicht wertneutral, sondernbestenfalls werturteilsfrei (Weber, Popper u.v.a.).(Von Beratern/Experten werden aber Werturteile verlangt.)

Wissensgeneration und Anmassung von Wissen (F. A. von Hayek, Rede zum Nobelpreis, 1974):

• Ordnung ist spontanes Resultat menschlichen Handelns. Der Markt bildetim Preissystem alle relevanten Informationen ab und führt zu sinnvollenAllokationen.

• Eine zentrale Planung kann nicht über die Informationen verfügen, die sie für vernünftige Allokationsentscheide benötigen würde. "Sozialingenieure" massen sich Wissen an, das sie nicht haben.

• Ökonomische Modelle sind kaum in der Lage, die "unorganisierte Komplexität" in der Vielfalt der beteiligten Variablen adäquat abzubilden.

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POLITISCHE ÖKONOMIE UND EIGENNUTZ

• Es gibt natürlich auch Altruismus und selbstlose individuelle Einsätze für die Gesellschaft (Common Good), sogar wohlmeinende Diktatoren kann man sich vorstellen...

• aber die beste Übereinstimmung mit der Realität erzielt die ökonomische Theorie der Politik und der Verwaltung, wenn sie eigennützige Politiker und Beamte unterstellt.

• Genauso wie mit der Annahme eigennütziger Akteure in den Märkten die besten Ergebnisse erzielt werden.

• In diesem Sinne sollte auch von der Annahme ausgegangen werden, dass Berater und Experten eigennützige Ziele verfolgen. Das macht sie manipulierbar.

• Das Common Good, das Gemeinwohl, lässt sich selbst in nahezu perfekten demokratischen Prozessen nicht widerspruchsfrei bestimmen (Condorcet Paradox, Arrow-Unmöglichkeitstheorem) – es sei denn, es werde Einstimmigkeit verlangt (doch dann sind die Koordinationskosten prohibitiv).

• Ich bin der Meinung, dass das KVG 1995 teilweise versagt hat, weil es nicht durchwegs mit eigennützigen Akteuren gerechnet hat.

James M. Buchanan Jr.3. 10.1919 – 9. 1. 2013

Nobel Prize 1986"For his development of the

contractual and constitutional bases for the

theory of economic and political decision-making"

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PARTEIEXPERTEN UND "NEUTRALE" EXPERTEN

• Parteigutachten in Rechtsverfahren sowie Auftragsstudien von interessierten Kreisen (Parteien, Verbände, Unternehmen, Private) sind den Behörden und den Medien in der Schweiz "suspekt". "Gefälligkeitsgutachten", "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing" "Verbandsgutachten", "Studie im Auftrag von Interpharma" ....

• Hohe Akzeptanz geniessen Gutachten und Studien, die von Politik und Behörden bei "neutralen" Experten (Uni, Fachhochschulen) in Auftrag gegeben werden. "wissenschaftliches Gutachten", "wissenschaftliche Studie" "Gutachten der ETH", "Studie der Uni Basel"

• Diese Differenzierung ist im Lichte der vorne angestellten Überlegungen nicht gerechtfertigt!

• Wissenschaft wird von Personen betrieben und ist nicht neutral.

• Experten und Behörden verfolgen ebenso ihre Interessen wie "interessierte Kreise".

• Der wissenschaftliche Diskurs sollte unabhängig von der Herkunft der Argumente gepflegt werden.

• Verfahren: Kontradiktorisch. (Vgl. auch Expert Witnesses im anglo-amerikanischen Rechtsraum)

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INSTRUMENTALISIERUNG DER EXPERTEN I

Konkrete Beispiele werden nur mündlich geliefert... heikel.

Fiktive Beispiele

• Bundesrat X zu Amtsdirektor: "Geben Sie Prof. Y wieder einmal einen Studienauftrag, vielleicht können wir so seine kritische Haltung beeinflussen."

• Amtsdirektor zur Auswahl unter Offerenten:"Wir erteilen den Auftrag dem Büro Z – auf diese Weise können wir auch die Linken für die Sache gewinnen."

Evaluationen

• Die zu evaluierenden Behörden bestimmen oft die Evaluatoren gleich selber und übernehmen die Oberleitung der Evaluation. Selbstevaluation – z.B. zur Kartellgesetzrevision 2003.

• Als Offerenten für eine Evaluation einer BAG-Raucherkampagne werden Raucher ausdrücklich ausgeschlosssen (das war wahrscheinlich sogar illegal).

Fortsetzung nächste Folie

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INSTRUMENTALISIERUNG DER EXPERTEN II

Länderexamen durch supranationale Organisationen

(Ich war als Mitarbeiter des Bundesamts für Verkehr an einem OECD-Länderexamen betreffend Verkehrspolitik und als Mitglied des Sekretariats der WEKO an einem OECD-Länderexamen betreffend Wettbewerbspolitik beteiligt.)

• Die internationalen Inspektoren haben keine Ahnung von den nationalen Verhältnissen und sind so von den Examinierten (Behörden) abhängig.

• Man kennt sich und beisst sich nicht – ganz im Gegenteil: Länderexamen sind eine ausgezeichnete Gelegenheit, Forderungen nationaler Behörden auf die internationale Ebene zu heben.

• Wer Textrohstoffe liefert hat das Sagen.

Krass: Das letzte OECD-Länderexamen zur CH-Wettbewerbspolitik wurde von einem Schweizer Prof. geleitet, der kurz zuvor noch als Vizedirektor im Sekretariat der WEKO geamtet hatte. Im Schlussbericht wurden millimetergenau die Forderungen das damaligen WEKO-Präsidenten als Empfehlungen der OECD an die Schweiz formuliert.

... oder was die österr.

Verwaltung Österreich rät?

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AUFTRAGGEBER WOLLEN ZAHLEN

Mittwoch, 30. Januar 2013, Medienmitteilung Economiesuisse

Energiestrategie: Zwei Dekaden Wachstumseinbussen?

Neue ETH-Studie ermittelt massiven Einfluss auf Bruttoinlandsprodukt

Die volkswirtschaftlichen Konsequenzen der bundesrätlichen Energiestrategie 2050 sind gravierender als bisher angenommen. Bleiben heute noch unbekannte Technologiesprünge aus, drohen der Schweiz je nach Szenario Einbussen von bis zu 25 Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts. Zu diesem Schluss kommen die Autoren einer Studie, die economiesuisse bei Professor Egger der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich in Auftrag gegeben hat. Grund für die markanten Abweichungen von den Prognosen des Bundes ist die Verwendung von anderen Annahmen.

vgl. auch Beitrag in NZZonline.

• Ecoplan und eine ETH-Studie (nicht ETH/KOF) sind im Auftrag des Bundes auf kaum spürbare Auswirkungen gekommen.

• Borner et al. haben sich in verschiedenen Studien zur Energiestrategie geweigert, quantitative Schätzungen anzugeben!

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FOLGERUNGEN

• Öffentliche Intellektuelle können grossen Einfluss (Macht ist m.E. übertrieben) haben. Das ist dort kein Problem, wo sie wirklich gut sind. Und das ist dort gefährlich, wo sie nicht mehr Kompetenzen haben als der "Mann auf der Strasse".

• In der Schweiz haben Parteiexperten kaum, "neutrale" externe Experten im Auftrag der Verwaltung scheinbar grossen Einfluss.

• Aus wissenschaftstheoretischen (Nichtneutralität der Forschung, Wissensanmassung) und politisch-ökonomischen Gründen (Eigennutz der Akteure) können die Experten gesteuert und instrumentalisiert werden. Einfluss oder Macht können die Auftraggeber ausüben. Die Experten werden zum Spielball von Partikularinteressen unter Steuerung der Verwaltung.

• Korrekturfaktoren: • Kontradiktorische Verfahren mit Gutachten und Gegengutachten.

• Kritische Presse und Öffentlichkeit – Problematik thematisieren.

• Wettbewerb spielen lassen – auch wenn dieser mehr kostet.

• u.a. – abhängig vom konkreten Fall.


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