Deutsches Archaologisches lnstitut • Eurasien-Abteilung
Sonderdruck aus:
EURASIA ANTIQUA
Zeitschrift fUr Archaologie Eurasiens
Band 12 • 2006
I
Verlag Philipp von Zabern • Mainz am Rhein
Kompositgurtel altrussischer Krieger aus dem 10. und dem Beginn des 11. Jahrhunderts
Von Veronika V. Muraseva
Schlagworter: Keywords: npeAM9THbl9 CllOBa:
Russische Foderation/Russland/Mittelalter/Rus'/Gurtel Russian Federat ion/Russia/Medieval period/Rus'/Belt Pocc~<~~cKaA ClleAepau"'A/Pocc"'A/CpeAHeseKosbe/ApesHAA Pycb/noAc
Bei Kompositgurteln handelt es sich um ein mit Metallbeschliigen verziertes Kleidungsstiick, das keine originar altrussische Neuerung darstellt. Als der Giirtel in der Alten Rus' aufkommt, kan n er bereits auf eine lange Tradition zuruckblicken. Gleichwohl konnte bis heute die Frage nach dem Ursprung dieses spezifischen Mannerschmucks nicht abschlieBend geklart werden; Rom 1 wird in diesem Zusammenhang ebenso genannt wie Siidsibirien2, die Datierung schwankt zwischen dem 2./1. ]t. v. Chr. 3 und den ersten Jahrhunderten n. Chr.4 •
Einig ist man sich dagegen in der Frage, dass dem Kompositgurtel innerhalb des Zeichensystems der Kleidung eine besondere Stellung zukommt5•
Als grundlegende Arbeit sei hier das Werk des ungarischen Archaologen Gy. Laszlo genannt, worin er den Kompositgurtel als eines der sozial signifikanten Kulturelemente am Bei~piel der awarischen Vergangenheit abhandelt6 • Dabei weist er am archaologischen Material nach, dass der Gurtel den Rang des Verstorbenen innerhalb der Gemeinschaft anzeigte. V. B. Kovalevskaja sieht im Kompositgurtel des fruhmittelalterlichen Druziniks eine Art Personalausweis, an dem sich seine Stellung innerhalb dieser hierarchischen Struktur erkennen lasstl.
lm fruhen Mittelalter erfreute sich der Kompositgurtel in ganz Eurasien, vor allem aber unter Nomadenvi:ilkern groBer Beliebtheit. Nachdem er im Gebiet der Alten Rus' aufgekommen war, fand er seine Verbreitung in militarischen Kreisen, die den Anfang der Staatsgeschichte markieren. Allem Anschein nach wurde der Gurtel von der Druzina iibernommen, die fremden Einflussen gegenuber empfanglich war und in der diese Stucke ein sozial signifikantes Kulturelement darstellen sollten.
Die meisten Funde von Teilen der Gurtelgarnitur Stammen denn auch aus an wichtigen Fliissen Osteuropas gelegenen Fundorten der sog. DruzinaKultur aus dem Zeitraum vom Ende des 9. Jhs. bis
. 1 AM6po3 1981, 16. 2 K•r.enee 1951, 243; Kblanacoe 1960, 83. J ,llo6li<BHCI<.~~ 1990, 19. 4 AM6poa 1< 1, 16. ~ Murasneva 1997, 113-118. 6 Laszlo 1955. 1 KoeaneecKaA 1970, 144.
zum Beginn des 11. ]hs. (Abb. 1). Der gri:iBte und am besten erhaltene Fund ist Gnezdovo unweit des heutigen Smolensk, das zudem einen Knotenpunkt der Wasserwege von Volchov und Dnepr darstellt (der Weg .,von den Waragern zu den Griechen" aus den alten Chron iken); hier wurde auch die umfangreichste Sammlung von Riemenschmuck entdeckt.
Giirtelgarnituren sind insofern eine wertvolle archaologische Quelle, als sie Aufschluss uber die Herstellungstechnik der Beschlage, die Ornamentierung, die Konstruktion des Gurtels und die Art seiner Niederlegung im Grabkomplex geben8 • In dem hier vorliegenden Artikel kann allerdings nur auf einige Sujets dieser Fundkategorie eingegangen werden.
Herstellungstechnik der Gurtelbleche und Riemenzungen
Bei oberflachlicher Betrachtung der Bleche ki:innte man den Eindruck gewinnen, sie seien alle ausschlieBlich in Punz- oder Pragetechnik ausgefiihrt, da sie auf der Ruckseite ein Negativ des Reliefs zeigen, mit dem die Vorderseite geschmiickt ist. Bei naherer Untersuchung zeigt sich dann aber, dass die durchschnittlich etwa 1 mm dicken Platten zu dick sind, als dass die Pragetechnik hatte Anwendung finden ki:innen, durften sie in diesem Fall doch nicht dicker als ein Zehntel Millimeter sein9•
Daruber hinaus sind auch die Stifte fur die Befestigung am Gurtel nicht angeli:itet, sondern zusammen mit dem Blech hergestellt worden, was nur durch GieBen mi:iglich ist. Bei gegossenen Beschlagen bedurfte das Negativrelief aber einer weiteren Erklarung, womit insgesamt eine eingehendere Beschaftigung mit der Frage nach ihrer Herstellung ni:itig wird.
Die Gurtelbeschlage wurden mit einer binokularen Lupe untersucht, einige StUcke wurden zudem umfassend metallographisch analysiert (Spektralanalyse, Erstellung eines Schliffs und seine Auswertung unter einem metallographischen Mikroskop).
8 Mypaweea 2000. 9 P b16BKOB 1948, 303.
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Abb. 1. Funde von GUrtel· schmuck aus dem
10./Beginn des 11. Jhs. im Gebiet der
Alten Rus'. - A Graber; • Siedlungen; D Hortfunde; + Zufallsfunde;
Areal der VladimirKurgane.
Bleche und Riemenzungen sind ein dankbares Untersuchungsobjekt, da sie ausgesprochen aussagekraftige Serien bilden. Dies ist vor allem fUr die rein visuelle Auswertung mit einem Binokular wichtig, da bei einer. ldentifizierung analoger StUcke eben die kleinen Details auffallen, die von den Besonderheiten der Herstellung zeugen.
Veronika Muraseva
Bei der Auswertung des Corpus wurde nicht ein Exemplar entdeckt, das durch Pragetechnik hergestellt worden ware, und auch die metallographische Analyse bestatigte Strukturen, die fUr das GieBen typisch sind10• Der Prozess des GieBens wie-
10 Vgl. zu diesen Strukturen Eniosova/Murasheva 1999, 1093-1100.
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Kompositgurtel altrussischer Krieger
derum diirfte in mehrere Schritte zu untergliedern sein:
1. Erstellung eines Originalmodells 2. Herstellung einer Tonform 3. Herstellung eines Wachsmodells 4. Herstellung identischerTonformen fiirden Guss 5. Guss einer Serie von Beschlagen Dieser Prozess in mehreren Schritten war frei
lich keine Besonderheit. In den Werkstatten der romischen Provinzen diirfte das GieBen mit kopierten Modellen bereits in den ersten )ahrhunderten n. Chr. bekannt gewesen sein, und auch wahrend der Volkerwanderung und der Wikingerzeit war dieses Verfahren weit verbreitet11 •
Die Rekonstruktion der Herstellungstechnik belegt bestimmte Varianten beim GieBen der Giirtelgilrnituren, die sich insbesondere in der Art der Herstellung des Gussmodells unterscheiden.
1. GieBen mit einem Wachsmodell; das Ornament ist mit einem Stichel ausgefiihrt. Als Merkmal beim GieBen mit einem beschnitzten Wachsmodell sind die meist graben und ungleichmaBigen Konturen des Ornaments sowie seine durchbrochenen Linien zu nennen, wobei feinste Details nachtraglich ausgearbeitet sein konnen 12 • Das StUck wird auf einer flachen Oberflache modelliert, das so erhaltene Wachsmodell mit Ton iibergossen und gebrannt. So entsteht eine ablosbare Form, die abermals mit Wachs iibergossen wird; dann werden der Wachsabguss le1cht ausgebessert und Wachsstifte an ihm befestigt; nun kann der Guss mit verlorener Form erfolgen. Selbst absolut analoge StUcke zeigen Untersch iede in kleinen Details, wie es sich beispielsweise an den prachtvollen Riemenzungen aus Michailovskoe erkennen lasst (Abb. 2). Bei weitgehender Obereinstimmung lassen sich kleinere Abweichungen in der Modellierung der zoomorphen Masken erkennen; zudem sind die einzelnen Details des Ornaments mit einer unterschiedlichen Anzahl von Strichen voneinander getrennt,
2. GieBen mit einem handgeformten Wachsmodell. - Die StUcke, die von einem handgeformten Wachsmodell gegossen worden sind, lassen sich sehr schnell erkennen. Die Riemenzungen sind Ieicht asymmetrisch, haben eine unebene Oberflache· Spuren der Wachsglattung sind bereits mit bloBe~ Auge zu erkennen (Abb. 3).
3. GieBen mit einem Wachsmodell, das mit einem Model hergestellt wurde. - Das wesentliche Merkmal der in dieser Technik hergestellten Giirtelbeschlage ist das Negativrelief auf der Riickseite (Abb. 4,1.2). Die hier verwendete Model hat die Form des Beschlags und zeigt das Positivrelief, falls
Lasz I 2, 8990; Lamm 1973, 97-111; Jansson 1985, 197-203;( ' 1989,170-171.
12 Pb1HAb1 19 ,, 202.
ein Ornament ausgefiihrt ist. Die Beschlage konnen auch unverziert sein. Das Model kann aus Metall gegossen oder aus einem festen Material wie Holz oder Horn geschnitzt worden sein. Um die Matrize zu erstellen, wird das Model in Ton abgedriickt. Theoretisch konnten als Matrize auch Stein- oder Metallformen mit entsprechender Negativdarstellung vorgelegen haben. Auf die Matrize wird eine diinne Wachsschicht aufgetragen und mit einem weichen Gegenstand festgedriickt. Von der Dicke dieser Schicht hangt ab, wie gestochen die Negativdarstellung auf der RUckseite ist: )e dicker die Wachsschicht ist, desto unscharfer wird die Darstellung. Auf diese Weise wird eine ,gepunzte" Wachsplatte hergestellt. In einigen Fallen wurde das Wachs nicht sauber angedriickt, weshalb an den diinnsten Stetlen Risse entstehen, die auch nicht ausgebessert wurden, so dass der in Metall gegossene Beschlag aile Defekte des Wachsmodells zeigt. Neben dem Andriicken des Wachses in der Form ist noch eine andere Moglichkeit denkbar: Das Wachs konnte in
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Abb. 2. Riemenzungen aus Michajlovskoe, Kurgan 1 (oblast' Jaroslavl').
Abb. 3. Riemenzunge aus Gnezdovo (oblast' Smolensk).
356
Abb. 4. GUrtelbeschliige aus
Gnezdovo (oblast' Smolensk) .
Abb. 5. GUrtelbeschliige aus
Gnezdovo (oblast' Smolensk).
Veronika Muraseva
die Form gegossen und dann sofort wieder abgegossen worden sein. Bei der Beruhrung mit der Form ware eine feine Wachsplatte entstanden, die ebenfalls alle Details der Matrize aufweisen wurde und als Wachsmodell Verwendung finden ki:innte.
Mi:iglicherweise wurde jedes durch Kopieren entstandene Wachsmodell individuell ausgebessert, bevor die Wachsstifte an ihm befestigt wurden. Zumindest lie13en sich auf diese Weise die unterschiedlichen Stellen erklaren, an denen die Stifte bei Blechen einer Serie angebracht waren. Die Tonmatrize war somit nur eine Zwischenstufe, um die Wachs· modeln fUr den Guss in verlorener Form zu gewinnen. Besonderheiten des Gie13ens von Gurtelbe· schlagen ki:innten mit den Stiften zu erklaren sein, die ein wesentliches Detail der Beschlagkonstruk· tion darstellen; sie bedingen eine hohle Form und schlie13en den Einsatz einer offenen Form aus.
4. Gie13en mit einem Wachsmodell, in das Vertiefungen fUr Silberdraht angelegt sind.
Beschlage wurden uberwiegend gegossen, wahrend Schmiedetechniken nur eine untergeordnete Rolle spielen (Beseitigung der Gussmangel, Schleifen). Eine Ausnahme bildet hier eine Gruppe von Gurtelgarnituren, deren Bleche mit Silberdrahteinlagen versehen sind (Abb. 5,1). Zu ihrer Herstellung finden Schmiedetechniken eine weitaus intensivere Anwendung, selbst wenn Gussverfahren nach wie vor im Mittelpunkt stehen. Da die Silbereinlage heute langst nicht mehr bei allen Stl.icken vorliegt, konnten die Kammern eingehend untersucht werden; ihre Konturen legen nahe, dass die Kammern in das Wachsmodell eingeritzt wurden (Abb. 5,2). Mi:iglicherweise haben die Meister mit einer Schablone die Blechkonturen aus einer dunnen Wachsplatte geschnitten, dann die Kammern fUr die Tauschierarbeiten ausgeschnitzt und auf der Ruckseite Wachsstifte angebracht (sie wurden ebenfalls in einem Stuck mit dem Blech gegossen). Dann wurden - falls vorhanden - die einzelnen Einlagen wie Rhomben, Dreiecke und Sterne gegossen, der Hintergrund wurde vergoldet und diese beiden Blechteile schlie13lich mit Nieten verbunden13.
Die Betrachtung der Riemenbeschlage aus dem Gebiet der Alten Rus' hat damit gezeigt, dass sie hauptsachlich durch Gussverfahren mit Wachsmodellen hergestellt wurden, auch wenn bisweilen auf andere Modelformen zuruckgegriffen wurde. Auch ·die Mi:iglichkeit, bereits fertige Beschlage zu kopieren, indem sie nicht in Wachs, sondern in Ton gedruckt wurden, gilt es zu bedenken; bei diesem Verfahren mussten zweiteilige Tonformen angefertigt werden.
Untersucht man die Beschlage mit dem binokularen Mikroskop, lassen sich an etlichen Stl.icken
13 Opnoe 1984, 42; 44.
Kompositgllrtel altrussischer Krieger
Spuren einer Verzinnung in Form eines weiBen Metalliiberzugs erkennen; in Ausnahmen handelte es sich auch um Gold. Das Auftragen von solchen Metalliiberziigen ist ein Verfahren, das ausschlieBlich bei der Herstellung von Gurtelgarnituren zur Anwendung gelangte. Zinnschichten schutzen das Metall vor Korrosion; zudem ahneln dann die StUcke den Silberexemplaren.
Traditionen in der Herstellung der Gurtelgarnituren
Eine Analyse der Schmuckelemente von Gurtelblechen lasst, vor allem wenn sie mit Besonderheiten in der Herstellung in Verbindung gebracht wird, verschiedene Richtungen in der Entwicklung der im Gebiet der Alten Rus' verbreiteten osteuropaischen Giirtelgarnituren aus dem 10. und dem Beginn des 11. Jhs. erkennen. Die einzelnen Gruppen von Beschlagen konnen bestimmten Produktionszentren zugeordnet werden, die mit einigen Vorbehalten als .,Schulen" bezeichnet werden durfen.
Das Zentrum der Wolga-Bulgaren
Die iiberwiegende Mehrheit der altrussischen Gurtelbeschlage, die mit einem Pflanzenornament verziert sind, wird in der Regel als Import aus dem Osten angesehen, was sich vor allem dadurch erklart, dass sie aufgrund ihres Ornaments an die Kunst des Arabischen Kalifats denken lassen. Bereits zu Beginn des 20. Jhs. hat T. Arne zur Beschreibung dieser Ornamente den Begriff ,postsassanidischer Stil' gepragt und die Herkunft der meisten Pflanzenmotive auf das islamisierte Persien zuruckgefuhrt14.
Da Vergleiche aus Mittelasien und dem Fernen Osten zu den altrussischen Funden jedoch fehlen, lassen sich die Gurtelgarnituren nicht mit Stlicken aus diesen Regionen in Verbindung bringen, sondern nur mit denen aus dem ostlichen Nachbargebiet, dem Reich der Wolga-Bulgaren. Das einzige Argument, das fUr ein mittelasiatisches Produktionszentrum sprechen wurde, ist eine Zeichnung aus dem Archiv Arnes, die sich in einem Artike! von I. Jansson findet15. Auf ihr ist der Abdruck einer Form oder Matrize zur Herstellung der Gurtelbeschlage aus dem Museum in Samarkand dargestellt. Das Blech zeigt aber kein Ornament und ist auch zeitlich nicht verankert, weshalb aus ihm keinesfalls zu schlussfolgern ist, dass die StUcke aus Mittelasien eingefiihrt wurden.
::>agegen sprechen fUr das Reich der Wolga-St.: als Herstellungszentrum der Gurtelgarnitu-
1 118-12 1 ; 32 139. 96 Abb. 10,13.
ren gleich mehrere Faktoren. Zum einen liegen in den 1991 veroffentlichten Funden aus den bulgarischen Siedlungen an der unteren Kama 16 eine weitere Gurtelgarnitur und Beschlage mit Abdrucken der Gussoffnung vor17, was ganz entschieden fur eine lokale Produktion spricht.
Die groBte Zahl an Beschlagen, die denen im Gebiet der Alten Rus' entsprechen, sind von finnugrischen Wolgavolkern bekannt, den Mari (fscheremissen) und den Mordvinen. Dies lasst sich vor allem damit erklaren, dass sich der Islam bereits im 9. Jh. unter den Wolga-Bulgaren auszubreiten begann18 und nach moslemischem Ritual angelegte, beigabenlose Bestattungen selbst in relativ fruhen Graberfeldern wie Tankeevskij einen hohen Anteil haben19. Nach 922 (die Gesandtschaft des Kalifen von Bagdad, Muqtadir, zu der auch Ibn Fadlan gehorte) konnte sich der Islam endgultig durchsetzen. Die nachsten Nachbarn der Bulgaren aber, die Mari und Mordvinen, bewahrten sich ihr Heidentum, weshalb die StUcke bulgarischer Handwerker sich auch weiterhin in groBer Zahl in den Grabern dieser Volker fanden. E. P. Kazakov weist darauf hin, dass der Ausbau der Kontakte und vor allem der Handelsbeziehungen zu den Wolga-Finnen in der zweiten Halfte des 10. Jhs. einsetzte20• Dies ist durch die Konsolidierung des bulgarischen Staates, die Grundung von Stadten und das Aufbluhen des Handwerks bedingt, wobei sich ein Markt fUr die Erzeugnisse vor allem bei den Nachbarvolkern fand 21.
Fur das Gebiet der Wolga-Bulgaren als bedeutendes Zentrum zur Herstellung osteuropaischer Gurtelgarnituren spricht auch die Analyse der ornamentalen Traditionen. Gerade dieses Gebiet schien pradestiniert, die chasarische Toreutik sowie die postsassanidischen und islamischen Traditionen zu synthetisieren. Die Saltovo-Majack-Kultur brachte eben jene Typen metallenen Gurtelschmucks hervor, die fUr die Entwicklung der osteuropaischen Gurtelgarnituren von besonderer Bedeutung waren. Am beliebtesten war dabei das fUr die chasarische Kunst klassische, figurlich gearbeitete Blech mit einer bse, durch die ein kleiner Ring gezogen wurde. Das Blech war mit einer Komposition aus vier Dreiblattern verziert (,knospenartige Blatter" in der Terminologie Arnes); sie waren durch sehr feine Triebe unterteilt, die in runde, am Rand der Platte liegende .,Miniaturbuckelchen" mundeten (Abb. 6,1). Nahezu alle Details dienten als Grundlage der weiteren Entwicklung (Abb. 6,2-13).
16 Ka3aKOB 1991. 17 Ka3aKoe 1991, 56. 18 XanHKOB 1991, 49. 19 Khalikova/Kazakov 1972. 2° Ka3aKoe 1985, 34. 21 Ka3aKoe 1985, 27.
357
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Abb. 6. Glirtelbeschlage der Wolgabulgarischen
Schule, deren Aufkom· men mit der Saltovo
Majackaja-Kultur zu verbinden ist. - 1 Blech
aus der SaltovoMajackaja-Kultur;
2.8.11.13 Gnezdovo (oblast' Smolensk);
3.4.7.9.12 oblast' Vladi-mir (genauer Fundort
unbekannt); 5 Timerevo (oblast' Jaroslavl');
6 Davydkovo (oblast' Vladimir); 10 Sednev
(oblast' Cernigov).
Abb. 7. 1 Beschlag aus
Gnezdovo (oblast' Smolensk); 2 altrus
sische geschnitzte Platte aus dem Gebiet
um Bagdad, zweite Halfte des 8. )h. (nach
Dimand 1937).
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Trotz des ganz offensichtlichen Einftusses der islamischen Kunst mit dem elaborierten Pflanzenornament konnten bislang nur wenige StUcke gefunden werden, die fUr die osteuropaischen Giirtelgarnituren als Vorlage in Frage kamen; das auffalligste ist eine geschnitzte Holzplatte aus dem 8. Jh. mit einem ftiigelformigen Motiv aus dem Museum in Kairo (Abb. 7,2)22 •
Bei den meisten mit einem in unterschiedlichem MafSe schematisierten Pftanzenornament verzierten Giirtelbeschlagen lasst sich auf der Riickseite ein Negativrelief erkennen, das die Herstellung durch
22 Dimand 1937, Abb. 6.
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GiefSen mit einem ,gepunzten" Wachsmodell vermuten lasst (3. Verfahren, s. o.). Die in der Tradition der Wolga-Bulgaren stehenden Beschlage dominieren im Gebiet der Alten Rus' eindeutig.
Die ,skandinavische" Tradition
Die Giirtelgarnituren skandinavischen Ursprungs lassen sich ohne Probleme bestimmen 23. Als klares und eindeutiges Merkmal ist hier die spezifische Verzierung zu nennen, fUr welche die Verbindung eines zoomorphen Ornaments und eines Bandgeftechts charakteristisch ist. FUr das Gebiet der Alten Rus' sind Beschlage bekannt, die in zwei Ornamentstilen verziert sind. Am starksten verbreitet war der Borre-Stil (zweite Halfte des 9. Jhs. bis 10. Jh.; Abb. 8,1-5.7 -10), zwei Serien liegen aber auch im Oseberg-Stil vor (Ende des 8. Jhs. bis erste Halfte des 9. Jhs.; Abb. 8,6.11). Alle Komplexe, die Beschlage beider Stilrichtungen enthielten, sind ins 10. jh.24 zu datieren.
23 Mypaweea 1998, 154-164. 24 Mypaweea 1998, 160; Mypaweea 1999, 25-34.
Kompositgurtel altrussischer Krieger
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Neben diesem Ornament ist fUr die skandinavische Schule ein Gussverfahren charakteristisch, bei dem eine geschnitzte Wachsmodel verwendet wurde (1. Verfahren, s. o.). Bislang lasst sich nicht sagen, ob die Gi.irtelgarnituren aus Skandinavien eingefiihrt oder vor Ort gegossen wurden. Da aber auch einige andere Schmucksti.icke der Wikinger in der Alten Rus' hergestellt worden sind2s, ki:innte dies auch bei den Gi.irtelbeschlagen mi:iglich gewesen SPill.
,; EH-~coaa 2001, 83- 92.
I -oi.l.
10 11
Das ,.Cernihov-Zentrum" (zweite Halfte des 10. Jhs.)
12
Die einzigen Sti.icke, von denen sich mit Sicherheit sagen lasst, dass sie in der Alten Rus' angefertigt wurden, sind Beschlage der ,Cernihov"- oder Mitteldnepr-Schule, die sich deutlich von allen anderen unterscheiden. lhre charakteristischen Merkmale sind: eine flache Ober- und Unterseite, Nieten und Silberintarsien (Abb. 9). Bisweilen zeigen die Beschlage noch eine weitere Einlage, die meist vergoldet und gepunzt ist. lhr Herstellungsverfahren ist im Unterschied sowohl zur Tradition der Wolga-Bulgaren wie auch zur skandinavischen Schute zu sehen (4. Verfahren, s. o.).
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Abb. 8. Gurtelschmuck skandi· navischen Ursprungs. 1,6 Michajlovskoe (oblast' Jaroslavl'); 2-5.7-12 Gnezdovo (oblast' Smolensk) .
360
Abb. 9. Riemenschmuck der
i":ernihov·Schule. 1.3 Sednev (oblast'
i":ernigov); 2.4.5 Gnezdovo (oblast'
Smolensk).
Abb. 10. Ein Satz GUrtelschmuck
aus Timerovo, Kurgan 450 (ablast' )aroslavl').
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• 4 5
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Am haufigsten begegnen diese Stucke am mittleren Dnepr und insbesondere im Kurgan Cernigovscina; daruber hinaus sind sie in relativ groBer Zahl fUr Gnezdovo belegt, ein Blech wurde zudem in Staraja Ladoga gefunden, andere in Ungarn.
Die Bezeichnung ,Schute" zielt auf den Fundart der meisten StUcke ab. Vermutlich sind die Silberintarsien der Gurtelgarnituren aber am Hofe des Kiever GroBfUrsten hergestellt worden. Von der Kiever Nekropole aus heidnischer Zeit liegt jedoch nur noch ein kleiner Teil vor, da sie weitgehend bei Bautatigkeiten im Mittelalter zerstbrt worden ist. Diese Oberreste durften kaum einen angemessenen Eindruck von ihr vermitteln. Darin wurden bei Grabungen jedoch Beschlage der hier betrachteten Richtung gefunden26 •
Zur Rekonstruktion des altrussischen Kompositgiirtels
Das Aufkommen des Kompositgurtels fUr Krieger ist bereits einige Jahrhunderte vor ihrem Bekanntwerden in der Alten Rus' anzusetzen. In dieser Zeit hat sich ihre Form .durchaus verandert. So sind Gurtel mit und ohne zusatzliche herabhangende Riemen
26 Kaprep 1948, 187; 199.
Veronika Muraseva
sowie Doppel- und Einfachgurtel bekannt. Von besonderem Interesse ist fUr uns der ungarische Gurtel aus der Zeit der Landnahme, bei dem ein Ende durch einen Bugel oder einfach uber ein Gurtelstuck gezogen wurde und frei herabhing, wahrend das andere eine Schnalle hatte (Abb. 11,4). Die wesentliche Konstruktionsbesonderheit ist in dem zusatzlichen lnnenriemen zu sehen, der nicht mit Metallbeschlagen verziert war und mit dem der Gurtel geschlossen wurde, indem der Riemen durch die Schnalle gezogen wurde27•
Wie konnte nun der Gurtel eines altrussischen Druziniks ausgesehen haben? Die Gurtel der Nomaden, der Barbaren wahrend der Volkerwanderung sowie der Sogdier sind auf Skulpturen, Wandmalereien und Mosaiken dargestellt, was ihre Rekonstruktion erheblich vereinfacht28 . Dagegen sind die einzige solide Grundlage fUr die Rekonstruktion des altrussischen Kompositgurtels Grabfunde, die einen Gurtel in situ enthielten. Freilich erlauben der Zustand des Materials und die Grabungsdokumentation nur fUr vier Komplexe eine entsprechende Auswertung: Kurgan 450 aus Timerevo, Kurgan L-95, C-160 und C-191 aus Gnezdovo).
In Timerevo, Kurgan 450 (Umkreis Jaroslavl', obere Wolga) lag das Skelett nicht mehr vor. Der Gurtel fand sich in der Mitte der Grabgrube. Es handeft sich um einen 2 em breiten Lederriemen, der aus zwei Fragmenten von 66 em bzw. 32 em Lange besteht. Auf den Riemen waren 36 herzfOrmige Silberbleche aufgesetzt, die mit einer Blume mit fl.inf Blutenblattern verziert waren29• Der Satz besteht aus zwei Beschlagvarianten, 16 breiten und 20 schma· len. Ein Riemenende hat eine Schnalle mit festem Schild, das andere eine Riemenzunge (Abb. 10). 17 schmale Beschlage liegen, ausgerichtet an der Langsachse, hinter der Schnalle, die anderen drei sind nahe der Riemenzunge aufgesetzt. Die breiten Beschlage sind, ausgerichtet an ihrer Querachse, in einer dichten Gruppe in der Riemenmitte aufgesetzt.
Ober den Kompositgurtel hinaus wurden eine kleinere Riemenzunge und Fragmente eines schmalen Riemens gefunden (B 1,3 em; L 11,0 em, 4,4 em, 4,3 em und 3,4 em). Diese kleine Riemenzunge kann nur zu einem zusatzlichen lnnenriemen gehort haben - die Oberreste durften von diesem stammen -, der wie bei dem ungarischen Gurtel zum VerschlieBen der Schnalle diente. Dafl.ir sprache auch, dass die groBe Zunge des Hauptriemens etwa 2 em breit ist, wahrend die Offnung im Schnallen· gatter nur ca. 1,6 em misst, weshalb von einer zu· satzlichen Verschlussmoglichkeit ausgegangen wer·
27 Dienes 1959, 153 Abb. 8; Dienes 1960, 185 Abb. 9. 28 Pacnonosa 1980, Abb. 50; 51; 55; 57; nneTHesa 1981, 265
Abb. 88; Schmauder 2000. 29 <PexHep/HeAOW«B«Ha 1987, 72; 75 Abb. 4.
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zuwer-
265
Kompositgurtel altrussischer Krieger
den muss. Dam it riickt der Giirtel a us Timerevo in die Nahe des ungarischen, von dem er sich nur durch ~ ~tne ~etallbeschlage auf dem lnnenriemen untersch ., Dass diese Variante auch in der Alten Rus' beg hat bereits Jansson angemerkt30 •
10 )an 1986, 78; 105.
5
2
Die meisten Funde altrussischer Giirtelgarnituren stammen aus Gnezdovo. Hier wurden in 45 Komplexen Reste von Kompositgiirteln und Zaumzeug festgestellt, wobei das reiche Material aus Grabungen des 19. Jhs. stammt, das nicht naher ausgewiesen wurde, noch nicht einmal beriicksichtigt ist. Einen prachtvollen Kompositgiirtel fanden D. A. Av-
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Abb. 11. 1-3 Gurtel aus Gnezdovo, Kurgan C-160 (oblast' Smolensk) (1 Ausschnitt der Feld skizze; 2 Satz von Metallschmuck; 3 Rekonstruktion); 4 ungarischer Gurtel aus der Zeit der Landnahme (nach Dienes 1959); 5 Gurtel der SaltovoMaiack-Kultur (nach Sramko 1962).
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dusin und T. A. Puskina bei ihren Grabungen 1990 in Kurgan C-160. Der 168 em lange und 1,7-2,0 em breite Lederriemen lag noch fast vollstandig vor. Die Anordnung der Riemenreste lasst darauf schlie-13en, dass er um den Korper geschlungen war -vom Skelett gibt es kaum Oberreste - und ein Ende herabhing (Abb. 11,1). Der Gurtel war mit drei unterschiedlichen Beschlagarten besetzt: Auf das freie Ende und das anschlie13ende Stuck waren 34 herzformige, langlich gestreckte Beschlage mit figurlich gearbeitetem Rand und geometrischem Ornament aufgebracht (Abb. 11,2). Der ubrige Bereich war mit breiten herzformigen Beschlagen verziert, die mit dem spitzen Ende nach oben wiesen. 29 dieser StUcke waren mit einem Dreiblatt verziert, drei mit Elementen eines geometrischen Ornaments. Zwei der letztgenannten lagen neben den schmalen herzfOrmigen Stiicken und eroffneten gleichsam die Reihe der breiten Beschlage, wahrend das dritte Exemplar die Reihe der Dreiblatter am Riemenende .. zerschneidet" und den Schnallenabschluss bildet.
Das herabhangende Gurtelstuck ist mit einer Riemenzunge mit Pflanzenornament versehen (Abb. 11,3). Die Schnalle liegt nicht in der Mitte, sondern ist zur rechten Seite versetzt. Ein einzelnes kleineres Riemenfragment (B ca. 1,0 em) lag am hinteren Gurtelteil, etwas zur linken Seite hin. Es war mit einem kleineren Blech und einer Miniaturriemenzunge verziert. Bei diesem handelt es sich allem Anschein nach um Reste eines zusatzlichen lnnenriemens, mit dem der Gurtel auf dieselbe Weise wie der in Timerevo verschlossen wurde. Der Riemen war mit Metallblechen besetzt, die ihn von dem klassischen ungarischen Gurtel unterscheiden (Abb. 12). Das wiederholte Auftreten dieses Details erlaubt es, von einer altrussischen Variante des ungarischen Gurtels zu sprechen. An der rechten Seite des Toten lagen in situ Metallbeschlage von einem Beutel, dessen Verschlussriemen mit zwei breiten herzfOrmigen Blechen verziert war, die den Gurtelbeschlagen entsprechen, wahrend den Riemen ansonsten kleine Bleche schmuckten, die denen entsprechen, die sich auf dem zusatzlichen lnnenriemen des Gurtels finden. Somit durften sich die Beschlage von unterschiedlichen Gegenstandskategorien kaum unterschieden haben; ihre unterschiedlichen Formen hangen somit eher mit asthetischen Anspruchen und Konstruktionsbesonderheiten zusammen. Der Beutel und der Gurtel bilden ein Set, das bereits bei der Herstellung oder erst bei der Reparatur zusammengestellt worden sein kann. Fur die letztgenannte IJermutung spricht vor allem, dass die breiten herzfOrmigen Beschlage mit geometrischem Ornament, die auf beiden Stiicken zu finden sind, beim Gurtel Ieicht fremdartig wirken. Daruber hinaus ist ihre geringe Zahl und Zufalligkeit in der Anordnung bemerkenswert, zerschneidet doch eines der
Veronika Muraseva
StUcke die dichte Reihe der Beschlage mit Pflanzenornament. Unter Umstanden ist also die Anfertigung des Beutels zeitlich mit der Ausbesserung des Gurtels zusammengefallen.
Ein weiterer bemerkenswerter Gurtel wurde in Gnezdovo, Kurgan L-95 gefunden (Abb. 12,1-3). Er war mit Bronzeblechen verziert, von denen eines herzformig war, wahrend die anderen 58 als Felidenkopfe gearbeitet waren 31. Diese Beschlage sind vollig einzigartig. lhre Darstellungen sind detailliert ausgefiihrt: Die spitzen Ohren der Tiere stehen hoch, zwischen ihnen ist bei fast allen Beschlagen mit Strichen die Stirn angezeigt; die runden Backen sind ebenso ausgefiihrt wie die Bra uen, die in der Regel in einer Linie zusammen mit der Nase gezeichnet sind (Abb. 12,1-3). Bei 21 Blechen ist unten eine Ose angebracht, durch die in sechs Fallen ein Ring gezogen war; alle ubrigen Bleche haben keine solche bse. Nicht ganz klar ist, wie der Gurtel verschlossen wurde, da eine Schnalle fehlt. Moglicherweise dienten dazu zwei Riemenzungen, die rechts neben dem Toten lagen und an die lange Lederschnure geknupft waren (Abb. 12,2)32 .
Auch die Rekonstruktion des Gurtels ist ausgesprochen schwierig, da die Lage der Riemenreste hier mehrere Moglichkeiten offen lasst. So konnte der Gurtel zweimal um den Korper geschlungen worden sein und dann mit den kleinen, mit Zungen versehenen Riemen, die an den Gurtelenden befestigt worden waren, geschlossen worden sein. Die beiden Verschlussriemen mit den Schnuren etwa gleicher Lange lie13en aber auch eine Konstruktion zu, die dem in Podbolot'e, einem finn-ugrischen Graberfeld a us dem 9.-10. )h. im oblast' Vladimir, gefundenen Gurtel entsprechen wurde33, dessen herabhangende Enden ebenfalls mit Blechen verziert waren (Abb. 12,4). Der Gurtel in Podbolot'e hat zwei kleinere herabhangende Enden und wurde mit einer Schnalle geschlossen, die an zwei lnnenriemen befestigt war. Bei dem Stiick in Gnezdovo, Kurgan L-95 konnten die Riemenzungen mit den angeknupften Schnuren eine ahnliche Rolle gespielt haben.
Schlie13lich ware noch eine dritte Moglichkeit denkbar: Vielleicht liegt auch hier ein Gurtel ungarischen Typs vor, bei dem eine Verschlussschnur an das eine Gurtelende angeknupft war, wahrend die zweite am lnnenriemen befestigt war. Bei einer solchen Konstruktion musste das frei herabhangende Gurtelende uber den am Korper anliegenden Teil geschlungen und zuruckgezogen werden. )ede der
31 ABAYCHH 1970, 239; 274. 32 ABAYCHH 1970, 279 Abb. 15. 33 ropOAL10B 1914, 88 Abb . 31.
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kennen lassen, selbst wenn letztere eine eindeutig zoomorphe Darstellung zeigen (Abb. 12,5) . Charakteristische Merkmale in einer Anhangergruppe36
sind die Darstellung von Locken auf den Wangen, die detaillierte Zeichnung der Frisur sowie die hoch angesetzten Ohren, wahrend als stilistische Besonderheiten alter anthropomorphen Darstellungen die Verbindung von Brauen und Nase festzuhalten ist37.
Diese Merkmale lassen sich auch auf den Blechen aus Kurgan L-95 erkennen, selbst wenn das Sujet ein anderes ist. Somit vereinigt der Gurtel aus Gnezdovo recht eigenwillig Altaj- und Saltovo-Traditionen. Als Ergebnis entsteht ein Objektiv dekorativangewandter Kunst, bei dem in barbarischer Unbefangenheit unterschiedliche Konstruktions- und Zierelemente kombiniert wurden, was nicht immer auf ein genaues VersUindnis ihrer ursprunglichen Bedeutung schlieBen lasst.
Ein weiterer Kompositgurtel stammt aus Kurgan C-191 (Grabungen von D. A. Avdusin 1976). Der Lederriemen liegt zwar nicht mehr vor, dafl.ir sind die Metallbeschlage aber unbeschadigt (Abb. 13,2). Auf den Gurtel waren 10 breite und 18 schmale herzformige Beschlage aufgesetzt, die alle mit einem Dreiblatt verziert waren. Hinzu kommen noch flinf Riemenzungen mit figurlich gearbeitetem Rand und zwei runden Einbuchtungen entlang der Langsachse, eine Riemenzunge mit einem stilisierten Pflanzenornament, drei Ringe, drei im Langsschnitt ovate Bugel und eine Schnalle mit festem Schild (Abb. 13,1). Hinten liegen die Bleche in zwei Reihen, von denen eine mit einer Riemenzunge abschlieBt; bei ihr durfte es sich urn das nach unten hangende Ende handeln. Geht man davon aus, dass der Tote den Gurtel zu Lebzeiten genauso getragen hat, wie er im Grab niedergelegt worden ist, muss sich das herabhangende Ende an der rechten Seite befunden haben, auf der auch die Schnalle lag. Diese durfte - im Unterschied zu der hier beschriebenen ungarischen Variante - am lnnenriemen angebracht gewesen sein, auf den wohl auch einer der schmalen Beschlage aufgesetzt war (Abb.13,3).
Einer der Ringe lag in der Ruckenmitte, die beiden anderen vorn, symmetrisch zu den Seiten hin. Der Riemen wurde mit Bugeln an den Ringen befestigt, die doppelt gelegten Riementeile mit den Stiften der Riemenzungen gehalten, woflir auch die MaBe des Abstands zwischen der Ruckseite der Zungen und dem gebogenen Ende der Stifte sprechen. Der Abstand betrug genau 4 mm, wahrend er sonst der Standardbreite eines Riemens von 2 mm entsprach. Beim rechten vorderen Ring ist nur eine Riemenzunge verwendet worden. Moglicherweise
36 Kb13nacoe/Koponb 1990, 127 Taf. 32, Gruppe 7. 37 Kb13/lacoe/Koponb 1990, 129 Abb . 38,1.2 .
wurde das herabhangende Ende durch den Ring im Rucken gezogen; die zweite Blechreihe reicht hier genau bis zu diesem Ring heran. Fur sie wurden nur die schmalen herzfOrmigen Bleche gewahlt, wahrend am Rucken nur breite StUcke aufgesetzt waren; vorn lagen ein breites und vier schmale Bleche, die sowohl an der Langs- wie auch an der Querachse ausgerichtet sein konnten. An den rech· ten Ring wurde wahrscheinlich vermittels eines Riemens mit zwei Eisenringen ein Beutel befestigt, in dem sich Knochenspitzen, Feuerstahl und Feuerstein fanden .
Der hier untersuchte Gurtel unterscheidet sich von allen anderen vor allem dadurch, dass die Rin· ge genutzt wurden, urn einzelne Riementeile mit· einander zu verbinden. Diese Tradition ist eher fUr baltische Gurtel charakteristisch (Abb. 13,4)38 ; bei finn-ugrischen Gurteln treten diese Ringe dagegen seltener auf39 . Kompositorisch lassen sich der Gurtel aus Gnezdovo und die baltischen StUcke vor allem durch die Riemenzungen vergleichen, die an die Ringe anschlieBen. Sie ersetzen die speziellen, langlichen Klammern, bei deren Verwendung der Riemen nicht durch den Ring gezogen werden muss40.
Die vorliegende hybride Form konnte somit die kom· plexen Prozesse der unterschiedlichen Einwirkungen widerspiegeln, die bei der Entstehung einer genuin altrussischen Kultur zum Tragen kamen.
Sch lussbetrachtu ng
Der Kompositgurtel war in der Rus' vor allem im 10. und am Beginn des 11. Jhs. ungemein beliebt. In diese Zeit datieren die etwa dreitausend bekannten Funde von Gurtelblechen und Riemenzungen. Mit der Formierung der Rjurikiden-Dynastie kommt aber auch die groBfurstliche Druzina auf, die von ihrer Funktion her dem Stammesadel im gemeinschaftlichen und politischen Gefl.ige gegenubersteht, sich offen gegenuber auslandischen Einflussen zeigt und empfanglich fUr die sozial signifikanten Elemente der internationalen ,Druzina-Mode" ist41 • Eine der markantesten Modeerscheinungen ist mit dem Kompositgurtel fUr Krieger gegeben. Die Entstehung des alt russischen Staates fuBte auf einer multiethnischen Grundlage, was sich auch in der heterogenen ethnischen Zusammensetzung der Druzina niederschlug, die aus Slawen, Turken, Finno-Ugrern, Skandinawiern und eventuell auch Batten bestand. Aile genannten Faktoren flihrten dann im Zusam·
38 Z. B. Aspelin 1884, 365 Abb. 1988; Latvias PSR Arheologija 1974. 39 Apxl'lnOB 1973, 152 Abb. 40. 40 Latvias PSR Arheologija 1974, 197 Abb. 3,5; 24,25; 119 Taf. 59;
64. 41 MellbHI'IKOBa u. a. 1984, 57.
KompositgUrtel altrussischer Krieger
2
me• spiel mit den kulturellen und handwerklici-Jen 10 •en der Nachbarstaaten zu der erstaunli
?lt der GUrtelbeschlage. rgebnisse der Auswertung dieses um-
ng r orpus zeigen, dass das gesamte Mate-•la, a aer Herstellungstechr ken klassifiziert
4
werden muss. Der im Gebiet der Alten Rus' gefundene GUrtelschmuck wurde zwar ausnahmslos gegossen, Unterschiede zeigen sich aber in der Herstellung der jeweiligen Model. Eine Auswertung der Herstellungstechniken und der Verzierung der Beschlage lasst fUr die Anfertigung der GUrtelgar-
365
Abb. 13. 1- 3 GUrtel aus Gnez· dovo, Kurgan C·191 (oblast' Smolensk); (1 Satz von Metallschmuck; 2 Ausschnitt der Feldskizze; 3 Re· konstruktion); 4 Kom· positgUrtel aus Lettland (nach Latvias PSR Arheologija 1974).
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nituren drei ,Schulen" erkennen. An dieser Stelle sei noch einmal betont, dass die Begriffe ,Schute" oder ,Zentrum" relativ zu verstehen sind, da sie nur die Hauptquellen, Wurzeln und Traditionen bezeichnen. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass ein Handwerker, der seine Waren beispielsweise nach der Schute der Wolga-Bulgaren anfertigte, seine Tatigkeit auch auBerhalb ihres Reichs ausUben konnte.
Die Herstellung der KompositgUrtel in der Alten Rus' entsprach dem sog. ungarischen Typ, eine Bezeichnung, die sich in der Literatur durchgesetzt hat. GUrtel vergleichbaren Typs waren weit verbreitet, so bei Chasaren (Abb. 11,5)42 , Udmurten, Mordvinen43 und Protobulgaren 44. lhre Heimat dUrfte Chasarien gewesen sein, aus dem die Alte Rus' auch die Formen Ubernommen hat. FUr ungarische und chasarische GUrtel war die Verzierung des zusatzlichen lnnenriemens mit Metallbeschlagen nicht typisch, weshalb auch von einer altrussischen Variante des ungarischen GUrtels gesprochen werden kann (was auf das Vorkommen, nicht auf die Herstellung zielt). Dam it dUrfte sich dieses Modell recht lange gehalten haben. Zu zwei der vier in Birka (Schweden) gefundenen Satze gehorten beispielsweise je zwei Riemenzungen, von denen eine sehr klein war und offenbar den lnnenriemen schmUckte45. Der Fund eines GUrtel dieses Typs in Schweden zeigt einmal mehr, dass zahlreiche Elemente der Druzina-Kultur, die zum Teil ostlich (chasarisch, iranisch, tUrkisch etc.) gepragt waren, von den Wikingern aus der Rus' Ubernommen wurden.
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Summary
"The fashion peak" of composite belts in Russia is known to be dated as the 101h-early 11th century AD. About 3 thousand finds of belt mounts and strap ends are related to this period. This epoch is characterised with "The Ruri· kids' Empire" formation, the princely retinue emerges, being open in respect of various external influences. The retinue begins to adopt some socially meaningful elements of international retinue "fashion".
Tne warriors' composite belt is considered as the most striking example of this "fashion". The Old Russian stiM was fonned on the polyethnic base, the later defin-
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Veronika Muraseva State Historical Museum
Krasnaja ploshchad', dom 1/2 109012 Moscow
Russia
ing the ethnically heterogeneous retinue composition in· eluding the Slaves, the Turks, the Finno-Ugrians, the Scan· dinavians and perhaps the Baltes. The striking variety of the belt mounts was determined by a number of factors such as the retinue pretension to socially meaningful of other culture elements adoption, its polyethnic character, cultural and handicraft traditions of neighbouring states.
The results of the study of this tremendous artefact set indicate that the manufacturing technology could be considered as the classification base of all this material. The belt decorations found at the Old Russia territory were manufactured by casting but the differences in their technological cycles lie in the area of the mode of produc·
367
368
tion of the first pattern. The reconstruction of the manufacturing technology allowed to determine some variants of the belt mount modes of production:
1. The lost-wax casting. The first pattern was made of wax and the ornament was carved by the cutting tool.
2. The lost-wax casting. The first pattern was shaped by hand.
3. The lost-wax casting. The first pattern was made of stone or some other material and used as a stamp in the processing of the clay moulds in order to obtain a series of mounts.
4. The lost-wax casting. The grooves for the silver wire incrustation were cut in the first pattern.
The comparison of the mount manufacturing technology with the study of the decoration allows to distinguish three main "schools" of belt mount manufacturing:
1. "Volga Bulgaria" centre (technological scheme N3) 2. "Scandinavian" school (technological scheme Nl). 3. "Middle Dnieper" ("Chernigov") centre (technolo
gical scheme N4). It is necessary to note that the "school" and "centre"
terms are of conditional character. They indicate to the main source and the tradition roots. But it is not excluded that the artisan of the "Volga Bulgaria" school could make his production working not only within the Volga Bulgaria territory.
It could be asserted that the "Hungarian belt" with a loosely hanging end is considered as determinative stereotype for the composite belt manufacturing at the Old Russia territory. This term is rather conditional whereas it is applied in many publications. The belts of such a type were widespread among the Khazars, the Finno-Ugric peoples of the Middle Volga and the Bulgarians. We suppose that the Khazaria was their proto-motherland. The additional decoration of the inner strap by the metal mounts allows to determine a special Old Russian variety of the «Hungarian belt». Here we speak not of the manufacturing, but of the occurrence of these belts.
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Veronika Muraseva, Kompositgurtel altrussischer Krieger
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