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Städtekooperation und Städtediplomatie im Nahen Osten am Beispiel der Stadt Köln; City-to-City...

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ANALYSE Zusammenfassung: Städtepartnerschaften, Städtekooperationen und Städtediplomatie bilden eine eigene Sphäre der Außenpolitik. Sie können Handlungsspielräume eröffnen, die staatlicher Außenpolitik bisweilen versperrt sind. Die Beziehungen zwischen Köln, Tel Aviv-Yafo und Beth- lehem sowie die Aktivitäten der Municipal Alliance for Peace in the Middle East belegen das beispielhaft. Für die zu entwickelnde Post-Oslo-Agenda sind Bürgerbegegnungen und Städteko- operationen als vertrauensbildende Maßnahmen unverzichtbar. Schlüsselwörter: Städtepartnerschaften · Städtekooperationen · Städtediplomatie · Nahostfriedensprozess City-to-City Cooperation and City Diplomacy in the Middle East. The Example of the City of Cologne Abstract: Twin city partnerships, city-to-city cooperation and city diplomacy form a unique sphere of foreign politics. They may open scopes of action which are barred for national foreign policy. The relationship between Cologne, Tel Aviv-Yafo and Bethlehem as well as the activi- ties of the Municipal Alliance for Peace in the Middle East exemplify this. Civil society con- tacts and city-to-city cooperation are trust building measures and indispensible for the evolving post-Oslo-agenda. Keywords: Twin city partnerships · City-to-city cooperation · City diplomacy · Middle-East peace process Z Außen Sicherheitspolit (2013) 6:331–343 DOI 10.1007/s12399-013-0346-z Städtekooperation und Städtediplomatie im Nahen Osten am Beispiel der Stadt Köln Jürgen Roters · Frieder Wolf Online publiziert: 07.08.2013 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Jürgen Roters ist Oberbürgermeister der Stadt Köln. Frieder Wolf leitet das Büro für Internationale Angelegenheiten im Amt des Oberbürgermeisters. J. Roters () Rathaus, 50667 Köln, Deutschland E-Mail: [email protected] F. Wolf Rathaus (Spanischer Bau), 50667 Köln, Deutschland E-Mail: [email protected]
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AnAlyse

Zusammenfassung: städtepartnerschaften, städtekooperationen und städtediplomatie bilden eine eigene sphäre der Außenpolitik. sie können Handlungsspielräume eröffnen, die staatlicher Außenpolitik bisweilen versperrt sind. Die Beziehungen zwischen Köln, Tel Aviv-yafo und Beth-lehem sowie die Aktivitäten der Municipal Alliance for Peace in the Middle east belegen das beispielhaft. Für die zu entwickelnde Post-Oslo-Agenda sind Bürgerbegegnungen und städteko-operationen als vertrauensbildende Maßnahmen unverzichtbar.

Schlüsselwörter: städtepartnerschaften · städtekooperationen · städtediplomatie · nahostfriedensprozess

City-to-City Cooperation and City Diplomacy in the Middle East. The Example of the City of Cologne

Abstract: Twin city partnerships, city-to-city cooperation and city diplomacy form a unique sphere of foreign politics. They may open scopes of action which are barred for national foreign policy. The relationship between Cologne, Tel Aviv-yafo and Bethlehem as well as the activi-ties of the Municipal Alliance for Peace in the Middle east exemplify this. Civil society con-tacts and city-to-city cooperation are trust building measures and indispensible for the evolving post-Oslo-agenda.

Keywords: Twin city partnerships · City-to-city cooperation · City diplomacy · Middle-east peace process

Z Außen sicherheitspolit (2013) 6:331–343DOI 10.1007/s12399-013-0346-z

Städtekooperation und Städtediplomatie im Nahen Osten am Beispiel der Stadt Köln

Jürgen Roters · Frieder Wolf

Online publiziert: 07.08.2013 © springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Jürgen Roters ist Oberbürgermeister der stadt Köln. Frieder Wolf leitet das Büro für Internationale Angelegenheiten im Amt des Oberbürgermeisters.

J. Roters ()Rathaus, 50667 Köln, Deutschlande-Mail: [email protected]

F. WolfRathaus (spanischer Bau), 50667 Köln, Deutschlande-Mail: [email protected]

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Daß unsere Außenpolitik nicht nur ein Austausch von Kommuniqués und Deklarationen geblieben ist, sondern daß sich Völker einander nähergekommen sind, verdanken wir zu einem ganz wesentlichen Teil den Städtepartnerschaften(Rita süssmuth zit. n. Ziegler 1992, s. 184).

[…] auch ich [bin] der Meinung, daß die Bürger durch persönliches Engagement auf privater Ebene manchmal mehr erreichen können als wir Politiker – vor allem dann, wenn die Zeit für offizielle Vertragsabschlüsse vielleicht noch nicht reif genug ist (Hans-Dietrich Genscher zit. n. Ziegler 1992, s. 178).

1 Das hohe Lied auf die kommunale Außenpolitik

Ähnlich wertschätzend wie in den einleitenden Zitaten äußerten sich Bundesaußenminis-ter Guido Westerwelle und Dirk niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammen-arbeit und entwicklung, im september 2012 in ihren schreiben an den Oberbürgermeister der stadt Köln: „städtepartnerschaftliche Beziehungen und Begegnungen schaffen ein größeres Verständnis für die Anliegen der jeweils anderen seite und tragen zur Vertrau-ensbildung bei“, so Außenminister Westerwelle. Weiter: „solche Partnerschaften leisten somit einen Beitrag zum nahost-Friedensprozess auf kommunaler ebene. Ich begrüße Ihr engagement ausdrücklich und ermutige sie, dieses fortzusetzen“. Bundesminister niebel schrieb: „Die grenzüberschreitenden Verbindungen und Freundschaften, die aus diesen Partnerschaften entstehen, leisten auf der lokalen ebene sicherlich einen Beitrag zur friedlichen Lösung des Nahostkonflikts“.

eher ernüchternd ist die Praxis: so wollten sich weder das Auswärtige Amt (AA) noch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und entwicklung (BMZ) an der Finanzierung einer Konferenz beteiligen, die 2011 nach vielen Jahren erstmals wieder Bürgermeister aus Israel, Palästina und europa in Köln zusammen brachte. Und obwohl Außenminister Westerwelle, angesprochen auf die Finanzierung möglicher Folgeaktivi-täten, in seinem schreiben ausdrücklich auf das Förderprogramm zivik des Instituts für Auslandsbeziehungen e. V. (ifa) verwies, das mit AA-Mitteln internationale Friedens-projekte in Krisenregionen fördert, lehnte das ifa mit einem am 14. Februar 2013 an den Deutschen städtetag gerichteten schreiben die Förderung einer geplanten Folgever-anstaltung mit der Begründung ab, dass diese vom Auswärtigen Amt als „nachrangig bewertet“ wird.

städte sind seit Jahrzehnten außenpolitisch aktiv (Ude 2012). Umso mehr verwundert, dass kommunale Außenpolitik im Allgemeinen und städtediplomatie im Besonderen auch für die Wissenschaft noch immer eine Randrolle spielen. Die internationale Rolle von städten ist zwar verstärkt ihr Gegenstand, aber bislang liegt der Fokus hauptsächlich auf den „Global Cities“ (sassen 1993), der weltweiten Urbanisierung (Hall und Pfeiffer 2000; Worldwatch Institute 2007), transnationalen Akteuren jenseits der staaten (Beck 1998) oder der Rolle der Kommunen im system der eU (Münch 2008).

Bisherige wissenschaftliche studien zur kommunalen Außenpolitik beschränken sich weitgehend auf die städtepartnerschaften (Bautz 2002; Heil 2011) und das entwicklungs-

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politische engagement von Kommunen (Fröhlich und lämmlin 2009). Darüber hinaus-weisende Publikationen wurden zumeist von nichtregierungsorganisationen (statz und Wohlfahrt 2010) oder von Kommunalverbänden verfasst. Dazu zählt insbesondere die wegweisende, anlässlich der ersten internationalen städtediplomatie-Konferenz von VnG International in den niederlanden publizierte studie City Diplomacy (Musch et al. 2008). Dabei wäre die kommunale Außenpolitik ein durchaus lohnenswertes Feld. städte sind heute die vielleicht innovativsten laboratorien der Bürgerbeteiligung und Demokratie. städte mischen international mit und das zunehmend selbstbewusst. sie tun dies zumeist in netzwerkgestützten, die BürgerInnen aktiv einbeziehenden strukturen, die kommunaler selbstverwaltung ohnehin wesenseigen sind. sie agieren darin möglicherweise moderner als die klassische Außenpolitik. Dieser Beitrag soll deshalb auch Anregung sein, sich sei-tens der Wissenschaft dieses wichtigen Themenfelds künftig stärker anzunehmen.

2 Geschichtlicher Kontext Kölner Nahostpolitik

In wenigen städten sind die Beziehungen zwischen Angehörigen des christlichen und des jüdischen Glaubens sowie zwischen Deutschland, Israel und Palästina so sehr in die stadtgeschichte eingewoben wie in Köln (Dietmar und Jung 2002). Die nahostarbeit der stadt Köln fußt auf diesem historischen Fundament.

Köln ist sitz der ältesten schriftlich beurkundeten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen. Bis zur Vertreibung der Kölner Jüdinnen und Juden im Jahr 1424 lag das jüdische Viertel mehrere Jahrhunderte lang direkt vor dem Rathaus. erst die eroberung durch napoleonische Revolutionstruppen im Jahr 1794 ermöglichte den Menschen jüdischen Glaubens die Rückkehr nach Köln. ein Jahrhundert später war Köln Zentrum der zionis-tischen Bewegung. 1893 gründeten Max Bodenheimer und David Wolffsohn den Kölner Verein zur Förderung von Ackerbau und Handwerk in Palästina. Der Verein sammelte die ersten Gelder zur Gründung Tel Avivs. Das vom ersten Zionistischen Weltkongress 1897 verabschiedete Basler Programm beruhte im Wesentlichen auf Bodenheimers Kölner Thesen. Wolffsohn hatte für den Kongress das logo entworfen, den blauen Davidstern, der nach der Gründung des Staates Israel zur Nationalflagge werden sollte.

Von 1953 bis 1965 war Köln sitz der Israel-Mission, Vorläuferin der Botschaft, die nach Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen 1965 in Bonn eingerichtet wurde (Hansen 2004, s. 356–366). Mit dem 1960 begonnenen Jugendaustausch wurden Köln und Tel Aviv Pioniere bürgerschaftlicher Begegnungen zwischen Israelis und Deutschen nach der shoah (Heil 2011). 1979 wurde die städtepartnerschaft besiegelt. seit 1996 pflegt Köln als erste deutsche Stadt auch enge partnerschaftliche Beziehungen zu einer stadt in Palästina, nämlich Bethlehem (Wolf 2010).

3 Köln – Tel Aviv-Yafo

Am 25. Dezember 1959 wurde die neu eingeweihte Kölner synagoge mit Hakenkreu-zen beschmiert. Hunderte weitere Fälle neonazistischer und antisemitischer Vorfälle quer durch Deutschland folgten. Die internationalen Medien blickten einmal mehr mit großer

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sorge auf Deutschland. Glückliche Fügung wollte es, dass der damalige Kölner schul-dezernent, Johannes Giesberts, mit einer Gruppe der Kölnischen Gesellschaft für christ-lich-jüdische Zusammenarbeit in genau jener Zeit nach Israel reiste. In Tel Aviv traf er seinen Kollegen scha´ul levin. Beide Dezernenten stimmten überein, dass die Begeg-nung zwischen jungen Deutschen und jungen Israelis die wirkungsvollste Methode sei, Antisemitismus vorzubeugen. Gemeinsam wurden sie so zu Wegbereitern des deutsch-is-raelischen Jugendaustausches. Die ersten Kölner Jugendlichen reisten 1960, camoufliert als Teil einer französischen Gruppe, nach Israel (erel 1994). Bis heute bildet der schul- und Jugendaustausch zwischen Köln und Tel Aviv eine der wichtigsten säulen der engen städtepartnerschaftlichen Beziehungen.

Das Beispiel unterstreicht, dass städte manchmal ungezwungener und schneller handeln können als staaten: Während der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer, gefangen in der Hallstein-Doktrin, ein deutsch-israelisches Austauschprogramm auf die lange Bank schieben musste, schufen Köln und Tel Aviv bereits Tatsachen, übrigens maß-geblich unterstützt durch Max Adenauer, den sohn des Bundeskanzlers und damaligen Oberstadtdirektor. erst 1973 wurde der deutsch-israelische Jugendaustausch auf eine zwischenstaatlich verbindliche Basis gestellt.

„Von allen städten der Bundesrepublik hat sich Köln die ersten und größten Verdienste um die deutsch-israelische Annäherung und die deutsch-jüdische Aussöhnung erworben“, so erinnert sich yehuda erel, der als damaliger Mitarbeiter der Tel Aviver stadtverwal-tung und späterer Sekretär des regierungsoffiziellen Komitees für Jugendaustausch ganz maßgeblich an den ersten bilateralen Jugendbegegnungen sowie am Aufbau des deutsch-israelischen Austauschprogramms beteiligt war (erel 1993, s. 17).

1988 schenkte Köln der Partnerstadt Tel Aviv ein Kindergartengebäude für den paläs-tinensischen stadtteil Jaffa. Hunderte von Kindern aus jüdischen, palästinensisch-musli-mischen und palästinensisch-christlichen Familien haben seitdem im Cologne Day Care Peace Center zusammen gespielt und die Kultur des jeweils Anderen kennengelernt. Als Kommunalaufsicht wollte die Kölner Bezirksregierung diese schenkung damals verhin-dern. Die Finanzierung eines Kindergartens in der Partnerstadt sei Außenpolitik und falle nicht in das kommunale Mandat, so ihr Argument. Die stadt Köln hat sich davon nicht beirren lassen und das Projekt durchgesetzt.

4 Köln – Bethlehem

1996 wurde die städtepartnerschaft mit Bethlehem etabliert. Köln wollte damit den Auf-bau kommunaler selbstverwaltungsstrukturen in den palästinensischen Autonomiege-bieten unterstützen und helfen, die soziale und wirtschaftliche situation Bethlehems zu verbessern. Von Anfang an sollte diese Partnerschaft aber auch einen Beitrag zum nah-ost-Friedensprozess leisten. spiritus Rector dieser Idee war der damalige Kölner Ober-bürgermeister norbert Burger1.

1 Wir widmen diesen Beitrag dem Andenken norbert Burgers, dem der Rat in Anerkennung sei-nes fast zwanzigjährigen Diensts als Oberbürgermeister 1999 die ehrenbürgerwürde verliehen hat und der bis zu seinem Tod Vorsitzender des Vereins zur Förderung der städtepartnerschaft Köln-Bethlehem war.

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Wie zuvor schon im Fall Tel Aviv nutzte Köln auch in den Beziehungen zu Bethlehem wiederholt eigene Handlungsmöglichkeiten. ein Beispiel dafür ist der Umgang mit den ergebnissen der – nach über 30 Jahren – ersten freien und demokratischen Kommunal-wahl in Palästina im Jahr 2005. sie endete auch in Bethlehem mit einer niederlage der Fatah. Mit stimmen der Hamas wurde Victor Batarseh, ein säkularer Christ, der die meis-ten Wählerstimmen bekommen hatte, zum Bürgermeister gewählt.

Gegen den Widerstand der Hamas-Fraktion bekannte sich Bürgermeister Batarseh gegenüber der stadt Köln im Mai 2006 explizit zur Zwei-staaten-lösung und zu einer gewaltfreien Lösung des Nahostkonflikts. Diese Erklärung des Bürgermeisters schuf für Köln die Voraussetzung, die städtepartnerschaftlichen Beziehungen auch auf offizieller städtischer ebene fortzusetzen. Das Auswärtige Amt ließ sich davon nicht beeindrucken. Bis zur Kommunalwahl im Oktober 2012, zu der Batarseh nicht mehr antrat, mied die offizielle deutsche Außenpolitik jeglichen offiziellen Kontakt zu ihm und seiner Stadt,2 tolerierte erfreulicherweise aber die pragmatische Haltung der stadt Köln.

Aus den Kommunalwahlen im Oktober 2012 ging die von Vera Baboun angeführte Fatahnahe liste als Wahlsiegerin hervor. Am 13. november 2012 wurde Frau Baboun, Dozentin an der Bethlehem University und als Vorsitzende des Guidance and Training Center for the Child and Family3 langjährige und enge Kooperationspartnerin der stadt Köln, ins Bürgermeisteramt gewählt. sie ist überhaupt erst die zweite und derzeit einzige Frau in einem palästinensischen Bürgermeisteramt.

Frau Baboun trat auch mit dem Ziel an, die in den letzten Jahren gegen die stadt Beth-lehem verhängte diplomatische Kontaktsperre aufzubrechen – mit erfolg: ende Januar 2013 trafen sich Barbara Wolf, als leiterin des Vertretungsbüros der Bundesrepublik Deutschland in Ramallah ebenfalls erst seit wenigen Monaten im Amt, und Bürgermeis-terin Baboun erstmals in Bethlehem.

Die deutsche entwicklungszusammenarbeit unterstützt darüber hinaus aktiv die Bemü-hungen der neuen Bürgermeisterin, die städtische Verwaltung zu reformieren und mittels einzelner Pilotprojekte im Bereich Jugend- und Frauenförderung zu modernisieren. In diesem Rahmen werden derzeit auch kommunale Austauschmöglichkeiten zwischen Bethlehem und Köln eruiert. Bereits in früheren Jahren hat die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) einzelne Kooperationsprojekte zwischen den beiden Partnerstädten fachlich und finanziell gefördert.

Aktuell zählt die Partnerschafts-Datenbank der Deutschen sektion des Rates der Gemeinden und Regionen (RGRE) 101 offizielle Beziehungen zwischen deutschen und israelischen Kommunen (Rat der Gemeinden und Regionen europas/Deutsche sektion 2013). Immerhin vier deutsch-palästinensische städtepartnerschaften gibt es seit Kur-zem. Bethlehem und Köln hatten den Anfang gemacht. 2011 folgten die Partnerschaften der Bethlehemer nachbarstädte Beit Jala mit Bergisch Gladbach und Jena sowie Beit sahour mit Xanten. Bergisch Gladbach schloss darüber hinaus im Januar 2013 eine städ-

2 Trotz vergleichbarer politischer Konstellationen blieben einzelne andere palästinensische städte von einem solchen Boykott verschont. Die offenkundige Ungleichbehandlung durch die west-liche Diplomatie aus Gründen einer an sich schon fragwürdigen Ausgrenzungspolitik hat die wachsende Frustration unter palästinensischen Kommunen zusätzlich genährt.

3 Weiterführende Informationen unter www.gtc.ps.

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tepartnerschaft mit der Tel Aviver nachbarstadt Ganey Tikva und strebt nicht nur wie Köln trilaterale Begegnungen, sondern sogar eine offizielle trilaterale Ringpartnerschaft an. Jena und Xanten suchen ihrerseits noch Partnerstädte in Israel. eine städtepartner-schaft zwischen Bonn, ebenfalls Partnerstadt von Tel Aviv, und Ramallah ist in Vorberei-tung. Auch Mannheim, Partnerstadt von Haifa, und Bielefeld, Partnerstadt von nahariya, suchen zurzeit Partnerstädte in Palästina.

Die deutschen städte treffen sich regelmäßig zum Informations- und erfahrungsaus-tausch. Gemeinsame Projekte zur stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit und lokalen Demokratie in der Region Bethlehem, die C-Gebiete4 eingeschlossen, sind in Planung.

5 Trilaterale Begegnungen

erste Begegnungen im Dreieck Bethlehem-Köln-Tel Aviv fanden bereits kurz nach 1996 statt. Jäh unterbrochen wurden sie durch den Ausbruch der Zweiten Intifada im septem-ber 2000. Die jeweiligen bilateralen Beziehungen blieben davon unberührt. Gegenseitiges Vertrauen, das im Rahmen solcher Kontakte wächst, ermöglichte die Wiederaufnahme trilateraler Begegnungen im Jahr 2009. seitdem haben mehrere schüler-, Jugend- und sportaustausche stattgefunden, der vorerst letzte im Frühjahr 2013.

6 Kölner Nahost-Bürgermeisterkonferenz

nach dreijähriger Vorbereitungszeit trafen sich vom 29. november bis zum 1. Dezember 2011 BürgermeisterInnen und führende RepräsentantInnen israelischer, palästinensischer und europäischer Kommunen, expertInnen und RegierungsvertreterInnen in Köln, um sich über die Potenziale und Perspektiven von städtekooperationen auszutauschen.

Veranstalter waren neben der stadt Köln die beiden Kommunalverbände Israels und Palästinas, UlAI und APlA, der Deutsche städtetag sowie die 2005 gegründete, von APlA und UlAI gemeinsam getragene Municipal Alliance for Peace in the Middle east (MAP). Finanziert wurde die Konferenz von der stadt Köln, die den größten Anteil trug, dem niederländischen Kommunalverband VnG International sowie der nRW-staats-kanzlei, die früh die zukunftsweisende Bedeutung dieser Konferenz erkannt hatte. Den Anstoß hatte der damalige UlAI-Vize-Generalsekretär und langjährige leiter der Inter-nationalen Abteilung Avi Rabinovitch gegeben.

es waren nicht zuletzt die gewachsenen städtepartnerschaftlichen Beziehungen, die diese Konferenz möglich gemacht und zum erfolg geführt hatten. leiter der palästinen-sischen Delegation war Bürgermeister Batarseh, leiter der israelischen Delegation der

4 Gemäß den Bestimmungen der Osloer Verträge unterliegen die palästinensischen C-Gebiete praktisch vollständiger israelischer Kontrolle. sie umfassen ca. 62 % der Westbank und schlie-ßen die israelischen siedlungen mit ein. Maßnahmen zur Verbesserung der lebensbedingungen der einheimischen palästinensischen Bevölkerung werden von der israelischen Zivil- und Mili-tärverwaltung regelmäßig behindert.

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Bürgermeister der stadt Rosh-Ha’Ayin und Vorsitzende des Internationalen Ausschusses von UlAI, Moshe sinai. Zu den TeilnehmerInnen zählte auch die Vorsitzende des stadt-rats von Tel Aviv-yafo, yael Dayan. selbstverständlich war das nicht. Die israelische Partnerstadt, Zentrum des liberalen und säkularen Israels, hatte zunächst gezögert, an der Konferenz teilzunehmen, weil sie aufgrund vorheriger erfahrungen befürchtete, ein-mal mehr als projizierte stellvertreterin der israelischen Regierung auf die Anklagebank gesetzt zu werden. Alles andere als selbstverständlich war auch das Kommen der palästi-nensischen Bürgermeister. Die stadt Ramallah hatte in einer im Frühjahr 2011 lancierten Kampagne deren Teilnahme vergeblich zu verhindern versucht.

Die Kölner Konferenz hat gezeigt, dass städte eigenständige Brücken grenzüber-schreitender Zusammenarbeit bauen und dazu beitragen können, Feindbilder abzubauen sowie mentale und reale Mauern zu überwinden (Wolf 2012). Konkret verabredet wurden die Gründung eines israelisch-palästinensischen Bürgermeister-netzwerks sowie zahl-reiche bi- und trilaterale städtekooperationen.5

Der Deutsche städtetag und VnG International wollen in der nahostarbeit enger kooperieren und die Vernetzung mit anderen europäischen städten stärken. Die stadt Jena plant für 2014 eine Folgekonferenz, an der sich das BMZ über die servicestelle Kommu-nen in der einen Welt beteiligen wird.

Zu den erfolgen zählt auch, dass sich die nRW-Regierungspartner – nicht zuletzt unter dem eindruck der von nRW-Kommunen ausgehenden nahostaktivitäten – im 2012 geschlossenen Koalitionsvertrag vorgenommen haben, kommunale und zivilgesellschaft-liche Kontakte zwischen nRW, Israel und den palästinensischen Gebieten sowie den ara-bischen nachbarländern zu fördern.

7 Arbeitskreis Israel/Palästina

Auf Initiative der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, des För-dervereins des Kölner ns-Dokumentationszentrums und der stadt Köln sowie mit Unter-stützung des damaligen Vorsitzenden des Vereins zur Förderung der städtepartnerschaft Köln-Bethlehem, norbert Burger, gründete sich im Februar 2012 der Kölner Arbeitskreis Israel/Palästina. er knüpft an die schon seit Jahrzehnten bestehenden, freundschaftlichen Beziehungen Kölns mit Israel und Palästina an. Mit diesem Arbeitskreis gibt es nunmehr auch auf lokaler ebene erstmals ein Forum, das Dialogbrücken bauen und trilaterale Aktivi-täten fördern will. sein Hauptaugenmerk gilt zivilgesellschaftlichen Organisationen in Israel und Palästina, die Friedensarbeit und solidarisches Miteinander auf lokaler ebene leisten.

8 Post-Oslo-Agenda

Wie notwendig solche Initiativen sind, zeigt die oft ausweglos erscheinende situation vor Ort. Der Osloer Friedensprozess ist tot. Auch die so genannte Roadmap hat ihn nicht

5 Cologne Mayors’ Conference. „euro – Middle east City-to-City-Cooperation“. Conclusions. http://www.stadt-koeln.de/en/7/00307/. Zugegriffen: 17. Feb. 2013.

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wiederbeleben können. ein neuer, erfolg versprechender Friedensanlauf im nahen Osten muss – besonders nach den arabischen Revolutionen – die BürgerInnen der Konflikt-parteien sowie die zivilgesellschaftliche und kommunale ebene zwingend einbeziehen, einen regionalen Integrationspfad beinhalten und neben legitimen sicherheitsinteressen auch auf dem Prinzip der universellen, unteilbaren Bürger- und Menschenrechte beruhen.

Israel ist in der Region zunehmend isoliert. städtepartnerschaften und etablierte kommunale Verbandsstrukturen mögen ungewollt mit dazu beigetragen haben. so sind israelische Kommunen zwar weltweit vernetzt, Kooperationen mit städten in den nach-barländern bleiben aber die große Ausnahme. Unter dem Dach des kommunalen Welt-verbands UClG ist UlAI der Region europa und damit dem RGRe zugeordnet, die Kommunalverbände der arabischen nachbarländer, APlA eingeschlossen, dagegen UClG-MeWA (Middle east & West Asia). Die einzige Klammer strategisch ausgerich-teter und operativer nachbarschaftspolitik bildet das netzwerk MAP, dem die stadt Köln als aktives Mitglied angehört. nachdem die niederländische Regierung ihre Förderung 2012 beendet hat, steht aber auch MAP auf wankendem Grund.

Die Entwicklung zeigt exemplarisch die strukturellen Defizite europäischer Entwick-lungspolitik. eine strategie der eU-Mitgliedstaaten, die kommunale Partnerschaften im nahen Osten einbezieht, gibt es nicht.

Ohnehin stärken der stillstand des Friedensprozesses, der forcierte Bau neuer siedlun-gen und die prekäre Finanzlage der Autonomiebehörde, welcher rechtmäßige steuerein-nahmen von der israelischen Besatzungsmacht immer wieder vorenthalten werden, nicht gerade die Bereitschaft palästinensischer Kommunen, mit israelischen zu kooperieren. Anreize und Impulse von außen können dem entgegenwirken.

Die städtepartnerschaftsbewegung gilt als die größte und erfolgreichste Friedensbe-wegung europas. Wenn das so ist, dann wäre es an der Zeit, dieses Potential endlich auch im nahen Osten zu nutzen. Vor dem Hintergrund der shoah und angesichts des Vertrauens, das Deutschland trotz der historischen schuld auf israelischer und palästi-nensischer seite genießt, haben deutsche Kommunen eine besondere Verantwortung, im nahen Osten friedensstiftend zu wirken.

In allen ländern des nahen Ostens führen die sicherheitsapparate ein eigenleben. Von Politik und Gesellschaft werden sie kaum kontrolliert, auch nicht im demokratisch regierten Israel (Amar-Dahl 2012). Während diese sicherheitsapparate grenzüberschrei-tend Kontakte pflegen, offenkundig selbst Israel und Hamas, und so ein fragiles Manage-ment zwischen kaltem und heißem Krieg betreiben, driften die Gesellschaften immer weiter auseinander.

Die Mauer trennt Israel und Palästina inzwischen auch physisch. In der Westbank durchtrennen ausschließlich den siedlern vorbehaltene straßen immer größere Teile palästinensischen landes, das seinerseits durch den ungebremsten, völkerrechtswidrigen siedlungsbau immer kleiner wird. Zahlreiche Checkpoints schränken die Bewegungsfrei-heit der palästinensischen Bevölkerung noch weiter ein.

Israelis dürfen laut Gesetz nicht die autonomen palästinensischen Gebiete betreten. sie könnten es, weil die Mauer für sie ein eigentlich leicht überwindbares Hindernis ist, aber nur wenige engagierte Menschen trauen sich. Israelis jenseits der Mauer sind in der Regel repressive Besatzungsmacht oder siedler, deren gewaltsame Übergriffe gegen die palästinensische Bevölkerung sich häufen (Breaking the silence 2012). Die meisten

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PalästinenserInnen können von offenen Grenzen nur träumen. Für sie bilden Mauer und Checkpoints unüberwindbare Hindernisse.

Die jüngsten Parlamentswahlen haben gezeigt, dass der israelisch-palästinensische Konflikt in Israel aktuell keine wichtige Rolle spielt. Carlo Strenger spricht von der „kog-nitiven Dissonanz“ zwischen dem selbstverständnis, „jüdisch und demokratisch“ zu sein und dem gleichzeitigen Anspruch, „das Westjordanland [zu] behalten“, die viele Israelis den Konflikt ausblenden und bereit sein lässt, „die Demokratie zu beschneiden“ (Stren-ger 2013). Gershom Gorenberg entwickelt Vorschläge für „die neugründung Israels“ (Gorenberg 2012, s. 221–247), Moshe Zimmermann sucht Gründe für „die Angst vor dem Frieden“ (Zimmermann 2010), während sari nusseibeh der in der palästinensischen Öffentlichkeit erneut stark diskutierten Option der ein-staaten-lösung nachspürt (nus-seibeh 2012).

Allen diesen Analysen und Plädoyers für eine friedliche und demokratische Zukunft im Nahen Osten ist gemein, dass sie den Konflikt in seinen historischen, regionalen und mentalen Kontext stellen. Sie benennen gesellschaftliche Defizite auf beiden Seiten. sie fordern zivilgesellschaftliche einmischungen. Der schlüssel zur lösung des Kon-flikts liegt für sie nicht in der Endlosspirale von Gewalt und Gegengewalt, sondern in den einstellungen der Menschen. Hier spricht nicht die etablierte Politik. Hier sprechen Menschen, für die das Prinzip der unteilbaren Bürger- und Menschenrechte nicht nur die Grundprämisse demokratischer Gesellschaften, sondern auch der lösung des nahost-konflikts ist.

Tatsächlich finden Begegnungen zwischen Israelis und PalästinenserInnen jenseits asymmetrischer Herrschaftsbeziehungen kaum mehr statt. Der wachsenden Zahl von Israelis, die nichts mehr vom israelisch-palästinensischen Konflikt und der Besatzungs-wirklichkeit wissen wollen, spielt die internationale Boykottkampagne in die Hände. Im Zuge dieser Kampagne, die Boykott, Desinvestitionen und sanktionen (BDs) gegen Israel fordert, solange Palästina besetzt ist, werden die wenigen verbleibenden zivilge-sellschaftlichen Kontakte zu Israelis mit dem stigma „normalisierung“ versehen und zunehmend undifferenziert abgelehnt. Beide Haltungen setzen Ressentiments voraus und stärken sie. Wie auf diese Weise ein einstellungswandel gelingen und sich eine zivil-gesellschaftliche, grenzüberschreitende Kraft für Frieden, Bürger- und Menschenrechte bilden kann, bleibt unerfindlich.

Die von einem israelisch-palästinensisch-amerikanischen Wissenschaftlerteam erstellte studie über israelische und palästinensische schulbücher belegt, dass die Geschichte einseitig aus der jeweils eigenen nationalen Perspektive betrachtet wird und Informationen über Religion, Kultur, Wirtschaft und Alltag des nachbarn Mangelware sind; landkarten von Israel und Palästina umfassen spiegelbildlich jeweils das ganze Territorium und reklamieren es so grenzenlos für sich selbst (Adwan et al. 2013).6 Die legitime existenz des Anderen wird dadurch indirekt verleugnet. Dazu passt, dass auch das staatliche Israelische Verkehrsbüro für Deutschland, Österreich und die schweiz auf

6 Professor sami Adwan, Mitautor der studie, ist langjähriger Kooperationspartner der Katholi-schen Hochschule nRW und der stadt Köln. An zahlreichen bilateralen und trilateralen Aus-tauschen zwischen studierenden aus Bethlehem, Köln und Tel Aviv war er aktiv beteiligt.

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seiner Website eine Israel-Karte zeigt, die Palästina mit einverleibt und die völkerrecht-lich geltenden Grenzen von 1967 verschwinden lässt.7

Israel sei „zu einem Großlaboratorium für das menschliche Bedürfnis nach absolutem sinn geworden“, so strenger (2011, s. 20–21) – die ganze Region, müsste man hinzufü-gen, denn die Anteile radikaler, zunehmend religiös inspirierter, Rechte und Wahrheiten exklusiv für sich beanspruchender Kräfte wachsen auch anderswo.

Ressentiments können durch Begegnungen gestört und aufgebrochen werden. „Wie so oft war der menschliche Kontakt das beste Mittel, um die eigenen Vorurteile zu über-winden“, so resümiert Carlo strenger Zusammentreffen mit zunächst fremden Menschen (strenger 2011, S. 28). Wenn ein Konflikt überwunden werden soll, „der so viel Leid verursacht und so viele Menschenleben gekostet hat“, sei es wichtig, „das menschliche Antlitz näher zu beleuchten“, so nusseibeh (2012, s. 41).

Bei aller Widersprüchlichkeit der Haltungen wird die Zwei-staaten-lösung von der Mehrheit der Menschen in Israel und Palästina noch immer gewollt. nur handlungslei-tend und alltagspraktisch wird dieses Wollen nicht. Auch deswegen tritt der Konflikt auf der stelle und legt auch auf zivilgesellschaftlicher ebene immer wieder den Rückwärts-gang ein.

Wenn die Zwei-Staaten-Lösung der Schlüssel zur Lösung des Nahostkonflikts bleiben soll – und wir meinen, dass es dazu keine vernünftige Alternative gibt – , dann muss auch der Weg dorthin dem Ziel entsprechen, d. h. dialogisch und kooperativ gestaltet werden.

9 Schlussbemerkungen

nicht erst die Kölner Konferenz hat gezeigt: es gibt couragierte BürgermeisterInnen auf israelischer und palästinensischer seite, die – allen Widerständen zum Trotz – im Vorgriff auf die angestrebte Zwei-staaten-lösung miteinander kooperieren wollen. sie antizipieren damit eine Zukunft, die im Interesse beider Völker liegt. Die einbeziehung europäischer Partner kann solche Kooperationen erleichtern und bereichern, aber das engagement der unmittelbar Betroffenen ersetzen kann sie nicht.

Transnationale Begegnungen öffnen die Augen. sie bewahren nicht per se vor Fehlern, aber sie schärfen den Blick und das Urteilsvermögen. sie stellen Ressentiments auf die Probe und schulen darin, nicht gegeneinander, sondern miteinander loyal zu sein. Wer trilaterale Beziehungen pflegt, setzt sich bisweilen zwischen Stühle und agiert gegen vor-herrschende Trends. letztere sind das Problem, nicht der Versuch ihrer Überwindung. so wurde die stadt Köln in den zurückliegenden Jahren von manchen Israelfreunden als antizionistisch und antisemitisch diffamiert, während manche Palästinafreunde ihr vor-warfen, einseitig für Israel Partei zu ergreifen. Ganz so falsch kann der eingeschlagene Weg also nicht sein.

Gegen die verbreitete sprachlosigkeit, gegen mentale Wagenburgen und physische Mauern schaffen transnationale städtebeziehungen dringend notwendige Dialog- und Kooperationsräume, in denen die lähmende Dominanz des Konflikts hinter das Erkennen

7 http://www.goisrael.de/Tourism_Ger/Tourist%20Information/Reiseplanung/Documents/MapOfIsrael1.pdf. Zugegriffen: 23. Feb. 2013.

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von Gemeinsamkeiten zurücktritt und Menschen sich als Gleiche begegnen können. es zeichnet städtepartnerschaften nachgerade aus, dass sie vor allem „normale“ Menschen zusammenbringen und nicht BerufspolitikerInnen und auch nicht „Weltverbesserer“, die wir manchmal sein wollen und als die wir oft genug frustriert scheitern. Die städte-partnerschaftliche Agenda ist vielfältiger und durch ihre bürgerschaftliche Verankerung tiefgründiger als die zwischenstaatlicher Beziehungen, oft auch nachhaltiger als der Pro-jektzyklus vieler nGOs.

studierende der Kölner sporthochschule, die in Bethlehem Fußballcamps für Kinder durchführen oder sich in Bethlehem, Köln und Tel Aviv mit israelischen und palästi-nensischen studierenden zur Trainerausbildung treffen, studierende der Katholischen Hochschule nRW, die dasselbe mit studierenden aus Bethlehem und Tel Aviv im Bereich der Sozialarbeit tun, wollen nicht an erster Stelle den Nahostkonflikt lösen, sondern voneinander und miteinander lernen. es stärkt die solidarischen Kräfte, wenn dabei die unterschiedlichen lebenswirklichkeiten erzählt und die erkenntnis offenkundiger Unge-rechtigkeiten geteilt werden können. Diese lassen sich schon deshalb nicht aus solchen Begegnungen ausklammern, weil die jeweiligen Reisewege die Besatzungswirklichkeit widerspiegeln und selbstredend sind. Von den unterschiedlichen lebenswirklichkeiten abhebende Veranstaltungen sind solche Begegnungen nicht. Da wird auch „Tacheles“ geredet.

Offene Gesellschaften fallen nicht vom Himmel. sie können sich nur in offenen Dis-kursen und Begegnungen entwickeln. städtekooperationen tragen dazu bei. sie können eine Gegenbewegung bilden gegen die weltweite Vernetzung radikaler und fundamenta-listischer Kräfte. sie stärken die Kraft des Zivilen gegen die Allmacht des Militärs. städte können es ohnehin nur zivil. Truppen aufmarschieren lassen können sie nicht. Die ver-meintliche schwäche ist in dem Fall ihre stärke und zukunftsfähige Alternative.

selbstverständlich bewegen sich kommunale nahost-Beziehungen im Kontext des Nahostkonflikts. Die Herausforderung besteht darin, sich von der dominanten und oft deprimierenden „großen“ Politik nicht an den Rand drängen zu lassen, auch nicht von radikalen Kräften auf beiden seiten, sondern die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu nutzen – und das mit langem Atem und viel Geduld.

Die meisten städte sind älter als die heutigen nationalstaaten. Ihr narrativ geht weit hinter nationale Geschichtsschreibungen zurück. Das kann gerade im nahen Osten, wo die dominanten narrative jeweils einseitig nationale sind, Horizonte erweitern. städte sind nicht der staat. städte machen weder staatliche ersatzaußen- noch stellvertreter-politik. Internationale städtebeziehungen bilden eine eigene sphäre im multipolar ver-netzten Mehrebenensystem der internationalen Politik. Globalisierung und Urbanisierung stärken weltweit ihre Rolle. Damit wächst aber auch ihre globale Verantwortung. städte wachsen zunehmend zusammen in einer Kultur der „glokalen“ Kooperation. es ist an der Zeit, dass dies von den Regierungen und internationalen staatenorganisationen nicht nur lobend anerkannt, sondern auch praxiswirksam gefördert wird. erst dann können städte-kooperationen und städtediplomatie ihr volles Potenzial entfalten (nitschke et al. 2009).

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