Date post: | 28-Aug-2019 |
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Zum Silbenbegriff in der Schrift-, Laut- und Gebärdensprache -
Versuch einer mediumübergreifenden Fundierung
_____________________________________________________________________Abstract
The following paper examines modality independent and modality specific properties of the syllable in acomparative study of written language, oral language and sign language. It is argued that the main modalityindependent property is an alternation structure with specific syllable defining characteristics. The differencesbetween the three different modalities are captured by examining the specific properties of the linguistic sub-stance: phonetic sound, gestural sign, written letter. The graphemic syllable is the main concern in the presentpaper, since it is a concept which has been most often called into doubt. Some linguists have argued that thegraphemic syllable is an epiphenomenon of the sound syllable. Evidence from past research as well as evidenceto be presented in the current paper suggest an alternative model of the interaction between the three modalities.Instead of deriving one modality specific system from another, an underlying more abstract, modalityindependent structure is posited. The sound system, the sign system, and the graphemic system are treated asinterface phenoma which result from the interaction between the underlying modality independent system andthe articulatory-auditive, the gestural-visual and the writing-visual system respectively._____________________________________________________________________
1. Einleitung
Der Untersuchungsgegenstand dieses Aufsatzes1 ist eine Strukturebene zwischen der Ebene
der linear nicht weiter zerlegbaren Einheiten, den Segmenten, und der Ebene der lexikalischen
Einheiten oder Wörter. Diese suprasegmentale Struktureinheit ist die Silbe. Der Silbenbegriff
wurde für die Phonologie der Lautsprachen entwickelt und am eingehendsten erforscht. Er
spielt aber auch in neueren Ansätzen zur Schrift- und Gebärdensprache eine zentrale Rolle.
Die wichtigste Motivation für suprasegmentale Repräsentationen sind die Regeln der
jeweiligen Sprachmodalitäten: Laut-, Schrift- oder Gebärdensprache. So bilden die Silbe und
ihre Konstituenten die Domäne für die Anwendung phonologischer, graphematischer und
gebärdensprachlicher Regeln bzw. Distributionsbeschränkungen. Das gilt sowohl für
suprasegmentale Erscheinungen (z. B. Akzentzuweisung oder Worttrennung nach Silben) als
auch für segmentbezogene Phänomene (z. B. die lautsprachliche Auslautverhärtung, die
1 Ich danke Ursula Bredel, Daniela Happ, Antonia Hohenberger, Moritz Neugebauer, drei anonymenGutachtern der "Zeitschrift für Sprachwissenschaft" und besonders Helen Leuninger für wertvolle Hinweise undkritische Kommentare.
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graphematische Distribution von Dehnungszeichen, die gebärdensprachliche Distribution von
sekundären Bewegungen). Während der laut- und gebärdensprachliche Silbenbegriff
inzwischen als etabliert gelten, wird der Schreibsilbe auch weiterhin mit Skepsis begegnet
(vgl. Ossner 1996, 2001). Der vorliegende Beitrag wird sich zentral mit dem graphematischen
Silbenbegriff auseinander setzen und Gemeinsamkeiten wie Unterschiede zum laut- und
gebärdensprachlichen Begriff herausarbeiten.
Es gibt mindestens zwei Gründe für die Skepsis gegenüber dem Schreibsilbenbegriff: ein
systematischer und ein empirischer. Der systematische Grund ergibt sich aus der phono-
logisch derivationellen Perspektive, der zufolge der Schrift ein abgeleiteter Status zukommt
(Ableitbarkeitshypothese). Dieser Annahme entsprechend werden graphematische Repräsen-
tationen aus phonologischen abgeleitet. Dasselbe gilt für Einheiten wie Graphem oder
Schreibsilbe. Wie Eisenberg (1985) zutreffend feststellt, benötigen diese Ansätze gar keine
schriftsprachspezifischen Begriffe. In diesem Forschungsparadigma ist bspw. ein Graphem
eine schriftsprachliche Variante eines Phonems und somit selbst nicht distinktiv. Wenn es
genuin graphematische Regularitäten gibt, dann haben sie einen peripheren Status.
Der zweite Grund für die skeptische Behandlung der Schreibsilbe ist empirisch-metho-
discher Natur und betrifft die Schwierigkeiten, ein schreibmotorisches oder graphisch-
visuelles Korrelat des Silbenbegriffs und des silbenstrukturell relevanten Sonoritätsbegriffs zu
finden. Während sich der Graphembegriff relativ unproblematisch graphematisch autonom
definieren und durch seine graphische Substanz autonom motivieren lässt (vgl. Eisenberg
1985, Augst 1985, Günther 1988 u. v. m.), bietet der graphematische Silbenbegriff größere
Schwierigkeiten. Im Gegensatz zur lautsprachlichen Silbe, deren phonetische Substanz
inzwischen gut untersucht und abgesichert ist, fehlt nach Ansicht vieler Wissenschaftler der
graphematischen Silbe eine solche natürliche substanzielle Motivation (vgl. Butt/Eisenberg
1990). Daraus wird oft der voreilige Schluss gezogen, dass die Schriftsilbe ein fragwürdiger
Begriff sei.
Eine andere der Ableitbarkeitshypothese konträre Sicht wurde etwas irreführend als
autonomistisch oder zutreffender als Korrespondenzhypothese bezeichnet. Dieser zweiten
Forschungstradition ist der vorliegende Beitrag verpflichtet. Wenn man eine
Korrespondenztheorie der Graphematik verfolgt, müssen zentrale Begriffe wie Graphem,
graphematische Silbe und graphematisches Wort ohne Bezug zur Phonologie definiert und
durch genuin graphematische Regeln, die sich auf diese Begriffe beziehen, motiviert werden.
Korrespondenzregeln zwischen der graphematischen und phonologischen Repräsentation
werden in einem solchen Modell berücksichtigt, ohne den phonologisch basierten
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Korrespondenzen einen Sonderstatus zuzuordnen.
Folgende Annahmen bzw. Beobachtungen motivieren und präzisieren diese Konzeption:
- Es gibt nicht nur phonologisch basierte, sondern auch graphematisch basierte Ableitungs-
regeln sowie bidirektionale, d. h. eineindeutige Korrespondenzen (vgl. Primus 2000).
- Die phonologisch basierten Ableitungsregeln sind weder einfacher noch allgemeiner als die
graphematisch basierten (vgl. Primus 2000, Neef/Primus 2001).
- Es gibt autonome Einheiten und Regeln bzw. Beschränkungen des Schriftsystems, die keine
Entsprechung in der Lautsprache haben (vgl. Abschnitt 5 dieses Beitrags).
- Es gibt nicht-vorhersagbare graphematische Information im Lexikon. M.a.W. enthält das
Lexikon eine graphematische Komponente (vgl. Neef/Primus 2001).
- Es gibt psycholinguistische Evidenz für die Korrespondenztheorie.
Der folgende Beitrag wird einige der o. g. Annahmen untermauern. Auf psycholinguistische
Evidenz sei hier nur kurz verwiesen. Die schriftsprachliche Kompetenz kann unabhängig von
der mündlichen Sprachkompetenz gestört sein (vgl. de Bleser et al. 1987, de Bleser 1991,
Badecker 1996, Sucharowksi 1996). Beim Lesen wird nicht immer phonologisch rekodiert
(vgl. Günther 1988, de Bleser 1991). Die Ableitbarkeitshypothese geht beim Schriftsprach-
erwerb davon aus, dass er eine unabhängig entwickelte phonologische Kompetenz und
insbesondere die Fähigkeit voraussetzt, Wörter in Phoneme zu segmentieren und Phoneme zu
identifizieren. Aber mehrere Studien demonstrieren im Sinne der Korrespondenztheorie, dass
diese Aspekte der phonologischen Kompetenz die Folge und nicht die Voraussetzung des
Schriftspracherwerbs sind (vgl. z. B. Morais et al. 1987, Wimmer et al. 1991). Die Ableit-
barkeitshypothese wird auch dadurch in Frage gestellt, dass im Schriftspracherwerb laut-
basierte Ableitungsregeln viel fehlerträchtiger sind als schriftsysteminterne Beschränkungen
(vgl. Neef/Primus 2001).
Das zu lösende Problem ist, dass die silbischen Erscheinungen in den verschiedenen
Modalitäten Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede aufweisen. Der Versuch, die
Gemeinsamkeiten dadurch zu erklären, dass man die silbischen Erscheinungen einer
Modalität aus einer zugrunde liegenden Modalität, nämlich der lautsprachlichen, ableitet, ist
für das Schriftsystem aufgrund der oben angeführten Bedenken problematisch und auf die
Gebärdensprache nicht übertragbar. Die hier vorgeschlagene alternative Lösung ist das
folgende verzweigende Schnittstellenmodell:2
2 Gedanken in dieser Richtung finden sich in der Gebärdensprachenforschung, vgl. Brentari (1998), Sandler(2000), Leuninger et al. (2001).
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modalitätsunabhängiges System
|¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯|¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯|schreibmotorisches/visuelles artikulatorisches/auditives gestisches/visuellesSystem | System | System |
| | |Schriftsprache ⇔ Lautsprache ⇔ Gebärdensprache3
Korrespondenzen Korrespondenzen
In diesem Modell sind die drei modalitätsspezifischen Sprachsysteme, die Laut-, Schrift- und
Gebärdensprache, Schnittstellen-Phänomene, die durch das artikulatorisch-auditive, schreib-
motorisch-visuelle bzw. gestisch-visuelle System mitbestimmt werden.
Angewandt auf die Silbe können die Vorhersagen des verzweigenden Modells - unter
Vorgriff auf die unten präsentierten Ergebnisse - wie folgt charakterisiert werden. Der Silbe
liegt ein modalitätsunabhängiges Strukturprinzip (eine Alternationsstruktur) zugrunde, auf die
die empirisch nachweisbaren gemeinsamen Strukturmerkmale der silbischen Organisation in
verschiedenen Modalitäten zurückgeführt werden können.4 Spezifika des Mediums (z. B.
kontinuierliche Schallereignisse vs. diskrete graphische Einheiten) schlagen sich bei der
Realisierung dieser Alternationsstruktur nieder und erklären vorgefundene Unterschiede.
Charakteristisch für dieses Modell ist die Vorhersage, dass es Strukturmerkmale gibt, die
nicht von intermedialen Korrespondenzen, sondern von modalitätsübergreifenden
Strukturierungsprinzipien herrühren. Diese Sichtweise wurde in der bisherigen
Schriftsystemforschung vernachlässigt.
Die folgende Darstellung konzentriert sich auf das Deutsche in den drei
modalitätsspezifischen Ausprägungen. Dabei fließen allerdings Forschungsergebnisse über
andere Sprachen und Silbentheorien mit universalistischem Anspruch in die Darstellung ein.
Das Deutsche ist insoweit ein gut gewählter Untersuchungsgegenstand, als es in allen drei
Modalitäten klar ausgeprägte silbenstrukturelle Erscheinungen aufweist.
Die weitere Vorgehensweise in diesem Beitrag ist Folgende. Im nächsten Abschnitt wird
der Silbe als mediumübergreifendes Strukturprinzip eine Alternationsstruktur zugrunde
gelegt, die bestimmte charakteristische Eigenschaften aufweist. Im dritten Abschnitt werden
die modalitätsneutralen wie substanzspezifischen Eigenschaften der Silbe in der Gebärden-
sprache in ihren Grundzügen dargestellt. Obwohl die Gebärdensprache nicht im Zentrum
3 Die Gebärdensprache kann Korrespondenzen sowohl mit der Lautsprache als auch mit der Schriftspracheaufweisen, allerdings kann beim jetzigen Forschungsstand eine klare Trennung zwischen diesenKorrespondenzen nicht geleistet werden.4 Dieser Ansatz lässt erwarten, dass jede Sprache über eine silbische Organisation verfügt. Pompino-Marschall(1995: 229) u.a. argumentiert für die Universalität der silbischen Strukturierung und sieht Gegenbeispiele aus derphonologischen Literatur (z.B. Gokana in der Analyse von Hyman 1990) im Beschreibungsmodell begründet.
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dieses Beitrags steht und deshalb auch recht knapp behandelt wird, soll dieser Auftakt dazu
dienen, von der eingefleischten Phonologisierung der Begrifflichkeit Abstand zu gewinnen.
Danach werden im vierten Abschnitt die modalitätsneutralen und substanzdeterminierten
Eigenschaften der lautsprachlichen Silbe vorgestellt. Der fünfte Abschnitt bildet das
Kernstück des Beitrags und ist der Schreibsilbe gewidmet. Hinsichtlich aller drei Modalitäten
wird zunächst gezeigt, dass sich die zugrunde liegende Alternationsstruktur als medium-
unabhängige Charakteristik der Silbe manifestiert. Danach werden die substanzdeter-
minierten, modalitätsspezifischen Erscheinungen hervorgehoben. Lediglich im Abschnitt über
die schriftsprachliche Silbe wird von vornherein die graphische Substanz der Silbe
mitberücksichtigt. Der letzte Abschnitt fasst die Ergebnisse zusammen.
2. Die Silbe als mediumübergreifende Alternationsstruktur
Die suprasegmentale silbische Schicht wird durch eine Alternations- bzw. Oszillationsstruktur
charakterisiert. Solche Strukturen entstehen, wenn man mindestens zwei Einheiten oder zwei
Werte einer Eigenschaft (z. B. Tonhöhe oder Leuchtsignale) in einem wiederkehrenden
Wechsel alternieren lässt. Mit Hilfe der abstrakten Werte " " und " " ließen sich
Alternationen wie in (1) erzeugen:
(1) a. ...
b. ...
Es ist plausibel anzunehmen, dass einfache Alternationsstrukturen, die durch eine Alternation
von nur zwei Einheiten bzw. zwei Werten eines binären Merkmals und die durch ein
einzelnes Vorkommen dieser Einheiten entstehen, bevorzugt sind, vgl. Bsp. (1a).
Im lautlichen Medium nennt man eine solche Alternationsstruktur auch Rhythmus oder
Prosodie. Wie wichtig eine solche Alternationsstruktur für die Verarbeitung von Sprache ist,
haben Phonetiker für die Lautsprache betont. Nach Ansicht Tillmanns (1980) und Pompino-
Marschalls (1993, 1995) – deren Ausführungen zur Phonetik der Silbe ich folge - stellt die
phonetische Silbe als Artikulationsbewegung von der artikulatorischen Engebildung zur
vokalischen Öffnung eine elementare phonetische Produktionseinheit dar. Dem entspricht
eine akustisch-auditive, durch einen raschen Pegelanstieg/-abfall bzw. Lautheitsanstieg/-abfall
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gekennzeichnete Einheit. Wie wichtig diese rhythmische Struktur für die Identifizierung von
Schallereignissen als Sprachereignisse ist, zeigt sich für Tillmann und Pompino-Marschall
darin, dass das wahrnehmende Subjekt phonetische Ereignisse von anderen Schallereignissen
aufgrund der prosodischen Strukturierung der menschlichen Rede unterscheidet. Unter dem
Gesichtspunkt der Sprachwahrnehmung kommt somit dem silbischen Sprachrhythmus eine
gewichtige Rolle zu: Er strukturiert den Analyseprozess im Bereich der Zeit.
Damit eine Alternationsstruktur silbisch genannt werden kann, muss sie weitere Bedin-
gungen erfüllen, die ich zunächst an der lautsprachlichen Silbe erläutere. Wie Tillmann
(1980) mittels eines einfachen Wahrnehmungsexperiments zeigt, hängt die lautsprachliche
silbische Rhythmusstruktur von der Geschwindigkeit der Alternation ab. Wenn man eine
bestimmte Eigenschaft (z. B. Tonhöhe, Lautstärke oder Klangfarbe) sehr langsam zwischen
zwei Werten alternieren lässt, nimmt man die Eigenschaft selbst in ihrer Veränderung wahr
(A-Prosodie). Eine solche langsame Modulation liegt im Fall der Satzintonation vor. Wenn
die Alternation sehr schnell ist, wird nicht die Veränderung bzw. die Alternation als solche
wahrgenommen, sondern es entsteht der Eindruck einer neuen Eigenschaft (C-Prosodie).
Diese Modulation charakterisiert die segmentale Ebene, z. B. einen vibrierenden ("gerollten")
[r]-Laut. Dazwischen liegt die für die Silbenstruktur charakteristische mittlere Stufe, auf der
weder die sich ändernde Eigenschaft noch eine neue Eigenschaft wahrgenommen wird,
sondern die Oszillation selbst (B-Prosodie).
Modalitätsneutral formuliert, wird die Alternationsstruktur erst bei einer bestimmten
temporalen Geschwindigkeit oder räumlichen Ausdehnung der Oszillation als solche wahr-
genommen. Genau diese Bedingung erfüllt die suprasegmentale Alternation, die hier der laut-,
schrift- und gebärdensprachlichen Silbe als strukturelle Charakteristik zugrunde gelegt wird.
Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich bei der Silbenoszillation um eine Alternation, bei der
die jeweils wiederkehrenden identischen Eigenschaften bzw. Werte eine bestimmte zeitliche
oder räumliche Distanz aufweisen müssen. Die Oszillationsstruktur darf sich über ein
Segment hinaus, nicht jedoch über ein Wort hinaus ausbreiten.
Die silbische Alternationsstruktur unterliegt neben der spezifischen ("mittleren") zeit-
lichen bzw. räumlichen Ausdehnung noch einer weiteren Bedingung. Eine Einheit dieser
Struktur ist prominenter als die anderen und ist konstitutiv für die Silbe, deren obligatorische
Konstituente sie bildet. Es ist der Nukleus bzw. Silbengipfel. In der Lautsprache wird der
Nukleus als sonorster Laut, als lautlicher Sonoritätsgipfel der relevanten Lautsequenz
substanziiert. Konstitutiv zu sein ist eine strukturelle Eigenschaft, sonor zu sein ist eine
substanzbasierte Lauteigenschaft. Wenn man die abstrakte strukturelle Eigenschaft des
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Nukleus modalitätsneutral konkretisieren möchte, so bieten sich allgemeinere kognitive
Begriffe an, die Clements (1990) für den phonologischen und Perlmutter (1992) für den
gebärdensprachlichen Sonoritätsbegriff anbieten. Sonorität korreliert in dieser Auffassung mit
Wahrnehmungsprominenz bzw. Salienz. Für die Lautsprache leuchtet diese Interpretation
unmittelbar ein, weil sonorere Laute, z. B. Vokale, tatsächlich leichter wahrnehmbar, auffäl-
liger sind als weniger sonore, z. B. Konsonanten. Wir werden sehen, dass diese Interpretation
auch für die Schrift- und Gebärdensprache aufrecht erhalten werden kann.
Die bisherigen Annahmen lassen sich in der Notation der autosegmentalen CV-
Phonologie,5 das auf die anderen Modalitäten übertragen wird, wie folgt darstellen:
(2) ω Wortknoten|σ Silbenknoten
|¯¯¯¯¯¯|¯¯¯¯¯|O N K Silbenteilkonstituenten O= Onset, N= Nukleus, K= Koda | | |(Cn) V (Cn) Skelettpositionen | | |[...] [...] [...] Segmente bzw. Merkmalstrukturen | | |[b i n] phonologisches Beispiel6
(2) trägt als prosodischer Hierarchiebaum der Tatsache Rechnung, dass die Silbe eine
Struktureinheit "mittlerer" Größe zwischen Segment und Wort ist. Sie berücksichtigt auch die
Tatsache, dass die Silbe einen konstitutiven Bestandteil hat, nämlich V als Gipfel bzw.
Nukleus. Die C-Bestandteile sind fakultativ und können mehrfach vorkommen (Cn). In
diesem Beitrag wird die interessante Frage vernachlässigt, ob beides relevant ist, nämlich CV-
und Konstituentenschicht (vgl. dazu Lenerz 2000). Hier wird schon aus rein illustrativen
Gründen beides benötigt. Die CV-Skelettschicht verdeutlicht, dass die Silbe eine Alternation
von C und V ist. Die Konstituentenschicht hilft, verschiedene C-Skelettpositionen zu
identifizieren. Aus der Alternationshypothese folgt, dass eine perfekte Silbe neben genau
5 Diese Notation bedient sich der schriftsprachlichen Modalität und ist somit streng genommen nur für diesegeeignet. Eine modalitätsneutrale Notation gibt es prinzipiell nicht, so dass man zwangsläufig notationelleUngenauigkeiten in Kauf nehmen muss. Die drei Modalitäten werden notationell dadurch unterschieden, dassder Silbenknoten und das Beispielmaterial für die Lautsprache in eckigen Klammern, für die Gebärdensprache ingeschweiften Klammern und für die Schriftsprache in spitzen Klammern erscheinen. DazwischenliegendeKnoten werden aus Lesbarkeitsgründen nicht eingeklammert.6 Im Folgenden wird der Unterschied zwischen zugrunde liegenden und oberflächenorientierten lautsprach-lichen Repräsentationen nicht immer notationell durch schräge vs. eckige Klammern festgehalten. Wenn dieseUnterscheidung irrelevant oder nicht eindeutig zu treffen ist, werden die eckigen Klammern benützt. Außerdemwird die Vokalquantität im Deutschen nicht segmental durch Ungespanntheit, z. B. i - !, e - ", sondernsuprasegmental repräsentiert (vgl. Abschnitt 4 unten).
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einer V-Position auch genau eine C-Position aufweist (vgl. die einfachste Alternationsstruktur
(1a) oben). In (3)-(4) wird diese mediumneutrale Charakteristik zusammengefasst:
(3) Gipfel-Beschränkung: Jede Silbe hat genau eine segmental assoziierte V-Position.
(4) Rand-Beschränkung: Jede Silbe hat genau eine segmental assoziierte C-Position.
Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass V und C keine segmentale, d. h. auf inhärenten
Segmentmerkmalen basierende Klassifizierung darstellt, sondern eine rein silbenstrukturelle
Unterscheidung trifft. Die V-Position kann grundsätzlich mit einem nicht-prominenten
Segment (z. B. Konsonanten in der Lautsprache) und eine C-Position kann mit einem
prominenten Segment (z. B. Vokal) assoziiert sein. Die Assoziation zwischen Skelett- und
Segmentschicht ist jedoch nicht beliebig, sondern unterliegt folgenden
Prominenzbeschränkungen:
(5) Voraussetzung für beliebige Segmente S1 und S2: S1 ist prominenter als S2 (S1 > S2);
a. Prominenzbeschränkung für Gipfel (V-Position): In jeder Sprache dominiert das Verbot
der Gipfelplatzierung von S2 das Verbot der Gipfelplatzierung von S1 (*S2 >> *S1).
b. Prominenzbeschränkung für Ränder: In jeder Sprache dominiert das Verbot der
Randplatzierung von S1 das Verbot der Randplatzierung von S2 (*S1 >> *S2).
Der Dominanzbegriff (Abk. >>) und die hier vertretene Auffassung, dass Beschränkungen
verletzbar sind, entstammt der Optimalitätstheorie, in der verletzbare Beschränkungen in einer
Dominanzhierarchie angeordnet sind (vgl. Abschnitt 5.2 dieser Arbeit).
Die Prominenzbeschränkungen in (5) sind keine einzelnen Beschränkungen, sondern
Meta-Beschränkungen, die jeweils mehrere Beschränkungen zusammenfassen und eine
universelle Dominanzhierarchie garantieren (vgl. Prince/Smolensky (1993) für universelle
Dominanzhierarchien auf der Grundlage der Sonoritätsskala). Da die
Prominenzbeschränkungen für die Lautsprache bestens bekannt sind, sollen sie zur ersten
Illustration dienen. Wenn man sich zunächst mit der Unterscheidung zwischen Vokalen und
Konsonanten begnügt und annimmt, dass Vokale prominenter (in diesem Fall sonorer) als
Konsonanten sind, dann besagt die erste Beschränkung, dass in jeder Sprache das Verbot
gegen einen Konsonanten im Gipfel das Verbot gegen einen Vokal im Gipfel dominiert. Eine
solche Dominanzbestimmung schließt Sprachen, die nur Konsonanten im Gipfel aufweisen
sowie Sprachen, die Vokale und Konsonanten unterschiedslos im Gipfel zulassen, aus. Die
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Prominenzbeschränkungen setzen eine Prominenzunterscheidung zwischen den Segmenten
voraus, aber schränken diese selbst nicht ein und können auf einzelsprachliche wie
modalitätsspezifische Prominenzhierarchien angewandt werden.
Die silbische Alternationsstruktur teilt mit syntaktischen Strukturen die Eigenschaft,
genau ein konstitutives Element, den Gipfel bzw. Kopf, aufzuweisen. Die Dependenz-
Phonologie (vgl. Anderson/Ewen 1987) und in noch größerem Maße die Government-
Phonologie (vgl. Kaye/Lowenstamm/Vergnaud 1990) tragen dieser Tatsache Rechnung,
indem sie die Silbenstrukturen den syntaktischen Strukturen angleichen. Wie im Falle des
Verhältnisses zwischen den drei modalitätsspezifischen Silbenbegriffen ist es verfänglich, die
Gemeinsamkeiten dadurch zu erklären, dass man eine Alternative der anderen überstülpt.
Vielversprechender erscheint auch hier die Annahme, dass den syntaktischen und silbischen
Strukturtypen ein abstrakteres Aufbauprinzip zugrunde liegt, das genau ein konstitutives,
wahrnehmungsprominentes Element verlangt. Diese Elemente werden in silbischen und
syntaktischen Strukturen ganz unterschiedlich serialisiert, was auf die Verschiedenartigkeit
der Strukturierungstypen hinweist. In silbischen Alternationsstrukturen werden benachbarte
Nuklei (Hiatbildung) gemieden, in syntaktischen Strukturen werden benachbarte Köpfe
bevorzugt. Syntaktische Strukturen unterliegen nämlich dem Kopfserialisierungsprinzip,
wonach alle Köpfe einer Phrase im optimalen Fall am selben Rand der Phrase platziert sind.
Bei Befolgung dieses Prinzips ergeben sich entweder links- oder rechtsperipher benachbarte
Köpfe. Diese Eigenschaft ist keine Folgeerscheinung der größeren Erstreckung syntaktischer
Phrasen. So vermeidet auch die rhythmische Struktur der Phrasen- und Satzebene (Tillmanns
o. g. A-Prosodie) benachbarte starke Akzente (vgl. Uhmann 1991).7 Ein weiterer Unterschied
zwischen den beiden Strukturtypen ist die Projektivität syntaktischer Köpfe bzw. die Endo-
zentrizität syntaktischer Phrasen. Köpfe vererben ihre flexionsmorphologischen und
syntaktischen Merkmale an den Mutterknoten und umgekehrt. Ein silbischer Gipfel hat keine
vergleichbare Projektivität. Nicht er allein, sondern die Alternation zwischen ihm und einem
anderen Element, identifiziert den Mutterknoten. Ich meine, dass sich diese Unterschiede aus
dem Alternationscharakter silbischer Strukturen ableiten lassen.
Die Annahmen dieses Abschnitts sollen zunächst an der Silbe in der Gebärdensprache
überprüft werden. Sie ist über jeden Verdacht erhaben, dass es sich um eine Gebärdenkopie
der phonologischen Silbe im Sinne einer Ableitbarkeitshypothese handelt. Sie ist deswegen
7 Auf syntaktischer Ebene finden wir somit beide Strukturierungsprinzipien: in der phrasalen Akzentzuweisungund Intonation eine rhythmische Alternationsstruktur und im genuin syntaktischen Aufbau der Phrasen einspezifisches syntaktisches Strukturierungsprinzip.
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besonders geeignet, auch diejenigen Leserinnen und Leser von der Notwendigkeit eines
mediumübergreifenden Silbenbegriffs zu überzeugen, die noch fest daran glauben, dass
Silben nur in der Lautsprache einen Sinn machen.
3. Die Silbe in der Gebärdensprache
Gebärdensprachen sind auf den hier zur Diskussion stehenden Ebenen analog strukturiert wie
Laut- und Schriftsprachen. Es gibt lexikalisch distinktive, jedoch nicht bedeutungstragende
Einheiten, die nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten zu Silben miteinander kombiniert werden.
Silben bilden ihrerseits Gebärden (lexikalische Einheiten bzw. Wörter). Eine Gebärde setzt
sich aus vier distinktiven manuellen8 Komponenten zusammen: dem Ausführungsort der
Gebärde, der Handform, der Bewegung der Hände bei Ort- und Handformwechsel und der
Handorientierung. Aus einer Kombination dieser Elemente resultieren alle Gebärden einer
Sprache. Dass diese kleinsten Einheiten lexikalisch distinktiv sind, soll anhand folgender
Minimalpaare aus der Amerikanischen Gebärdensprache (ASL, engl. American Sign
Language) und dem Ausführungsortmerkmal illustriert werden.
Abb. I Minimalpaare hinsichtlich des Ausführungsorts in ASL (Klima/Bellugi 1979: 42)
SUMMER UGLY DRY
Die drei illustrierten Gebärden unterscheiden sich nur hinsichtlich des Ausführungsortes;
Handform, Bewegung und Orientierung sind identisch.
Eine Vielzahl von Forschern argumentiert für eine Struktureinheit oberhalb der
Segmentebene und unterhalb der Gebärdenebene, die der phonologischen Silbe entspricht (u.
11
a. Sandler 1989, 2000, Brentari 1990, 1998, Wilbur 1990, Perlmutter 1992). Im Folgenden
wird der einflussreiche Ansatz von Perlmutter (1992) referiert. Perlmutter klassifiziert die
gebärdensprachlichen Segmente in zwei Typen: Bewegung (engl. movement, M) und Position
(P, bei anderen Autoren location, vgl. Liddell/Johnson (1989)).
Die meisten lexikalischen Einheiten sind einsilbig. Folgende Segmentsequenzen sind in
ASL in einer lexikalischen Einheit möglich: PMP, MP, PM, M und P. Andere, wie etwa *MM
oder *PP, sind ausgeschlossen. Wie diese Sequenztypen aufzufassen sind, soll am Beispiel
einer MP-vs. PM-Sequenz erläutert werden. Vgl. Abb. IIa und IIb (Perlmutter 1992: 409):
Abb. IIa MP: SICK Abb. IIb PM: TAKE OFF
Bei der Gebärde für SICK findet eine Bewegung statt, der eine Positionierung der aus-
führenden Hand an die Stirn folgt. Die Positionierung der Hand vor der Bewegung spielt
keine Rolle. Die Gebärde für TAKE-OFF beginnt mit einer Positionierung der ausführenden
Hand auf der anderen Hand und endet mit einer Bewegung. Weil die ausführende Hand am
Ende der Gebärde keine bestimmte Position einnehmen muss, gibt es kein finales P-Segment.
Unter Berücksichtigung weiterer Evidenz, die im Anschluss diskutiert wird, trifft
Perlmutter folgende Annahmen:
(a) M-Segmente sind sonorer, d. h. wahrnehmungsprominenter, als P-Segmente. M-Segmente
entsprechen den Vokalen in Lautsprachen und P-Segmente den Konsonanten in
Lautsprachen.
8 Wie in der einschlägigen Literatur bleiben nicht-manuelle Komponenten wie Mimik und Körperhaltung hierunberücksichtigt.
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(b) Jede Silbe hat einen Nukleus; Onset und Koda sind fakultativ.
(c) Silben unterliegen allgemeinen Sonoritätsbeschränkungen.
Da Sonorität nicht an der lautlichen Substanz festgemacht werden kann, schlägt Perlmutter als
modalitätsneutrales psycholinguistisches Korrelat die Wahrnehmungssalienz bzw. -prominenz
(engl. perspicuity) vor. Sein Vorschlag wird in diesem Beitrag aufgegriffen. Perlmutter bleibt
allerdings bei der lautsprachlich geprägten Nomenklatur, die ich hier originalgetreu
wiedergebe.
Aus den Annahmen (a)-(c) folgt, dass M-Segmente im Gegensatz zu P-Segmenten unein-
geschränkt im Nukleus erscheinen können. Und tatsächlich können alle M-Segmente im Nuk-
leus einer Silbe auftreten, während P-Segmente als Nukleus in ASL nur dann zugelassen sind,
wenn sie von einer der folgenden Veränderungen begleitet werden (1992: 434):
- von einer sekundären Bewegung
- von einem Handformwechsel
- von einem Handorientierungswechsel
Eine sekundäre Bewegung erfolgt mit den Fingern oder dem Handgelenk und begleitet die
Geste der Hand (vgl. Abb. III - TAPE unten). Die Lizensierungsbedingungen für nukleare P-
Segmente erklärt Perlmutter dadurch, dass P-Segmente, die von einer ihrerseits salienteren
Veränderung begleitet werden, sonorer sind als P-Segmente ohne begleitende Veränderung.
Sie wären in etwa die Entsprechung der Sonoranten in der Lautsprache. Aus der binären
Einteilung entsteht folgende mehrgliedrige Sonoritätsskala:
(6) M-Segment > P-Segment mit Veränderung (Pv) > P-Segment ohne Veränderung.
(6) verdeutlicht, dass in Gebärdensprachen die Dynamizität einer Gebärdenkomponente die
Entsprechung der lautsprachlichen Sonorität darstellt (vgl. Brentari 1995).
Perlmutter räumt ein, dass morphologisch abgeleitete Gebärden zumindest oberflächlich
betrachtet nukleare P-Segmente ohne Veränderung aufweisen. In der Deutschen Gebärden-
sprache (DGS, vgl. Pfau 1997) - für die alle hier getroffenen sonstigen Annahmen und
Beobachtungen ebenfalls zutreffen - gibt es auch Einsilbler, die aus einem einzigen P-
Segment ohne Veränderung bestehen (z. B. die Gebärde für DEUTSCH). Das ist nicht
verwunderlich, weil solche sprachspezifischen Bestimmungen für die Besetzung einer
silbenstrukturellen Position auch in Lautsprachen bekannt sind. Aber auch in DGS bleibt die
Klassifizierung von Perlmutter gültig. Sie wird benötigt, um zu erklären, dass M-Segmente im
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Silbenrand (z. B. MM-Einsilbler) ausgeschlossen sind, und dass P-Segmente nur einge-
schränkt oder vereinzelt im Nukleus erscheinen können. Außerdem steht sie möglicherweise
in einem engen Zusammenhang zum allgemeineren Verbot benachbarter P-Segmente in einer
lexikalischen Einheit (*PP), das nicht nur PP-Silben, sondern auch PPM- oder MPP-Silben
sowie MPPM-Sequenzen in Mehrsilblern verbietet.
Weitere zentrale Evidenz für Silbenstrukturen bietet folgende Distributionsbeschränkung
für sekundäre Bewegung und Handformwechsel, die auch für DGS gilt (vgl. Pfau 1997):
(7) Eine sekundäre Bewegung / Ein Handformwechsel kommt nur im Nukleus einer Silbe
vor.
Das heißt, dass diese Veränderungen jedes M-Segment begleiten können, aber nur diejenigen
P-Segmente, die kein benachbartes M-Segment aufweisen. Abb. III zeigt eine zulässige
sekundäre Kreisbewegung der Finger bei einem nuklearen P-Segment.
Abb. III TAPE (Perlmutter 1992: 412)
Abb. IV zeigt, dass dieselbe sekundäre Kreisbewegung bei einem P-Segment, dass als
Silbenonset oder Silbenkoda ein M-Segment (eine Bewegung) begleitet, unzulässig ist:
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Abb. IV Unzulässige Gebärden (Perlmutter 1992: 415)
Dabei ist zu beachten, dass es keine motorische oder perzeptuelle Beschränkung gegen die
Kombination von sekundärer Bewegung oder Handformwechsel und P-Segment gibt. Dies
demonstriert die Tatsache, dass diese Veränderungen P-Segmente im Nukleus lizensieren
können (vgl. auch Abb. III für TAPE). Die Beschränkung ist rein struktureller Natur.
Perlmutter hebt hervor, dass seine Annahmen in einem beliebigen autosegmentalen
Format dargestellt werden können. Hier wird die Notation der CV-Phonologie gewählt, um
den modalitätsübergreifenden Vergleich zu erleichtern. (8) stellt das silbenstrukturelle Gerüst
dar und fasst die bisherigen Beobachtungen für ASL zusammen:
15
(8) {σ}|¯¯¯¯¯¯¯¯|¯¯¯¯¯¯¯¯|
Onset Nukleus Koda| | |
(C) V (C)| | |
P/*M M/Pv P/*M generell: *PP*SM SM *SM*HFW HFW *HFW
{σ} - Silbenknoten in der Gebärdensprache; P, M, Pv wie oben in (6); SM - sekundäreBewegung; HFW - Handformwechsel; * - Verbot
Weitere Evidenz für gebärdensprachliche Silbenstrukturen bieten "Vergebärdler", sprachliche
Fehlleistungen, die den Versprechern in Lautsprachen entsprechen, auf die hier lediglich
hingewiesen wird (vgl. Glück et al. 1997, Leuninger et al. 2001). Einschlägig sind Merkmals-
oder Segmentvertauschungen, bei denen die beteiligten Einheiten immer in gleicher silben-
struktureller Position stehen sowie Silbenvertauschungen. Bei Selbstkorrekturen solcher
Fehlleistungen sind diejenigen Fälle einschlägig, bei denen die ursprünglich geplante
Silbenstruktur aufrecht erhalten wird, selbst wenn die Lexeme unterdessen ausgetauscht
worden sind.
Leuninger et al. (2001) präsentieren sowohl modalitätsneutrale als auch modalitäts-
spezifische Befunde. Die modalitätsneutralen Ergebnisse betreffen die Kategorie der
Fehlleistungen, d. h. die Operationen selbst (z. B. Kontamination, Vertauschung, Substitution,
Antizipation, Perseveration), ihr formaler vs. semantischer Status sowie die betroffene Einheit
(z. B. die Handform). Die modalitätsspezifischen Fehlleistungen resultieren aus der Tatsache,
dass Gebärdensprachen über andere Artikulatoren (Hände, Körper, Mimik) verfügen. Diese
Befunde motivieren folgende Annahme von Leuninger et al.:
(9) Der Sprachprozessor ist modalitätsneutral.
Der Gehalt des Sprachprozessors ist modalitätsabhängig.
Dieselbe Hypothese betrifft auch den Monitor, der die Sprachproduktion überwacht und
Fehlleistungen ggf. korrigiert. Sie bestätigt aus kognitiver Perspektive das hier vor-
geschlagene verzweigende Schnittstellenmodell für das modalitätsneutrale Sprachsystem und
die modalitätsspezifischen Systeme.
Fazit: Die gebärdensprachliche Silbenstruktur ist eine Alternationsstruktur mit einer
obligatorischen Konstituente (dem Nukleus bzw. Silbengipfel). Die segmentale Besetzung der
16
Silbenstrukturpositionen unterliegt den modalitätsunabhängigen Prominenzbeschränkungen.
Die prominentesten Segmente sind im Nukleus uneingeschränkt zugelassen, während sie in
den Rändern verboten sind. Umgekehrt gilt für die am wenigsten prominenten Segmente, dass
sie in den Rändern uneingeschränkt und im Nukleus nur eingeschränkt zugelassen sind. Das
sind silbenstrukturelle Eigenschaften, die den modalitätsneutralen Beschränkungen (vgl. (3)-
(5) oben) folgen.
Die weiteren Gegebenheiten sind nicht nur modalitätsspezifisch, sondern zum Teil
einzelsprachspezifisch. Hinsichtlich ihrer intrinsischen Prominenz bilden Segmente in ASL
und DGS zunächst zwei Klassen: M- und P-Segmente. Durch die Kombination eines P-
Segments mit einer Veränderung entsteht eine mittlere Klasse und somit folgende Prominenz-
skala: M-Segment > P-Segment mit Veränderung > P-Segment ohne Veränderung. Die
entsprechenden Lautsprachen, Englisch und Deutsch, haben eine weiter gefächerte Sonoritäts-
skala. Zwar postulieren andere Autoren für ASL mehr Zwischenglieder als Perlmutter (z. B.
Brentari 1995, 1998), dennoch zeigt sich auch unter dieser Annahme der Unterschied zur
Lautsprache sehr deutlich. Während in den entsprechenden Lautsprachen eine Sonoritäts-
sequenzbeschränkung eine stetige Sonoritätszunahme zum Silbengipfel hin und eine stetige
Sonoritätsabnahme vom Silbengipfel weg gebietet (vgl. (22) unten), ist eine entsprechende
Beschränkung für Gebärdensprachen nicht attestiert (vgl. Brentari 1995: 627). Sequenziell ist
die gebärdensprachliche Silbe wegen des Verbots von nuklearen M-Sequenzen und von P-
Sequenzen sehr einfach strukturiert. Dementsprechend ist nur die einfachere
Sonoritätsbeschränkung für Gipfel und Ränder im Einsatz. In beiden Gebärdensprachen, ASL
und DGS, sind M-Segmente im Silbenrand ausgeschlossen. Im Nukleus sind in beiden
Sprachen auch P-Segmente zugelassen, in ASL aber nur unter bestimmten
Zusatzbedingungen. Für solche paradigmatischen Beschränkungen sind in ASL mittlere
Prominenzwerte, die durch simultane Gebärdenkomponenten (z. B. Position und sekundäre
Bewegung) entstehen, relevant.
Die sequenzielle Einfachheit von Gebärden zeigt sich nicht nur im Verbot von nuklearen
M-Sequenzen und von P-Sequenzen in lexikalischen Einheiten, sondern auch in der stark
bevorzugten Einsilbigkeit der Gebärden (vgl. Andersen 1993, Sandler 2000 für weitere
Modalitätsspezifika). Sie könnte auf Spezifika des Mediums beruhen. Einschlägig ist die
geringere Beweglichkeit der Gebärdenartikulatoren im Vergleich zu den lautsprachlichen
Artikulatoren (z. B. Zunge, Kiefer). Diese rein anatomisch-physiologische Beschränkung
könnte die einfachere sequenzielle Lexem- und Silbenstruktur von Gebärdensprachen
erklären. Die sequenziellen Einschränkungen scheinen durch simultan realisierte Kom-
17
ponenten wettgemacht zu werden. Die ausgeprägte Simultaneität gebärdensprachlicher
Komponenten9 könnte einige Spezifika erklären, wie z. B. die Tatsache, dass erst die Über-
lagerung eines P-Segments durch eine weitere dynamische Komponente eine mehrgliedrige
Prominenzskala entstehen lässt. Außerdem können einzelne simultan realisierte Komponenten
bedeutungstragend sein, wodurch Gebärdensprachen auffällig viele einsilbige polymorphe-
matische Einheiten aufweisen (vgl. Brentari 1995, Sandler 2000). Lautsprachen haben sowohl
simultan realisierte phonologische Merkmale als auch koartikulierte Segmente und können
darüber hinaus sequenziell recht komplexe Silbenstrukturen aufweisen. Dementsprechend
sind in Lautsprachen mehrgliedrige Prominenzskalen nicht nur in paradigmatischen
Prominenzbeschränkungen (z. B. für den Silbengipfel), sondern auch in syntagmatisch-
sequenziellen Prominenzbeschränkungen anzuwenden. Das hier untersuchte
schriftsprachliche Medium weist hingegen sequenziell diskret angeordnete Komponenten auf.
Wie wir später sehen werden, bleiben mehrgliedrige Prominenzskalen in diesem Medium aus.
4. Die Silbe in der Lautsprache
Dass es sich bei der lautsprachlichen Silbe um eine Alternationsstruktur handelt, ist nichts
Neues. Die wichtigsten Eigenschaften der silbischen Alternationsstruktur habe ich
phonetisch-phonologischen Arbeiten entnommen (Tillmann 1980, Pompino-Marschall 1993,
1995). Am deutlichsten repräsentiert wird sie in der CV-Phonologie (vgl. Clements/Keyser
1983) und in Vennemanns (1994) Nuklearphonologie. Bei Vennemann besteht die silbische
Alternationsstruktur aus zwei Werten der Energiekontur bzw. des Silbenschnitts, nämlich
Crescendo und Decrescendo. Ich bleibe bei der Methode der CV-Phonologie, da sie sich einer
breiteren Popularität erfreut und deshalb hier nicht näher motiviert werden braucht. Ich habe
sie auch für die Gebärden- und Schriftsprache übernommen.10
Die modalitätsneutrale Alternationsstruktur der Silbe erklärt die ersten wichtigen laut-
sprachlichen Silbenstrukturbeschränkungen. Die optimale Alternationsstruktur besteht aus
einer einfachen binären Alternation, die durch die Nukleus- und Randbeschränkung (3) und
9 Vgl. Leuninger et al. (2001) für ihre Auswirkung bei Selbstkorrekturen.10 Den Leserinnen und Lesern, die mit neueren phonologischen Silbentheorien nicht vertraut sind, dienenfolgende Hinweise. Einflussreiche Arbeiten zu phonologischen Silbenstrukturbeschränkungen sind Jakobson(1962), Hooper (1976), Vennemann (1982, 1988), Cairns/Feinstein (1982), Selkirk (1984) und dieoptimalitätstheoretische Arbeit von Prince/Smolensky (1993). Die Sonoritätshierarchie wird schon bei Sievers(1901) behandelt. Neuere Gesamtdarstellungen der Silbenphonologie des Deutschen sind Wiese (2000),
18
(4) erfasst wurde. Dass diese modalitätsunabhängige Charakteristik auch für die laut-
sprachliche Silbe gilt, belegen folgende verletzbare universelle Silbenstrukturbeschrän-
kungen, die in neueren phonologischen Silbentheorien konsensfähig sind:
(10) Gipfel-Beschränkung: Jede Silbe hat genau eine segmental assoziierte V-Position.
(11) Rand-Beschränkungen:11
a. Onset-Gebot: Jede Silbe hat genau eine segmental assoziierte Onset-Position.
b. Koda-Verbot: Jede Silbe hat eine leere Koda (d. h. keine Silbe hat eine segmental
assoziierte Koda).
Die modalitätsunabhängigen Prominenzbeschränkungen (vgl. (5) oben) werden in der
modalitätsspezifischen Ausprägung als Sonoritätsbeschränkungen in der Phonologie allge-
mein akzeptiert (vgl. für eine genaue Formalisierung im Rahmen der Optimalitätstheorie
Prince/Smolensky 1993):
(12) Voraussetzung für beliebige Segmente S1 und S2: S1 ist sonorer als S2 (S1 > S2);
a. Sonoritätsbeschränkung für Gipfel (V-Position): In jeder Sprache dominiert das
Verbot der Gipfelplatzierung von S2 das Verbot der Gipfelplatzierung von S1 (*S2 >>
*S1).
b. Sonoritätsbeschränkung für Ränder: In jeder Sprache dominiert das Verbot der
Randplatzierung von S1 das Verbot der Randplatzierung von S2 (*S1 >> *S2).
So kann im Deutschen und anderen Sprachen in der V-Position der phonologischen Silbe
jeder Vokal stehen. Konsonanten erscheinen dort nur unter bestimmten Bedingungen, nämlich
nur in einer Reduktionssilbe und nur wenn es in der Silbe keinen Vokal gibt und der
Konsonant eine relativ große Sonorität aufweist und zur Gruppe der Sonoranten gehört. Die
zweite Silbe der folgenden Beispiele hat einen Sonoranten in der V-Position:
Eisenberg (1998) und Ramers (1998a). Eine allgemeine Einführung in die suprasegmentale Phonologie ist z. B.Goldsmith (1990).11 Aus der modalitätsneutralen Alternationsstruktur (vgl. (3)-(4) oben) folgt lediglich, dass eine optimale Silbeüber je eine segmental besetzte C- und V-Position verfügt. Eine Erklärung für die Tatsache, dass lautsprachlicheSilben den Onset anstelle der Koda bevorzugen, bietet Pompino-Marschall (1993). Er weist nach, dass derSonoritätsanstieg des Onsets einen stärkeren Einfluss auf den "Rhythmuspunkt" der Silbe ausübt als derSonoritätsabfall der Koda.
19
(13) σ|¯¯|O N| |C V| |
[a t m] <Atem>[e d l ] <edel>[e d n] <Eden>
Mit der Zulassung von Sonoranten in der V-Position sind wir schon bei den substanz-
determinierten Besonderheiten der lautsprachlichen Silbe angekommen.
In der Lautsprache haben wir zeitlich kontinuierliche, simultane Artikulations- bzw.
Schallereignisse, d. h. Ereignisse, die aus mehreren sich überlappenden und ineinander über-
gehenden Teilereignissen bestehen. Letzteres wird in der Phonetik als Koartikulation und
Steuerung bezeichnet (vgl. Menzerath/de Lacerda 1933, Kohler 1977 und Heike 1992 unter
besonderer Berücksichtigung der Silbe). Dass in der Phonetik von Einzellauten und
Segmenten gesprochen wird, führen Tillmann (1980: 56) und Pompino-Marschall (1995: 227)
auf das Alltagsverständnis einer alphabetisch literalen Gesellschaft zurück, womit sie diese
Vorgehensweise als schriftinduziert erklären.
Realisiert man die abstrakte Alternationsstruktur der Silbe durch lautsprachliche Signale,
so ergeben sich die wichtigsten charakteristischen Eigenschaften der phonologischen Silben-
struktur. Dem Silbenrand entspricht ein artikulatorischer Verschluss, dem Silbengipfel eine
artikulatorische Öffnung. Das auditivphonetische Korrelat ist ein Lautheitsanstieg bzw.
-abfall. Durch die Charakteristik lautsprachlicher Artikulationsvorgänge handelt es sich um
ein graduelles, kontinuierliches Öffnen und Schließen (vgl. Eisenberg 1998, Kap. 4 für eine
detaillierte Darstellung). Die phonologische Entsprechung dieser substanziellen Gegebenheit
ist eine graduelle, skalare Anordnung der Laute entlang einer sehr differenzierten Sonoritäts-
hierarchie bzw. -skala. Die wichtigsten Sonoritätsunterschiede für das Deutsche illustriert
folgende Skala (durch Komma getrennte Segmente haben dieselbe Sonorität):
(14) ----- abfallende Sonorität ---->
a, e > i, u > r > l > m, n, N > v, z, J > f, s, š, ç, x, h, > p, t, kb, d, g
Vokale Sonoranten Obstruenten (Frikative, Plosive)
20
Die Silbenphonologie wird durch solche mehrgliedrigen Sonoritätshierarchien determiniert.
Graduelle Begriffe wie Sonoritätsmaximum, Sonoritätsminimum und stetiger Sonoritäts-
anstieg bzw. -abfall sind phonologisch relevant, ebenso Übergangsgrade, z. B. Sonoranten
wie in (13) oben gezeigt. Hinzu kommt, dass die Beweglichkeit der lautsprachlichen
Artikulatoren sequenziell komplexe Silbenstrukturen nicht behindert. Diese Gegebenheiten
schlagen sich phonologisch darin nieder, dass die einfache binäre CV-Alternationsstruktur
sequenziell komplexer ausfallen kann (z. B. CCV, CVVC usw.) und in vielen Sprachen
tatsächlich auch komplexer ausfällt, und dass sie als graduelle Sonoritätssequenz realisiert
wird. Die wichtigste silbenstrukturell relevante substanzielle Charakteristik wird in (15)
zusammengefasst:
(15) Lautsprachliche Prominenzskalen können zwischen maximal konsonantisch und
maximal vokalisch sehr viele Differenzierungen aufweisen. Diese graduellen
Übergänge determinieren eine graduelle phonologische Alternationsstruktur.
Mehrere Erscheinungen des Deutschen demonstrieren die substanzielle Charakteristik der
lautsprachlichen Silbe. Eine wurde bereits erwähnt. In der V-Position mancher Silbentypen
(vgl. (13)) erscheinen nicht nur Vokale, sondern auch die sonorsten Konsonanten (Sonoran-
ten). Außerdem gibt es Silbengrenzen mit Gelenkkonsonanten, die nicht genau segmentiert
werden können, d. h. sich segmental überlappen. Um diese Erscheinung erklären zu können,
müssen zunächst die silbenstrukturellen Besonderheiten des Standarddeutschen (Abk. des
Deutschen) vorgestellt werden.
Für das Deutsche wird angenommen (vgl. Wiese 1986, 2000), dass der Nukleus von
Vollsilben zwei Positionen hat, die segmental besetzt sein müssen. Vgl. (16):
(16) Verzweigungsgebot im Deutschen: Der Nukleus einer Vollsilbe hat zwei Skelett-
positionen, die segmental assoziiert sein müssen.
Vollsilben sind Silben, die im Gegensatz zu Reduktionssilben den Wortakzent tragen können.
Im Folgenden spreche ich von vokalischer und konsonantischer Nukleusposition bzw.
nuklearer V- oder C-Position. Während die Annahme, dass in bestimmten Silbentypen zwei
Skelettpositionen besetzt sein müssen, relativ unumstritten ist, findet die Annahme, dass diese
dem Nukleus zuzuschlagen sind, häufiger Kritiker (u. a. Becker 1996, Lenerz 2000). Die
Wirkung des Verzweigungsgebots zeigt (17):
21
(17) a. [σ] b. [σ]|¯¯¯|¯¯¯| |¯¯¯|O N K O N| /\ | | /\C V C C C V C| \/ | | | |
[f a l] <fahl> [f a l] <Fall>
Das Verzweigungsgebot wird durch die Verteilung der Lang- und Kurzvokale im Deutschen
gerechtfertigt. Im Deutschen ist die Vokalquantität lexikalisch distinktiv, wie folgende
Minimalpaare illustrieren:
(18) Beet - Bett, fahl - Fall, Miete - Mitte, Höhle - Hölle, rote - Rotte, fühle - fülle, Buhle -
Bulle
In der phonologischen Komponente des Lexikons des Deutschen muss also vermerkt werden,
ob ein Vokalmonophthong in einer Vollsilbe mit der nuklearen C-Position assoziiert ist oder
nicht, weil diese Information nicht vorhersagbar ist, d. h. aus silbenstrukturellen Beschrän-
kungen nicht abgeleitet werden kann; vgl. die Spezifikationen in (19), in denen die doppelt
durchgestrichene Linie - wie in der Autosegmentalen Phonologie üblich - eine verbotene
Assoziation darstellt:
(19) CN CN
| f a l <fahl> f a l <Fall>
Die Assoziationen mit den anderen silbenstrukturellen Positionen ergeben sich aus den unten
diskutierten Silbenstrukturbeschränkungen von selbst und müssen nicht lexikalisch markiert
werden. Vokalquantität wird in Anlehnung an neueren phonologischen Theorien
suprasegmental repräsentiert, und zwar dadurch, dass ein Langvokal im Gegensatz zu einem
Kurzvokal zwei Skelettpositionen besetzt (vgl. schon Clements/Keyser 1983).
Das Deutsche scheint eine Silbenschnittsprache zu sein (vgl. Vennemann 1994, Becker
1996), deren silbenstrukturelle Besonderheit die in (16) genannte Beschränkung für die
Besetzung der nuklearen C-Position ist. Dieser Beschränkung zufolge bildet schon der
Nukleus einer Vollsilbe eine minimale segmental obligatorisch zu besetzende VC-
Alternationsstruktur, deren phonetisches Korrelat tatsächlich prosodischer, und nicht wie
22
vielfach angenommen ausschließlich quantitativer Natur ist (vgl. Spiekermann 2000). Diese
nukleare Alternationsstruktur charakterisiert die Vokalopposition im Deutschen: Langvokale
bzw. Vokale mit sanftem Schnitt werden mit beiden Nukleuspositionen assoziiert (vgl. fahl),
Kurzvokale bzw. scharf geschnittene Vokale nur mit der V-Position (vgl. Fall). Im Folgenden
wird weiterhin aus rein praktischen terminologischen Gründen von Vokalquantität, Lang- und
Kurzvokal gesprochen.
Da eine minimale Vollsilbe im Deutschen zwei besetzte Nukleuspositionen aufweist,
muss einem Kurzvokal ein Konsonant (vgl. fall) oder ein weiterer Vokal in der zweiten
Nukleusposition folgen, womit sich ein Diphthong ergibt (z. B. rau). Das Verzweigungsgebot
erklärt auch, warum im Standarddeutschen ein Langvokal, ein Diphthong und die Folge
Kurzvokal + Konsonant phonotaktisch äquivalent sind: nach Kurzvokal kann genau ein
Konsonant mehr in der Silbe auftreten als nach Langvokal oder Diphthong. Alle diese Ein-
heiten besetzen nämlich genau zwei nukleare Skelettpositionen (V und C). Diese minimale
Alternationsstruktur wird durch die Besetzung eines Silbenrandes, bevorzugt des Onsets,
erweitert. Insoweit folgt auch das Deutsche der allgemeinen Rand-Gipfel-Konfiguration CV.
Im Deutschen muss man allerdings zwischen Nukleus im weiteren Sinn und V-Silbengipfel
unterscheiden. Im V-Silbengipfel muss der Sonoritätsgipfel liegen (vgl. (22) unten). Die
unmittelbar folgende C-Position genießt einen Sonderstatus. Ihre segmentale Besetzung ist in
Vollsilben obligatorisch, was für ihren nuklearen Status spricht. Anderseits unterscheidet sie
sich vom V-Silbengipfel dadurch, dass sie weniger sonore Segmente beherbergen kann und
der Auslautverhärtung (vgl. ab [ap]) unterliegt. Der Sonderstatus der nuklearen C-Position
wird sich auch in der deutschen Schriftsprache zeigen.
Wie bereits erwähnt, folgt aus dem Verzweigungsgebot, dass in Vollsilben mit Kurzvokal
die zweite Nukleusposition durch ein anderes Segment besetzt sein muss. Das gilt auch für
wortinterne Kurzvokale wie bei fallen. Das Verzweigungsgebot und das bereits genannte
Onset-Gebot (11a) rechtfertigen die Annahme von ambisilbischen Konsonanten oder
Gelenkkonsonanten wie bei fallen. Vgl. die silbenstrukturelle Darstellung des Minimalpaares
fahlen - fallen:
23
(20) (a) [ω] (b) [ω]|¯¯¯¯¯¯¯| |¯¯¯¯¯¯¯|σ σ σ σ
|¯¯¯| |¯¯|¯¯| |¯¯¯| |¯¯|¯¯|O N O N K O N O N K| /\ | | | | /\ | | |C V C C V C C V C C V C| \/ | | | | | \/ | |
[f a l ´ n] [f a l ´ n]
Die zweite Silbe dieser Beispiele ist eine nicht betonbare Reduktionssilbe, die über einen
einfachen Nukleus verfügt. Gelenkkonsonanten stiften segmental diffuse Silbengrenzen und
könnten sich als Mediumspezifikum erweisen, da die phonetische Substanz der Lautsprache
keine diskreten Einheiten hat. In der Schriftsprache, die über diskrete Einheiten verfügt, gibt
es keine Gelenkkonsonanten.
Eine weitere Erscheinung, die der graduellen, kontinuierlichen Substanz der Lautsprache
entspricht, ist die Tatsache, dass Vokale mit geringerer Sonorität, also die hohen Vokale [u],
[y] oder [i], in gipfeladjazenten C-Positionen erscheinen können (vgl. Wiese 2000). Zum
einen finden wir sie in der nuklearen C-Position im Diphthong (vgl. bspw. die phonologische
Form von leiten, lauten oder läuten). Zum anderen kommen solche Vokale z. B. im Onset der
zweiten Silben von Ferien, Nation und graduell vor, wenn die Wörter zweisilbig ausge-
sprochen werden. (21) illustriert die zweisilbige Struktur von Nation:12
(21) [ω]|¯¯¯¯¯¯¯¯¯|σ σ
|¯¯¯| |¯¯¯¯|¯¯|O N O N K| /\ /\ /\ |C V C C C V C C| \/ /\ | \/ |
[n a t s i o n]
Solche Segmente werden von vielen Phonologen nicht als Vokale im engeren Sinn, sondern
als Glides klassifiziert (vgl. Ramers/Vater 1995, Ramers 1998a). Die Einführung dieses neuen
Segmenttyps erweist sich bei Berücksichtigung silbenstruktureller Gegebenheiten als
überflüssig, weil die konsonantenähnlichere Realisation dieser Vokale eine Folgeerscheinung
12 Dass nur der Vokal [o], nicht aber auch [a] lang artikuliert wird, liegt an der Tatsache, dass oberflächen-realisierte Vokallänge mit Betonung korreliert (vgl. Wiese 2000 und Becker 1996, der diese Korrelationaußerdem als grundlegend betrachtet und das Verzweigungsgebot auf Tonsilben einschränkt).
24
ihrer C-Position und der Sonoritätssequenzbeschränkung ist, der wir uns nun widmen. Vgl.
(22):
(22) Sonoritätssequenzbeschränkung: In einer phonologischen Silbe muss die Sonorität der
Segmente zur V-Position hin stetig zunehmen und von der V-Position weg stetig
abnehmen.
Diese Beschränkung erklärt u. a., dass Vokale nicht nur im Silbengipfel, d. h. in der V-
Position, sondern auch in einer benachbarten C-Position, d. h. in der Silbengipfelschale, vor-
kommen, hier aber nur, wenn sie weniger sonor sind als der Vokal im Silbengipfel.
Die Wirkung der Sonoritätssequenzbeschränkung zeigt sich auch darin, dass in (23) nur
die ersten beiden einsilbigen Formen akzeptabel sind (vgl. Vennemann 1982 für eine
eingehendere Diskussion):
(23) [trik], [hort], *[rtik], *[hotr]
Nur extrasilbische Elemente wie [št] oder [šp] in Stau und Spaten, die i. d. R. nur am Rande
phonologischer Wörter vorkommen, werden von dieser Beschränkung nicht erfasst (vgl.
Vennemann 1982, Wiese 2000).
Die Sonoritätssequenzbeschränkung setzt im Gegensatz zur mediumneutralen Prominenz-
beschränkung (5) bzw. (12) mehrgliedrige graduelle Prominanzabstufungen voraus. Auf eine
binäre Vokal-Konsonant-Skala angewandt, kann die Sonoritätssequenzbeschränkung die
soeben besprochenen Restriktionen im Deutschen nicht erfassen. Sie ist somit eine weitere
mediumspezifische Erscheinung, die sich aus dem kontinuierlichen, graduellen Charakter
phonetischer Ereignisse erklären lässt und weder in der Gebärdensprache noch im Schrift-
system eine exakte Entsprechung findet.
Die Relevanz gradueller Sonoritätsabstufungen zeigt sich auch bei der lautsprachlichen
Syllabierung. Die einschlägige Beschränkung ist (24):
(24) Syllabierungsbeschränkung: Bei einer lautsprachlichen internuklearen Konsonanz
beginnt der nächste Onset mit dem letzten Sonoritätsminimum.
(24) trifft über die Sonoritätssequenzbeschränkung (22) hinaus eine Differenzierung zwischen
Onset und Koda und verlangt das Sonoritätsminimum im Onset und nicht in der Koda. Aus
25
diesem Grund wird die Beschränkung auch als Onset-Maximierung bezeichnet. Die
Onsetcluster, die (24) verlangt, müssen natürlich anderen gleich- oder höherrangigen
Beschränkungen genügen. Eine einschlägige Beschränkung ist das Verzweigungsgebot für
Vollsilben, die die Besetzung der nuklearen C-Position verlangt (vgl. (16) oben) und
zusammen mit den Onsetgeboten (24) und (11a) eine Gelenkbildung erzwingt (vgl. (20b)
oben). Eine weitere intervenierende Beschränkung ist, dass die wortmedialen Onsetcluster
auch wortinitial zugelassen sein müssen (vgl. das Initialgesetz von Vennemann 1982). Die
Beispiele in (25a, b) befolgen alle intervenierenden Beschränkungen. Die Beispiele in (25c)
verletzen das Initialgesetz (wenn man Eigennamen wie Gmund sinnvollerweise außer
Betracht lässt). Im Falle eines solchen Regelkonflikts gibt es schwankende Intuitionen und
auch schwankende normative Festlegungen (vgl. Muthmann 1996: 487f.):
(25) a. [ma:$l´], [ty:$r´]
b. [vi:$driç], [e:$kliç], [duN$kl´]
c. [a:$dl´r], [ra:$dl´r], [re:$dn´r], [ma:$gma]
Ich fasse zusammen. Die grundlegende modalitätsneutrale Alternationsstruktur manifestiert
sich auch in der lautsprachlichen Silbe des Deutschen dadurch, dass die CV-Silbe die ideale
Konfiguration ist. Aufgrund der charakteristischen Substanz der Lautsprache - kontinuierliche
sich überlappende Schallereignisse bzw. feinmotorische Artikulationsvorgänge - können sehr
fein abgestufte Sonoritätsskalen an Relevanz gewinnen. Infolgedessen nehmen die laut-
sprachlichen Prominenzbeschränkungen auf solche Feinabstufungen Bezug und ergeben viel
differenziertere Restriktionen als in den anderen untersuchten Modalitäten. Aus der binären
CV-Alternation kann - wie am Beispiel der deutschen Lautsprache gezeigt - eine durch die
Sonoritätssequenzbeschränkung erfasste graduelle Alternation entstehen. Das sind modalitäts-
unabhängige wie allgemein lautsprachliche Merkmale, die sich in der deutschen Lautsprache
manifestieren. Mindestens fünf Erscheinungen des Deutschen demonstrieren die substanzielle
Charakteristik der lautsprachlichen Silbe. In der V-Position von Reduktionssilben erscheinen
nicht nur Vokale, sondern auch die sonorsten Konsonanten (Sonoranten). Ferner gibt es
Silbengrenzen mit Gelenkkonsonanten, die nicht genau segmentiert werden können, d. h. sich
segmental überlappen. Außerdem sind in C-Positionen nicht nur Konsonanten, sondern
weniger sonore, hohe Vokale zugelassen. Desweiteren gibt es in der Lautsprache eine
Sonoritätssequenzbeschränkung, die mehr als zwei Abstufungen zwischen den einzelnen
26
Skelettpositionen vornimmt. Schließlich nimmt die Zerlegung der Wörter in Silben auf den
graduellen Begriff des Sonoritätsminimums Bezug.
5. Die Silbe in der Schriftsprache
Die Rolle silbischer Einheiten in der Graphematik wurde in früheren Arbeiten auf die Wort-
trennung am Zeilenende beschränkt (vgl. Hofrichter 1980, 1989 unter der Bezeichnung
"graphisches Wortsegment"). In neueren Ansätzen wird die Rolle der Schreibsilbe als eigen-
ständige graphematische Einheit deutlicher herausgearbeitet (z. B. Eisenberg 1989, 1995,
Augst 1986, 1990, Butt/Eisenberg 1990, Prinz/Wiese 1991, Günther 1992, Maas 1995, 1997,
Ramers 1998b, Primus 2000, Sternefeld 2000). Die Ergebnisse dieser schriftsystembezogenen
Ansätze werden durch psycholinguistische Evidenz für eine suprasegmentale, sublexikalische
graphematische Einheit ergänzt (z. B. Caramazza/Miceli 1990, McCloskey et al. 1994,
Badecker 1996, Domahs et al. 2001, Will et al. 2001, Nottbusch/Weingarten 2001). Es gibt
aber auch neuere Ansätze, die die Relevanz der graphematischen Silbe im Besonderen und
graphematischer Einheiten im Allgemeinen (Graphem, Wort u. Ä.) weiterhin abstreiten (z. B.
Garbe 1985, Ossner 1996, 2001). Wie bereits in der Einleitung dieser Arbeit erwähnt, ist diese
Position zum einen systematisch und theoretisch durch ein derivationelles Modell des
Schriftsystems begründet. Zum anderen ist die Skepsis gegenüber der Schreibsilbe durch die
Schwierigkeiten bedingt, den Begriff zu präzisieren und somit den Weg für eine allgemeine
graphematische Silbentheorie frei zu machen. Um die Schließung dieser Forschungslücke
bemüht sich der vorliegende Abschnitt.
5.1 Die graphische Substanz der Alternationsstruktur
Zunächst soll die graphische Substanz der Silbe näher erläutert werden, um auf dieser
Grundlage die charakteristische Alternationsstruktur der schriftsprachlichen Silbe besser
erfassen zu können. Als Untersuchungsgegenstand dient das Allgemeine Moderne Römische
Alphabet und die zusätzlichen Buchstaben, derer sich das deutsche Schriftsystem bedient.
Viele der aufgestellten Hypothesen gelten auch für andere Sprachsysteme, aber das Beispiel-
material und einige Detailfragen betreffen ausschließlich das Deutsche. Außerdem wird
sowohl im Sinne der Ableitbarkeitshypothese als auch im Sinne der Korrespondenzhypothese
angenommen, dass im Deutschen die graphematische Silbe dieselbe Konstituenten- und
27
Skelettstruktur aufweist wie die phonologische Silbe (vgl. Primus 2000). Das führt zur
Annahme eines verzweigenden Nukleus auch in der Graphematik des Deutschen.
Alphabetische Schriftsprachen sind auf den hier zur Diskussion stehenden Ebenen analog
strukturiert wie Laut- und Gebärdensprachen. Es gibt kleinste lexikalisch distinktive, jedoch
nicht bedeutungstragende Einheiten, die nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten zu immer
größeren distinktiven, aber nicht bedeutungstragenden Einheiten miteinander kombiniert
werden, nämlich zu Buchstaben, Graphemen und Silben. Die kleinsten Einheiten des
Schriftsystems untersucht die Graphetik (vgl. Althaus 1980, Watt 1983, 1988, Brekle 1994),
die sich mit den kleinsten Buchstabenteilen und ihrer Kombinatorik beschäftigt. Allerdings
wurden solche Merkmale kaum hinsichtlich ihrer Funktion im Sprachsystem untersucht (vgl.
jedoch Naumann 1989 und Primus 2001). Die vorliegenden Überlegungen beziehen sich auf
rezeptionsorientierte, visuelle Merkmale, die im Gegensatz zu den produktionsorientierten
Merkmalen weniger Variationen unterliegen.13
Für die Silbe ist die Spatiumeinteilung der Kleinbuchstaben14 relevant. Die Buchstaben
und ihre distinktiven Teile werden auf der Grundlage vier übereinander liegender Spatien
bestimmt:
Jeder Großbuchstabe hat unabhängig von seiner internen Struktur eine gleiche Länge, die sich
auf die Spatien 2-4 erstreckt. Kleinbuchstaben unterscheiden sich systematisch in der Länge
von Großbuchstaben und sind in ihrer Länge variabel. Brekle (1994) hat nachgewiesen, dass
für die Buchstabenformen der westlichen Alphabetschriften (beginnend mit den Phönizi-
schen) die Ausformung einer geraden vertikalen Linie, die er Hasta und Watt (1983, 1988)
Vexillum nennt, charakteristisch ist. Besonders deutlich ist dieses Hasta- bzw. Vexillum-
prinzip in den modernen römischen Kleinbuchstabenalphabeten, unserem zentralen Unter-
suchungsgegenstand, manifest. Den buchstabendifferenzierenden Teil nennt Brekle Coda und
Watt Augment. Aufgrund der folgenden Beschränkung kann das Mittelspatium, das aus den
13 Watt (1983, 1988) und Günther (1988) betonen das Primat der rezeptionsbasierten Merkmale in Schrift-systemen. Wichtig für unsere Überlegungen zur graphematischen Silbe ist jedoch die Tatsache, dass sich dieseEinheit auch in der Schreibproduktion nachweisen lässt (vgl. Will et al. 2001, Nottbusch/Weingarten 2001).14 Das System der Kleinbuchstaben ist das grundlegende System, aus dem die Großschreibung (die Initial-großschreibung wie die durchgehende Großschreibung) durch Regeln abgeleitet werden kann (vgl. Gallmann1985, Günther 1988)
A B a b c p e
28
inneren Spatien 2 und 3 besteht, als Wahrnehmungszentrum der Buchstabenschrift aufgefasst
werden.
(26) Mittelspatiumbeschränkung: Die Kleinbuchstaben haben ihr buchstabendifferenzieren-
des Augment im Mittelspatium (Ausnahme "g" vs. "q"). Viele Kleinbuchstaben über-
schreiten das Mittelspatium nicht.
Hinsichtlich der Länge der Kleinbuchstaben wird folgende Festlegung getroffen:
(27) Kleinbuchstaben, die nur das Mittelspatium füllen, sind [-lang], solche, die es
überschreiten, sind [+lang].
Mit dem graphetischen Längenkontrast korreliert die graphematisch relevante Klassifizierung
der Segmente (Buchstaben und Grapheme) in V- und C-Segmente. (28) zeigt, dass native V-
Buchstaben im Gegensatz zu C-Buchstaben das Mittelspatium nie überschreiten dürfen:15
(28) V-Buchstaben [-lang]: a, e, i, o, u
C-Buchstaben [+lang]: b, d, f, g, h, j, k, l, p, q, ß, t
C-Buchstaben [-lang]: c, m, n, r, s, v, w, x, z
Die Buchstaben mit Trema, d. h. ä, ö, ü, sind komplexe Grapheme (vgl. Gallmann 1985).
Grapheme sind lexikalisch distinktive Buchstaben oder Buchstabencluster wie z. B. <ch> und
<sch> in <tauchen> bzw. <tauschen>, die silbenstrukturell eine unzerlegbare Einheit bilden
(vgl. Eisenberg 1985, Augst 1985). Die Klassifizierung in V und C gilt auch für Grapheme.
Komplexe Grapheme, die einen C-Buchstaben enthalten und somit das Mittelspatium
überschreiten dürfen, sind C-Grapheme (z. B. <qu>).
Die Unterscheidung zwischen V- und C-Graphemen spielt für die Zerlegung der Wörter in
Silben (Syllabierung) sowie für Silbenstrukturbeschränkungen eine wichtige Rolle. Die
Syllabierungsbeschränkung lautet (vgl. (41) unten), dass das letzte C-Graphem zwischen zwei
V-Graphemen bei der Worttrennung am Zeilende auf die nächste Zeile kommt (z. B. <be-
ten>, <ker-le>). Die Relevanz des Längenmerkmals für das Schriftsystem des Deutschen hat
15 Weil das graphische Längenmerkmal keine komplementäre Klasseneinteilung erlaubt, schafft nur eine exten-sionale Definition durch Aufzählung der betroffenen Einheiten Eindeutigkeit. Diese Unterscheidung ist trotz
29
Naumann (1989: 194f.) hervorgehoben. Naumanns Annahme ist, dass das lange Vexillum der
C-Grapheme bzw. C-Buchstaben als ikonisches Zeichen für einen wortinternen
phonologischen Onset, dem eine Schließbewegung der Artikulatoren entspricht, dient.
Folgende Tabelle veranschaulicht mehrere einschlägige Fälle:
Onset Nukleus Koda Onset Nukleus
langer Buchstabelautlicher Verschluss
kurzer Buchstabelautliche Öffnung
leer oder kurz langer Buchstabelautlicher Verschluss
kurzer Buchstabelautliche Öffnung
b e t e
k e r l e
t ö n e
k e n n e
f a l t e
f a h r e
Naumanns Hypothese der graphetischen Onsetvisualisierung ist empirisch nur partiell erfüllt.
Bei Wörtern wie <töne> oder <kenne> wird der Onset der zweiten Silbe visuell durch Länge
gar nicht angezeigt. Bei Wörtern wie <falte> wird er nicht eindeutig angezeigt. Bei Wörtern
wie <fahre> enthält fälschlicherweise die Koda der ersten Silbe und nicht der Onset der
zweiten Silbe die Länge. Die Probleme ergeben sich aus der Annahme Naumanns, dass es auf
das lange Vexillum der C-Buchstaben und den Silbenanfang ankommt. C-Buchstaben sind
jedoch in ihrer Länge unterschiedlich und außerdem kommen sie nicht nur im Onset vor. Aus
diesem Grund können sie den Silbenanfang durch Länge nicht immer eindeutig abbilden.
Hier wird dagegen die Auffassung vertreten, dass die visuelle Kennzeichnung des Silben-
gipfels zuverlässiger ist als die des Silbenanfangs. Folgende Beschränkung über den Silben-
gipfel gilt ausnahmslos:
(29) Der graphetische Silbengipfel darf das Mittelspatium nicht überschreiten. Nicht-native
Buchstaben / Grapheme (vgl. Lyrik, Physik) unterliegen dieser Beschränkung nicht.
Die Beschränkung gilt für Buchstaben und nicht für Diakritika (Trema, i-Punkt).
verfänglicher CV-Terminologie segmentaler und nicht silbenstruktureller Natur. In Ermangelung einer besserenTerminologie wird hier diese Mehrdeutigkeit in Kauf genommen.
30
Diese Beschränkung lässt sich aus der allgemeineren Prominenzbeschränkung erklären, dass
der Silbengipfel unabhängig vom Realisationsmedium (Laut-, Schrift- oder Gebärdensprache)
das Wahrnehmungszentrum der Silbe bildet und im optimalen Fall nur mit wahrnehmungs-
prominenten Elementen assoziiert wird (vgl. (5) oben). Mediumspezifisch ist die binäre
Prominenzskala:
(30) Prominenzskala für die deutsche Schriftsprache: V-Segment > C-Segment (Buchstabe
oder Graphem)
Diese binäre Segmentklassifizierung liegt in der substanziellen Charakteristik der Schrift-
sprache begründet (vgl. Günther 1983), die in (31) zusammengefasst wird:
(31) Das schriftsprachliche Medium weist diskrete Einheiten auf. Schriftsprachliche
Prominenzskalen sind binär und diskret. Sie determinieren eine binäre silbische
Alternationsstruktur ohne Übergangselemente zwischen C und V. Diese starke
Binaritäts- und Diskretheitshypothese gilt uneingeschränkt für das nativ-deutsche
Schriftsystem.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die graphische Substanz der Alternations-
struktur in der Spatiumeinteilung bzw. Länge der Kleinbuchstaben liegt. Im Silbengipfel wird
das Mittelspatium, das Wahrnehmungszentrum der untersuchten Alphabetschrift, nicht
überschritten, in den Silbenrändern wird es sehr oft (aber nicht immer) überschritten. Es
handelt sich um eine binäre Alternation, die zur allgemeinen Diskretheit graphischer
Elemente gut passt. Aus dieser medialen Charakteristik ergibt sich die auf das Schriftsystem
bezogene binäre Klassifizierung in V- und C-Grapheme, wobei erstere die prominenten
Segmente sind.
5.2 Silbenstrukturelle Beschränkungen des deutschen Schriftsystems
Die Prominenzbeschränkung des Schriftsystems nimmt nicht direkt auf das Mittelspatium
Bezug, sondern auf die zwei Buchstaben- bzw. Graphemklassen. V-Grapheme belegen nur
das Mittelspatium, C-Grapheme sind nicht auf das Mittelspatium beschränkt, so dass die ein-
zige graphembezogene Generalisierung, die die graphetische Beschränkung (29) ausnahmslos
erfüllen kann, folgende ist:
31
(32) Silbengipfel-Beschränkung in der deutschen Schriftsprache: Jeder graphematische
Silbengipfel (jede V-Position) ist mit einem V-Graphem assoziiert. Formal:
V !<V> <V> - V-Graphem, ! - Gebot
Aus (32) und der Binarität der graphematischen Prominenzskala folgt: Kein graphematischer
Silbengipfel ist mit einem C-Graphem assoziiert. (32) erfüllt die allgemeine Gipfel-Be-
schränkung (3), die die Besetzung des V-Gipfels fordert, sowie die allgemeine Prominenzbe-
schränkung (5a), die das Verbot der Gipfelfüllung mit einem nicht-prominenten Segment
(hier C-Graphem) über das Verbot der Gipfelfüllung mit einem prominenten Segment (hier
V-Graphem) stellt.
Wo zeigt sich (32) als eigenständige graphematische Beschränkung am deutlichsten? Es
gibt Wörter wie Atem, Eden und edel, deren Normalaussprache einen Konsonanten im Gipfel
der Reduktionssilbe enthält. Trotzdem können wir sie nicht so schreiben, wie wir sie
sprechen, weil dann ein C-Buchstabe im Silbengipfel erschiene. Vgl. (33):
(33) Konsonant im Gipfel einerReduktionssilbe (vgl. auch (13)):
Nur V-Graphem im Silbengipfel:
[a:tm#][e:dn#][e:dl!]
*<atm>
*<edn>
*<edl>
<atem>
<eden>
<edel>
Ein C-Graphem im Silbengipfel könnte wie bei <edl> lang ausfallen, was schon der graphe-
tischen Gipfelbeschränkung (29) widerspräche. Vgl. die graphetische Analyse der zwei
Optionen für die Verschriftung der Reduktionssilbe von [e:dl !] in (34):
(34)
*
Onset Gipfel Onset Gipfel Koda
d l d e l
32
Eine weitere, zugegebenermaßen periphere Evidenz für die schriftsprachliche Eigenständig-
keit der Beschränkungen (29) und (32) sind phonologisch zweisilbige Formen, die standard-
sprachlich aus dem Bairischen entlehnt sind wie z. B. Dirndl oder Stubn. Sie werden zwei-
silbig ohne Schwa ausgesprochen und ohne <e> geschrieben. Die Absenz dieses zweiten V-
Graphems bedingt die graphematische Einsilbigkeit dieser Formen: sie dürfen am Zeilende
nicht getrennt werden.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass die graphematische Prominenzbeschränkung
für Silbengipfel nie verletzt wird, und zwar auch dann nicht, wenn die Normalaussprache
eines Wortes eine Verletzung legitimieren würde.
Die schriftsprachliche Entsprechung der Prominenzbeschränkung für Silbenränder ist im
Deutschen folgende:
(35) Prominenzbeschränkung für Silbenränder in der deutschen Schriftsprache: Kein
graphematischer Silbenrand ist mit einem V-Graphem assoziiert. Formal:
CO/K
<V>
(35) ergibt sich von selbst aus der binären Prominenzskala, dem Alternationsgebot und der
Silbengipfelbeschränkung. Dass diese graphematische Beschränkung nicht aus der
Lautsprache abgeleitet werden kann, zeigt sich in Fällen, in denen phonologisch ein hoher
Vokal im Onset erscheinen kann, wie bei der zweisilbigen Aussprache von Nation, Ferien
oder graduell. Vgl. die phonologische Repräsentation in (21) oben, der (36) am ehesten
entspräche:
(36) <ω>|¯¯¯¯¯¯¯¯¯|σ σ
|¯¯¯| |¯¯¯¯|¯¯|O N O N K| /\ /\ /\ |C V C C C V C C| \/ | | \/ |
*<n a t i o n>
33
Aber nicht (36), sondern (37), wo alle V-Grapheme im Nukleus erscheinen, garantiert, dass
<nati-on> am Zeilenende getrennt werden darf.16
(37) <ω>|¯¯¯¯¯¯|¯¯¯¯¯¯¯|σ σ σ
|¯¯¯| |¯¯¯| |¯¯¯|O N O N N K| /\ | /\ /\ |C V C C V C V C C| \/ | \/ \/ |
<n a t i o n>
Formen mit <qu> im Onset wie <quelle> oder <quark> verletzen die Randbeschränkung
nicht, wenn man <qu> wie üblich als C-Graphem klassifiziert und außerdem annimmt, dass
die segmentalen Silbenstrukturbeschränkungen - wie hier geschehen - graphembezogen zu
formulieren sind. Verletzungen von (35) findet man nur bei einigen wenigen Fremdwörtern,
darunter einigen Eigennamen mit <i> im Onset, z. B. Ion, ionisch, Iokaste, Iolanthe, Iota, Iod,
Maia (röm. Göttin). Diese Formen unterliegen einer deutlich erkennbaren Eindeutschungs-
tendenz im Sinne der Beschränkung (35), wie bspw. Jota, Jod, Maja, Aja ("Erzieherin" von
ital. aia) demonstrieren.
Die Prominenzbeschränkungen für graphematische Silbengipfel und Silbenränder sind
Spezialfälle der modalitätsneutralen Beschränkungen (5a, b). Substanzspezifisch ist die
Prominenzskala, in der kurze V-Einheiten, die nur das Mittelspatium füllen, prominenter sind
als C-Einheiten, die in ihrer Länge variieren. Außerdem ist die Binarität dieser Skala
charakteristisch für unsere Alphabetschrift. Aufgrund dieser substanziellen Charakteristik ist
eine graphematische Entsprechung der lautsprachlichen Sonoritätssequenzbeschränkung (vgl.
(22) oben), die feinere Prominenzabstufungen zwischen den einzelnen Skelettpositionen
fordert, nicht nachzuweisen. Nicht nur die bisherigen Beobachtungen, sondern auch die Daten
in (38) weisen darauf hin:
(38) a. <schön>, <mai-sche>, <che-mie>, <ro-chen>
b. <ihm>, <rohr>
c. <saal>, <moor>, <fee>
16 Dass bei Familie die Worttrennung <famili-e> nicht vorgenommen wird, liegt daran, dass ein einzelnerBuchstabe am Zeilenende nicht mehr Platz in Anspruch nimmt als der Trennungsstrich und dass ein einzelnerBuchstabe mit Trennungsstrich mehr Platz benötigt als ohne.
34
In (38a) steigt die graphematische Prominenz (d. h. graphetische Kürze) wegen des
Buchstabens h zum Silbengipfel hin nicht stetig an. Unter der Annahme, dass
Prominenzbeschränkungen nicht auf die Buchstaben innerhalb eines Graphems greifen,
erweist sich diese Gruppe von Beispielen allerdings als nicht einschlägig. Die Beispiele in
(38b), in denen die graphematische Prominenz wegen des Buchstabens h vom Silbengipfel
weg nicht stetig abfällt, kann man jedoch nicht auf diese Weise wegerklären. Die Fälle in
(38c), für die angenommen wird (vgl. Primus 2000), dass der V-Dehnungsbuchstabe die
nukleare C-Position besetzt, zeigen, dass gar kein Prominenzabfall von der V-Position zur
nächsten C-Position stattfindet.
Eine weitere unterschiedliche Silbenstrukturerscheinung betrifft die oben eingeführten
Gelenkkonsonanten, die die deutsche Lautsprache charakterisieren. In der Graphematik sind
segmental überlappende Silbengrenzen nicht zu erwarten, und tatsächlich kommen
Silbengelenke hier nicht vor, worauf Peter Eisenberg in mehreren eingangs erwähnten
Arbeiten hingewiesen hat:
(39) Es gibt keine graphematischen Silbengelenke in der deutschen Schriftsprache.
(40) illustriert die diesbezüglichen Unterschiede zwischen der Laut- und Schriftsprache des
Deutschen:
(40) a. [ω] b. <ω>|¯¯¯¯¯¯¯| |¯¯¯¯¯¯¯|σ σ σ σ
|¯¯¯| |¯¯|¯¯| |¯¯¯| |¯¯|¯¯|O N O N K O N O N K| /\ | | | | /\ | | |C V C C V C C V C C V C| | \/ | | | | | | | |
[f a l ´ n] <f a l l e n>
Fremdwörter wie City oder Limit weisen eine phonologische Gelenkbildung auf, die in der
graphematischen Form nicht sichtbar markiert ist. Natürlich könnte man analog zur Phono-
logie auch in der Graphematik in solchen Fällen ein Silbengelenk ansetzen. Diese graphema-
tische Analyse wäre jedoch aufgrund der segmental distinkten Syllabierung <ci-ty> bzw. <li-
mit> unplausibel.
Eine weitere Beschränkung, die für den Unterschied in der Organisation der phonologi-
schen und graphematischen Silbe sehr aufschlussreich ist, betrifft die Syllabierung. Zunächst
35
sei vermerkt, dass weder in der Phonologie noch in der Graphematik die wortinternen Silben-
grenzen hörbar oder sichtbar gemacht werden müssen. In der Schriftsprache syllabiert man
graphisch sichtbar nur bei der Worttrennung am Zeilenende. Die einschlägige Syllabierungs-
beschränkung, die in der graphematischen Forschung und in normativen Orthographien in
empirisch äquivalenter Formulierung mehrheitlich angenommen wird, ist folgende:
(41) Syllabierungsbeschränkung: Bei internuklearen C-Graphemen beginnt der nächste
Onset mit dem letzten C-Graphem.
Dass die schriftbasierte Beschränkung graphembezogen formuliert werden muss, zeigt die
Nichttrennbarkeit der Grapheme <sch> und <ch> in rascheln und Rachen. Auch die kom-
plexen Fremdgrapheme <ph>, <th> oder <rh> wie in Graphem, Äther oder Myrrhe sind nicht
zerlegbar. Die lautbasierte Syllabierungsbeschränkung (vgl. (24) oben) sei hier kurz in
Erinnerung gerufen: Bei internuklearen Konsonanten beginnt der nächste Onset mit dem
letzten Sonoritätsminimum. Auch hier zeigen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede
zwischen Laut- und Schriftsprache sehr deutlich. Beide Beschränkungen führen zur Vermei-
dung von VC-Silben zugunsten von CV-Silben (zur so genannten Onsetmaximierung). Die
Unterschiede sind substanzbedingt und resultieren aus der graduellen Sonoritätsskala der
Lautsprache und der binären Prominenzskala der Schriftsprache.
Der Unterschied zwischen der phonologischen und graphematischen Syllabierung tritt
nicht in Erscheinung, wenn dem letzten bzw. einzigen internuklearen C-Graphem phono-
logisch das letzte internukleare Sonoritätsminimum entspricht. Vgl. (42):
(42) <a-ber>, <tü-re>, <be-ten>
<hir-te>, <hir-se>, <bal-gen>, <hol-men>, <tun-ken>, <am-pel>
Einschlägig für den Unterschied zwischen phonologischer und graphematischer Syllabierung
sind Fälle, in denen dem letzten internuklearen Sonoritätsminimum nicht das letzte inter-
nukleare C-Graphem entspricht, vgl. (43):
(43) [vi:$driç], [duN$kl´], [kem$pf´]
*<wi-drig>, *<dun-kle>, *<käm-pfe>
<wid-rig>, <dunk-le>, <kämp-fe>
36
Unterschiede ergeben sich auch aus der Existenz der oben besprochenen phonologischen
Silbengelenke. Eine phonologische Silbengrenze kann im Gegensatz zu einer
graphematischen Silbengrenze in einem Segment liegen (was hier einfachheitshalber linear
durch Unterstreichung notiert wird):
(44) [rat´], [kem´n], [siti], [limit]
<rat-te>, <käm-men>
<ci-ty>, <li-mit>
Die Domäne der Syllabierung ist eine Einheit, die gegebenenfalls kleiner ist als das syntak-
tische Wort. In der Phonologie ist der phonologische Wortbegriff (Abk. ω) relevant, wobei
Stämme, Präfixe und Suffixe mit anlautendem Konsonanten als phonologische Wörter zählen.
Die einschlägige Korrespondenzbeschränkung, die die lautsprachliche und graphematische
Syllabierungsbeschränkung dominiert, ist folgende:
(45) Jeder ω-Grenze entspricht eine Silbengrenze (aber nicht notwendigerweise auch um-
gekehrt).
Die folgenden Syllabierungen, die die graphematische Syllabierungsbeschränkung verletzen,
demonstrieren die Wirkung der Korrespondenzbeschränkung: <stand-ort>, <ab-ernten>, <an-
ekeln>.
Die graphematische Syllabierung wird nach Meinung vieler (vgl. Duden 1991, 1996) auch
bzw. in erster Linie durch die phonologische Syllabierungsbeschränkung bestimmt. Gemäß
dieser Auffassung fände bei der graphematischen Syllabierung eine Konkurrenz der Be-
schränkungen statt, die man mit den Methoden der Optimalitätstheorie (OT) genauer fassen
kann. Die OT geht von den folgenden Hypothesen aus (vgl. Prince/Smolensky 1993), die
auch in diesem Beitrag angenommen werden:
- Allgemeine (insbes. universelle) Beschränkungen sind verletzbar.
- Beschränkungen sind in einer sprachspezifischen Dominanzhierarchie geordnet.
- Was grammatisch bzw. korrekt oder akzeptabel ist oder nicht, wird aus der Menge aller
möglichen Kandidaten durch die Dominanzhierarchie der Beschränkungen determiniert.
Derjenige Kandidat gewinnt und ist somit grammatisch, der relativ zu den anderen Kandi-
daten die wenigsten Verletzungen hinsichtlich der dominantesten einschlägigen Beschrän-
kung aufweist. Dies erklärt, warum auch verletzbare Beschränkungen im Allgemeinen genau
37
einen grammatisch korrekten Output haben. Für die Etablierung des optimalen Kandidaten
wurde ein Überprüfungsverfahren entwickelt, das die möglichen Kandidaten in einem
Tableau in der ersten Spalte aufreiht und spaltenweise die einschlägigen Beschränkungen von
links nach rechts gemäß ihrer Dominanzhierarchie anwendet.
In den folgenden Tableaus werden einige relevante Kandidaten (Syllabierungen eines
Inputs ohne Silbengrenze) evaluiert. Dabei kommt gemäß der Hypothese der normativen
Orthographie zunächst die phonologische Beschränkung und erst dann die graphematische
zum Zuge. Der gemäß dieser Dominanzhierarchie optimale Kandidat wird wie üblich in der
OT mit dem Handsymbol angezeigt, ein Kandidat, der eine Beschränkung verletzt, erhält ein
Sternsymbol. Eine orthographische Normverletzung wird durch ein Doppelkreuz markiert.
Tableau 1
EVAL <aber>
phonologische Beschränkung
(24)
graphematische Beschränkung
(41)
1. #<ab-er> *! *
2. !<a-ber>
Der Kandidat <ab-er> unterliegt schon aufgrund der phonologischen Beschränkung einer
fatalen Verletzung (*!), die zu seiner sofortigen Elimination aus dem Wettbewerb führt. Eine
Verletzung ist für einen Kandidaten fatal genau dann, wenn es weitere Kandidaten im
Wettbewerb gibt, die weder eine höherrangige noch die betreffende Beschränkung verletzen.
Bei einer fatalen Verletzung ist es unerheblich, ob der betreffende Kandidat weitere weniger
dominante Beschränkungen verletzt (s. Schraffierung). Diese Evaluation illustriert den Fall, in
dem die graphematische und die phonologische Beschränkung nicht miteinander konkurrieren
(vgl. auch (42) oben). Erst die nächste Evaluation, bei der die beiden Beschränkungen
miteinander konkurrieren (vgl. auch (43) oben) demonstriert, dass die Dominanzannahme der
normativen Orthographien nicht stimmen kann, weil man inkonsistente Ergebnisse (!#)
erzielt:
Tableau 2
EVAL <widrig>
phonologische Beschränkung
(24)
graphematische Beschränkung
(41)
1. <wid-rig> *!
2. !#<wi-drig> *
38
Wenn die graphematische Beschränkung die phonologische dominiert, erhält man konsistente
Ergebnisse:
Tableau 3
EVAL <aber>
graphematische Beschränkung
(41)
phonologische Beschränkung
(24)
1. #<ab-er> *! *
2. !<a-ber>
Tableau 4
EVAL <widrig>
graphematische Beschränkung
(41)
phonologische Beschränkung
(24)
1. !<wid-rig> *
2. #<wi-drig> *!
Dieses Ergebnis schürt den Verdacht, dass die phonologische Syllabierung für die Graphe-
matik irrelevant ist (vgl. Günther 1992). Es könnte sich allerdings zeigen, dass die
phonologische Syllabierung in der Graphematik benötigt wird, wenn die graphematische
Syllabierungsbeschränkung nicht greift.17 Das sind Fälle, in denen eine V-Graphemfolge kein
dazwischen liegendes C-Graphem aufweist. In solchen Fällen ist die graphematische
Syllabierung mehrdeutig. Die folgende Zusammenstellung fasst graphematisch mehrdeutige
Fälle zusammen und liefert Belege für die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten:
<ai> a. Mai, Sai-te
b. A-i-da, A-ï-da
<ei> a. rei-ten, berei-ten, nei-den
b. re-i-terieren, Nere-i-de, Ne-re-ï-de
<ie> a. Tier
b. Ti-er von engl. "Schicht, Ebene"
<eu> a. Heu, Eu-ro
b. de-us
<eie> a. rei-ern, fei-ern
b. kre-ieren
17 Es gibt auch den umgekehrten Fall, in welchem die phonologische Beschränkung nicht greift, vgl. z. B. <ru-he>, <wei-he>, weil in der Lautsprache keine internukleare Konsonanz vorliegt (vgl. jedoch Ossner 1996, 2001,der hier ein /h/ in der zugrunde liegenden phonologischen Repräsentation postuliert).
39
<oo> a. Zoo
b. zo-o in zootechnisch u. Ä.
<ee> a. scheel
b. re-ell
V-Buchstabenfolgen wie z. B. <ue> in Duell und <aue> in klauen und Frauen sind eindeutig,
weil <ue> keine Diphthonglesart hat. Eine Syllabierung mit einem zweifachen Hiat für <aue>
kommt ebenfalls nicht in Frage.
Man braucht für solche Fälle den Zugriff auf den Lexikoneintrag der entsprechenden Ein-
heiten. Denn auch die phonologische Silbentrennung ist in diesen Fällen nicht aus der ein-
schlägigen Beschränkung (24) ableitbar. Damit liefern diese Beispiele keinen Beweis, dass
ihre graphematische Silbentrennung einer regelgeleiteten phonologischen Syllabierung unter-
liegt. Mit Günther (1992) sollte man sich darüber hinaus die Frage stellen, ob es notwendiger-
weise die phonologische Teilkomponente der Lexikoneinträge ist, auf die beim graphemati-
schen Syllabieren zugegriffen wird. Dies setzt einen notwendig indirekten, über phonolo-
gisches Rekodieren vermittelten Lexikonzugriff voraus. Leseexperimente und Dyslexien
belegen jedoch, dass der indirekte Zugriff nicht immer stattfindet (vgl. Günther 1988, de
Bleser 1991). Aus diesem Grund sollte man Günthers Vorschlag folgen und annehmen, dass
die graphematische Lexikonkomponente die Syllabierungsinformation selbst liefert. Die Ver-
wendung des Tremas für die rein graphematische Lösung von Syllabierungsambiguitäten wie
in Aïda und Nereïde zeigt, dass dies ein plausibler Vorschlag ist.
Die bisher besprochene einfache Syllabierungsbeschränkung (41) wird durch zusätzliche
Normen ergänzt. So galt bis zur Neuregelung der deutschen Orthographie (vgl. Duden 1991)
ein Verbot der Abtrennung einzelner Buchstaben wie z. B. *<a-ber>, das aufgehoben wurde
(vgl. Duden 1996). Weiterhin bestand ein inzwischen aufgehobenes Verbot, die Graphem-
folge <st> wie in <has-ten> zu trennen. Dafür hat die Neuregelung die Untrennbarkeit der
Graphemfolge <ck> eingeführt, so dass *<bak-ken> nicht mehr normkonform ist. Auch für
Fremdwörter gelten Sonderregelungen. Man trennt in Fremdwörtern im Allgemeinen nicht
die Buchstabenfolgen, die einem Plosiv, nämlich [p, t, k, b, d, g], und einem Liquid, nämlich
[l, r], entsprechen, sowie <chth>, <gn> und <kn>. Dadurch ergaben sich bis zur Neuregelung
als einzige Trennmöglichkeiten <ta-blett>, <hy-drant>, <ere-chtheion> und <ma-gnet>. Die
Neuregelung wandelte dieses strikte Verbot in ein verletzbares um, womit sich eine zweite
Trennungsmöglichkeit nach der graphematischen Syllabierungsbeschränkung (41) ergibt,
nämlich <tab-lett>, <hyd-rant>, <erech-theion> und <mag-net>.
40
In den bisherigen Betrachtungen zur Schreibsilbe wurde die nukleare C-Skelettposition
der graphematischen Vollsilbe vernachlässigt. Wie bereits erwähnt, gibt es in der deutschen
Lautsprache Evidenz, dass diese Position in Vollsilben einer erweiterten Nukleuskonstituente
zuzuschlagen ist. Der besondere Status dieser Skelettposition zeigt sich auch in der Graphe-
matik, allerdings in einer genuin graphematischen, von der Lautsprache unabhängigen Art
und Weise. Es ist die einzige Position, in der sowohl V- als auch C-Grapheme vorkommen,
wie z. B. die Minimalpaare <maat> - <matt>, <saat> - <satt> und <stiel> - <still> demonstrie-
ren. Außerdem gilt für sie folgende Komplexitätsbeschränkung:
(46) *Komplex-CN: In der nuklearen C-Position der Schreibsilbe ist ein komplexes
Graphem ausgeschlossen.
Komplexe Grapheme sind nicht nur <sch> oder <ch> wie in waschen oder lachen, sondern
auch Buchstaben mit Trema wie <ä> oder <ü>. Dass Buchstaben mit Trema ein komplexes
Graphem bilden, wird unten näher begründet. Aus (46) und der Annahme, dass das erste
Element einer C-Geminate, ein V-Dehnungsbuchstabe und der zweite Bestandteil eines
Diphthongs in der nuklearen C-Position platziert sind (vgl. Primus 2000), ergeben sich fol-
gende Spezialverbote für die nukleare C-Position sowie eine einheitliche Funktion des
Tremas von selbst:
i) V-Buchstaben mit Trema werden nicht verdoppelt;
ii) Der Umlautdiphthong wird <äu> statt *<aü> verschriftet;
iii) Das Trema kennzeichnet die nukleare V-Position;
iv) Komplexe Grapheme werden nicht geminiert;
Als erstes verbietet die Komplexitätsbeschränkung Geminata bzw. Dehnungsbuchstaben mit
Trema wie in *Sääle, *Häärchen oder *Böötchen.
Der zweite Spezialfall zeigt sich bei der Schreibung der Diphthonge. Die Lautsprache des
Deutschen verfügt über die drei Diphthonge /au/, /ai/ und /ay/, vgl. lauten, leiten und läuten.
Alternative oberflächenorientierte Notationen sind [ao], [ae] und [oy] oder [oø].18 Die
Variation bei der phonetischen Transkription der Diphthonge deckt schon ein erstes
phonologisches Problem auf. Die Aussprache des zweiten Bestandteils erreicht nicht das vom
Sprecher intendierte artikulatorische Ziel (vgl. Vennemann 1982: 275, Wiese 2000: 159), ein
18 In den Interjektionen hui und pfui kommt auch der Diphthong [ui] vor, den ich aber im Folgenden ver-nachlässige, weil seine Schreibung aus der phonologischen Form direkt ableitbar ist. Außerdem befolgt seinzweiter Bestandteil die einschlägigen Beschränkungen (46) und (50).
41
für Diphthonge typisches Merkmal. Phonologisch ist jedoch davon auszugehen, dass die drei
Diphthonge den Höhenkontrast maximal ausschöpfen, vgl. folgendes Schema:
(47) VN CN | |
u a i
y [+tief] [+hoch] [-hoch] [-tief]
Die C-Position wird in einer linearen (d. h. nicht-strukturellen) Notation mittels eines diakri-
tischen Zeichens angegeben wie z. B. in [au$] oder [ai8]. Da die Korrespondenz zwischen
Lautsprache und Graphematik in der Regel durch zugrunde liegende phonologische Formen
determiniert ist (vgl. z. B. Prinz/Wiese 1990), sind oberflächenphonologische
Diphthongvarianten für die Verschriftung irrelevant.
Die Schreibung der lautsprachlichen Diphthonge ist innergraphematisch betrachtet sehr
systematisch (vgl. Eisenberg 1995: 66), was hier in der Distributionsbeschränkung (48)
zusammengefasst wird:
(48) VN CN | |<e> <i><a> <u><ä>
Alle vier möglichen Kombinationen mit <a> und <e>, nämlich <ei>, <eu>, <ai> und <au>,
werden ausgenützt und sonst gar keine (vgl. leiten, Leute, Saite, Seite und lauten). Der
Diphthongbestandteil <ä> ist morphologisch-paradigmatisch bedingt und lässt sich nur mit
<u> kombinieren, vgl. läuten (wegen laut und lauten).
Der Schreibdiphthong <äu> ist hier von besonderem Interesse. Die Behandlung des
Diphthongs /ay/ weicht von älteren Auffassungen ab und richtet sich nach Wiese (2000:
159f.). Hinsichtlich des ersten Bestandteils liefert Wiese mehrere Argumente für zugrunde
liegendes /a/ und gegen die traditionellere Annahme von [o]. Die Folge [oy] würde zwei
runde Vokale im Nukleus zusammenfügen, eine Vokalfolge, die es im Deutschen generell
nicht gibt, d. h. auch im morpheminternen Hiat nicht (vgl. jedoch Duo und Myom sowie zoo-
in zootechnisch). Der zweite Bestandteil ist hier bedeutsamer. Wie schon Kloeke (1982: 17)
42
mit unabhängigen Argumenten belegt, kann die Umlautung (vgl. Baum - Bäume) nur den
zweiten Bestandteil betreffen, also [u] zu [y]. Die Umlautung von [a] ergibt nämlich nicht [o],
sondern [e], vgl. ich falle - du fällst. Aufgrund dieser Umlautbeschränkung müsste der
Diphthong als <aü> verschriftet werden. Entgegen der lautsprachlichen Vorgabe und gemäß
der Komplexitätsbeschränkung für die nukleare C-Position wird graphematisch nur der erste
Bestandteil umgelautet <äu> (vgl. auch <eu>). Übrigens belegt auch dieser Fall, was wir
schon von der Syllabierung wissen: phonologisch basierte Korrespondenzbeschränkungen
können innergraphematischen Beschränkungen im Wettbewerb unterliegen.
Die eingehendere Besprechung der Diphthonge lohnt sich, weil sie für eine weitere
Beschränkung der nuklearen C-Position einschlägig ist. Zunächst muss festgehalten werden,
dass die Klasse der Schreibdiphthonge größer ist, als die Korrespondenz zur Lautsprache
vorgibt. Die allgemeinste Auffassung ergibt sich aus der Definition (49):
(49) Ein Schreibdiphthong besteht aus zwei V-Graphemen im Nukleus derselben Silbe,
wobei das erste Graphem die V-Position und das zweite V-Graphem die C-Position
einnimmt.
Diese Definition ergibt im Deutschen 9 Schreibdiphthonge, wobei Eigennamen und
Fremdgraphien nicht berücksichtigt wurden:
<aa>, <ee>, <oo>, <ie>, <ei>, <ai>, <au>, <eu>, <äu>
Diese Auffassung erlaubt, die Dehnungsgraphie <ie> wie in viel oder Tier als Graphemfolge
(und nicht wie üblich als komplexes Graphem) zu behandeln und somit das Grapheminventar
des Deutschen zu vereinfachen. Die Nichttrennbarkeit dieser Einheit sowie aller Schreib-
diphthonge ergibt sich von selbst dadurch, dass ihre Bestandteile im Nukleus derselben Silbe
platziert sind. Die folgende Beschränkung regelt die lautsprachliche Funktion der
Schreibdiphthonge:
(50) V-Komplementarität in CN: Phonologisch nicht-korrespondierende (<a, e, o>) und
phonologisch korrespondierende V-Grapheme (<i, u>) sind in der nuklearen C-
Position komplementär verteilt.
Diese Beschränkung determiniert, dass den 5 Schreibdiphthongen <ei>, <ai>, <au>, <eu>,
43
<äu> und nur diesen Lautdiphthonge entsprechen. Aus (50) folgt, dass nur <a>, <o> und <e>
als stumme V-Dehnungszeichen fungieren. Sie sind an den Schreibdiphthongen <aa>, <ee>,
<oo> und <ie> beteiligt. Eine weitere wichtige Funktion der Komplementaritätsbeschränkung
ist, dass sie erlaubt, die verschiedenen lautsprachlichen Funktionen von <a>, <o> und <e>
ohne Annahme einer Homographie zu erfassen. In der graphematischen V-Position sind diese
Grapheme phonologisch korrespondierend, <a> und <o> sogar eineindeutig (vgl. Primus
2000). In der nuklearen C-Position der Schreibsilbe sind sie stumm. In beiden Positionen
erscheint jeweils dasselbe Graphem <a>, <o> bzw. <e>.
Wenden wir uns nun dem dritten Spezialfall des Komplexitätsverbots für CN, der grund-
legenden Funktion des Tremas, zu. Das Trema gehört wie der i-Punkt zu den V-Diakritika,
d. h. zu den graphematischen Elementen, die selbst keine Buchstaben sind und vertikal über
oder unter Buchstaben angeordnet sind. Im Gegensatz zum i-Punkt ist das Trema selbst
distinktiv (vgl. falle - fälle, wurde - würde, schon - schön). Ein V-Buchstabe mit Trema wird
daher als komplexes Graphem behandelt (vgl. auch Gallmann 1985). Diese Behandlung ist
schon aus Ökonomiegründen vorzuziehen, weil es das Buchstabeninventar des Deutschen
reduziert. Wie wir bereits wissen, sind V-Grapheme im Silbenrand ausgeschlossen. Damit
kann auch das Trema nicht im Silbenrand erscheinen, so dass nur die beiden Nukleus-
positionen in Frage kommen. Aus dieser Annahme sowie aus dem Komplexitätsverbot für CN
ergibt sich als Korrolar, dass das Trema nur in der nuklearen V-Position der Schreibsilbe
vorkommt. Seine grundlegende Funktion ist daher die Kennzeichnung der nuklearen V-
Position. Dass seine Funktion nicht auf die Umlautschreibung begrenzt ist, zeigt sich
insbesondere im Diphthong <äu>, wo - wie bereits erwähnt - die lautsprachliche Umlautform
zu <aü> führen würde. Außerdem wird die grundlegende Funktion durch Schreibungen wie
Aïda oder Nereïde belegt, in der gar keine lautsprachliche Umlautung, aber eine mehrdeutige
Syllabierung vorliegt, die das Trema auflöst.
Der vierte Spezialfall der Komplexitätsbeschränkung für CN ist das Verbot der C-
Gemination komplexer Grapheme, vgl. *waschschen - waschen, *lachchen - lachen. Es
erfasst auch nicht-native komplexe Grapheme, vgl. *Myrhrhe - Myrrhe. Dieses Verbot wurde
in der bisherigen Forschung vielerorts in dieser oder einer ähnlichen, empirisch gleich-
wertigen Formulierung als eigenständige Beschränkung behandelt. Die Voraussetzung für die
Behandlung dieses Verbots als Spezialfall der allgemeineren Komplexitätsbeschränkung sind
silbenstrukturelle graphematische Repräsentationen, die in der bisherigen Forschung nicht
selbstverständlich sind. Außerdem muss angenommen werden, dass das erste Element einer
C-Geminate, ein V-Dehnungsbuchstabe und der zweite Bestandteil eines Diphthongs in
44
derselben Skelettposition platziert sind. Ob diese Position dem Nukleus im weiteren Sinn
zugeschlagen wird oder nicht, ist eine davon unabhängige Entscheidung.
Diese Entscheidung wird hier für die Graphematik mit dem besonderen Status dieser
Position begründet, die schon in der Komplexitätsbeschränkung zu Tage tritt. Ihr Sonderstatus
manifestiert sich darin, dass sie die einzige silbenstrukturelle Position ist, in der sowohl V-
Grapheme als auch C-Grapheme zugelassen sind. Sonst sind V- und C-Grapheme silben-
strukturell eindeutig verteilt. Außerdem handelt es sich um eine Position, für die Korrespon-
denzbeschränkungen zur Lautsprache nicht greifen. Hier kommen lautsprachlich nicht
realisierte V-Dehnungsbuchstaben und stumme erste Bestandteile von C-Geminaten vor. Dass
der erste Bestandteil einer C-Geminate im Gegensatz zum zweiten Bestandteil nicht den
einschlägigen Korrespondenzbeschränkungen unterliegt, belegen auch die Sonderfälle <ck>,
<tz> und <dt> wie in backen, hetzen und Städte. Die Korrespondenz einer C-Geminate zur
phonologischen Form wird nur durch das zweite Element bestimmt, das entweder, wie soeben
belegt, im Onset der nächsten Silbe oder in der Koda wie in back, Hatz oder Stadt platziert ist.
Für die laufende Argumentation ist die lautsprachliche Entsprechung der graphematischen C-
Gemination, nämlich die Kennzeichnung eines vorangehenden betonten Kurzvokals oder
einer lautsprachlichen Gelenkbildung, die in der Forschung recht hitzig debattiert wird (vgl.
Ramers 1999, Eisenberg 1999), nicht unmittelbar von Interesse.
Das Komplexitätsverbot für die die nukleare C-Position konkurriert mit der graphema-
tischen Entsprechung des lautsprachlichen Verzweigungsgebots für diese Position in
Vollsilben (vgl. Ramers 1998b, Primus 2000). Es wird in (51) formuliert:
(51) Graphematisches Verzweigungsgebot im Deutschen: Der Nukleus einer Vollsilbe hat
zwei Skelettpositionen, die segmental assoziiert sein müssen.
(51) erzwingt für den Lexikoneintrag von Tag und Tage die silbenstrukturelle graphematische
Repräsentation in (52a), die perfekt mit der zugrunde liegenden lautsprachlichen Repräsen-
tation in (52b) korrespondiert:
(52) a. <σ> b. /σ/|¯¯¯|¯¯¯| |¯¯¯|¯¯¯|O N K O N K| /\ | | /\ |C V C C C V C C| \/ | | \/ |
<t a g> /t a g/
45
Die lautsprachliche Realisierung von /ta:g/ als [ta:k] wird durch die Auslautverhärtung
geregelt. Wie bereits bei den Diphthongen erwähnt, nehmen Korrespondenzbeschränkungen
des Schriftsystems im Allgemeinen auf zugrunde liegende phonologische Repräsentationen
Bezug, so dass diese Realisationsform für die Verschriftung irrelevant ist. Für Formen mit
einfachem Kurzvokal erzwingt das Verzweigungsgebot, dass das nachfolgende C-Graphem
mit der nuklearen C-Position assoziiert wird, wie z. B. in wirr und wird.
Der Konkurrenzfall zwischen Komplexitätsverbot und Verzweigungsgebot tritt in Fällen
wie Bach, lachen, rasch oder waschen ein. Da der Nukleusvokal der Vollsilbe in der
Lautsprache kurz ist, darf der entsprechende V-Buchstabe nicht in der nuklearen C-Position
erscheinen. Diese Position muss wegen des Verzweigungsgebots allerdings besetzt werden.
Wegen der Komplexitätsbeschränkung kann das komplexe C-Graphem nicht in dieser
Position erscheinen. Hier liegt also ein Beschränkungskonflikt vor. Dass sich das Komp-
lexitätsverbot gegenüber dem Verzweigungsgebot durchsetzt, belegt die Syllabierung solcher
Formen, z. B. <la-chen>, <wa-schen>, in denen das komplexe Graphem eindeutig im Onset
steht. Dass das graphematische Verzweigungsgebot - im Gegensatz zu seiner lautsprachlichen
Entsprechung im Ansatz von Wiese (1986, 2000) und Becker (1996a, b) - verletzbar ist,
demonstriert auch die bereits erwähnte unterbliebene C-Gemination in Fremdwörtern wie
Limit oder City (vgl. (44) oben). In diesen Fällen dominiert ein Treue-Gebot hinsichtlich der
quellsprachlichen Form (engl. limit, city) das Verzweigungsgebot und blockiert damit die C-
Gemination für den phonologisch ambisilbischen Konsonanten. Es ist plausibel anzunehmen,
dass in Fällen wie lachen oder Limit die nukleare C-Position segmental nicht assoziiert ist und
als überflüssiger Knoten eliminiert wird.
Im folgenden OT-Tableau werden einige einschlägige phonographisch mögliche Schrei-
bungen und Syllabierungen für [laxn #] hinsichtlich der wichtigsten besprochenen graphe-
matischen Silbenstrukturbeschränkungen evaluiert:
Tableau 5
EVAL [laxn#]
undominierte Beschränkungen N-Verzweigungsgebot
1. <lach-chen> *! *Komplex-CN
2. <lach-en> **! *Komplex- CN, Syllabierung
3. <lachen> *! *Silbengelenk
4. <la-chn> *! *<C>-Silbengipfel *
5. !<la-chen> *
46
Die Beschränkungen in der linken Spalte sind undominiert, womit in der OT ihre Unverletz-
barkeit erfasst wird.
Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zur Schreibsilbe im Deutschen werden in
der folgenden Synopse zusammengefasst:
Onset Nukleus Koda
C-Position(en) V-Position C-Position C-Position(en)
C/*V-Graphem
Bei internuklearen C-Graphemen genau einC-Graphem
V/*C-Graphem
Trema-Position
V/C-Graphem
Kein komplexesGraphem
<i, u> mit Lautwert<a,e,o> ohne Lautwert
C/*V-Graphem
Keine Silbengelenke
Die Synopse fasst die wichtigsten Beschränkungen, die die Schreibsilbe im Deutschen
determinieren, in vereinfachter Formulierung zusammen. Sie verdeutlicht, dass die Orga-
nisation der Schreibsilbe im Deutschen den modalitätsneutralen Beschränkungen (vgl. (3)-(5)
oben) folgt. Modalitätsspezifisch ist die binäre Prominenzskala. Auf der Grundlage einer
solchen Skala fallen graphematische Silbenbeschränkungen besonders einfach aus: Der
Silbengipfel muss mit genau einem prominenten Segment, nämlich einem V-Graphem,
assoziiert sein, das wiederum im Silbenrand ausgeschlossen ist. Die Relevanz der binären
Prominenzskala und die Gipfelbeschränkung reichen schon aus, um vorauszusagen, dass nur
C-Grapheme im Silbenrand zugelassen sind. Bei der Syllabierung wird sichergestellt, dass
eine CV-Silbe mit genau einem Silbenrand-Segment entsteht. Auf eine einfachere Art und
Weise kann man die modalitätsneutralen Beschränkungen kaum erfüllen. Anders formuliert:
eine einfachere Alternationsstruktur kann man mit sprachlichen Mitteln kaum erzeugen. Die
Besonderheit des Deutschen zeigte sich im Sonderstatus der nuklearen C-Position.
Alle hier eingeführten Beschränkungen sind genuin graphematische Erscheinungen, die
für die Eigenständigkeit der graphematischen silbischen CV- und Konstituentenschicht
sprechen und nicht aus lautsprachlichen Beschränkungen abgeleitet werden können. Das
schließt im Sinne der Korrespondenztheorie nicht aus, dass zwischen graphematischen und
phonologischen Repräsentationen Korrespondenzen bestehen. Entgegen der Meinung von
Vertretern der Ableitbarkeitshypothese, die ihnen einen peripheren, linguistisch uninteressan-
47
ten Status zuweisen,19 sind graphematische Beschränkungen sehr umfassend und einige von
ihnen sind unverletzbar. Manche dominieren die entsprechenden lautbasierten Beschränkun-
gen. Außerdem braucht man eigenständige silbenstrukturelle graphematische Repräsenta-
tionen für eine adäquatere Behandlung der Korrespondenzen zwischen Schrift- und
Lautsprache. So benötigt man sie, um die eineindeutigen Korrespondenzen für die V-Position
(vgl. Primus 2000), die Komplementarität der V-Grapheme in der nuklearen C-Position und
die grundlegende Funktion des Tremas in ihrer einfachen allgemeinen Systematik zu erklären,
um nur einige Beispiele zu nennen. Ohne Bezug zu silbenstrukturellen Einheiten kann man
weder die innergraphematischen Distributionsbeschränkungen der Segmente noch ihre
Korrespondenz zur Lautsprache angemessen behandeln.
6. Zusammenfassung und Ausblick
Der vorliegende Beitrag nimmt die strukturalistische Hypothese von Saussure (1969: 146),
dass "Sprache eine Form und nicht eine Substanz" sei, ernster, als in der bisherigen Forschung
geschehen. Dabei versteht Saussure unter Form natürlich Struktur und fasst Sprache als
Algebra, als Netzwerk von Relationen, auf. Nach dieser Auffassung, die sich in der
Linguistengemeinschaft gut etabliert hat, ist Sprache ein kombinatorisches System, in
welchem einige wenige Grundbausteine zu immer komplexeren Einheiten nach einfachen
allgemeinen Strukturierungsprinzipien verknüpft werden. Dabei sollte die mediumabhängige
Substanz keinen Einfluss auf solche Prinzipien haben. Saussure selbst hat seine Annahme
nicht in die Praxis umgesetzt und verteidigte (zur damaligen Zeit vielleicht mit gutem Grund)
das Primat der Lautsprache. Es ist jedoch klar, dass man zu substanzunabhängigen Struktur-
gesetzen nicht durch die Untersuchung eines einzigen Mediums vorstoßen kann.
Neuere Forschungsergebnisse zur Gebärdensprache und Schriftsprache sowie die schon
länger zurückliegenden Erkenntnisse zur Lautsprache ermöglichten den hier gewagten
Vorstoß ausgerechnet für eine Struktureinheit, die auch in der Phonologie erst Anfang der
80er Jahre den Durchbruch geschafft hat: die Silbe.
Sehr gut untersucht und eingehender behandelt werden konnte nur die Silbenstruktur des
Deutschen in den drei Modalitäten, wobei Forschungsergebnisse über andere Sprachen
implizit (hinsichtlich der Amerikanischen Gebärdensprache auch explizit) mitberücksichtigt
19 Vgl. Ossner (1996, 2001) für diese Auffassung im Sinne der Ableitbarkeitshypothese und die Kritik inNeef/Primus (2001).
48
wurden. Das Deutsche ist ein vielversprechender Untersuchungsgegenstand, weil die
Relevanz silbenstruktureller Einheiten in allen drei Modalitäten inzwischen gut untersucht
und empirisch gesichert ist. Dementsprechend konnte der vorliegende Beitrag für die
Lautsprache auf zuverlässige Ergebnisse zurückgreifen. Das gilt auch für die Darstellung der
gebärdensprachlichen Silbenstruktur. Ganz anders verhält es sich mit der Struktur der
Schreibsilbe. Ihre Eigenständigkeit ist noch immer umstritten und präzisere, formale silben-
strukturelle Repräsentationen gibt es auch nur in jüngster Zeit. Nur einige der hier vor-
gestellten graphematischen Beschränkungen finden sich - wie im Text an entsprechender
Stelle angegeben - bei anderen Autoren, allerdings oft in einer erheblich differierenden
Formulierung, die keinen Bezug zu silbenstrukturellen Gegebenheiten erkennen lässt.
Ein wichtiges Ziel des vorliegenden Beitrags war der Modalitätenvergleich und der Ver-
such, modalitätsneutrale Aspekte der Silbenstruktur zu erarbeiten und von substanzbasierten
Aspekten zu trennen. Die vorgefundenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der
Organisation der Silbe in den drei Modalitäten führten zur Annahme eines verzweigenden
Schnittstellenmodells. In diesem Modell sind die drei modalitätsspezifischen Sprachsysteme,
die Laut-, Schrift- und Gebärdensprache, Schnittstellen-Phänomene, die durch das artikula-
torisch-auditive, schreibmotorisch-visuelle bzw. gestisch-visuelle System mitbestimmt
werden. Angewandt auf die Silbe bedeutet dies, dass es ein modalitätsunabhängiges
Strukturprinzip gibt, das Einheitenklassen der untersten syntagmatischen Ebene zu größeren
Einheiten innerhalb eines Wortes verknüpft. Daraus erklären sich systematische
Gemeinsamkeiten der Silbenstruktur in der Laut-, Schrift- und Gebärdensprache. Es gibt
andererseits systematische substanzbedingte Unterschiede.
Die mediumübergreifende definierende Eigenschaft der Silbe ist ihre Alternationsstruktur.
Sie lässt sich im Rahmen neuerer Ansätze auf der Ebene der Skelettschicht als CV-Alterna-
tion modellieren. Auf der Basis eines allgemeinen Silbenschemas lassen sich die wichtigsten
Subdomänen der Silbe, Onset, Nukleus und Koda, bestimmen und als Konstituentenstruktur
darstellen. Der Nukleus ist die konstitutive Einheit, für die nur wahrnehmungsprominente
Segmente in Frage kommen. Die Alternationsstruktur verlangt jedoch auch die Besetzung
eines Silbenrandes und zwar mit einem weniger wahrnehmungsprominenten Segment. Die
einfachste Alternationsstruktur kommt mit genau zwei Segmentklassen, die sich in ihrer
Prominenz unterscheiden, aus. Modalitätsneutrale Beschränkungen auf dem theoretischen
Hintergrund der Optimalitätstheorie präzisierten diese Annahmen.
Der Begriff der Prominenz wurde als modalitätsneutraler Begriff dem lautsprachlich
geprägten Sonoritätsbegriff vorgezogen. Prominenzunterscheidungen können binär oder
49
mehrgliedrig skalar ausfallen. Wie sich Prominenz substanziell manifestiert, hängt von der
Sprachmodalität ab. In der Lautsprache erscheint sie als Sonoritätsunterscheidung, in der
Gebärdensprache als Dynamizitätsunterscheidung (Bewegung vs. Position) und in der unter-
suchten alphabetischen Schriftsprache manifestiert sie sich in der Spatiumeinteilung der
Kleinbuchstaben. Wieviele Prominenzunterscheidungen vorliegen, ist grundsätzlich einzel-
sprachlich geregelt. Keine der aufgestellten modalitätsneutralen Beschränkungen setzt daher
eine bestimmte Prominenzunterscheidung voraus. Es ist aber klar, dass eine sprachlich mani-
feste Alternationsstruktur mindestens eine binäre Unterscheidung der Segmente voraussetzt.
Verschiedene Prominenzunterscheidungen sorgen für Sprachvariation entlang zweier Achsen:
hinsichtlich unterschiedlicher Modalitäten (z. B. deutsche Laut- vs. Gebärdensprache) und
hinsichtlich verschiedener Einzelsprachen innerhalb einer Modalität (z. B. deutsche vs.
amerikanische Gebärdensprache).
Im vorliegenden Beitrag wurden allgemeinere modalitätsspezifische Hypothesen über
Prominenzunterscheidungen getroffen. Denn es gibt Modalitäten, die substanzbedingt die
Bildung fein abgestufter, mehrgliedriger Skalen ermöglichen und somit favorisieren, und
Modalitäten, die sie eher verhindern. Das lautsprachliche Medium befindet sich auf der
mehrgliedrigen skalaren Seite, das alphabetische Schriftmedium auf der binären Seite.
In der Lautsprache sind substanzbedingt aufgrund der ausgeprägten Kontinuität und
Simultaneität der Artikulations- und Schallereignisse sehr differenzierte Sonoritätsskalen
möglich. Die feinmotorisch genau abstimmbaren, sehr beweglichen Artikulatoren er-
möglichen darüber hinaus sequenziell recht komplexe Silbenstrukturen. Diese substanz-
basierten Gegebenheiten können sich in der Silbenphonologie einer Lautsprache, z. B. des
Deutschen, manifestieren. Sie zeigen sich vor allem in Beschränkungen, die auf
überlappende, graduelle, fein abgestufte Unterschiede Bezug nehmen. Ich erinnere an die
Sonoritätssequenzbeschränkung, an die Syllabierungsbeschränkung und an die Gelenkbildung
im Deutschen. Hier sind Begriffe wie stetiger Sonoritätsanstieg bzw. -abfall oder Sonoritäts-
minimum und segmental unzerlegbare Silbengrenzen (Gelenke) im Einsatz.
Die alphabetisch-schriftsprachliche Substanz bietet keine Grundlage für derartig fein
abgestufte Prominenzunterscheidungen. Unsere Buchstabenschrift verfügt über diskrete
Einheiten. Hier kommt nur eine mit der Spatiumeinteilung der Kleinbuchstaben korrelierende
binäre Klassifizierung in V- und C-Graphemen zum Tragen. Dementsprechend fallen die
graphematischen Beschränkungen des Deutschen, die auf diese binäre Unterscheidung Bezug
nehmen, sehr einfach aus: Im Silbengipfel kommen nur V-Grapheme vor, im Silbenrand sind
sie ausgeschlossen. Gelenkbildung gibt es nicht, und die Syllabierungsbeschränkung zählt
50
unterschiedlos alle internuklearen C-Grapheme ab und schlägt das letzte C-Graphem zur
nächsten Silbe. Graduelle Begriffe kommen nicht zum Zuge.
Die Substanz der Gebärdensprache hat Eigenschaften, die sie hinsichtlich der zu erwarten-
den Prominenzunterscheidungen zwischen Laut- und Schriftsprache rangieren lässt. Position
und Bewegung, die grundlegende Prominenzunterscheidung der Gebärdensprache, können
simultan realisiert werden, wodurch mehrgliedrige Skalen entstehen können. Dabei ist die
gebärdensprachliche Artikulation bei weitem langsamer und aufwendiger als die lautsprach-
liche. Wenn man diese substanzbedingten Besonderheiten mitberücksichtigt, ist es nicht über-
raschend, dass paradigmatische Prominenzbeschränkungen zwar eine mehrgliedrige Skala
ausnützen, aber die sequenzielle Struktur der Silbe sehr einfach ist und keiner sequenziellen
Sonoritätsbeschränkung unterliegt. Auch die sequenzielle Struktur der Lexeme ist sehr
einfach; sie sind bevorzugt einsilbig.
Das hier propagierte verzweigende Schnittstellenmodell lässt zwei Quellen für Gemein-
samkeiten in der Organisation der Silbe erkennen: modalitätsneutrale Beschränkungen und
intermediale Korrespondenzen. Beim jetzigen Forschungsstand fällt es manchmal schwer,
eine Einordnung zu treffen. In der Laut- und Schriftsprache ist CV bzw. Rand-Gipfel
gegenüber VC bzw. Gipfel-Rand bevorzugt. Die intermediale Korrespondenz zwischen Laut-
und Schriftsprache könnte diese parallele Bevorzugung erklären. Vielleicht liegt aber auch
eine noch nicht erkannte gemeinsame modalitätsneutrale Beschränkung vor.
Der vorliegende Beitrag hat sich auf systembezogene Evidenz für das verzweigende
Schnittstellenmodell konzentriert und dabei auch nur das Deutsche eingehender untersucht.
Weitere modalitätsvergleichende Untersuchungen über andere Sprachen sind erforderlich, um
das Modell empirisch abzusichern oder zu korrigieren. Es gibt auch psycholinguistische
Untersuchungen, die dieses Modell attraktiv erscheinen lassen. Mehrere Studien, die die Lese-
und Schreibfähigkeiten absoluter, von Geburt an Gehörlosen untersuchten (vgl. Hanson et al.
1983, Hanson 1986, Nottbusch/Weingarten 2001), sprechen deutlich für die Annahme einer
abstrakten hierarchischen "phonologischen" Repräsentation. Diese Studien schließen einen
Einfluss subvokaler Artikulation oder visueller Schemata auf die hierarchischen Muster aus.
Dass die erwähnten Autoren diese abstrakte Kompetenz "phonologisch" nennen, hängt mit
der lautbasierten terminologischen Tradition zusammen und soll nicht darüber
hinwegtäuschen, dass sie substanzunabhängig zu sein scheint. Diese Ergebnisse sowie andere
bereits erwähnte psycholinguistische Untersuchungen über die Gebärdensprache von
Gehörlosen (vgl. Leuninger et al. 2001) belegen auch aus psycholinguistischer Perspektive
die Annahme einer modalitätsneutralen, nicht notwendigerweise lautsprachlich
51
substanziierten "phonologischen" Kompetenz. Andererseits ist klar, dass die untersuchten
Sprecher auch über eine modalitätsspezifische phonologische Kompetenz verfügen bzw. im
Falle der absoluten Gehörlosen darüber nicht verfügen.
Die empirisch nachweisbare Unterscheidung zwischen abstraktem substanzunabhängigem
Sprachwissen und substanzbasiertem Sprachwissen kann nicht dadurch adäquat erfasst
werden, dass man die Strukturgesetze einer Modalität einer anderen Modalität vollständig
aufoktroyiert. In der Schriftsystemforschung führte dieses Verfahren zur Hypothese des
absoluten Primats der Lautsprache und zu derivationellen Modellen der Schriftsprache. Auch
die Erforschung der Gebärdensprache wurde durch die Annahme des Primats der Lautsprache
eher behindert als gefördert. Das hier postulierte verzweigende Schnittstellenmodell kommt
mit den empirischen Befunden besser zurecht als derivationelle Modelle, die die Lautsprache
als zugrunde liegendes primäres System behandeln. Außerdem eröffnet es auch für den
theoretisch Interessierten die Möglichkeit, zu sehr allgemeinen substanzunabhängigen
Strukturprinzipien vorzustoßen.
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