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»TRIAS in Boston«: High Performance am MIT

Date post: 30-Mar-2016
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Von der Organisationsberatung zur Expertin fürProzessgestaltung und Veränderungsmanagement
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76 profile 22 · 11 ...................................................................................................................... features Sylvia Böcker »TRIAS in Boston«: Von der Organisa- tionsberatung zur Expertin für Prozessgestaltung und Veränderungs- management High Performance am MIT Die Fortbildungsreihe »Trias in Boston« begann 1995 in Boston im universitären Umfeld des MIT. Gerhard Fatzer hatte wesentliche Repräsentanten der Organisationsentwicklung eingeladen, um die Ansätze der lernenden Organisation vorzustellen. Die Gruppen- teilnehmer waren Mitglieder des TRIAS-Staff und Führungskräfte. Die Lerneinheiten der folgenden Jahre waren für mich, sowohl zu dieser Zeit als auch in der rückblickenden Bewertung, eine Berei- cherung, die meine Beratungsarbeit maßgeblich beeinflusste: Ich integrierte sie in mein Beratungsmodell, wodurch sie im Alltag in jeder Situation in meiner Art des Reflektierens und Intervenierens eingesetzt und umgesetzt wurden. Das Lernen war intensiv und konzentriert, denn es wurde sich auf einen Ansatz fokussiert, um ihn tiefgehend erfahren zu können. Die Arbeit mit Bill Isaacs und vor allem mit Christina Harris und David Kantor haben mich derart inspiriert, dass ich sagen würde, hätte ich diese Ansätze nicht ken- nen gelernt und integriert, ich hätte sie mein Leben lang gesucht. Meine großen weiblichen Vorbilder sind Carolyn Lukensmeyer und Cathy Dannemiller, die mit ihrer konsequenten Haltung zeigen, dass höchste Wirksamkeit in der Beratung möglich und auf Gesell- schaftssysteme übertragbar ist. SYLVIA BÖCKER; Dipl.-Sozial- wissenschaftlerin; arbeitet seit 1992 als Beraterin im Rahmen nationaler und internationaler Veränderungsprojekte und als Ausbildnerin für verschiedene Institute; neben Coaching und Teamentwicklung sind Organi- sationsentwicklung und Medi- ation komplexer Systeme ihre Kernkompetenzen; gehört zum engen Kreis der TRIAS Gruppe und nahm von 1995-2002 an der Fortbildungsreihe TRIAS in BOSTON teil; integriert die Ansätze von Kantor und Dialog in alle Bereiche der OE und des Managements; Gründerin und Geschäftsführerin von CSPC Corporate Solutions and Perfor- mance Consultants, Moers und Mitbegründerin und Managing Partner von DIRECTTECH Global GmbH, die im Bereich alter- nativer energiesparender und energieproduzierender Technolo- gien international tätig ist (www. directtech.de) Profile22.indd Abs1:76 Profile22.indd Abs1:76 03.02.2012 5:53:49 Uhr 03.02.2012 5:53:49 Uhr
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Von der Organisa-tionsberatung zur Expertin für Prozessgestaltung und Veränderungs- management High Performance am MIT

Die Fortbildungsreihe »Trias in Boston« begann 1995 in Boston im universitären Umfeld des MIT. Gerhard Fatzer hatte wesentliche Repräsentanten der Organisationsentwicklung eingeladen, um die Ansätze der lernenden Organisation vorzustellen. Die Gruppen-teilnehmer waren Mitglieder des TRIAS-Staff und Führungskräfte. Die Lerneinheiten der folgenden Jahre waren für mich, sowohl zu dieser Zeit als auch in der rückblickenden Bewertung, eine Berei-cherung, die meine Beratungsarbeit maßgeblich beeinfl usste: Ich integrierte sie in mein Beratungsmodell, wodurch sie im Alltag in jeder Situation in meiner Art des Refl ektierens und Intervenierens eingesetzt und umgesetzt wurden. Das Lernen war intensiv und konzentriert, denn es wurde sich auf einen Ansatz fokussiert, um ihn tiefgehend erfahren zu können. Die Arbeit mit Bill Isaacs und vor allem mit Christina Harris und David Kantor haben mich derart inspiriert, dass ich sagen würde, hätte ich diese Ansätze nicht ken-nen gelernt und integriert, ich hätte sie mein Leben lang gesucht. Meine großen weiblichen Vorbilder sind Carolyn Lukensmeyer und Cathy Dannemiller, die mit ihrer konsequenten Haltung zeigen, dass höchste Wirksamkeit in der Beratung möglich und auf Gesell-schaftssysteme übertragbar ist.

SYLVIA BÖCKER; Dipl.-Sozial-wissenschaftlerin; arbeitet seit 1992 als Beraterin im Rahmen nationaler und internationaler Veränderungsprojekte und als Ausbildnerin für verschiedene Institute; neben Coaching und Teamentwicklung sind Organi-sationsentwicklung und Medi-ation komplexer Systeme ihre Kernkompetenzen; gehört zum engen Kreis der TRIAS Gruppe und nahm von 1995-2002 an der Fortbildungsreihe TRIAS in BOSTON teil; integriert die Ansätze von Kantor und Dialog in alle Bereiche der OE und des Managements; Gründerin und Geschäftsführerin von CSPC Corporate Solutions and Perfor-mance Consultants, Moers und Mitbegründerin und Managing Partner von DIRECTTECH Global GmbH, die im Bereich alter-nativer energiesparender und energieproduzierender Technolo-gien international tätig ist (www.directtech.de)

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Bill Isaacs: DialogIn der Fortbildungsreihe zeigte Bill Isaacs den Zu-sammenhang zwischen Dialog und Quantenphy-sik, indem er die Wichtigkeit des Zuhörens und des In-sich-Hineinhörens verdeutlichte. Mit dem Pro-zedere des Check-ins, das mit einem »fi ve-minutes-writing« begann, wurde der Unterschied zwischen »feeling« und »felt« sowie zwischen »thinking« und »thought« deutlich. »Thought« und »felt« bilden dabei den eigenen Bewertungsrahmen, der das »thinking und feeling« beurteilt. Das 5-minutes-writing demonstrierte, wie schwierig es sein kann, die eigenen Gedan-ken fl ießen zu lassen, ohne sie zu fi ltern. Die Kommunikation mit sich selbst, das Bewusstwer-den der tatsächlichen Bedürfnis-se und die persönlich relevan-ten Fragestellungen fl ießen als wesentlicher Bestandteil in den Dialog ein und schaffen einen gemeinsamen Container des Verstehens, Lernens und Gestal-tens. Werden »Thinking« und »Feeling« blockiert, tritt eine verhärtende Tendenz in Gesprä-chen ein. In Konversationen gibt es einen Entscheidungspunkt, der, je nachdem, ob die eigenen Gedanken ausgedrückt werden und als Daten in den Raum gestellt werden, Gespräche in die Offenheit (als Suspension bezeichnet) oder in die Ge-schlossenheit führt. Suspension beinhaltet die Möglichkeit ei-nes tieferen Verständnisses für eine andere Meinung oder die Entwicklung von etwas Neuem und ein Metalog wird möglich. Der Weg der Geschlossenheit verhindert das gemeinsame Er-kennen und Lernen und endet in der Debatte.

Ich habe dieses Dialogmo-dell vielfach als Analysemodell in schwierigen Situationen in Teams eingesetzt, in denen es um wesentliche Richtungsent-

scheidungen in Unternehmen geht. Der Ent-scheidungspunkt wird als Stresssituation erlebt, da das Risiko, in einem Gespräch in die Offenheit zu gehen, in vielen Situationen eine große Verän-derung in den Teams bedeutet und dies für die einzelnen Beteiligten, je nach Unternehmenskul-

Abb. 1: Flipcharts Bill Isaacs

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stur, negative Folgen haben kann. Suspension ist im Deutschen eher negativ konnotiert, etwa im Sinne von »suspendiert werden«. Der Dialog in der von Bill vorgestellten Methode folgt einem festen instruierten Vorgehen, um den gehalt-vollen Container erreichen zu können. Einzelne Teilnehmer versuchten, nach der Weiterbildung in Boston, die Methode des Dialogs als Verände-rungskonzept in Unternehmen einzuführen. Dies hat sich als schwierig herausgestellt, da der Dialog allein kein Veränderungskonzept ist – ähnlich, wie eine durchgeführte Großgruppenveranstaltung noch keine nachhaltige Organisationsveränderung mit sich bringt. Ganz im Gegenteil kann nur eine losgelöste, nicht in ein Konzept eingebundene Anwendung dieser wertvollen Methoden auf Dauer deren Wirksamkeit verhindern. Peter Gar-rett stellte später in der Boston Fortbildungsreihe den Ansatz des strategischen Dialogs vor, der eine konzeptionelle Einbindung in einen Verän-derungsprozess vorsieht. Das Mystifizierende im Dialog kann so als Energie gewinnbringend für die Beteiligten aktiv integriert werden und seine Wirksamkeit entfalten. Ich halte es auch für wichtig zwischen der »dialogischen Kompetenz« und dem reinen »Dialog« nach Bill Isaacs zu un-terscheiden. Claus Otto Scharmer, der 2001 zum ersten Mal als Referent anwesend war, griff in seiner »Theorie U« die vertieften und erweiterten Dialogansätze auf.

Stand still.The trees ahead and the bushes beside you are not lost.Wherever you are is called »here,«and you must treat it as a powerful stranger.Must ask permission to know it and be known.Listen. The forest breathes. It whispersI have made this place around you,if you leave it you may come back again, saying »here«.No two trees are the same to raven.No two branches are the same to wren.If what a tree or a branch does, is lost on you– then you are surely lost.Stand still. The forest knows where you are.You must let it fi nd you.

(Ein Text nordamerikanischer Indianer, den William Isaacs in seinen Veranstaltungen benutzte)

Eines meiner intensivsten Erlebnisse in der Anwen-dung des Dialogs fand innerhalb einer Leitbildent-wicklung in einem anthroposophisch orientierten Seniorenzentrum statt, in der die Bewohner inten-siv mit einbezogen werden sollten. Ich bereitete mit einem internen Designteam, zusammengesetzt aus dem Leiter der Einrichtung, den Bereichs- und Gruppenleitern, einen Großdialog mit den Bewoh-nern und Mitarbeitern vor, dessen Inhalte in das Leitbild einfl ießen sollten. Das Designteam war in dialogischer Kompetenz von mir geschult worden und die Teammitglieder waren von dem Sinn der Idee der Durchführung des Großdialoges über-zeugt. Der Veranstaltungsort war eine große Halle, in der bis 200 Personen Platz fi nden konnten. Die Beteiligten wurden zunächst in Untergruppen unter Leitung der Mitglieder des Designteams auf den Großdialog vorbereitet. Es wurde ihnen nochmals detailliert das Vorgehen erklärt und eine inhaltliche thematische Einstimmung fand statt. Die Bedürfnisse der Bewohner und Mitarbeiter wurden notiert und somit festgehalten. Nach dieser Einführungsphase wurden alle Teilnehmer in einer großen Runde von über 100 Personen zusammengeführt, eine erneute Einladung des Einrichtungsleiters zum Dialog fand statt und ich eröffnete den Dialog mit einführenden Sätzen. Innerhalb kurzer Zeit entwickelte sich in der Runde in den geäußerten Statements, Fragestellungen, dargestellten Ideen und Bedürfnissen eine Tiefe, die energetisch körperlich spürbar war. Das ge-genseitige, aufmerksame und respektvolle Zuhö-ren im Raum erzeugte eine Stille, die die Inhalte der Worte unterstrichen. Unterschiedlichkeiten konnten im Raum stehen gelassen werden. Ein Beobachterteam führte alle Inhalte mit, die nach der Großrunde in die Untergruppen zur weiteren Verdichtung wieder aufgenommen wurden. Auch die Themen und Eindrücke der Refl exion in den Untergruppen wurden aufgezeichnet, damit nichts an Inhalten verloren ging. In weiteren Veranstal-tungen mit dem Designteam und ergänzenden Personen dienten diese Sammlungen von Inhalten als Grundlage, um gemeinsame Formulierungen zu erarbeiten. Das Ereignis des Dialoges, die be-sondere Atmosphäre, die konzentrierte Energie in der Runde und die Intensität der Beteiligung als auch die gehaltvollen Beiträge haben selbst die Beteiligten überrascht und mit dazu beigetragen, den Leitbildprozess mit hoher Identifi kation zu einem Abschluss zu bringen.

Larry Hirschhorn vom Tavistock Institut stellte sein Konzept der »Social Defense« vor. Komplexe Case

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Studies wurden auf der Basis sei-nes Modells analysiert. Ähnlich wie im Dialogmodell von Isaacs, bezogen auf die Konversatio-nen, beschreibt Larry die be-sondere Bedeutung des Risiko- oder Entscheidungspunktes in der Erfüllung der Aufgabe, der »task«. Es gibt zwei grundsätzli-che Richtungen, den Prozess der Aufgabenerledigung zu erfüllen: Die eine Richtung beinhaltet einen konstruktiven Umgang mit der am Entscheidungspunkt empfundenen Unsicherheit und führt zu Lernen und Arbeit mit hoher Performance. Die andere Richtung führt in die »Social Defense« (»not working and learning«), Ängstlichkeit und Vermeidungsstrategien, die die Wahrscheinlichkeit zu einer guten Performance in der Auf-gabenerfüllung geringer werden lassen.

Claus Otto Scharmer, der 2001 zum ersten Mal als Refe-rent anwesend war, griff in seiner »Theorie U« die vertieften und erweiterten Dialogansätze auf.

Großer Auftritt ohne großes Aufsehen: Christina Harris

Christina Harris, eine Schülerin von Chris Argyris, führte uns in den »Action Science«-Ansatz und in die Arbeit mit »Advocacy and Inquiry« ein. Es gab in der Gesprächsanalyse einige Aha-Erkenntnisse, die verdeutlichten, wie anfällig man in der Bera-tung dafür ist, für nicht überprüfte Annahmen Zu-schreibungen zu entwickeln oder Interventionen durchzuführen. Mühevolle Klein- und Detailarbeit über mehrere Tage brachte spektakuläre Erkennt-nisse, die, sind sie einmal verinnerlicht, zu einer grundlegend veränderten Vorgehensweise in der Beratung führten.

Besonders inspirierte mich unter der Leitung von Christina die Analyse der Gruppendynamik mithilfe des »Learning Path« in Kombination mit der Abstraktionsleiter. Dadurch wurden das kom-plexe Prozessgeschehen und das Ineinandergrei-fen der verschiedenen Ebenen der Annahmen und Zuschreibungen bis hin zu den einzelnen Ebenen, die die gemeinsam produzierten Resultate bein-

halteten, deutlich. Eine wesentliche Erkenntnis war auch, dass alle Beteiligten eine aktive Rolle in dem Geschehen hatten, unabhängig davon, ob sie sich verbal äußerten oder nicht. Dieses Tool des »Learning Path« ist von Gerhard Fatzer und mir häufi g in schwierigen Situationen in den Ausbildungen eingesetzt worden, um nicht nur ein Verständnis des gemeinsam produzierten Prozes-ses zu ermöglichen. Es hilft auch dabei, Zuschrei-bungen zu überprüfen, die Grundannahmen zu erkennen und ggf. den Rahmen des Geschehens positiv zu verändern. In internationalen Teams war der »Learning Path« eine der sinnvollsten Methoden, um komplexe Konfl iktsituationen zu entwirren und konstruktive Energie freizusetzen. Die Arbeit von Christina lässt sich meines Erach-tens folgendermaßen beschreiben: unspektakulär, aber mit höchster Wirksamkeit. Die Botschaft, die übermittelt wird, lautet: Es liegt in unserer Hand, Situationen und Beziehungen zu verändern. Bob Putnam hat später den Ansatz des »Action Sci-ence« in der Boston-Reihe fortgesetzt.

Die Tools aus dem »Action Science« lassen mit dem »Team Learning Modell« von David Kantor verbin-den. Gemeinsam helfen sie dabei, die »Ebene des Offensichtlichen« zu analysieren. Davids großes

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Verdienst ist es, Modelle von Kommunikation und Veränderung mit höchster Komplexität so einfach wie möglich darzustellen. Ein Aufeinanderprallen verschiedener Wertesysteme kann sich in einem »Modelclash« äußern, der mit der »Stuck Situa-tion« einhergeht. Solche Situationen können nur aufgelöst werden, wenn die jeweiligen Annahmen (und ggf. die Grundannahmen) sowie die Motive der handelnden Personen auch verstanden wer-den. Die Modelle von David sind meines Erachtens

in jeder Situation anwendbar, weil in jeder Situation ein vor-handenes Modell existiert. Die »aktiven Modelle« zu verstehen bedeutet, dass die Beteiligten erkennen, dass die Situation, wie sie in diesem Moment gestaltet wird, und über die man sich ggf. beschwert, ein Resultat des gemeinsamen Handelns und der gemeinsamen Kommunikation ist. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, das eigene »Mo-dell« zu kennen, um effektiv arbeiten zu können. Dies bezieht einen konstruktiven Umgang mit dem eigenen »Grenzprofi l« (»boundary profile«) mit ein, der es ermöglicht, unbewusste, defensive Kompensationsstra-tegien zu verhindern. Davids Modelle sind Meta-Modelle, die die Wichtigkeit von Konzepten auf den unterschiedlichen Ebe-nen besonders herausstellen, und die es ermöglichen, die jeweiligen Methoden den ein-zelnen Dimensionen sinnvoll zuzuordnen. Das Kennen der eigenen Theorie der Verände-rung » theory of change« und des Veränderungsgegenstandes »Theory of the thing« ist für ihn unabdingbar, um Veränderungs-prozesse professionell zu beglei-ten. Nur so können strukturelle Fallen aufgedeckt werden und ihre Kraft verlieren.

Beer Game und Archetypen

Den Einstieg in »Systems Thin-king« gestalteten David Kim und seine Kollegen mit dem »Beer Game«, einem Systemspiel, dass uns allen deutlich vor Augen führte, wie anfällig wir sind, durch die Bildung von Annahmen Fehl-entscheidungen herbeizuführen, die weitreichende Folgen haben können. Archaische Verhaltens-muster werden in Archetypen dargestellt, die sich im Alltag fast universell fi nden. »Fixes that fail«, »Shifting the burden« und der »Quick fi x« ver-deutlichen, dass kurzfristige Verhaltenslösungen in

■ Unsere Konzepte sind Schablonen – sie benennen eine sonst unübersichtliche Unmenge von Informationen und geben ihnen konzeptuelle Rahmen.

■ Sie sind die Basis dafür, wie wir denken, was wir sehen und wie wir auf das, was wir sehen, reagieren, wenn wir unsere Arbeit tun. Dass wir dies wissen, macht aus uns – keine Technokraten, keine Teilnahmslose oder Blindgänger, sondern – Fachleute.

■ Ohne ein Konzept würde ein Chirurg regelmäßig töten; ohne ein Konzept würde ein Automechaniker nicht richtig arbeiten und wahrscheinlich auch töten. Der Chirurg, der Automechaniker und der Spezialist vertrauen alle auf Theorien der Sache, der Veränderung und der Erfahrung, um die Gesamtheit dessen, wie sie ihre Arbeit tun, zu diagnostizieren und zu erzielen.

Warum Konzepte nötig sind

■ Alle Spezialisten haben besondere Werkzeuge, ohne die ihre Konzepte nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen oder schließlich sogar scheitern würden.

■ Jedoch sind unsere Werkzeuge nicht unsere Konzepte. Das Konzept ist der Meister, die Werkzeuge die Diener. Dies zu verstehen, ist entscheidend, um den Kunden auf hoher Leistungsebene zu dienen.

■ Unser Konzept und die Werkzeuge unseres Konzeptes sind verwandt oder sollten verwandt sein. Würde ein Chirurg einen Schraubenschlüssel zum Entfernen von Gewebe benutzen oder ein Mechaniker ein Skalpell, um einen Vergaser auszubauen? Das Zusammenpassen von Konzept und Werkzeugen bringt den Spezialisten einen Schritt weiter auf dem Weg zu hervorragenden Leistungen.

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Warum Konzepte nötig sind

■ Jede Intervention, egal wie lange oder kurz sie dauert, hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Kein Spezialist tut in jedem Stadium das Gleiche. Sein Konzept sagt ihm, was er in jedem Stadium zu tun hat, d.h. dass ein Wechsel erfolgt. Ohne ein Konzept, das in einer festen Theorie verankert ist, stolpert der Spezialist über sich selbst oder geht im Wirrwarr der Organisation verloren.

■ Der Spezialist. und sein Konzept hängen miteinander zusammen. Sie. bilden einen Kreis, der sich gegenseitig beeinflusst. Weiterfuhrende Reflexion darüber, wie sie das Kundensystem beeinflussen und von ihm beeinflusst werden, bringen den Spezialisten auf den Weg zum Erfolg.

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einer problematischen Situation zwar Erleichterung bringen, aber das Problem nicht grundsätzlich lösen, sondern mittel- und langfristig verstärken. Auch die Dimension Zeit ist bei den Archetypen von besonderer Bedeutung, da eine grundsätzliche Lösung häufi g mit einer Zeitverzögerung verbun-den ist. Archetypen reduzieren Komplexität und es wird ersichtlich, dass nicht nur der Einzelne so han-delt, sondern Verhaltenstendenzen entspricht, die in einem Archetyp beschrieben werden können. Im »Beer Game« wird auch schmerzlich deutlich, dass, wo auch immer Entscheidungen getroffen werden, die unsere Lebenswelt, Organisationswelt und Familienwelt betreffen, es Auswirkungen auf uns geben wird – auch wenn wir diese nicht, aufgrund räumlicher und zeitlicher Distanz, der Entscheidung zuordnen können. Es ist eine Illu-sion zu denken, wir gehörten nicht zum System. Virginia Anderson setzte später den Ansatz des »Systems Thinking« fort.

Billi Alban und Barbara Bunker boten einen in-teressanten Überblick über unterschiedliche Groß-gruppeninterventionen. Carolyn Lukensmeyer stellte ihre Grundprinzipien von Beratung vor, die eine Diagnose auf mindestens fünf Organisations-ebenen vorsieht. Der Grundsatz in der Beratung von Carolyn begleitet und warnt mich bis heute: »If you go with relationship, you minimize your professionalism«. Die Initiative »Citizen speak« und ihr Anspruch, ihre Leidenschaft und Energie im Aufbau von Strukturen einzusetzen, die mehr demokratischen Einfl uss in der Gesellschaft zu-lassen, sind bemerkenswert. Das weiterführende Konzept des »Town Hall Meetings«, das sie später auf der Konferenz 2006 in Zürich vorstellte, zeigt, wie wirkungsvoll diese Arbeit im gesellschaftspo-litischen Kontext sein kann.

Der Großgruppenansatz »Real Time Strategic Change« von Cathy Dannemiller und der Ansatz »Preferred Futuring« von Larry Lippitt waren ebenfalls von intensiven Eindrücken begleitet und Highlights in der Großgruppenarbeit. Es ist spürbar, das diese Ansätze nicht angelernt sind, sondern über Jahrzehnte zu einem perfekten Design entwickelt wurden. Dazu gehört, und das halte ich für sehr faszinierend, eine Veränderung

des Designs, wenn es ernsthafte Bedenken gibt. Larry, der Sohn von Ron Lippitt, hat es in seinen Worten so ausgedrückt: »Ich habe mein ganzes Leben in Gruppen verbracht und den Umgang mit Gruppen durch die Muttermilch in mich auf-genommen.«

Robert Fritz konfrontierte uns mit interes-santem Filmmaterial und inspirierte durch seine Methodenvielfalt, als er seinen Ansatz »The Path of least Resistance« vorstellte.

Last but not least möchte ich noch die be-deutende Rolle von Ed Schein ansprechen, der modellhaft als unser Mentor eine Art Zusam-menführung der unterschiedlichen Ansätze über die Jahre gestaltete, da er je nach Bedarf diese Ansätze praktisch anwendet und in sein Konzept der Prozessberatung integriert. Ich danke ihm für seine nicht nachlassende Präsenz und die Fähig-keit, scheinbar komplizierte Sachverhalte oder komplizierte Situationen so zu analysieren, dass sie einfach werden.

Ein wesentlicher Bestandteil der Qualität der oben beschriebenen Ansätze ist meines Er-achtens, dass sie menschliche Verhaltensweisen berücksichtigen. Sie beinhalten das Benennen von auftretenden Gefühlen wie Angst und Unsi-cherheit und schließen den Umgang mit diesen Gefühlen in die Arbeit ein. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sie die Angst managen. Das unterscheidet sich vehement von Ansätzen, in denen über »Uncertainty« und »Anxiety« nicht gesprochen werden darf, denn wenn die Angst als Gefühl tabuisiert wird, wird der Umgang mit ihr zur defensiven Routine. Ein Beispiel dafür:

»Wussten sie schon, dass das Space Shuttle, das damals zu Forschungszwecken die Lehre-rin an Bord hatte und kurz nach seinem Start abgestürzt ist, eigentlich nicht hätte starten dürfen. Die Sicherheitsrisiken waren bekannt und wurden formuliert. Die Ingenieure, die auf die Risiken aufmerksam gemacht hatten, stoppten das Veröffentlichen ihrer Bedenken aufgrund des empfundenen Druckes, zu groß war das Risiko oder die Angst als Querulant zu gelten.«

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