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Rund um die Kur - wichte.de · Vorwort Im Laufe meines Lebens hatte ich mehrmals die Ge- legenheit...

Date post: 06-Jun-2018
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Wittich Hellener Rund um die Kur Gedichte zum Schmunzeln Verlag: The World of Books Literaturverlag,Worms 1
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Wittich Hellener

Rund um

die KurGedichte

zum Schmunzeln

Verlag:The World of Books

Literaturverlag,Worms

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Bestellungen und Infoshttp://www.twobl-online.de

2. erweiterte AuflageErstveröffentlichung 1987

byThe World of Books Ltd.,

London

Verlag:The World of Books

Literaturverlag,WormsISBN 3-88325-385-5

© Copyright 2001 by The World of Books.,WormsAlle Rechte vorbehalten

Kontakt :Autor

[email protected]. HellenerEberhard Str. 1967435 Neustadt

Tel 06321 68597 oder 01777030198

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Rund um die Kur

Gedichte zum Schmunzeln

von

Wittich HellenerThe World of Books

Literaturverlag

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Vorwort Im Laufe meines Lebens hatte ich mehrmals die Ge- legenheit eine Kur am eige- nen Leibe zu erleben. Wer zusätzlich noch ein offenes Auge und ein of- fenes Ohr für seine Mit- menschen hat, der kann dort reichhaltige Erfahrungen sammeln. Es bedarf keiner reichhal- tigen Phantasie, keiner be- sonderen Erfindungsgabe, für einen Autor, denn das, was man in einer Kur, oder besser gesagt in mehreren Kuren erlebt, ist Stoff ge- nug, um ein ganzes Ge- dichtbändchen zusammen- zutragen. Nur soviel sei gesagt, nichts ist erfunden, nichts hinzugefügt, wohl aber

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manches schamhaft ver- schwiegen, unausgespro- chen gelassen.

Grußwort an mein PublikumMein sehr verehrtes Publikum,verzeihen sie es ist sehr dumm,ich steh‘ zwar hier im Rampenlicht,doch was sie wollen weiß ich nicht.Der eine möchteschmunzeln lachen,der and‘re schwörtauf ernste Sachen.Ich habe auch schonoft gehört,daß zuviel Geistdie Menschen stört.Manch einer meint

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sogar ganz frei,ihm reiche nette Blödelei.Ein Hochschullehrerohne Fragen wird mittodernster Miene sagen:Gedichte unter hundert Jahr‘sind nur für den Papierkorb da. Was Wolfgang einst in Weimar glatt verbrannt, wird heut‘ vom Volk mit Jubel anerkannt und deshalb höre er, als kluger Mann, sich alles Neue grundsätzlich nicht an.Ich bringe heute mehrals ein Gedicht,jedoch von Goethesind sie alle nicht.

Wie viel Zuhörer müssen es sein ?Die Zahl der Zuhörer,

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entscheidet nicht,was er empfindet, der da eben spricht.Die Zahl der Zuhörer, ist jedes Mal,das muß man sagen, wahrlich, ganz egal.Entscheidend ist allein, ob es gelingt,ob, was gesagt wird, in die Seele dringt,ob es den Menschen innerlich berührt,ob es zu irgend einer Regung führt.Ob, was gesagt wird, ein Interesse weckt,ob hinter Worten, auch ein Inhalt steckt.Entscheidend ist, um was es geht,und was man selbstdavon versteht,

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ob man sich ernsthaft, angesprochen fühlt,und ob man sich, ein wenig, amüsiert.Als Vorwort sollte das genügen,ich wünsche ihnen, viel Vergnügen.

Frisch in der KurDa steht er,linkisch,unsicherganz scheu.Das Haus,das Personal,noch alles neu.So einsamund verlassen,welche Last.Der erste Tagist schwerfür einen Gast.

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Die Menschen alle samt,sie wirken kühl,ich habeein ganz ungutesGefühl.Vier Wochensoll ich bleiben,nein, wie dumm,Ich wolltealles wärejetzt schon rum.das ist der Anfangeiner and‘ren Welt,die ziemlich balddannjedemdoch gefällt.

Der erste EindruckDen Ärzten ausgeliefert,als Patient,wo keiner seinen Zimmernachbar kennt.Wahrscheinlich

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auch nochweit wegvon zu Haus,sieht so ein Menschbestimmtnicht glücklich aus.Der erste Eindruck,Gänge,Nieschen,Türen,die kreuz und quer,nur nichtzum Ziele führen.Ein Plan hängt,groß und breitan einer Wand,doch die Bedeutungsie bleibtunbekannt.Der Gast verschränkt,verwirrt,nervösdie Hände,studiert erfolglos

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Zahlen und Legende,kennt sichim Labyrinth nun malnicht aus,und denkt im Stillen:„Wär‘ ich doch zu Haus.

Die ersten StundenEin Mensch reist anso eben frisch,man weist ihm an,den Platz, den Tisch.Noch ahnt er nicht,was vor ihm steht.Bei diesem Umfang,Nulldiät!Die Eingeweihtendazu neigen,dem Ankömmlingklug zu verschweigen,was ihn erwartet,denn sie wissen,der Menschmuß vieles

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lernen müssen.Wer anreistdurch die BFA,ist nicht gradzum Vergnügen da.

So unzufriedenWarum hab ichden Antrag nur gestellt?Das Leben hier,mir wirklich nicht gefällt.Früh morgenskurz vor sechsschon aus dem Bett,ein böser Rhythmus,find ich gar nicht nett.Des abends etwas später,das wär‘ schön,warum kann das der Doktornicht versteh‘n?Wer geht denn schon früh‘,mit den Hühnern schlafen?Will man uns,wie die Kinderlein

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bestrafen?Ich werdeden Verantwortlichenschreiben.Die Zeiteinteilung, nein,kann so nicht bleiben.

(Zusatz für die zweite Lesung)Schon einmal wurdehier im Raum gelesen.Vor vierzehn Tagen,etwa, ist‘s gewesen.So kommen heuteviele neue Sachen,die ihnen dennoch,glaub ich Freude machen.

Ich bitte kurz um ihre Aufmerksamkeit.Es folgt eine wichtigeDurchsage.Das Erste, was man lernt

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in einer Kur,und das ist wirklichkein Gerede nur,ist: zeitlichabsolute Disziplin,sonst käm kein Menschmit den Terminen hin.Aus diesen Grund,kann ichnicht länger warten.Man spitze seine Ohrendenn wir starten.Ich werde zwar nicht hasten, doch mich sputen,das Ganze dauertknapp vierzig Minuten.

Brief an die Stammtischbrüder aus der KurIhr lieben Stammtischbrüdermir geht‘s gut,

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ein bomben Weib ist hier,ganz junges Blut.Schon gleich am ersten Abend an der Barhab ich sie eingefangenist doch klar.Sie hat mir promptihr Zimmer schon gezeigt,auch sonst, glaub ichist sie nicht abgeneigt.Ihr Mann kanngottsei Dank nicht kommen,sie hat ‘nen Tattergreis,so‘n Frommen.Der taugt nicht viel,er hat nur Geldund ist altmodischeingestellt.Vertraut ihr,dieser Kuchenzahn,glaubtan den großen Treuewahn.Noch eins:

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Sollt meine Frau euch fragen,ich hab‘s im Kreuzund auch im Magen."

PoesieOh, eine Lesung halten,das ist schwer,wer läuft Poetengrad so hinterher.Zumalsei auch nichtzu vergessen,nur wenigesind kunstbesessen.Ganz unbekanntist vielen Poesie,sie lassenhörtenein Gedicht noch nie.Daß Worteeinem Menschen etwas gebenist selten

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und man muß esselbst erleben.Der Klang der Stimmedringt tief bis ins Herz,verbreitet SehnsuchtLiebe oder Schmerz.Wie eine Feder,schweben die Gedankendie Welt wird großund öffnet alle Schranken.Die Wirklichkeit verblaßtzu einem Traum, die Hörermerken diesen Wandel kaum.Nur Worte strahlenwie ein helles Licht.Ganz ehrlich,ist das ein Gedicht?

Trauriger KurverlaufFast einen Monat,ja – vielleicht noch mehr,läuft so ein armer Kurgaststill um her.

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Mit fremden Leutenmuß er sich begnügen,getrennt von seiner Heimat,von den Lieben.Die schmale Kostbeleidigt Darm und Magen.Man wird sich höh‘ren Ortsschriftlich beklagen.

Ein bißchen Sünde schadet nicht

Ein bißchen Sünde schadet nicht,Das muß man sagen kurz und schlicht.Bei allem, was man tut im Leben,nun, Unterschiede muß es geben,doch heißt es, niemals übertreiben

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und grundsätzlich sauber bleiben.Mal ist es dunkel und mal licht, ein bißchen Sünde schadet nicht.Wer manchmal denktund manchmal schreibtund sich damit die Zeit vertreibt, der findet,zwischen Moor und Badden Federhalter und ein Blatt, setzt schnell sich hinmacht ein Gedicht:Ein bißchen Sünde schadet nicht.Im Kurort, ganz frisch angekommenwird ernsthaft,fest sich vorgenommenein reines Leben zu bewahren, vor allemin den ersten Tagen,bis einer ulkt

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und lacht und spricht,es bißchen Sünde schadet nicht.Die Nahrung sie wird portioniert, der Gürteläußerst eng geschnürt.Doch wenn man dannins Café gehtkommt das Gewissenviel zu spät.Wer denkt bei Torteans Gewicht,ein bißchen Sünde schadet nicht.In jeder Reha, jeder Kur,wer denkt da an Vorschriften nur,man möchte schnell und bald gesunden,Bedenken werden überwunden, unwichtig was der Doktor spricht, ein bißchen Sünde schadet nicht.

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Den Alkohol, man soll ihn meiden, nur Wasser trinken, ganz bescheiden,doch ab und zu ein Gläschen Wein,das kann, nein, nicht verwerflich sein,ein kleiner Schwips hat kein Gewicht, ein bißchen Sünde schadet nicht.Ein braver lieber Ehemannsieht anfangs keine Frauen an, er stellt sich blind,ist ernst und fest,weil er sichnicht becircen läßtdoch dieser Busendas Gesicht,ein bißchen Sünde schadet nicht.Man spricht so oftvon der Moral,

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als hätten Menscheneine Wahl dabei sind sieso schwach und klein,wollen nur einfachfröhlich sein.Und die Erkenntnisist ganz schlicht,ein bißchen Sünde schadet nicht.

Der MasseurOh weh, oh weh so ein Masseur,knetet den Körper kreuz und quer,verwendet Öl und manchen Trick,schlägt aufs Gesäßund ins Genick, hat Händefest wie Eisenzwingendie tief in das Gewebe dringen.Strahlt stets vor Freudeliebt das Scherzen,

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kennt scheinbar keine Rückenschmerzendrückt mit dem Daumenauf die Knochendas Muskeln springennoch nach Wochen.Er kneift und wütetwie ein Stier,und nimmt am Schluß noch Geld dafür.

ErnährungsfragenManch einersieht ihn sich nicht an,ich meine jenen Speiseplan,der jede Woche aufgestellt,damit man nicht vom Fleische fällt.Genügsam und voll Zuversichtwird still verzehrt,das Hauptgerichtund sollte es noch Nachtisch geben,

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verdrückt man ihn haltauch noch eben.Das Morgen- und das Abendmahlwird eingenommen ohne Qualdenn rundherumgibt‘s nichts zu klagen,die Küche tut wasfür den Magen.Doch leidersind da auch Expertendie sprechenvon Ernährungshärten,sie meckernselbst vor leerem Tischwoll‘n Semmelknödelgibt es Fisch,rufen das Personal herbei,schon morgens,bei dem Frühstücksei.Da ist der Kaffeeviel zu kalt,das Brötchen weich

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natürlich alt.Dann fehlt: Die Sahneund der Zucker,die echte gute Markenbutter.Ich habe schon daran gedacht,was so ein Menschzu Hause macht,vielleicht ist dortein böser Mannein unmöglicherHaustyrann.

Die TrinkkurDas Schöne ist an einer Kur, da gibt es nichtMassage nur, Gymnastik, Fango oder Moor,Schwimmbeckenmit und ohne Chlor.Es wird dem Menschen auch gezeigt,selbst wenn er anfangs

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abgeneigt, daß man ein Schwefelwasser trinkt,der Ungeübte meintes stinkt. Tatsächlichaber wird der Magen,sofern die Därme es vertragen und auch die Niere aktiviert,so daß der LeibGewicht verliert.Ein Henkelglas,vielleicht auch mehr,trinkt wer es kannallmählich leer.Der Ekel, er wird überwunden, der Trunk sogar als gut empfunden.Die Kurkapelle spielt ganz leise so manche wunderbare Weise,Die Schwefelbrüh‘mit Soleschuß;wird mit der Zeitein Hochgenuß.

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ScheinbilderDie Psyche wird verändertin der Kur,nicht Knochen, MuskelnHerz und Kreislauf nur.Es wandelt sich ganz schnell das Seelenleben,doch nicht die Wirklichkeitdas ist es – eben.

Die GymnastikGymnastik Leutedas ist ein Vergnügen,ganz leicht bekleidetauf der Matte liegendas Köpfchen recken,senkrecht wie ein Schwan,so fängt die erste Übung an.Dann flink das Becken angehoben. Die Füße kreisen leicht im Bogen,dazwischen wird der Mensch gebeten mal kräftig

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in die Luft zu treten.Den Oberkörperetwas links verschieben,damit die Lungenein Volumen kriegen.Die Arme senkenund die Schultern heben,ganz locker bleibendoch sich Mühe geben.Hinter dem Kopfdie Arme kreisen lassen,dann senkrechtin den Himmel fassen,sich strecken bis die Knorpel knacken, abfedernSpitze erst dann hacken.zum Schluß nochmit dem Rücken rollen,das gilt für die, die jetzt noch wollen. Gymnastikdas ist gar nicht schwer,die meistenkönnen nur nicht mehr.

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AufgeheiztMenschen welche Fango kriegensind im Regelfall zufrieden.Dunkler Brei wird aufgetragenund man kann sich nicht beklagen.Eingepackt bis zum Gesichtrühren sich die Menschen nicht.Scheinen frisch mumifiziertund vor allem keiner friert.Zweiundvierzig Grad ihr Leut, hat die Masse nicht nur heute.Schon so lang das Bad besteht,alles sich um Hitze dreht.Täglich müssen viele schmorenund der Schweiß bricht aus den Poren.Träume quälen

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manchen Mann,der gern möcht und nicht kann.Ja sogar die Weiblichkeitwird geschmeidig ist bereiteine Torheit zu begeh‘n,Zärtlichkeit ist immer schön.Eine Kur man soll‘s nicht glauben kann den besten Vorsatz rauben, viele kommen aus dem Gleis,denn die Körpersind zu heiß.

Das KurbadEin Jederweiß mit Badewannenim Regelfallwas anzufangen.Sie dienenklar der Körperpflegeund auch Genießern

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die ganz träge,sich in den warmen Wogen aalen,so aus Vergnügenzum Gefallen.Mit Kräutern,Schaum und Kreislaufstoffen,beginnt der Badendezu hoffen.Die Wunschvorstellungist verzweigt,sobald manin die Wanne steigt.Ganz anders läuft dasin der Kur,da bleibt von Freudekeine Spur.Die Schwefeldüfte ohne Fragensie lassen einen Mensch verzagenund in dem Schlammdem schwarzen Moor,

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kommt keiner sichrecht glücklich vor.Auch läßt ein Badsich schlecht genießen,wenn die Elektroströme fließenich weiß es dochvom Stangerbad,erst zittert mandann ist man matt.Und einessollte jeder wissen,die Luft wird knappbei Wechselgüssen.Es kann kein Bad so herrlich sein,wie unser Zinkbottich daheim.

Moderne MedizinerEin Mediziner,sowas ist nicht neu,wird nie geplagtvon Hemmung oder Scheu,

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er steht im Leistungsdruckganz permanent.Die Krankheit zählt für ihn,nicht der Patient.Er schaut dem Krankennur in das Gesichtund weiß sofort ganz klarder Mensch hat Gicht.Ein Plattfuß,das liegt auf der Hand,wird durch den Schuh hindurch erkannt.Selbst Lendenwirbeldiagnosestellt jeder Arztquer durch die Hose.Ein echtes BWS-Syndromsehn Fachleutevon weitem schon.Der Onkel Doktoreinst ein lieber Mann,er wendet heutenur Geräte an,ist von der Technik

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fasziniertund merkt nicht,was er still verliert.Gebraucht,das wissen diese Herren nicht,wird keineswegsein hochmütig Gesicht,vielmehr,so war das immer schonVertrauen,einen sanften Tonund einen Menschen,der den Mensch versteht,wenn es ihm miesund richtig dreckig geht.

Kleine LeuteKleiner Mann und kleine Frau,beide wißt ihr ganz genau,daß ihr keine Fürsten seid,andre wissen auch Bescheid.

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Spielt euch auf so oft im Lebenund das meiste geht daneben.Deshalb werden schöne Stundenirrtümlich als Glück empfunden.Losgelöst von Alltagspeindürft ihr in der Kur zwar sein,aber Überheblichkeit,führt wie überall nicht weit.Bademeister und Masseur,Zimmermädchen der Friseur, Schwestern die das nächstens wachen,Köche welche Essen machen,selbst ein Nachtportierja ja, sind nichtzum Beschimpfen da.und wenn diese Kurerst aus, geht ihr,

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wie ihr kamt nach Haus‘.Seid, was ihr einst wardgeblieben, werden selbstherumgetrieben.

Außergewöhnlicher Kurwunsch oder ein MißverständnisHerr Doktor hören sie,ich bin allein,es wird für sie bestimmtnicht schwierig seinmir armer Fraudas richtige zu geben,wenn sie nicht helfen,nehm ich mir das Leben.Anwendungen Herr Doktor,was ist das?Ich werde schonbei dem Gedanken blaß.Ein Bademeister,der soll mich massieren?So kann man eine Fraudoch nicht verführen.

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Und schwarzes Moorauf meine zarte Haut,wenn sie das wirklich tun,dann schrei ich laut.In jenem Schreiben stand doch eine Kur,ich armes Wesen,nein,was mach ich nur?Verschreiben sie mir bitteeinen Schatten,ansonsten kann ich wirklichnichts gestatten.

EmanzipiertDie Weiblichkeit emanzipiert?Beim Tanze, da wird sie geführtund auch das Herz ist hoch beglückt,wenn er ihr

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rote Rosen schickt.Sie läßt sich gern auf Händen tragen,ohne zu murren, noch zu fragenund wer besonders höflich ist,den Handkuß dabei nie vergißt.Schmuck und Juwelen schickt er ihr,sie schenkt ein Lächeln ihm dafür.Von gleichem Recht und gleicher Pflicht,spricht Herr und Dame sicher nicht.

Der TrostEin Mann kommt langsam in die Jahreund denkt im stillen:Gott bewahre,seit zwanzig Jahr‘n

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die gleiche Frau.Der Bauch schwillt ander Bart wird grau.Das Kunstgebiß,Es klemmt beim Essen,den Leistungssportkann man vergessen.Selbst die Gelenkerosten ein, die Brille drücktaufs Nasenbein.Das steife Kreuz,es will nicht mehr,auch Wasserlassenfällt schon schwer.Die Luft wird knappbei schnellem Lauf,das Rauchengab er früh schon auf.Ganz voller Wehmutsieht er ein,was bleibt ist nurein Gläschen Wein.

Der Klatsch

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Wenn zwei gemeinsamsich die Zeit totschlagen,dann geht es einem drittenan den Kragen.Man spricht am besten,nun, das ist bekannt,ganz leise und mit vorgehalt‘ner Hand.Die Ohren werden lang,es folgt ein nicken:„Am besten sofort in die Wüste schicken“die Hände fuchtelnstürmisch durch die Luft,erstaunt auf einmal laut:„Was für ein Schuft!“Empörung folgt:„So geht es wirklich nicht,das ist doch eine Sachefürs Gericht!“Dann, etwas späterein gedehntes: „Nein,der Sachverhaltkönnt auch

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ganz anders sein?“

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FernsprechschwindelDie Posthat weise installiert,manch‘ Telefon,das heimwärts führt,damitsobald der Wunsch besteht,man sagen kannwie‘s einem geht.Die Technik selbst,sie ist perfekt.Geld wirdschräg oben reingesteckt.Nur ein paar Zahlenangegeben,schon steht die Leitungfolgt das Reden:„Ach Liebling, Schatz,du fehlst mir sehr,die Trennungmacht mein Herz so schwer,ganz schrecklich einsamdiese Kur,die Menschen hier

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sind mürrisch stur.Nur alte Männer,keine Frauendu kannstauf meine Treu bauen.Grüß mir die Kinderund den Hundnatürlichbleib auch du gesund.“Dann fällt das Geld,es folgt ein Klick,er ist nicht neu,der faule Trick.

In einer KurEs geht der Menschzur Kur allein,doch das wird nuram Anfang sein.In einem Café,einer Bar,da sieht der Menschdann noch ein Paar,die ganz genau

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wie er empfinden,so daß Gesprächesich entzünden.Über das Lebenwie es istund was der Menschan sich vermißt.Von Frau und Kindernwird erzählt,vom Leiden,das den Menschen quält,auchvon den kleinen Nebensachen,die nötig sindund Freude machen.So eilt die Abendstunde fort,dem einen folgt das andre Wort.Man trinkt ein Gläschenoder zweiund sagt sich still:Was ist dabei.

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Ganz plötzlichschlägt zehn mal die Uhr,so ist das Lebenin der Kur.

VergänglichkeitIn einer Kur auch das sei zu bedenkenverlangt kein Menschsich blindlingszu verschenken.Ein kleiner Flirtdoch niemals etwas mehr,man denke immeran das hinterher.

Spott in VersenDer Mensch, er hört,nur mancher glaubt das nicht,im Grunde gernein bissiges Gedicht.

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Es darf voll Witzund Scharfsinn sein,legt es nurirgendeinen rein.Personenaus der Großen Welt,wünsch jedergründlich bloßgestellt.Parteifreundeund die Genossen,sind sie gewählt,so reißt man Possen.Verulkt wird selbstder heil‘ge Vater,in Wiendas ganze Hoftheater.Amerika, das weiße Haus,man macht sicheinen Jux daraus,die mächtigen der Weltzu foppen und kräftigauf den Busch zu kloppen,damit das eignekleine Leben

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sich auch noch lohnt,ein wenig – eben.

Die erste KurDie erste Kur sieht man dem Menschen an.Im Regelfallstellt er sich tölpisch an.Befolgt die Hausordnung,nicht übertriebenund alles and‘rewas da sonst geschrieben.Ja – selbst die Mittagsruhehält er ein,das wird zwar auch nurganz am Anfang sein.Doch irgendwanndann wird er aufgeklärt,kurz vor dem Zeitpunktda er heimwärts fährt.

KurimpressionenDa gibt es Leut,

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die gehn zur Kur,grad wegender Gesundheit nursie glaubenan der Ärzte Kunstund seh‘n die Praxisnur im Dunst.Der allerschönsteSonnenscheinfällt nichtin ihre Herzen rein.Sie wollenmit Gewalt sich heilenman sieht siezur Massage eilen.Sie essen nichts,fang‘n an zu schwitzen,bleib‘n abendsauf der Bude sitzen,sie finden sichgar sehr gescheitund haben niemalsfreie Zeit.Bevor sie recht

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dem Moor entstiegensieht man sieauf der Pritsche liegen.Das Kohlensäure-Brausebadmacht sie sodurch und durch recht matt.Am Abendgibt‘s da keine Bar,kein Schnaps,noch zwei, drei Bierchen garund ganz zu schweigenvon den Schatten,die Andereschon lange hatten.Man mußdie inn‘ren Feinde sehnund jedem Zweifel widersteh‘n.Man kenntMasseur und Badefrauist auch nichteinen Abend blau.Bei Tisch

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wird nicht zuviel gesprochenprivate Themen abgesprochen.Man ist zur Heilung hierund ausund in Gedankenstets zuhaus.Von wegenso und so Gedanken,am Schlußnoch zweifeln oder schwanken,man schwörtauf Moor und Co2,das andredas ist einerlei.Sie wissen,fachlich untermauert,wo überallder Teufel lauert.Denn medizinischist bewiesen,in jeder Zeitung

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wird gepriesen,wie wunderbar Enthaltsamkeit,ja; das ist keine Kleinigkeit.Diätbewußtsein ohne Posseist des Erfolges erste Sprosse.Nur sowird jeder recht gesund,wer anders denkehalt den Mund.Mit dieser Meinungwird zwei Wochenum achtein das Bett gekrochen.Doch dann,man sollte es nicht glauben,aus hartem Felswerden sanfte Tauben.Die dritte Woch,so in der Mitten,da wird schon einmalfortgeglitten.

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Nur sacht und ohne viel Radau,man denkt doch schließlichan die Frau.Und wenn sich keinerdran mokiert,wird forsch ins Wirtshaus reinmarschiert.Auch könnt man malein Tänzchen wagen,wer wird das gleichzuhause sagen.Und überhaupt,wenn man bedenkt,wir sind doch gar nichtso verklemmt.Ja – bis der Wandelganz vollzogensind gut drei Wochenfortgeflogen.Jetzt drängt die Zeit,nun heißt es schnell,jetzt dämmert essie werden hell.

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Nun siehe da,die späten Zünder,jetzt wär‘n sie gernekleine Sünder.Wie macht man sichnur schnell bekannt,da alles schonin fester Hand?Es ist der Augenblick gekommenda wird dann alles mitgenommen, es geht,was sonst nie gehen mag,bei Dunkelheitund auch bei Tag.Ein jedersucht sich einen Schatten,selbst solche,die das nicht vor hatten.Doch jenedie zu spät gekommenund die zu frühsich übernommen,sie sehen es nun endlich ein

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das nächste malmußt klüger sein.

Der Papst und die PilleDer Papst,das ist sein heil‘ger Wille,bekämpft sie,die Verhütungspille,nur ist das keine edle Tat,zumal ihn schützt das Zölibat.Doch Mann und Frau,die wirklich leben,bedenkt, da muß esetwas geben.Wer zieht freiwilligKinder groß,wenn er seit Jahrenarbeitslos?

Der KurverlaufBrave Männer,

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liebe Frauen,voller Stolz und Gottvertrauennur in: Kreuz und Hüften schwachLeben unter einem Dach.In Berlin die BFAmeinte, daß es nötig war,flink und ohne viel zu denken,allen eine Kur zu schenken,damit ihre Arbeitskraftnicht so baldzu früh erschlafft.Sieben Uhr morgens wird gewogenleicht bekleidet angezogen,denn der Mensch, er ist geneigt,daß die Waage wenig zeigt.Etwas später gibt es danneine Packung oder Schlamm,Solebäder, Inhalieren,

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sollte zu Erfolgen führenund Massagen, das ist klar,jede Woche auch ein Paar.Ferner muß ein jeder schwimmen,damit alle Muskeln stimmen,denn so manches Hinkebeinbraucht im Grunde nicht zu sein.Wer da brav sein Soll erfüllt,ist am Abend nicht so wild.Schatten hin und Schatten her,eine Kur – die ist schon schwer.

Die KurabendeSelbst wer da keucht,sich quält und hinkt,allabendlich das Tanzbein schwingt.Als käm die Jugendzeit

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zurück,so schwelgten sie in ihrem Glück.Bei Kerzenschein,oh ist das schön,kann man verklärte Blicke seh‘n.Die Holdensich das Ohr befeuchten,der Herrenkahle Schädel leuchten.Der Musikussitzt an der Tür,singt laut und schlägt auf das Klavier.Ein jedereine Dame packt,gefühlvollbeim Dreivierteltakt.Die schöne Zeitbis kurz vor zehnwenn alleauf die Zimmer gehn,wird ungetrübt

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verliebt genossen,so manches Bierhineingegossen.Wie herrlich ist die Welt,das Leben, es müßt nurviel mehr Kuren geben.

Skeptiker in der KurSchon in der Hallean der Rezeptionbeginnt mitunterdie Beschwerde schon:„Am Bahnhofstand noch nicht einmalein Wagen.Ich mußtemeine Kofferselber tragenund sollten auchim ZimmerMängel sein,bleib ich nicht hier,dann fahr ichwieder heim.“

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Die KurgästeDer eine Menschfindet es fein,kann endlich malalleine sein,dem andrenist es schier ein Graus,drum geht erjeden Abend aus.Über die Unterkunft,na ja, da meckern manchedas ist klar.Es störtder Lampe helles Licht,die Einrichtunggefällt gar nicht.Das Frühstückseiist viel zu hart,Salate nicht nach Hausmannsart,bis hin zum kleinen stillen Ort reicht die Beschwerdeliste fort.Gesucht wird förmlich,

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selbst nach Streit,die Leute habenzu viel Zeit.Natürlich gibt es auch ein Paar, die sindzum fünften Male da.Ganz routinierteweise Knaben, die soforteinen Schatten haben.Bars, Kneipen,alle Schliche kennen,nie in dem eignen Bette pennen.Bescheiden sindsich höflich geben,die Menschen kennenund das Leben.

Der MännerschreckDann ist da nochder Männerschreck,er fastet stricktden Tag was weg.Süßt morgens

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Kaffee mit Natrenund flötetna – ihr werdet seh‘n,lebt nur von Becelschmäht die Butter,nervt schlimmerals die Schwiegermutter,bewegt sich barfußdurch das Haus,das ist kein Mensch,das ist ein Graus.

Das Leben des Pfarrer KneippDer Pfarrer Kneipp,das sei hier mal gesagt,der hat als Priesterdamals viel gewagt,selbst für den Bischofund den Kardinal,war, was er tat,mitunter eine Qual.Die Kirche hatsehr lange tief geschwiegen,

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doch ist die Sachenicht geheim geblieben.Der Papst in Romhat Wind bekommenund sich den Burschen vorgenommen.Ihm klargemachtdie Priesterpflicht,denn was er trieb,das schickt sich nicht.Herr Kneipp trug langden schwarzen Rock,galt manchenortsals Sündenbock,war Helfer,Arzt in schwerer Zeit,es hieß:Der Kerl ist nicht gescheit.Er kannte Kräuter,heilte Wunden,doch Kneipenhat er nicht erfunden.

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BFA KurIn einer Kurich seh das gernsind zarte Damen,dicke Herrn.Auch Helden,die trotz Kraft kaum laufen,verbrauchte Typen,die nur saufen.Ehrlich, brave Ehegattenmit Müsli, Teeund ohne Schatten.Gewichtsbewußtegroß an Zahl,steh‘n auf der Waagezwei dreimal,in jeder Wochebrav und schlichtund prüfenihr Gesamtgewicht.Frühsportler,die schon nächtens rennenBequeme,die ausschließlich pennen.

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Dann Bauernburschen,das ist klar,hoch von der Almsind auch ein Paar.Berliner,laut mit großem Mund,gemischt,so richtig kunterbuntvon überallsind welche daund alles zahltdie BFA.

Zufriedener KurverlaufVier Wochen Urlaubvon daheimso richtigausgelassen sein.Dem Kurkonzertvergnüglich lauschen,an Melodiensich berauschen,dem Schatten

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in die Augen seh‘n,Ach – ist das Kurendoch so schön.

Private AbendanwendungIn einer Kur, oh – was wird da erzählt, nicht nur vom Leiden,das den Körper quält, nein auch von tiefer,schwerer Seelenpein,vom armen zarten Herzdas ganz allein.Man will sich anstandshalbernicht beklagen,es gäbe ehrlichnämlich viel zu sagen.Die Frau – na javergessen und das Kind,ich sag nur eins der Mensch ist doch nicht blind.Ein süßlicher Zigarrenduftberauschen steigt er

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in die Luft,zwei Hände finden sichganz sacht, ob das der Weinoder das Fango macht?

VersehrtenkurDa sind nochdie Versorgungsfälle,zum Teil schon alt,teils ohne Stelle.Manch einer denkt,was soll das nurdoch selbst siekriegen eine Kur.Blut nimmt ihnenhier keiner ab,vielleicht sind siezu alt, zu schlapp.es könnt auchetwas andres sein,da fehlt ein Armund dort ein Bein.Warum jetztauch noch Blut entnehmen,

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im Krieg ward schonzuviel gegeben.Ja – diese Leutesind versehrtund es hat wirklichkeinen Wert,in Rüstungso viel Geld zu stecken,schon wiederHeldengeist zu wecken,wenn man um Menschenaus der letzten Schlachtsich selten nurGedanken macht.

Gleichheit der Geschlechter?Mann und Frauverschiedne Wesen,wird gesagtund ist zu lesen.Den Geschlechter Unterschieddas geschulte Auge sieht.

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Während hier ganz feine Hautzaghaft aus der Bluse schaut,zeigt sich dortund das ist wahr,wenig oder sehr viel Haar.Auch die Stimmezweifelsohneunterscheidetsich im Tonedunkler Klangund Glockenreinkann niemals das selbe sein.Schwingt die Hüfte bei den Damen,scheinen Herren mehr zu lahmen,somit ist selbst schon im gehen.Klar ein Unterschied zu sehenvon den Formenganz zu schweigen

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die sich selbstvon hinten zeigen.Auch des MenschenAngesichtführt nicht hinzum Gleichgewicht.Männer schmückt ein Zottelbart.Frauenwangensind mehr zart.Gleichsind selbstdie Lüste nicht,das springt deutlichins Gesicht.Gießt der Mann in sich hinein,wird‘s bei Frauen – seltner sein.Auch der Drang sich auszutobenist bei Damen kaum zu loben.Treibt‘s der Herrist er ganz schlapp,

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stößt er nurdie Hörner ab.Wer da denktder Mensch ist gleich,lebt wohl mehrim Märchenreich.

TheaterbesuchTheater wohl und Schauspielhausseh‘n auch von innen herrlich aus.Das Foyer mit seiner Prachteinen starken Eindruck macht.von der Deckehängen Lüster,aus dem Sprechenwird geflüstert.Herrentragen Schuh‘ aus Lackund dazuden schwarzen Frack.Schreiten sieht man sie

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nicht geh‘n, dieses Bildist wunderschön.Damen,in ganz teuren Roben,manchetragen Haut nur – oben.Fast entblößtsind zarte Rücken,diese Damen!zum Entzücken.Die Frisuren hochtupiert,was den Herren imponiert.Bis zum Bodenfeinste Seide,das ist eine Augenweide.Was sich da so sehen läßt,schöner als bei einem Fest.In den Pausen gibt es Sekt,was die Lebensgeisterweckt,für die Damen,für die Herrenist der Alltag hier so fern.Ja! Es ist schon einzusehen

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man muß ins Theater gehen.Ach,es wird noch mehr geboten,einen Vorhangeinen roten.Wem der Glanznicht imponiert,dem wird auchwas vorgeführt.

Bewegte NächteWer in einer stillen Nachtplötzlichaus dem Schlaf erwacht,auf den Kieferpreßt die Hände,weißjetzt ist die Ruh zu Ende.Etwas Branntweinhört man sagen tötet abder Schmerzen Plagenschnell wird deshalb ausprobiert,

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was doch nicht zum Ziele führt. Kälteschocksoll auch was nützen,wenn die Qualentiefer sitzen.Also steht man auf, ganz leis‘, eilt zur Küche, holt sich Eis.Oh, die Lösung ist ganz schlecht, jetzt erscheint der Schmerz erst recht.Möglich,daß ein heißes Tuchendet diesen bösen Fluch.Nein, das kann doch gar nicht sein, er dringtimmer tiefer ein.Schlimm, das wilde Klopfen, bohren,denn es ziehtbis in die Ohren.Wer in solcher Marternacht,hilflosbis zum Morgen wacht,

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ist bereit zu jedem Test,sitzt der Schmerznur tief und fest.

Die Spätschicht der letzten Kurtage

Um elf gleich nach dem Zapfenstreich,wer geht dain das Zimmer gleich.Zumal – man sollalleine schlafen,ganz grundlosdiese harten Strafen.Schon mehrals über zwanzig Tage,einsamer Schlummerwelche Plage.Am Tisch vereintim Bett getrennt,wie schlecht ein Kurgastdabei pennt.Das nennt sich Ordnung

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hier im Haus,für jeden Gastist das ein Graus.Wenn in den NischenPärchen schmusen,das kann der Nachtdienstnicht verknusen.Entwederweiß er nicht Bescheid,vielleicht spricht da auchblanker Neid.So trifft man sichauf leisen Sohlen,geht Gläserund den Wein schnell holen,verständigt sichim Flüsterton,und mit der Zeitda geht das schon.Die Nächtesind zum schlafen da.Sie irrt sich schwerdie BFA.

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So sieht er aus,der KlinikaufenthaltIn Kliniken der FFAsind Schwesternso wie Ärzte da.Von diesenwird der Gast vernommen,kaum daß errichtig angekommen.Es wird gewogen,und gemessen,bis hin zum Pulsennichts vergessen.Dann will man wissen,ob er raucht, gar Alkoholzum Leben braucht,und ob er gründlichSport getrieben.Ja, das wird allesaufgeschrieben.Man untersucht Blut wie Urin, in Klinikenherrscht Disziplin!So dann,

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nein das ist nicht gelogen,die Pünktlichkeitwird anerzogen.Des Nächtensmuß sich jeder sputen,beim Zapfenstreichgeht‘s um MinutenDas Personalist hart wie Stahlwer auffällt,der hat keine Wahl.Drum ist es bessernichts riskieren, vielmehrein braves Leben führen.Die längste Kurgeht auch vorbei,und jeder Gastist wieder frei.

Taktik der PoetenEs sagt ironisch der Poet,gern klar die Wahrheit,wenn es geht. Nur wird erweise nuancieren,

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und niemalsöffentlich blamieren.Ein Giftpfeil darf die Waffe sein,trifft er genau ins Schwarze rein,und ist der Fallso konzipiert, daß keinerdas Gesicht verliert.Nie angesprochendie Person, und dennoch,na man weiß ja schon.Nicht einer darfdie Stirne runzeln,verbreiten muß sichleichtes Schmunzeln.Gelingt das alles,ganz diskret,dann ist wer‘s sagtwohl ein Poet.

Heimliche BeichteMein liebes Mädchen,das ist allerhand,du liegst zwei Meter

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neben meiner Wand.Zu allem Übelsteht das Fenster offen.Auf den Besuch,wirst du vergebens hoffen.Nicht die Potenz, nein,leider das Genick,hält mich von einem kühnen Sprung zurück.Vor Jahren noch,hätt‘ ich es glatt riskiert,denn damals war ichnoch nicht demoliert.Jetzt bleib ich brav,und lache dich nur an.Ich bin der Schatteneines starken Mann.

Die NervensägeJa, das gibt es in einer Kur.Alte Männer, dumm und stur, bilden ein sich,junge Frauen,

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würden nach dem Greiseschauen,der so tut, als ob grad er,Sehnsuchtsquellder Damen wär.Spiegelglatze,Trommelbauch,Kettenraucher ist er auch.Dieser Fleischkoloßauf Beinen,müßte doch,das sollt man meinen,merken, daß er eben nicht,einem Ideal entspricht.Wenn der Menschnoch geistreich wär‘,viel es vielleichtnicht so schwer,ihn, wie alle and‘ren Leute,zu ertragen, in der Meute.Aber sich ganz übertrieben,in den Mittelpunktzu schieben,und zu hoffen, auf Applaus,

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ist zu viel,hält man nicht aus.

Ein kleines Tiefin einer KurWas macht ein Kurgastwohl bei Regen?Wer kann sich schmollendnieder legen,ein Buch ergreifen,wenn er will,auf bess‘res Wetterwarten, still.Soweit ein Schwimmbad,da, im Haus,vielleicht nützt erdie Zeit dann aus,verbindetHäßliches mit Gutem,statt einem Schirm,wählt er die Fluten,und paddelt,das ist gar nicht schwer,in Rückenlage

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hin und her.Denn,wenn die Himmelsschleusen offen,versiegt die Wanderlust,das Hoffen,selbst eine Kneipezu erreichen,noch trocken,ohne durchzuweichen.Es wär‘ auch denkbar,Briefe, jetzt zu schreiben,doch hieße das wohl,maßlos übertreiben.

Das bittere Los der SpätheimkehrerWer in der Kur,und das kann sein,nicht ganz genaudie Zeit hält ein,der wundert sichund ist verdrossen,wenn alle Türenabgeschlossen.

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Natürlich istam rechten Orteein Klingelknopfneben der Pforte.Mit einem lächelnganz verzückt,der späte Gastauf‘s Knöpfchen drückt.Nach Kurzem,denn man wartet drauf,macht sicher wer,von innen auf.Jedoch,wertvolle Zeit vergeht.Der Gast,noch immer draußen steht.Ist das nun ernst?Sind das nur Possen?Die Tür ist zuund bleibt verschlossen.Wenn nicht ein Mensch,die Not erkennt,und mutig, schnellzu Hilfe rennt,

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daß die bedrohten,armen Seelen,sich mühsamdurch ein Fenster quälen,ich weiß nicht,was dann in der Nacht,der ausgesperrte Gastwohl macht.

Im HallenbadWenn mehrereim Becken schwimmen,dann muß der Drall,die Richtung stimmen.Den Abstandvon dem Vordermann,nicht jeder immerhalten kann.Ein Kopf, ein Arm,wohl auch ein Bein,trifft hier und da,das kann schon sein,gelegentlich,ohne zu wollen,

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wenn Große,wie die Kinder tollen,durch Zufallmitten ins Gesicht,und das liebtder Getroff‘ne nicht.Kein Aufbrausen,und keine Wut,gequält nur lächeln:„Ist schon gut.“Mit Haltungseinen Schmerzverschweigen,Gelassenheitund Würde zeigen.

Gewitterwolkenüber SonnenliegenWenn irgendwoverfügbar Sonnenliegen,so können Menschendadurch Ärger kriegen.Der Eine glaubt, er habe was zu sagen, und das

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schlägt einem and‘renauf den Magen.Im Handumdrehen,bilden sich Parteien,und schon beginnt das Volksich zu entzweien.Wortführer beider Seitenstehen auf.Man ist bereit, nimmt einen Zwist in Kauf.Gesucht, gefundenwird manch Argument,auf daß sich klar die Spreuvom Weizen trenntGefährlich lebt am Ende,wer da meint, die Sonneimmer schon für alle scheint.

Frauen heute in der KurGanz früherwär‘ es so gegangen,das Herren

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Damen eingefangen.Die Zeitensind schon lange her,brav, sittsam sie,er, der Charmeur.Geänderthaben sich die Zeiten,die Weibchenund die Männchen streiten,bei einer Kur,ganz rigoros,sind Frauen häufighemmungslos.Ein Mann, der harmlos, unbedacht,im Grunde nichts,als Scherze macht,wird mit der Zeit, bedrängt, traktiert, bis erdie Übersicht verliert,und hilflos,wie ein kleines Kind,in ihrem Netze

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zappelt, blind.Wenn nicht ein Freund,zur Tat bereit,schnell handelndaus der Not befreit,kaum auszudenken,was dann wär‘,und erst die Folgenhinterher.

Stille FreudenDem routiniertenHerzensbrecher,ihm öffnen sichdie Schlafgemächerder schönen Frauenhier im Ort,mit einem Lächeln.Kaum ein Wortläßt er verlautenin der Nacht, ist jede Türdoch streng bewacht,von Schwestern,die für Ruhe sorgen,

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gewissenhaftbis hin zum Morgen.Er flüstert leise in die Linnen, die Holden jauchzen, wild, von Sinnen.Der kluge Herr ist wohl bedacht, das kaum Geräusche macht,denn schließlichist er Spezialist,kein Mensch darf hörenwo er ist.

Weibliche GedankenspieleEs gibt, ganz klar,hier reife Damen,die aus Gesundheitsgründenkamen, und ohne Zweifelnicht erwägen, sich eine Schatten zu zulegen.Ihr Sinnen ist darauf bedacht, daß eine Kur

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sie schlanker macht.Nicht nur aus reiner Eitelkeit.Die Frau trägt gernein enges Kleid, und dabeikäm es sehr gelegen,könnt siegelenkig sich bewegen.Auch ist man sichnoch nicht im Klaren,liegt es am Essen,an den Jahren.Vielleicht, nun ja,das könnt‘ doch sein,kehrt man verändertwieder heim.

Kurz vor Abschluß einer KurDie letzten Tage läuftso allerhand, man ist nicht nur in Kneipen gut bekannt.Kontakte sind geknüpft,nach altem Brauch, und wer

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da Mut hat, nun, der nutz sie auch.Vor allem, und das ist dabei das Tolle,die Lebensjahrespielen keine Rolle.So mancher Opa,der schon pensioniert,sich köstlich,und ausgiebig, amüsiert,Selbst wenn die Beine,nicht zum Tanzen taugen,genießt, wer will, ganz einfach mit den Augen.Weiblicher Schwarm,ich kann es gut verstehen,ist für den Kenner, überall zu sehen.

Du bist doch nicht nur junge frische HautIn deinem Bette, justan deinem Busen,

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sich nur ergötzen,und mit dir zu schmusen,den Bock zu spielen,zwischen deinen Beinen,wenn heiß gelauf‘ne Körpersich vereinen,mag reizvoll sein,für einen Stier, den Mann,der außer Lust zu fühlengar nichts kann.Doch jener,der den Triebvom Menschen trennt,hinter dem Körper,deinen Wert erkennt.

DurchgedrehtMöglich ist,was keiner glaubt,daß ein Kurgastunerlaubt, und auchohne viel zu fragen,heim fährt, schweigend,

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mit dem Wagen.Jene, welche bleibenhier, finden dannein Stück Papier:„Macht euch bittekeine Sorgen,komme wieder,doch erst morgen.“Einer sagt zum andern laut:„Hast du ihm daszugetraut?“„Furchtbar,wird jetzt immer doller,in der Kur, man nennt esKoller.“

Die Umstellung (Der BFA–Kurgast)Die BFA und auch die Ärzte wissen, so manches Kreuz ist hoffnungsloszerschlissen.In diesen Fällenbringt selbst ein Kur,trotz aller Mühen

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herzlich wenig nur.Die Zeitder schnellen Schritteist vorbei,und auch das Kraxelnund die Tanzerei.Wenn so ein Menschgenügsam, und nicht dumm, stellt er geschicktsein ganzes Leben um.Nur die Beweglichkeitder Knochen fehlt,die Lebensjahre,sie sind nicht gezählt.Frisch auf mein Freund,jetzt gilt es zu entdecken,wie weit in dir nochfreie Kräfte stecken.

Die Umstellung(Der Krankenkassen–Kurgast)Die Krankenkassenund die Ärzte

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wissen,so manches Kreuzist hoffnungsloszerschlissen.In diesen Fällenbringt selbst eine Kur,trotz aller Mühenherzlich wenig nur.Die Zeitder schnellen Schritteist vorbei,und auch das Kraxelnund die Tanzerei.Wenn so ein Menschgenugsam,und nicht dumm,stellt er geschicktsein ganzes Leben um.Nur die Beweglichkeitder Knochen fehlt,die Lebensjahre,sie sind nicht gezählt.Frisch auf mein Freund,jetzt gilt es zu entdecken,

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wie weit in dir nochfreie Kräfte stecken.

GeräuscheIn dieser Welt,in der wir leben,da darf es schonGeräusche geben.Es gibt das Gurrensanfter Tauben,dann Stampfenvon Motorenschrauben,Musik,die aus dem Radio klingt,und Lieder,die ein Mädchen singt.Selbst das Gerattereiner Bahn hört ab und zuder Mensch sich an.Sei es, daß ervor Schranken wartet,oder auchin den Urlaub startet.Nur ein Geräusch,

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das mag er nicht,wenn morgens schrillder Wecker spricht.

PrivatanwendungenIn einer Kur,oh, was wird da erzählt,nicht nur vom Leiden,das den Körper quält,nein, auch von tiefer,schwerer Seelenpein,vom armen zarten Herz,das ganz allein.Man will sich,anstandshalbernicht beklagen,es gäbe, ehrlich,nämlich viel zu sagen.Die Frau, na ja,vergessen, und das Kind.Ich sag nur eins,der Menschist doch nicht blind.Ein süßlicher Zigarrenduft,

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berauschendsteigt er in die Luft.Zwei Hände finden sich,ganz sacht.Ob das der Wein,oder das Fango macht?

Resultat einerflüchtigen Begegnung(Ein junges Mädchen zeigte mir ihr erstes Liebesgedicht. )

Du liebes kleines,junges Kind, ich merke wohl, du bist nicht blind.Du trägst viel Kraftin deiner Brust,vielleicht ist dir dasnicht bewußt.Du hast spontan, frischaufgeschrieben,den Eindruck, den du hastbeim Lieben.Du bist ein Weib,

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doch das sind Knaben,die Druckzwischen den Schenkelnhaben.Es wäre schlecht,müßt später man erfahren,das früher in dir

Das SonnenbadBei Sonnenscheinund leichtem Wind,Kurgäste gernim Freien sind.Soweit vorhanden,auf Terrassen,legen sich nieder,selbst die Blassen,und hoffen, daß inzwei drei Stunden,das Weiße von der Hautverschwunden.Da ist im Grundkaum was zu tun,nur still zu liegen,

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und zu ruhn.Die Sonne strahltvom Himmel nieder,wärmt auf den Körperund die Glieder,und außerdemgibt sie noch mehr,das merkt der Menschdann hinterher.Des nachts wird,doch zu spät erkannt,die ganze Haut,sie ist verbrannt.

KurklinikenDer Menschwird in der Kur trainiert,daß ersowohl Gewicht verliert,als auch begreift,zu seinem Segen,was es bedeutet,sich bewegen.Aus diesem Grunde

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sieht so manches Haus,für den Betrachterirritierend aus,da lange Gänge,Treppen, Türen,mitunternicht zum Ziele führen.Nein, so verschachtelt,so verzahnt,das ist durchdacht,das ist geplant,und nicht nur einfachdran gehängt,wie man vermutetoder denkt.Es dauerteine ganze Weile,bis alle wichtigen Detail,vom Gast erkannt,und registriert,nachdem er oftmalsfalsch marschiert.Vier Wochenbleibt der Mensch im Haus,

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Dann, wenn er geht,kennt er sich aus.

Zarte Seelen in der KurDer Bewegungsraum,der knappe, engeund auch sonstdes Hauses Strengewird den ganz besonderszarten Wesen,mehr als hinderlich sein,beim Genesen.Um die ganze Uhr herum,Termin geplagtist es wohl kein Wunder,wenn der Menschverzagt.Sehnsuchtsvoll die krankeschwache Seele schreit,wünschtein kleines bißchenLiebe, Zärtlichkeit.Ach wie schön,

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wenn sich dannMenschen finden,irgendwo ganz heimlichstill verschwinden.Hochbeglückt,wie in den Wolkenschweben.Wirklich, diese Fällesoll es geben.

Die KurlängeVier Wochen,ist der Regelfall,das ändert sichnur selten mal.Da muß ein Kurgastschon gerissen,viel mehr,als alle Ärzte wissen,von Krankheit,Medizin, Diät,mag sein,daß es dann wirklich geht,die Zeit im Kurort

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raus zu schieben,auf fünf, sechs Wochen,oder sieben.Hingegen,so etwas kommt vor,daß in der Kur,ein rechter Tor,die Schranken,welche festgelegt,von sich aus,ohne Grund, bewegt.Wer abends fehlt,am Tage träumt,das Essen,und noch mehr versäumt,zu dem der Arztmit Strenge spricht:„Mein lieber Freund,nein, das geht nicht.Du packst die Koffer,fährst nach Haus,die Kur ist hiermitfür dich aus.Du hast ganz maßlos

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übertrieben,die Rechnung, sie folgt,eingeschrieben“.

GewissensentscheidWem verordnetstreng Diät,der schleicht abendshäufig spät um,mit wahrhaftem Entzücken,dies und das,schnell zu verdrücken.Denn den Schmerzdes leeren Magen,kann nicht jeder Gastvertragen.Hausmannskostnach Landesart,frisches Wellfleisch,mager, zart,Weinbergschnecken,auch Forellen,sich Diätler gern bestellen.Grad auf das,

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was man nicht darf,ist der Menschbesonders scharf.Wenn der Hunger,dann gestillt,auch der Geistsich kräftig fühlt.Da man will, und kann,und muß, wird gefaßtjetzt der Entschluß:Morgen früh, ganz rigoros,geht das große Fastenlos.

QuerulantenDer Durchschnittsgastwill eine echte Kur.Ganz unzufrieden,sind sehr wenige nur.Und dennoches gibt ihn,den Querulant,Ja, er fällt auf,ist mürrisch, arrogant.

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Nach kurzer Zeit,man diesen Typ erkennt,der ohne Gründezur Verwaltung rennt,der sich nicht scheut,wegen den kleinsten Sachen,ein rechtes Trommelfeuerzu entfachen.Intrigenwerden sorgsaminszeniert,die Glut des Hassesintensiv geschürt,und hoch gespielt,grundlosund ohne Scham,bedeutungsloser,leerer, dummer Kram.Das Klügste wohl,gar nicht reagieren,dann wird sich dieser Spuk,sehr bald verlieren.

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Unterschiede in der KurJa, es gibt Leute,leider, immer,die sitzen einsamauf dem Zimmer,weil keiner kommtund etwas spricht.Besonders freundlichist das nichtSehr früh entstehenechte Cliquen,zum Wandern, Tanzenund zum Stricken.Sie gehen ausununterbrochen,sie sind zusammen,all die Wochen.Manch einer brauchtdes And‘ren Nähe,Grad‘ wie in einerjungen Ehe.Bei Männernheißt es,

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kann man ahnen,sie treffen sichals Saufkumpanen.Gemischte Gruppen,das ist klar,von ihnen gibt esauch ein paar.Da wird zwarjeder überwacht,und dennoch,sehr viel Spaß gemacht.So kann man sagen,ehrlich, schlicht,ganz einheitlichsind Kuren nicht.

GewichtsbewußteDa gibt es Menschen,die sind stur, für sie bestehtein Thema nur. Sie reden stets, so oft es geht,mit jedem über die Diät.„Ich selbst,“so heißt es: „Ohne Fragen,

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werd‘ mich, trotz Hunger nicht beklagen.Die schmale Kostist vorgeschrieben,und nun wird auchdabei geblieben.Erst gestern,bei dem Vortrag,richtig essen,das hätte ich ja wirklichfast vergessen,meinte der Doktor,und das glaub‘ ich auch,mit etwas Willenschwindet jeder Bauch.“In solchen Fällen,gilt nur eines, schweigen.Die Wahrheit wird sichauf der Waage zeigen.

Kur und WirklichkeitIn einer Kur,trau‘ deinen Ohren nicht,bedeutungslos, was dieser,

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jener spricht.Zu Hause sind sie allebrav und klein,doch jetzt will jederetwas Großes sein.Aus einem Garten,winzig, doch gepflegt,entsteht ein Park,großartig angelegt, undaus der Demutshaltungim Betriebe,wird schnell ein Chef,der Eitelkeit zu Liebe.Die Phantasie,sonst immer Unterdrückt,beflügelt den Erzählerund entzückt.Warum nicht einmaletwas übertreiben,das Leben schöner,als gewohnt beschreiben?Denn eine Kur,ist eine andre Welt,bei der sich niemand

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an die Wahrheit hält.

Kur und Wein,verträgt sich das?In einer Kur,verschüchtert klein,sagt manch ein Mensch,nur keinen Wein.Ich muß mich hiergesund ernähren,und auf des DoktorsWorte hören.Das Motto lautet:Streng Diät,von morgens früh,bis abends spät.Durch ganz gezielte,fade Speisen, die Ärzteals erfolgreich preisen,wird einem Kurgastsuggeriert,daß er die Pfundeschnell verliert.So läuft der Mensch,

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mit leerem Magen,und seelischvöllig angeschlagen,verunsichert, betrübt umher.Diät zu halten,das ist schwer.Man hätt‘ so gernein Gläschen Wein,jedoch der Doktor,er sagt: nein!Dabei würdeder Saft der Reben,die Lebensgeisterkräftig heben,und auch die Seelewär‘ beschwingt,sobald der Menschein Gläschen trinkt.

Empfindungen beim BergfestBergfestesprechen häufig Bände.

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Die erste Halbzeit,wie die Wende.Ach je, mein Gott,noch mal so viel,doch auch:das war ein Kinderspiel.Gedanken kommenund vergehen.Der eineläßt die Uhren stehen,ist selig,denn mit viel Geschick,genießt er vollden Augenblick.Wobei ein anderer,gequält, die Stundenbis zur Heimfahrtzählt.Nur, einigejetzt erst entdecken,da lassen sichGefühle wecken,die bishervöllig unbekannt, oder,

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so gut wie abgebrannt.Kurz um,ein rechtes Karussell,zu langsam, oderviel zu schnell.Und zwischen drin,die echten Weisen,sie sagen nichts,sie lassen‘s kreisen.

Kliniken, REHA–ZentrenIn einem ganz modernenPflegehaus,gibt die VerwaltungZettel, Schriften aus.Patienten werdendadurch informiert,was wissenschaftlichzur Genesung führt.Die rechte Körperhaltungauf dem Stuhle,auch Liegen, Bücken,das lehrt eine Schule,

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die den Patientenmit Verstand erklärt,wie manmit seinem Körperbauverfährt.Durch engagiertejunge Therapeuten,wird selbst vermittelt,noch den alten Leuten,wie man, mit etwas Übungund Geschick,beweglich kriegen,Hüften, wie Genick.Erstaunlich ist,das selbst Passivität,im Angebotso einer Klinik steht.Patienten werdenauf ein Bett gelegt,damit dann Stromdurch ihren Körper fegt.Des Weiteren,mitunter völlig nackt,auf einem Fangokuchen

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eingepackt,beginnt spontan,und das ist zu begrüßen,das Fett zu schmelzen,und der Schweiß zu fließen.Ich plauder hier,gewiß ganz wenig aus,von einem ganz modernenPflegehaus.

Geheimnisse einer KurWer eine Kuram eig‘nen Leib erfahren,erinnert sich daran,selbst nochnach Jahren.Ein Schmunzeln gleitetüber sein Gesicht,vergessen,werden diese Wochen nicht.Ob Sonnenschein,Freude, Genuß,oder das Gegenteil,

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Regen, Verdruß,ist unbedeutendfür den Widerhall,es bleibt ein Bild zurück,auf jeden Fall.Nicht nur der Kreislaufwurde angeregt,ein Teil der ganzen Psyche,neu geprägt,und Möglichkeiten,die sonst nie gedacht,in einer Kur,da wurden sieentfacht.Als Künstler kamen,um ihr Werk zu lesen,da war man eben auchdabei gewesen.Tatsächlich,eine sonstganz fremde Welt,dort in der Kur,hat sie sich dargestellt.Vom Alltagsleben,

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losgelöst und frei,geschah,wie selbstverständlich,allerlei.Nun, wer es kennt,bestätigt,eine Kur,ist weit aus mehr,als Moor und Fango nur.

Unter ZeitdruckWenn ein Menschgeht in die Kur,sieht am Anfanger die Uhr,einen Zeittaktchronometer,seinen Werterkennt er später.Kaum das Hausbewußt betreten,wird er schonzum Arzt gebeten,damit diesernieder schreibt,

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was des MenschenSchmerz vertreibt.So beginntder Ernst der Kur,schlicht ein Wettlaufmit der Uhr.Kurz nach diesemArztbesuch,schenkt manjedem Gast ein Buch,und, das ist nichtübertrieben,da wird sehr vielrein geschrieben.Mancher Gastist ganz verstört, durch das,was er liest und hört.Mindestens ab jetztversteht er,diesen Zeittaktchronometer.Die Termine hält man nur,durch den steten Blickzur Uhr.Noch des nachts,

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im Schlaf, beim Träumen,wähnst du dichin falschen Räumen,denn das wildeHin und Her,fällt dem Kopf,der Seele schwer.Schon des Morgens,früh um sieben,sind Termineaufgeschrieben.Kaffee trinken,Brötchen essen,kann der Menschfast ganz vergessen.Wirklich schlimmin einer Kur,dieser Wettlaufmit der Uhr.Fango hier,Massage dort,Plötzlichist das Handtuch fort,deshalb klar

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zum Ergometer,kommt man,reumütig später.Wer dort sitzt,oh, der tippt nur,mit dem Fingerauf die Uhr.Durch den Zeitdruck,schon seit Tagen,fühlt der Menschsich abgeschlagen.Wochenende,oh wie gutder Gequälte,er schöpft Mut.Doch machst du danneine Tour,nimm es mit,das Ding, die Uhr.Solltest du den Busnicht kriegen,wirst du nämlichaufgeschrieben,eingetragen

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und notiert,was sehr leichtzum Rausschmiß führt.Glaube nichtder Arzt wär‘ stur,schuld an allem,ist die Uhr.Oh nein,keine Kleinigkeit,diese Hektik,durch die Zeit.Alles fastim Laufschritt nehmen,doch so ist esleider eben.Mittelpunktin einer Kur,ist der Mensch nicht,nein, die Uhr.

Geheimnotiz (abwiegeln)

Vielleicht gab es

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ein wenig Widerhall,das könnt‘ doch seinin manchem Fall.Ich hätte damitwirklich viel erreicht,ein Herz bewegenist nicht leicht.Wenn zwar auch welchemüde schielen,so sind sie Gottlobhier geblieben.Die Lesung ja,jetzt ist sie aus.Es fehlt nur eins nochder Applaus.

Was ich noch sagen wollteDies war ein Auszug von ganz schlichten,doch nicht erfundenen Geschichten. Wie das nun mal der Alltag lehrt,

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sehr vieles wird dem Mensch beschertund Mißgeschicke kommen vor,die trägt man besser mit Humor.Die allgemeinen Lebenslagen,sind heiter besser zu ertragen.Vor allem sollte man im Leben,sich selbst, nicht gar so, wichtig nehmen.Natürlich kann ich wohl nicht sagen,ob's gut war, was ich vorgetragen.Wenn es jedoch nicht schlecht gewesen,was ich hier heute vorgelesen,wenn sie den Drang danach verspüren,

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dann können sie jetzt applaudierem.

Der moderne MannDer Mann der moderne,oh weh, eine Flasche,liegt stets einer Fraupermanent auf der Tasche,kann leider am Morgendie Kurve nicht kriegen,steht nie auf zum Frühstück, nein, bliebt lieber liegen.Er leistet zwar nichts,aber spricht von Karriere,bleibt stets ein Versager,das ist die Misere.Der Mann, der modernehat keine Interessen,er ist eine Niete, man kann ihn vergerssen.Doch ist sie noch da,die Vertraute, die Mutter, kann gar nichts passieren

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ist alles in Butter.

Wandel in der Männerwelt

Ein richtiger Mann, ja so, wie wir ihn kannten,hat immer und treuzur Familie gestanden.Da gab es kein Wimmern,kein Zaudern,kein Weichen.Das waren noch Kerle,so fest wie die Eichen.Der hat sich gemüht, und gequelt und geschunden,auf jeden Fall immer die Lösung gefunden.Auch niemals getrödelt,er kam nicht zu spät,denn er war schon wach wenn die Hähne gekräht.Das hat sich geändert,

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nun ja, irgend wann,was heute herum läuft,ist das noch ein Mann?

Ein Zerrbild der Männlichkeit

Vom Mann, vom echten,nein, nicht übertrieben,ist wahrlich wenig nur übrig geblieben.Die Knaben, heute, ja, wirklich zum lachen,was die so verfühen,was die alles machen.Sie schwärmenvom Fortschritt,sie sprechen vom Geld,was angeblich wichtig, hier, auf dieser Welt.Die Kenntnis jedoch, vom wirklichen Leben,die fehlt ihnen leider,

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das ist es eben.So müssen die Frauen, es ist eine Schande, die Männer ersätzen, hier, in diesem Lande.Und zusätzlich auch,den Haushalt noch führen,damit wir nicht ganz,die Richtung verlieren.Daß Männer nichts taugen,ist traurig, ein Graus,doch Frauen mit Tatkraft, die gleichen das aus.

Vom gleichen Autor sind erschienen:

1983 UNZEITGEMÄSSES ernst und heiter1983 ALLTÄGLICHKEITEN scharf beleuchtet1983 UNWICHTIGES trotzdem beachtet1983 HÄNDE WEG UND AUGEN ZU es ist politisch1984 FRIEDEN IST MEHR als das Schweigen der Waffen1984 NICHTIGKEITEN aus der Nähe betrachtet1985 GEDANKENSPLITTER Aphorismen

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1985 DER MENSCH IST KEIN BLATT im Wind1985 GEWALT LÖST KEINE PROBLEME

Im gleichen Verlag erschienen:

Der Mensch das Wesenzwischen Wissen und Glauben.Der Mensch ist mehr als nur ein Blatt im Wind.GedankensplitterGedichte für besondere AnlässeManches spritzt halt ins Gesicht (Kindergedichte)Nun ja, der Mensch er liebt es nicht…Sand oder SaatgutSo etwas schreibt man nichtTröste Dich, wenn es ans Sterben gehtWer ohne Schuld ist werfe …Zum Überdenken (CD)Zwiegespräche

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InhaltsverzeichnisVorwort 4Grußwort an 5mein Publikum Wie viel Zuhörer müssen 6es sein ?Frisch in der Kur 8Der erste Eindruck 9Die ersten Stunden 11So unzufrieden 12(Zusatz für die 13zweite Lesung) Ich bitte kurz um ihre 13 Aufmerksamkeit Brief an die Stamm- 14tischbrüder aus der Kur Poesie 16Trauriger Kurverlauf 17Ein bißchen Sünde 18schadet nicht Der Masseur 21Ernährungsfragen 22Die Trinkkur 24Scheinbilder 25Die Gymnastik 26Aufgeheizt 27Das Kurbad 29Moderne Mediziner 31Kleine Leute 33

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Außergewöhnlicher 35Kurwunsch Emanzipiert 36Der Trost 37Der Klatsch 38Fernsprechschwindel 40In einer Kur 41Vergänglichkeit 43Spott in Versen 43Die erste Kur 45Kurimpressionen 45Der Papst und die Pille 52Der Kurverlauf 52Die Kurabende 56Skeptiker in der Kur 56Die Kurgäste 57Der Männerschreck 58Das Leben des Pfarrer Kneipp59 BFA Kur 61Zufriedener Kurverlauf 62Private Abendanwendung 63Versehrtenkur 64Gleichheit der Geschlechter 65Theaterbesuch 68Bewegte Nächte 70Die Spätschicht 71der letzten KurtageSo sieht er aus, 74Klinikaufenthalt Taktik der Poeten 75Heimliche Beichte 76

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Die Nervensäge 77Ein kleines Tief 79in einer Kur Das bittere Los 80der Spätheimkehrer Im Hallenbad 82Gewitterwolken 83über Sonnenliegen Frauen heute in 84der Kur Stille Freuden 86Weibliche Gedankenspiele 87Kurz vor Abschluß 88einer Kur Du bist doch nicht 89nur junge frische Haut Durchgedreht 90Die Umstellung (Der 91BFA-Kurgast) Die Umstellung (Der 92Krankenkassen-Kurgast) Geräusche 94Privatanwendungen 95Resultat einer 96flüchtigen Begegnung Das Sonnenbad 97Kurkliniken 98Zarte Seelen in 100der Kur Die Kurlänge 101Gewissensentscheid 103

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Querulanten 104Unterschiede in der Kur 106Gewichtsbewußte 107Kur und Wirklichkeit 108Kur und Wein, 110verträgt sich das? Empfindungen 111beim Bergfest Kliniken, 113REHA-Zentren Geheimnisse 114einer Kur Unter Zeitdruck 117Geheimnotiz 121(abwiegeln) Was ich noch sagen wollte 122Der moderne Mann 126Wandel in der Männerwelt 127Ein Zerrbild der Männer 128

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