Date post: | 05-Apr-2015 |
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zukunftsforumholz
Alpbach, 21. Jänner 2011
SOZIALE DIMENSIONEN IN INNOVATIONSPROZESSEN
Josef HochgernerZentrum für Soziale Innovation
1. Assoziationen zu „Innovation“
ÜBERSICHT
2. Soziale Innovation
3. Vergleiche „technische/soziale Innovationen“
4. Innovation in Innovation: Einige neue Konzepte
5. Ein neues, erweitertes Innovationsparadigma
6. Das große Bild: Nachhaltigkeit, Wertewandel
INNOVATIONEN IM SOZIALEN WANDEL
Unverzichtbar: Kooperative Intelligenz,und intelligente Kooperation
... hoffen auf kognitive Evolution,Vertrauen auf Technologien?
Alle Innovationen sind sozial relevant
Was allgemein „Innovation“
genannt wird, hat zumeist eine
technische Grundlage, enthält
aber auch soziale Komponenten
– und zwar sowohl in Entwicklung
wie auch ihrer Wirkung.
Bei Innovationen in Wirtschaft
und Technologie sind deren
soziale Aspekte wichtig, mehr
noch bedarf es einer gleichen
Wertschätzung von spezifischen
sozialen Innovationen.
Jede Innovation hat Auswirkungen auf die eine oder andere
soziale Gruppierung, und auf – viele oder wenige – Individuen
in deren diversen Rollen in Familien, Wirtschaft, Beruf ...
Das traditionelle Verständnis, Messen und benchmarking von Innovation berücksichtigt weder die soziale Relevanz von Innovationen im Allgemeinen,
noch soziale Innovationen im Besonderen.
„Soziale Innovationen
sind neue Konzepte und Maßnahmen,
die von betroffenen gesellschaftlichen Gruppen
angenommen,
und zur Bewältigung sozialer Herausforderungen
genutzt werden.“
DEFINITION *)
*) Zentrum für Soziale Innovation, 2008: Impulse für die gesellschaftliche Entwicklung; ZSI-Discussion Paper 9 (S. 2)http://www.zsi.at/de/publikationen/346/4953.html
Bereiche gesellschaftlicher Entwicklung
Verbreitete, teils historische und institutionalisierte soziale Innovationen
Arbeit, Beschäftigung, Wirtschaft
Bildung und Weiterbildung
Technologien, Maschinen
Demokratie und Politik
Sozialsystem und Gesundheitswesen
Diversity Management
• Gewerkschaften, Betriebsräte, Managementkonzepte, Selbstbedienungsläden, “Open Innovation”, …
• Schulpflicht, Schulformen, pädagogische/didaktische Konzepte, technologie-unterstütztes lernen, micro-learning, ...
• Normen, Durchsetzung von Standards, Verkehrsregeln, Führerschein, Straßenampeln, technology assessment, …
• Der Staat als juristische Person, (allgemeines) Wahlrecht, Verwaltungsprozeduren, Kontrolleinrichtungen, ...
• Soziale Vorsorgesysteme, Formen ihrer Finanzierung (Versicherungsprinzip vs. Steuern), Gemeinschaftspraxen, …
• Unternehmenstheater in einem Großbetrieb zur Verbesserung von Kommunikation und Effizienz
BEISPIELE SOZIALER INNOVATIONEN
MERKMALE SOZIALER INNOVATIONEN
• Unterscheidung zwischen Idee und ihrer Umsetzung: eine sozial relevante Idee wird zu einer sozialen Innovation im Prozess ihrer Implementierung und Verbreitung.
• Flexible Reichweite: eine neue soziale Praxis muss nicht für die gesamte Gesellschaft gültig oder maßgeblich sein; Nutzen muss zwar gegeben sein, kann aber auf kleine Gruppen beschränkt sein.
• Nicht jede Art sozialen Wandels ist per se „soziale Innovation“ (z.B. demographischer Wandel), noch muss jede gezielte soziale Innovation die Richtung des sozialen Wandels beeinflussen.*)
• Soziale Innovationen müssen (wie alle Innovationen) Hindernisse überwinden und stehen in Konkurrenz zu anderen, traditionellen oder neuen Konzepten oder Maßnahmen.
*) cf. Josef Hochgerner, 2009: Innovation processes in the dynamics of social change, in: Jiři Loudin, Klaus Schuch (ed.): Innovation Cultures. Challenge and Learning Strategy. Prague: Filosofia; pp. 17-45
SPEZIFISCHE MERKMALE
Soziale Innovationen sind neue gesellschaftliche Praktiken, die für alte oder neue soziale Fragen bessere oder überhaupt erstmalige Lösungen bieten.
Sie entstehen nicht zufällig, sondern gezielt, werden von einzelnen oder einer
Gruppe von Akteuren initiiert und werden gesellschaftlich wirksam.
Soziale Innovation entsteht in einem „3-I-Prozess“:
o Idee („Erfindung“ einer neuen Form sozialer Praxis)
o Intervention (i. e. intendiertes Handeln, das zu neuer Praxis führt, die sich von etablierten Routinen abhebt und Widerstände überwindet)
o Institutionalisierung (Verfestigung einer neuen sozialen Praxis durch Regelsysteme, definierte soziale Rollen, Beziehungsstrukturen) oder auch bloß informelle Implementierung (z.B. Gewohnheiten, Lebensstil).
Institutionalisierung/Implementierung ist verbunden mit Verbreitung (Diffusion), die auf Akzeptanz der Auswirkungen der neuen sozialen Praxis durch
Zielgruppen und Betroffene beruht.
WAS IST INNOVATIV – z. B. in der Bildung ?
Soziale Innovation: Eine neue, gezielte und erfolgreiche Lösung für ein soziales Problem
„Erfolgreich“ heißt: Die Lösung funktioniert, wird angenommen und findet Verbreitung.
Idee und (innovative)
Intervention
Alt Neu
Soziales Problemz.B. in der
Schule
Alt
Innovation
Neu
„Sozial diffe-
renter Erfolg“
„Internet,
video games“
Individuelle
Förderung; Schul-
organisation
Anwendung
Von Kontrolle,
Restriktionen
Erfolgskriterium » Potenzial- stattDefizitansatz
Förderung sozialer Kompetenzen und Generationen über- greifendes Lernen
VERGLEICHE VON SOZIALEN UND WIRTSCHAFTLICH-TECHNISCHEN INNOVATIONEN
• Schlüssel zum Messen von Innovationen nach dem „Oslo-Manual“ sind Verkaufs- und Umsatzzahlen, Marktdurchdringung, return on investment u. a. ökonomische Indikatoren.
• Bei sozialen Innovationen geht es um Akzeptanz und Nutzen in sehr heterogenen Bereichen wie Staat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Familien, informellen Gruppen und Teilpopulationen der Gesellschaft.
• Die Entwicklung von Indikatoren steht am Anfang: Es gibt noch keine verlässlichen oder einheitlich und komparativ robusten Indikatorensysteme; Ansatzpunkte bieten Indikatoren für Lebensqualität und gesellschaftliche Entwicklung (z.B. HDI/Human Development Index)
• Anwendung und Verbreitung von Innovationen resultieren nicht bloß aus einer Summe von individuellen Entscheidungen Einzelner, sondern aus Wechselwirkungen und sozialen Prozessen in Sozialstrukturen (Institutionen) und Netwerken („Figurationen“, vgl. N. Elias, 1972). Das gilt für Innovationen allgemein, besonders aber für soziale Innovationen.
• Jede Innovation hat einen Lebenszyklus: Je verbreiteter eine Innovation, desto geringer ihre Neuheit. Im Fall von Marktsättigung (von neuen Produkten) oder Institutionalisierung (von sozialen Innovationen) werden Produkte und soziale Praktiken Bestandteil von Alltag und Routine, und nicht mehr als Innovation (bzw. „innovativ“) wahrgenommen.
• Beispiele ehemals innovativer Technologien und Produkte: Telegrafie, Telefon, Rundfunk, Fernsehen, Kühlschrank, Füllfeder, Kugelschreiber, Schreibmaschine, Notebook ...
• Beispiele von institutionalisierten sozialen Innovationen: Schulpflicht, Montessori-Pädagogik, eLearning, Verkehrsregeln, Sozialversicherung, Gewerkschaften, ...
• Open Innovation integriert systematisch Wissen und Aktivitäten von KundInnen in einzelne, mehrere oder alle Phasen des Innovationsprozesses.
• Kunden erbringen einen Teil der Wertschöpfung des Innovationsprozesses.
• Hersteller und Kunden generieren gemeinschaftlich Innovationen.
• Anwendung auch in “Mass Customisation”–Prozessen (Anpassung von Massenprodukten an Wünsche der KonsumentInnen)
Vgl: Ralf Reichwald, Frank Piller, 20092: InteraktiveWertschöpfung. Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung.
Wiesbaden: Gabler.
http://www.open-innovation.com/iws/buch.html
DAS KONZEPT „OPEN INNOVATION“ (1)
DAS KONZEPT „OPEN INNOVATION“ (2)
• Toolkits for user innovation and design• User communities (Internet Plattformen)• Anwender z.B.
– Lego– BMW– Audi – Adidas– Procter&Gamble
• Partizipative Technikgestaltung
DIE LEAD USER METHODE
Quelle: „Gesellschaftliches Lernen und Nachhaltigkeit“: http://www.gelena.uni-oldenburg.de/info_inno.html
INNOvating through COnsumer-integrated Product dEvelopment
Innovation durch Konsumenteneinbindung in die Produktentwicklung
EIN UMFASSENDER INNOVATIONSBEGRIFF IST NOTWENDIG
„The ‚Killer-Apps’ of tomorrow's mobile infocom industry won't be hardware devices or software programs
but social practices.” Howard Rheingold:http://www.smartmobs.com/book/toc_intro.html(28.11.2010)
„Technological systems are socially produced. Social production is culturally informed. The Internet is no exception. The culture of the producers of the Internet shaped the medium. These producers were, at the same time, its early users.”
Manuel Castells, 2001:The Internet Galaxy. Reflections on the Internet Business, and Society. Oxford University Press. p. 36
Allgemein erfüllen Innovationen:
- entweder wirtschaftliche oder soziale Zielsetzungen,
- wirtschaftliche Innovationen basieren auf Technik oder nicht;
- soziale Innovationen basieren auf formalen Regulierungen oder nicht.
Soziale und wirtschaftliche Wirkungen überlappen einander:
- wirtschaftliche Innovationen haben vielfältige soziale Effekte zur Folge,
- soziale Innovationen können ebenfalls ökonomisch wirksam werden.
DAS ERWEITERTE INNOVATIONSPARADIGMA (1)
Innovationen mit wirtschaftlichen Zielsetzungenverändern/verbessern („inkrementell“), oder erneuern/kreieren („radikal“)ökonomische Praxis – an Effekten/Parametern gut messbar.
Produkte (primär auf Technik basierend) Dienstleistungen (hauptsächlich auf Technik basierend) Organisation (nicht primär auf Technik basierend) Marketing (nicht primär auf Technik basierend)
Innovationen mit sozialen Zielsetzungen Verändern/verbessern („inkrementell“), oder erneuern/kreieren („radikal“) gesellschaftliche Praxis/Praktiken – bisher weder kategorisiert, noch gemessen (fehlender Konsens über Definition, Typen, Indikatoren ...).
Rollen (von informeller Abweichung bis formeller Neubestimmung) Beziehungen (von individueller Anpassung bis zu kollektiven Verpflichtungen) Normen (von mikro- bis makrosoziologischen Regelungen und Gesetzen) Werte (von variablen Wertmustern bis zu rechtlich/kulturell normierten Werten)
DAS ERWEITERTE INNOVATIONSPARADIGMA (3)
DAS ERWEITERTE INNOVATIONSPARADIGMA (4)
Kategorien (Typen) von Innovationen in gesellschaftlichen Funktionssystemen
Funktionssysteme nach Parsons, 1976: Zur Theorie der Sozialsysteme. Opladen: Westdt. Verlag.
Typen von sozialen Innovationen abgeleitet von Parsons‘ Strukturkategorien Im Funktionsbereich „Integration“ seines „AGIL-Schemas“ (Adaptation, Goal Attainment, Integration, Latency).
Erschließungneuer Märkte
Riskante Unternehmungen,Basisinnovationen
InkrementelleInnovationen
RadikaleInnovationen
Gering hochAusmaß der Technologieveränderung
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WIRKSAMKEIT VON INNOVATIONEN (1):„Wirtschaftliche Praxis“
Erschließungsozialer Systeme
Gesamtgesellschaftlichrelevante Basisinnovationen
InkrementelleInnovationen
RadikaleInnovationen
Gering hochAusmaß der Institutionalisierung
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WIRKSAMKEIT VON INNOVATIONEN (2):„Gesellschaftliche Praxis“
“THE GREAT TRANSFORMATION”
Karl Polanyi, 1944:Große Teile der Wirtschaft werden von der Gesellschaft abgekoppelt
Wirtschaft
Frage 2010: ... kann es [soziale] Innovationengeben zur Integration von Wirtschaft und Gesellschaft ?
Gesellschaft
Gesellschaft
Wirtschaft
Das „System der Marktwirtschaft“
behandelt die
„Gesellschaft als
Anhängsel des Marktes.“ S. 88*)
*) Karl Polanyi, 1978:
The Great Transformation.
Politische und ökonomische
Ursprünge von Gesellschaften und
Wirtschaftssysteme.
Frankfurt a.M.: Suhrkamp
“Überflussmanagement”
Gesamtwirtschaft:
• Bevorzugte Behandlung von Produktions- und Dienstleistungssektoren gegenüber kritischen Teilen der Finanzindustrie
• Sonderfinanzierung für globalen Marshallplan
• Besteuerung von Finanztransaktionen
• Verbot von Spekulation auf Lebensmittel
Energiewirtschaft:
• Leitprinzip „Energie für alle“ auf Grundlage von erneuerbaren Energiequellen statt primärer Forderung nach Emissionsreduktion
• Preispolitik und Technologietransfer (s. „The Hartwell Paper“, 2010)
INNOVATIONEN FÜR NACHHALTIGES UNDSOZIAL INTEGRATIVES WACHSTUM
KULTUR, BEWUSSTSEIN & SOZIALES HANDELN:EIN LERNZYKLUS
Kulturmuster - - - Wertesysteme
Referenzrahmen [„shifting baselines“] *)
WahrnehmungenWahrnehmungen
Information
Einstellungen, Meinungen
Verhalten, soziales Handeln, ev. Änderung
*) Sáenz-Arroyo et al. 2005: Rapidly Shifting Environmental Baselines Among Fishers in the Gulf of California
Bewusstsein,Erkenntnis
„Umwelt“: Medien, Institutionen, Netwerke, peer groups ....
VOM WISSEN ZUM HANDELNWo steht „Wissen“ in einer Stufenleiter der Erkenntnis?
Welche Mittel ermöglichen Wissen und Handeln?
Konzept Kompetenz Kapazität Hebel
Daten
Information
Wissen
Weisheit
Abstraktion
Muster erkennen
Lineares Denken
Laterales Denken
Ordnen unddokumentieren
Zuschreibungen, Widersprüche
Erkenntnis,Empathiepotenzial
Kreativität,Ausgleich
Fakten & Zahlen
Vorschau,Szenarien
Strategien, Konventionen
Kooperatives Handeln
Ressourcen für soziale Innovationen, d.h. für Interventionen in sozialen Wandel
Erk
ennt
nis
Univ. Prof. Dr. Josef Hochgerner
Zentrum für Soziale InnovationLinke Wienzeile 246
A - 1150 Wien
Tel. ++43.1.4950442Fax. ++43.1.4950442-40
email: [email protected]://www.zsi.at