Peressigsäureein faszinierendes Stoffsystem aus chemischer
und anwendungstechnischer Sicht
Dr.-Ing. Gerd SchreinerDiplom-Chemiker
„Peracetic acid is the best desinfective agent
in the world.“
Peressigsäure ist das beste Desinfektionsmittel der Welt.
Robert A. Simms,Solvay Interox Ltd., Warrington, U.K.
Bob Simms
Schwerpunkte
• Historische Meilensteine der PES-Desinfektion • Was ist PES wirklich?• PES ist nicht gleich PES: Wofasteril und sein Pendant im
Westen• Stabilität von PES als Konzentrat und Gebrauchslösung:
Peroxidzerfall und Hydrolyse• Anwendungslimitierende Eigenschaften der PES:
Korrosivität und Geruch• Ansatzpunkte der Eigenschaftsoptimierung: selektive
Neutralisation der Gleichgewichts-Essigsäure • Das Wofasteril-Kombiverfahren und seine Leistungen
MeilensteineJahr Ereignis Folgen1902 Freer und Novy publizieren in
den USA erstmals über die bis dahin einzigartige Mikrobizidie v. „hydrolyzed Diacetlyperoxide“
-
1912 d‘Ans und Frey (TH Darm-stadt) veröffentlichen „Direkte Darstellung von Persäuren“.
Name „Peressigsäure“statt des richtigeren „Acetylhydroperoxid“, Image der Explosivität
1951 Greenspan u. MacKellarentkeimen Tomaten von Hefen u.Schimmelpilzen: PES ist Nr. 1
Regt Arbeit von Lowings an
1956 Lowings setzt PES in der Graf-schaft Kent bei Erdbeeren zum Schutz vor Grauschimmel ein.
1960 Kline und Hull berichten über sensationelle viruzide Effekte der PES
Es etablieren sich zwei Arbeitsgruppen in Prag und Erfurt
Wirkungsvergleich PES und H2O2(aus: P.C. Freer u. F.G. Novy: Am Chem J. Vol. XXVII,March, 1902, No. 3, p161 – 192Laboratories of General Chemistry and of Hygiene, University of Michigan
1. 3. 5. 10. 15. 30. 60. 1. 3. 5. 10. 15. 30. 60.B. pyocyaneus - - - - - - - + + + + + + +B. coli - - - - - - - + + + + + + +B. thyphosus - - - - - - - + + + + + + +B. diphtheriae - - - - - - - + + + + + + +Vib. Cholerae - - - - - - - - - - - - - -S. pyog. aureus - - - - - - - + + + + + + +Strept. pyogenes - - - - - - - + + + + + + +Spores anthrax B. + - - - - - - + + + + + + +Spores hay B. + - - - - - - + + + - - - -Spores potato B. + - - - - - - + + + + + + +
MinutesHydrolyzed Acetyl Peroxide, 0,026 % AO Hydrogen Peroxide, 0,05 % AO
Minutes
Freer +
Novy
Acetylierungsstufen
Atomkalottenmodell des Acetylhydroperoxides („PES“)
H C
O
-O-OHHydroperoxid-gruppe
CH3CO-
O
OAcetyl-
Wirkschema
Die Resultate von Kline und Hull auf einen Blick:0,04 % PES führten beim Poliovirus Typ I zu einer Titerreduktion von 7,5 log-Stufen.
Für den äquivalenten Effekt waren erforderlich:
Wirkstoff Konzentration EinwirkzeitWasserstoff-peroxid
75fach 15fach
Formaldehyd 125fach 6fach
Phenol 500fach 250fach
Bei den meisten der geprüften Wirkstoffe und Handelsprodukte wurde eine solche Titerreduktion überhaupt nicht erreicht.
Meilensteine IIJahr Ereignis Folgen1961 Sprößig (Prof. f. Medizinische
Mikrobiologie) und Mücke(Chemiker) beginnen mit Forschungsarbeiten zur PES-Herstellung und -Anwendung an der Medizin. Akademie Erfurt.
1963 Sprößig und Mücke tragen im Oktober zum Hygienekongreß in Leipzig erstmals über die viruziden Effekte von PES/Alko-holmischungen vor
1966 Symposium „Peressigsäure“ in Prag unter Leitung von Prof. B.Tichacek (Militärmed. Institut für Hygiene)
Kollegiale Kooperation der Arbeitskreise in Erfurt und Prag
1968 Kooperation zwischen der MedAk Erfurt und der Pharmasparte der Farbenfabrik Wolfen (Möhring)
Entwicklung des Desinfektionsmittels WofasterilParallelprodukt in der CSSR: Persteril
Meilensteine IIIJahr Ereignis Folgen1969 Pilotproduktion von Wofasteril
in Wolfen am heutigen Stand-ort der KESLA PHARMA
Beginn umfassender Erprobungen in nahezu allen Hygienebereichen
1972 Wofasteril erhält die Zulassung als Arzneimittel zur Anwendung am Menschen durch das IfAr der DDR
Aufnahme in die amtliche Liste der Desinfektions-mittel (Hrsg.: Ministerium für Gesundheitswesen)
1975 Arzneimittelanwendungen werden durch veterinärmed. Indikationen erweitert (u.a. Zitzendesinfektion vor und nach dem Melken
1989 Erste Veröffentlichung über Laborunters. mit alkalisierter PES durch Mücke u. Wutzler
1993 MBO-Privatisierung der Pharmasparte Wolfen durch Kesla.
Ab 1995 Fortführung der Forschung in der Kesla.
Prof. Sprößig
Prof. WernerDr. Mücke
Dr. Möhring
Die „Wofasteril-Veteranen“ im Oktober 2003
Prof. Wendt
Röhrenmodell
PES-Gebrauchslösungen
Beim Verdünnen einer PES mit Wasser setzt Hydrolyse ein:
PES spaltet sich wieder in H2O2 und Essigsäure, bis der neue Gleichgewichtszustand erreicht ist.
Dieser Vorgang ist durch Entzug des Wassers wiederumkehrbar (z.B. beim Eintrocknen der ausgebrachten
Gebrauchslösungen).
PES-Gebrauchslösungen
Hydrolyse
PES-HydrolysePES-HydrolysePES-Hydrolyse beim Verdünnen von W ofasteril 1:1 mit W asser
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
0 1 2 3 4 5 6 7
Standzeit der Lösung in h
% A
ktiv
saue
rsto
ff (A
O
AO(PES)AO(W PO)GAO
PES-Zerfall
PES-Zerfallsmöglichkeiten
Vorgang irreversibel.
Mikrobizides Potenzial geht verloren.O2-Gas bildet Druck in bei Einschluss.
Radikalische Spaltung derPeroxidgruppe zwischen den beiden O-Atomen
Abgespaltener AO reagiert zu Sauerstoffgas (Luft-O2) GAO fällt ab.
PEROXID-ZERFALL
Vorgang ist reversibel bei WasserentzugMikrobizides Potenzial bleibt erhalten.
Abspaltung der komplettenPeroxidgruppe (Umkehr der PES-Bildungsreaktion)GAO bleibt konstant
HYDROLYSE
AUSWIRKUNGMERKMALEVORGANG
Tempearurabh. Hydrolyse
Hydrolyseverlauf 0,5 % Wofasteril E 400-Lösungen in Abhängigkeit der Temperatur
0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
60,0
70,0
80,0
0 5 10 15 20 25 30
Standzeit der Lösungen in Tagen
% h
ydro
lysi
erte
r W
irks
toff
ante
4 °C20 °C25 °C
Halbwertszeit t50% = 19 Tage
t50% = 26 Tage
t50% = > 60 Tage
anwendungslimitierende Eigenschaftender Peressigsäure
PES-Lösungen wirken stark korrosiv aufEisen und BuntmetalleUrsache: Zusammenwirken von saurenpH-Werten und Aktivsauerstoff
Stechender Geruch bei großflächiger Ausbringung von Gebrauchslösungen mit Konzentrationen > 0,25 % PES
Die Idee des Wofasteril-Kombiverfahrens
„Untersuchungen zur geruchsfreien Flächendesinfektion mit Peressigsäure“Horst Mücke, Peter Wutzler und Sabine RecknagelZ. ärztl. Fortbild. 83 (1989) 1125 – 1127
Der Geruch der PES-Lösungen ist bei pH 9 weitgehend, bei pH 10 völlig beseitigt.
Die mikrobizide Aktivität der gepufferten Lösungen bleibt erhalten
1 % Wofasteril + 1,0 % Gr-omnis → pH 91 % Wofasteril + 1,5 % Gr-omnis → pH 10
Elektrochemisches Zustandsdiagramm
Hydrolyse 1 %iger Lösungen von Wofasteril in Abhängigkeit des pH-Wertes
0,00
0,05
0,10
0,15
0,20
0,25
0,30
0,35
0,40
0,45
0 5 10 15 20 25 30
Standzeit der Lösungen in Stunden (Raumtemperatur)
% P
ES
ungepuffert pH 9 pH 10 pH 11
Stahlkorrosion durch ungepufferte und gepufferte PES
0,0000,2000,4000,6000,8001,0001,2001,4001,6001,8002,000
Materialabtrag in %
1 % WST,ungepuffert
1 % WST, mit alcauf pH 9,8
Wasser
0,022
0,167
0,033 0,044
0,235
0,035
0,128
0,321
0,042
0,145
0,352
0,049
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
Mat
eria
lver
lust
[%
4 6 8 10Versuchsdauer [h]
Korrosion von Eisen durch verschiedene Desinfektionsmittel
Venno FF super1%
Venno VET super 2%
Wofasteril Kombiverfahren 0,8 %
Listungen des Wofasteril-Kombiverfahrens bei DGHM und DVG
• Liste 2000 der DGHM Flächendesinfektion:0,25 % Wofasteril + 0,75 % alcapur bei 5 min EWZ
• DVG-Liste Lebensmittelbereich (Juli 2002):0,125 – 0,2 % Wofasteril E400 + 0,375 – 0,6 % alcapur
• DVG-Liste Tierhaltung (Dezember 2002):0,2 – 0,25 % Wofasteril E400 + 0,6 – 0,75 % alcapur
In allen 3 Listen: effektivstes und wirtschaftlichstes aller gelisteten Verfahren!
Zweikomponenten-Dosierinjektor für das Wofasteril-Kombiverfahren
• Konzentrationseinstellung durch Düsenkaliber von 0,2 bis 1 % WST und 0,6 bis 3 % Pufferadditiv
• Stets konstanter Wasserdruck an den Injektoren
• Geeignet für Wasserdrücke von 2 – 6 bar
• Zertifizierung in Anlehnung anDIN 1988-4 durch DVGW
Aufbauprinzip der Solvent-Cage-PES
PES Käfig (engl. Cage)+Acetatgruppen = gebundene Essigsäure
Temperaturbereiche der Wofasteril-Kombiverfahren
Zusammenfassung• PES ist ein ungewöhnliches Mikrobizid mit ungewöhn-
licher Historie. Sein optimaler Einsatz erfordert Hinter-grundwissen.
• Wofasteril ist für die Belange der Seuchenbekämpfung, für Rettungswesen u. Katastrophenschutz fast ideal, weilν keine Wirkungslückenν schnellste Wirkung aller bekannten Mikrobizideν in Form von Wofasteril auch zur hygienischen Hände-desinfektion einsetzbarν Ein Mittel für alle Anwendungsbereiche