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A Late Archaic Kouros in the Museum of Mersin. Observations on Cilicia during the Late Archaic...

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Ergün Laflı – Matthias Recke Ein Marmorkuros in Mersin Überlegungen zu Kilikien in spätarchaischer Zeit Einleitung Der wichtige Neufund eines griechischen Marmorkuros in Mersin (Südost- Türkei ), der im folgenden vorgestellt werden soll, gibt Anlaß, die Entwick- lung Kilikiens in der als Eisenzeit bezeichneten Periode zwischen dem späten 12. und dem 6. Jh. v. Chr. zu überdenken. Diese Epoche gehört zu den archäologisch am wenigsten bekannten Phasen Kilikiens. Primäres Ziel des vorliegenden Berichtes ist es, durch eine genaue Einordnung des neugefun- denen Kuros 1 nicht nur dessen Datierung und kunstlandschaftliche Proveni- enz zu klären, sondern zu überprüfen, inwieweit er als Zeugnis für die Anwe- senheit von Griechen in Kilikien während der späten Eisenzeit verstanden werden darf. Damit verbunden ist die Frage nach der sogenannten griechi- schen Kolonisation des späten 7. und frühen 6. Jhs. v. Chr. in Kilikien, die bis- lang nur ungenügend erforscht ist. Historische Situation Das Wissen um eine vorhellenistische griechische Präsenz in Kilikien hat in letzter Zeit durch neue sprachwissenschaftliche und archäologische For- schungen stark zugenommen und ermöglicht es erheblich besser als bisher, nach einem ethnischen Pluralismus vom späten 2. Jt. bis zur Mitte des 1. Jts. v. Chr. zu fragen und somit gleichzeitig den Kontakt zwischen Kilikien und dem ägäischen bzw. dem ostgriechischen Raum zu diskutieren. In der Endphase des hethitischen Großreiches (ca. 12. Jh. v. Chr.) hatten KarkamiÁ und TarhuntaÁÁa in Südostkleinasien und Nordsyrien mehr oder weniger offiziell den Status von Großkönigtümern erlangt. Diese luwischen Großkönigtümer sowie die sich im 12./11. Jh. verselbständigenden und bis ins 8./7. Jh. fortbestehenden luwischen Einzelstaaten sind bisher unter dem Begriff der ›hethitischen Nachfolgestaaten‹ zusammengefaßt worden 2 . Schon Die Bearbeitung der Statue im Museum von Mersin wurde freundlicherweise im Jahre 2003 vom türkischen Kulturmini- sterium, Generaldirektorium für Denk- mäler und Museen, bewilligt (Genehmi- gung-Nr.: B.160.AMG.0.10.00.01/ 707.1. /128). Daneben gilt unser Dank B. Freyer-Schauenburg, B. Gürler, Z. Kızıltan, I. Karamut, W. Martini und AA 2005/1, 1–24 M. Özyıldırım für zahlreiche Hinweise und Hilfestellungen, P. Kobusch für die Umzeichnung von Abb. 1 und J. Bock- Dickmann für die Erstellung von Abb. 9. 1 E. Laflı, A Preliminary Report on a Late Archaic Marble Kouros from the Museum of Mersin in Cilicia (Southern Turkey), in: A. Donohue – C. Mattusch (Hrsg.), Acta of the XVI International Congress of Classical Archaeology of the Associazione Internazionale di Archeo- logia Classica (AIAC), 23.–26. August 2003, Boston/Cambridge (im Druck). 2 J. D. Hawkins, Anatolia. The End of the Hittite Empire and After, in: E. A. Braun-Holzinger – H. Matthäus (Hrsg.), Die nahöstlichen Kulturen und Griechenland an der Wende vom 2. zum 01-Lafli-Recke S. 1-24 05.01.2006 10:05 Uhr Seite 1
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Ergün Laflı – Matthias Recke

Ein Marmorkuros in MersinÜberlegungen zu Kilikien in spätarchaischer Zeit

Einleitung

Der wichtige Neufund eines griechischen Marmorkuros in Mersin (Südost-Türkei ), der im folgenden vorgestellt werden soll, gibt Anlaß, die Entwick-lung Kilikiens in der als Eisenzeit bezeichneten Periode zwischen dem späten12. und dem 6. Jh. v. Chr. zu überdenken. Diese Epoche gehört zu denarchäologisch am wenigsten bekannten Phasen Kilikiens. Primäres Ziel desvorliegenden Berichtes ist es, durch eine genaue Einordnung des neugefun-denen Kuros1 nicht nur dessen Datierung und kunstlandschaftliche Proveni-enz zu klären, sondern zu überprüfen, inwieweit er als Zeugnis für die Anwe-senheit von Griechen in Kilikien während der späten Eisenzeit verstandenwerden darf. Damit verbunden ist die Frage nach der sogenannten griechi-schen Kolonisation des späten 7. und frühen 6. Jhs. v. Chr. in Kilikien, die bis-lang nur ungenügend erforscht ist.

Historische Situation

Das Wissen um eine vorhellenistische griechische Präsenz in Kilikien hat inletzter Zeit durch neue sprachwissenschaftliche und archäologische For-schungen stark zugenommen und ermöglicht es erheblich besser als bisher,nach einem ethnischen Pluralismus vom späten 2. Jt. bis zur Mitte des 1. Jts.v. Chr. zu fragen und somit gleichzeitig den Kontakt zwischen Kilikien unddem ägäischen bzw. dem ostgriechischen Raum zu diskutieren.

In der Endphase des hethitischen Großreiches (ca. 12. Jh. v. Chr.) hattenKarkamiÁ und TarhuntaÁÁa in Südostkleinasien und Nordsyrien mehr oderweniger offiziell den Status von Großkönigtümern erlangt. Diese luwischenGroßkönigtümer sowie die sich im 12./11. Jh. verselbständigenden und bisins 8./7. Jh. fortbestehenden luwischen Einzelstaaten sind bisher unter demBegriff der ›hethitischen Nachfolgestaaten‹ zusammengefaßt worden2. Schon

Die Bearbeitung der Statue im Museumvon Mersin wurde freundlicherweise imJahre 2003 vom türkischen Kulturmini-sterium, Generaldirektorium für Denk-mäler und Museen, bewilligt (Genehmi-gung-Nr.: B.160.AMG.0.10.00.01/707.1. /128). Daneben gilt unser Dank B. Freyer-Schauenburg, B. Gürler,Z. Kızıltan, I. Karamut, W. Martini und

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M. Özyıldırım für zahlreiche Hinweiseund Hilfestellungen, P. Kobusch für dieUmzeichnung von Abb. 1 und J. Bock-Dickmann für die Erstellung von Abb. 9.1 E. Laflı, A Preliminary Report on aLate Archaic Marble Kouros from theMuseum of Mersin in Cilicia (SouthernTurkey), in: A. Donohue – C. Mattusch(Hrsg.), Acta of the XVI International

Congress of Classical Archaeology of theAssociazione Internazionale di Archeo-logia Classica (AIAC), 23.–26. August2003, Boston/Cambridge (im Druck).2 J. D. Hawkins, Anatolia. The End ofthe Hittite Empire and After, in: E. A.Braun-Holzinger – H. Matthäus (Hrsg.),Die nahöstlichen Kulturen undGriechenland an der Wende vom 2. zum

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vor dem Beginn der Eisenzeit lag Kilikien innerhalb der Grenzen einiger loka-ler luwischer Staaten: So ist etwa der östliche Teil dieser Region in mittel-hethitischen Texten als »Adana« bezeugt. Als die Assyrer zur Zeit SalmanassarsIII (858–824 v. Chr.) erstmals bis in das Gebiet zwischen Taurus undKızılırmak vorstießen, unterschieden sie hier bereits drei Staaten: Tabal,Qawe/Qu(w)e und Hila/i/ukku (luwisch wohl Hilika).

An das Ende des 7. und den Anfang des 6. Jhs. fällt die sogenannte griechische Kolonisation des westkilikischen Küstengebietes mit der (Wie-der?)Gründung von Nagidos, Kelenderis, Aphrodisias, Holmoi und Soloi, diemanchmal mit Gründungsmythen verknüpft sind3. Die Verbindung zum grie-chischen Kulturraum ist in Kiliken ab dem 7. Jh. v. Chr. faßbar, und im 6. Jh.v. Chr. sind die Indizien für griechische Präsenz noch deutlicher. Obwohl diearchäologischen Funde in Südostkleinasien starke griechische Aktivitätennahelegen, kennt man deren Charakteristika, Zweck und zeitlichen Ablauf nurungenügend4. Einen Einblick in diese Vorgänge sollen die folgenden Überle-gungen zu dem neugefundenen Kuros von Mersin vermitteln.

Der archaische Kuros in Mersin

Einer der Hauptvertreter archaisch griechischer Plastik ist bekanntermaßen derTypus des aufrecht stehenden, unbekleideten Mannes, der Kuros. Wie dieKoren können auch Kuroi als Grabmarkierung oder Votivfiguren in Heiligtü-mern aufgestellt werden, wobei sie nicht zwangsläufig die Gottheit repräsen-tieren – die früher angenommene Deutung der Kuroi als ›Apollines‹ ist for-schungsgeschichtlich bedingt5, – sondern offenbar auch den Stifter vertreten.Obwohl insgesamt eine Vielzahl von großformatigen Kuroi bekannt ist, bleibtdie Anzahl von Marmorkuroi aus Kleinasien bislang relativ gering. Statuen die-ses Typus konzentrieren sich deutlich auf das westliche Kleinasien, wie die Ver-breitungskarte (Abb. 1) zeigt. Schwerpunkt ist Ionien, das Gebiet um Ephe-

1. Jahrtausend v. Chr. Kontinuität undWandel von Strukturen und Mechanis-men kultureller Interaktion, KolloquiumMainz, 11.–12. Dezember 1998 (2002)143–151.3 Zu den griechischen Aktivitäten inKilikien während der späten Eisenzeit:N. Arslan, Zur Frage der KolonisationKilikiens anhand der griechischenImportkeramik, in: B. Schmaltz – M. Söldner (Hrsg.), Griechische Keramikim kulturellen Kontext (2003) 258–261;E. Blumenthal, Die altgriechische Sied-lungskolonisation im Mittelmeerraumunter besonderer Berücksichtigung derSüdküste Kleinasiens (1963) bes. 81–83;G. Salmeri, Processes of Hellenization inCilicia, Olba 8, 2003, 265–293;G. Salmeri, Hellenism on the Periphery:The Case of Cilicia and an Ethymologyof Soloikismos, in: S. Colvin (Hrsg.), TheGreco-Roman East. Politics, Culture,Society (2004) 181–206; T. Hodos, KinetHöyük and Al Mina: New Views on OldRelationships, in: G. R. Tsetskhladze – A. J. N. W. Prag – A. M. Snodgrass(Hrsg.), Periplous. Papers on Classical Art

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and Archaeology Presented to Sir JohnBoardman (2001) 145–152; W. D.Niemeier, Archaic Greeks in the Orient.Textual and Archaeological Evidence,BASOR 322, 2001, 11–32; N. Arslan,Kilikya Bölgesindeki Grek Koloniza-syonu, Olba 4, 2001, 1–17; J. C. Wald-baum, Greeks in the East or Greeks andthe East? Problems in the Definition andRecognition of Presence, BASOR 305,1997, 1–17; G. R. Tsetskhladze – A. M.Snodgrass (Hrsg.), Greek Settlements inthe Eastern Mediterranean and the BlackSea (2002); A. Kuhrt, Greek Contactwith the Levant and Mesopotamia in theFirst Half of the First Millennium BC.A View from the East, in: Tsetskhlaze –Snodgrass a.O. 17–25; J. Boardman, TheGreeks Overseas4 (1999) 35f. AblehnendO. Casabonne, La Cilicie à l’époqueachéménide, Collection Persika 3 (2004);seiner Meinung nach hat es in Kilikienkeine griechische Kolonisation gegeben.So auch O. Casabonne – J. Devos,Chypre, Rhodes et l’Anatolie méridio-nale: la question ionienne, Res Antiquae2, 2005, 83–102.

4 Die wichtigsten Fragen betreffen denBeginn des griechischen Einflusses inKilikien und seinen Charakter. Für eineausführliche Untersuchung diesesProblems sind bereits die Situation imzweiten Jahrtausend und die RolleKilikiens bei den Konflikten zwischen denHethitern und deren Widersachern imsüdlichen Kleinasien von Bedeutung.Die archäologischen Funde zeigen, daßKilikien bereits damals ein Verbindungs-glied zwischen Anatolien und Syrien ist,doch wird in diesem Zusammenhang dieägäische Komponente bislang nur wenigdiskutiert: É. Jean, The „Greeks“ inCilicia at the End of the 2nd MilleniumB.C.: Classical Sources and ArchaeologicalEvidence, Olba 2, 1999, 27–39; und G. Salmeri, Processes of Hellenization inCilicia, Olba 8, 2003, 266ff.5 Ausführliche Darstellung derForschungsgeschichte bei A. F. Stewart,When is a Kouros Not an Apollo? TheTenea ‘Apollo’ Revisited, in: M. delChiaro (Hrsg.), Corinthiaca. Studies inHonor of Darrell A. Amyx (1986) 54ff.

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sos und Milet, wobei einzelne Funde auch aus Karien (Kaunos) stammen. Diegeographische Anbindung an das griechische Mutterland nebst den Inseln istdabei offenkundig. Etliche Kuroi wurden auch in den Koloniestädten Miletsim Gebiet der Propontis gefunden, hier ist die Anbindung an das Hauptver-breitungsgebiet griechischer Marmorkuroi durch die Verbindung zur Mutter-stadt erklärbar. Außerhalb des ionischen Kerngebietes sind jedoch nur wenigeFundplätze von Kuroi in Kleinasien bekannt. Das bislang einzige Beispiel einesgriechischen Kuros von der kleinasiatischen Südküste stellt ein kleinformati-ger Kopf von der lykischen Akropolis in Xanthos dar6. Hier soll nun ein wei-teres Exemplar von der kleinasiatischen Südküste vorgestellt werden, das sichim Museum von Mersin befindet (Abb. 2–15) und das aus verschiedenenGründen bedeutsam ist.

6 Istanbul, Archäologisches Mus., Inv.5238; hier Kat. 29.

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Ein Marmorkuros in Mersin 3

Abb. 1 Verbreitungskarte der Fundplätzevon unbekleideten Marmorkuroi in Ana-tolien und dem östlichen Mittelmeerraum(Fundplätze auf den griechischen Inselnsind nicht kartiert)

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Fundort: Zephyrion und seine Umgebung in der Späteisenzeit

Die Statue wurde laut Aussage der Museumsinventarbücher 1988 zufällig beiArbeiten im nördlichen Garten des Halkevi, dem Opernhaus von Mersin – wo sich auch das Museum heute befindet –, mit dem Rücken nach oben inder Erde liegend gefunden und am 24. März 1988 in das ArchäologischeMuseum gebracht. In diesem Bereich der Stadt Mersin, also dem Gebiet desantiken Zephyrion, haben Reisende bereits im 19. Jh. archäologische Restegesehen und erwähnt, die allerdings aus späteren Zeiten, namentlich der römi-schen und frühbyzantinischen Periode, zu stammen scheinen7. Obwohl ausden Unterlagen klar hervorgeht, daß die Statue während Ausgrabungsarbei-ten gefunden wurde, kann nicht mit völliger Sicherheit ausgeschlossen wer-den, daß sie nicht schon im 19. Jh. oder noch früher aus dem nahegelegenenSoloi hierher gebracht worden ist. Über das antike Zephyrion selbst ist wenigbekannt, zumal die sporadischen Streufunde und Kleinfunde, die bei ver-schiedenen Rettungsgrabungen in diesem Gebiet geborgen worden sind undeine Besiedlung in der späten Eisenzeit belegen, bislang noch nicht publiziertsind8. Strabon (14, 5, 9) erwähnt das antike Zephyrion als eine Ortschaft zwi-schen Soloi und Mallos9. Bis heute kann kein archäologisches Denkmal gesi-

7 Die in der ersten Hälfte des 19. Jh. alsbedeutender Hafen wiedergegründeteStadt Mersin überdeckt im Kernbereichzwischen dem heutigen Vilayet Kona=ı,dem Opernhaus und der arabisch-ortho-doxen Michael-Kirche einen durch Zu-fallsfunde gesicherten antiken Siedlungs-platz (mit Mauern, Säulen, Kapitellensowie Marmorplastik): L. Rother, DieStädte der Çukurova: Adana, Mersin,Tarsus. Ein Beitrag zum Gestalt-, Struk-tur- und Funktionswandel türkischerStädte, Tübinger Geographischer Studien42 (1971) 66f. 79f. 111–114 und 122f.(mit Abb. und Lit.); sowie ders., Ge-danken zur Stadtentwicklung in derÇukurova (Türkei) (1972) 22. Östlich desvon einer osmanischen Brücke über-querten Müftü Dere (oder Deli Çayı) fandLanglois bereits in der Mitte des 19. Jhs.im westlichen Teil des damaligen Mersinauf einer Ausdehnung von mehr als einemKilometer eine antike Siedlungsstelle mitKeramikscherben, Mühlsteinfragmentenund Marmorbruch: V. Langlois, Voyagedans la Cilicie et dans les montagnes duTaurus (1861) 251f. Auf antiken Ziegel-mauern lag hier das Quartier der europäi-schen Kaufleute. Die römische Nekropolelag nahe am Seeufer (mit gemauertenZiegelgräbern und Sarkophagen): R. He-berdey – A. Wilhelm, Reisen in Kilikien(1896) 2. Zu den Ruinen des antikenZephyrion vgl. auch W. M. Leake, Journalof a Tour in Asia Minor, With Compora-tive Remarks on the Ancient and ModernGeography of that Country (1824) 179.214; V. Langlois, Inscriptions grecques,romaines, byzantines et arméniennes de laCilicie (1854) 33 Nr. 82; Ch. Texier, Asie

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Mineure. Description géographique,historique et archéologique des provinceset des villes de la Chersonnése d’Asie(1862) 727f.; und R. Paribeni – P. Romanelli, Studii e ricerche archeolo-giche nell’Anatolia meridionale, MonAnt23, 1914, 85–87. Die während des Bausdes Opernhauses in den 40er Jahren des20. Jhs. gefundenen antiken Zeugnissewerden erwähnt von M. N. Çıplak, àçelTarihi, Tarihî-Turistik Zenginlikleriyle(1968) 277; die jüngst bei Reinigungsar-beiten in diesem Gebiet gefundenespätantike Keramik ist erwähnt in: MersinCumhuriyet Alanı 2002 Yılı Düzenleme-leri, San Kulüp. àçel Sanat Kulübü Bülteni115 (2002) 7. – Zur ForschungsgeschichteMersins sowie Kilikiens allgemein:E. Borgia, Archaeology in Cilicia in theAncient Traveller’s Notes, Olba 7, 2003,41–77; E. Erten, 19th Century Travellersand Soli Pompeiopolis, in: Mersin, TheMediterranean and Modernity (2002)117–123; E. Laflı, Geschichte undPerspektiven der archäologischen Erfor-schung des eisenzeitlichen Kilikien, in:G. Wilhelm (Hrsg.), Akten des IV. Inter-nationalen Kongresses für Hethitologie,Würzburg, 4.–8. Oktober 1999 (2001)308–325. – Angeblich wurde hier auchein antiker Löwenkopf gefunden, der sichheute im Museum von Mersin befindensoll, über dessen Zeitstellung jedochnichts bekannt ist.8 Bisher wurden keine archaischenFunde aus Zephyrion publiziert. In denMuseen von Mersin und Adana (Archäo-logisches Museum, Volkskundemuseum)befinden sich jedoch eine große AnzahlFunde vorhellenistischer Zeitstellung von

verschiedenen Fundplätzen in Mersin. Siestammen wahrscheinlich von verschie-denen kleineren Höyük-Siedlungen inMersin, nämlich (vom Osten) Hacı Talip,Kazanlı (dem antiken Kyinda?), KaraduvarI, Karaduvar II, Tırmıl Tepe, Çavu£luHöyü=ü, Yumuktepe, Viran£ehir Höyü=ü,Tömük Höyü=ü sowie Limonlu Höyü=ü,vgl. Laflı a.O. (Anm. 7) 325 Abb. 1. – Der Ortsname Zephyrion ist vor allem imöstlichen Mittelmeerraum verbreitet; sogibt es z. B. auch auf Zypern ein weiteresZephyrion. Im Neuen Pauly 12/2 (2002)765–767 sind neun entsprechende Orteaufgelistet. Der Name selbst ist griechisch,während ein älterer Name für diese Ort-schaft bislang unbekannt ist; von altphilo-logischer und historischer Seite wurdendie Namen Anchiale nach Plinius (= Karaduvar?) und (assyrisch) Ingira(=Tırmıl Tepe oder Yumuktepe?) zurDiskussion gestellt. Letztlich zu Anchiale:H. Kalkan, Anchiale in Kilikien, Epigra-phica Anatolica 34, 2002, 160ff. DieNamen Anchiale und Pityoussa (Yumuk-tepe?) werden ebenfalls in neuassyrischensowie neubabylonischen Texten des 7. und6. Jh. v. Chr. erwähnt. Vgl. auch E. Laflı,Preliminary Archaeological and Topogra-phical Notes on Classical and MedievalSettlement Patterns in the Mersin Area ofCilicia (Southern Turkey), in: Acts of the14th UISPP Congress, Liège, 2–8September 2001 (2004) 77–90.9 Die nach Pseudo-Skylax (Periplus 77)in der klassischen Periode als Polisbezeichnete Ortschaft wurde später inHadrianopolis benannt und war in derSpätantike nur noch ein Chorion, soStadiasmos 481 und Plinius (V 22, 91),

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chert mit dem antiken Zephyrion verknüpft werden. Allerdings wurde auchauf dem Yumuktepe in Mersin eine eisenzeitliche Siedlung festgestellt10. DieBesiedlung dieses Höyüks (Wohnschutthügel) beginnt bereits im 7. Jt. InSchicht IV und III hat man eisenzeitliche Funde geborgen; Schicht III wirddabei ins 7. bis 6. Jh. v. Chr. datiert. In Schicht III hat man ein relativ großesGebäude dokumentiert, das Häusern in Al Mina ähnelt. Unter der Keramikbefinden sich kleine Mengen kyprischer Keramik11. In der darauf folgendenSiedlungsschicht von Yumuktepe hat man nur wenig Keramik des 5. und 4. Jhs. v. Chr. gefunden, danach bricht die Besiedlung offenbar ab und setzterst wieder im 8. Jh. n. Chr. ein. Dieses Phänomen haben die englischen Aus-gräber durch eine Umsiedlung der Bevölkerung von Yumuktepe nach demnahegelegenen Soloi erklärt. Laut der historischen Überlieferung wurde dasetwa 12km entfernte Soloi zwischen 700 und 690 v. Chr. von Achäern undrhodischen Siedlern aus Lindos gegründet. Neben großen Mengen archaischergriechischer Keramik, die für sich genommen wenig aussagekräftig für dieFrage der Akkulturation Kilikiens sind, belegen Fragmente architektonischerTerrakotten griechischen Stils aus dem 6. Jh. v. Chr. entsprechende, griechischgeprägte Architekturformen12. In diesem Sinne sind auch zwei marmorneGrabstelen aus spätklassischer Zeit besonders interessant, da sie auch das Vor-handensein griechischer Bestattungssitten belegen13.

Die historischen und politischen Beziehungen zwischen dem eisenzeit-lichen Zephyrion, der Siedlung von Yumuktepe und dem antiken Soloi sindbislang unbekannt. In diesem Dreieck gibt es jedoch zahlreiche weitere Wohn-schutthügel (Höyüks) sowie antike Ortschaften. Obwohl nur wenige Über-reste vorhanden sind, muß hier während der Eisenzeit also eine rege Aktivitätstattgefunden haben, die bislang weitgehend unbekannt ist.

Die Statue im Museum von Mersin

Mersin, Arch. Mus., Inv. 88.3.1Erh. Höhe max. 59cm; Breite (Schultern) 24cm; Höhe des Kopfes 15cm;Breite des Halses 7,5cm; Durchmesser der Brust 8cm; Länge des linken Armes 15cm; Länge der linken Hand 6cm; Breite der linken Hand 4cm; Bauchna-bel 1,5cm; Breite des Penis 4cm; Länge linkes Bein 21cm; rechtes Bein 20cm;max. Stärke der Beine 6cm.

Material und ErhaltungszustandDie Statue besteht aus grobkristallinem, weißem Marmor, der von grauenAdern durchsetzt ist. Eine naturwissenschaftliche Untersuchung ist bislangnicht erfolgt. Die Füße und Unterschenkel beider Beine sind bis auf Höhe derKnie verloren, ebenso fehlt der rechte Arme ab dem Schulteransatz sowie dievordere Hälfte von Hals und Kopf. Der Penis ist bestoßen. Zwei Verletzungenauf der Rückseite – eine am linken Oberarm, die andere unterhalb des rech-ten Glutäus – sind frisch und stammen wahrscheinlich von der Bergung derFigur.

Das Aussehen der Brüche von Hals, Kopf und rechtem Arm legt nahe, daßdie Statue absichtlich zerstört worden ist.

Die Rückseite der Figur ist stark versintert, während die Oberfläche derVorderseite sehr glatt und großflächig von feinsten Kratzspuren überzogen ist,die auf die neuzeitliche Reinigung zurückzuführen sind, mit der die Versinte-rung der Vorderseite weitgehend entfernt worden ist. Farbspuren lassen sichmit bloßem Auge an keiner Stelle der Figur erkennen.

vgl. RE X A (1972) 227f. s. v. ZephyrionI 2 b (H. Treidler). Bislang wurde ledig-lich die Münzprägung von Zephyrionwissenschaftlich behandelt, vgl.E. Levante, The Coinage of Zephyrion inCilicia, NumChron 148, 1988, 134ff.Generell zu Zephyrion vgl. auch dieZusammenfassung von F. Hild – H. Hellenkemper, Kilikien und Isaurien1, Tabula Imperii Byzantini 5 (1990) 464f.(mit Lit.).10 J. Garstang, Prehistoric Mersin.Yümük Tepe in Southern Turkey (1953)253ff.11 In den neuen türkischen Grabungenwurden die eisenzeitlichen Schichtennochmals ergraben, doch liegen bislangkeine publizierten Ergebnisse vor. Dieeisenzeitliche Keramik aus Yumuktepewurde 1999 in einer Magisterarbeit vonTülay Özaydın an der Universität Istanbulbearbeitet, in der auch die Funde derGarstang-Grabungen berücksichtigtwerden. Dazu: V. Sevin – T. Özaydın, IronAge Levels, in I. Caneva – V. Sevin(Hrsg.), Mersin-Yumuktepe. AReappraisal (2004) 85–101.12 R. Ya=cı, Soli/Pompeiopolis Kazıları1999, in: Kazı Sonuçları Toplantısı 22, 2.Cilt, 22–26 Mayıs 2000, àzmir (2001)261f. Abb. 8. 9: Terrakottaplatten mitantithetisch platzierten Sphingen; Lotos-blüte.13 Adana, Mus. Inv. 51-31-71: A. vonGladiss, Ein Denkmal aus Soloi,IstMitt 23/24, 1973/74, 175ff. Taf. 79;Ch. W. Clairmont, CAT 3.461a. Adana,Mus. Inv. 3926, aus Kuyuluk bei Mersin:A. Hermary, Une nouvelle stèle funéraireattique trouvée à Soloi, in: G. Dagron –D. Feissel (Hrsg.), Inscriptions de Cilicie(1987) 227–229; Ch. W. Clairmont, CAT2.322b.14 In diesem Merkmal wird man wedereinen Hinweis auf die Entstehungzeit

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BeschreibungDargestellt ist ein unbekleideter, aufrecht stehender Mann in frontaler Aus-richtung (Abb. 2–8). Das Standmotiv kann aufgrund der erhaltenen Reste derBeine eindeutig bestimmt werden: Das linke Bein ist leicht vor-, das rechteleicht zurückgesetzt, wobei das Gewicht des Körpers auf beiden Beinen glei-chermaßen ruht. Der erhaltene linke Arm hängt neben dem Körper herab undist im Ellenbogen leicht gebeugt, so daß die locker geschlossene Faust am lin-ken Oberschenkel des vorgesetzten linken Beines aufliegt (Abb. 13. 14). Diekraftvolle Wölbung des Oberarmes, besonders gut in der Seitenansicht (Abb.5) zu erkennen, zeigt, daß die Armhaltung dabei keineswegs entspannt ist. Derlinke Arm ist nicht frei gearbeitet, sondern durch eine zurückgesetzte, glatteFläche mit dem Körper verbunden, die den Zwischenraum von Hüfte und

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Abb. 2. 3 Kuros in Mersin, Vorder- undRückansicht. Mersin Museum 88.3.1

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Ellenbogen füllt14. Der rechte Arm ist zwar nicht erhalten, kann jedoch in sei-ner Haltung zuverlässig rekonstruiert werden, da sich unterhalb der Achsel einenach vorne weisende Bruchfläche befindet und die ansatzweise erhaltene Kap-sel der rechten Schulter deutlich stärker gewölbt ist als die der linken Schul-ter. Damit kann der verlorene rechte Arm nicht wie der linke seitlich nebendem Körper herabgehangen haben. Dagegen spricht nicht nur das Fehlen einerBruchstelle entlang der Hüfte und des Oberschenkels, sondern auch die starke

noch die stilistische Einordnung erkennenkönnen, sondern es vielmehr der geringenGröße des Werkes zuschreiben. Allerdingsist es insgesamt nur sehr selten zu finden,vgl. einen Torso auf Samos (Tigani,

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Abb. 4. 5 Kuros in Mersin, Seitenansichten.Mersin Museum 88.3.1

Museum, Inv. 39; Freyer-SchauenburgNr. 55 Taf. 40 a–c. Taf. 41 a). Dort liegendie Arme dicht am Körper an, so daß keinZwischenraum zum Körper gebildet wird,während der erhaltene linke Arm beim

Torso in Mersin freier geführt ist und derZwischenraum zwischen Arm undKörper gefüllt bleibt.15 Die Stauchung der Brust und dasdeutliche Vorwölben der Schulterkapsel

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Wölbung des Schulteransatzes (Abb. 10). Anders als der linke Arm war derrechte folglich stärker nach vorne genommen und vom Körper gelöst. Auchdie Bruchfläche unterhalb der Achsel belegt diese Armhaltung. Die Stauchungder rechten Brust und die Spuren des Schulteransatzes legen nahe, daß derKuros den rechten Arm vor die Brust gelegt hatte. Die Skizze (Abb. 9) ver-mag einen Eindruck vom ursprünglichen Aussehen der Figur vermitteln. Auf-fällig ist dabei, daß, anders als es bei verschiedenen, als ›Opferträger‹ bezeich-neten Figuren belegt ist, der Arm offenbar frei gearbeitet und nicht durcheinen Steg mit dem Körper verbunden war15.

lassen sich anatomisch nicht anderserklären als durch die nach vorne genom-mene Haltung des rechten Armes. Auf-fällig ist jedoch, daß die übrigen Opfer-träger (hier Kat. 3. 7. 18. 36. 42) eineentsprechende Ausprägung nicht zeigen.Das spricht jedoch nicht gegen die ange-sprochene Deutung, sondern, wie auchder frei gearbeitete rechte Unterarm, füreine relativ späte Datierung innerhalbdieser Gruppe. – Die Variante mit in denRaum vorgestrecktem rechten Armorientiert sich an der Darstellung desApollon Philesios des Kanachos, wie eretwa auf einem Relief aus dem Theatervon Milet dargestellt ist (Berlin, Antiken-

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sammlung SK 1592) und am delischenApollon des Tektaios und Angelion. Zurspätarchaischen Bronzestatue des Kana-chos, wahrscheinlich ein WeihgeschenkMilets im Orakelheiligtum des Apollonvon Didyma, vgl. E. Simon, Beobach-tungen zum Apollon Philesions des Kana-chos, in: K. Schauenburg (Hrsg.), Chari-tes. Studien zur Altertumswissenschaft.Festschrift für Ernst Langlotz (1957) 38–46; K. Tuchelt, Einige Überlegungen zumKanachos-Apollon von Didyma, JdI 101,1986, 75–84; V. M. Strocka, Der Apollondes Kanachos in Didyma und der Beginndes Strengen Stils, JdI 117, 2002, 81–125;H. J. Schwerdhöfer, Eine Methode zur

Rekonstruktion antiker Mechaniken,erläutert an der Apollon-Philesios-Statuedes Kanachos, in: Althellenische Techno-logie und Technik, Tagungsband desSymposions 21.–23.3.2003 in Ohlstadt/Obb. (2004) 211–237; zum delischenApollon vgl. M.-F. Boussac, A propos dequelques sceaux déliens I. Sur quelquesreprésentations d’Apollon Délien, BCH106, 1982, 427–443; U. Höckmann, DerApollon Delios des Tektaios und Angelionauf einer Medaille des Pompeo Leoni fürDon Carlos von Spanien, StädelJb 17,1999, 145–162.16 München, Glyptothek 168; Richter84f. Nr. 73 Abb. 245–250; V. Brinkmann,

Abb. 6–8 Kuros in Mersin, Dreiviertel-ansichten. Mersin Museum

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Die aufgrund des Standmotivs zu fordernde gleichmäßige Gewichtsvertei-lung läßt in der Tat keine Ponderation des Körpers zu: Die Hüften befindensich beide auf derselben Höhe, so wie auch die sehr horizontale, breite Schul-ter keine Gewichtsverteilung durch eine Abweichung vom prinzipiell sym-metrischen Aufbau der Figur erkennen läßt. Der markant abgesetzte Hals trugeinen hoch aufrecht getragenen, annähernd frontal ausgerichteten Kopf, wiedie bis zur Kalotte erhaltene Haarmasse der Rückseite belegt. In der Ansichtvon oben (Abb. 10) wird durch die Assymetrie der Haare deutlich, daß derKopf mit dem verlorenen Gesicht leicht zur rechten Seite gedreht war. VomGesicht selbst sind keinerlei Reste vorhanden, lediglich vom linken Ohr ist einStück des Ohrmuschelrandes erhalten geblieben (Abb. 11. 12). Das wohlfri-

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Abb. 9 Kuros in Mersin, Rekonstruktions-skizzen

Abb. 10 Kuros in Mersin, Ansicht vonoben. Mersin, Museum

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sierte Haar selbst fällt als geschlossene Masse in langen Perlschnursträhnen aufden Rücken bis zur Höhe der Schulterblätter, die selbst als solche nicht ange-geben sind.

Damit entspricht die Figur den charakteristischen Merkmalen archaischerKuroi in ihrer Nacktheit, der aufrechten Haltung in strenger Frontalität, demStand- und Haltungsmotiv von Füßen, Beinen und Armen. Die aufgrund derüblichen Proportionierungen archaischer Kuroi, bei denen der Ansatz desGeschlechtes üblicherweise die Hälfte der Höhe markiert, zu rekonstruierendeGesamthöhe des Kuros von Mersin beträgt etwa 80cm, damit ist er etwahalblebensgroß.

Form und StilDie Gestaltung des Körpers sowie der Einzelformen, namentlich der Frisur,lassen eine relativ genaue Einordnung des Kuros von Mersin in das bekannteRepertoire archaischer Kuroi zu. Der ausgeprochen weich gestaltete Körperdes Kuros ist auffällig gering durch markante Einzelformen gegliedert. Dies istschon bei der Konturführung in der Front (Abb. 2) zu bemerken, die in einemeinheitlichen Zug von den Oberschenkeln in sanftem Schwung über die Hüf-ten bis zur Achsel führt, ohne durch auffällige Einschnitte, etwa der Leisten-polster, unterbrochen zu werden. Auch die Linea Alba ist kaum auszumachen,der spitzovale Rippenbogen und die diagonalen Leistenlinien verschwindennahezu in der weich gestalteten Oberfläche und den fließenden Konturen.Dabei ist die Oberflächengestaltung trotz der Weichheit der Übergänge nichtspannungslos, sondern durch pralle, kraftvoll gerundete Partien charakterisiert.Dadurch wirkt der Körperbau ausgesprochen kompakt und massig. Das giltfür größere Formen und Flächen, etwa die Oberschenkel (vgl. Abb. 15),ebenso wie für die Details, etwa die Fingerglieder der linken Hand (Abb. 13).

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Abb. 11. 12 Kuros in Mersin, Detail-ansichten des Kopfes. Mersin, Museum

Abb. 13 Kuros in Mersin, Detailansicht derlinken Hand. Mersin, Museum

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Beherrschendes Element ist die voluminöse breite Brust, die zum Rumpf nichtbesonders abgesetzt ist. Eine starke Einziehung des Rückens oberhalb dernahezu kubisch wirkenden Partie der Glutäen verstärkt diesen Eindruck noch:Die Brust ist der am weitesten nach vorne ragende Körperteil, lediglich wohldurch den verlorenen linken Unterschenkel und Fuß übertroffen. Die Brustist breit und ausladend angelegt, beide Brustmuskeln unterstützen so durch ihreGestaltung die streng horizontale Ausrichtung der Schulterpartie, wodurch dieFigur in einem klaren Gefüge von Tragen und Lasten steht.

Die sorgfältig gestaltete Frisur ist in einzelne Strähnen gegliedert, die aufden Rücken geführt werden. Auf der Brust, wie gelegentlich bei Kuroi anzu-treffen, sind keine Haarsträhnen gelegt. So ist von der Kontur der Frisur aufder Vorderseite nur ein leichtes Ausschwingen unterhalb der Ohren (vondenen ja nur das linke ansatzweise erhalten ist) zu erkennen, die der Kontur-gestaltung des Halses vom Schlüsselbein zum Kopfansatz folgt. Auf der Rück-seite (Abb. 3) wird dieses leichte Ausbreiten der Frisur unterhalb der Schul-terlinie wieder zurückgenommen, indem die Haare zusammengefaßt werdenund sich die Haarmasse bis zum horizontalen Abschluß der Frisur auf Höheder Schulterblätter leicht verjüngt. Der Übergang zum Rücken erfolgt dort,wie auch an den Seiten zum Schulterblatt hin, durch einen kleinen Absatz,eine plastische Stufe, die nicht durch abschließende hängende Dreiecke oderandere, die einzelnen Strähnen betonende Elemente gegliedert ist, so daß dieHaare als solche eine in sich geschlossene großflächige Masse bilden. Dieservoluminöse Eindruck wird auch dadurch unterstützt, daß das Haar nicht durchein Haarband oder einen Reif untergliedert ist, sondern von der Kalotte biszur Schulter frei fällt.

Die einzelnen Strähnen sind voneinander durch tiefe Kerben getrennt undin Wellen gelegt, die einander entsprechen. Der bildhauerische Vorgang istfreilich ein umgekehrter: Erst wurde das Haar horizontal wellig gegliedert, wiedies etwa beim Kuros von Tenea der Fall ist16, anschließend durch eine hori-zontale Gliederung der Strähnencharakter erreicht. Typologisch ist diese anPerlschnurfrisuren angelegte Form nach V. Brinkmann eine der ältesten archai-schen Frisuren, die jedoch in bestimmten Landschaften, etwa in Ostionien, biszum beginnenden 5. Jh. v. Chr. beibehalten worden ist und daher für die Frageder Datierung nur bedingt verwertet werden kann17.

Landschaftliche Einordnung und DatierungDamit ist der Kuros von Mersin eng mit einigen Kuroi verwandt, die demostionischen Kunstkreis zugeschrieben werden. Die vergleitende, nicht sicherfixierbare Tailleneinziehung, die nach kurzem Ansatz ins Karnat verfließen-den Leistenlinien und die Massigkeit der Schulter-Brust-Partie sowie der(durch den Bruch deutlich erkennbare) breite Hals weisen nach Ostionien,ebenso das Volumen der Bauchdecke, die gegen die akzentuierte, nach vornegewölbte Brustpartie nur geringfügig zurückgenommen ist. Die ringförmigabgesetzte Peniswurzel und die breit angelegte Partie des Skrotums (Abb. 14.15) findet sich beim sog. Opferträger in Berlin18 in entsprechender Weisegestaltet, doch ist dort der Unterleib bis zum Bauchnabel deutlich gestreckterals beim Kuros aus Mersin. Vergleichbar ist jedoch auch das Verfließen der Lei-stenlinien. Auch die Form des Kopfes, der – wie die Konturreste am linkenOhr- und Halsansatz zeigen – rundlich war (Abb. 2), weisen in diese Rich-tung.

Ebenso spricht das Fehlen der Haarbinde für eine ostionische Entstehungdes Kuros19. Eine entsprechende Länge des Haares bis auf Höhe der Schul-terblätter und sogar darüber hinaus, bei den attischen Kuroi und bei den fest-

Frisuren in Stein (1998) Abb. 42.17 Ebenda 27. 32.18 s. Anhang Kat. 7.19 Brinkmann a.O. 31.20 Entsprechend langes Haar kommt beiim Mutterland gefundenen Kuroi ausge-

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ländischen Kuroi generell unüblich, findet sich bei ostionischen Beispielenhäufig20. Auch die Form der rückwärtigen Haarmasse, die sich, von derKalotte abfallend, bis auf die Schulter leicht verbreitert und dann bis zum hori-zontalen Abschluß sich wieder leicht verjüngt, ist dort verbreitet21. Die nurnoch schwache plastische Gliederung der Locken in den senkrechten Wellen-bändern findet gute Entsprechungen bei einem Kopf in Milet22 oder bei derFrisur eines von Laubscher publizierten Oberkörpers aus Milas23. Ebenfalls sti-listisch sehr nah ist ein Kopf in Basel, der aus der Türkei stammen soll, jedochohne sicheren Fundort ist24. Letzterer ist auch deswegen als Vergleichstückwichtig, weil er zeigt, daß die für ostionische Kuroi charakteristische Schlä-

sprochen selten vor: Ein Kuros aus demPtoion, heute in Theben, Inv. 6 (Richter101 Nr. 96 Abb. 312–314) weist auf demRücken entsprechend langes Haar auf,doch ist dieses als in einer Spitzeendenden, dreieckigen Masse gestaltet.Bei dem Kuros aus Aktium (Paris, LouvreInv. MNB 766: Richter 85f. Nr. 74 Abb.255–257) ist das Rückenhaar zu einemZopf zusammengefaßt. Auch die kykladi-schen Kuroi haben selten so lange Haare:Ein parischer Kuros (Richter 108 Nr. 118Abb. 350. 351) hat nicht nur entsprechendlanges Haar, sondern auch den horizon-talen Abschluß wie der Kuros aus Mersin.Anders als bei diesem breitet sich das Haaraber zum Abschluß hin aus und ist sehrviel deutlicher, gerade im Bereich desRückgrates, vom Rücken abgesetzt.Vermehrt Beispiele für entsprechendlanges Schulterhaar findet man auf Samos,etwa bei dem Kriegertorso in Berlin(Antikensammlung, Inv. SK 1752: Strenz105 Nr. 28 Taf. 7, 3) oder einem Torso aufSamos selbst (Tigani, Mus. Inv. 40: Strenz105 Nr. 29 Taf. 7, 4). In beiden Fällen

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entspricht die Haarlänge und die generelleKonturführung der Frisur auf demRücken dem Kuros von Mersin, dochsind die Haare bei den samischenBeispielen sehr viel stärker als s-förmiggewellte Einzelsträhnen aufgefaßt unddeutlich voneinander getrennt. Stärker alsEinheit begriffen ist das lange Haar beidem Torso in Tigani (Inv. 39: Strenz 105Nr. 30 Taf. 8, 1), doch ist auch hier diestrenge Vertikalität der einzelnen Strähnendurch eine starke S-Strähnung gemildert.Auch einige kleinformatige Alabaster-Kuroi östlicher Produktion entsprechen inder Haarlänge gut dem Torso in Mersin,etwa die Statuette in Kairo (Richter 87f.Nr. 81 Abb. 267–269), dessen Haar aufdem Rücken auch die entsprechendeForm annimmt, ohne allerdings ausgear-beitet zu sein. Die Alabaster-Statuette inMoskau (Richter 88 Nr. 82 Abb. 264–266) hat entsprechend langes Haar, dochist dies in sich auffächernde Einzel-strähnen unterteilt; auch fallen je dreiSträhnen rechts und links des Kopfes bisauf die Brust. Neben diesen vereinzelten

Beispielen finden sich auch im ostioni-schen Bereich vergleichbare Frisuren,etwa bei einem Torso in Izmir, altesBasmane-Museum (Özgan 222 Abb. 26);dem Torso eines Mantelträgers ausRhodestos, Saloniki Mus. (Özgan 225Abb. 29); dem Mantelträger (›Dionys-hermos‹) in Paris, Louvre MA 3600(Özgan 227 Abb. 31; Strenz 109 Nr. 54Taf. 10, 3).21 Vgl. Torso eines Mantelträgers ausRhodestos, Saloniki Mus. (Özgan 225Abb. 29); Mantelträger (›Dionyshermos‹)Paris, Louvre MA 3600 (Özgan 227 Abb.31).22 P. Hommel, IstMitt 17, 1967, Taf. 4.5.23 H. Laubscher, IstMitt 13/14,1963/64, Taf. 40. 41.24 K. Schefold, SpätarchaischerJünglingskopf, in: E. Berger (Hrsg.),Skulpturen, Antike Kunstwerke aus derSammlung Ludwig III (1990) 13ff. Nr.221.25 So findet sich eine entsprechendeKniebildung bei dem Kuros in Athen,

Kuros in Mersin. Mersin, Museum

Abb. 14 Detailansicht des Unterkörpers

Abb. 15 Detailansicht der Oberschenkelund des linken Knies

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fenhaarpartie als eigenständiger Teil der Frisur hinter den Ohren fehlen bezie-hungsweise, wie hier, auf die Partie vor den Ohren beschränkt bleiben kann.Da dieser Bereich bei dem neugefundenen Kuros nicht erhalten ist, läßt sichhierzu keine weiterführende Aussage gewinnen.

Charakteristisch für den Kuros von Mersin ist auch die Gestaltung derKniee (Abb. 15), was sich am besser erhaltenen linken Bein deutlicher erken-nen läßt: Die ausgeprägte Assymmetrie des als zusammengehörige, durchge-hende Form gestalteten breiten Polsters über der Kniescheibe mit einer ver-stärkten Ausdehnung zur Beininnenseite und stärkeren plastischen Ausprägungist jedoch weniger kennzeichnend für den Landschaftsstil als für die Datie-rung25.

Aufgrund der Vergleiche mit Werken ostionischer Werkstätten kommt manfür den Torso in Mersin auf eine Datierung in die Zeit um 530/20 v. Chr.Dafür sprechen auch die sehr fein gearbeiteten Partien wie die Senke der LineaAlba, die Bettung des breitovalen Nabels und die Gestaltung des Geschlechts26.Damit gehört der Kuros von Mersin in die von E. Akurgal zusammengestellteund definierte dritte Phase griechisch-archaischer Großplastik Kleinasiens,deren führendes Kunstzentrum Milet ist27.

Funktion

Nachdem der Landschaftsstil und die Datierung des neuen Kuros nun geklärtsind, muß auf die Frage der Funktion der Statue eingegangen werden, ob essich bei dem Kuros also um eine Grabstatue oder um eine Votivfigur handelt.Die Fundsituation in Mersin gibt darüber bekanntlich keine Auskunft. Metho-disch bieten sich hierfür nun zwei Wege an: Der eine untersucht das Vorkom-men und die Verwendung archaischer Marmorkuroi im östlichen Mittel-meergebiet generell, um über Analogien räumlich benachbarter Denkmäler zueinem Schluß zu kommen, der andere Weg versucht, die spezielle Ausprägungdes neuen Kuros, der aufgrund seiner Armhaltung als Opferträger charakteri-siert ist, durch eine Funktionsbestimmung dieser Gruppe als Ganzes zuerklären.

Der erste Weg führt auf den ersten Blick in eine Sackgasse: Kuroi östlichdes ionisch-griechischen Kerngebietes sind selten28; tatsächlich sind bislangnur zwei griechische Marmorkuroi aus dem östlichen Mittelmeergebietbekannt (Abb. 1), nämlich der eingangs bereits erwähnte Kopf aus Xanthos(Kat. 29, Abb. 16–18) sowie der Torso eines Kuros aus Marion (Polis-tis-Chrysochou, Abb. 19) auf Zypern.

Bei dem Stück aus Xanthos (Kat. 29, Abb. 16–18) handelt es sich um einenunterlebensgroßen Kopf, der bei den Ausgrabungen 1953 zutage kam und sichheute im Archäologischen Museum von Istanbul befindet29. H. Metzger, derden Kopf publiziert hat, weist ihn der Melos-Gruppe zu und datiert ihn, aushistorischen Gründen später als Richter dies mit ihrer Melos-Gruppe tut, indie Zeit nach 530/25 v. Chr.30. Der Kopf stammt aus dem Gebäude B von derAkropolis in Xanthos; zusammen mit ihm wurden neben attischer Keramikauch Fragmente hellenistischer Reliefkeramik gefunden. Möglicherweise läßtsich diesem Kuros ein weiteres Fragment zuweisen, nämlich das Bruchstückeines rechten Beines, das von den Proportionen her gut passen würde und ent-sprechend unterlebensgroß ist. Dieses Fragment, heute ebenfalls in Istanbul,wurde bei den Orthostaten des Tempels C, also in unmittelbarere Nachbar-schaft von Gebäude B gefunden31. So wird man trotz der lykischen Grabsit-ten, die eine Bestattung innerhalb des Stadtgebietes zulassen, was Denkmäler

NM 12: Richter 122f. Nr. 145 Abb. 425–429.26 Wichtig für die Datierung ostioni-scher Plastik dieser Zeit ist, wie B. Freyer-Schauenburg erkannt hat, der Kuroskopfaus Xanthos (Kat. 29, Abb. 16–18), dadieser durch die Fundumständeannähernd datiert ist und in die Zeit um530/525 eingeordnet wird: H. Metzger,L’Acropole lycienne, Fouilles de XanthosII (1963) 80f.; Freyer-Schauenburg 103.27 E. Akurgal in: Beiträge zur Ikono-graphie und Hermeneutik. Festschrift fürNikolaus Himmelmann (1989) 39. – DerBegriff Landschaftstil soll hier nicht soverstanden werden, wie J. Raeder es inseiner überspitzen Kritik anläßlich derRostocker Tagung von 1991 (in:K. Zimmermann [Hrsg.], Der Stilbegriffin den Altertumswissenschaften [1993]105–109) formuliert hat, keineswegssollen damit ethische Eigenheiten odernaturgegebenes Wesen ausgedrücktwerden. Die Vorstellungen, Stil auf Werk-statt-imanente Traditionen zu reduzieren,können große, regional faßbare Unter-schiede, wie sie etwa attische oderionische Kuroi aufzeigen, nicht erklären.Methodisch bereitet dieser Ansatz zumaldann Schwierigkeiten, wenn das zu–grundeliegende Material nicht – wie beiden von Raeder angeführten Grabreliefs –in großer Anzahl vorliegt.28 Eine umfassende Zusammenstellungder griechisch-archaischen Plastik Klein-asiens fehlt seit langem; grundlegendbleiben daher das Werk von K. Tucheltüber die archaischen Skulpturen vonDidyma (1970) und die Dissertation vonR. Özgan von 1978. Zumindest für diearchaischen Kuroi aus Kleinasien soll dieZusammenstellung im Anhang einen Teildieses Desiderates abdecken, insofernversucht wurde, die bekanntgewordenenSkulpturen und Fragmente vollständig zuerfassen.29 Istanbul, Archäologisches Mus., Inv.5238; hier Kat. 29.30 Metzger a.O. 94.31 Istanbul, Archäologisches Mus., Inv.3089; Metzger a.O. 94.32 London, BM 1864.2-20.1 (B 325);M. Ohnefalsch-Richter, Kypros, die Bibel

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wie das Harpyenmonument eindrucksvoll belegen, den Kuros (oder die Kuroi)von Xanthos nicht als Grabmarkierungen, sondern als Votivgaben eines Hei-ligtums deuten. Folgerichtig interpretiert daher auch Metzger den archaischenKuroskopf von Xanthos als Rest eines Weihgeschenks.

Anders liegt die Situation bei dem Kuros aus Zypern (Abb. 19): Der heutein London aufbewahrte Torso wurde 1886 von Max Ohnefalsch-Richter undCharles Christian in Polis-tis-Chrysochou, dem antiken Marion ausgegrabenund stammt aus dem Dromos von Grab 92 in der Nekropole II32. SchonOhnefalsch-Richter hat seinerzeit darauf hingewiesen, daß damit neben demKuros von Tenea erstmals ein Grabkuros im gesichert sepulkralen Zusam-menhang gefunden worden ist. Der Kuros ist auf Zypern jedoch ein völligesEinzelstück, denn der Typus des unbekleideten Jünglings im Kurosschema istauch in der zeitgleichen kyprischen Kalksteinplastik unbekannt33. Und auchals Marmorwerk steht der Kuros von Marion isoliert da: Marmorvorkommenfehlen auf der Insel, so daß es sich schon aus diesem Grund um ein Import-stück handeln muß. Neben einer bislang nur unzureichend publizierten Mar-morsphinx aus der Belagerungsrampe des benachbarten Alt-Paphos handelt essich bei dem Marion-Kuros um das einzige Marmor-Bildwerk archaischer Zeitauf Zypern34.

Damit scheinen die beiden erhaltenen Kuroi im östlichen Mittelmeerge-biet keine Entscheidung zugunsten der einen oder der anderen Verwendungzuzulassen. Es ist jedoch genauer zu prüfen, wie stark das Zeugnis des Kurosaus Marion tatsächlich wiegt. Der Fundplatz im Inneren des Dromos ent-spricht nicht den Vorstellungen einer Grabmarkierung, wie sie etwa anhandder gesicherten attischen Grabkuroi gewonnen werden kann. Einschränkendkommt unser generell geringes Wissen um den kyprischen Grabkult hinzu.Grabstelen etwa können in, an und auf den Gräbern angebracht worden sein,daneben ist aufgrund der Mehrfachbelegung der Kammergräber mit eineranderen Zugänglichkeit zu rechnen als etwa im griechischen Mutterland. DieSituation des Kuros aus Marion läßt eine genaue Interpretation seiner Funk-tion im Grabzusammenhang nicht zu, wirft aber eine ganze Reihe von ver-wandten Fragen auf, die ebenfalls derzeit nicht beantwortet werden können,etwa die nach der antiken archaischen Siedlung und den Heiligtümern vonMarion. Nun hat schon B. Freyer-Schauenburg bei ihrer Bearbeitung derarchaischen Plastik von Samos 1974 die interessante Beobachtung gemacht,

und Homer (1893) 371 Taf. 27, 3 a. b;F. N. Pryce, Catalogue of Sculpture in theDepartment of Greek and RomanAntiquities of the British Museum I 1(1928) 155f. B 325 Taf. 34; Richter 144Nr. 179 Abb. 527–529.33 Die im Typus des griechischen Kurosgestalteten Kalksteinstatuetten kyprischenStils gehören alle der sog. Aegean Classan, während die ›Cypriote Class‹ diesenTypus nicht kennt, wie naturwissenschaft-liche Untersuchungen zu den im östlichenMittelmeerraum verbreiteten Kalkstein-statuetten belegen; vgl. N. Kourou – V. Karageorghis – Y. Maniatis – K. Polikreti – Y. Bassiakos – C. Xenophontes, Limestone Statuettes ofCypriote Type Found in the Aegean.Provenance Studies (2002) 73. DieAutoren verbinden diese Statuetten undverwandte Typen wie die des Löwenbän-digers und des unbekleideten Musikantenaufgrund ihrer auf Zypern unüblichenmännlichen Nacktheit ausdrücklich mitdem griechischen Kulturraum. Entspre-chende Statuetten kyprischer Prägungwurden u.a. im Heraion von Samos, inLindos auf Rhodos und in Alt-Knidosgefunden.34 Sphinx von Alt-Paphos, aus derBelagerungsrampe: V. Wilson, AA 1975,449; dies., Liverpool Museum Bulletin 1,1951, 27ff. Abb. 4.35 Freyer-Schauenburg 9.36 Athen, NM 3686, aus Keos (»In der

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181716

Abb. 16–18 Kopf eines Kuros aus Xanthos.Istanbul, Archäologisches Museum 5238

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daß »die Zahl der sicher als Grabstatuen verwendeten Kuroi im Verhältnis zuder der sicher im Heiligtum aufgestellten Jünglingsfiguren« auf Samos relativklein ist, »ein Befund, der auch außerhalb von Samos wiederkehrt«35. Diffe-renziert man ihre Untersuchung nach den verschiedenen Landschaften,kommt man zu dem überraschenden Ergebnis, daß nach dem heutigen Kennt-nisstand die Verwendung von Kuroi als Grabmarkierungen mit wenigen Aus-nahmen auf Athen und Attika beschränkt ist, daneben sind gesichert nur derKuros aus Tenea sowie vereinzelte anzweifelbare Beispiele von den Inselnbekannt36. Die Masse der außerattischen Kuroi mit bekanntem Fundkontextstammt aus Heiligtums-Zusammenhängen und diente als Votivgabe. DiesesPhänomen bleibt übrigens nicht auf die Kuroi beschränkt: So ist die Verwen-dung von Sphingen als Grabstatuen in archaischer Zeit nach unserem heuti-gen Wissensstand ebenfalls auf Attika und Korinth beschränkt, während dieSphingen der griechischen Inseln (Kykladen, Thasos), Kyrenes und Kleinasiensausschließlich als Votivstatuen fungierten37. Auch alle Kuroi aus Kleinasien,deren Fundsituation bekannt ist, sind Weihgaben gewesen38.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund nochmals den Kuros in London(Abb. 19), fällt auf, daß in archaischer Zeit auf Zypern gerade in Marion undSoloi griechische Funde besonders häufig sind; auch die epigraphische Evi-denz geht in diese Richtung. Es ist in diesem Zusammenhang auch an diehistorische Situation nach dem Ionischen Aufstand zu erinnern, als der Wider-stand gegen die Perser in Soloi und Paphos besonders ausgeprägt und hart-näckig war39. Dies spricht für eine starke griechische, Athen-orientierteDominanz in dieser Gegend, was sich etwa auch an der Verbreitung sonstigergriechischer Funde archaischer Zeit, aber auch aus der folgenden klassischenEpoche, zeigen läßt40. Die Verwendung des Kuros von Marion im Dromoseines Kammergrabes knüpft möglicherweise ganz bewußt an attische Grabsit-ten an. Jedenfalls ist in diesem westlichsten Teil Zyperns mit einer Situationzu rechnen, in der die Aufstellung eines griechischen Kuros nicht repräsenta-

Nähe eines Haufens von Asche undKnochen ...«, AA 1930, 129): Richter 122Nr. 144 Abb. 419–424; Athen, NM 8, ausThera (»In der Nähe von Felsgräbern anKap Exomyti gefunden«): Richter 69f.Nr. 49 Abb. 178–183. Zu den ebenfallsfraglichen Funden auf Samos s.u.37 Die mitunter etwas zwanghafteInterpretation solcher Sphingen, etwa derNaxier-Sphinx in Delphi, als Grabwächterentspricht somit einer Athen-zentrischenSichtweise. Das Phänomen dieser unter-schiedlichen Verwendung bestimmterStatuentypen in Athen/Korinth und demübrigen Griechenland verdient einegründlichere Untersuchung.38 Dies gilt in noch höherem Maß auch für die Koren, vgl. Freyer-Schauen-burg 9. – Allerdings ist zu überprüfen,inwieweit dieses Bild auch durch dieForschungssituation bedingt ist, da wirbedeutend weniger archaische Nekro-polen als Heiligtümer kennen. Immerhinhaben die bislang untersuchten archai-schen Nekropolen der kleinasiatischenWestküste, etwa Klazomenai, keineentsprechenden Skulpturenfunde geliefert.Eine ausführliche Diskussion der sami-

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Abb. 19 Kuros aus Marion. London, BritishMuseum 1864.2-20.1 (B 325)

schen (Streu-)Funde aus Nekropolenge-biet bietet B. Freyer-Schauenburg, wo-nach möglicherweise zwei der zahlreichenarchaischen samischen Bildwerke alsGrabfiguren gedeutet werden können.Jedoch sind auch sie nur »im Steingeröll«innerhalb des Nekropolengebietes ge-funden worden, was die Deutung alsGrabfigur nicht unbedingt stützen muß:Bei etlichen in der Umgebung bekannterarchaischer Nekropolen gefundenensamischen Statuen, etwa dem Leukios-Kuros, kann die Funktion als Grabfigurtrotz des Fundortes durch die Weihin-schrift gesichert ausgeschlossen werden(Freyer-Schauenburg 8f.).39 Hdt. 5, 113. 115.40 Interessanterweise gilt Soloi aufZypern als athenische Gründung (Strab.14, 6, 3). Auch die Zeugnisse archaischerArchitektur griechischer Prägung konzen-trieren sich auf das Gebiet um Soloi: Sogibt es in Soloi einen archaischen Anten-tempel (E. Gjerstad, The Finds andResults of the Excavations in Cyprus1927–1931, SCE III [1937] 412 Abb.217), einen weiteren Tempel im benach-barten Vouni-Paradisotissa (ebenda Plan

28 nach S. 296) sowie mehrere dorischeBauglieder eines unbekannten Gebäudesaus Soloi (ebenda Taf. 183, 10 und 184,16). Die meisten Importe attisch sf.Keramik des 6. Jhs. v. Chr. stammen ausMarion und werden als Zeugnis für dasInteresse Athens an den nahegelegenenKupferminen gedeutet (R. Meiggs, TheAthenian Empire [1972] 480; A. T. Reyes,Archaic Cyprus [1994] 142). Danebengibt es gerade aus Marion eine Sonder-form attischer Vasen, die lokale kyprischeFormen imitieren und offenbar aus-schließlich für den Export in Athenhergestellt worden sind (›Cypro-jugs‹, vgl.J. D. Beazley, Some Attic Vases in theCyprus Museum [1989] 26f.). – Marmor-stele klassischer Zeit aus Marion:J. D. Beazley, AJA 55, 1951, 333ff. Einebestimmte Keramikgruppe aus Morphoubei Marion gilt als Imitation attischenMalstils (V. Karageorghis – J. desGagniers, La céramique chypriote de stylefiguré [1974–1979] 11).41 Hier Kat. 3. 7. 18. 36. 42.42 Richter 51 Nr. 14 Abb. 84–86.

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tiv für die ganze Insel, geschweige denn für das östliche Mittelmeergebiet zuverstehen ist.

Deuten die bisherigen Überlegungen also stark auf eine ursprüngliche Ver-wendung des Kuros von Mersin als Votivstatue hin, wird dies durch die Unter-suchung der Gruppe der sogenannten Opferträger vollends bestätigt. Bislangsind fünf solcher Statuen aus Kleinasien bekannt41, dazu kommt der Koloss vonThasos42, zwei Beispiele aus Samos43 und ein ebenfalls als Opferträger gedeu-teter Kuros aus Paros in Kopenhagen44. Alle diese Opferträger sind bereitsdurch das Motiv als Votivfiguren zu verstehen; keines der bislang bekanntenBeispiele stammt aus einem Grabkontext.

Nun beweist die Bestimmung des Kuros in Mersin als ostgriechisches Werknicht von vornherein, daß die hinter der Aufstellung der Figur steckenden Vor-stellungen dieselben wie im ostgriechischen Raum sein müssen. Es ist daherals nächster Schritt zu untersuchen, inwieweit die Sitte, großformatige, rund-plastische Statuen aufzustellen, in Kilikien verbreitet ist, wobei auch der Aspektder Nacktheit nicht übergangen werden darf. Dabei sind weiterhin beideOptionen – Grab und Heiligtum – zu beachten. Das Fehlen gesicherter Hei-ligtümer archaischer Zeit in Kilikien erschwert die Beurteilung dieser Frage.Es ist zu untersuchen, ob nach unserem heutigen Wissensstand zumindest dieSitte, rundplastische Steinfiguren aufzustellen, im archaischen Kilikien bekanntwar. Nun hat S. Durugönül jüngst eine Reihe von bekleideten, großformati-gen kyprischen Statuen in Adana publiziert, die eine solche Sitte zu bestäti-gen scheinen. Durch eine umsichtige Analyse hat Durugönül aber wahr-scheinlich gemacht, daß es sich bei den Statuen in Adana um neuzeitlicheSchmugglerware wohl aus Zypern selbst handelt, die mithin keinerlei Rück-schlüsse für die kilikischen Sitten zulassen45. So bleibt also das bisherige Feh-len solcher rundplastischer Statuen in archaischer Zeit zu konstatieren, was dieBedeutung des Kuros in Mersin erhöht.

Der Typus des Kuros ist im griechischen Kulturgebiet entstanden, also kannauch der Schlüssel zum Verständnis des Sinngehalts solcher Figuren nur dortzu finden sein. Grundlegend für das Verständnis der Funktion archaischerKuroi sind die Überlegungen von H. Kyrieleis, die dieser anläßlich der Publi-kation des Isches von Samos angestellt hat46. Die hinter der Aufstellung einersolchen großformatigen, rundplastischen Figur steckenden Vorstellungen sindderart komplex, daß sie nur vor einem kulturell griechischen HintergrundSinn machen. Anders als die Weihung etwa von Bronzekesseln usw. stellt derKuros an sich keinen materiellen Wert dar; es handelt sich also nicht um eine›Abgabe‹ an die Gottheit. Auch durch die äußere Form, die Größe und denfixierten Standort handelt es sich nicht um einen transportablen Wertgegen-stand, sondern verkörpert ebenso durch die Wahl des Materials Stein einenAnspruch auf Öffentlichkeit und Dauerhaftigkeit. Die Votivstatue hat damitlaut Kyrieleis den Charakter eines Denkmals, das die Zeit überdauert. Wennaber nun der Wunsch nach Fortdauer mit so großem künstlerischem Aufwandbetrieben wird, dann kann der Sinn dieses Aufwandes nur vor einem solchenmentalen Hintergrund verstanden werden, der in archaischer Zeit die Vor-stellungen von Zeit, Geschichte und Nachleben bestimmt. Das bedeutet abergleichzeitig, daß der einheimischen Bevölkerung Kilikiens, wenn sie nicht vonder griechischen Kultur geprägt ist, der Sinn des Kuros verschlossen blieb. Einelokale Persönlichkeit würde ihn dann nur weihen, wenn es etwa das in ihremUmfeld übliche Weihgeschenk wäre und sie es nachahmt. Als Einzelstück istdavon auszugehen, daß die griechische Vorstellungswelt, die hinter der Wei-

43 Freyer-Schauenburg 84ff. Nr. 45 Taf.28. 29; 87 Nr. 46 Taf. 13.44 Kopenhagen, Ny CarlsbergGlyptotek, Inv. 2030: Richter 107f. Nr.117 Abb. 347–349; J. D. Pedley, GreekSculpture of the Archaic Period. TheIsland Workshops (1976) 40 Nr. 25 Taf.18. 19. – Deutung als Opferträger bei B. S. Ridgway, The Archaic Style inGreek Sculpture2 (1993) 90. – Erst nachDrucklegung dieses Beitrags wurde einweiterer, unfertig gebliebener Opferträgeraus Paros publiziert, vgl. Y. Kourayos – S. Detoratou, ADelt 55, 2000, Mel 57–72.45 S. Durugönül, Archaic CyprioteStatuary in the Museum of Adana, Olba7, 2003, 93–117. Allerdings sind kypri-sche Funde der Eisenzeit in Kilikien nichtselten. Besonders im Museum von Adanaexistieren eine ganze Reihe von kleinfor-matigen kyprischen Kalksteinstatuetten.In diesem Zusammenhang ist auch aneinen wenig beachteten kyprischen Kalk-steinkopf aus Mersin zu erinnern, den F. W. Goethert bereits 1938 publiziert hat(in K. A. Neugebauer [Hrsg.], Antiken indeutschem Privatbesitz [1938] 10 Nr. 2Taf. 2). Der lebensgroße weibliche Kopfaus der Mitte des 5. Jhs. v. Chr. warseinerzeit in der Sammlung des DeutschenGesandten Dr. Wilhelm Fabricius inBukarest, in der sich auch weitere Antikenaus Mersin befanden. Er ist somit einwichtiger Hinweis auf die Existenz einesklassischen Heiligtums und ein weiteresIndiz, daß die Sitte, lebensgroße Figurenzu weihen, auch in Kilikien zu dieser Zeitgeläufig war. Zu diesem Kopf s.H. Chassimatis, RDAC 1981, 160–168Taf. 31, 1–4 (Deutung auf Athena oderAthena-Priesterin); Christie’s New York,Auction 30. May 1997, 48 Nr. 104;Christie’s New York, Auction 8. June2001, 88 Nr. 134.46 H. Kyrieleis, Der große Kuros vonSamos, Samos X (1996).47 E. Akurgal in: Beiträge zur Ikono-graphie und Hermeneutik. Festschrift für

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hung steckt, so sie nicht mit der indigenen identisch ist, nur einem Griechenverständlich war. Dafür spricht auch die Nacktheit der Figur, die, wie E. Akur-gal bei seinem Aufsatz zur Einordnung der archaischen Großplastik Kleinasi-ens herausgestellt hat, »bei den ... einheimischen Völkern Kleinasiens nicht sogerne gesehen war« und die »gänzlich der griechischen Denkart« entspricht47.

Im Figurentypus des Kuros findet, wie Kyrieleis gezeigt hat, der Arete-Gedankeseinen vollendeten bildlichen Ausdruck. Verbunden ist damit das auch in derzeitgenössischen Literatur zu belegende Streben nach persönlichem, fortdau-erndem Ruhm als Hauptanliegen der archaisch-griechischen Adelsgesellschaft,da der Einzelne nur im Andenken der Nachwelt weiterleben kann. Ist derAspekt der Frömmigkeit gegenüber der Gottheit also nebensächlich, und hatder Weihende vor allem seinen eigenen Ruhm im Auge, kann man die Auf-stellung des Kuros in Zephyrion wohl eher einer lokalen Persönlichkeit vorOrt zuschreiben, als daß man annehmen will, ein Ortsfremder, etwa ein Grie-che aus dem ionischen Osten, habe den Kuros in ein bedeutendes kilikischesHeiligtum geweiht. Diese Überlegung spricht also entweder für die dauerhafteAnwesenheit von Griechen in Kilikien zu dieser Zeit oder für eine weitge-hend griechisch geprägte, indigene Bevölkerung, innerhalb derer sich eineEinzelperson ganz nach griechischem Verständnis durch die Weihung einesKuros herausstellen und verewigen kann. Da entsprechende Wertvorstellun-gen nur von kulturell ebenso orientierten Personen verstanden werden, istauch mit einer entsprechenden Adressatengruppe zu rechnen. Daher ist derKuros von Mersin ein ausgesprochen wichtiges Zeugnis wohl für die Anwe-senheit von Griechen in Kilikien, zumindest aber für eine weitreichende Hel-lenisierung bereits im späten 6. Jh. v. Chr.

Bislang kennt man jedoch kaum ein späteisenzeitliches Heiligtum in Kili-kien48. Einzelne Hinweise aus dem Rauhen Kilikien zeigen, daß es wenigstensin Nagidos oder in seiner Umgebung ein Heiligtum gegeben haben muß49.Auch sind im Rauhen Kilikien bislang zwei ›griechische‹ Nekropolen bekanntgeworden, nämlich in Kelenderis und Nagidos, deren früheste Bestattungenin die frühklassische Periode gehören50. Diese beiden Fundplätze zeigen

Nikolaus Himmelmann (1989) 40.48 Laut S. Durugönül, Olba 7, 2003,114, gibt es bislang kein bekanntes archai-sches Heiligtum in Kilikien, in das eineentsprechende Statue geweiht hättewerden können. Vgl. jedoch neueEvidenzen für rituelle Praxis: L. Zoro=lu,Cilicia Tracheia in the Iron Age: TheKhilakku Problem, in: A. Çilingiro=lu –D. H. French (Hrsg.), Anatolian Iron Ages3, The Proceedings of the Third AnatolianIron Ages Colloquium Held at Van, 6–12August 1990 (1994) 301–309 (offenerKultplatz im Rauhen Kilikien).49 In den Museen von Alanya, Anamurund Mersin gibt es eine Gruppe vonspäteisenzeitlichen Terrakotten, die zurZeit von Mehmet Özhanlı im Rahmeneiner Dissertation an der Akdeniz Üniver-sitesi behandelt werden. Diese Figurenwurden nach Angaben der Verkäufer inder Baugrube eines neuen Hotelsgefunden, das 2–3km nördlich vonNagidos liegt. Da die Größe dieser Terra-

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kotten mit 30 bis 40cm recht beträchtlichist, nimmt man an, daß es sich bei diesemFundplatz um einen offenen Kultplatzoder um ein Heiligtum gehandelt habenkönnte. Die wichtigsten Darstellungensind bekleidete, manchmal bewaffneteoder thronende Männer, bekleideteFrauen sowie Tiere. Die Deutung dieserFiguren und der dahinter stehenden Ritenist, solange der Befund unpubliziert ist,nicht möglich. Sie finden eine kurzeErwähnung bei M. Özhanlı, Adalya 7,2004, 6f.50 Seit 1987 wird die Nekropole vonKelenderis durch L. Zoro=lu ergraben;jährliche Berichte findet man in den KazıSonuçları Toplantısı; vgl. auch L. Zoro=lu,Kelenderis Nekropolü, Olba 3, 2000,115ff. (hauptsächlich zu den Grabformen);ders., Kaynaklar, Kalıntılar, Buluntular,Kelenderis I (1994) und ders., ZweiLekythoi des Klügmann-Malers ausKelenderis, AA 1999, 141–145 zu denBeigaben. Eine spätarchaische Hundestele

aus Marmor (Istanbul, Sadberk Han¦mMuseum) soll angeblich aus Kelendrisstammen, dazu zuletzt J.-Ch. Wulfmeier,Griechische Doppelreliefs (2005) 86.157f. GR 13 mit älterer Lit.Die Nekro-pole von Nagidos wurde schon in den80er Jahren von H. A. Ekinci (MuseumAnamur) ergraben, doch liegt bislangkeine Publikation vor. Die Funde dieserAltgrabung werden von S. Durugönül be-arbeitet. Über die aktuellen Grabungenvon S. Durugönül, die 2003 abgeschlossenwurden, liegen neben Vorberichten in denKazı Sonuçları Toplantısı vereinzelteStudien vor: S. Durugönül, Nagidos’unTarihteki Yeri, in: É. Jean – A. M. Dinçol– S. Durugönül (Hrsg.), La Cilicie.Espaces et pouvoirs locaux, Table RondeIstanbul 1999 (2002) 429–443; dies.,Nagidos’dan (Bozyazı) bir Diadem, Olba3, 2000, 135–141; dies., Nagidos ÜzerineDüªünceler, Olba 2, 1999, 67–78.51 In Soloi wurden bisher zwei klassi-sche Marmorgrabstelen gefunden, die

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jedoch kaum gemeinsame Bestattungssitten und sind daher sicher nicht re-präsentativ für das gesamte, ethnisch sehr stark gemischte eisenzeitliche Kilikien51.

Archaische griechische Großplastik von der kleinasiatischen Südküste

Ein kurzer Überblick über die bislang bekannten Funde archaischer Plastik sollklären, ob der Kuros von Mersin tatsächlich so isoliert dasteht, wie es die Ver-breitung des Kurostypus in Kleinasien (vgl. Abb. 1) erscheinen läßt. Zu die-sem Zweck sollen nun auch andere Beispiele für archaische Plastik in Kilikienund den anderen Regionen der Südküste betrachtet werden.

Die eisenzeitliche Plastik Kilikiens läßt sich in folgende Typen unterschei-den: Bauplastik, Felsrelief, Rundplastik und Terrakottastatuetten52. Aus demZeitraum zwischen dem 12. und 6. Jh. v. Chr. kennt man aus Kilikien vorallem die Reliefs von Karatepe und Domuztepe53. Außer den Denkmälern vonKaratepe und Domuztepe wurden bislang einige weitere sogenannte späthethi-tische (luwische) Steinstatuetten und -reliefs in verschiedenen Teilen Kilikiensgeborgen54; daneben wurden einzelne Felsreliefs aus der neuassyrischen (undauch der hethithischen großreichszeitlichen) Epoche veröffentlicht55. Einedeutliche Forschungslücke besteht nach wie vor bei der Bearbeitung des Mate-

heute im Museum von Adana aufbewahrtwerden. Sie belegen die Existenz griechi-scher Bestattungssitten in Kilikienwährend der klassischen Zeit; s. o. Anm.13. Die Nekropole von Soloi, die sichhauptsächlich in Kuyuluk, etwa 3 kmnördlich von Viranªehir, befindet, wurdebisher nicht systematisch untersucht undist weitgehend unpubliziert. Mindestensseit dem 19. Jh. lassen sich Raubgra-bungen nachweisen. Zahlreiche Grabbei-gaben ohne genau dokumentiertenKontext befinden sich heute im Museumvon Mersin, die eine vage Vorstellung vonden Grabtraditionen dieses Gebietesvermitteln können. Allerdings sind dievorhellenistischen Funde allesamt unver-öffentlicht. Die hellenistischen Alabastradieser Nekropole wurden im Rahmeneiner (bislang unpublizierten) Dissertationbehandelt: H. (Çorbacı) Yılmazer, Anado-lu’da Alabastronlar (Diss., Selçuk Üniversi-tesi 1995). E. Laflı bereitet eine Publika-tion der Beigaben ohne genau bekanntenFundort aus kilikischen Nekropolenaufgrund der Funde in den Museen vonAnamur, Silifke, Mersin, Adana undTarsus vor.52 Terrakotten kyprischen Stils ausGözsüzce (bzw. Gözce) zwischen Anamurund Bozyazı, vgl. N. Arslan, EisenzeitlicheTerrakotten aus Gözce, in: La Cilicie.Espaces et pouvoirs locaux, Varia Anato-lica 13 (2001) 215–242; sowie L. Zoro=lu,Cilicia Tracheia in the Iron Age: TheKhilakku Problem, in: Çilingiro=lu –French a. O. 304 Taf. 27, 2. 2–27, 2. 3.

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Entsprechende Stücke aus den Grabungenvon S. Durugönül in Nagidos sind bislangnur erwähnt: S. Fourrier, Olba 7, 2003,85 Anm. 28. Weitere eisenzeitliche Terra-kotten aus Kilikien wurden in Sırtlaninibei Alanya, Duruhan bei Kelenderis,Soloi, Yumuktepe, Gözlükule, Zeytinli beiTarsus, Misis sowie Sirkeli geborgen.53 H. Çambel – A. Özyar, Karatepe-Aslantaª: Azatiwataya – Die Bildwerke(2003).54 Basaltrelief aus Böcüklü bei Adanamit Darstellung einer Gottheit mitDoppelaxt: H. Çambel, Ein späthethiti-sches Relief aus Kilikien, IstMitt 46, 1996,57–59 Taf. 11. – Basaltstatuette einermännlichen Gottheit auf Wagen, derenBasis eine zweisprachige, luwisch-phöni-zische Hieroglypheninschrift trägt, ausÇine(köy) bei Yüre=ir (Provinz Adana):I. àpek – A. K. Tosun – R. Teko=lu,Adana Geç Hitit Heykeli Kurtarma Kazısı1997 Çalıªması Sonuçları, in: IX. MüzeKurtarma Kazıları Semineri, 27–29 Nisan1998 Antalya (1999) 173–188; R. Teko=lu– A. Lemaire, La bilingue royale louvito-phénicienne de Çineköy, CRAI 2000,981f. – Basalt-Löwe aus Sirkeli: U. B.Alkım, Third Season’s Work at Karatepe,Belleten 13, 1949, 374. Außer diesenpublizierten Beispielen befinden sich inden Museen Adana, Hatay und Tarsussowie in Museen außerhalb Kilikiens nochzahlreiche aus Ost-Kilikien stammendeeisenzeitlich-luwische Großskulpturen(Basalt- sowie Kalksteinreliefs und -statuen), die hier nicht berücksichtigt

werden können.55 Die kilikischen Felsreliefs aus neuas-syrischer Zeit (und auch die hethitischenFelsreliefs der Großreichszeit), insbeson-dere das neuassyrische Felsrelief beiFerhatlı-Uzuno=lan in Adana, das hethiti-sche Felsrelief der Großreichszeit vonKeben bei Mut, zwei hethitische Felsre-liefs der Großreichszeit aus Sirkeli, einhethitisches Felsrelief der Großreichszeitbei Hemite und ein weiteres bei Hanyeriam Gezbelpaß wurden unlängst vonRossner erneut veröffentlicht: E. P.Rossner, Die neuassyrischen Felsreliefs, in:ders. (Hrsg.), Felsendenkmäler in derTürkei 2 (1987). Seither: H. Ehringhaus,Hethitisches Felsrelief der Großreichszeitentdeckt, AW 26/1, 1995, 66; ders. Einneues hethitisches Felsrelief am SirkeliHöyük in der Çukurova, AW 26/2, 1995,118f.; ders., Das hethitische Felsrelief vonKeben, AW 26/3, 1995, 215–219; ders.,Ein hethitisches Felsrelief der Großreichs-zeit bei Hanyeri am Gezbelpaß imAntitaurus, in: B. Otto – R. Ehrl (Hrsg.),ECHO. Beiträge zur Archäologie desmediterranen und alpinen Raumes.J. B. Trentini zum 80. Geburtstag (1990)105–116; ders., Götter, HerrscherInschriften. Die Felsreliefs der hethiti-schen Großreichszeit in der Türkei (2005).56 Eine noch immer nützliche Listebietet F. Prayon – A.-M. Wittke, Klein-asien vom 12. bis 6. Jh. v. Chr. Kartierungund Erläuterung archäologischer Befunde

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rials aus den antiken Kunstlandschaften von Hilakku56: Neben späteisenzeit-lichen und achämenidischen Funden aus Meydancıkkale stammt aus Mut einekontrovers datierte Stele (2. Hälfte des 7./6. Jhs. v. Chr.) mit nachweislichphrygischem Einfluß57.

Griechische Plastik in Kilikien wurde bisher nur an wenigen Fundplätzenund nicht in situ geborgen: das aus feinem Kalkstein gearbeitete Anthemioneiner spätarchaischen Grabstele aus Kelenderis, das 1984 von R. Fleischer alsim Museum von Erdemli publiziert worden ist58, befindet sich heute imMuseum von Mersin und belegt das Vorhandensein griechischer Grabsittenbereits im ausgehenden 6. Jh. v. Chr. In diesem Zusammenhang sei nochmalsan die beiden spätklassischen griechischen Marmorgrabstelen aus Soloi erin-nert, die sich heute im Museum von Adana befinden59. Im selben Aufsatz hatFleischer auch drei graecopersische Friesblöcke eines Bauwerks des 4. Jhs. v.Chr. zusammenstellt, die sich auf die Museen Mersin, Silifke und Adana ver-teilen60. Sie sind für unsere Fragestellung insofern von Bedeutung, als sie auchdie Existenz von monumentalen Gebäuden griechischer Prägung in Kilikienbezeugen.

Im westlich benachbarten Pamphylien belegen die neuen archäologischenForschungen in Perge inzwischen eindeutig die These Ottens von der ExistenzPerges in der Zeit des hethitischen Großreichs und bestätigen so die mythen-hafte antike Überlieferung der Gründung von Perge und anderer pamphyli-scher Städte durch am trojanischen Krieg beteiligte Griechen61. Obwohl dieneuen Grabungen auf der Akropolis von Perge bislang keine archaische Groß-plastik hervorgebracht haben, belegen zahlreiche, zum größten Teil jedochunpublizierte Terrakotten eine griechisch orientierte Ausrichtung in spätar-chaischer Zeit62. Frühklassische Züge weist ein großformatiger Löwenkopf-Wasserspeier auf, der als Eckkasten eines reich geschmückten Dachs griechi-scher Ordnung monumentale (Sakral-?)Architektur griechischer Prägung im5. Jh. v. Chr. belegt63.

Die große räumliche Distanz, die den Kuros von Mersin geographisch vonden reichen Funden archaischer Marmorplastik aus Karien und Ionien trennt,kann jedoch durch einige bislang wenig beachtete Beispiele griechisch-archai-scher Großplastik in Pamphylien und Lykien überbrückt werden, so daß dasBild weniger disparat ist, als es auf den ersten Blick erscheint.

Der von A. M. Mansel 1958 publizierte Basaltkessel aus Side64 verweist inden »nordsyrisch-hethitischen Kunstkreis« und wird von ihm ins 8./7. Jh. v.Chr. datiert, während der von H. Metzger 1952 vorgestellte Kopf einer lebens-

und Denkmäler, in: H. Gaube – W. Röllig(Hrsg.), Beihefte zum Tübinger Atlas desVorderen Orients 82 (1994).57 R. Fleischer, AA 1984, 85ff. Abb.1–4; Prayon – Wittke a.O. 40.58 Fleischer a.O. 90ff. Abb. 6–8.59 s. o. Anm. 13.60 Fleischer a.O. 92ff.; A. Hermary, Unnouveau relief ‘gréco-perse’ en Cilicie,RA 1984/2, 289–300; J. Borchhardt,Epichorische, gräko-persisch beeinflußteReliefs in Kilikien, IstMitt 18, 1968, 161–211; O. Casabonne, La Cilicie à l’époqueachéménide, Collection Persika 3 (2004)(mit ausführlicher Bibliographie); undders., Présence et influence perses enCilicie à l’époque achéménide. Iconogra-phie et représentations, Anatolia Antiqua

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4, 1996, 128ff.61 H. Abbaso=lu – W. Martini, DieAkropolis von Perge I. Survey undSondagen 1994–1997 (2003); M. Recke,Die Akkulturation Pamphyliens amBeispiel der Fundkeramik der Akropolisvon Perge. Ein Vorbericht, in: B. Schmaltz– M. Söldner (Hrsg.), GriechischeKeramik im kulturellen Kontext (2003)251–253; ders., Eine Trickvase von derAkropolis in Perge und andere Zeugnissefür kultische Aktivitäten während derMittel- und Spätbronzezeit. Zur RollePamphyliens im 2. Jahrtausend v. Chr.Festschrift für Hayat Erkanal (im Druck).– In den Kampagnen 2002–2004 sind inPerge große Mengen mittel- undspätbronzezeitlicher Keramik ähnlich der

von Beycesultan gefunden worden sowiespäthelladisch-mykenische Keramik wohlkyprischer Proveninz, die von M. Reckedemnächst detailliert vorgelegt werdenwird.62 W. Wamser-Krasznai, Drei Terra-kottastatuetten, in: Abbaso=lu – Martinia.O. 157–161.63 M. Recke, Der klassische Löwen-kopf-Wasserspeier, in Abbaso=lu – Martinia.O. 145–150.64 A. M. Mansel, Anatolia 3, 1958, 1ff.;ders., Die Ruinen von Side (1963) 4.65 H. Metzger, REA 54, 1952, 13ff.66 J. ànan, Kazı Sonuçları Toplantısı 8, 2(1986) 144 Abb. 50; K. Tuchelt, AA 1989,212 Anm. 137; Deutsches Archäologi-

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großen Hohlterrakotta kyprischer Prägung aus einem Fundort 10km westlichvon Antalya an das Ende des 7. Jhs./Anfang des 6. Jhs. v. Chr. datiert werdenkann65. Beide Fundstücke belegen eine deutliche ostmediterrane Prägung dereinheimischen Kunst Pamphyliens im 8., 7. und frühen 6. Jh. v. Chr. Docherfolgt im Laufe des 6. Jhs. v. Chr. offenbar eine stärkere Orientierung nachWesten, also Richtung Ägäis und Ionien: Neben den beiden bislang nur unzu-reichend publizierten, kykladisch-parischen Marmor-Sphingen von Perge ausder Zeit um 570 v. Chr.66 gibt es in Pamphylien eine weitere archaische Sta-tue, die 1977 publiziert worden ist, einen liegenden Marmorlöwen in Aspen-dos, der von V. M. Strocka in die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. datiert und einermilesischen Werkstatt zugeordnet wird67. Der Löwe befindet sich heute imGarten der Schule von Belkıs, Fundort und Funddatum sind unbekannt. DieVermutung Strockas, er stamme aus der Nekropole von Aspendos, ist ledig-lich aus allgemeinen Überlegungen zur Verwendung archaischer Löwen-skulpturen heraus gewonnen, doch kommt neben einer Verwendung als Grab-statue auch die einer Votivgabe in Betracht68.

Aus dem benachbarten Lykien stammen die oben betrachteten Fragmenteeines oder mehrerer spätarchaischer Kuroi (Kat. 29; Abb. 16–18). Somit sindFunde archaischer griechischer Rundplastik des 6. Jhs. v. Chr. von der türki-schen Südküste zwar selten, aber nicht isoliert, sondern entlang der ganzenKüste zwischen Kaunos und Mersin überliefert69. Ihr vereinzeltes Auftretenwird man daher vor allem forschungsbedingt deuten müssen.

Schlußfolgerungen

Der neugefundene Kuros von Mersin bereichert unsere Kenntnisse in erfreu-licher und vielfältiger Weise: Zum einen als Monument an sich, das durch seineungewöhnliche Armhaltung die Variationsbreite des Bestands an archaischerGroßplastik erweitert. Sein kilikischer Fundort weitet zum anderen die Ver-breitungskarte archaischer Kuroi erheblich aus; tatsächlich ist der Kuros vonMersin der mit Abstand östlichste bislang bekannte Marmorkuros (vgl. Abb. 1).Doch sind gerade mit diesem östlichen Fundort eine Vielzahl von Fragen aufgeworfen worden, die in diesem Rahmen nur angerissen werden konntenund die eine eigene, eingehende Studie erfordern. Davon ist, neben der vor-dergründigen Frage nach Funktion und Aufstellung der Figur, vor allem dieFrage nach der sogenannten griechischen Kolonisation in Kilikien gemeint.Diese Frage wird bislang, abgesehen von historischen und sprachwissen-schaftlichen Ansätzen, aufgrund der keramischen Evidenz diskutiert, vorran-gig natürlich auf Grundlage der griechischen Importkeramik. Diese griechi-sche Keramik breitet sich nach etwa 650 v. Chr. in Kilikien stark aus, wobeidie Formenvielfalt stetig reicher wird70. Dieses archäologisch erschlosseneDatum stimmt mit der historisch überlieferten Gründung der griechischenApoikien an der kilikischen Küste überein. Allerdings hat die bisherige For-schung gezeigt, daß ethnogenische Deutungsversuche und Verallgemeinerun-gen anhand der Keramik zu gefährlichen Ergebnissen führen können71. Nuret-tin Arslans Forderung72, daß für den Nachweis einer griechischen Kolonieneben dem Ausweis der Keramik auch andere Belege heranzuziehen sind, istrückhaltlos zuzustimmen. Doch sind Münzen, Schrift und Architektur in derPraxis schwer einzufordernde Belege. Daher sollten auch spezifisch griechi-sche Sitten, die sich archäologisch fassen lassen, herangezogen werden. Geradedafür ist unseres Erachtens nach der Kuros aus Mersin bestens geeignet. DieVorstellungen, die sich an die Aufstellung einer Votivstatue vom Typus des

sches Institut Rom (Hrsg.), Index derantiken Kunst und Architektur, Fiche 923A 12. A 13; W. Martini, Perge in vor-römischer Zeit. Untersuchungen auf derAkropolis 1994 und 1995, in: Interna-tional Symposion on Settlement andHousing in Anatolia Through the Ages,5.–7. Juni 1996 (1999) 306.67 V. M. Strocka, AA 1977, 498ff. Abb.21–23.68 Ebenda 512.69 Auch aus der Region nördlich desKüstengebiets liegen bisher nur wenigeNachrichten von archaisch-griechischerSkulptur vor: H. Bahar, The KonyaRegion in the Iron Age and Its Relationswith Cilicia, AnatSt 49, 1999, 1–10. –Neuerdings hat man in Üarkikaraa=aç zweispätarchaische Marmorgrabstelen griechi-scher Prägung gefunden, die bisher jedochunpubliziert sind. Die wahrscheinlich ausIonien stammenden Stelen befinden sichheute im Museum von Isparta.70 N. Arslan, Kilikya Bölgesi DemirÇa=ı Serami=i (unpubl. Diss. SelçukÜniversitesi 1999); N. Arslan, Olba 4,2001, 1ff. bes. 5 Anm. 51; E. Laflı,Ceramiche in Cilicia tra XII e VI secoloa.C., Quaderni friulani di archeologia 11,2001, 155ff.; ders., Vorläufige Überle-gungen zur Keramik aus Kilikienzwischen dem 12. und 6. Jh. v. Chr. EineBestandsaufnahme des Forschungsstandsbis an das Ende des 20. Jhs., Res Antiquae1, 2004, 325–358; ders., Alaca Da=: eineneue Fundstelle von späteisenzeitlicherKeramik im westlichen Rauhen Kilikien,in: La Cilicie: Espaces et pouvoirs locaux(2001) 195–213; sowie ders., Five Un-published Vessels from the Museum ofMersin: Cypriot White Painted I Ware inCilicia, Aegaeum 25, 2005, 287–294.71 M.-H. Gates, Kinet Höyük inEastern Cilicia. A Case Study for Accultu-ration in Ancient Harbors, Olba 2, 1999,308f.; N. Arslan, Olba 4, 2001, 1. –Wegen ihrer enormen Bedeutung bei der Frage nach der Chronologie müssenin erster Linie die Importwaren aus denalten und den neuen Grabungen zu-sammengestellt werden, N. Arslan, ZurFrage der Kolonisation Kilikiens anhandder griechischen Importkeramik, in:Schmaltz – Söldner a.O. 258–261.72 N. Arslan, Olba 4, 2001, 1.73 E. Akurgal in: Beiträge zur Ikono-graphie und Hermeneutik. Festschrift fürNikolaus Himmelmann (1989) 35–45.

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Kuros knüpfen, sind derart komplex, daß sie ohne einen entsprechenden Hin-tergrund schwerlich verständlich wären. Doch bleibt natürlich auch der Kurosvon Mersin ein Einzelstück, und für eine breit angelegte Untersuchung die-ser Frage müßte man versuchen, die Funde der Siedlungen und Nekropolenmit ihren Befunden komplett zu erfassen, um die archäologischen Hinterlas-senschaften dieses Zeitraums besser verstehen und interpretieren zu können.

Anhang: Marmor-Kuroi aus Anatolien

Seit der grundlegenden Arbeit von K. Tuchelt zu den archaischen Skulpturenvon Didyma 1970 und der Dissertation von R. Özgan 1978 hat es, außereinem kurzen Beitrag von E. Akurgal zur Einordnung der griechischen archai-schen Großplastik Kleinasiens73, keine umfassende Zusammenstellung mehrgegeben. Eine Fülle von Neufunden läßt dies umso dringlicher erscheinen, alsnur die archaischen Skulpturen von Miletos (zumeist von V. von Graeve) inzahlreichen Einzelaufsätzen eingehend behandelt worden sind. Dieses Desi-derat eines Gesamtkataloges kann an dieser Stelle aus verständlichen Gründennicht erfüllt werden, doch soll zumindest für die archaischen Marmorkuroi ausKleinasien eine Zusammenstellung erfolgen, die die bekannt gewordenenSkulpturen und Fragmente vollständig zu erfassen sucht. Dabei wurden nurMarmorkuroi und (unbekleidete) Opferträger aufgenommen, nicht jedochGewand- und Sitzstatuen. Einzelne Köpfe, die sich nicht zweifelsfrei einembestimmten Typus zuschreiben lassen, sind hier ebenfalls erfaßt. Ausgeschlos-sen hingegen wurden Statuen und Statuetten aus Kalkstein sowie die zumeistkleinformatigen Figurinen aus Terrakotta.

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Ein Marmorkuros in Mersin 21

1. Ankara, Inv. 43-67: KopfFO: Olbia (Nikomedia)Lit.: C. Bayburtluo=lu, Belleten 31,1967, 331–334 Abb. 1–5; Floren 406

2. Balat, Inv. 1687: Torso (Unterkörper und Oberschenkel)FO: MiletLit.: V. von Graeve in: H. Kyrieleis(Hrsg.), Archaische und klassische grie-chische Plastik I (1986) 25 Taf. 7, 1. 2

3. Balat, Inv. 689: Torso eines Opfer-trägersFO: MiletLit.: V. von Graeve in: H. Kyrieleis(Hrsg.), Archaische und klassische grie-chische Plastik I (1986) 25 Taf. 8. 9

4. Balat: KopfFO: MiletLit.: P. Hommel, IstMitt 17, 1967,115 ff. Taf. 4, 1. 2; 5, 1–3; V. von Graeve in: W. Müller-Wiener (Hrsg.),Milet 1899–1980, 31. Beih. IstMitt(1985) Taf. 10, 4

5. Berlin, Inv. –: KopfFO: angebl. Perinthos (ehem. Samm-lung Déthier, Istanbul)

Lit.: C. Blümel, Die archaisch griechi-schen Skulpturen der StaatlichenMuseen zu Berlin (1963) 36 Nr. 26Abb. 70–73

6. Berlin, Inv. 1667: KopfFO: MyusLit.: C. Blümel, Die archaisch griechi-schen Skulpturen der StaatlichenMuseen zu Berlin (1963) 64 Nr. 70Abb. 220. 221

7. Berlin, Inv. 1710: Opferträger,überlebensgroßFO: DidymaLit.: Tuchelt 59 K 16 Taf. 11, 2. 4; 18,1–3; 19, 1; C. Blümel, Die archaischgriechischen Skulpturen der Staatli-chen Museen zu Berlin (1963) 58 Nr.60 Abb. 169–176; R. Heidenreich,Kouros aus Didyma in den StaatlichenMuseen zu Berlin, Festgabe derWinckelmannsfeier des Archäologi-schen Institutes der Karl-Marx-Uni-versität Leipzig (1963)

8. Berlin, Inv. 1749: Rechte Hand einesKuros, überlebensgroßFO: DidymaLit.: Tuchelt 59 K 16 a Taf. 19, 2. 3;

C. Blümel, Die archaisch griechischenSkulpturen der Staatlichen Museen zuBerlin (1963) 59 Nr. 61 Abb. 177. 178[zu Berlin 1710 gehörig?].

9. Bodrum, Inv. 811: TorsoFO: KaunosLit.: O. Gürman, AntK 19, 1976 Taf.22, 3–5; K. Schefold, AntK 19, 1976,117; Tuchelt 130; M. J. Mellink, AJA71, 1967, 168

10. Bodrum, Inv. 816: unterlebensgroßerTorsoFO: MyndosLit.: O. Gürman, AntK 19, 1976 Taf.20, 3–5; Tuchelt 130

11. Budapest, Inv. 8412 (151):OberkörperFO: angeblich Perinthos (ehemals Slg.Déthier, Istanbul)Lit.: A. Hekler, Sammlung antiker Skulp-turen (1929) Nr. 151; H. P. Laubscher,IstMitt 13/14, 1963/4, 82 Taf. 38. 39

12. Didyma, Di S 11: Teil eines linkenFußesFO: DidymaLit.: Tuchelt 52 K 4 Taf. 9, 1

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13. Didyma, Di S 12: Fragmente eines lin-ken und rechten FußesFO: DidymaLit.: Tuchelt 53 K 5 Taf. 9, 2. 3

14. Didyma, Di S 4: Rechte Kopfhälfte mitHinterkopfFO: DidymaLit: Tuchelt 54 K 7 Taf. 12, 1

15. Didyma, Di S 5: Kolossales Kopf-fragmentFO: DidymaLit.: Tuchelt 57 K 11 Taf. 12, 3. 4

16. Didyma, Di S 72: Unterkörper voneinem KoloßFO: DidymaLit.: Tuchelt 56 K 9 bis Taf. 14, 1. 2; 15,1. 2

17. Didyma, Di S 9: Oberkörper, unterle-bensgroßFO: DidymaLit.: Tuchelt 58 f. K 15 Taf. 17, 3. 4

18. Didyma, S 10: Unterkörperfragmenteines OpferträgersFO: DidymaLit.: Tuchelt 59 f. K 17 Taf. 20, 2

19. Didyma, S 101: Fragment eines linkenFußesFO: Subatak (Panormos)Lit.: K. Tuchelt, IstMitt 23/24,1973/74, 159 P 4 Taf. 64, 1

20. Didyma, S 102: Rechter Unterschen-kel eines etwa lebensgroßen KurosFO: DidymaLit.: K. Tuchelt, IstMitt 23/24,1973/74, 159 P 1 Taf. 64, 3. 4

21. Didyma, S 57: Oberkörper, lebensgroßFO: DidymaLit.: Tuchelt 58 K 14 Taf. 17, 1. 2

22. Didyma, S 81: HandfragmentFO: DidymaLit.: Tuchelt 52 K 3 Abb. 10; K.Tuchelt, IstMitt 23/24, 1973/74, 159 P 2 Taf. 63, 2. 4

23. Didyma, S 87: KopffragmentFO: DidymaLit.: Tuchelt 51 K 2 Abb. 9; K. Tuchelt,IstMitt 23/24, 1973/74, 159 P 1 Taf.63, 1

24. Didyma, S 89: Fragment einer rechtenFaust, überlebensgroßFO: DidymaLit.: K. Tuchelt, IstMitt 23/24,1973/74, 159 P 3 Taf. 63, 3

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Ergün Laflı – Matthias Recke22

25. Erdek: Torso (Halsgrube bis Knie)FO: KyzikosLit.: M. J. Mellink, AJA 81, 1977, 313Abb. 27

26. Ephesos, Agora-Depot: Teil eines re.Oberschenkels mit Handansatz, Ansatzdes li. Oberschenkels und Teile desGeschlechtsFO: Selçuk, bei der àsa Bey MoscheeLit.: U. Muss – M. Büyükkolancı, ÖJH58, 1988, 33 ff. Abb. 3. 4

27. Istanbul und verschollen: Zwei Frag-mente (Schulter- u. Rückenpartie;Bauchpartie mit Oberschenkelansatz)FO: DidymaLit.: Tuchelt 55 K 8 a. b mit Lit.

28. Istanbul, Inv. 1358: UnvollendeterKuros (Kopf, Oberkörper und -arme)FO: MiletosLit.: C. Blümel, Griechische Bildhau-erarbeit, 11. Ergh. JdI (1927) 49 Abb.13

29. Istanbul, Inv. 5238: Kopf (Abb. 16–18)FO: XanthosLit.: H. Metzger, L’Acropole lycienne,Fouilles de Xanthos II (1963) 93 f. Taf.51, 1–3; Tuchelt 125 Nr. 55Vielleicht zugehörig ist das Fragmenteines rechten Beines aus Xanthos, Gra-bungsinv. 3089, ebenfalls in Istanbul,vgl. H. Metzger, L’Acropole lycienne,Fouilles de Xanthos II (1963) 94

30. Istanbul, Inv. 2183: Kopffragment, voneinem KoloßFO: DidymaLit.: Tuchelt 56 f. K 10 Taf. 12, 2

31. Istanbul, Inv. 241: KopffragmentFO: DidymaLit.: H. P. Laubscher, IstMitt 13/14,1963/64, 78; F. Eckstein, AntPl 1(1962) 52 f. Abb. 11

32. Istanbul, Inv. 5536: Torso mit KopfFO: Kyzikos / Erdek-ArtakeLit.: H. P. Laubscher, IstMitt 13/14,1963/4 Taf. 32–35, 1; E. Akurgal,AntK 8, 1965 Taf. 26–28, 1; Tuchelt126 Nr. 67

33. Istanbul, Inv. 5760: TorsoFO: Bisanthe (Raidestos)?; ehem. Pri-vatsammlung in Tekirda=Lit.: C. Bayburtluo=lu, Belleten 34,1970, 347–351 Taf. 1–3; Tuchelt 130;Annual of the ArchaeologicalMuseums of Istanbul 13/14, 1967, 90Taf. 69, 4; V. von Graeve, IstMitt 46,1996, 103 ff. Taf. 20. 21

33a.Istanbul, Inv. 6001: TorsoFO: Byzantion, Yenikap¦Lit.: A. Pasinli, Istanbul ArchaeologicalMuseums (2000) 131 Abb. 131

34. Izmir: KopfFO: unbekanntLit.: Richter 111 Nr. 131 Abb. 384

35. Izmir: KopfFO: KlarosLit.: M. J. Mellink, AJA 65, 1961, 49;Tuchelt 130; Floren 396 Anm. 3

36. Izmir, Neues Museum, Messegelände:OpferträgerFO: KlarosLit.: N. Üahin, Klaros. Apollon KlariosBilicilik – Merkezi (1998) 90 Abb. 69;erwähnt bei U. Muss – M. Büyükko-lancı, ÖJH 68, 1999, 40 Anm. 22 (alsSelçuk, Ephesos-Museum).

37. Izmir, Neues Museum, Messegelände:Torso mit Weihinschrift des TheodorosFO: KlarosLit.: N. Üahin, Klaros. Apollon KlariosBilicilik – Merkezi (1998) 90 Abb. 69;91 Abb. 70; erwähnt bei U. Muss – M. Büyükkolancı, ÖJH 68, 1999, 40Anm. 22 (als Selçuk, Ephesos-Museum).

38. Izmir, Inv. 470: Lebensgroßer Torso,von der Halsgrube bis zur Mitte des li.OberschenkelsFO: DidymaLit.: H. P. Laubscher, IstMitt 14/14,1963/63, 80 Taf. 36; Tuchelt 58 K 13Taf. 16, 1–3

39. Izmir, Inv. 508: Kopffragment; rechteHälfte mit HinterkopfFO: Didyma (im Museum irrtümlichals aus Miletos bezeichnet)Lit.: Richter 111 f. Nr. 132 Abb. 385-586; Tuchelt 60 K 18 Taf. 20, 1

40. Izmir, Inv. 520: Torso, lebensgroßFO: DidymaLit.: H. P. Laubscher, IstMitt 13/14,1963/64, 80 Taf. 37; E. Langlotz, Stu-dien zur nordostgriechischen Kunst(1975) Taf. 57, 4–6; Tuchelt 61 K 20Taf. 22, 1–3

41. Izmir, Inv. 1022: KopfFO: Keramos bei HalikarnassosLit.: Richter 111 Nr. 130 Abb. 381–383; E. Akurgal, Die Kunst Anatoliens(1961) 266 Abb. 229–232; F. Eckstein,AntPl 1 (1962) 54 Abb. 16; Tuchelt 125Nr. 53 mit Lit.Laut Eckstein gehört der Kopf zu denhier als Nr. 49–51 aufgeführten Kör-perteilen.

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42. Izmir, Inv. 3504: Opferträger, TorsoFO: KlarosLit.: Tuchelt 130; Floren 396 Anm. 2;J. Dedeo=lu, àzmir ArchaeologicalMuseum (1993) 42 Abb.

43. Izmir, Inv. 4559: Torso, knapp lebens-großFO: DidymaLit.: Tuchelt 60 f. K 19 Taf. 21, 1–3

44. Izmir, Inv. 8345 (I. 3831): Torso, unter-lebensgroßFO: IasosLit.: C. Laviosa, Il santuario di ZeusMegistos e il suo kouros arcaico, in:Studi su Iasos di Caria. Venticinqueanni di scavi della missione archeolo-gica Italiana, 31./32. Beih. BdA (1987)47 ff. Abb. 6–10

45. Kopenhagen, NyCG Cat. 4d (I.N.3407): KopfFO: Miletos?; aus dem KunsthandelBaselLit.: F. Johansen, Greece in the ArchaicPeriod, Katalog Ny Carlsberg Glypto-tek (1994) 48 f. Nr. 9 Abb.

46. London, British Museum: FragmenteFO: Ephesos, Artemision Grabung J. T.Wood – D. G. HogarthLit.: U. Muss – M. Büyükkolancı, ÖJH68, 1999, 40 Anm. 20; dies., ÖJH 58,1988, 32

47. London, BM B 283: Kopf mit Hals undlinker Schulter, fast lebensgroßFO: DidymaLit.: Tuchelt 53 K 6 Taf. 10. 11, 1. 3;Richter 110 Nr. 128 Abb. 371. 372;F. Eckstein, AntPl 1 (1962) 52 Abb. 8.9

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Ein Marmorkuros in Mersin 23

FO: KeramosLit.: Tuchelt 126 Nr. 68 c–g

56. Selçuk, Depot der Ephesos-Grabung,Art. 87/S1: Fragment eines überle-bensgroßen UnterschenkelsFO: Ephesos, ArtemisionLit.: U. Muss – M. Büyükkolancı, ÖJH58, 1988, 33 Abb. 1. 2

57. Selçuk, Depot der Ephesos-Grabung:»einige unansehnliche Fragmente vonetwa lebensgroßen Beinen von Kuroisowie mehrere Fragmente von ... Häl-sen größerer Figuren, wahrscheinlichebenfalls Kuroi«FO: Ephesos, ArtemisionLit.: U. Muss – M. Büyükkolancı, ÖJH58, 1988, 33

58. Selçuk, Ephesos-Museum: unvollen-deter Kuros FO: BeleviLit.: U. Muss – M. Büyükkolancı, ÖJH68, 1999, 36 ff. Abb. 5–10

59. Selçuk, Inv.Nr. 1/1/88: Kopf einerStatuetteFO: Umgebung von SelçukLit.: U. Muss – M. Büyükkolancı, ÖJH58, 1988, 41 f. Abb. 7–9

60. Selçuk: TorsoFO: KlarosLit.: N. Üahin, Klaros 2003, in: Kaz¦Sonu²lari Toplant¦s¦ 26, 1 (2005) 304Abb. 5

61. verschollen, ehemals Halikarnassos:Kopf FO: unbekanntLit.: F. Eckstein, AntPl 1 (1962) 55Abb. 17–19

48. Mersin, Arch. Mus., Inv. 88.3.1: Torso,unterlebensgroß (Abb. 2–15)FO: MersinLit.: bislang unpubliziert

49. Milas, Sakarya àlkokulu = Bodrum4540?: OberkörperFO: unbekannt, aus Keramos? oder ausMylasa?Lit.: O. Gürman, AntK 19, 1976, 84;Tuchelt 126 Nr. 69; H. P. Laubscher,IstMitt 13/14, 1963/64, 84 ff. Taf. 40.41

50. Miletos, Steindepot: KopfFO: MiletosLit.: V. von Graeve, IstMitt 35, 1985,116 f. Taf. 24, 1–2

51. Miletos, Steindepot Inv. 689: Kopfeines unfertigen KourosFO: MiletosLit.: V. von Graeve, IstMitt 35, 1985,117 f. Taf. 24, 3. 4

52. Myus M 76: BeinfragmentFO: MyusLit.: H. Weber, IstMitt 15, 1965 Taf.29, 1

53. Ören: Unterkörper mit beiden Ober-schenkeln und rechtem KnieFO: KeramosLit.: Tuchelt 126 Nr. 68 a

54. Ören: Plinthe mit beiden Füßen, li.Unterschenkel und linkes KnieFO: KeramosLit.: Tuchelt 126 Nr. 68 b

55. Ören: div. Fragmente; rechter Unter-schenkel, Ober- und Unterkörper,Plinthe mit beiden Füßen; linkerUnterschenkel

ZusammenfassungDer bislang unpublizierte Kuros in Mersin ist der östlichste Marmorkuros im Mittel-meerraum; er erweitert das bereits bekannte Verbreitungsgebiet archaisch-griechischerPlastik weit nach Osten und bereichert durch seine ungewöhnliche Armhaltung dieVariationsbreite des Typus. Der wichtige Neufund ist Anlaß, die Entwicklung Kilikiensin der Eisenzeit zu überdenken: Mitte des 7. Jhs. v. Chr. setzt dort nach Aussage derKeramik eine Hellenisierung ein, was mit der historischen Überlieferung griechischerApoikie-Gründungen übereinstimmt. Um der Frage nach der Ethnizität der kilikischenStädte nachzugehen, sind neben der Keramik auch andere Belege heranzuziehen, dieRückschlüsse auf die Gebräuche zulassen. Hierbei spielt die Weihung eines Kuros einewichtige Rolle, da sich die Sitte von Statuenweihungen in Kilikien zu dieser Zeit anson-sten nicht belegen läßt. Merkmale wie die männliche Nacktheit und der von H. Kyrieleisherausgearbeitete komplexe Charakter einer Kurosweihung legen nahe, hierin einenHinweis auf die dauerhafte Anwesenheit von Griechen oder eine weitgehend griechischgeprägte, indigene Bevölkerung zu erkennen.

AbstractThe as yet unpublished kouros in Mersin is the easternmost marble kouros in the Mediter-ranean region; he extends the previously known area of distribution of Archaic Greek

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sculpture far eastwards and widens the range of variation by the unusual position of his arms.In the light of this important new find we consider the development of Cilicia in the IronAge: Hellenisation begins there in the mid 7th century BC according to the testimony ofthe ceramics, and this tallies with the historical records of Greek colonial settlements. Toanswer the question of the ethnicity of the Cilician towns, it is necessary to refer to ceramicfinds and to such other evidence as allows one to make inferences about customs. In thisrespect, the dedication of a kouros plays an important role since, except for this case, thecustom of dedicating statues cannot proven in Cilicia at this time. Features like male nudityand the complex character of kouros dedication as established by H. Kyrieleis suggest that hemay be considered an indication of the permanent presence of Greeks or of an indigenouspopulation that was distinctly Greek-influenced.

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Zeichnung Philipp Kobusch • Abb. 2–8. 10–15: Photo Verf. • Abb. 9: Zeich-nung Jutta Bock-Dickmann • Abb. 16–18: Photo Archäologisches Museum Istanbul •Abb. 19: Photo British Museum

Abkürzungen Floren • J. Floren, Die griechische Plastik I. Die geometrische und archaische Plastik,

HdArch (1987)Freyer-Schauenburg • B. Freyer-Schauenburg, Bildwerke der archaischen Zeit und des

Strengen Stils, Samos XI (1974)Özgan • R. Özgan, Untersuchungen zur archaischen Plastik Ioniens (1978)Richter • G. M. A. Richter, Kouroi. Archaic Greek Youths (1960)Strenz • J. Strenz, Männerfrisuren der Spätarchaik (2001)Tuchelt • K. Tuchelt, Die archaischen Skulpturen von Didyma, IstForsch 27 (1970)

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Ergün Laflı – Matthias Recke24

AnschriftenYard. Doç. Dr. Ergün Laflı,T.C. Dokuz Eylül ÜniversitesiFen-Edebiyat FakültesiArkeoloji BölümüOda NoA: 461/1 Tınaztepe/Kaynaklar Yerle£kesi, [email protected]

Dr. Matthias Recke,Justus Liebig-Universtität GießenInstitut für AltertumswissenschaftenOtto-Behaghel-Str. 10 DD-35394 Gieß[email protected]

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