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Staatszerfall im postkolonialen Afrika

Date post: 14-Nov-2023
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Vorwort Diese Arbeit entstand von Juli 2001 bis Januar 2002 als Diplomarbeit am Institut für Politikwissenschaft der Philipps-Universität Marburg. Betreut wurde sie dort von Professor Dirk Berg-Schlosser, der mir jederzeit mit seinem Sachverstand zur Seite stand und bei methodischen Fragen sowie bei der Fallauswahl entscheidende Hinweise geben konnte. Aufgrund seiner Kritik sowie jener des Zweitgutachters Prof. Thomas Noetzel konnte ich einige Fehler und Ungenauigkeiten der Diplomarbeit, speziell im Bereich der Hypothesen, überarbeiten und – hoffentlich – ausbügeln. Das Thema des Staatszerfalls begegnete mir zum ersten Mal während meines Gaststudiums an der University of Kent at Canterbury 1999/2000, als ich das große Glück besaß, den Kurs ‚International Relations Theory’ von Prof. Mervyn Frost zu besuchen. In dieser Veranstaltung erhielt ich eine Vielzahl von Anregungen, die mein Denken bis heute beeinflussen. Unter anderem stellte uns Prof. Frost Robert H. Jacksons Buch über „Quasi-Staaten“ vor. Aus meiner Beschäftigung mit diesem Werk erwuchs mein Interesse an Fragen von Staatlichkeit und damit auch an deren Zerfall. Mein Dank gilt Sven Winkelsträter, Michael Eßbach, Aurel Croissant und Debbie Weinberg für ihre großartige Hilfe bei der Beschaffung von Literatur, ferner den KorrekturleserInnen Michael Eßbach, Nadine Herwerth, Klaas Kunst, Uwe Lambach und Saskia Sell, letztlich den Teilnehmern des Diplomanden- und Doktorandenkolloquiums am Institut für Politikwissenschaft für ihre hilfreiche Kritik. Ich widme diese Arbeit meiner Familie: meiner Mutter, die immer an mich glaubte, meinem Vater, der mich immer unterstützte, und meinem Bruder, der immer für mich da war. Marburg, im August 2002 Daniel Lambach
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Vorwort Diese Arbeit entstand von Juli 2001 bis Januar 2002 als Diplomarbeit am Institut für Politikwissenschaft der Philipps-Universität Marburg. Betreut wurde sie dort von Professor Dirk Berg-Schlosser, der mir jederzeit mit seinem Sachverstand zur Seite stand und bei methodischen Fragen sowie bei der Fallauswahl entscheidende Hinweise geben konnte. Aufgrund seiner Kritik sowie jener des Zweitgutachters Prof. Thomas Noetzel konnte ich einige Fehler und Ungenauigkeiten der Diplomarbeit, speziell im Bereich der Hypothesen, überarbeiten und – hoffentlich – ausbügeln.

Das Thema des Staatszerfalls begegnete mir zum ersten Mal während meines Gaststudiums an der University of Kent at Canterbury 1999/2000, als ich das große Glück besaß, den Kurs ‚International Relations Theory’ von Prof. Mervyn Frost zu besuchen. In dieser Veranstaltung erhielt ich eine Vielzahl von Anregungen, die mein Denken bis heute beeinflussen. Unter anderem stellte uns Prof. Frost Robert H. Jacksons Buch über „Quasi-Staaten“ vor. Aus meiner Beschäftigung mit diesem Werk erwuchs mein Interesse an Fragen von Staatlichkeit und damit auch an deren Zerfall.

Mein Dank gilt Sven Winkelsträter, Michael Eßbach, Aurel Croissant und Debbie Weinberg für ihre großartige Hilfe bei der Beschaffung von Literatur, ferner den KorrekturleserInnen Michael Eßbach, Nadine Herwerth, Klaas Kunst, Uwe Lambach und Saskia Sell, letztlich den Teilnehmern des Diplomanden- und Doktorandenkolloquiums am Institut für Politikwissenschaft für ihre hilfreiche Kritik.

Ich widme diese Arbeit meiner Familie: meiner Mutter, die immer an mich glaubte, meinem Vater, der mich immer unterstützte, und meinem Bruder, der immer für mich da war.

Marburg, im August 2002

Daniel Lambach

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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 7

2. Operationalisierung 9 2.1 Vorbemerkungen zur Staatlichkeit 9

2.1.1 Macht, Herrschaft und Legitimität 9 2.1.2 Souveränität 11 2.1.3 Institutionen 12

2.2 Theorien von Staatlichkeit 12 2.2.1 Die soziologische Staatstheorie nach Max Weber 13 2.2.2 Der Staat in Staats- und Völkerrecht 14 2.2.3 Der Staat im Funktionalismus und in der agency-Theorie 15 2.2.4 Synthese 15

2.3 Abgrenzung des Staates 18 2.3.1 Begriffe 18

2.3.1.1 Politisches System 18 2.3.1.2 Regime 18 2.3.1.3 Regierung 19 2.3.1.4 Verwaltung 20 2.3.1.5 Gesellschaft 20

2.3.2 Operationalisierung und Definition des Staates 20

3. Werden und Sein von Staaten 22 3.1 Theorien der Staatsbildung 22 3.2 Zur Stärke von Staaten 25 3.3 Staatlichkeit in Afrika 28

3.3.1 Staatsbildung im sub-saharischen Afrika 28 3.3.2 Staat und Gesellschaft im sub-saharischen Afrika 30 3.3.3 Das koloniale Erbe 32

3.4 Konsequenzen für die weitere Analyse 35

4. Zerfall von Staaten 36 4.1 Theorien von Staatszerfall: Zum Stand der Forschung 36

4.1.1 Jacksons Theorie der Quasi-Staatlichkeit 37 4.1.2 Zartmans collapsed states 39 4.1.3 Claphams Synthese 41 4.1.4 Tetzlaffs Zweistufenmodell von Zerfall und Kollaps 43 4.1.5 Renos shadow state 44 4.1.6 Das State Failure Project 45 4.1.7 Indikatoren von Staatszerfall 47 4.1.8 Thesen des internationalen Wandels 49 4.1.9 Theorien von Korruption und Kleptokratie 51 4.1.10 Weitere Ansätze 53

4.2 Synthese: Was ist Staatszerfall? 55 4.2.1 Definition 55 4.2.2 ‚Staatszerfall’ in Osteuropa und Afrika 56 4.2.3 Abgrenzung 58

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5. Ursachen von Staatszerfall 62 5.1 Erarbeitung von Hypothesen 62

5.1.1 Cleavages 62 5.1.2 Korruption, Neopatrimonialismus und Klientelismus 66 5.1.3 Autokratische Regime 67 5.1.4 Änderung des internationalen Umfelds 68 5.1.5 Militarismus und Gewalt 68 5.1.6 Kolonialismus 69 5.1.7 Hypothesen 70

5.2 Fallbeispiele 70 5.2.1 Somalia 71

5.2.1.1 Geschichte 72 5.2.1.2 Indikatoren des Zerfalls 73 5.2.1.3 Cleavages und gesellschaftliche Loyalitäten 74 5.2.1.4 Korruption und Neopatrimonialismus 76 5.2.1.5 Autokratische Herrschaft 77 5.2.1.6 Internationale Unterstützung 77 5.2.1.7 Militarisierung 78 5.2.1.8 Ursachenforschung: Warum kollabierte Somalia? 79

5.2.2 Senegal 79 5.2.2.1 Geschichte 79 5.2.2.2 Indikatoren des Zerfalls 81 5.2.2.3 Cleavages und gesellschaftliche Loyalitäten 81 5.2.2.4 Korruption und Neopatrimonialismus 82 5.2.2.5 Autokratische Herrschaft 83 5.2.2.6 Internationale Unterstützung 83 5.2.2.7 Militarisierung 84 5.2.2.8 Ursachenforschung: Warum kollabierte Senegal nicht? 84

5.2.3 Zaire/Democratic Republic of the Congo 84 5.2.3.1 Geschichte 85 5.2.3.2 Indikatoren des Zerfalls 86 5.2.3.3 Cleavages und gesellschaftliche Loyalitäten 88 5.2.3.4 Korruption und Neopatrimonialismus 88 5.2.3.5 Autokratische Herrschaft 89 5.2.3.6 Internationale Unterstützung 90 5.2.3.7 Militarisierung 90 5.2.3.8 Ursachenforschung: Warum kollabierte Zaire? 91

5.2.4 Nigeria 91 5.2.4.1 Geschichte 91 5.2.4.2 Indikatoren des Zerfalls 92 5.2.4.3 Cleavages und gesellschaftliche Loyalitäten 93 5.2.4.4 Korruption und Neopatrimonialismus 94 5.2.4.5 Autokratische Herrschaft 95 5.2.4.6 Internationale Unterstützung 95 5.2.4.7 Militarisierung 96 5.2.4.8 Ursachenforschung: Warum kollabierte Nigeria nicht? 96

5.3 Überprüfung der Hypothesen 96

6. Résumé 101

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Abkürzungsverzeichnis

AFDL Alliance des Forces Democratiques pour la Liberation de Congo

DR Congo Democratic Republic of the Congo

EG Europäische Gemeinschaft(en)

MDSO Most Different, Similar Outcome

MSDO Most Similar, Different Outcome

PDS Parti Democratique Sénégalais

PS Parti Socialiste – Senegal (früher: UPS)

SFTF State Failure Task Force (auch: State Failure Project)

SNA Somali National Army

TNC Transnational Company – transnationaler Konzern

UN/UNO United Nations (Organisation) – Vereinte Nationen

UNOSOM United Nations Operation in Somalia

UPS Union Progressiste Socialiste – Senegal (später: PS)

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1. Einleitung Heutzutage wird der Staat allseits als eine ewige Institution angesehen, als habe es ihn schon immer gegeben und als würde er für alle Zeiten fortbestehen.1 Auch die Politikwissenschaft behandelt den Staat gerne als etwas Gegebenes. Situationen wie im Somalia der 90er Jahre, in denen ein Staat faktisch nicht mehr zu erkennen ist, sind unter diesen Vorzeichen nur schwer zu analysieren.

Die Analyse solcher ‚failed states’ hat durchaus Fortschritte erzielt, seit Georg Glockemeier 1923 das ‚Werden und Vergehen von Staaten’ anhand von ‚Territorialkurven’ darstellte. Dennoch wird der Zerfall und Zusammenbruch von Staaten in den Internationalen Beziehungen und in der Vergleichenden Politikwissenschaft kaum beachtet. Die Forschung hat dieses Thema erst in der vergangenen Dekade aufgegriffen (vgl. 4.1). Seither ist eine beachtliche Literaturlandschaft entstanden, die bislang aber noch kaum systematisiert und konsolidiert wurde. Eine solche Systematisierung war eines meiner Anliegen, als ich diese Arbeit verfasste. Mein Hauptinteresse war eine Bestandsaufnahme der bisherigen Theorien. Damit wollte ich einschätzen können, wie realistisch die apokalyptischen Szenarien mancher Autoren sind.2

Unter welchen Bedingungen verläuft Staatszerfall? Dieser Frage werde ich mich im Wesentlichen widmen. Zu ihrer Beantwortung ist jedoch ein schrittweiser Aufbau der Argumentation notwendig. Daher werde ich eingangs vorstellen, welche Definition des Staates ich zugrunde lege. Danach folgen Ausführungen über Theorien zur Staatsbildung und zu so genannten ‚schwachen Staaten’. Das vierte Kapitel umfasst den Überblick über die bisherige Literatur. Erst nach diesem theoretischen Einstieg beginne ich mit der Ursachenforschung. Dazu werden fünf Hypothesen aufgestellt, welche Faktoren dem Staatszerfall förderlich sind und an vier Beispielstaaten getestet. Im Résumé werden die gewonnenen Erkenntnisse noch einmal zusammengefasst und ihre Konsequenzen für andere Bereiche der Politikwissenschaft angedeutet.

1 Für eine Darstellung dieses etatistischen Ideals vgl. Clapham 2000 und Holm 1998. Eine Anmerkung zur Zitierweise: wenn wörtliche Zitate aus Dokumenten aus dem Internet stammen, sind diese meist ohne Seitenangabe. Diese Zitate lassen sich über die Suchen-Funktion des Browsers finden. Alle Internet-Adressen sind gültig zum 1.1.2002. Die genannten Adressen sind unter <http://mitglied.lycos.de/lambach/fstates.htm> zusammengefasst. 2 Vgl. Kaplan 1994 und Rufin 1994. Für eine Kritik vgl. Nuscheler 1998.

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Ich werde mich in dieser Arbeit insbesondere auf den Staatszerfall im sub-saharischen Afrika (Afrika südlich der Sahara) beschränken. Zwar gibt es Zusammenbrüche staatlicher Strukturen auf allen Kontinenten3, jedoch bietet Afrika eine Reihe von Vorteilen für die Analyse. Zum einen ist eine große Zahl von Zerfallsbeispielen in Afrika lokalisiert, zum anderen haben die dortigen Staaten durch die Kolonialisierung und die Unabhängigkeit im späten 20. Jahrhundert ähnliche historische Wurzeln. Afrika wird in dieser Frage gewissermaßen zum politikwissenschaftlichen Makrolabor, in dem die Hintergrundbedingungen für alle Testsubjekte relativ konstant gehalten werden können. Implizit wird dabei auch die These vertreten, dass die bisherige Analyse der afrikanischen Misere, und damit auch die Entwicklung von Wegen aus dieser Situation heraus, zu sehr von jenem etatistischen Ideal des europäischen Nationalstaats (vgl. 4.1.3) geprägt wurde, das ich eingangs bereits erwähnt hatte.

3 Z.B. Libanon und Afghanistan in Asien oder Bosnien in Europa.

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2. Operationalisierung „To talk about state failure presupposes the existence of a state.“4 Das Phänomen ‚Staat’ ist weitaus schwieriger zu bestimmen als viele andere Konzepte, zumal – trotz seiner empirischen Allgegenwart – keine allgemein anerkannte Charakterisierung des Staates existiert.5 Im Versuch, zu einer arbeitsfähigen Definition des Staates zu kommen, möchte ich folgendermaßen vorgehen: Zuerst werde ich einige dem Staat vorgelagerte Konzepte wie z.B. Autorität und Legitimität vorstellen. In einem zweiten Schritt werden diese mit soziologischen, juristischen und politikwissenschaftlichen Staatstheorien in Verbindung gebracht, um einen ersten Umriß des Begriffes zu erhalten. Zuletzt wird dieser Entwurf durch Abgrenzung gegen verwandte Konzepte wie z.B. das politische System oder das Regime geschärft. Zu bemerken ist, dass es sich hierbei lediglich um eine Arbeitsdefinition handeln wird. Die Abweichungen von diesem Ideal, welche sich in der Realität ergeben, werden im späteren Verlauf der Arbeit diskutiert.

2.1 VORBEMERKUNGEN ZUR STAATLICHKEIT Bevor über den Staat gesprochen werden kann, müssen einige ihm nahe verwandte Konzepte geklärt werden. Diese sind Macht, Herrschaft, Legitimität, Souveränität und Institution.

2.1.1 Macht, Herrschaft und Legitimität6

Die Grundlage des Staates liegt in der Macht. Eine Diskussion derselben muss jedoch vorsichtig geschehen, denn allzu leicht können terminologische Verwischungen auftreten. Macht ist in jener klassischen Definition Max Webers „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“7 Somit sei Macht das Potenzial zur Durchsetzung negativer Sanktionen und die Bereitschaft zur Eskalation eines Konfliktes. Herrschaft (auch: Autorität) beruhe

4 Soerensen 2000a. 5 Vgl. Del Rosso 1995, ferner Mann 1986: 112. 6 Über den Komplex Autorität-Verpflichtung-Legitimität und den Staat vgl. Vincent 1987: 37ff. und Green 1988. 7 Zitiert in: Schreyer; Schwarzmeier 2000: 30.

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auf dieser Macht, sei aber von ihr verschieden. Sie ist, wiederum in den Worten Webers, „die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.“8 Herrschaft sei eine von Personen losgelöste und institutionalisierte Macht; das Amt werde funktional von seinem Inhaber getrennt. Somit sei Herrschaft die Grundvoraussetzung „einer wie auch immer gearteten Ordnung.“9 Diese Macht stehe dem Inhaber eines Amtes zur Erfüllung seiner offiziellen Aufgaben zur Verfügung.

Herrschaft ist jedoch kein Zustand, sondern eine Beziehung. „Alle Macht strebt nach Rechtfertigung. Legitimation von Herrschaft ist ein Teil ihrer Bestandsvoraussetzungen.“10 Legitimität ist ebenfalls ein distinktives Attribut von Staatlichkeit. Die spezielle Anerkennung des Volkes sorgt dafür, dass „force exercised by the State is usually recognized by the population as distinct from other kinds of force.“11 Legitimität wird meistens als Unterstützung oder Duldung einer Herrschaft durch die Beherrschten angesehen, bzw. „als Anerkennung einer politischen Ordnung als rechtens.“12 Die Herrschenden bitten die Beherrschten quasi um deren Zustimmung zu ihrer Herrschaft. Dies hat einen sehr voluntaristischen Anschein, es darf aber nicht vergessen werden, dass hinter diesem Anspruch auf Legitimierung immer noch ein großes Gewaltpotenzial oder sogar -monopol steht (vgl. 2.2), dem sich die Bevölkerung kaum entziehen kann. Von Trotha greift diese Zwangslage in seiner Betrachtung von ‚Basislegitimität’ auf und unterscheidet verschiedene Arten von Legitimierung, die durch Akkomodation von, Unterwerfung unter oder Gewöhnung an eine per se unerwünschte Herrschaft entstehen können.13

Ein Anspruch auf Legitimität kann aber auch andere Adressaten haben als die Beherrschten. Tilly schreibt, Stinchcombe paraphrasierend, dass in der Staatsbildung die Zustimmung anderer im selben Territorium angesiedelter Autoritäten (sog. strongmen – vgl. 3.2) relevanter sei als die Billigung des

8 Zitiert in: dies.: 27. 9 Breuer 1998: 17. Ähnlich Green: „(A)uthority and not coercion is the state’s characteristic means“ (1988: 75) 10 von Trotha 1995: 7. 11 Vincent 1987: 20. 12 Schreyer; Schwarzmeier 2000: 31. Ähnlich Green 1988: 73. 13 Vgl. von Trotha 1995: 7ff.

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Volkes. „Legitimacy is the probability that other authorities will act to confirm the decisions of a given authority.“14

2.1.2 Souveränität

Einer der wenigen Begriffe, die noch unklarer sind als jener des Staates, ist der der Souveränität. Dennoch spielt er eine große Rolle in den Internationalen Beziehungen und im Völkerrecht, so dass man um eine Auseinandersetzung mit ihm nicht umhin kommt.15 Tatsächlich sind Souveränität und der Staat so eng miteinander verbunden, dass sie häufig als das alliterative Paar ‚sovereign statehood’ (so auch der Titel des Bandes von James 1986) auftreten.

Es müssen hierbei verschiedene Konzepte (aus verschiedenen Disziplinen) unterschieden werden, die alle unter demselben Begriff firmieren.16 Erstens: die juristische Unabhängigkeit des Staates im Völkerrecht. Hier steht Souveränität für „the most extensive form of jurisdiction [...] . In general terms, it denotes full and unchallangeable power over a piece of territory and all the persons [therein].“17 In diesem Fall ist Souveränität ein legaler Zustand, gewissermaßen ein Recht des Staates, welches sich aus seiner Staatlichkeit ergibt.

Zweitens: die politisch-empirische Freiheit des staatlichen Handelns aus der Politikwissenschaft und den Internationalen Beziehungen. Hier gilt: „Sovereignty is the recognition by internal and external actors that the state has the exclusive authority to intervene coercively in activities within its territory.“18 Souveränität ist hier – ähnlich wie Legitimität – ein Zusammenspiel zwischen dem exklusiven Anspruch der Herrschenden auf die höchste Autorität im Lande und der Unterwerfung des Volkes und der Konkurrenten unter diese Autorität.

Drittens: die Volkssouveränität der politischen Philosophie. Im modernen Liberalismus ist das Volk in seinem Territorium die letzte aller Instanzen; alle Staatsgewalt geht von ihm aus. Ähnlich wie im vorangegangenen Konzept geht 14 Tilly 1985: 171. 15 Eine Diskussion verschiedener Ansätze bietet Thomson 1995. Postmoderne bzw. konstruktivistische Ansätze finden sich bei Weber 1995 und Biersteker; Weber 1996. 16 Vgl. im Folgenden James 1999: 35ff. und Kühnhardt 1992: 210ff. 17 Dixon 1996: 137. Ähnlich Crawford: „[Sovereignty has a] viable meaning as an incident or consequence of statehood, namely the plenary competence that states prima facie possess.“ (1977: 139-140) 18 Thomson 1995: 219. Ähnlich Biersteker; Weber 1996: 2, Buzan 1991: 67 und Weber 1995: 1, sowie Lindberg 2001: 179 und Green 1988: 73.

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es um die höchste Autorität im Lande, diesmal jedoch in einem normativen Sinne.

Als Kernstück aller drei Herangehensweisen stellt sich „(t)he assertion of final authority within a given territory“19 dar. James stellt hierzu fest, dass es viele Herrschaftsgebilde gebe, die allen objektiven Kriterien der Staatlichkeit – Territorium, Volk und Regierung (vgl. 2.2.2) – genügten, jedoch selber keine Staaten seien, wie z.B. die 50 Staaten der USA oder Quebec. Staaten unterschieden sich von diesen Gebilden lediglich durch ihren anerkannten Anspruch auf ‚final authority’. „[States] possess [...] an extra characteristic, an extra qualification. For better or ill, the states themselves call it sovereignty.“20

2.1.3 Institutionen

Institutionen sind die praktische Manifestation des Staates. Ämter, Posten und Prozeduren sind jene Aspekte von Staatlichkeit, die den Bürgern im täglichen Leben begegnen. In ihnen ist die Herrschaft des Staates lokalisiert und wird durch sie ausgeübt. Sie umfassen den gesamten ‚Apparat’ des Staates, bestehend aus exekutiven, legislativen, administrativen und judikativen Körperschaften und den Normen, Regeln und Prozeduren, nach denen sie funktionieren. Die Gesetze eines Landes sind Teil der Institutionen, wobei offen gelassen werden soll, ob der Staat nun Quelle allen Rechts ist oder nicht. Er ist zumindest in dessen Existenz und Durchsetzung involviert, ihm jedoch z.T. auch unterworfen. 21

2.2 THEORIEN VON STAATLICHKEIT Nun, da einige grundlegende Begriffe etabliert wurden, will ich auf drei wichtige Theorien des Staates eingehen. Zuerst auf eine soziologische Herangehensweise (nach Max Weber), dann auf die staats- bzw. völkerrechtliche und zuletzt auf die funktionalistische Theorie.

19 Krasner 1989: 89. Dort unternimmt er eine sehr interessante institutionalistische Analyse der Entwicklung des Souveränitätsbegriffes. 20 James 1999: 38. 21 Vgl. Vincent 1987: 20 und Buzan 1991: 82f.

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2.2.1 Die soziologische Staatstheorie nach Max Weber

Max Webers Theorie des Staates ist zwar nicht die soziologische Staatstheorie, wohl aber die bekannteste dieser Disziplin.22 Sie betrachtet nicht die Ziele, die ein Staat verfolgt, sondern definiert den Staat über die einzigartigen Mittel, die ihm zur Verfügung stehen. Webers Überlegungen, die im folgenden präsentiert werden, beginnen bei der Macht. Wird diese institutionalisiert und die Macht eines Amtes von der sie ausübenden Person getrennt, so handele es sich dabei um Herrschaft. Herrschaft geschehe in Verbänden, d.h. sozialen Gruppierungen aller Art. Politische Herrschaft fände also dementsprechend in politischen Verbänden statt. Diese seien geographisch abgegrenzt, die Herrschaft werde über die Bewohner des durch die Abgrenzung entstandenenen Territoriums ausgeübt.

Der Staat ist für Weber ein Spezialfall des politischen Verbandes, da er das Monopol physischen Zwangs (Gewaltmonopol) für sich beanspruche und die Legitimation desselben durch die Beherrschten erhielte. Erst in der Synthese aus dem Gewaltmonopol und seiner Legitimität entsteht in Webers Theorie Staatlichkeit. Dieses legitime Gewaltmonopol dürfe weiterhin „nicht bei einer Vielzahl selbständiger und nicht koordinierter Träger [liegen], sondern in einer einzelnen Zentralinstanz, die ihre Kompetenzen dann natürlich wieder delegieren kann.“23

Weber kommt letztlich zu folgender Definition: „Staat soll ein politischer Anstaltsbetrieb heißen, wenn und insoweit sein Verwaltungsstab erfolgreich das Monopol legitimen physischen Zwangs für die Durchführung der Ordnungen in Anspruch nimmt.“24 Jackson und Rosberg merken dazu an, dass Weber folglich bestimmte Territorien als staatenlose Zonen anerkennen müsste, wenn niemand in einer bestimmten Gegend erfolgreich Anspruch auf die ungeteilte, allerhöchste Autorität erheben kann.25 Somit scheint Webers Theorie also auf das vorliegende Thema des Zerfalls von Staatlichkeit anwendbar zu sein.

22 Zu den folgenden Ausführungen siehe Breuer 1998: 15ff. und Weber 1921/1988. 23 Breuer 1998: 18. 24 Zitiert in: Schreyer; Schwarzmeier 2000: 34, Hervorhebungen im Original. 25 Vgl. Jackson; Rosberg 1982: 2ff.

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2.2.2 Der Staat in Staats- und Völkerrecht26

Obwohl sich diese Disziplinen quasi per definitionem mit dem Subjekt des Staates beschäftigen, herrscht auch in der Rechtswissenschaft begriffliche Unklarheit: „there is [...] no generally accepted and satisfactory contemporary legal definition of statehood.“27 Oft wird auf die einfache Formel zurückgegriffen, die sich im Völkerrecht zum ersten Mal in Art. 1 der Montevideo Convention on Rights and Duties of States von 1933 wiederfindet28 und lautet, ein Staat habe ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk sowie eine Staatsgewalt (Regierung). Staatlichkeit wird unter diesen Umständen zu einer positiv-legalen Tatsache: Entweder sie ist vorhanden oder nicht.

Allerdings wird diese Richtlinie – ich scheue den Begriff ‚Definition’ – eher flexibel ausgelegt, speziell in der Frage der Dekolonisierung. Shaw stellt dazu fest, an das Kriterium der Staatsgewalt werde in Fragen nationaler Selbstbestimmung (wie im Falle von Dekolonisierung) ein geringerer Anspruch gestellt.29 So wäre z.B. Belgisch-Kongo niemals unter den oben genannten Gesichtspunkten 1960 ein souveräner Staat geworden, da es ihm an einer (effektiven) Regierung mangelte. Allerdings wurde seine Existenz umgehend von allen Staaten der Erde anerkannt. Wie relevant ist also die Anerkennung eines Staates durch andere Staaten? Erhält er durch diese gewissermaßen eine Art externer Legitimität? Dieser Streit ist im Völkerrecht bislang ungeklärt, jedoch folgt die Mehrheit der sog. ‚deklaratorischen Theorie’, welche besagt, Anerkennung sei ein politischer Akt ohne rechtliche Konsequenzen.30

So klar die völkerrechtliche Staatstheorie ist, so unflexibel ist sie im Hinblick auf Staatszerfall, den sie gar nicht zur Kenntnis nimmt. Unter der Überschrift „extinction of statehood“ führen die Standardwerke von Shaw und Crawford lediglich Fälle von Annexion und Eroberung auf.31 Dixon stellt dieser Logik folgend fest: „While it is clear that the criterion of effective government must be

26 Vgl. Crawford 1977 und Shaw 1997: 139-171 für die völkerrechtliche, sowie Voigt 1996: 35-54 für die staatsrechtliche Perspektive. 27 Crawford 1977: 107. 28 Vgl. ders.: 111-143. In der Konvention war ein vierter Aspekt der Staatlichkeit enthalten, nämlich die ‚Fähigkeit, in Beziehungen zu anderen Staaten zu treten’, was heute meist mit Unabhängigkeit und Souveränität gleichgesetzt wird. 29 Vgl. Shaw 1997: 144. 30 Vgl. hierzu Crawford 1977: 99-105. 31 Vgl. ders.: 173-176 und Shaw 1997: 147-149.

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satisfied before a territory can become a state, this does not mean that an established state loses its statehood when it ceases to have an effective government.“32 Und selbst ohne Regierungsgewalt kann (s.o.) ein Staat entstehen.

2.2.3 Der Staat im Funktionalismus und in der agency-Theorie

In diesen Theorien stellt der Staat zweierlei dar: Einerseits ist er ein Allokationsmechanismus mit Zwangscharakter, andererseits eine subsystemische Konfliktarena, in der verschiedene Akteure darum ringen, Institutionen des Staates als ihre Agenten zu benutzen.33 Damit versuchen sie, die durch den Staat vorgenommene Allokation zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Diese Theorien wurden von der Systemtheorie geprägt und u.a. von David Easton formuliert. Der Staat ist hier kein Akteur, sondern „the process of managing interests“34. Er wird nicht als Totalität begriffen, sondern als eine Menge von Teilakteuren, Agenten und sozialen Gruppen, die in eine Staatlichkeit organisiert werden müssen. Der Staat wird ständig neu konstituiert und trägt dabei die Handschrift jener Interessen, welche ihn dominieren und ihn damit reproduzieren und strukturieren.

2.2.4 Synthese

Aus den aufgezeigten und weiteren Theorien soll nun eine erste, noch vage, Bestimmung des Staates erfolgen. Dabei werde ich mich aus zwei Gründen hauptsächlich an der Weberschen und der völkerrechtlichen Definition orientieren. Erstens haben die meisten bereits vorhandenen Theorien über Staatszerfall (vgl. 4.1) eine institutionalistische Sichtweise ähnlich der soziologischen Definition nach Weber. Um auf diese Theorien näher eingehen zu können, werde ich daher eine ähnliche Ausgangsposition einnehmen. Zweitens komplementiert die völkerrechtliche Theorie die Webersche in einigen entscheidenden Schwächen, wie ich weiter unten darlegen werde. Aus diesen Gründen werde ich die funktionalistische Theorie zurückstellen. Zwar ist sie auf die politische Realität in vielen afrikanischen Staaten sehr gut anwendbar, 32 Dixon 1996: 101, Hervorhebung im Original. 33 Vgl. Poggi 1978: 2ff. und Marenin 1987. 34 Ders.: 61.

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weswegen ich zu gegebener Zeit explizit auf sie zurückgreifen werde, sie hat jedoch – aufgrund ihres Ursprungs in der Systemtheorie – Schwierigkeiten, den Gegenstand ‚Staat’ genau abzugrenzen.

In der Synthese der Theorien Webers und des Völkerrechts werde ich mich am Vorgehen und der Terminologie von Jackson und Rosberg orientieren, und erstere die ‚empirische’, letztere die ‚juristische’ Theorie nennen.35 Beide Theorien pflegen eine institutionalistische Herangehensweise an das Phänomen ‚Staat’ und weisen einen hohen Grad an Übereinstimmung in der Frage auf, was zum Kern von Staatlichkeit hinzugehören soll:

• ein Territorium bzw. Staatsgebiet;

• ein Staatsvolk;

• eine zentrale politische Autorität im Besitz des legitimen Monopols physischer Gewalt (empirische Theorie) bzw. eine Staatsgewalt (juristische Theorie).36

Die empirische Theorie besitzt dabei einen stärkeren Fokus auf der Genese des Staates.37 Sie erklärt die Prozesse der Staatenbildung sowie – über den Begriff der Legitimität – die Interaktion des Staates mit der Gesellschaft. Allerdings existieren in der heutigen Welt Gebilde, welche als Staaten bezeichnet werden, die aber nach der empirischen Theorie keine sein dürften, so z.B. ein großer Teil der Staaten der Dritten Welt, die wenig bis keine interne Legitimität besitzen und über kein Gewaltmonopol verfügen. Wenn man den Staat in der empirischen Theorie aber als einen Idealtyp begreift, gestattet dies, Staatlichkeit weiter zu differenzieren, um sich durch die schlichte Dichotomie Staat vs. Nicht-Staat nicht selbst zu beschränken. Auf diese Weise können unterschiedliche Ausprägungen von Staatlichkeit, wie z.B. ‚schwache Staaten’ (vgl. 3.2), in diesem Schema analysiert werden.

Die juristische Theorie wirft dagegen – auch wenn sie es als formell irrelevant abtut – ein Schlaglicht auf die Praxis der internationalen Anerkennung von Staaten. Anscheinend kann diese externe Legitimität ebenso wichtig für Staatlichkeit sein wie die interne, jedenfalls lässt sich damit die fortschreitende Existenz vieler afrikanischer Staaten erklären. Die Schwäche der juristischen 35 Vgl. Jackson; Rosberg 1985: 49f. 36 Dies sind unterschiedliche Namen für dasselbe Konzept. Vgl. Breuer 1998: 18. 37 Vgl. im Folgenden Jackson; Rosberg 1982 und 1985.

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Theorie ist jedoch ihr Positivismus, bezeichnend das Fehlen einer Möglichkeit des Zusammenbruchs von Staaten (vgl. 2.2.2).38

Eine Berücksichtigung beider Theorien scheint bei der Betrachtung von Staatlichkeit angebracht zu sein, um sowohl interne als auch externe Bedingungen abzudecken, erstere durch die empirische, letztere durch die juristische Theorie. Aufgrund der größeren Flexibilität des empirischen Idealtyps hinsichtlich der Analysefähigkeit von Phänomenen fragwürdiger Staatlichkeit gebe ich ihm den Vorzug vor der rigorosen Dichtomie der juristischen Theorie.

An diesem Punkt sollen noch einige weitere Überlegungen anderer Autoren ergänzend berücksichtigt werden. So charakterisiert Elias Staatlichkeit als Monopolbildung nicht nur im militärischen Sinne, sondern auch unter fiskalischen Gesichtspunkten, d.h. ein Staat zeichnet sich auch durch ein Monopol der Steuererhebung aus, wobei er diese beiden Aspekte eng miteinander verbunden sieht. „Die finanziellen Mittel, die so zur Verfügung dieser Zentralgewalt zusammenströmen, halten das Gewaltmonopol aufrecht, das Gewaltmonopol hält das Abgabemonopol aufrecht.“39

Auch wurde der Räumlichkeit des Staates nicht hinreichend Genüge getan. Kirbys These des ‚local state’ oder Bouldings Theorie der ‚zones of viability’40 besagen, dass die Kontrolle des Staates über sein Territorium keineswegs so geographisch einheitlich sein muss, wie es die Theorie verlangt: in verschiedenen Regionen des Landes kann der Staat durchaus unterschiedliche Maße von Legitimität und Autorität besitzen.

Auch Buzans Konzept der ‚idea of the state’ soll an dieser Stelle Beachtung finden.41 „Statehood not only represents a set of institutions but also a body of attitudes, practices and codes of behaviour, in short civility.“42 Zwar ist hier eine klare Trennung von Staat, Gesellschaft und Nation schwierig, dennoch kann ein Staat ohne ein gewisses Maß an ‚civic-mindedness’ der Bevölkerung nicht funktionieren. Elias meint, die europäischen Staaten hätten sich nur durch eine

38 Vgl. Thürer 1999 und Herdegen 1995. Selbst wenn ein Staat vollkommen handlungsunfähig ist, behält er seine internationale rechtliche Persönlichkeit. 39 Elias 1939: 142. 40 Vgl. Kirby 1989 und Goertz; Diehl 1992: 4ff. 41 Vgl. Buzan 1991. 42 Vincent 1987: 2. Ähnlich Rosenau 1989: 19.

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gewisse ‚Zivilisierung’ der Menschen entwickeln können.43 Auch Buzan legt sehr großen Wert auf diesen Aspekt, wenn er den Gedanken der Identifikation mit dem Staat betont, implizit aber etwas ähnliches wie Legitimität meint. So erweist sich die ‚Idee des Staates’ letztlich als schwer zu konzeptualisieren, dennoch ist sie – so Del Rosso – „an important corrective to the ostensibly objective criteria that have been offered in other definitions.“44

2.3 ABGRENZUNG DES STAATES Hier soll der Blick auf den Staat in Unterscheidung zu anderen Termini weiter geschärft werden. Ziel dieses Abschnitts ist die Erstellung einer Arbeitsdefinition des Begriffes ‚Staat’.

2.3.1 Begriffe

2.3.1.1 Politisches System

Das politische System ist ein Teilsystem der Gesellschaft, mittels dessen kollektiv verbindliche Entscheidungen getroffen werden. Es befindet sich – über feedback, input und output – in ständigem Kontakt mit der Gesellschaft.45 Teile des politischen Systems sind – z.T. als autonome Subsysteme – Parteien, Verbände, Verwaltung, Justiz, Regierung und Parlament. Somit stellt es sich im Vergleich zum Staat als weitaus umfassenderer Begriff heraus. Als ‚System’ umschließt das politische System Begriffe wie Regierung, Regime und Staat und entgeht somit dem Problem, diese relativ schwer zu konzeptionalisierenden Begriffe konkretisieren zu müssen.46

2.3.1.2 Regime

Zum Verständnis des Regimebegriffs ist die Definition von Fishman wegweisend: „A regime may be thought of as the formal and informal organization of the center of political power, and of its relations with the broader society. A regime determines who has access to political power, and how those 43 Vgl. Elias 1939. 44 Del Rosso 1995. Vgl. außerdem Buzan 1991: 57ff. und Branthwaite 1993. 45 Vgl. Hartmann 1997: 35-39. Ferner Schreyer; Schwarzmeier 2000: 36ff. 46 Vgl. Merkel 1994: 11. Ferner ders. 1999.

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who are in power deal with those who are not.“47 Ein Regime bestimmt somit im Wesentlichen, wer wie Politik machen darf (und wer nicht). Dies geschieht entweder in institutionalisierter Form (Gesetze, Verfassung) oder in einer informelleren Art (Tradition, Ritual). So überdauern Regime das Kommen und Gehen einzelner Akteure. „Regimes are more permanent forms of political organization than specific governments, but they are typically less permanent than the state.“48

Staat und Regime sind keinesfalls deckungsgleich. Zwar durchdringen Regime meist den Staatsapparat, beziehen aber häufig Parteien in ihre Strukturen mit ein. Das Militär kann hingegen zwar Teil des Staates sein, muss jedoch innerhalb eines Regimes nicht unbedingt eine Rolle spielen. Ein Staat kann den Zerfall eines Regimes überdauern; dabei ändert sich „weniger die Organisationsform des Staates selbst, als die Definition dessen, was legitime oder illegitime Anwendung der staatlichen Zwangsmittel sind.“49 So wirken Regime in vielen Ländern der Dritten Welt selber bei der Zerstörung der Staaten mit, indem sie die staatliche Macht personalisieren und de-institutionalisieren (vgl. 4.1.5).

2.3.1.3 Regierung

In der deutschen Tradition wird die Regierung als Aspekt der Exekutive betrachtet, somit als Subsystem bzw. Untereinheit des modernen Staates. Zwar gab es bereits in vorstaatlicher Zeit so etwas wie Regierung, in neuerer Zeit ist der Terminus aber an den Staatsbegriff gebunden. Dennoch bedeutet ein Regierungswechsel keineswegs eine grundlegende Änderung des Staates. „In etablierten Demokratien ist er ein konstitutiver Bestandteil und gehört zur politischen Normalität.“50

47 Fishman 1990: 428. An dieser Definition orientieren sich u.a. Merkel (1999: 71) sowie Bratton; van de Walle (1997: 9). 48 Fishman 1990: 428. 49 Merkel 1999: 72. 50 Ders.: 70. Ähnlich Vincent 1987: 30.

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2.3.1.4 Verwaltung

Die Administration ist „the sum of persons and bodies who are engaged, under the direction of government, in discharging the ordinary public services.“51 Die Verwaltung wird somit als die institutionelle Manifestation und Organisation des Staates gedacht.

2.3.1.5 Gesellschaft

Über das Verhältnis von Staat und Gesellschaft lässt sich trefflich streiten. Handelt es sich beim Staat nun um eine Instanz, die – im Sinne von Machiavelli und Lenin – die Gesellschaft dominiert? Oder ist der Staat, nach Locke, Rousseau und Marx, ein Produkt der Gesellschaft? Oder sind „state and society [...] partly dependent and partly autonomous arenas of sociopolitical life“52?

Da ich das funktionalistische Arenakonzept des Staates in dieser Arbeit nicht verwende (vgl. 2.2.4), muss ich diese dritte Möglichkeit verwerfen. Trotzdem möchte ich mich nicht auf eine der ersten beiden Varianten festlegen müssen, da sich an diesem Henne-und-Ei-Problem bereits Legionen von Sozialwissenschaftlern abgearbeitet haben, ohne zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen zu sein. Vielmehr folge ich einem Hinweis Vincents: „In many ways State and society are intimately bound to each other.“53 Dieser engen Beziehung zum Trotz nehme ich sie als funktional voneinander getrennt an. Wenn ich also den Staat als die Heimat institutionalisierter, politischer Herrschaft definiere, dann sei die Gesellschaft (unter die ich auch Wirtschaft, Kultur und Religion subsummiere) die Heimat aller anderen Machtbeziehungen.

2.3.2 Operationalisierung und Definition des Staates

Was ist also der Staat im Unterschied zu den obigen Begriffen? Hier möchte ich auf ein zweistufiges Modell von Jackson und Rosberg zurückgreifen.54 Danach ist ein Staat ein bestimmtes Territorium, bewohnt von einer dauerhaft darin angesiedelten Bevölkerung, das von den meisten anderen Staaten als souverän

51 E. Barker, zitiert in: ders.: 30. 52 Callaghy 1984: 89. 53 Vincent 1987: 24. 54 Vgl. Jackson; Rosberg 1985: 49f.

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anerkannt wird. Dies ist juristische Staatlichkeit (juridical statehood) – ein Charakteristikum jedes Gebildes, das man allgemein ‚Staat’ nennt.

Darüber hinaus haben die nationalen Regierungen, sofern vorhanden, in unterschiedlichem Maße Kontrolle über ein differenziertes Set von Institutionen (den Staatsapparat), interne Legitimität, Kontrolle über Gewalt- und Abgabenmonopole, sowie Autonomie von der Gesellschaft. Dies ist empirische Staatlichkeit (empirical statehood), die ein Staat in der Theorie haben sollte, in der Realität jedoch meist nur in Teilen besitzt.55

Zwar gibt es durchaus politische Herrschaftsstrukturen mit Anzeichen empirischer Staatlichkeit (z.B. Gibraltar, die 50 Staaten der USA) und völlig unklare Grenzfälle (z.B. der Heilige Stuhl), diese werden jedoch weder im alltäglichen Sprachgebrauch ‚Staaten’ (im eigentlichen Sinne) geheißen, noch sollen sie als solche im Rahmen dieser Arbeit behandelt werden. Ein staatliches Gebilde qualifiziert sich als solches (im Widerspruch zur dominanten juristischen Theorie) erst durch internationale Anerkennung für Staatlichkeit.

Auch so manche Gebilde der vormodernen Zeit, wie z.B. Imperien fallen nicht unter diese Definition von Staat (vgl. 3.1) – in ihnen waren die Gewalt- und Abgabemonopole nicht vorhanden: Könige und Kaiser teilten die Souveränität mit ihren Lehensleuten und der Kirche, die in Europa u.a. das Recht zur Erhebung des Kirchenzehnt besaß. Konkurrierende Rechtssysteme existierten innerhalb ihrer Grenzen nebeneinander und tributpflichtige Völker und Grenzmarken befanden sich in einem Zustand unklarer Souveränität. Staatlichkeit in diesem (engeren) Sinne entwickelte sich nicht vor dem europäischen Spätmittelalter. Erst seit der Zeit des Westfälischen Friedens (1648) gilt der Staat als die dominante Ausprägung politischer Herrschaft.

55 Lindberg 2001 stellt hierzu berechtigterweise fest, dass empirische Staatlichkeit nach Jackson und Rosberg eine Idealvorstellung sei, die auch in westlichen Staaten kaum erreicht wird.

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3. Werden und Sein von Staaten Nachdem ich im vorigen Kapitel eine theoretische Annäherung an den Begriff ‚Staat’ unternommen habe, werde ich mich nun vom Abstrakten lösen und der tatsächlichen Existenz des Staates zuwenden. Dabei werde ich speziell auf zwei Aspekte eingehen. Beim ersten handelt es sich um die Entstehung von Staaten, der zweite ist das Vorhandensein so genannter ‚schwacher Staaten’. Die Forschung über diese beiden Tatbestände enthält einige wichtigt Erkenntnisse für die spätere Analyse von Staatszerfall.

3.1 THEORIEN DER STAATSBILDUNG In diesem Abschnitt werden einige Überlegungen zur Entstehung der modernen Staatenwelt dargestellt. Wie sich zeigen wird, sind gewisse Probleme so mancher moderner Staaten in der Art und Weise der Staatsbildung begründet. Außerdem: „some of the elements that were isolated as being worthy of study in regard to state building could very well prove to be the most crucial once again in regard to state collapse“56. Der Begriff Staatsbildung soll hierbei synonym zu den Termini ‚state-making’ bzw. ‚state building’ im Sinne Tillys benutzt werden, also nicht als ein historisches Ereignis, sondern als ein Prozess folgenden Inhalts: „Eliminating or neutralizing [a state’s] rivals within [its] territories.“57 Im Folgenden soll dazu die Theorie von Charles Tilly zur Staatsbildung im mittelalterlichen Europa vorgestellt werden, die eine der bedeutendsten der historischen Soziologie darstellt.58 Um einen Eindruck der Vielfältigkeit der Forschungslandschaft zu vermitteln, werden zuweilen Aspekte anderer Theorien in Tillys Argumentation eingeflochten. Dennoch muss es hier bei einem groben Überblick bleiben.

Tillys Theorie werden oft mit dem plakativen Satz „war made the state, and the state made war“ zusammengefasst.59 Seine Grundthese lautet wie folgt: Die europäischen Staaten erwuchsen nicht aus einem contrat social oder durch eine andere Form der gesellschaftlichen Selbstordnung, sondern durch die 56 Ng’ethe 1995: 254. 57 Tilly 1985: 181. ‚War-making’ ist demgegenüber gegen externe Feinde gerichtet. 58 Vgl. Soerensen 2001: 1-2. Viele Theorien folgen ähnlichen Argumentationen wie Tillys, vgl. exemplarisch van Creveld 1999. Anders z.B. die Theorien von Stein Rokkan (vgl. Flora; Kuhnle; Urwin 1999). 59 Zit. in: Herbst 1990: 117. Vgl. außerdem Tilly 1985 und 1990.

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Akkumulation und Konzentration von Macht. Sie entstanden nicht geplant, sondern – in der Sprache Hegels – durch einen dialektischen Prozess, in dem sie nach und nach andere Formen von Ordnung assimilierten und verdrängten.60

Nach Tilly stand am Anfang der Wunsch lokaler Herrscher, sich Ressourcen zur Kriegführung zu sichern. Dazu benötigten sie ein gewisses Maß an Kontrolle über ihr Territorium, dies erforderte wiederum den Aufbau einer Verwaltung. Um solche Kontrolle längerfristig ausüben zu können, war ein Mindestmaß von politischer Ordnung und Legitimität notwendig, da die Extraktion der Ressourcen sonst durch Zwangsmaßnahmen hätte geschehen müssen, welche wiederum Kräfte von der Kriegführung abgezogen hätten.61 Neben der Kontrolle über die Gewaltmittel betont Tilly auch die Rolle des Kapitals in der Bildung von Staaten. Im obigen Prozess erreichte der Staat irgendwann den Punkt, an dem die vorhandenen Überschüsse nicht mehr ausreichten. Zur besseren Ausbeutung der Ressourcen konnte der Herrscher die Akkumulation von Kapital stimulieren. Der Staat erwies sich dadurch als eine effektive Form der politischen Organisation und breitete sich durch Nachahmung aus. John Hall paraphrasierend schreibt Holsti: „empires don’t need to copy the barbarians on the peripheries; states must copy each other if they want to survive.“62

Der Charakter des entstehenden Staat wurde entscheidend dadurch geprägt, ob der Prozess seiner Bildung eher gewalt- oder kapitalintensiv geschah. Städtisch geprägte Territorien (Oberitalien, Flandern, das Rhônetal) wählten eher den Weg des Kapitals, ländliche Regionen (Finnland, der Balkan) wurden dagegen eher durch Gewalt zusammengehalten.63 Dennoch musste jeder Staat sowohl das Gewalt- als auch das Abgabenmonopol erringen, um überleben zu können.64 Dieser Prozess stieß jedoch auf dauernden Widerstand – einerseits durch rivalisierende Herrscher, die besiegt werden mussten, um das eigene Territorium auszudehnen und zu konsolidieren, andererseits durch gesellschaftliche Kräfte innerhalb des eigenen Landes. Diese countervailing powers der Gesellschaft waren insbesondere in der sich formierenden Bürgerschaft der Städte

60 Vgl. Job 1992: 25. 61 Soerensen 2001: 1. Ähnlich Kirby 1989, der Staatsbildung als einen Prozess der Ansammlung lokaler Autorität beschreibt. 62 Holsti 1996: 44. Vgl. außerdem Migdal 1988: 20ff. 63 Vgl. Tilly 1990. „War making, extraction, and capital accumulation interacted to shape European state making.“ (ders. 1985: 172) 64 Vgl. Elias 1939.

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beheimatet, welche durchaus Willens war, für ihre Privilegien zu kämpfen – und zu siegen, wie die Bürger Brüssels in der Schlacht von Courtrai (1302). Durch diese Renitenz waren die europäischen Herrscher gezwungen, sie am Verhandlungstisch für sich zu gewinnen: „popular resistance to coercive exploitation forced would-be power holders to concede protection and constraints on their own action.“65 Diese Konzessionen bildeten den Grundstein für die bürgerlichen Freiheiten.

Diese Interaktion von Staat und Gesellschaft wird auch von einigen anderen Theorien beleuchtet. Nach Max Weber entsteht ein Staat durch die vollzogene Trennung von der Gesellschaft, speziell durch den Aufbau einer von gesellschaftlichen Kräften unabhängigen Bürokratie. Dies symbolisiert die dauerhafte Trennung des öffentlichen vom privaten Lebensbereich, mithin die formale Unterscheidung von Amt und Amtsträger.66 Callaghy unterstreicht den konfliktbetonten Charakter dieses Prozesses. „State formation [...] is a struggle for dominance with internal societal and external groups, organizations, and forces for compliance, resources, and the fulfillment of ideal and material interests; it is a struggle for internal control, political unification, and external security.“67 Grundsätzlich geht es also um Folgendes: „Getting the population to obey the rules of the state rather than the rules of the local manor, clan or any other organizations“68.

Es muss abschließend aber noch einmal betont werden, dass sich die Theorien Tillys auf die Situation (West-)Europas im Mittelalter und in der Neuzeit beziehen. Zu anderen Zeiten und in anderen Regionen fand Staatsbildung unter anderen Vorzeichen statt. So bildeten sich z.B. im 20. Jahrhundert Staaten meist vor dem Hintergrund rebellierender Nationalismen oder, im Falle von Dekolonisierung oder Sezession, unter Ausnutzung des Rechtes auf Selbstbestimmung (vgl. 3.3.3).69

65 Tilly 1985: 169-170. Beispiele sind die deutschen Stadtrechte und die britische Magna Charta (1215). Zur Geisteshaltung der Stadtbürger, speziell in Relation zum Adel vgl. Borst 1983: 184-232. 66 Vgl. Chabal; Daloz 1999: 5. 67 Callaghy 1984: 81, Hervorhebung im Original. 68 Migdal 1988: 23. 69 Vgl. Jackson Preece 1999.

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3.2 ZUR STÄRKE VON STAATEN Es gibt eine große Fülle von Theorien über so genannte ‚schwache Staaten’ (weak states), ohne dass deshalb Einigkeit über den Gegenstand besteht. „In theoretical terms, there is no single understanding of the ‚weak state’ concept.“70 Tatsächlich handelt es sich eher um einen Sammelbegriff für eine breite Spanne von Ideen. Seine Relevanz gewinnt dieses Feld aber durch seine Nähe zum Thema des Staatszerfalls71, was eine Abgrenzung erforderlich machen wird. Ferner werfen die Theorien über weak states ein Schlaglicht auf die Beziehungen von Staat und Gesellschaft, was später noch von Nutzen sein wird.

Eine Quelle der konzeptionellen Unklarheit ist dabei meist die Operationalisierung von ‚Schwäche’ bzw. ‚Macht’. Mann weist zurecht auf das paradoxe Phänomen hin, dass autoritär regierte Staaten in manchen Klassifikationen (z.B. Snow 1996) als stark bezeichnet werden, dass ebendiese Staaten aber häufig große Schwierigkeiten hätten, einfachste Anordnungen ausführen zu lassen. Diese Staaten definieren Rosenau 1989, Holsti 1996 oder Buzan 1991, die nach der soziologischen Herangehensweise auf das Verhältnis von Staat und Bürger großen Wert legen, als schwache Staaten.

Diese Theorien wiederum übersehen jedoch das z.T. große Gewaltpotential in der Hand vieler Diktatoren (selbst in Entwicklungsländern). Mann unterscheidet deshalb zwei Ebenen von staatlicher Stärke: despotische und infrastrukturelle Macht. Erstere beschreibt das physische Gewaltpotential, die zweite die staatlichen Fähigkeiten zur Koordination und Beeinflußung gesellschaftlicher Aktivität.72 Ein Staat kann also durchaus in der Lage sein, Zwangsmaßnahmen nach Wunsch auszuführen, jedoch bereits mit einer Volkszählung oder dem regelmäßigen Eintreiben von Steuern überfordert sein, wenn lokale Bürokraten nicht willens oder in der Lage sind, vor Ort die Umsetzung dieser Anordnungen zu garantieren. Die meisten Autokratien sind in Manns Worten demnach als despotisch stark und infrastrukturell schwach zu beschreiben.

Ähnlich wie unter 3.1 will ich mit den Arbeiten Joel Migdals eine bestimmte Theorie vorstellen, die in ihrem Feld eine herausgehobene Rolle einnimmt. Wie 70 Job 1992: 19. Vollkommen gegensätzliche Konzepte benutzen z.B. Snow 1996 und Nordlinger 1987. 71 Vgl. exemplarisch Snow 1996: 34-37. 72 Vgl. Mann 1986: 113ff. Dies sind jedoch strikt analytische Kategorien – in der Realität mag es zuweilen Überschneidungen und Wechselwirkungen geben.

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der Titel seines Hauptwerks „Strong societies and weak states“ (Migdal 1988) andeutet, untersucht er, welchen Einfluß die Gesellschaft auf die Kompetenzen eines Staates besitzt. Genauer gesagt beschäftigt er sich mit der Frage „how the structure of society affects state capabilities.“73 Der Rolle von Staatlichkeit in der Dritten Welt misst er dabei besondere Bedeutung bei.

Seine Definition staatlicher Stärke lautet wie folgt: „Capabilities include the capacities to penetrate society, regulate social relationships, extract resources, and appropriate or use resources in determined ways. Strong states are those with high capabilities to complete these tasks, while weak states are on the low end of a spectrum of capabilities.“74 Die Macht des Staates drücke sich also in der Kontrolle aus, die dieser über die Gesellschaft auszuüben in der Lage ist. Die Schwäche vieler Staaten der Dritten Welt schreibt Migdal dem gescheiterten Versuch zu, die Gesellschaft in ihrem Sinne umzuformen bzw. ihre Loyalität zu gewinnen.75 „The major struggles in many societies, especially those with fairly new states, are struggles over who has the right and ability to make the countless rules that guide people’s social behaviour.“76

Hier lassen sich deutliche Parallelen zu Tillys Theorie der Staatsbildung erkennen: Auch darin etabliert sich der Staat erst im Konflikt mit der Gesellschaft um die genaue Abgrenzung seiner Kompetenzen. In vielen jungen Staaten, so Migdal, finde dieser Konflikt aktuell statt. Dort wird er manifest in einem Ringen des Staates mit lokal herrschenden strongmen, die in ihren sozialen Gruppen Widerstand aufbauen.77

Diese strongmen (Caudillos, Chiefs, Kaziken, etc.) sind die Anführer oder Repräsentanten gesellschaftlicher Gruppen. In dieser Funktion verteidigen sie ihren eigenen Anspruch, die sozialen Beziehungen innerhalb ihrer Gruppe selber zu regulieren, gegen das staatliche Bestreben auf Durchdringung aller Segmente der Gesellschaft. Dazu versuchen sie, die Loyalität der Einwohner zu monopolisieren und so dem Staat zu entziehen. Die Existenz solcher strongmen ergibt sich Migdal zufolge aus der fragmentierten Gesellschaftsstruktur vieler

73 Migdal 1988: xiv. 74 Ders.: 4-5, Hervorhebungen im Original. 75 Vgl. ders.: 9 und 22ff. 76 Ders. 1987: 397. 77 Vgl. ders. 1988: 33ff. Für eine andere Definition des Begriffes strongman vgl. Ng’ethe 1995.

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afrikanischer Länder, die er ‚weblike societies’ nennt.78 In diesen spinnennetzartigen Gesellschaften sei eine homogene soziale Kontrolle unmöglich, unterschiedliche Rechts- und Wertesysteme existierten in ihnen nebeneinander. Dies ermögliche den Aufbau regionaler Machtzentren, erschwere jedoch deren landesweite Ausbreitung.

Aus dieser Situation ergeben sich charakteristische Konsequenzen für die Politik in solchen Ländern. Die nationale Mobilisierung der Massen wird nur in außergewöhnlichen Umständen (z.B. in antikolonialistischen Bewegungen) erreicht. Ansonsten ist die Regierung gezwungen, sich auf die Unterstützung bestimmter sozialer Gruppen oder lokaler strongmen zu verlassen. Oft bilden sich ethnisch basierte Koalitionen staatlicher und gesellschaftlicher Eliten zum Zweck des Machterhalts.79 Um aber die renitenten strongmen zu verdrängen, mangelt es dem Staat an infrastruktureller Macht. Doch zu deren Aufbau fehlt es dem Staat wiederum an Unterstützung aus der Bevölkerung – für Migdal ein beinahe unauflösbarer Teufelskreis, den Holsti als ‚state-strength dilemma’ bezeichnet.80 Je mehr diese Staaten versuchten, ihre Autorität durch den Gebrauch despotischer Macht zu sichern, desto mehr schadeten sie ihrer Legitimität und schwächten somit letztlich ihre eigene infrastrukturelle Macht. „In its attempts to find strength, [the state] adopts predatory and kleptocratic practices or plays upon and exacerbates social tensions between the myriads of communities that make up the society. Everything it does to become a strong state actually perpetuates its weakness.“81

Job fasst Migdals Theorie sehr treffend zusammen: „Migdal sees a basic duality emerge in the development of state/society relations. On the one hand, the state with relative ease can gain strength in penetrating societies, deploying coercive force, and extracting resources; but, on the other hand, sectors of society can and do respond by frustrating the state’s attempts to effect goal-oriented social changes [...] . The frequent result of such attenuated state development is a state/society standoff – the state ends up with substantial coercive force largely

78 Vgl. ders.: 37ff. Allgemein Chazan et al. 1988. 79 Vgl. Migdal 1987: 405 und ders. 1988: 268f. 80 Vgl. ders. 1987: 402 und Holsti 1996: 116ff. Ferner Buzan 1991: 107. 81 Holsti 1996: 117. Ähnlich Job 1992: 20.

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to protect the existence and privilege of the elite holding office at the expense of the bulk of society.“82

3.3 STAATLICHKEIT IN AFRIKA In diesem Abschnitt sollen die unter 3.1 und 3.2 dargelegten Theorien auf die Situation des sub-saharischen Afrikas angewandt werden. Dazu werden Staatsbildung und die Interaktion von Staat und Gesellschaft betrachtet, abschließend das Erbe des Kolonialstaates, das die heutige afrikanische Politik prägt.

3.3.1 Staatsbildung im sub-saharischen Afrika

Die 48 unabhängigen Staaten, welche die heutige Landkarte des subsaharischen Afrikas ausmachen, entstanden (mit Ausnahme Äthiopiens, Liberias und Südafrika sowie Namibias, welche seine Eigenstaatlichkeit erst 1990 erhielt) im völkerrechtlichen Sinne im Zuge der Dekolonisierung, zwischen 1956 und 1980. Unter diesen Vorzeichen stellt sich die Frage, wie weit das Tillysche Modell auf die afrikanische Geschichte anzuwenden ist.83

Die Grundlage der heutigen staatlichen Ordnung Afrikas ist der Kolonialismus, der erst den Gedanken des Staates nach Afrika exportierte. Zwar gab es sehr wohl politische Strukturen im prä-kolonialen Afrika, jedoch handelte es sich bei ihnen eher um Imperien oder lokale polities verschiedener Art. Die Kolonien waren dem kolonisierenden Staat politisch untergeordnet und in ihrer Entscheidungskapazität nicht souverän; es mangelte ihnen mithin an juristischer Staatlichkeit. Demgegenüber besaßen sie durchaus Elemente empirischer Staatlichkeit: Sie waren im alltäglichen Geschäft die höchste Autorität im Land und besaßen sogar ein gewisses Maß an Basislegitimität.84 Im Zuge der Dekolonisierung erhielten die neu geschaffenen Staaten nun auch das notwendige Maß an juristischer Staatlichkeit und behielten dabei weitgehend die Institutionen des Kolonialstaates.

82 Job 1992: 21-22. 83 Allgemein zu dieser Frage vgl. Herbst 1990, Brock 1999, Soerensen 2001 und Chazan et al. 1988: 44-64. 84 Vgl. von Trotha 1995. Die Kolonien besaßen empirische ohne juristische Staatlichkeit (vgl. 2.3.2).

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Der Prozess der Unabhängigkeit und die letztliche Erlangung voller Souveränität geschah jedoch nicht durch einen langwierigen Konfliktprozess wie in Europa. In der großen Mehrzahl der Kolonien geschah die Dekolonisierung nicht über Jahrhunderte hinweg, sondern im Zeitraum von rund einer Generation. Ausserdem wurde die Unabhängigkeit nur selten gegen den Widerstand der fremden Herrscher errungen, die Forderung nach Selbstbestimmung stiess in vielen Ländern auf die resignierte Zustimmung der Kolonialherren. Manche Staaten – z.B. Belgien im Falle des Kongos – konnten sich ihrer Kolonien gar nicht schnell genug entledigen. Dabei trug der neue Staat keine Konflikte mit einer sich formierenden Gesellschaft aus, die Aushandlung bürgerlicher Schutzrechte (welche Form diese durch einen afrikanischen Ursprung auch angenommen hätten) oder nation-building85 fanden wenig bis gar nicht statt. Der Staat entstand in Afrika demnach nicht aus der Logik von Krieg und Ressourcenaneignung, sondern wurde von außen transplantiert. „Der postkoloniale Staat als Völkerrechtssubjekt mit klaren territorialen Grenzen ist ein historisches Kunstprodukt: er verdankt nicht einer innengesteuerten gesellschaftlichen Entwicklung (politischer Hegemonialkämpfe, soziale Interessenkonflikte) sein Entstehen, sondern dem Willen kolonialer Mächte“86.

Tilly stellt fest, Krieg habe in Europa staatsbildend gewirkt (vgl. 3.1). Warum gilt dies nicht auch in Afrika? Immerhin herrschte dort an Kriegen nie ein Mangel. Die beste Erklärung für dieses Phänomen liegt in der Struktur des heutigen internationalen Systems: Im Unterschied zum europäischen Spätmittelalter können (dürfen) Staaten im späten 20. Jahrhundert nicht mehr von der Landkarte verschwinden.87 Diese Bestandsgarantie, so die These von Herbst, sei der Grund für das Scheitern der afrikanischen Staatsbildungsprozesse. „(T)he absence of a truly competitive state system that penalizes military weakness means that even [weak states] will survive in their crippled form for the foreseeable future.“88 Nur wenn die militärische Niederlage gleichbedeutend mit der eigenen Auslöschung sei, führe die

85 Zu nation-building vgl. Smith 1986 und Brock 2001. 86 Tetzlaff 1997: 127. Ähnlich Herbst 1990: 117. 87 Vgl. Jackson; Rosberg 1982 und Jackson 1990. 88 Herbst 1990: 137. Er beschränkt diese Aussage auf internationale Kriege, allerdings kann das Argument auch auf interne Konflikte ausgeweitet werden. Zum Vergleich: Nach einer Schätzung von Richard Rosecrance sind 95 Prozent aller territorialer Einheiten, die im Jahr 1500 die Landkarte Europas ausmachten, verschwunden (vgl. Kühnhardt 1992: 339).

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politische Elite die Staatsbildung mit der notwendigen Entschlossenheit durch. Außerdem sorgte die ‚Dialektik der Geschichte’ (Hegel) in Europa für das Verschwinden ‚nicht überlebensfähiger’ Staaten. Da diese Dialektik in Afrika fehle, würden auch die schwächsten Staaten noch am Leben gehalten. Somit bliebe dort Staatsbildung in ihrer internationalen Dimension ein bislang unfertiger Prozess.

3.3.2 Staat und Gesellschaft im sub-saharischen Afrika

Inwieweit kann man überhaupt von afrikanischen ‚Gesellschaften’ sprechen? Nach meiner sehr losen analytischen Definition (vgl. 2.3.1.5) kann es an ihrer Existenz eigentlich keinen Zweifel geben, da es in jeder menschlichen Gemeinschaft Machtbeziehungen gibt. Dennoch müssen einige Einwände berücksichtigt werden, die die Frage – bei einem engeren Verständnis des Begriffes ‚Gesellschaft’ als eine kohärente Gemeinschaft von Menschen, die ein Gefühl von gegenseitiger Verpflichtung sowie bestimmte soziale Normen teilen89 – weniger eindeutig erscheinen lassen. Die aggregierte Betrachtung der ‚Gesellschaften’ in beinahe 50 Staaten des sub-saharischen Afrikas und ihr folgender, einfacher Abriss mag durchaus befremden – es verwundert mich selbst, dass man sich derart generelle Aussagen über einen ganzen Kontinent zu treffen traut. Dennoch wird in der Literatur oft über ‚die afrikanische(n) Gesellschaft(en)’ als ganzes berichtet.90

„The main basis of political and socioeconomic activity in Africa is the group, rather than the individual or broader social constellations“91 – Mitgliedschaft in sozialen Gruppen entsteht dabei durch Geburt (Clans, Familien, Dorfgemeinschaften, Altersgruppen), durch freiwillige Assoziation (Studentenverbindungen, Berufsgruppen, Frauenbewegungen,), oder auch durch religiöse Zugehörigkeit. Diese Gruppen verlangen (und erhalten) einen Grad an Loyalität, der – für einen Bewohner der individualistisch geprägten Ersten Welt überraschend – die Loyalität gegenüber dem Staat übersteigt (Primärloyalität).92 Durch dieses Geflecht von sozialen Gruppen – Migdals weblike society – entsteht jedoch keine starke Gesamtgesellschaft, sondern eine fragmentierte und 89 Vgl. Elwert 2002: 70. 90 So u.a. bei Chazan et al. 1988, Chazan 1993 und Bayart 1986. 91 Chazan et al. 1988: 72. 92 Vgl. dies. 1988: 75-94.

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gespaltene ‚Schicksalsgemeinschaft’. Zwar leben all diese verschiedenen Gruppen im selben Land, interagieren jedoch nur wenig miteinander und monopolisieren die persönliche Loyalität ihrer Mitglieder auf Kosten der Idee einer nationalen Gesellschaft.93 So meint denn auch Tetzlaff, in Afrika sei die ‚Gesellschaft’ „eigentlich keine Gesellschaft für sich, sie war meist ein blutleeres Konstrukt, das nur kurze Zeit im ‚nationalen’ Unabhängigkeitskampf vereint war.“94

Die Vorstellung einer klaren Trennung von Staat und Gesellschaft ist in Afrika also nur sehr schwer aufrechtzuerhalten. „The state is in fact so poorly institutionalized, so weakly emancipated from society, that there is very little scope for conceptualizing politics in Africa as a contest between a functionally strong state and a homogenously coherent civil society.“95 Stattdessen überschneiden und durchdringen sich Staat und Gesellschaft an vielen Punkten, das Private ist nicht vom Öffentlichen getrennt.

Diese Form der Politik, in der persönliche Beziehungen mit rational-legalen Strukturen koexistieren, wird als Neopatrimonialismus bezeichnet.96 Die personalistischen und zumeist informellen Kanäle untergraben und ersetzen die institutionelle Grundlage staatlicher Politik. Loyalität und Legitimität wird Personen, nicht Ämtern, verliehen. Auf diese Weise verwischen die Grenzen des Staates nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch hinsichtlich des Regimes, der Regierung oder des Regierungschefs. „(E)ven in such ‚strong state’ cases [gemeint ist die Elfenbeinküste], governmental changes clearly have a direct and immediate impact on the state; the death of Houphouet-Boigny signals the end of the ‚Houphouet state’.“97

Gesellschaftliche Primärloyalitäten funktionieren jedoch nicht nur gegen den Staat, sondern wirken auch im Wirtschaftsleben, wie Hyden mit seinem Modell

93 „African political cultures are marked by their proliferation and fragmentation.“ (Chazan 1993: 60) Allgemein merkt dies. dazu an: „Political attitude surveys have found that many Africans identify and express loyalties to four types of political organization: town or village, region, ethnic group, and country. In most instances, they sense no conflict or contradiction between these levels.“ (Chazan 1993: 83) Ähnlich Jackson; Rosberg 1982: 5. 94 Tetzlaff 2000a: 41. 95 Chabal; Daloz 1999: 21. 96 Vgl. Chabal; Daloz 1999, Erdmann 2001a und 2001b, Bratton; van de Walle 1997: 61-96. Allerdings bemerkt Erdmann, dass eine präzise Definition dieses Begriffs nicht vorläge. (2001a: 6) 97 Villalón 1998: 9.

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der ‚economy of affection’ zeigt.98 Wirtschaftlicher Erfolg wird häufig durch das Ausnutzen gesellschaftlich-politischer Verbindungen erzielt; die sozialen Gruppen sichern in Notzeiten auch das Überleben ihrer Mitglieder. In diesem kaum zu entwirrenden Gemenge von persönlichen Beziehungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat entstehen die so genannten ‚Rentenstaaten’ (vgl. 4.1.9), in denen es nur um die Erzielung von Pfründen und deren Verteilung an die eigenen Gefolgsleute geht. „Dafür müssen nicht die unternehmerischen Tätigkeiten maximiert werden. Entscheidend ist vielmehr die politische Kontrolle über interessante Ressourcen, aus denen sich Renten ziehen lassen.“99

Ich stelle also fest: Eine ‚Gesellschaft’ im Sinne der politischen Philosophie – eine nationale, homogene Gemeinschaft mit einem Konsens über Werte und Ziele – gibt es in Afrika nicht. Die dortige ‚Gesellschaft’ stellt viel eher einen territorialen Ausschnitt z.T. grenzüberschreitender sozialer Gruppen ohne ein wesentliches Gefühl der gemeinsamen Identität dar. Dennoch will ich den Begriff im analytischen Sinne, wie unter 2.3.1.5 definiert, auch weiterhin gebrauchen.

Jegliche Theorie, die Konflikte zwischen Staat und gesellschaftlichen Gruppen untersucht, ist unzureichend, wenn sie nicht anerkennt, dass der Staat seinerseits (im Sinne der agency-Theorie) meist nur als Vehikel für die Pläne gewisser Gruppen dient. Komplexe Modelle über state-society relations100 verfehlen deshalb die Wirklichkeit. Der afrikanische Staat ist keinesfalls der neutrale und unitarische Akteur, als der er oft angenommen wird, sondern eine Hülle, die mal von dieser, mal von jener ethnischen, sozialen oder religiösen Gruppe gefüllt wird.

3.3.3 Das koloniale Erbe

Es wurde oben bereits festgestellt, dass die Staatsbildung in Afrika grundsätzlich anders ablief als in Europa und die europäische Idee des Nationalstaates erst durch den Kolonialismus nach Afrika gelangte.101 Und auch nach dem Abzug

98 Vgl. Hyden 1983. 99 Menzel 1999. Ähnlich Hein 1998: 101. 100 Vgl. exemplarisch Azarya 1988. 101 Allg. zum Staat in Afrika vgl. Aké 1994 und Hartmann 1995: 220-239.

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der Kolonialmächte prägt diese Geschichte Politik und Gesellschaft in vielen afrikanischen Staaten.

Der koloniale ‚Staat’ war im wesentlichen ein militärisch-administratives Gebilde, das auf die Aneignung größtmöglicher Überschüsse ausgerichtet war. Seine Territorialität war mehrdeutig, seine Souveränität eingeschränkt, seine Autonomie begrenzt, sein Kontakt zur Gesellschaft sowie seine gesamte Handlungsweise autoritär.102

Diese Herkunft wirkt in vielen postkolonialen Staaten noch heute nach. Meist ‚erbten’ sie zur Unabhängigkeit die alten Strukturen (Rechtssysteme, Verwaltungen, z.T. Personal) und behielten diese bei, bauten sie teilweise sogar noch aus. „(T)he informal as well as formal institutions are geared to function within a system of governance that builds on patronage, tribute-taking and coercive extraction of resources.“103 Die autoritäre Vergangenheit hatte auch wesentlichen Einfluß auf die Bildung politischer Kultur. Der Staat wurde und wird im Wesentlichen als ein Instrument der Herrschaft und Ausbeutung betrachtet, sowohl von seiten der Bevölkerung als auch von den politischen Eliten.104 All diese Kontinuitäten verleihen der These von Chazan et al. eine gewisse Berechtigung, die Dekolonisierung sei lediglich ein Wechsel des Regimes gewesen, nicht etwa die Genese neuer Staaten.105 Dies widerspricht meiner Trennung von juristischer und empirischer Staatlichkeit (vgl. 2.3.2), trägt aber in seiner Plakativität ein Körnchen Wahrheit in sich.

Das koloniale Erbe wirkt aber auch auf andere Weise zur Schwächung des postkolonialen Staates. Bei der Dekolonisierung handelte es sich um einen extern determinierten Prozess, d.h. afrikanische Regime erhielten die Souveränität ihres Staates quasi auf dem Silbertablett serviert, komplett mit einer Bestandsgarantie für die Ewigkeit. Damit brauchten sich diese Eliten um die Zustimmung ihrer Gesamtbevölkerung gar nicht erst zu kümmern.106

Ferner ist die heutige Rolle des Militärs besonders stark historisch geprägt. In Tillys Worten folgten die neuen Staaten „coercion-intensive paths to

102 Vgl. dazu Young 1988, Gordon 1999, Aké 1994, Kössler 1993: 132-134 und Chazan et al. 1988: 40. 103 Lindberg 2001: 175. Ferner Chazan et al. 1988: 41, Kössler 1993: 132-134. 104 Vgl. Aké 1994: 61. Zur politischen Kultur in Afrika vgl. Chazan 1993 und Bayart 1986. 105 „The process of decolonization [...] involved a change in regime.“ (Chazan et al. 1988: 43) 106 Vgl. Tetzlaff 1997: 131.

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statehood.“107 Sie besaßen einen kolonialen Militärapparat, der dafür konstruiert worden war, große despotische Macht innerhalb der Landesgrenzen ausüben zu können. So erhielten die neuen Machtinhaber ein Instrument, das – im Unterschied zur europäischen Geschichte, in der die Herrscher Kompromisse mit ihrem Volk über den Einsatz von Gewalt finden mussten (vgl. 3.1) – keinerlei Beschränkungen unterworfen war. „The advantages of military power become enormous, the incentives to seize power over the state as a whole by means of that advantage very strong.“108 Da diese Armeen nur selten die Außengrenze des Landes bewachen müssen – die überwiegende Zahl von Kriegen findet heutzutage innerhalb von Staaten statt – sind sie bis stattdessen innen, gegen die eigene Bevölkerung, gerichtet.109

Aufgrund all dieser problematischen Aspekte des kolonialen Erbes stellt sich die Frage, inwiefern westliche Staatsmodelle überhaupt zu afrikanischen Gesellschaften passen. Was ist von der Aussage Tetzlaffs zu halten, „oktroyierter Staat und die ihm zugeordnete afrikanische ‚Gesellschaft’ [passten] nicht zueinander“110? Wie oben bereits erörtert wurde, unterscheiden sich afrikanische Sozialbeziehungen grundlegend von europäischen. Gordons Kritik, dass europäische Verfassungen deswegen die Lebenswirklichkeit der Bevölkerung vieler afrikanischer Staaten verfehlen, trifft daher zu.111

Aber unerheblich, ob europäische Staatsstrukturen nun mit afrikanischen Völkern harmonieren oder nicht, ein wesentlicher Ursprung der heutigen Probleme liegt nicht so sehr in der Fremdheit der politischen Systeme, sondern eher in der Art und Weise ihrer Errichtung. Da sich afrikanische Staaten nicht im Konflikt mit der Gesellschaft etablieren mussten, sind sie ihren Bürgern notwendigerweise fremd. Doch die Lösung dieses Problems ist nicht, wie mancher Autor impliziert112, dass man den afrikanischen Staaten einfach noch genug Zeit geben müsse, um einen Prozess ähnlich dem europäischen nachzuvollziehen. Dazu ist, wie bereits unter 3.3.1 dargelegt, das internationale 107 Tilly 1990: 199. 108 Ders. 1985: 186. 109 Vgl. Soerensen 2001: 7. 110 Tetzlaff 2000a: 41. Noch plakativer formuliert es Englebert: „The contemporary state in sub-Saharan Africa is not African. [...] Nor is the African state a state. [...] In fact, it is because it is not African that the African state is not a state.“ (Englebert 1997: 767, Hervorhebung im Original) 111 Vgl. Gordon 1999. 112 Vgl. exemplarisch Ferdowski 1993 und Ayoob 1995.

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System der Gegenwart zu verschieden von jenem des spätmittelalterlichen Europa. Ein praktischer politischer Ausweg ist nicht erkennbar, der Pessimismus so mancher Autoren deshalb verständlich.113

3.4 KONSEQUENZEN FÜR DIE WEITERE ANALYSE In diesem Kapitel habe ich Überlegungen zur Entstehung und der aktuellen Situation der modernen Staatenwelt angestellt und diese auf den afrikanischen Kontext angewandt, um eine Basis zum besseren Verständnis der kommenden Ausführungen gelegt werden. Dabei wurden die Schwierigkeiten deutlich, die eine Untersuchung des Staates in Afrika begleiten. Tatsächlich sind Staat und Gesellschaft auf derart mannigfaltige Weise verbunden, dass eine analytische Trennung schwierig wird. Außerdem stellen sich zwei Fragen: 1. Was ist genaue Abgrenzung zwischen einem schwachen und einem zerfallenen Staat? 2. Ist Staatszerfall die Umkehrung von Staatsbildung? Diesen beiden Problemstellungen will ich im folgenden Kapitel nachgehen.

113 So unter anderem bei Jackson 1990, Migdal 1988 und Herbst 1990.

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4. Zerfall von Staaten Mit diesem Kapitel ist der Kern der vorliegenden Arbeit erreicht. Im Folgenden soll – aufbauend auf den Erörterungen der vorigen beiden Kapiteln – der Gegenstand des Staatszerfalls betrachtet werden. Da sich die verschiedenen Theorien in ihrer Terminologie unterscheiden, möchte ich klarstellen, dass der Gebrauch des Begriffs ‚Staatszerfall’ a priori keine Festlegung auf eine bestimmte Theorie ist. Eine Aufgabe muss daher sein, die verschiedenen Begriffe – Staatszerfall, failed state, collapsed state, etc. – darzustellen und zu systematisieren. Zu diesem Zweck sollen eine Reihe von Theorien vorgestellt werden, um einen Überblick über den Stand der Forschung zu gewinnen. Erst danach folgt eine genauere Definition von ‚Staatszerfall’.

4.1 THEORIEN VON STAATSZERFALL: ZUM STAND DER FORSCHUNG „The ‘failed state’ is one of those unsatisfactory categories that is named after what it isn’t, rather than what it is“, stellt Clapham zutreffend fest. „The phrase carries embedded within it the conception of a global order that, at any rate, ought to be composed of states, and suggests that where this conception is not realised, something has gone wrong.“114 Der Begriff des Staatszerfalls ist logischerweise nur unter Bezug auf den Begriff des Staates zu verstehen. Wie sich unter 2.2 bereits gezeigt hat, ist jedoch der Terminus ‚Staat’ sehr kontrovers, so dass es nicht verwundert, dass die Theorien über Staatszerfall ebenfalls in sehr verschiedene Richtungen gehen.

Im Folgenden sollen zunächst einige einzelne Theorien von besonderer Relevanz vorgestellt werden. Im Anschluß daran werden weitere, einander ähnliche Ansätze und Anregungen als Theoriestränge zusammengefasst. In diesen Darstellungen sollen auch die Thesen über die Ursachen von Staatszerfall erwähnt werden, die in einem späteren Kapitel (vgl. 5.1) vertieft werden. Grundsätzlich scheint ausserdem eine gewisse Einigkeit darüber zu herrschen, dass Staatszerfall in den letzten 10 bis 20 Jahren deutlich häufiger aufgetreten ist als zuvor.115 Die Ursachen für diesen Trend werden ebenfalls sehr unterschiedlich dargestellt.

114 Clapham 2000, Hervorhebung hinzugefügt. Der Begriff des ‚failed state’ stammt von Helman; Ratner 1993, die diesen jedoch nicht näher definieren oder analysieren. 115 Vgl. Tetzlaff 2000a: 38 und Esty et al. 1995/1998: 54. Ferner Forrest 1998: 45.

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4.1.1 Jacksons Theorie der Quasi-Staatlichkeit

Robert Jacksons Modell des Quasi-Staates basiert auf seiner gemeinsamen Forschung mit Carl Rosberg, welche bereits unter 2.2.4 erwähnt wurde.116 Dieses Modell stellt eigentlich keine Theorie über failed states dar, ist jedoch sehr weit anerkannt117 und bildet die Grundlage vieler anderer Überlegungen, weswegen sie hier vorgestellt werden soll.

Jackson führt die Kategorie der Quasi-Staaten in die Sprache der Internationalen Beziehungen ein. Dabei handelt es sich um ehemalige Kolonien, denen bei der Dekolonisierung juristische Staatlichkeit durch internationale Anerkennung zufiel, ohne dass die neuen Staaten ein dementsprechendes Maß empirischer Staatlichkeit vorweisen konnten. „These states are primarily juridical. They are still far from complete, so to speak, and empirical statehood in large measure still remains to be built. I therefore refer to them as ‚quasi-states’.“118

Diese Staaten erhielten ihre Unabhängigkeit also nicht durch ihre eigene Qualifikation, sondern durch eine Änderung des internationalen ‚sovereignty regime’ (Jackson), d.h. der Art und Weise, wie auf internationaler Ebene Staatlichkeit geschaffen und anerkannt wird. Seit den 50er und 60er Jahren des vergangenen 20. Jahrhunderts gewann das Recht auf nationale Selbstbestimmung an Bedeutung, so dass es nicht mehr notwendig war, den klassischen Bedingungen der Staatlichkeit zu genügen (vgl. 2.2.2); war doch eine Staatsgewalt meist nur in Teilen vorhanden und Webersche Ansprüche an Legitimität und Autorität noch viel weniger erfüllt. Somit wich Staatenbildung in der Dritten Welt wesentlich von der europäischen Erfahrung ab (vgl. 3.1). Kwame Nkrumahs Spruch „Seek ye first the political kingdom and everything else will be added unto ye“ erfüllte sich nicht. Darüber hinaus verbaten die internationalen ‚rules of the game’ den ‚Tod’ eines Staates. Einmal geschaffen, würde dieser niemals untergehen. „They are not allowed to disappear juridically

116 Zu Jacksons Theorie vgl. Jackson 1990. Ferner ders. 1986, 1987, 1993 und 1999, sowie Jackson; Rosberg 1982, 1985 und 1986. Für eine normative Kritik Jacksons vgl. Inayatullah 1996. 117 Vgl. Villalón 1998: 10 und Lindberg 2001: 177. Neben einigen später erwähnten Theoretikern nutzen sie u.a. Herbst 2000, Krasner 1985 und Weiner 1987. 118 Jackson 1990: 21. Die Bezeichnung ‚quasi-state’ stammt jedoch nicht von ihn, sondern von Bull; Watson 1984: 430.

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– even if for all intents and purposes they have already fallen or been pulled down in fact. [...] The juridical cart is now before the empirical horse.“119 Die internationale Staatengemeinschaft sichert und garantiert die fortwährende Existenz aller ihrer Mitglieder.

Aufgrund dieser neuen Spielregeln schlägt Jackson – analog zur Trennung von Staatlichkeit in seine juristischen und empirischen Aspekte – eine Aufspaltung des Begriffes der Souveränität vor, nämlich in ‚negative’ und ‚positive Souveränität’, in Anlehnung an Berlins Trennung von negativer und positiver Freiheit.120 Negative Souveränität bedeutet ‚freedom from’, d.h. im internationalen Kontext einen Schutz vor fremder Einmischung und die Gewährung bestimmter Immunitäten. Positive Souveränität ist ‚freedom to’, die Fähigkeit zur aktiven Nutzung der eigenen Freiheit. Staaten mit positiver Souveränität sind die aktiv Handelnden auf der Weltbühne, negative Souveränität bedeutet dagegen Passivität.

Warum sich das sovereignty regime derart änderte, bleibt jedoch unklar. Auch Jackson kommt an dieser Stelle nicht über Spekulationen hinaus. Er vermutet ökonomische Gesichtspunkte sowie eine liberalere Geisteshaltung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Hauptursachen des Wandels.121 Nach den ‚alten Regeln’, so ist sich Jackson sicher, hätte die Dekolonisierung verschoben werden müssen, bis die Fähigkeit eines Landes zur Selbstregierung feststand. „In some cases it would have been delayed indefinitely.“122 An diesem Punkt setzt auch die Hauptkritik an seinem Werk an. Inayatullah bemerkt zurecht, dass zuweilen eine gewisse Nostalgie nach ‚den alten Zeiten’ bei Jackson durchscheint. „[He] comes very close to suggesting the following scenario. States ought to be left to their own devices and resources to support themselves, and if they are unable to do so without aid from international society, then they must either suffer the consequences or admit that they are not ready to hold the right and responsibility of sovereignty.“123

119 Jackson 1990: 23-24. 120 Vgl. Berlin 1969. Für Jacksons Anwendung dieser Konzepte vgl. Jackson 1990: 11 und 27-31. 121 Vgl. Jackson 1990: 15 und 74. 122 Ders.: 25. 123 Inayatullah 1996: 71.

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Jedoch ist auch Jackson klar, dass eine Rückkehr zu alten Mustern unmöglich ist. Welcher schwache Staat würde schon eine Wiedereinführung von Kategorien legaler Ungleichheit unterstützen? Außerdem sei „(l)egal equality [...] the easiest principle to accept even by states which are profoundly unequal in most other respects. Anything else provokes controversy and uncertainty.“124 Der neue Typ negativer Souveränität ist längst institutionalisiert.

Jacksons Ansatz geht nicht explizit auf Staatszerfall ein, dennoch ist er für die vorliegende Arbeit nicht uninteressant. Zum einen handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Gedankens von juristischer vs. empirischer Staatlichkeit, der bereits in die obigen Überlegungen aufgenommen wurde. Zum anderen komplementiert er die in 3.2 vorgestellten weak state-Theorien durch seine internationale Perspektive. Diese Theorien betrachten die Interaktion eines schwachen Staates mit seiner Gesellschaft und bieten ein Erklärungsmuster für die Schwäche des Staates. Jackson analysiert die Interaktion eines weak states mit anderen Staaten und erklärt so die Existenz des schwachen Staates.

4.1.2 Zartmans collapsed states

Die Theorie des ‚collapsed state’ von William Zartman ist eine der grundlegendsten Konzepte dieses Gebietes. Sie beschreibt den völligen Zusammenbruch des Staates. „State collapse [...] refers to a situation where the structure, authority (legitimate power), law, and political order have fallen apart and must be reconstituted in some form, old or new. On the other hand, it is not necessarily anarchy. [...] For a period, the state itself, as a legitimate, functioning order, is gone.“125

Nach Zartman erfüllt ein Staat drei Rollen: 1. als souveräne Autorität und als politische Arena, 2. als Institution, als die greifbare Organisation von Entscheidungsfindung und als Symbol der Identität, und 3. als Garant von Sicherheit. „Because these functions are so intertwined, it becomes difficult to perform them separately: a weakening of one function drags down others with it.“126 Ein Kollaps entsteht aus dem Versagen des Staates, diese Rollen auszufüllen. Der Staat verliert Autorität und Legitimität, stiftet seinen Bürgern

124 Jackson 1990: 190. 125 Zartman 1995a: 1. 126 Ders.: 5.

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keine Identität, versagt als Arena des politischen Kompromisses und ist eher Quelle von Unsicherheit denn Schutz für seine Bevölkerung.

Wie Zartman jedoch selbst zugibt127, ist es nicht möglich, eine klare Trennlinie zwischen schwachem und kollabiertem Staat zu ziehen. Vielmehr spricht er sich für eine differenzierte Betrachtung jedes einzelnen Falles aus und schlägt vor, Staaten in einem Kontinuum darzustellen, d.h. Fälle würden entlang einer Meßlatte in stabilere, gefährdetere, kollabierende, etc. Staaten geordnet, um wenigstens einen ordinalen Vergleich zu ermöglichen. Die dabei entscheidende Variable wäre, inwieweit ein Staat die obigen drei Rollen ausfüllt. Spanger bemerkt dazu, „Zartman too is not quite clear as to whether state collapse is to be conceived of as a process or rather its result.“128

Wie kommt es zum Kollaps? Zur Beantwortung dieser Frage betrachtet Zartman die Interaktion von Staat und Gesellschaft. Er stellt die These auf, dass es sich in Afrika meist um Fälle der Delegitimation handelte. Oft könne man, so Zartman, beobachten, dass sich autoritäre Regime (meist aus der zweiten Generation nach der Unabhängigkeit) auf Kosten der Gesellschaft bereicherten und somit die landesweite Unterstützung für den Staat, wie sie noch während der ersten Jahre des Postkolonialismus herrschte, dramatisch schwand. Damit spricht er sich auch gegen die These aus, der Staat in Afrika scheitere an seiner kolonialen Vergangenheit oder an der Tatsache, dass er ein un-afrikanischer Import sei, der nicht zu den heimischen Gesellschaften passe. Zum einen spreche der verstärkte Zerfall in den 80er und 90er Jahren gegen die These vom ‚kolonialen Erbe’. Zum anderen merkt er an, dass Institutionen westlichen Ursprungs in kollabierenden und nicht-kollabierenden Staaten ungefähr gleich schlecht funktionieren. Die schlechte performance eines Staates sei eine notwendige Bedingung für seinen Kollaps, ganz gleich ob es nun westliche Institutionen oder afrikanische Surrogate seien, die dabei versagten.129

Zur genaueren Erklärung konstruiert Zartman folgendes Modell des Kollapses: Ein Regime sei zunehmend weniger in der Lage, die Ansprüche gesellschaftlicher Gruppen zu befriedigen (aus Mangel an Ressourcen o.ä. Gründen). Enttäuschte Gruppen opponierten und würden durch despotische Maßnahmen unterdrückt. Polizei und Armee erhielten herausgehobene 127 „It also becomes difficult to establish an absolute threshold of collapse.“ (ders.: 5) 128 Spanger 2000. 129 Vgl. Zartman 1995a: 6.

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Stellungen im Staat und putschten sich u.U. auch an die Macht. Entweder gelänge diesem neuen Regime die Versöhnung mit der Opposition oder die Spirale der Repression verschärfte sich. Eine wesentliche Taktik der Repression sei die Fragmentierung der Gesellschaft durch Politisierung von Ethnizität, Bevorzugung bestimmter Gruppen, Anstachelung von religiösem Fundamentalismus, usw. „[When] the regime falls, it brings down with it the power that it has concentrated in its hands.“130 Es entstünde ein Machtvakuum im Staat, auf lokaler Ebene übernähmen soziale Gruppen und strongmen Ordnungsfunktionen. Aufgrund ihrer Ortsgebundenheit und Fragmentierung könnten diese Gruppen die Gesellschaft aber nicht auf nationaler Ebene integrieren, was die Bildung eines neuen Regimes behindere oder unmöglich mache.

Auch unter Berücksichtigung von Spangers Kritik bleibt Zartmans Modell eine der klarsten und stringentesten Theorien des Staatszerfalls. Sie stellt die wichtigste Theorie dar, die sich auf die Interaktion von Staat und Gesellschaft konzentriert und bildet so ein Gegengewicht zu den systemischen, sich auf Jackson berufenden Zerfallstheorien.

4.1.3 Claphams Synthese

Christopher Clapham baut seine eigenen Überlegungen auf Ideen Jacksons auf und führt diese durch eine Verbindung mit Theorien von state-society relations ähnlich derer von Zartman weiter.131 In der internationalen Politik stellt Clapham die Vorherrschaft einer etatistischen Ideologie fest: Der Staat sei der ideale Baustein der internationalen Ordnung, ganz im Sinne Nkrumahs (vgl. 4.1.1). Diese Ideologie habe dazu geführt, dass nach der Dekolonisierung der Staat in alle Länder Afrikas exportiert wurde, ohne Beachtung der speziellen Situation. „A plausible case can be made, indeed, that state collapse has been hastened and intensified by over-ambitious attempts to impose on societies a

130 Ders.: 8. 131 Dies wird in manchen Äußerungen deutlich: „What effectively happened during much of the post-1945 era in international politics was that governments agreed among themselves to pretend in many cases that the criteria for legitimate statehood were met, regardless of how evidently fictitious this pretence may have been.“ (Clapham 1996: 15) Ähnlich bei ders. 1999: 107-108. Seine Theorien finden sich bei Clapham 1996, 1998, 1999 und 2000. Für eine Kritik vgl. Lindberg 2001: 177ff.

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level of state control that they were ultimately unable to bear.“132 Grundsätzlich diagnostiziert er eine mangelnde Verwurzelung des Staates in der politischen Kultur und der Geisteshaltung der Gesellschaft. „(S)ome societies have the social values required to sustain states, whereas others do not.“133 Diese grundlegende Schwäche so manches afrikanischen Staates liege in „the artificiality not just of their frontiers but more importantly of the identities, which resulted from the generally haphazard character of their colonial creation.“134

Vor dem Hintergrund eines Konfliktes von Staat und Gesellschaft liege der eigentliche Auslöser des Kollapses meist im Auftreten politisch motivierter Gewalt und Repression oder in bad governance im allgemeinen. Claphams Schwerpunkt wird deutlich: „Social factors, in short, appear to be much more important than economic ones.“135

Clapham macht die Zunahme von Staatszerfall in der jüngeren Vergangenheit insbesondere an der ‚Zeitenwende’ von 1989 fest. Während des Kalten Krieges, so sein Argument, brachte Staatlichkeit große Vorteile. Regime im Besitz eines Staates konnten legitim militärische und ökonomische Hilfe erhalten, was ihrer nicht-staatlichen Konkurrenz weitgehend verwehrt blieb. Mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes schwand jedoch das strategische Interesse an Afrika, die ausländische Unterstützung versiegte. Die Situation in den Staaten Afrikas änderte sich dramatisch. „Not only were stateless competitors, and especially insurgent movements, able to improve their relative access to international resources, but even those who controlled states found it advantageous, on occasion, to operate outside the structures of formal statehood, and to undermine the very states which they governed.“136

Der Staat besitzt in dieser Theorie eine Position als Torwächter zwischen Innen und Außen. Auf diese Weise konnte er grenzüberschreitende Austauschbeziehungen in für ihn lohnender Weise kontrollieren (und sich u.U. daran bereichern). Wie oben beschrieben fanden aber sowohl in- als auch

132 Clapham 2000. Er gebraucht den Begriff des state collapse ähnlich wie Zartman. 133 Ders. 134 Ders. 1996: 73. Hiermit knüpft er an Buzans idea of the state (vgl. 2.2.4) an. 135 Ders. 2000. Dorff 1999 dagegen meint, Staatszerfall könne eigentlich nur durch ökonomische Entwicklung verhindert werden. 136 Clapham 1996: 23-24.

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ausländische Akteure Zugang zu anderen Kanälen und entzogen dem intermediären Staat die Kontrollmöglichkeit sowie eine wichtige Ressourcenquelle.137 Ganz ähnlich äußert sich Bayart: „the groups which hold power in Africa live, in the main, from the rents they procure from their intermediary position towards the international system.“138

Claphams Theorie stellt Staatszerfall also im Wesentlichen als einen Prozess dar, dem internationale Bedingungen den Hintergrund bereiten, der aber letztlich von internen Faktoren angestoßen wird. Insofern stellt seine Theorie einen wichtigen Brückenschlag zwischen systemischen (wie Jacksons) und gesellschaftlichen Ansätzen (wie Zartmans) dar.

4.1.4 Tetzlaffs Zweistufenmodell von Zerfall und Kollaps

Die Arbeiten Rainer Tetzlaffs sind die umfangreichsten zum Thema Staatszerfall in der deutschsprachigen Literatur.139 Tetzlaff unterscheidet analytisch Staatszerfall von Staatskollaps. Dem Begriff des Staatszerfalls ordnet er zwei Dimensionen zu: „zum einen die schleichende Erosion staatlicher Autorität, weil unzufriedene Bürger der Regierung wegen deren Unfähigkeit und/oder Repression den Gehorsam verweigern (Legitimationsverlust); zum anderen meint er [der Zerfall] die zunehmende Dysfunktionalität staatlicher Einrichtungen (z.B. durch Ressourcenmangel oder Überschuldung), so dass die Regierung für den Bürger irrelevant wird (Effizienzverlust des Staates).“140 Dabei unterscheidet Tetzlaff drei Varianten: 1. den territorial begrenzten Staatszerfall durch sezessionistische Aufstände oder regionale Widerstände, 2. den fortgeschrittenen Staatszerfall aufgrund der Aushöhlung des Staates durch die Elite (Kleptokratie) und 3. die schleichende Erosion staatlicher Autorität z.B. durch Verteilungskonflikte.

Staatskollaps ist für Tetzlaff hingegen ein sehr spezieller Vorgang. Dazu komme es erst, „wenn ein Segment (Volk, Ethnie, Partei) der Bevölkerung sich der Reste des alten Staates gewaltsam bemächtigt, ohne die Anerkennung der anderen Segmente finden zu können.“141 Ansonsten schließt er sich weitgehend 137 Vgl. ders. 1999: 108. 138 Zit. in: Cruise O’Brien 1991: 146. 139 Vgl. Tetzlaff 1992, 1993a, 1993b, 1995a, 1995b, 1997, 1998a, 1998b, 2000a und 2000b. 140 Ders. 2000a: 36. 141 Ders. 2000a: 37.

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der Definition Zartmans an, dass beim Staatskollaps Recht, Ordnung und Autorität vollständig verschwunden seien. Damit präsentiert Tetzlaff ein zweistufiges Modell, in dem Staatszerfall als längerfristiger und vielgestaltiger Prozess auftaucht, während Staatskollaps gewissermaßen eine distinktive Endphase oder einen Endzustand beschreibt.

Die Ursachen für Staatszerfall verortet Tetzlaff im Landesinneren, speziell im Fehlverhalten der politischen Eliten.142 In diesem und in anderen Punkten schließt sich Tetzlaff den Vorarbeiten Zartmans (vgl. 4.1.2), Migdals (vgl. 3.2) und Buzans (vgl. 2.2.4) an. Kollabiere der Staat, dann ordneten religiöse, ethnische oder kulturelle Institutionen das Gemeinschaftsleben. „Damit zerbröckelt das Vertrauen der Menschen, der Bürger, in ihren Staat, er hört auf, ein Objekt der Identifikation zu sein“143 – sofern er dies jemals war.

Besonders relevant an Tetzlaffs Arbeit ist die Systematisierung und Einordnung bisheriger Forschung und ihre Einführung in die deutschsprachige Wissenschaft. Speziell seine Unterscheidung von Staatszerfall und Staatskollaps – die sonst meist synonym gebraucht werden – wird für diese Arbeit von Nutzen sein.

4.1.5 Renos shadow state

William Reno stellt ein Phänomen in den Vordergrund seiner Arbeit, das in den vier bisher vorgestellten Theorien kaum explizit angesprochen wird. Auf Migdals Theorie (vgl. 3.2) der staatlichen Akkomodation von strongmen aufbauend wirft sein Konzept des ‚shadow state’ ein Schlaglicht auf das Verhalten politischer Eliten in schwachen Staaten.

Diese Eliten (Regime, Regierungschef) begründeten ihre Herrschaft nicht in den formellen Institutionen des Staates, sondern sicherten ihre Macht über informelle Verbindungen. Diese Netzwerke hätten für die Staatselite verschiedene Zwecke: Zum einen würden darüber klientelistische Beziehungen zu strongmen unterhalten, zum anderen würde auf diesem Wege persönliche Macht ausgeübt. Zu diesem zweiten Zweck versuche der Machthaber, die Bürger des Landes persönlich von ihm abhängig zu machen. Daher stelle ein derart patrimonial denkender Herrscher die staatliche Bereitstellung öffentlicher 142 Vgl. ders. 1993b. Darin zeigt sich eine gewisse Affinität zur These der ‚spoils politics’ von Allen 1999 (vgl. 4.1.9). 143 Tetzlaff 2000a: 41.

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Güter ein. „Removing public goods, like security or economic stability, that are otherwise enjoyed by all, irrespective of their economic or political station, is done to encourage individuals to seek the ruler’s personal favor to secure exemption from these conditions.“144 Um diesen Effekt der Abhängigkeit zu provozieren bzw. zu verschärfen sei ein solcher Herrscher logischerweise motiviert „to make life less secure and more materially impoverished for his subjects.“145

Ziel der Staatselite sei demzufolge die Untergrabung der offiziellen Staatsinstitutionen sowie der Aufbau eines komplementären Gefüges, des shadow state. Eine solche Lage habe eine gewisse Ähnlichkeit mit Staatszerfall. Dazu merkt Reno an: „These informal connections, in the sense of not being legally sanctioned or even officially acknowledged, are the networks of the shadow state. It is thus proper to conceive of ‚state collapse’ [...] , insofar as one identifies the destruction of formal state bureaucratic institutions at the hands of the shadow state ruler and his associates as the indicator of collapse. A semblance of public order is compatible with this collapse, but such order is coincidental with the private interests of a shadow state elite.“146 Es ist jedoch zu erwähnen, dass diese Form des Kollapses für Reno – bedingt durch seine Herangehensweise – nur in autokratischen Systemen auftreten kann.

Renos Theorie stellt einerseits die wichtige Rolle des Regimes in der Zerstörung des Staates heraus. Andererseits soll die Natur des shadow state eine Warnung sein, dass Staatszerfall und –kollaps auch auf schleichendem und kaum wahrnehmbaren Wege stattfinden kann.

4.1.6 Das State Failure Project

Das State Failure Project ist eine akademische Arbeitsgruppe, die 1994 vom damaligen US-Vizepräsidenten Gore den Auftrag erhielt, für die CIA ein Modell zur Vorhersage von ‚state failure’ zu entwerfen. Dazu stellten die Forscher

144 Reno 2000: 47. 145 Ders.: 47, Hervorhebung im Original. 146 Reno 2000: 47.

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große Datensätze zusammen, auf deren Basis versucht wurde, Schlüsselvariablen von Staatszerfall zu isolieren.147

Die State Failure Task Force (SFTF) stellt einleitend fest: „State failure and state collapse are new labels for a type of severe political crisis exemplified by events of the early 1990s in Somalia, Bosnia-Herzegovina, Liberia, and Afghanistan. In these instances, the institutions of the central state were so weakened that they could no longer maintain authority or political order beyond the capital city, and sometimes not even there. Such state failures usually occur in circumstances of widespread and violent civil conflict, and are often accompanied by severe humanitarian crises.“148

Nach dieser richtigen Einschätzung begab sich die SFTF unerklärlicherweise auf andere Pfade. Ihre folgende Untersuchung untersuchte nicht mehr state failure, sondern verschiedene Formen politischer Gewalt. Eine Definition von Staatszerfall wird unterlassen, daher soll hier diejenige von King und Zeng vorgestellt werden, die das Projekt einer detaillierten Kritik unterzogen haben und an dieser Stelle das SFTF paraphrasieren. „State failure refers to the collapse of the authority of the central government to impose order, as in civil wars, revolutionary wars, genocides, politicides, and adverse or disruptive regime transitions.“ Analytisch völlig unverständlich ist aber ihr Nachsatz: „States that sponsor international terrorism or allow it to be organized from within their borders are all failed states.“149

Nach den bisherigen Ausführungen sollte klar sein, dass die SFTF den Gegenstand der state failure grundsätzlich anders begreift als die restliche Fachliteratur. Dementsprechend breit ist auch die Kritik an diesem Vorhaben, das mit Staatszerfall eigentlich kaum noch etwas zu tun hat. Wallensteen merkt an, Genozid könne eigentlich nur mittels wohlorganisierter Einheiten durchgeführt werden, was die Existenz eines funktionierenden Staates quasi

147 Vgl. Esty et al. 1995/1998 und 1998. Den Datensatz sowie weitere Informationen findet man auf der Website der Task Force unter <http://www.bsos.umd.edu/cidcm/stfail/>. Für eine methodologische Kritik vgl. King; Zeng 2001. 148 Esty et al. 1995/1998. 149 King; Zeng 2001: abstract. Ähnlich bei Kümmel 2000, der in seinen Begriff der Außenseiterstaaten ein Sammelsurium an teils analytischen, teils politischen Vokabeln einschließt: „Pariahstaaten, Schurkenstaaten, paranoide Staaten, isolierte Staaten, backlash states, failed states, collapsed states, rogue states oder crazy states.“

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voraussetzt.150 King und Zeng schreiben, die abhängige Variable, also ethnische Konflikte, etc. (s.o.) sei „not really a measure of state failure but instead is an indicator of some of the disastrous consequences of state failure.“151 Die deutlichste Kritik bietet Spanger in seinem Überblick über verschiedene Zerfallstheorien: „The least ambitious in terms of conceptual clarity and the grandest in its empirical scope has been the State Failure Project by Ted Gurr et al. Its primary objective was to identify risks of ‚political crisis in countries’ for which ‚state failure’ or ‚state collapse’ just provide ‚new labels’.“152 Die SFTF, so Spanger, sehe Staatszerfall nicht als distinktives Phänomen, sondern als eine Variante politischer Krisen im allgemeinen. Somit sind die Schlußfolgerungen und Modelle des SFTF für die vorliegende Arbeit, besonders für die Theoriebildung, kaum zu gebrauchen.

4.1.7 Indikatoren von Staatszerfall

Neben den bisher vorgestellten Theorien gibt es auch einige Ansätze, in denen Modelle entworfen werden, die anhand einiger bestimmter Indikatoren die Stabilität und Kapazität eines Staates zu messen trachten. Es überrascht nicht, dass die neben dem State Failure Project detailliertesten Modelle, nämlich von Norton und Miskel sowie Baker und Ausink in Zeitschriften (Naval War College Review, Parameters) publiziert wurden, die dem amerikanischen Militär nahestehen.153 Dies erklärt die hohe Praxisbezogenheit dieser Ansätze.

Norton und Miskel entwerfen eine Matrix aus drei Kategorien mit je drei Indikatoren, um den Zustand eines Staates zu erfassen, wobei sie speziellen Wert auf Längsvergleiche legen, d.h. es wird gefragt, in welche Richtung sich ein bestimmter Aspekt über die Zeit entwickelt hat.154 Die erste Kategorie umfasst die Lebensbedingungen und deren Einwirkung auf ökonomische Entwicklungschancen mit den Einzelaspekten Nahrungssicherheit, Alphabetisierung, sowie Mortalität. Die zweite Kategorie beschreibt die Kapazität der privaten Wirtschaft, als Motor für Entwicklung zu wirken. Ihre Unteraspekte sind Inflation, Emigration und die Qualität der Infrastruktur. Der 150 Vgl. Wallensteen 1998. 151 King; Zeng 2001: 26, Hervorhebung im Original. 152 Spanger 2000, Hervorhebung im Original. 153 Vgl. Norton; Miskel 1997 und Baker; Ausink 1996. 154 Vgl. Norton; Miskel 1997.

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dritte Komplex schließlich schildert die Fähigkeit der Regierung, wirtschaftliche Entwicklung zu stimulieren. Dies umfasst die äußere sowie die innere Sicherheit und die Fähigkeit der Regierung zur good governance. Bewegen sich diese neun Indikatoren in einer Mehrzahl in negativer Richtung, dann besteht, so Norton und Miskel, erhöhte Gefahr für den Zusammenhalt des Landes. Je weiter das Saldo nach unten zeigt, desto stärker ist der Staat in seiner Existenz bedroht.

Baker und Ausink entwerfen demgegenüber ein Modell aus zehn Indikatoren.155 Dabei handelt es weniger um zeitliche Vergleiche als um dichotome Variablen. Je mehr dieser Indikatoren auftreten, desto gefährdeter ist ein Staat. Die Indikatoren sind demographischer Druck, Flüchtlingsbewegungen, ungleiche ökonomische Entwicklung verschiedener ethnischer Gruppen, eine Tradition rachegeleiteter Gruppenidentitäten, Delegitimierung des Staates, Wirtschaftskrisen, massive Emigration, Niedergang in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, Aufhebung der rule of law, und die Loslösung des Sicherheitsapparates von der politischen Führung.

Baker und Ausink beziehen ihr Modell explizit auf ethnisch heterogene Gesellschaften, was sich speziell in den ersten vier Indikatoren niederschlägt. Demgegenüber bieten Norton und Miskel ein eher ökonomisch ausgerichtetes Modell, das langfristige Veränderungen besser berücksichtigt.

Neben diesen ‚großen’ Modellen beschreiben eine Vielzahl von Autoren Warnzeichen eines drohenden Kollapses, von denen einige kurz erwähnt werden sollen. Zartman nennt fünf solcher Zeichen: 1. das politische Zentrum bekämpft sich selbst, Autorität fällt der lokalen Ebene zu; 2. die Machtbasis des Regimes schrumpft; 3. die Regierung verschleppt schwierige oder kontroverse Entscheidungen; 4. das Regime betreibt nur noch defensive Politik, um ihr eigenes Überleben zu sichern; und 5. das Zentrum verliert die Kontrolle über die Agenten des Staates in Verwaltung und Militär.156 Ein weiterer Indikator für die Reichweite des Staates ist auf Anregungen von Kirby und Boulding (vgl. 2.2.4) begründet: Welchen Teil seines Staatsgebietes hat das Zentrum überhaupt noch unter Kontrolle? Auch das Abgabemonopol nach Elias (vgl. 2.2.4) kann als Indikator herangezogen werden – so untersuchte Wallensteen z.B. die geplante

155 Vgl. Baker; Ausink 1996. 156 Vgl. Zartman 1995a: 9-10.

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Steuerquote und die tatsächliche Steuereinziehung als Maßzahlen für die Fähigkeit des Staates, das Abgabemonopol sicherzustellen.157

Indikatoren haben das Potential, ein recht genaues Bild von der Situation eines Staates vermitteln. Allerdings können sie unmöglich alle Dimensionen von Staatszerfall erfassen und könnten – je nach Ausgestaltung – wichtige Warnhinweise übersehen. Ferner sind sie keinesfalls als Ersatz für eine Theorie zu gebrauchen (wie dies bei Baker; Ausink und Norton; Miskel erscheint), sondern höchstens als dazu komplementär. Zartman kombiniert in seinem Ansatz (vgl. 4.1.2) Theorie und Indikatoren und kann dadurch die Schwächen seiner Theorie, nämlich die etwas ungenaue Definition von state collapse, ausgleichen. Außerdem bietet er mittels der Indikatoren einen Maßstab, anhand dessen er Staaten ordinal gruppieren kann.

4.1.8 Thesen des internationalen Wandels

Auf dem Gebiet der Internationalen Beziehungen gibt es viele Theorien, welche das Ende der bipolaren Struktur des Ost-West-Konfliktes als wesentliche Änderung des internationalen Systems darstellen. Manche Kommentatoren behaupten darüber hinaus, dieser Systemwandel werde Auswirkungen auf die Situation der Staatlichkeit mit sich bringen.158

Folgenden internationalen Entwicklungen werden Auswirkungen auf die Staaten des subsaharischen Afrikas nachgesagt: sinkende Entwicklungshilfe, schlechtere Weltmarktpreise bei Rohstoffexporten, die Schuldenkrise und mit ihr zunehmende Interventionen von IWF und Weltbank, sowie ein Ende der Patronage durch die Supermächte.159 Diese Entwicklungen sorgten für eine „profound erosion of many governments’ revenue bases“160 und verschärften so die politische Krise vieler Staaten. Außerdem verlor Afrika seine geostrategische Relevanz; damit schwand der Einfluß des Machtblocks der ‚Dritten Welt’ bzw. der Bewegung Blockfreier Staaten. Die internationale Marginalisierung afrikanischer Staaten nahm weiter zu.161

157 Vgl. Wallensteen 1998. 158 Eine solche Theorie fand man bereits bei Clapham (vgl. 4.1.3). 159 Vgl. Clapham 1996: 23-24, Forrest 1998: 45 und Molt 1997: 34. 160 Herbst 1996: 123. Vgl. dazu 4.1.8. 161 Vgl. Strizek 1996: 299.

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Eine besonders weitreichende These stammt von der ‚state deformation theory’. Diese sagt im Wesentlichen, der Staat reagiere auf Veränderung im internationalen System durch Wandel und Anpassung seiner Institutionen. Konkret heißt dies: Unter starkem Druck von außen werden die Strukturen des Staates gestärkt, der Staat zieht immer mehr Aufgaben an sich. Entfällt dieser Druck, geht ein wichtiges Element des Zusammenhalts verloren. „Logically, the state deformation theory predicts that the end of the cold war will produce a general crisis of the state.“162 Dies würde das verstärkte Auftreten von Staatszerfall in den 90er Jahren erklären – Staaten mit geringer innerer Kohäsion und dominanten cleavages desintegrierten im neuen „low threat environment“163.

Weiterhin waren im Verlauf des Kalten Krieges große Mengen von Waffen, speziell small arms, zur Aufrüstung verbündeter Regime nach Afrika gebracht worden. Diese Waffen sind inzwischen teilweise im Besitz von nicht-staatlichen Gruppen, teilweise im Besitz von Sicherheitskräften, die unabhängig vom Staat agieren. Es kommt zu einer Privatisierung der Gewaltmittel, wodurch das staatliche Gewaltmonopol ernsthaft gefährdet wird.164 Die Opposition bewaffnet sich, um sich gegen staatliche Repression wehren zu können und es kommt zu einer militärischen Kraftprobe – nicht selten der Anfang vom Ende.

Diese Militarisierung spielt auch in der Wirtschaft ihre Rolle. Reno stellt fest, dass sich heute, da es ihnen an internationaler Unterstützung sowohl finanzieller als legitimatorischer Art mangelt, viele afrikanische Staaten von ausländischen Konzernen und privaten Söldnerfirmen unterstützen lassen.165 Lock stellt die These auf, mit dem Zerfall der Staatsgewalt zerfiele auch der Garant für die Aufrechterhaltung einer Marktordnung. Somit würden Transaktionen zunehmend gewaltbasiert (Raub, Sklavenhandel). „Die Logik von

162 Desch 1996: 243. Das Gegenteil dazu ist die ‚state persistence theory’, die von starker institutioneller Kontinuität politischer Strukturen ausgeht. Für ein Beispiel dieser Theorie vgl. Krasner 1989. 163 Desch 1996: 244-245. Sehr ähnlich ist Heyers Modell des ‚temporären Staates’ in Somalia (vgl. Heyer 1997). Ich halte jedoch die These, dass externe Bedrohungen im Afrika der 90er Jahre nachgelassen hätten, für fragwürdig. 164 Vgl. Ayoob 1996: 81 und Gros 1996: 464. Zur ‚Privatisierung der Gewalt’ vgl. allgemein Lock 1998a und 1998b, Reno 1997a und 2000 sowie Ruf 1999. 165 Er bezeichnet dies als ‚militarization of commerce’. Vgl. Reno 1997b.

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Gewaltsteuerung führt zu weiteren Konzentrationen wirtschaftlicher Macht und Kontrolle durch warlords, gestützt auf ihr privates Gewaltmonopol.“166

4.1.9 Theorien von Korruption und Kleptokratie

Hierbei handelt es sich um ein großes Bandbreite an Ansätzen, die die Ursachen für die generelle politische Krise Afrikas, ähnlich wie Reno (vgl. 4.1.5), in weitverbreiter Korruption, im Selbstbereicherungsverhalten der politischen Eliten und der starken Personalisierung der Regierungspolitik sehen.167

Lock sieht Korruption und die Verbreitung von Gewalt als untrennbar verbunden: „Am Anfang steht immer Korruption [...] . Die Lähmung von Rechtsnormen durch Korruption öffnet den Weg für Gewalt als Marktregulativ.“168 Viele afrikanische Gesellschaften „haben sich unter dem Einfluß der Staatsklasse größtenteils zu ‚rent-seeking societies’ entwickelt [...] . ‚Rente’ in diesem Kontext ist als ein Einkommen zu verstehen, das nicht durch eigene Anstrengungen für den Markt erzielt wurde“169. Dabei handelt es sich um Erlöse aus dem Verkauf von Rohstoffen genauso wie um Entwicklungshilfe. Diese Renten fallen politischen Entscheidungsträgern zu, nicht selten dem Staatschef persönlich. Über neopatrimoniale Netzwerke von Patronage und Klientelismus lassen diese ihren Günstlingen Anteile davon zukommen. Ganz ähnlich funktioniert Korruption, jedoch meist auf niedrigerer politischer Ebene. „Provided the beneficiaries of graft do not hoard too much of what they accumulate by means of the exploitation of the resources made available to them through their position, and provided they redistribute along lines that are judged to be socially desirable, their behaviour is deemed acceptable. [Corruption] is a habitual part of everyday life, and expected element of every social

166 Lock 1998b: 71, Hervorhebung im Original. 167 Die Ansätze Claphams (vgl. 4.1.3) und Tetzlaffs (vgl. 4.1.4) greifen diese Anregungen auf. Vgl. ferner Cruise O’Brien 1991, Ng’ethe 1995, Joseph 1987, Allen 1999, Chabal; Daloz 1999: 95-109, Weiner 1987, Mehler 1996, Eikenberg 1996, Reno 2000 und Strizek 1996. Für eine Untersuchung von ‚state capture’ durch Firmen und Konzerne vgl. Hellman; Jones, Kaufmann 2000. 168 Lock 1998a: 21. „Gravierender ist die Transformation in vielen wirtschaftlich schwächeren Staaten. Denn dort ist das Gewaltmonopol des Staates nicht mehr wirksam. Klientelismus und Korruption sind die Wegbereiter der Implosion staatlicher Strukturen. Fehlende Ressourcen beschleunigen diese Erosion.“ (ders.: 21) 169 Tetzlaff 1997: 141.

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transaction.“170 Korruption dient also vorrangig der Selbstbereicherung, Klientelismus dagegen dem Aufbau und Erhalt von politischer Macht bzw. gesellschaftlicher Stellung (vgl. 5.1.2).

Dabei spielt es für die vorliegende Arbeit keine Rolle, wo die Ursache für derartiges Verhalten liegt, zumal es sich dabei um eine äußerst komplexe Frage handelt. Wesentlich relevanter ist ein möglicher Zusammenhang zwischen Korruption und Staatszerfall. In der Vorstellung der Theorien Renos (vgl. 4.1.5) wurde bereits herausgestellt, dass auf diese Weise der formelle Staatsapparat umgangen und entwertet würde. Außerdem sendet eine solche Politik ein klares Signal an die Bevölkerung: Bereichere sich, wer kann! „Rent-seeking policies [...] induce cynicism, undermine the legitimacy of the state, erode acceptance of income inequalities, and stimulate antisocial behaviour.“171 Die eigentliche Gefahr von rent-seeking, Klientelismus und Korruption liegt also in der Delegitimierung und Kriminalisierung des Staates.172 „(E)ndemische Korruption [untergräbt] den letzten Rest an Vertrauen in die staatlichen Institutionen.“173 Die Bevölkerung wendet sich vom Staat ab, der ihr weder Sicherheit noch Identität verspricht und gibt ihre Loyalität lieber kulturellen, religiösen oder ethnischen strongmen.

In den letzten Jahren gerieten die Klientelsysteme jedoch unter Druck, und zwar aus zweierlei Richtung. Zum einen aus wirtschaftlichen Gründen: Während in den 60er und 70er Jahren noch genügend Ressourcen vorhanden waren, um die Unterstützung wesentlicher Teile der Mittelschicht und der wichtigen strongmen fern der Hauptstadt zu gewinnen, mangelt es dem Staat heute infolge von Verschuldung und schwindender Entwicklungshilfe an den nötigen Mitteln. Die feingesponnenen Patronagenetzwerke zerfallen zusehends. Zum anderen durch demographische Ursachen: In früheren Zeiten wurden Absolventen höherer Bildungsinstitutionen als Beamte in den Staatsapparat integriert und somit zu Klienten des Regimes. Damit wurde die Bildung einer kritischen Mittelschicht verhindert, führte jedoch zu einer künstlichen Aufblähung der Bürokratie. Heute steigen einerseits die Absolventenzahlen, andererseits schwindet die 170 Chabal; Daloz 1999: 99. 171 Weiner 1987: 55. 172 Vgl. Bayart; Ellis; Hibou 1999. 173 Cord Jakobeit, zit. in: Strizek 1996: 304-305. Ähnlich Lock: „Die legitimatorische Basis der politischen Systeme reichte nicht über die jeweiligen Zonen klientelistischer Versorgung hinaus.“ (1998b: 76)

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Ressourcenbasis des Staates. Werden die neuen Eliten ebenfalls vom Staat assimiliert, dann verschärft sich die Haushaltskrise dramatisch, werden sie dagegen nicht in den Staatsdienst gestellt, bilden sie die mögliche Keimzelle für eine Regimeopposition.174

Auf der Basis der obigen Überlegungen hat Allen seine Theorie der ‚spoils politics’ formuliert.175 Danach wird die Politik der Elite durch rent-seeking dominiert. Zu diesem Zweck werden Patronagenetzwerke errichtet, die schließlich die Spitze und die Institutionen des Staates umfassen. In seinem Niedergang, in der Phase der ‚terminal spoils’, entfaltet dieses System jedoch seine zerstörerische Wirkung. Es kommt zu Phänomenen sowohl der staatlichen Implosion (Aushöhlung politischer Strukturen, Delegitimierung des Staates) als auch der Explosion (warlordism, Repression). Der Staat verliert Gewalt- und Abgabemonopole und stellt seine öffentlichen Aktivitäten ein oder privatisiert sie. Seine Beziehungen zur Gesellschaft sind zunehmend konfliktgesteuert. Mit dem Ende der spoils politics kollabieren die sterbenden Überreste des Staates.

Die hier vorgestellten Theorien bereichern die Forschung um eine neue, akteurszentrierte Sichtweise auf Staatszerfall. Während die Theorien internationalen Wandels eine systemische Position einnehmen, bieten die hier vorgestellten Ansätze eine Perspektive auf das Handeln der politischen Elite, sowie der Konsequenzen desselben für Gesellschaft und politische Kultur.

4.1.10 Weitere Ansätze

Neben den bisher vorgestellten gibt es natürlich noch eine Vielzahl weiterer Konzepte. Diese Theorien waren zumeist weniger grundlegend als die obigen, tragen jedoch wichtige Ideen in sich, die hier in aller Kürze angerissen werden sollen.

Eine interessante Hypothese ergibt sich aus Holstis state-strength dilemma, nach dem schwache Staaten ihre Misere durch übertriebene Anwendung despotischer Macht verschärfen (vgl. 3.2). Jene Staaten, die aus diesem Dilemma nicht ausbrechen können, sind für Holsti failed states.176 Dabei übernimmt er die Jacksonsche Dichotomie von juristischer und empirischer Staatlichkeit: „Most 174 Vgl. Mehler 1996: 206 und Strizek 1996: 305. 175 Vgl. Allen 1999. 176 Vgl. Holsti 1996: 119.

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failed states do not disappear physically, but they are largely hollow shells in which the requirements of sovereignty cannot be met. Legal personality and political fact are divorced.“177

Aus der Dilemmasituation schwacher Staaten lässt sich außerdem eine Hypothese ableiten, die u.a. Snow vertritt und die bereits bei Allen (vgl. 4.1.9) und Zartman (vgl. 4.1.2) anklingt. Sie besagt im Wesentlichen, dass autoritäre Regime die Grundlage des Staates durch Despotie und Selbstbereicherung zerstören. „(T)he potential for anarchical, failed states seems to exist wherever a coercive state collapses and is replaced by a weak state in which there is little underlying sense of common social values.“178

Ähnlich wie Tetzlaff (vgl. 4.1.4) betont Forrest den prozessualen Charakter von Staatszerfall. Sein Konzept der ‚state inversion’ beschreibt diesen Prozess als eine zunehmende Abwendung des Staates von der Gesellschaft hin zu einer Beschäftigung mit sich selbst (z.B. interne Machtkämpfe).179

Mair bietet überdies die Anregung, Staatszerfall als mehrdimensionalen Prozess anzusehen und schreibt ihm folgende Aspekte zu: „zum einen die abnehmende Fähigkeit des Staates, seine essentiellen Funktionen zu erfüllen [...] ; zum anderen den wachsenden Loyalitätsentzug der Bürger gegenüber dem Staat“180. Dieses Verständnis kritisiert jene vereinfachte Annahme, die Legitimitätskrise des Staates würde dessen Zerfall kausal bedingen, sei aber ein davon distinktiver Prozess. Mair stellt mit seiner These heraus, dass beide Vorkommnisse wesentliche Aspekte von Staatszerfall sind und als solche untrennbar sind und parallel ablaufen.

177 Holsti 1996: 120. 178 Snow 1996: 37. Ähnlich äußert sich Mehler: „[Es] kann mit gutem Grund argumentiert werden, dass die Fundamente der Staatlichkeit während jahrelanger autoritärer Herrschaftsausübung erodierten. Der Glaube an eine gerechte, nach rationalen Kriterien funktionierenden Verwaltung ging vollständig verloren.“ (Mehler 1996: 205) Ferner Gros 1996: 462. 179 Vgl. Forrest 1998. 180 Mair 2000: 161.

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4.2 SYNTHESE: WAS IST STAATSZERFALL? 4.2.1 Definition

Nach der Darstellung des aktuellen Forschungsstands komme ich nun zu der wesentlichen Frage: Was ist unter Staatszerfall eigentlich zu verstehen? Auf den ersten Blick scheint es sich dabei um die Umkehrung eines Staatsbildungsprozesses zu handeln: das staatliche Gewaltpotential und sein Abgabemonopol devolvieren vom politischen Zentrum hin zu lokalen Machthabern. Im zerfallenen Staat befolgen die Bürger wieder die Regeln von Dorf und Familie, nicht mehr die des Staates.181

In meiner Konzeptualisierung schließe ich mich Tetzlaffs Trennung von Zerfall und Kollaps an. Staatszerfall deutet einen längerfristigen Prozess des Niedergangs an, während Staatskollaps das Ereignis bzw. der Zustand am Ende dieser Abwärtsspirale ist. Nun stellt sich die Frage: Was zerfällt? Ich habe bereits herausgestellt, dass Staatlichkeit mehrere Dimensionen hat (vgl. 2.1 und 2.3.2): Man kann den Staat als Institution, als Arena, als Idee, etc. auffassen. Am wertvollsten aber erscheint Jacksons und Rosbergs Trennung von empirischer und juristischer Staatlichkeit. Wendet man diese Unterscheidung auf die Zustände in failed states an, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass Staatszerfall die Erosion empirischer Staatlichkeit beschreibt, Staatskollaps hingegen deren völligen Zusammenbruch.182

Dies lässt sich an der Situation mancher afrikanischer Staaten gut verdeutlichen. Diese haben mit einer schwindenden Ressourcenbasis, ethnisch motivierten Aufständen, Korruption, Schattenwirtschaft, epidemisch auftretenden Seuchen und anderen Problemen zu kämpfen, ohne die institutionelle Kapazität (oder – in Worten Manns, vgl. 3.2 – ‚administrative Macht’) zur Bewältigung dieser Probleme zu besitzen. Ferner schenkt ihnen ihre Bevölkerung immer weniger Loyalität, je weiter man sich von der Hauptstadt entfernt, das Gewaltmonopol ist in Gefahr und in manchen Regionen nicht mehr in Kraft.183 Diesen Staaten 181 Ziel des Staates ist dagegen: „Getting the population to obey the rules of the state rather than the rules of the local manor, clan or any other organization“ (Migdal 1988: 23) 182 Im Folgenden werde ich die englischen Begriffe failed state bzw. collapsed state als Synonyme für Staatszerfall bzw. Staatskollaps verwenden. Eine passendere Übersetzung von failed state wäre zweifellos Staatsversagen, leider ist dieser Begriff bereits durch die ökonomische Theorie besetzt (vgl. Osterkamp 1995). 183 Eine detaillierte, wenn auch übertrieben pessimistische Darstellung findet sich bei Kaplan 1994. Ferner Grill 2001a.

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mangelt es an allen Aspekten empirischer Staatlichkeit. Demgegenüber haben sie alle Chancen und Rechte der juristischen Staatlichkeit: Sie haben einen Sitz bei den Vereinten Nationen, Botschaften in anderen Ländern, besitzen spezielle Immunitäten und unterstehen keiner höheren Autorität, genießen Schutz vor ausländischer Intervention, haben ferner Zugang zu Entwicklungshilfe sowie das Recht zur Unterzeichnung von internationalen Abkommen, Konventionen und Verträgen. Die juristische Staatlichkeit ist weiterhin in Kraft. Nach Jacksons Terminologie (vgl. 4.1.1) sind diese Staaten noch immer im Besitz negativer Souveränität.184

4.2.2 ‚Staatszerfall’ in Osteuropa und Afrika

Mit dieser Unterscheidung setze ich mich jedoch ein wenig vom allgemeinen Sprachgebrauch ab, in dem der Begriff Staatszerfall auch für die Auflösungsprozesse der UdSSR, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens gebraucht werden. Auch in der akademischen Literatur werden mitunter Theorien konstruiert, die ‚Zerfall’ sowohl in der Dritten als auch in der Zweiten Welt erklären sollen.185 Dies birgt jedoch die große Gefahr in sich, zwei verschiedene Prozesse unzulässigerweise gleich zu behandeln – in den Worten Sartoris wird dadurch ein ‚cat-dog’ geschaffen.186

Während man in Afrika einen Zerfall der empirischen Staatlichkeit feststellen kann, geschah in den drei genannten Staaten des ehemaligen Ostblocks dagegen ein Zerfall der juristischen Staatlichkeit. Diese Staaten lösten sich auf und wurden durch mehrere Nachfolgestaaten ersetzt (‚Dismembration’). Aber fand in den osteuropäischen Zerfallsprozessen evtl. auch ein Zerfall empirischer Staatlichkeit statt? Dazu sollen die drei Fälle – in aller Kürze – einzeln betrachtet werden.

Die Sowjetunion löste sich in den Jahren 1990/1991 nach sukzessiven Souveränitätserklärungen ihrer Teilrepubliken auf. Dieser Vorgang lief jedoch

184 Man erinnere sich der Regeln des Völkerrechts (vgl. 2.2.2): „While it is clear that the criterion of effective government must be satisfied before a territory can become a state, that does not mean that an established state loses its statehood when it ceases to have an effective government.“ (Dixon 1996: 101, Hervorhebung im Original) 185 Vgl. exemplarisch Helman; Ratner 1993, Gros 1996 und Dorff 1999. 186 Vgl. Sartori 1994.

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nach Schmid „innerhalb rechtlicher Strukturen“187 ab, was die Existenz funktionierender Institutionen und Regeln und somit empirischer Staatlichkeit voraussetzt.

Die Auflösung der Tschechoslowakei nahm bereits 1990 ihren Anfang, als sich die Gräben zwischen den beiden Regionen (die tschechische im Westen, die slowakische im Osten) zunehmend verschärften. Der eigentliche Zerfall geschah 1992/1993 in einem „nüchternen, legalistischen Trennungsprozess“188, der von politischen Verhandlungen und legislativen Tätigkeiten bestimmt war. Auch hier war also empirische Staatlichkeit vorhanden.

Der jugoslawische Fall ist weniger eindeutig als jene der UdSSR und der CSFR. Dennoch scheint auch hier weitgehend empirische Staatlichkeit vorhanden gewesen zu sein. Zum einen waren die Anfänge der Sezessionsbestrebungen Sloweniens und Kroatiens durchaus im Rahmen der jugoslawischen Verfassung, zum anderen wurde für rund ein Jahr noch ein, wenn auch ineffektiver, politischer Prozess aufrechterhalten, bevor es schließlich zum Krieg der Nachfolgestaaten kam.189 In diesem Zuge zerfiel zweifellos jegliche empirische Staatlichkeit des jugoslawischen Bundesstaates, dies geschah nach Auffassung der von der EG eingesetzten Badinter-Kommission jedoch ungefähr zeitgleich mit dem Verlöschen der juristischen Staatlichkeit.190 Wenn also Rußland oder Bosnien heute zuweilen als failed states bezeichnet werden191, dann bedeutet dieses Label einen Mangel an empirischer Staatlichkeit in der Folge ihrer Unabhängigkeit. Der Zerfall empirischer Staatlichkeit kann also durchaus mit dem juristischen Zerfall einhergehen, oder erst durch eine Staatsneugründung im Zuge desselben in Gang gesetzt werden, dies muss jedoch nicht sein. Schließlich

187 Schmid 1993: 2. Vgl. außerdem Möckelmann 1992 und Spanger 1999. 188 Schmid 1993: 3. Eine sehr detaillierte Darstellung des Zerfalls bietet Junkers 2000. 189 Vgl. Schmid 1993, Glenny 1995 und Eisermann 2000. 190 Die Arbeit der Kommission lief auf intergouvernmentaler Basis – u.a. machte Serbien zwei Eingaben an die Kommission. Zu Beginn der völkerrechtlichen Dismembration Jugoslawiens war also bereits ein offenkundiges Maß empirischer Staatlichkeit in den ex-jugoslawischen Teilrepubliken vorhanden (vgl. Eisermann 2000: 74ff.). Jackson Preece 1999 stellt fest, die Grenzen der neuen Staaten würden nach föderalen Vorgaben gezogen (nach dem völkerrechtlichen Prinzip uti possidetis juris). Dies bedeutet, zuvor existierende sub-staatliche politische Herrschaftsverbände, die bereits wesentliche Merkmale empirischer Staatlichkeit aufwiesen, erhielten in diesem Prozess juristische Staatlichkeit. Dies spricht ebenfalls für eine gewisse Kontinuität empirischer Staatlichkeit in den gegebenen Territorien. 191 So z.B. bei Bieber 2000 oder, mit einem Fragezeichen, bei Spanger 1999. Vgl ferner Job 1992: 27.

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haben andere Staaten wie Litauen, Slowenien oder die Tschechische Republik denselben Prozess des juristischen ‚Staatszerfalls’ durchgemacht und befinden sich empirisch in einer ungleich besseren Lage. Aus diesem und den zuvor genannten Gründen trifft der Begriff Staatszerfall nach meiner Definition nicht generell auf die osteuropäischen Dismembrationsprozesse zu.

4.2.3 Abgrenzung

Damit ist jedoch bereits ein wesentliches Problem angeschnitten: Wie trennt man den ‚schwachen Staat’ (vgl. 3.2) von Staatszerfall und Staatskollaps?192 Der Einfachheit halber (und weil sich die Konzepte inhaltlich sehr ähneln) soll der weak state ein Zustand, der Staatszerfall dagegen ein Prozess sein. Genauer gesagt: Ein schwacher Staat befindet sich in einer Situation der Schwäche; von Staatszerfall ist jedoch formal nur dann zu sprechen, wenn sich der Staat in einer ‚Abwärtsbewegung’ befindet, d.h. wenn die empirische Staatlichkeit abnimmt.

Dazu stellt Zartman aber zurecht fest: „It [...] becomes difficult to establish an absolute threshold of collapse.“193 Wo ist also der genaue Übergang vom Staatszerfall zum Staatskollaps? Exakt lässt sich ein solcher Punkt nicht festmachen. Ich möchte dennoch einige Indikatoren vorschlagen, deren Vorhandensein zunehmende Formen des Staatszerfalls charakterisieren. Der Kollaps des Staates ist eingetreten, sobald alle vier Aspekte erfüllt sind.

1. Verlust des Abgabemonopols – Der Staat ist nicht mehr in der Lage, Steuern einzutreiben. Zu beachten ist das generell niedrigere Steuerniveau in Afrika im Vergleich zu den Staaten der Ersten Welt.194 Einnahmen durch räuberische Zölle oder Aneignung von Renten werden hier als illegitime Abgaben betrachtet; finanziert sich der Staat durch solche Quellen, soll das Abgabemonopol ebenfalls als zerfallen gelten.195

192 In der Abgrenzung von weak, failed und collapsed state schließe ich mich im Wesentlichen Rotberg (i.Dr.) an. 193 Zartman 1995a: 5. 194 „Many Sub-Saharan African counties face difficulty in raising tax revenue for public purposes. Low per capita incomes, an economic base in subsistence agriculture, poorly structured tax systems, and weak tax and customs administrations all contribute to difficulties in raising tax revenus.“ (Stotsky; WoldeMariam 1997: 4) Ferner Wadhawan; Gray 1998, Fjeldstad; Therkildsen 2000 und Migdal 1988: 279ff. 195 Vgl. Jean; Rufin 1999.

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2. Verlust des Monopols physischer Gewalt – Der Staat verliert die Kontrolle über seine physischen Gewaltmittel. Dieser Fall kann eintreten, wenn sich Militär und Polizei wie ein ‚Staat im Staate’ gerieren und den Anweisungen des politischen Zentrums nicht mehr Folge leisten bzw. sich komplett auflösen. Nach den Vorschlägen Manns (vgl. 3.2) kann man dies auch als das Versagen despotischer Macht verstehen. Da ich die Legitimität des Staates gesondert betrachte (s.u.), übergehe ich Webers Junktim, dass sich Staatlichkeit erst aus dem Zusammenspiel von Gewaltmonopol und seiner Legitimation ergebe (vgl. 2.2.1) und betrachte lediglich das Vorhandensein dieses Monopols.

3. Dysfunktionalität der Institutionen – Die Behörden und Institutionen des Staates funktionieren entweder überhaupt nicht mehr bzw. erfüllen nicht den Zweck, für den sie bestimmt sind.196 Meist geht von ihnen keinerlei politisches Handeln mehr aus; höchstens noch sind sie von genug Leben erfüllt, um manchem Staatsagenten als Bereicherungsinstrument zu dienen. Dieser Indikator wäre in Manns Terminologie der Verlust von infrastruktureller Macht.

4. Verlust der Legimität – Der alte Staat kann keinerlei Legitimität der Bevölkerung mehr beanspruchen, insbesondere nicht mehr für sein Gewaltmonopol. Eine gewisse ‚idea of the state’ bzw. ein ideologischer Etatismus mag z.T. noch vorhanden sein, jedoch beschränkt sich dieser auf eine deutliche Minderheit des Volks bzw. auf bestimmte ethnische, religiöse oder soziale Segmente. Dieser Punkt ist nur schwer zu operationalisieren und zu messen, insbesondere da sich in dieser Frage Regime und Staat kaum trennen lassen. Deswegen muss in einer qualitativen Betrachtung von Einzelfall zu Einzelfall untersucht werden, wie viel praktische Loyalität die Bürger dem Staat unter dem alten Regime noch entgegenbringen.

Staatszerfall kann als sukzessives Auftreten dieser vier Indikatoren verstanden werden. Treten alle vier gemeinsam auf, soll ein bislang zerfallender Staat als kollabiert gelten, auch aus der Begründung heraus, dass dann keine staatlichen verfassten Strukturen politischer Herrschaft mehr nachweisbar sind. Damit soll

196 Dies hat Ähnlichkeiten zum ökonomischen Begriff des Staatsversagens, d.h. der Nicht-Bereitstellung öffentlicher Güter. Vgl. dazu Osterkamp 1995 und Erdmann 2001b.

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aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich die politische Stabilität eines Staates wieder verbessern kann! In Prozessen des Zerfalls besteht immer die Möglichkeit der Umkehr und des Wiederaufbaus.197

Unter 2.2.4 habe ich bereits festgestellt, dass Staatlichkeit territorialen Schwankungen unterworfen sein kann. Somit hat auch der Staatszerfall geographische Konzentrationen und Uneinheitlichkeiten. In vielen Zerfallsprozessen beginnt dieser in der Grenzregion eines Landes, fern der Hauptstadt, die meist bis zum Ende noch unter Kontrolle des Regimes bleibt. Die obigen vier Indikatoren werden dementsprechend in unterschiedlichen Landesteilen verschieden ausgeprägt sein. Für die Analyse bedeutet dies, dass der Staatskollaps erreicht ist, wenn seine Indikatoren in den wichtigsten Landesteilen (z.B. die Hauptstadt, Wirtschaftszentren, Heimatregionen bestimmter Eliten) erfüllt sind.

Es ist jedoch ein Wort der Warnung angebracht: diese recht klar scheinenden Indikatoren und Definitionen geraten in Afrika in konzeptionelle Schwierigkeiten, die hier genannt werden müssen. Besonders problematisch scheint die Berücksichtigung von Renos Konzept des shadow state (vgl. 4.1.5). In einem solch patrimonial-autokratischen System ist die Kontrolle über Abgabe- und Gewaltmonopol, sofern vorhanden, in der persönlichen Hand des Präsidenten, Institutionen sind allgemein Werkzeuge zur Bereicherung von Amtsträgern und die öffentliche Legitimität ist nicht auf den Staat sondern auf den Staatschef ausgerichtet. Damit wären alle vier Indikatoren des Staatskollapses bereits aufgetreten, obwohl der Apparat an der Spitze des Landes noch immer seine tägliche ‚show of state’198 aufführt, wenn auch für die Zwecke der Amtsinhaber und nicht etwa für das Wohl des Volkes.199

In solchen Fällen, wo das offizielle Handeln des Staaten nur der Verschleierung der Existenz des shadow state dient, ist die Erfüllung oder Nichterfüllung der obigen Indikatoren nur äußerst schwer festzustellen, weswegen ein exakter Zeitpunkt des Kollapses nicht immer mit aller Deutlichkeit festgelegt werden können wird. Zu einem sichtbaren Staatskollaps im allgemeineren Verständnis kommt es jedoch in diesen Staaten meist – so u.a. die These Snows (vgl. 4.1.10) 197 Vgl. Zartman 1995b. 198 So der Titel des Artikels von Cruise O’Brien 1991. 199 Dies übrigens in klarem Widerspruch zu Webers Herangehensweise (vgl. 2.1.1), der den Staat über seine Mittel und nicht über seine Ziele definiert!

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– wenn der Staatschef abtritt, stirbt oder aus dem Amt gejagt wird. Nach dem alten Motto ‚L’état, c’est moi’ stürzt der Staat, wenn sein Anführer stürzt. Der Tod von Houphouet-Boigny zog somit das sichtbare Ende des ‚Houphouet state’ nach sich.

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5. Ursachen von Staatszerfall Nachdem ich im vorigen Kapitel eine Definition von Staatszerfall und Staatskollaps erarbeitet habe, gilt es nun, sich den Bestimmungsgründen dieses Phänomens zuzuwenden. Die Frage lautet: Warum zerfallen Staaten? Einige mögliche Antworten sind bereits im vorigen Kapitel skizzenhaft erwähnt worden. Im Folgenden sollen aus diesen Ansätzen Hypothesen erarbeitet werden. Diese Hypothesen werden daraufhin in einem zweiten Schritt an vier Beispielstaaten getestet. Die Erklärungsreichweite einer solch qualitativ orientierten Methode hat natürlich ihre Grenzen. Es soll hier auch nicht versucht werden, die Ursachen für Staatszerfall detailliert zu untersuchen; dies läge jenseits der Möglichkeiten dieser Arbeit. Vielmehr geht es um eine vorläufige Identifizierung vielversprechender Hypothesen, die weiterer Forschung unterzogen werden müssten.

5.1 ERARBEITUNG VON HYPOTHESEN Was also bewegt schwache Staaten in Richtung des Kollapses? In diesem Abschnitt will ich einige Hypothesen erarbeiten, die Antwort auf diese Frage geben könnten. Diese Hypothesen werden zwar für den Moment getrennt voneinander sein, jedoch wird im weiteren Verlauf besonderer Wert auf die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Bestimmungsgründen gelegt. Dies bedeutet unter anderem eine Ablehnung monokausaler Erklärungen.200

5.1.1 Cleavages

Der Begriff ‚cleavage’ entstammt den Arbeiten Stein Rokkans und bezeichnet tiefgehende und kaum überbrückbare Bruchlinien, die eine Gesellschaft in zwei oder mehrere Segmente teilen.201 Dabei sei, so Rokkan, die Struktur der cleavages von besonderer Bedeutung. Dazu stellt er 1. die zeitliche Abfolge der Entstehung (timing), 2. ihre Intensität und Stärke (hierarchy) und 3. ihre Interaktion, d.h. ihre gegenseitige Verstärkung bzw. Schwächung (cross-cutting) in den Vordergrund seiner Analyse.202

200 Ähnlich äußern sich Hein 1998: 106 und Rotberg i.Dr.: 6. 201 Vgl. Flora; Kuhnle; Urwin 1999: 34. Grundlegend vgl. Lipset; Rokkan 1967. 202 Vgl. Flora; Kuhnle; Urwin 1999: 35

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Typische cleavages basieren auf Religion, Nation bzw. Ethnie, Klasse oder Region. Diese cleavages fördern meistens fragmentierende (im Gegensatz zu vereinenden) Tendenzen und Ideologien und erschweren das nation-building in jungen Staaten (vgl. 3.3.3). Eine durch cleavages gespaltene Gesellschaft ist Heimat einer Vielzahl scharf voneinander abgetrennter Gruppen, in denen strongmen entstehen und die Autorität des Staates herausfordern können (vgl. 3.2).

Gros stellt fest, dass es in schwachen und zerfallenden Staaten oft tiefe, einander verschärfende cleavages gibt. Das Fehlen einer Mittelklasse sorge daher für eine scharfe Trennung von Arm und Reich. Gleichermaßen gebe es cleavages zwischen Stadt und Land und, daraus hervorgehend, zwischen dem landwirtschaftlichen Sektor und dem Rest der Volkswirtschaft.203 In Afrika kommen oft religiöse cleavages zwischen Islam, Christentum und traditionellem Glauben hinzu; der Konflikt in Nord-Nigeria um die Einführung der Shari’a ist dafür ein Beispiel (vgl. 5.2.4).204 Grundsätzlich kann man also die Hypothese aufstellen, ein Staat sei um so gefährdeter, je mehr cleavages in seiner Gesellschaft aufträten, je stärker diese seien und je gefährlicher sie interagierten.

Eine spezielle cleavage, die ethnische Bruchlinie, verdient hierbei besondere Erwähnung, da sie sehr oft als Erklärung für eine Vielzahl von Zerfallsprozessen und innerstaatlichen Konflikten herangezogen wird. Stark vereinfacht heißt es, ethnische Heterogenität würde eine Pluralität von Rechts- und Wertesystemen mit sich bringen, die nur schwer auf nationaler Ebene zu integrieren seien.205 Wenn der Staat überdies unfähig sei, Minderheiten wirksam zu schützen (wie es in schwachen Staaten häufig vorkommt), führe dies bei kleineren, marginalisierten Ethnien zu Furcht vor fremder Dominanz und nicht selten zu Sezessionsbestrebungen. Aus diesen Gründen seien ethnisch heterogene Staaten tendenziell unsicherer als ethnisch homogene.206

Allerdings ist diese Aussage weiter zu differenzieren. Ethnizität an sich scheint keine wesentliche Konfliktursache zu sein, politisierte Ethnizität hingegen schon. Wenn also ethnische Herkunft ein Kriterium ist, anhand dessen der

203 Vgl. Gros 1996: 462. 204 Zum Wesen des Islam in Afrika vgl. Grill 2001b. 205 Vgl. Hein 1998: 101, ferner Migdals weblike societies (3.2). Für eine Einführung in Theorien von Ethnizität vgl. Junkers 2000: 9-45 sowie Rothchild; Olorunsola 1983. 206 Vgl. Junkers 2000: 21.

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Zugang zu Machtressourcen geregelt wird, wenn ein Diktator alle wichtigen Posten mit seinen fernen Verwandten besetzt, wenn also Ethnie eine Kategorie politischen Denkens und Handelns wird, dann entzünden sich daran Konflikte. Wenn ein Regime als eine ‚Ethnokratie’207 angesehen wird, dann wird sich seine Opposition ebenfalls ethnisch begründen, und was im Grunde ein politisches Ringen um Macht und Einfluß ist, rekonstituiert sich als ‚ethnischer Konflikt’. Bayart merkt dazu an, in Afrika sei Ethnizität meist „an agent of accumulation, both of wealth and of political power“208, somit beinahe zwangsläufig eine politische Kategorie. Weiterhin ist Ethnizität, besonders in Afrika, ein fließender Begriff.209 Dort sind Ethnien häufig noch sehr neue Kreationen, meist aus der Kolonialzeit, als diese zum Gegenstand der politischen Planung und z.T. künstlich festgelegt wurden. Genausowenig sind Ethnien voneinander abzugrenzen, speziell in nicht-politisierter Situation; oft wird eine Gruppe mit einer Vielzahl von ‚ethnischen’ Labels bezeichnet, je nach Kontext und Perspektive. Politisierung schärft jedoch die Konturen einer Ethnie und sorgt für ihre Kristallisation.

Die Aussage, ethnische Heterogenität sei eine Konfliktursache, bedarf somit einer Konkretisierung, zumal Staaten wie Kamerun einfach zu findende Gegenbeispiele sind. Hanf merkt dazu an, dass der Staat in multiethnischen Gesellschaften eine integrierende, inkorporierende Rolle habe. Selbst eine inegalitäre Inkorporation ist an sich noch kein Auslöser von Konflikten, wie Indien mit seinem rigiden Kastensystem demonstriert. „Extreme soziale Über- oder Unterordnung wird [...] durch Perzeption kultureller Über- bzw. Unterlegenheit legitimiert und stabilisiert.“210 Krisenhafte Entwicklungen entstünden, so Hanf weiter, sobald sich durch Wandel (wirtschaftlicher oder anderer Art) gesellschaftliche Realitäten von gesellschaftlichen Normen ablösten. Gros merkt dazu an: „The ethnic mix of a country does not by itself lead to cataclysmic outcomes, but its management, however, may.“211 Wesentlich, wie die Ausführungen zur politisierten Ethnizität weiter oben 207 Vgl. Wallensteen 1998. 208 Bayart 1993: 55. 209 Vgl. ders., insb. 41-59. Ein gutes Beispiel für diese Thesen sind die malischen Ifoghas, dargestellt bei Klute 1998. 210 Hanf 1990: 41. 211 Gros 1996: 464. Collier geht sogar einen Schritt weiter: „While ethnic dominance is a problem, ethnic and religious diversity does not make a society more dangerous – in fact, it makes it safer.“ (Collier 2000: 7)

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zeigen, ist also das Verhalten des Staates angesichts einer Situation ethnischer Vielfalt. Heterogenität an sich ist also weniger wichtig als der Umgang mit ihr.

Wie bereits klar geworden sein sollte, lehne ich die primordiale These von Ethnizität ab, die im Wesentlichen besagt, Ethnien seien urtümliche, quasi-organische soziale Gruppen. Stattdessen möchte ich von Chazan et al. eine weite, subjektivistische Definition übernehmen, die die Ethnie als „culturally based social organization“212 begreifen, als Organisation zur Formulierung und Vermittlung von demands an das politische System. „[Ethnicity is] basically a political and not a cultural phenomenon, and it operates within contemporary political contexts and is not an archaic survival arrangement carried over into the present by conservative people.“213 Damit ist aber auch gesagt, dass Ethnien quasi aus sich selbst heraus politisiert sind. Dies unterscheidet sie aber nicht wesentlich von anderen gesellschaftlichen Gruppen, die im Staat erst wichtig werden, wenn sie politisch agieren. Daher erscheint es wenig sinnvoll, Ethnizität als besondere Kategorie in die Hypothesen einfließen zu lassen.

Vielmehr soll die Ethnie in ein Konzept der cleavages eingegliedert werden, wie es bereits unter 3.3.2 dargestellt wurde, nämlich unter der Annahme, Staat und Gesellschaft befänden sich in einem Kampf um Autorität. In Ländern ohne formierte, homogene Gesellschaft (wie in den meisten Staaten Afrikas) gilt Bayarts Aussage: „[The state] has been deliberately set up against civil society rather than evolved in continual conflict with it.“214 In diesem Ringen um das Recht der autoritativen Regelsetzung bilden sich in den verschiedenen Gruppen der Gesellschaft Keime des Widerstands gegen die Dominanz des Staates. Strongmen (vgl. 3.2) entstehen, die in ihrer Ethnie, ihrer Religion, ihrem Dorf die Loyalität des Volkes gewinnen und die Autorität des Staates bestreiten. Dies führt den Staat in eine generelle Krise der Legitimität: „Growing disillusionment with the performance of the state and cynicism in many countries about the ruling groups lead to apathy and detachment.“215 Meine erste Hypothese soll daher folgendermaßen lauten: Staatszerfall wird gefördert, wenn die

212 Chazan et al. 1988: 102. Dies hat gewisse Anklänge an Benedict Andersons ‚imagined communities’ (vgl. Anderson 1991). 213 Abner Cohen, zit. in: Chazan et al. 1988: 106. 214 Bayart 1986: 112. 215 Young 1988: 26.

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Bevölkerung eines Staates ihre Loyalität eher lokalen strongmen anstatt dem Staat schenkt.

5.1.2 Korruption, Neopatrimonialismus und Klientelismus

Thesen aus diesem Themenkomplex wurden bereits unter 4.1.8 vorgestellt. Dabei sind jedoch einige begriffliche Unterschiede zu beachten. Während Neopatrimonialismus eine bestimmte Form der Politik bezeichnet, nämlich die parallele Existenz von personalistischen und bürokratischen Machtstrukturen (vgl. 3.3.2), ist Klientelismus hingegen eine typische Ausprägung dieses Politikstils. Dabei geht es um den „Tausch bzw. die Vermittlung bestimmter Dienstleistungen und/oder Ressourcen gegen politische Unterstützung“216. In vielen afrikanischen Staaten unterhält die politische Elite solche Klientelnetzwerke, um die Unterstützung wichtiger strongmen zu garantieren. Die zerstörerische Kraft von Neopatrimonialismus und Klientelismus besteht jedoch in der Überlagerung staatlich-bürokratischer Strukturen durch Patronage-Netzwerke und somit in der Verdrängung offizieller Politik.217

Korruption ist dagegen – nach der Definition von Imhof – von sozialen oder rechtlichen Norman abweichendes Verhalten, in diesem Falle von Inhaber öffentlicher Ämter. Korruption existiert nur im Rahmen von Beziehungen: Zwei oder mehr Personen begehen einen Austausch von Vorteilen, wobei die Macht des Amtes missbraucht wird und das private vor das öffentliche Interesse gestellt wird.218

Der Schaden durch Korruption ist nur in einem nachrangigen Sinne materiell: „Durch Korruption wird der Staat in seinem Kern getroffen, da korrupte Politiker und eine korrupte öffentliche Verwaltung keine Fundamente eines Staates darstellen. Vertrauensverlust der Bürger in die Integrität staatlicher Institutionen folgt bei Bekanntwerden von korrupten Machenschaften.“219

Zu unterscheiden sind Klientelismus und Korruption nach der Richtung der Tauschbeziehungen: Im Klientelismus gewährt der strongman dem Staatschef Unterstützung gegen Entlohnung, im Fall der Korruption empfängt der Bürokrat

216 Erdmann 2001a: 7. 217 Vgl. Chabal; Daloz 1999: 103. Ferner Reno 2000, Erdmann 2001a und 2001b. 218 Vgl. Imhof 1999: 36. 219 Dies.: 33-34.

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Geld für die Gewährung des Vorteils. Beides ist jedoch auf seine Weise zerstörerisch: Klientelismus untergräbt staatlich-legale Strukturen, wohingegen Korruption die politische Kultur vergiftet. Hat sich Korruption im Staatsapparat ausgebreitet, beginnen auch die Bürger, den Staat nur noch als einen komplizierten Mechanismus zur Selbstbereicherung anzusehen und versuchen ihrerseits, in Reichweite dieser Pfründe zu gelangen. Die zweite Hypothese lautet daher: Staatszerfall wird gefördert, wenn in den Institutionen eines Staates Korruption und Klientelismus grassieren.

5.1.3 Autokratische Regime

Einige Theorien (vgl. 4.1.5 und 4.1.10) weisen auf einen möglichen Zusammenhang zwischen autokratischer Herrschaft und Zerfall des Staates hin. ‚Autokratie’ soll hier als ein System verstanden werden, in dem a) der Herrschaftszugang stark eingeschränkt ist und nur durch nicht-demokratische Mittel geschieht, b) die Regierenden ohne institutionelle Begrenzung ihrer Macht bzw. Kontrolle ihrer Gewalten herrschen und c) das Regime fähig ist, die Grundregeln der staatlichen Politik alleine neu festzulegen.220 Hinzu kommt, insbesondere in den Ländern des sub-saharischen Afrikas, eine deutliche Zentralisierung und Personalisierung der Macht durch die Herrschenden (vgl. 4.1.5).

Die obige These Argument hat im Wesentlichen zwei Aspekte: Zum einen zerstörten Diktatoren in ihrem Streben nach personal rule die formellen Strukturen und Institutionen des Staates (vgl. 5.1.2). Zum anderen hinterliesse eine Autokratie ihre Spuren auch in der politischen Kultur. „Der Glaube an eine gerechte, nach rationalen Kriterien funktionierende Verwaltung [geht] verloren.“221 Überdies verfielen viele autokratische Herrscher mit zunehmender Amtsdauer in ‚defensive Politik’, welche alleine dem Zweck diene, weiterhin im Amt zu bleiben (ganz gleich mit welchen Konsequenzen) und dadurch politischen Wandel behindere.222 Somit lautet die dritte Hypothese: Staatszerfall wird durch autokratische Regime gefördert.

220 Dies folgt der Darstellung Merkels (1999: 34-44). 221 Mehler 1996: 205. 222 Vgl. Reno 2000. Einige Strategien defensiver Politik (politics of survival) beschreibt Migdal 1987 und 1988.

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5.1.4 Änderung des internationalen Umfelds

Auch diese Thesen fanden bereits Erwähnung (vgl. 4.1.8). Sie besagen, das internationale Staatensystem habe sich nach dem Ende kdes Kalten Krieges fundamental verändert und trage auf vielfältige Weise zum Zerfall schwacher Staaten bei. Allerdings handelt es sich hier um ein Phänomen, das alle Staaten Afrikas gleichermaßen betrifft. Unterschiede kann man hier nur in einem Teilaspekt ausmachen, nämlich in der einstigen Unterstützung durch die Supermächte. Diese Unterstützung – finanzieller, militärischer und legitimatorischer Natur – war während des globalen Systemkonflikts eine wichtige Stütze vieler afrikanischer Regime. Ab 1989 sank das Maß dieser Unterstützung deutlich, so dass insbesondere Länder in ehemals geostrategisch wichtigen Positionen, die zuvor von den Supermächten besonders umworben wurden, wichtige Hilfe verloren und eine Erosion ihrer revenue base verkraften mussten (vgl. 4.1.9 und 5.1.2). Daher soll folgende Hypothese überprüft werden: Staatszerfall wird gefördert, wenn die internationale Unterstützung eines Staates seit dem Ende des Kalten Krieges deutlich zurückgegangen ist.

5.1.5 Militarismus und Gewalt

Gewalt und Militarismus können auf verschiedene Weisen zum Zerfall des Staates beitragen. Zum einen stellt das Militär in Afrika einen sehr wichtigen Machtfaktor dar (vgl. 3.3.3). Da eine demokratische Kontrolle der Streitkräfte bestenfalls gering entwickelt ist, wird das Militär oft in Konflikte involviert, die entlang von cleavage-Linien strukturiert sind – mal als selbständiger Akteur, mal als ‚Preis’ des politischen Ringens.223

Zum anderen gelangten während des Kalten Krieges immense Mengen von Kleinwaffen nach Afrika. „Throughout the Cold War (1950-1989), the U.S. delivered over $1.5 billion worth of weaponry to Africa. Many of the top U.S. arms clients – Liberia, Somalia, the Sudan, and Zaire [...] – have turned out to be the top basket cases of the 1990s in terms of violence, instability, and economic collapse.“224 Viele dieser Kleinwaffen gelangten über die Jahre in nicht- 223 Vgl. Gros 1996: 463-464. Ferner Jakobeit 1996. 224 Hartung; Moix 2000. Die amerikanische Afrika-Politik der 90er Jahre hat diesen Trend fortgesetzt. Ähnlich Clapham: „Paradoxically, however, the ultimate effect of this massive

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staatlichen Besitz und stellen nun ein schwerwiegendes privatisiertes Gewaltpotential dar. 225 Privaten Waffenbesitz gibt es zwar auch in der Ersten Welt, z.T. in großem Maße (USA), wirkt dort jedoch nicht in auffälliger Weise destabilisierend. Allerdings können small arms einen bereits begonnenen Zerfallsprozess in einer Multiplikator-Funktion verschärfen. Daher will ich folgende Hypothese aufstellen: Staatszerfall wird beschleunigt, wenn sich große Menge von Waffen im Land befinden.

5.1.6 Kolonialismus

Häufig wird das koloniale Erbe Afrikas als ein historischer Bestimmungsgrund modernen Staatszerfalls angeführt (vgl. 3.3.3). Die geerbten Institutionen waren von autoritär-militärischem Charakter und einseitig zur Aneignung von Überschüssen ausgestaltet; nach der Unabhängigkeit wurden sie meist in den jungen Staat übernommen und sogar ausgebaut. Die indigenen Beamten waren für die Ausführung von „custodial und punitive tasks“226 trainiert; „political culture bequeathed by colonialism contained the notions that authoritarianism was an appropriate mode of rule and that political activity was merely a disguised form of self-interest, subversive of the public welfare.“227 Da jedoch mit Ausnahme von Äthiopien, Liberia und Südafrika alle afrikanischen Staaten kolonisiert worden waren, ist es hier nicht möglich, Vergleichsfälle für die Hypothese, Kolonialismus sei eine Ursache von Staatszerfall, zu finden. Auch die unterschiedlichen Kolonialregime scheinen keinen wesentlichen Unterschied hinterlassen zu haben: So fand oder findet man fortgeschrittenen Zerfall bzw. Kollaps des postkolonialen Staates in Somalia (Kolonialmacht: Italien), Zaire (Belgien), Sierra Leone (Großbritannien), Tschad (Frankreich), Angola (Portugal) und Liberia (keine).

import of armaments was not to strengthen the states which received them, but to weaken and, in some cases, eventually to destroy them. A rollcall of Africa’s major arms recipients – Angola, Chad, Ethiopia, Liberia, Mozambique, Somalia, Sudan, Zaire – also provides a list of its failed and collapsed states.“ (Clapham 1996: 156) 225 Vgl. dazu Collier 2000, Collier; Hoeffler 2001, Reno 1998 und 2000. 226 Victor Olorunsola, zit. in: Young 1988: 59. Ähnlich Kössler 1993: 134. 227 Nelson Kasfir, zit. in: Chazan et al. 1988: 40.

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5.1.7 Hypothesen

Die fünf bislang formulierten Hypothesen lauten:

1. Staatszerfall wird gefördert, wenn die Bevölkerung eines Staates ihre Loyalität eher lokalen strongmen anstatt dem Staat schenkt.

2. Staatszerfall wird gefördert, wenn in den Institutionen eines Staates Korruption und Klientelismus grassieren

3. Staatszerfall wird durch autokratische Regime gefördert.

4. Staatszerfall wird gefördert, wenn die internationale Unterstützung eines Staates seit dem Ende des Kalten Krieges deutlich zurückgegangen ist.

5. Staatszerfall wird beschleunigt, wenn sich große Menge von Waffen im Land befinden.

Im folgenden Abschnitt sollen diese Hypothesen an vier Fall- bzw. Gegenbeispielen gemessen werden. Zum Abschluß dieses Kapitels folgt eine Bewertung dieser Hypothesen sowie eine Diskussion ihrer Interdependenzen.

5.2 FALLBEISPIELE In diesem Teil soll das bisher Erarbeitete, d.h. sowohl die Theorie (vgl. 4.) als auch die Hypothesen (vgl. 5.1), auf die Beispiele von vier Staaten des sub-saharischen Afrikas angewandt werden. Dazu wird die Methode des Most Different Similar Outcome (MDSO) und Most Similar Different Outcome (MSDO) von Przeworksi und Teune genutzt.228 Dabei werden Vergleiche auf zwei Ebenen angestellt: Auf der MDSO-Ebene stellt man zwei Staaten mit möglichst unterschiedlichen Hintergründen, aber demselben Ausgang (Staatskollaps) gegenüber. Dabei achtet man besonders auf Variablen, die in beiden Fällen die gleiche Ausprägung haben, da diese bestimmend für den Ausgang zu sein scheinen. Auf der zweiten Ebene (MSDO) werden zwei Fälle mit möglichst ähnlichem Hintergrund, aber unterschiedlichem Ausgang (ein Staat zerfiel, der andere nicht) verglichen. Hierbei achtet man insbesondere auf Variablen, die unterschiedliche Ausprägungen in den beiden Fällen aufweisen, da diese ebenfalls als besonders wirkmächtig angesehen werden. Die Erklärungsreichweite eines solchen Vorgehens ist natürlich begrenzt, da die 228 Vgl. einführend Berg-Schlosser 1997 und Ragin; Berg-Schlosser; de Meur 1996.

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Erkenntnisse mit den formulierten Hypothesen und den ausgewählten Beispielen stehen und fallen. Und selbst bei sorgfältigem Vorgehen weist jeder Fall immer noch Charakteristika auf, die ihn von jedem anderen unterscheiden. MSDO/MDSO-Prozeduren „direct the attention of the researcher to specific variables which then must be interpreted“229. Angesichts der sehr geringen Fallzahl erschien diese Methode jedoch als die vielversprechendste.

Als Zerfallsbeispiele sollen hier Somalia (vgl. 5.2.1) und Zaire (vgl. 5.2.3) untersucht werden, als Kontrastfälle der Senegal (vgl. 5.2.2) und Nigeria (vgl. 5.2.4), mit denen ein MDSO- (Somalia-Zaire) und zwei MSDO-Vergleiche (Somalia-Senegal und Zaire-Nigeria) durchgeführt werden. Somalia und Senegal zeigen Ähnlichkeiten in vielerlei Hinsicht: Es gibt starke regionalistische cleavages, religiöse Homogenität, ethnisch-clanische Spaltungen und keine Rohstoffvorkommen. Zaire und Nigeria ähneln sich zum einen als bevölkerungsreiche Flächenstaaten, zum anderen in ihrem Ressourcenreichtum. Weiterhin sind sie ethnisch sehr stark gespalten und wurden lange durch nicht-demokratische Regime regiert. Weitere Fallbeispiele für Staatskollaps, die hier aber nicht weiter berücksichtigt werden sollen, sind u.a. Liberia, Sierra Leone und Libanon.230

5.2.1 Somalia

Somalia ist das wohl deutlichste Beispiel eines kollabierten Staates. „(I)t is a byword for anarchy; ‚becoming another Somalia’ is the fate to be avoided by every African state.“231

229 Ragin; Berg-Schlosser; de Meur 1996: 755. 230 Vgl. allg. die jährlichen erscheinenden Reihen Afrika-Jahrbuch, hrsg. vom Institut für Afrika-Kunde, Hamburg, und Africa South of the Sahara, hrsg. von Europa Publications, London. Zu diesen und weiteren Fällen von Staatszerfall vgl. Zartman 1995c und Jean; Rufin 1999. Zu Sierra Leone vgl. u.a. Zack-Williams 1999, Clapham 2001, Johnson 2001 und Grill 2001a. Zu Liberia vgl. u.a. Schlichte 1993 und 1995, sowie Outram 1999, Korte 1997, Johnson 2001 und Grill 2001a. Zu Libanon vgl. u.a. Hanf 1990 und Bieber 2000. 231 Luling 1997: 287. Zu Somalia vgl. ferner Adam 1995, Ghebresillasie 1999, Simons 1998, Heyer 1997 und 1998, Compagnon 1998, Peterson 2000: 1-169, Matthies 1997: 109-142, Lewis 1983, Castagno 1975, Meyer 2001, Krech 1996, Harbeson 1995, Makinda 1996: 24-37, Gordon 1999 sowie Africa South of the Sahara 2001: 1024-1049.

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5.2.1.1 Geschichte

Der Staat Somalia entstand 1960 aus der britischen Kolonie Somaliland (im Nordwesten) und der italienischen Kolonie Somalia. Teile des somalischen Volkes lebten darüber hinaus in den Nachbarländern Äthiopien (Ogaden), Kenia und Djibouti (ehem. Französisch-Somaliland). Bald erwies sich das demokratische System des Landes als korrupt und unfähig, integrierend auf die verschiedenen Clans zu wirken. Ein Militärputsch im Oktober 1969 von General Siyad Barre setzte diesem Regime ein Ende.

Bis ungefähr 1974 unternahm das Regime Barre Anstrengungen zur Anhebung des Lebensstandards, so z.B. die Verschriftung der somalischen Sprache und die Förderung der Alphabetisierung. Zugleich vereinigte Barre immer mehr Macht auf seine Person und regierte zunehmend autokratischer. Ab 1975 steigerte sich das Regime, gefangen von der eigenen pansomalischen Rhetorik, in einen Konflikt mit Äthiopien hinein, der in den Ogaden-Krieg (1977-78) mündete, in dem Somalia deutlich geschlagen wurde.

In der Folgezeit geriet Somalia in eine schwere Wirtschaftskrise; auf Unzufriedenheit in der Bevölkerung reagierte Barres Regime tyrannisch. Um die Bildung einer nationalen Opposition zu verhindern, stachelte er den Hass zwischen den Clans auf, wobei er insbesondere die Clan-Familie der Isaq im Nordwesten des Landes mit Waffengewalt unterdrückte. „After the Ogaden War [...], Siyad practiced brutal divide-and-rule, encouraging clan warfare.“232 Dies trug wiederum zu einer Militarisierung der Opposition bei.

1988 brach offener Bürgerkrieg aus, die Regierung verlor schnell die Kontrolle über weite Teile des Landes. „Ab 1989 beherrschte die SNA [Somali National Army] nur noch die großen Städte und das Gebiet um Mogadischu. Barre erhielt von der Opposition den höhnischen Beinamen ‚Bürgermeister von Mogadischu’.“233 Im Januar 1991 wurde Barres Regime auch aus der Hauptstadt vertrieben. Nach erfolglosen Versuchen, eine neue Regierung zu konstituieren, begannen Ende des Jahres schwere Kämpfe zwischen Oppositionsgruppen, die Mogadischu beinahe völlig zerstörten und ein Auslöser für die Hungerkatastrophe 1992-93 waren, die ihrerseits die fehlgeschlagenen UNOSOM-Missionen der Vereinten Nationen nach sich zog. Versuche, eine

232 Adam 1995: 73. 233 Krech 1996: 38.

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neue nationale Regierung zu bilden, scheiterten während der 90er Jahre mehrmals. Nach dem Abflauen des Bürgerkrieges und einer weiteren nationalen Konferenz in Djibouti im August 2000 ist ein Parlament und eine Regierung gebildet worden, die derzeit versuchen, in Somalia Unterstützung und Anerkennung zu finden.

Im Mai 1991 erklärte die nordwestliche Region, Somaliland, ihre Unabhängigkeit und errichtete eine Regierung, im Jahr 2000 vollzog das nordöstliche Puntland den gleichen Schritt. Im Unterschied zum Chaos, das den Rest des Landes überzog, herrscht in Somaliland eine gewisse Stabilität und sogar eine funktionierende Demokratie. Trotz vieler Attribute empirischer Staatlichkeit blieb ihm jedoch, genau wie dem weniger stabilen Puntland, bislang die internationale Anerkennung versagt.234

5.2.1.2 Indikatoren des Zerfalls

„The collapse of the Somali state did not just happen 1991. Nor did it happen because of the Somali civil war. In many ways it began with Somalia’s defeat in the [Ogaden War].“235 1978 sank die Legitimität des Regimes deutlich, des verlorenen Krieges und der wirtschaftlichen Lage wegen. Nach dem Beginn von Barres Repressionsstrategie versagten die Bürger zunehmend auch dem Staat an sich ihre Unterstützung.

Ein Verlust des Abgabemonopols lässt sich spätestens Ende der 80er Jahre konstatieren. „Decreasing amounts of revenue reached the government. Outside aid became one of the few sources of revenue, channelled by Siad Barre, together with money and weapons to his supporters.“236 Nach dem Kollaps begannen die Clans, Abgaben ihrer Mitglieder zu sammeln, meist zur Finanzierung ihrer Milizen.

Das Monopol physischer Gewalt behielt der Staat bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges 1988, als rebellische Kräfte schnell die Kontrolle über das Hinterland gewannen. Das Regime Barre konnte sich danach „lediglich auf die 234 Vgl. dazu Hielscher 2001. 235 Meyer 2001. Ähnlich Krech 1996: 27, der den Ogaden-Krieg ebenfalls als „Wendepunkt“ ansieht. 236 Ramsbotham; Woodhouse 1996: 196. Ähnlich Compagnon 1998: 78, Meyer 2001. Das letzte Staatsbudget entstand 1988, vgl. Africa South of the Sahara 2001: 1043, ferner Stotsky; WoldeMariam 1997.

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aus Barres eigenem Clan rekrutierte Präsidentengarde verlassen, die Regierungsarmee war durch Desertionen auf einen Bruchteil ihrer Sollstärke geschrumpft“237.

Bereits vor 1991 herrschten in den Institutionen des Staates Korruption und Mißwirtschaft. „Ende 1990 [arbeiteten] staatliche Institutionen [...] selbst in Mogadischu nicht mehr, Minister und Inhaber höherer Ämter hatten sich bereits ins Ausland abgesetzt.“238 Die Legitimität des Staates war in den 80er Jahren auf einem Tiefpunkt angelangt. Die tyrannische Terrorkampagne Siyad Barres sorgte entweder für eine Distanzierung vom Staat oder für die Bildung bewaffneter Opposition.

Somit lässt sich feststellen, dass Somalia den vier Indikatoren des Kollapses (vgl. 4.2.3) seit spätestens Ende 1990 genügt, und sich seither im Zustand des Staatskollapses befindet. Der Staatszerfall hatte bereits 1978, evtl. schon 1975 eingesetzt und sich in den 80er Jahren krisenhaft verschärft. Es lässt sich jedoch auch argumentieren, dass Barre den somalischen Staat bereits in den 80er Jahren in einen shadow state transformiert hatte. Der genaue Eintritt des Kollapses ist daher nicht genau zu bestimmen. Die trotz alledem weiterhin vorhandene juristische Staatlichkeit Somalias lässt sich deutlich an der Weigerung der internationalen Staatengemeinschaft ablesen, die Republiken Somaliland und Puntland diplomatisch anzuerkennen.

5.2.1.3 Cleavages und gesellschaftliche Loyalitäten

„[Somalia] is what was previously hailed as the most ‚unified’ state in Africa, free from the ethnic divisions that plague nearly all the others, with a single culture, language and religion.“239 Dennoch existieren in Somalia schwerwiegende cleavages, insbesondere zwischen Abstammungsgruppen (Clans) sowie zwischen dem ehemaligen britischen und italienischen Landesteil.240

237 Eikenberg 1996: 212. 238 Eikenberg 1996: 212. Vgl. auch Compagnon 1998: 78. 239 Luling 1997: 287. 240 Darüber hinaus gibt es weitere, weniger gravierende Cleavages, z.B. zwischen pastoral-nomadischen und bäuerlichen Clans, sowie zwischen den städtischen und der ländlichen Ökonomie. Vgl. Luling 1997: 289 und Gros 1996: 462.

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Die somalische Gesellschaft besteht aus einem komplexen Geflecht von Verwandtschaft. Sie ist unterteilt in sechs Clan-Familien (Hawiye, Darod, Isaq, Dir, Digil und Mirifle bzw. Rahanweyn), diese sind getrennt in je sechs oder mehr Clans. Jeder dieser Clans ist wiederum in Subclans und Subsubclans gespalten, bis hin zu Abstammungslinien (Lineages) und Familien. Die Lineages – Gruppen von einigen hundert Personen – sind dabei traditionell der wichtigste Bezugspunkt des Individuums.241 Die Gesellschaft ist in hohem Maße dezentral und subsidiär gestaltet: Identifikation mit größeren sozialen Einheiten setzt eigentlich nur in Krisenzeiten oder bei überregionalen politischen Fragen ein. „This is easier to comprehend when one views the situation not as large groups splitting into fragments, but as small groups forming larger, but intrinsically unstable, combinations.“242

Die Clans wurden bereits während der kurzen Demokratie 1960-69 politisiert. Trotz einer Welle des Nationalismus und Pansomalismus besaßen nahezu alle Parteien eine rein clanische Plattform. „Clan nepotism became a deeply entrenched phenomenon“243. Zwar verbot Siyad Barre nach seiner Machtergreifung Clanismus und Tribalismus, umgab sich jedoch schnell mit einer „Clan-klatura“244 aus den drei Clans seiner Eltern und seines Schwiegersohns. Dadurch, sowie durch Barres Bemühungen nach dem Ogaden-Krieg und während der 80er Jahre, die politischen Eliten anderer Clans zu zerstören, wurden die Clans politisiert und die Beziehungen zwischen ihnen vergiftet. Die Bevölkerung zog sich auf ihre Lineages zurück, jegliche nationale Einheit ging verloren.

Die andere große cleavage Somalias ist regionalistischer Natur, nämlich entlang der alten kolonialen Grenze zwischen dem (britischen) Norden und dem (italienischen) Süden. Die daraus entstehenden Spannungen traten bereits 1960 in den Vordergrund, als alle wichtigen Posten des neuen Staates an Politiker aus dem Süden vergeben wurden. Unter Barres Regime wurde der Norden, speziell die dort lebende Clan-Familie der Isaq, zum Ziel staatlichen Terrors, um den Süden hinter dem Regime zu vereinen. Aus dieser jahrelangen Unterdrückung

241 Vgl. Adam 1995: 69-70, Ghebresillasie 1999: 216, Luling 1997: 291-293. 242 Luling 1997: 292. Ähnlich Simons 1998: 58. 243 Lewis 1983: 49. 244 Adam 1995: 72. Dies entspricht der Theorie der strategies of survival von Migdal 1987.

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nähren sich bis heute die sezessionistischen Bestrebungen der Region, die ihren Ausdruck in der Gründung Somalilands fand.245

In den Jahren nach dem Kollaps bewiesen die gesellschaftlichen strongmen (speziell jene des Nordens), dass unter ihrer Anleitung neue Ordnungsarrangements entstehen können. „Das Rechtswesen und die Herstellung eines Minimums an öffentlicher Sicherheit haben teils lokale Clanälteste, teils islamische Gerichte, die in Mogadischu von Geschäftsleuten, sonst von der lokalen Bevölkerung unterhalten werden, und lokale Milizen übernommen.“246

5.2.1.4 Korruption und Neopatrimonialismus

Bereits in der Frühzeit Somalias versank die nationale Politik in Korruption. „During elections, parties multiplied, as organizations and clans splintered; and following elections, there was a rush to join the leading party in order to obtain ministerial positions and other official perquisites.“247 Ghebresillasie nennt das damalige Parlament einen „Stimmensupermarkt“248. Diese Kultur setzte sich unter Barre fort und entsprach den bekannten Modellen: „While those in power made their fortunes, for people in the lower government echelons, whose official salaries would hardly feed them for two days, some form of ‚corruption’ was unavoidable. Those, meanwhile, who did not have access to this fountain of wealth, wondered when their turn would come.“249

Barres Regime verwandelte den Staat während seiner Herrschaft in einen shadow state. In den 80er Jahren wurde dieser fast nur noch durch US-amerikanische Unterstützung aufrechterhalten. Als die USA 1988/89 aufgrund schwerer Menschenrechtsverletzungen ihre Militär- und Entwicklungshilfe einstellten und andere Geberländer diesem Schritt folgten, trat das Regime in

245 Vgl. Adam 1995: 71-74 und Eikenberg 1996: 211. 246 Dies.: 213. „There is a growing strength in Somali civil society – [...] the role of ‚traditional elders’ (both secular and religious) has been both visible and positive. [...] There is a palpable spirit of anticentrism, an atmosphere favoring local autonomy, regionalism, and federalism – and in the north, self-determination and secession.“ (Adam 1995: 79-80) 247 Ders.: 69. 248 Ghebresillasie 1999: 137. 249 Luling 1997: 291.

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eine Phase der terminal spoils (vgl. 4.1.9) ein; sein Zusammenbruch folgte kurz darauf.250

5.2.1.5 Autokratische Herrschaft

Bereits kurz nach seiner Machtübernahme konsolidierte Siyad Barre seine persönliche Macht und errichtete ein autokratisches Regime.251 Während er in den frühen Jahren seiner Herrschaft direkte Konfrontationen noch zu vermeiden suchte, ging er ab Mitte der 80er unter zunehmendem Druck zu einer reinen Gewaltherrschaft über. Zu bemerken wäre, dass er sich trotzdem (oder gerade deswegen) über 20 Jahre an der Macht halten konnte.252 Seine ‚divide-and-rule’-Politik zerstörte jegliche gesellschaftliche Einheit und hinterließ ein Chaos aus untereinander verfeindeten Clans.

5.2.1.6 Internationale Unterstützung

Somalia verfügt über keine wichtigen Bodenschätze, die Wirtschaft ist agro-pastoral geprägt und Viehzucht und Bananenanbau erzeugen die Hauptexportgüter. Industrie und physische Infrastruktur sind nur gering entwickelt.253 Seit Ende der 70er Jahre befand sich das Land außerdem in einer schwerwiegenden Wirtschaftskrise. „Given the weakness of the political as well as the economic structures, this if anything accelerated the slide to ruin. [...] The collapse of the official Somali economy paralleled the collapse of the state.“254

Die Supermächte des Kalten Krieges hofierten das kleine Somalia stattdessen wegen seiner Position am Golf von Aden, nahe am Roten Meer, dem Persischen Golf und dem Indischen Ozean. In den 60er und 70er Jahren erhielt Somalia technische, finanzielle und militärische Unterstützung durch die UdSSR. Vor und während des Ogaden-Kriegs wechselte Somalia die Seiten und suchte die Hilfe der USA, die bis dahin Äthiopien unterstützt hatten, welches aber auf die

250 Vgl. Adam 1995: 75 und Luling 1997: 289. 251 Vgl. Adam 1995: 70. 252 Vgl. ders.: 71. Ferner Allen 1999. 253 Vgl. Africa South of the Sahara 2001: 1035-1041. 254 Ramsbotham; Woodhouse 1996: 196. Ähnlich Heyer 1998: 98. Zum heutigen (sehr überraschenden) Stand der Wirtschaft vgl. Maass 2001 und Fisher 2000.

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Seite des Ostblocks gewechselt war.255 Von der jeweiligen Supermacht abgesehen, erhielt Somalia außerdem Unterstützung durch Italien und die EU, China, die UNO, die Weltbank sowie durch die Arabische Liga.256

Zum Ende der Blockkonfrontation, Ende der 80er Jahre, ließ das Interesse an Somalia nach. Nach der „aid avalanche“257 voriger Zeiten wurden die Geldhähne 1988/89 abrupt zugedreht, als die USA das Treiben Siyad Barres nicht noch länger unterstützen wollten. Nach der schweren Wirtschaftskrise fehlten Siyad Barre die Mittel „to continue the manipulation of clan rivalries, which he had ruthlessly employed to ensure his political survival, and opposition continued to grow.“258

5.2.1.7 Militarisierung

Während des Kalten Krieges fand in der gesamten Region des Horns von Afrika ein Wettrüsten statt. Unglaubliche Mengen von Waffen flossen nach Somalia, Äthiopien und Sudan, so dass heute von einem ‚gesättigten Waffenmarkt’ gesprochen wird.259 Zum Zeitpunkt des Zerfalls war Somalia „[one] of the most heavily militarised states in Africa, ranking consistently among the top recipients of US military aid during much of the Cold War.“260 Dementsprechend schwoll das somalische Militär von 3.000 (1961) auf 120.000 Mann (1982), was – bei einer Einwohnerzahl von unter sieben Millionen (1985) – selbst für afrikanische Standards immens war.261 Somit geschah der Zerfall Somalias vor dem Hintergrund weitverbreiteter privatisierter Gewalt.

255 Dies zeigt, dass diese beiden afrikanischen Staaten keineswegs einen ‚Stellvertreterkrieg’ führten. Vgl. dazu und im Folgenden Makinda 1987 und Ghebresillasie 1999. 256 Vgl. Adam 1995: 75. 257 Anna Simons, zit. in: Luling 1997: 290. Während der 70er und 80er Jahre erhielt Somalia Entwicklungshilfe in Höhe von über 10% seines offiziellen BIPs und galt damit als ‚aid dependent’ (vgl. Goldsmith 2000: 3). 258 Africa South of the Sahara 2001: 1026. 259 Vgl. Meyer 2001. Zahlen zu Waffentransfers bieten Krech 1996, Ghebresillasie 1999 und Makinda 1992: 65-66. 260 Gros 1996: 464. „Somalia was armed in the Cold War in quantities not witnessed in other African crisis areas, and these arms are still available, often at prices cheaper than food.“ (Adam 1995: 79) 261 Von jenen 120.000 Mann waren jedoch nur rund die Hälfte Teil der regulären Streitkräfte. Vgl. ders.: 71, Krech 1996: 158, Makinda 1992: 7. 1977 war Somalia die fünftstärkste Armee Afrikas. Vgl. Krech 1996: 20.

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5.2.1.8 Ursachenforschung: Warum kollabierte Somalia?

Tatsächlich treffen in Somalia – dem paradigmatischen Beispiel des Staatskollapses – alle fünf Hypothesen zu: Es gibt dominante nicht-staatliche Loyalitäten, verbreitete Korruption, ein lang andauerndes autokratisches Regime, der Wegfall internationaler Unterstützung gepaart mit dem Zusammenbruch der heimischen Wirtschaft, sowie ein hohes Niveau privater Militarisierung.

Darüber hinaus wird oft die Frage aufgeworfen, ob eine zentralstaatliche Organisation überhaupt zu dieser akephalen Sammlung von Clans passe. Simons schreibt den Kollaps dem Erfolg einer „social structure that proved to be at odds with the requisite structures of the juridical state“262 zu; Claphams These, dass manche Gesellschaften nicht die nötigen Werte zur Aufrechterhaltung eines Staates besäßen (vgl. 4.1.3), scheint für Somalia ebenfalls zuzutreffen.

5.2.2 Senegal

„Lang wurde [...] der Senegal als Musterland für Demokratie in Afrika dargestellt“263, dies sei jedoch eine stark verkürzte Darstellung, meint Mögenburg.

5.2.2.1 Geschichte

Am 5. September 1960 entstand aus der französischen Kolonie Senegambien die unabhängige Republik Senegal, deren erster Präsident Lépold Sédar Senghor von der Union Progressiste Socialiste (UPS) wurde. Der Premierminister Mamadou Dia wurde 1962 für schuldig befunden, einen Staatsstreich zu planen und zu lebenslanger Haft verurteilt, woraufhin Senghor das Amt des Premierministers abschaffte und allein regierte. Ab 1963 wurden die Rechte des Präsidenten in einer neuen Verfassung deutlich ausgebaut und, nach einem klaren Wahlsieg der UPS, alle anderen Parteien entweder verboten oder von der UPS assimiliert, die 1966 als einzig legale Partei verblieb.

262 Simons 1998: 57. Ähnlich Luling 1997: 288-289. 263 Mögenburg 1999: viii. Zu Senegal vgl. Mehler 1990, Mögenburg 1999, Fatton 1987, Villalón; Kane 1998, Gallistel Colvin 1981 und Africa South of the Sahara 2001: 960-990.

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1970 führte Senghor das Premierministeramt wieder ein und besetzte es mit Abdou Diouf. Angesichts zunehmender Proteste der Bevölkerung begann Senghor ab Mitte der 70er mit der Liberalisierung des Landes. 1976 wurden neben der mittlerweile umbenannten Parti Socialiste (PS) zwei weitere Parteien zugelassen, darunter die Parti Democratique Sénégalais (PDS) von Abdoulaye Wade, denen 1978 eine weitere neue Partei folgte. Der Umbruch der Demokratisierung, die Fatton eine ‚passive Revolution’ nannte264, wurde außerdem symbolisch durch den Rücktritt Präsident Senghors am 31.12.1980 vollzogen. Die tatsächlichen Gründe für den Rücktritt lagen jedoch eher in der zunehmenden gesellschaftlichen Unzufriedenheit mit der ‚alten Garde’, sowie in einer akuten Wirtschaftskrise, die die Regierung bereits zu unpopulären Sparprogrammen genötigt hatte.265

Daraufhin übernahm Abdou Diouf Senghors Ämter als Präsident sowie als Generalsekretär der PS. Bereits im Folgejahr schaffte er Beschränkungen der Parteienbildung ab und liberalisierte das politische System weiter. 1983 führte Diouf die PS zu klaren Siegen in den Präsidenten- und Parlamentswahlen, die Opposition beanstandete jedoch, wie in vielen der noch kommenden Wahlen, Unregelmäßigkeiten und focht die Resultate an. Dass Diouf im Anschluß wie sein Ziehvater Senghor das Amt des Premierministers abschaffte, hält Mehler für „eine Maßnahme zur Personalisierung der Macht.“266

Während der 80er und 90er Jahre verteidigte die PS ihre Position, auch wenn die PDS ihre Anhängerschaft speziell in urbanen Regionen stark vergrößern konnte. Zuweilen waren Vertreter der Opposition in der Regierung vertreten, zu anderen Zeiten dagegen wurden PDS-Politiker polizeilich verfolgt, so dass es immer wieder zu Protesten und Ausschreitungen kam. Im März 2000 besiegte Wade den Amtsinhaber Diouf in der Präsidentenwahl; Diouf akzeptierte das Ergebnis und der Machtwechsel verlief friedlich. „Both the victory for the 73-year-old political veteran and Diouf’s dignified acceptance of defeat were acclaimed internationally as an example of a peaceful transition in Africa.“267

264 Vgl. Fatton 1987. 265 Vgl. Mögenburg 1999: 44, Africa South of the Sahara 2001: 960. 266 Mehler 1990: 151-152. 267 Africa South of the Sahara 2001: 965.

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5.2.2.2 Indikatoren des Zerfalls

Vor einer näheren Betrachtung des Senegals muss zuerst festgestellt werden, inwieweit dieser als zerfallen zu gelten hat und als MSDO-Gegenbeispiel zu Somalia dienen kann. Das Abgabemonopol scheint im Senegal in staatlicher Hand zu sein. 1990-95 betrugen die Steuereinnahmen Senegals im Schnitt 14,6% des BIP (zum Vergleich: 15,9% im sub-saharischen Afrika).268 Damit ist über das Maß von illegaler Besteuerung und Steuerhinterziehung nichts gesagt, dennoch deutet dies darauf hin, dass die Einziehung und Verbuchung legaler Abgaben weitgehend zu funktionieren scheint.

Das Monopol physischer Gewalt scheint ebenfalls in weiten Teilen des Landes gewährleistet. Abgesehen von den Rebellen aus der Region Casamance (vgl. 5.2.2.3) wird die staatliche Gewalt von allen wesentlichen Gruppen und in allen Regionen anerkannt.

Über das Funktionieren der staatlichen Institutionen gibt es nur wenig Informationen, allerdings deutet die Existenz von Patronage-Netzwerken (vgl. 5.2.2.4) auf eine Umgehung der offiziellen Politik-Kanäle hin. Die Legitimität des Staates scheint weitgehend gesichert, auch wenn dies nach Mögenburg darauf beruht, dass der Staat die herausgehobene Stellung der Marabouts (islamische Gelehrte) nicht gefährdet (vgl. 5.2.2.3). Insgesamt muss der Senegal als eines der stabilsten Länder Afrikas, insbesondere Westafrikas gelten.

5.2.2.3 Cleavages und gesellschaftliche Loyalitäten

Senegal beherbergt eine Pluralität ethnischer Gruppen. Dominant sind die Wolof, denen sich 43% des Volkes zugehörig fühlen; weitere Ethnien haben jeweils weniger als 15% Angehörige. Trotz des Fehlens einer nationalen Identität und der hegemonialen Stellung der Wolof ist Senegal ein „von ethnischen Konflikten relativ freies Land“269. Tatsächlich wirkt die Wolof-Hegemonie in gewisser Weise identitätsstiftend: Immerhin 71% der Bevölkerung spricht Wolof, das sich neben Französisch zur Verkehrssprache entwickelt hat. Dass sich angesichts dieser Verhältnisse eher geringe ethnische Spannungen entwickelten, lag besonders am Stil der Regime Senghors und

268 Vgl. Stotsky; WoldeMariam 1997: 6, Table I. 269 Mögenburg 1999: 71. Vgl. außerdem dies.: 72ff. und 114ff.

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Dioufs, die auf ethnische Eitelkeiten Rücksicht nahmen, ohne bestimmte Ethnien einseitig zu bevorzugen. Eine Politisierung von Ethnizität konnte so verhindert werden.

Im Senegal beherrscht der Islam das religiöse Leben: 94% sind Mohammedaner in der Tradition des Sufismus (islamische Mystik). Der Islam wird über Marabouts an ihre Schüler, die Talibés, weitergegeben. Allerdings ist die Bevölkerung in verschiedene religiöse Gruppen (Sufi-Bruderschaften oder islamische Oppositionsparteien) gespalten.270 Mehler meint dazu, „(d)ie politische bedeutsamen Rivalitäten im Senegal liegen innerhalb des islamischen Lagers: Bruderschaften gegen Reformisten, und innerhalb der Bruderschaften Mouriden gegen Tidjania.“271 Dieser Uneinigkeit zum Trotz sind die Marabouts, getragen von Netzwerken ihrer Talibé, ebenso wie die Bruderschaften eine wichtige Stütze des Staates: „Ohne Unterstützung der Bruderschaften würde das staatliche System zusammenbrechen.“272 Besonders auf dem Land sind die Marabouts noch immer die uneingeschränkten Herrscher, daher pflegten sowohl Senghor als auch Diouf einen rücksichtsvollen Umgang mit ihnen, den die Marabouts mit Unterstützung der PS vergolten.

Die südliche Region Casamance beherbergt den größten Konfliktherd Senegals: Die dort lebenden, mehrheitlich christlichen Diola unternehmen seit Anfang der 80er Jahre sezessionistische Antrengungen (seit 1990 auch im bewaffneten Kampf), so dass man von einer regionalistisch-ethnisch-religiösen cleavage sprechen kann.273 Hinzu kommt eine geringere cleavage zwischen der Hauptstadt Dakar und der ländlichen Peripherie.274

5.2.2.4 Korruption und Neopatrimonialismus

Die Marabouts stellen die wesentlichen strongmen Senegals dar. Da sie selbst an der Spitze von Patronage-Netzwerken ihrer Talibés stehen, wirken sie als Interessenvermittler ihrer Schüler gegenüber dem Staat. Die Einbeziehung der

270 Vgl. Grill 2001b und Mögenburg 1999: 19ff. und 54-70. 271 Mehler 1990: 149. 272 Mögenburg 1999: 66. Allerdings schränkt sie ein, dass die Macht der Bruderschaften seit den 80er Jahren gesunken sei. 273 Vgl. dies.: 102-113, Africa South of the Sahara 2001: 965-968. 274 „Die Stadt [...] und der Staatsapparat leben auf Kosten der Bauern.“ (Mehler 1990: 192) Ähnlich Mögenburg 1999: 12.

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Marabouts in staatliche Klientelbeziehungen praktizierten bereits die kolonialen Regierungen, genau wie später Senghor und Diouf. Die potentiell gefährlichsten Gegner des Staates wurden so für seine Unterstützung gewonnen.275 Somit ist die senegalesische Politik von Neopatrimonialismus, wenn auch nicht unbedingt von Korruption geprägt.

5.2.2.5 Autokratische Herrschaft

Senegal war lange Zeit faktisch und z.T. auch juristisch ein Einparteienstaat. Die Regierungen Senghor und Diouf waren eher als autokratisch denn demokratisch zustande gekommen anzusehen. Die Gewaltenteilung und -kontrolle war nur schwach ausgeprägt und die Präsidenten, insbesondere Senghor, besassen einen grossen Spielraum in der Gestaltung des politischen Systems. Insofern erscheint der Senegal bis Ende der 90er Jahre nach meiner Definition (vgl. 5.1.3) als ein autoritäres System.

Allerdings schienen sowohl weder Senghor als auch Diouf eine auffällige Personalisierung der Staatsmacht zu unternehmen (bezeichnend ist hier der freiwillige Rücktritt Senghor 1980). Zudem schienen die wichtigen Patronage-Beziehungen zu den Marabouts weniger persönlich an diese beiden Präsidenten, sondern viel eher an ihr Amt bzw. an die Regierungspartei PS/UPS gebunden zu sein.

Der Senegal war somit zwar lange Zeit unter autokratischer Herrschaft, diese scheint jedoch weder die staatlichen Strukturen beschädigt noch die politische Kultur des Landes nachhaltig korrumpiert zu haben.

5.2.2.6 Internationale Unterstützung

Senegal besitzt weder wertvolle Bodenschätze noch eine strategisch wichtige Position, so dass es gewissermaßen ein weißer Fleck auf der geopolitischen Landkarte des Kalten Krieges war. Traditionell unterhält Senegal enge Beziehungen mit Frankreich, das auch sein engster Handelspartner ist, und mit den USA. Da diese Beziehungen weniger strategisch als historisch und kulturell (Francophonie) motiviert sind, erhielt Senegal auch nach dem Ende des Kalten

275 Vgl. dazu Mehler 1990: 150 und Mögenburg 1999: 16.

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Krieges ein hohes Maß an Unterstützung. Zwar führt Goldsmith den Senegal seit 1980 als von der Entwicklungshilfe abhängig276, dennoch ist der Senegal eines der reichsten Länder Westafrikas (1998 betrug das BIP pro Kopf 520 US-$).

5.2.2.7 Militarisierung

Während des Kalten Krieges fanden keine wesentlichen Waffenflüsse in den Senegal statt. Aktuell unterhält Frankreich dort eine Militärpräsenz, ferner trainieren die USA senegalesische UN-Blauhelme. Mit Ausnahme von Casamance lässt sich aber keine verbreitete Privatisierung der Gewalt feststellen.

5.2.2.8 Ursachenforschung: Warum kollabierte Senegal nicht?

Eine Betrachtung der Hypothesen ergibt, dass diese nur z.T zutreffen. Hypothesen 4 und 5 treffen auch im Senegal zu, Hypothese 3 in weiten Teilen. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die Existenz der staatlichen Klientelbeziehungen zu den Marabouts den Staat eher stabilisiert denn geschwächt hat, weshalb Hypothese 2 einer weiteren Verfeinerung bedarf. Auch die Dominanz fragmentarischer Loyalitäten und die starke Position der strongmen scheint bislang nicht zum Staatszerfall beigetragen zu haben; auch hier ist weitere Differenzierung nötig.

5.2.3 ZAIRE / DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO „Zaire, by the early 1990s, by some accounts had all but vanished.“277

276 Vgl. Goldsmith 2000: 3. Für ökonomische Daten vgl. Africa South of the Sahara 2001: 960-990. 277 Young 1994: 247. Vgl. zu Zaire/DR Congo ferner McNulty 1999, Callaghy 1984, Weiss 1995, Stroux 1996, Clark 1998, Schatzberg 1989, Strizek 1998, Reno 1998: 147-181, Kühne 1997, Reed 1998, Hartung; Moix 2000, Lemarchand 1997, Michler 1995: 125-145, Africa South of the Sahara 2001: 362-394, Gould 1980, Nuscheler 2000, Wiese 1980, Bobb 1999 und Molt 1997. Einen Überblick über neuere Entwicklungen bieten die Artikel auf den Kongo-Seiten des Global Policy Forums unter <http://www.globalpolicy.org/security/issues/kongidx.htm>.

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5.2.3.1 Geschichte

Die Dekolonisierung Belgisch-Kongos 1960 war die wohl am schlechtesten vorbereitete und vollzogene des ganzen Kontinents. Der fünfjährigen ‚Kongo-Krise’ (1960-65), die durch politischen Mord und Aufstände gekennzeichnet war, wurde erst durch den Putsch von General Joseph Désiré Mobutu ein Ende bereitet. Da sich dieser als strammer Antikommunist präsentierte, geschah seine Machtübernahme mit Billigung der westlichen Welt, allen voran Belgiens und der USA.278 „Mobutu took charge of all aspects of the state, military, economic and judicial, personally appointing ministers, generals and judges.“279 Seine weitreichenden Kompetenzen schrieb er 1974, auf dem Höhepunkt seiner Macht, in einer neuen Verfassung fest.

1977 und 1978 griffen zairische Dissidenten zweimal aus dem Ausland die Bergbauprovinz Katanga (inzwischen: Shaba) an. Beide Male war das zairische Militär zu schwach, um sie abzuwehren, und beide Male griffen internationale Truppen unter Führung Frankreichs auf Seiten Mobutus ein und schlugen die Aufständischen zurück. In den späten 70er und den frühen 80er Jahren verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage dramatisch. Eine stark ansteigende Verschuldung und sinkende Terms of Trade führten zu großen finanziellen Einbußen. Mobutus Ausplünderung des Mining Boards und anderer parastaatlicher Produktionsgenossenschaften verhinderte notwendige Reinvestitionen, so dass die Infrastruktur des Landes stark verfiel.

Mit dem Ende des Kalten Krieges zog eine Welle von Demokratisierung über Afrika hinweg. Unter zunehmendem sozialen und wirtschaftlichen Druck setzte Mobutu im Januar 1990 ein Programm zur schrittweisen politischen Öffnung in Gang.280 Jedoch hintertrieb er von Anfang an jegliche Ansätze von Transformation; viele der über 200 neuen politischen Parteien waren Tarnorganisationen von Mobutu und seinen Gefolgsleuten. Im September 1991 kam es zu Aufständen und Plünderungen durch unterbezahlte Soldaten, wobei ca. 90% der Industrieanlagen zerstört wurden.281 Zu jener Zeit hatte sich bereits

278 Vgl. dazu Schatzberg 1989. Conor Cruise O’Brien bezeichnet Mobutu als „a political creature of the United States, [...] maintained in power [...] as a reliable Cold War puppet“ (zit. in: McNulty 1999: 58). 279 Ders.: 59. 280 Vgl. Stroux 1996. 281 Vgl. Weiss 1995: 162.

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eine demokratisch gewählte National Conference konstituiert, sie wurde aber von Mobutu bei jeder Gelegenheit an ihrer Arbeit behindert. Bis Mitte 1994 rangen diese beiden Kräfte um die Macht im Lande, bis Mobutu die Reihen der Opposition spalten konnte. Mittlerweile war das Land in vollkommenem Chaos versunken. „The infrastructure, roads, means of communication have disappeared, the universities are closed, the hospitals have become mortuaries, the campaigns to fight the great epidemics are suspended and one no longer measures the ravages of AIDS.“282

Ende 1996 bildete sich in der östlichsten Provinz Kasai, unterstützt von den Nachbarländern Ruanda und Uganda die Alliance des Forces Democratiques pour la Liberation de Congo (AFDL) unter Laurent-Désiré Kabila, die nach einem nur siebenmonatigen Feldzug Mobutus Regime zerschlagen und den alten Diktator aus Kinshasa vertrieben hatte.283 Das Zaire Mobutus zerfiel und wurde durch die Democratic Republic of the Congo Kabilas ersetzt.

Eine neue Ordnung im Lande kam jedoch nicht zustande. Die ADFL zerfiel schnell und Truppen aus bis zu sieben anderen afrikanischen Staaten übernahmen die Kontrolle über Teile des Landes, offiziell zur Bekämpfung grenzüberschreitender Rebellenbewegungen (wie z.B. der ruandischen Hutu-Milizen in der Kivu-Provinz) oder zur Unterstützung Kabilas, faktisch jedoch zur Ausbeutung der riesigen Rohstoffschätze der DR Congo. Im Januar 2001 fiel Kabila einem Attentat zum Opfer, sein Sohn Joseph folgte ihm an der Spitze des Staates. Bis zu einer Befriedung des Landes bleibt es noch immer ein weiter Weg.

5.2.3.2 Indikatoren des Zerfalls

Es könnte mit einiger Berechtigung argumentiert werden, dass der Kongo bereits zum Zeitpunkt seiner Gründung ein kollabierter Staat war. Diese Situation wurde aber durch Mobutus Putsch ein wenig verbessert – eine Zeit lang erfreute sich der Staat einer gewissen Legitimität. Spätestens jedoch in den 70er Jahren setzten in Zaire wieder deutliche Zerfallstendenzen ein.

282 Le Monde Diplomatique, März 1993, zit. in: Weiss 1995: 166. 283 Vgl. Reed 1998.

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Zwar sind keine gesellschaftlichen Instanzen bekannt, die anstelle des Staates Steuern erheben, dennoch kann unterstellt werden, Zaire habe sein Abgabemonopol spätestens Anfang der 90er Jahre verloren. Schon seit langem finanzierte sich der Staat über Rohstoffrenten und seit 1992 wurde kein offizieller Staatshaushalt verabschiedet. Alles Geld floß direkt über das Büro des Präsidenten, die Steuererhebung glich zumeist bewaffneten Raubüberfällen.284

Die Shaba-Aufstände von 1977/78 hatten die Schwäche von Mobutus Armee hervorgehoben. Der Siegeszug der ADFL macht deutlich, dass sich dieser Zustand bis 1997 eher noch verschlechtert hatte. Das Monopol physischer Gewalt dürfte sich also schon länger nicht mehr in Mobutus Besitz befunden haben.

Die Dysfunktionalität der Institutionen war in Zaire nicht nur gegeben, sondern Methode. McNulty bezeichnet dies als „[a] non-functioning of the state except as a milkcow for its rulers“285. Seit den 70er Jahren sah sich der Staat zunehmend außerstande, öffentliche Güter bereitzustellen. Kikwit, eine Stadt von 400.000 Einwohnern, besaß 1995 weder ein Stromnetz noch fließendes Wasser, keine Radiostation und weder eine Kanalisation noch Telefonleitungen.286

In Zaire genoß der Staat schon seit langem keine Legitimität mehr. Die letzten Gefühle der Loyalität wurden spätestens durch Mobutus Scheindemokratisierung der frühen 90er Jahre zerstört. „Nowhere is [a] loss of legitimacy and growing isolation more palpably evident than in Zaire.“287

Der Zeitpunkt des Staatskollapses kann mithin nicht genau festgestellt werden, da Mobutu ‚seinen’ Staat in den 70er und 80er Jahren in das Paradebeispiel eines shadow state (vgl. 4.2.3) verwandelte.288 Der Kollaps muss also irgendwann in dieser Zeitspanne festgemacht werden. Mit Kabilas Machtübernahme verschwand dann auch der ‚Mobutu state’, jedoch unternahm der neue Staatschef keine Anstrengungen, ein neues politisches Gemeinwesen

284 Vgl. Hartmann 1997: 231, Stroux 1996: 100ff., Clark 1998: 114ff. und Stotsky; WoldeMariam 1997: 6. 285 McNulty 1999: 54. Ähnlich Weiss 1995: 168. 286 Vgl. Clark 1998: 116f. Ähnlich McNulty 1999: 61, 65. 287 Lemarchand 1997. Ähnlich Stroux 1996: 38 und McNulty 1999: 74. 288 „Zaire’s true political system operates outside the conventions of formal state sovereignty.“ (Reno 1998: 147) Vgl. Gould 1980: xiii und Clapham 1998: 154-155.

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zu errichten, sondern versuchte, in die Fußstapfen Mobutus zu treten und einen eigenen shadow state aufzubauen (vgl. 5.2.3.5).

5.2.3.3 Cleavages und gesellschaftliche Loyalitäten

Es gibt eine sehr starke ethnische und linguistische Fragmentierung in der DR Congo. Keine Ethnie umfasst mehr als 10% der Bevölkerung, es gibt hunderte von Sprachen, darunter fünf Verkehrssprachen.289 Callaghy nennt die zairische Gesellschaft „an uncoordinated mosaic of sociopolitical groupings“290. Diese Ethnien wurden durch Mobutu auf zwei Arten politisiert. Zum einen bestimmte die Herkunft den Zugang zu seinen neopatrimonialen Netzwerken und in den ‚inneren Kreis’ seiner Berater und Freunde.291 Zum anderen benutzte er eine Strategie des divide and rule: „From 1990 to 1993, and again in 1996, Mobutu stirred the ethnic pot in the two most sensitive provinces of the country, Shaba and Kivu.“292 1996 ließen sich die Völker Ost-Zaires jedoch nicht auf dieses Spiel ein und erhoben sich in Form der ADFL gegen Mobutus Herrschaft.

5.2.3.4 Korruption und Neopatrimonialismus

Mobutus Zaire war das Paradigma einer Kleptokratie. Die Selbstbereicherung des Präsidenten nahm geradezu pathologische Züge an: Sein Vermögen wurde zu Hochzeiten auf etwa 8 Mrd. US-$ geschätzt (etwa so hoch wie die Auslandsverschuldung Zaires), weswegen ihn ein französischer Diplomat einst ein ‚laufendes Bankkonto mit Leopardenfellmütze’ nannte.293

Diese Plünderung der Staatskasse durch die Staatsspitze führte zu Nachahmungseffekten unter den kleinen Beamten, zumal deren Lohn 1973-77 real um 60% gesunken war. Tatsächlich war Korruption an sich in Zaire nicht einmal etwas Anrüchiges. „Many Zairians shrugged their shoulders at these practices and, invoking traditional culture, noted that a supreme chief was expected to accumulate wealth. They noted that wealth was not resented as long as it was shared, and Mobutu was well known for rewarding friends and

289 Vgl. Bobb 1999: 155 und 307f. 290 Callaghy 1984: 144. Dies hat deutliche Anklänge an Migdals weblike societies (vgl. 3.2). 291 Vgl. Clark 1998: 118ff. und Stroux 1996: 34f. 292 McNulty 1999: 68. Ähnlich Stroux 1996: 5, 109-112. 293 Vgl. Young 1994: 247. Ähnlich Hein 1998: 95 und Eikenberg 1996: 209.

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supporters.“294 Als jedoch die wahren Ausmaße der Kleptokratie in den 80er Jahren publik wurden, überrtaf dies selbst die großzügigen zairischen Maßstäbe.

Mit den auf diese Weise beiseite geschafften Mitteln unterhielt Mobutu klientelistische Netzwerke, die nach Erdmann eher an den klassisch-patrimonialen Stil im Sinne Max Webers denn an den moderneren Neopatrimonialismus erinnerten, da diese persönlichen Beziehungen des Staatschefs bürokratische Verfahren weitgehend verdrängt hätten.295

5.2.3.5 Autokratische Herrschaft

Mobutus Herrschaft ist ohne Übertreibung als autokratisch, ja geradezu aristokratisch zu bezeichnen. Frühzeitig hatte er bereits die Macht des Staates auf sich konzentriert und personalisiert. Politische Herrschaft übte er hauptsächlich über seine neopatrimonialen Kanäle abseits staatlicher Strukturen aus. 1975 verglich V.S. Naipaul Zaire mit einem mitterlalterlichen Königreich.296 Spätestens seit Ende der 70er Jahre betrieb Mobutu eine rein defensive Herrschaft, eifersüchtig seine Besitzstände verteidigend. Dies tat er mit viel Glück und Geschick, und rettete sein Regime u.a. durch das Krisenjahr 1991, als er sowohl den Aufstand der Soldaten als auch die Herausforderung der Opposition politisch überlebte. Erst als ihm die Mittel ausgingen, weiterhin den Hass zwischen den Ethnien zu schüren und seine mächtigsten Widersacher zu seinen Klienten zu machen, brach sein Regime zusammen.297

Laurent-Désiré Kabila regierte die DR Congo in seiner kaum vierjährigen Amtszeit „nicht weniger autokratisch und korrupt“, berichtet Nuscheler. „Der ‚Befreier’ bemächtigte sich nicht nur der Paläste, sondern auch der Herrschaftsmethoden des davon gejagten Diktators.“298 Ob Joseph Kabila einen Bruch mit dieser Vergangenheit wagt, ist bislang noch nicht erkennbar.

294 Bobb 1999: 113. Vgl. außerdem Bayart 1993: 78 und Michler 1995: 135. 295 Vgl. Erdmann 2001a: 7, insb. Fn. 11. Zu Webers Theorie des Patrimonialismus vgl. Bratton; van de Walle 1997: 62f. 296 Vgl. Callaghy 1984: 141. 297 Vgl. Young 1994: 262, Weiss 1995: 163f. und Reno 1998: 147f. 298 Nuscheler 2000: 149. „Before long, however, Kabila began his own anti-democratic crusade. Within a few short months of taking power, the new president banned political parties, suspended civil rights, and was reported to be fueling ethnic hatred.“ (Hartung; Moix 2000)

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5.2.3.6 Internationale Unterstützung

Zaire war während des Kalten Krieges sowohl aufgrund seiner Bodenschätze als auch seiner strategisch wichtigen Position wegen für die Supermächte interessant. Die US-amerikanische Politik gegenüber Mobutus Regime lässt sich am besten mit Franklin D. Roosevelts Worten über den nicaraguanischen Diktator Somoza beschreiben: „He may be a son-of-a-bitch, but at least he’s our son-of-a-bitch.“

Zaire beherbergt große Vorkommen von Kohle, Kupfer, Diamanten, Gold, Öl und anderen Rohstoffen. Diese immensen Schätze können heute aufgrund zerfallender oder fehlender Infrastruktur nur in geringem Maße gefördert werden. Stattdessen hat sich eine riesige Schattenwirtschaft herausgebildet, die für weite Teile der Bevölkerung die einzige Chance zum Überleben darstellt. Sinkende Weltmarktpreise hatten bereits 1980 für eine schwere Wirtschaftskrise gesorgt, doch der ökonomische Zusammenbruch geschah erst Anfang der 90er Jahre. Zwischen 1990 und 1994 sank das BIP um rund 10% pro Jahr, die Kupferproduktion fiel auf ein Zehntel, die Inflation betrug 20.000%.299

Nachdem die militärische Abhängigkeit des Mobutu-Regimes von seinen ausländischern Patronen bereits in den Shaba-Kriegen 1977/78 deutlich geworden war, wurde durch den wirtschaftlichen Kollaps die finanzielle Abhängigkeit dementsprechend größer. Doch hatte Mobutu durch Zaires geostrategische Position und seine Rolle als anti-kommunistischer Streiter während des Kalten Krieges noch „Narrenfreiheit gegenüber dem Westen“300 genossen, waren Frankreich und die USA nun nicht mehr bereit, ihn angesichts schwerer Menschenrechtsverletzungen weiter zu unterstützen. „(T)he regime [was] so weak that when, in late 1996, external support was withheld for the first time, it could be swept away in a matter of months.“301

5.2.3.7 Militarisierung

Die USA standen Mobutu insbesondere auf militärische Weise bei. Von den 1,5 Mrd. US-$ teuren Waffenlieferungen, die während des Kalten Krieges nach

299 Vgl. McNulty 1999: 42 und Clark 1998: 122. 300 Stroux 1996: 32 301 McNulty 1999: 56.

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Afrika flossen, erhielt Zaire rund 20-25%.302 Dennoch stellt Weiss fest, in Zaire gebe es nur eine geringe Menge von Waffen. Zwar sei es kaum möglich, genaue Zahlen festzulegen (dies dürfte heute mit der Präsenz mehrerer ausländischer Truppen im Lande noch wesentlich schwieriger sein), dennoch ist er der Ansicht, Zaire sei deutlich weniger militarisiert gewesen als Somalia.303

5.2.3.8 Ursachenforschung: Warum kollabierte Zaire?

In Zaire sind wiederum mehrere der Hypothesen bestätigt worden, insbesondere die Hypothesen 2-4. Nicht bestätigt werden konnte die Annahme einer hohen Militarisierung des Landes; auch die vorhandene cleavage-Struktur scheint, trotz einer gewissen Volatilität, nur wenig zum Zerfall Zaires beigetragen zu haben. Mobutus Regime schien den Staat eher von innen ausgehöhlt zu haben, so dass der shadow state bereits durch einen leichten Anstoß wie den Aufstand der ADFL zusammenfiel.

5.2.4 NIGERIA304 5.2.4.1 Geschichte

1960 wurde die Nigerianische Föderation, vormals britsche Kolonie, als unabhängiger Staat ausgerufen (seit 1963: Bundesrepublik Nigeria). Ihre erste Verfassung gab dem Lande eine Westminster-Demokratie, deren erste Regierung das Land durch Korruption und Mißwirtschaft bereits 1961 in eine Dauerkrise manövriert hatte. Bis 1965 war die Erste Republik vollkommen diskreditiert, ihr folgender Sturz wurde von der Bevölkerung begrüßt.305

Im Januar 1966 kam es zu einem Putsch des durch die Ethnie der Igbo dominierten Offizierskorps gegen Präsident Balewa. Daraufhin kam es im Norden zu schweren Ausschreitungen gegen die Igbo-Minderheit und, „(b)y the logic of a legitimacy derived from the barrel of a gun, the first military 302 Vgl. Hartung; Moix 2000. 303 Vgl. Weiss 1995: 167. 304 Vgl. Adamolekun 1986, Forrest 1995, Diamond 1988, Bergstresser; Pohly-Bergstresser 1991, König 1994, Joseph 1987 und Africa South of the Sahara 2001: 864-904. 305 „The people [...] had become disgusted on the one hand with the ‚ten wasted years’ of corruption, incompetence, and gross abuse of office and on the other, with the incessant political crisis and internal strife, the political violence and repression, and finally the descent into political chaos.“ (Diamond 1988: 288)

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government [...] was overthrown in July 1966 after another coup d’état.“306 Yakubu Gowon, Stabschef des Militärs, wurde neuer Präsident Nigerias. Unter Druck der Flüchtlinge und angesichts sich verschärfender ethnischer Spannungen rief der Militärgouverneur der östlichen, Igbo-dominierten Region die unabhängige Republik Biafra aus. Es folgte ein dreijähriger Bürgerkrieg, bei dem, hauptsächlich durch Hunger, zwischen einer halben und zwei Millionen Biafrans starben, und an dessen Ende die Niederlage der Sezessionisten stand.

Im Juli 1975 wurde Gowon von Murtala Ramat Muhammed abgesetzt, der seinerseits im Februar 1976 von Anhängern Gowons ermordet wurde. Sein Stellvertreter Olusegun Obasanjo trat seine Nachfolge an und vollzog einen dreijährigen Demokratisierungprozess. 1979 wurde Alhaji Shehu Shagari zum Präsidenten der Zweiten Republik gewählt. Doch auch die Zweite Republik war von Klientelwirtschaft und Korruption geplagt und wurde, wie ihre Vorgängerin, durch einen Militärputsch beseitigt.307 Silvester 1983 übernahm Muhammadu Buhari die Macht, im August 1985 wurde dieser durch Ibrahim Babangida ersetzt. Dieser trat im August 1993 zugunsten einer Übergangsregierung um dem gewählten Präsidenten Moshood Abiola zurück. Die Regierung übergab die Macht jedoch bald an den Militär Sani Abacha, der mittels diktatorischer Methoden seine Position festigte. Erst mit Abachas Tod im Juni 1998 setzte wieder politisches Tauwetter ein. Sein Nachfolger, Abdulsalami Abubakar setzte eine zügige Transition durch, und bereits im Februar 1999 wurde der Ex-Militär Obasanjo zum Präsidenten Nigerias gewählt.

5.2.4.2 Indikatoren des Zerfalls

Es ist außerordentlich schwer, die Zerfallsmerkmale Nigerias klar zu identifizieren. Diese sind mit Sicherheit vorhanden, allerdings zwingen die häufigen Regimewechsel einerseits und die starken regional-ethnischen cleavages (vgl. 5.2.4.3) andererseits zu einem Maß von zeitlicher und geographischer Differenzierung, das den Rahmen dieser Arbeit übersteigt.

Anscheinend haben die chaotischen politischen Prozesse lediglich die einzelnen Regime diskreditiert, nicht jedoch den Staat als ganzes; das rege politische Interesse und die breite Beteiligung an der Präsidentenwahl 1999 deuten darauf 306 Adamolekun 1986: 100. 307 Vgl. Bergstresser; Pohly-Bergstresser 1991: 51f. Ferner Joseph 1987: 153-183.

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hin. Dennoch herrscht, speziell abseits der Metropolen, ein distanziertes Verhältnis zum Staat, so dass Johnson eine Krise der „Idee Nigeria“308 feststellt. So lässt sich Nigeria über weite Teile seiner Geschichte am ehesten als ein schwacher Staat charakterisieren, gezeichnet von gelegentlichen Zerfallserscheinungen, die jedoch niemals zum völligen Kollaps zentraler Institutionen führten.

5.2.4.3 Cleavages und gesellschaftliche Loyalitäten

„The Nigerian population is extremely diverse. There are more than 500 spoken languages, and well over 250 ethnic groups“309. Nigeria ist – grob gesprochen – in drei Regionen gespalten, die von je einer Ethnie dominiert werden: die Igbo im Osten, die Yoruba im Westen und die Haussa-Fulani im Norden. Neben diesen drei Völkern existiert eine Vielzahl von Minderheiten, die in ihren Regionen meist ein Gegengewicht zur dominanten Ethnie darstellen und zuweilen als „Garanten der staatlichen Einheit“310 wirken.

Hinzu kommt die religiöse Spaltung in einen muslimischen Norden und den christlichen Süden des Landes. Die Dominanz dieser cleavages hat ihren Ursprung in der britischen Kolonialverwaltung, die die Kolonie effektiv als zwei verschiedene Länder – Norden und Süden voneinander getrennt – regierte. Die starke Bevorzugung und die Christianisierung der südlichen Völker erzeugte, so Diamond, „an immense development gap.“311 Diese cleavages haben zu einer starken Stellung von strongmen beigetragen. Keine Regierung Nigerias kann ohne die Billigung der Haussa-Fürsten und der Emire und Sultane des Nordens wirken. „‚Traditionelle Herrschaft’, Ethnizität und Religion stehen in einem ambivalenten Verhältnis zum staatlichen Gewaltmonopol.“312

Seit Mitte der 80er, als Präsident Babangida Nigeria der Organisation Islamischer Staaten beitreten ließ, ist die religiöse Frage zunehmend in den 308 Johnson 2001: 81. Vgl. König 1994. 309 Africa South of the Sahara 2001: 864. 310 Bergstresser; Pohly-Bergstresser 1991: 68. Z.B. war Gowon auf die Unterstützung der Minoritätenvölker angewiesen. 311 Diamond 1988: 27. Vgl. Joseph 1987: 43-54. Während der Süden mit einem Netz kirchlicher Missionsschulen überzogen war, stellten die Briten den Muslimen des Nordens nur sehr langsam Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung. 312 König 1994: 124. Vgl. Hartmann 1997: 230, Bergstresser; Pohly-Bergstresser 1991: 75, König 1994: 78-83 und Grill 2001b: 8.

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Vordergrund getreten. Wo Religion früher nur ein Aspekt tiefergehender sozialer und politischer Divergenzen war, wird es mehr und mehr zum Auslöser blutiger Konflikte. Religion ist politisiert worden, wie die Unruhen im Zusammenhang mit der Einführung der Shari’a in einigen nördlichen Bundesstaaten zeigen.313

5.2.4.4 Korruption und Neopatrimonialismus

Das politische System Nigerias ist wie kaum ein anderes von Neopatrimonialismus geprägt. Tatsächlich gründet sich politische Herrschaft in Nigeria weitgehend auf Klientelbeziehungen. Joseph vermutet, dass diese Bindungen zur Überbrückung ethnischer Grenzen dienen und so in gewisser Weise stabilisierend wirken. „What clientelism can bring to an ethnically structured political system is a mechanism which, over time, can potentially shift the focus away from relations based on cultural identity.“314 Natürlich dient eine solche staatliche Schattenwirtschaft auch in großem Maße zur Bereicherung der Amtsträger. „The benefits of patronage were regarded as legitimate perquisites of office, and individuals who did secure public office came under intense pressure to distribute patronage to party, community, and kin.“315

Von besonderer politischer Relevanz ist daher die Einbeziehung von strongmen in das System der Patronage. „Alle traditionellen Führer erhalten eine ihrem Status entsprechende staatliche Apanage. 1990 bezog z.B. der Oba von Lagos, Adeyinka Oyekan II., monatlich 1800 Naira, was fast einem Professorengehalt gleichkommt.“316 Zu bemerken wäre dazu noch, dass diese Systeme unter militärischen und zivilen Regimen gleichermaßen funktionierten. Deren Ausmaß sei lediglich, so Adamolekun, abhängig von der persönlichen Integrität der politischen Führer gewesen.317

Gleichzeitig gilt Nigeria als eines der korruptesten Länder der Welt. Im Corruption Perceptions Index der NGO Transparency International belegt es

313 Vgl. Diamond 1988: 24f. und König 1994: 75. „(R)eligious controversy and intolerance in Nigeria have increased, and religious identities have become more overtly involved in political divisions.“ (Forrest 1995: 112) 314 Joseph 1987: 59. 315 Forrest 1995: 32. 316 Bergstresser; Pohly-Bergstresser 1991: 76. 317 Vgl. Adamolekun 1986: 178.

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seit Jahren einen der schlechtesten Ränge.318 Somit ist in Nigeria nicht nur eine Schwächung formeller politischer Kanäle, sondern auch eine vom Streben nach persönlicher Bereicherung geprägte politische Kultur zu erwarten.

5.2.4.5 Autokratische Herrschaft

Autokratische Herrschaft ist, wenn auch mit gelegentlichen demokratischen Unterbrechungen, ein auffälliger Tatbestand der nigerianischen Geschichte. Dabei ist anzumerken, dass sich die verschiedenen Militärregime (mit Ausnahme des tyrannischen Abacha-Regimes) nur selten repressiver Methoden bedienten, sondern sich eher auf klientelistische Strukturen verliessen. Die Institutionen des Staates wurden auf diese Weise stark geschädigt. Demgegenüber scheint eine gewisse demokratische Kultur erhalten geblieben zu sein, wie die hohe Wahlbeteiligung an der Präsidentenwahl 1999 zeigt.

5.2.4.6 Internationale Unterstützung

Nigeria war hauptsächlich wegen seiner Größe und seiner Bodenschätze, insbesondere der riesigen Ölreserven, für die Supermächte interessant. Von einer kurzen Phase während des Biafra-Krieges abgesehen, als Frankreich die Sezessionisten unterstützte und die Gowon-Regierung Hilfe von der UdSSR erhielt, scheint sich Nigeria aber weitgehend aus der Blockkonfrontation herausgehalten zu haben. Eine besondere Abhängigkeit von internationaler Unterstützung entstand nicht. Zwar ist Nigeria heute noch immer eines der ärmsten Länder der Welt, dennoch ist es „das einzige Land Schwarzafrikas, das in beträchtlichem Umfang Entwicklungshilfe an andere afrikanische Länder vergibt.“319 Insofern wurde es vom Ende des Kalten Krieges wirtschaftlich nicht wesentlich betroffen.

318 Vgl. die verschiedenen Jahrgänge des Index unter <http://www.transparency.org/cpi/index.html#cpi>. 319 Bergstresser; Pohly-Bergstresser 1991: 58. Auch wenn dies eher aus hegemonialem Streben denn aus finanziellen Wohlstand geschieht.

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5.2.4.7 Militarisierung

Es gibt keine Anzeichen für eine besondere Militarisierung Nigerias. Das Land erhielt keine größeren Waffenlieferungen während des Kalten Krieges. Ferner ist das Militär stabil, so dass Waffen kaum in private Hände gelangen.

5.2.4.8 Ursachenforschung: Warum kollabierte Nigeria nicht?

Hypothesen 3-5 können auch in Nigeria als erfüllt gelten. Die state-society relations tragen sicherlich zur Schwächung des Staates bei, somit soll auch Hypothese 1 als erfüllt angesehen werden. Hypothese 2 wird jedoch schwer in Frage gestellt: Ähnlich wie im Senegal scheint in Nigeria der Klientelismus eher zur Stabilisierung des Staates beizutragen, indem er die wichtigen strongmen zur Unterstützung des Staates verpflichtet.

5.3 ÜBERPRÜFUNG DER HYPOTHESEN Nach der Betrachtung der vier Länder sollen nun die gewonnen Erkenntnisse noch einmal zusammengefasst werden. Im MDSO-Vergleich zwischen Somalia und Zaire zeigen sich Ähnlichkeiten im Hinblick auf die Hypothesen 2-4: Beide Länder leiden unter hoher Korruption, waren lange Zeit von autokratischen Regimen beherrscht und verloren nach dem Ende des Kalten Krieges wichtige internationale Unterstützung. Die Rolle der cleavages, welche in Somalia klar zum Zerfall beigetragen haben, kann in Zaire nicht genau bestimmt werden, ebensowenig wie die Annahmen über eine hohe Militarisierung.320

Die Gegenüberstellung von Somalia und Senegal ergibt im Wesentlichen eine Bestätigung der Hypothesen 4 und 5. Der Faktor der Korruption und des Klientelismus spielt dagegen eine unterschiedliche Rolle: Während er in Somalia das politische System unterminierte, wurde der Staat in Senegal dadurch eher stabilisiert. Auch das Vorhandensein dominanter nicht-staatlicher Loyalitäten scheint per se nicht destabilisierend zu wirken. Ähnliches gilt für die Konsequenzen der autokratischen Regime; hier ist jedoch anzumerken, dass

320 Weiss merkt dazu an: „It is of course difficult to know how many and what type of weapons are available, especially since there is virtually an open border with Angola; but it seems that the sort of conditions that produced the Somalia crisis are absent in Zaire.“ (Weiss 1995: 167)

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Barres despotischer Stil eine andere Qualität als der senegalesische Einparteienstaat besaß.

Der zweite MSDO-Vergleich zwischen Zaire und Nigeria zeigt eine Übereinstimmung bei den Hypothese 4. Über die Verbreitung von Gewaltmitteln in Zaire lassen sich keine genauen Aussagen treffen. Hypothese 2 wird durch diesen Vergleich in Zweifel gezogen, da auch in Nigeria die Korruption eher zur Unterstützung des Staates beitrug. Hypothese 3 kann dagegen eher als bestätigt angesehen werden, da die nigerianischen Militärregime durchaus zerstörerisch für die staatlichen Institutionen waren, auch wenn diese nicht vollständig zerfielen. Aufgrund dieser Beobachtungen müssen einige Hypothesen noch einmal überarbeitet werden.

Hypothese 1: Staatszerfall wird gefördert, wenn die Bevölkerung eines Staates ihre Loyalität eher lokalen strongmen anstatt dem Staat schenkt.

Die erste Hypothese ist vermutlich zu einfach formuliert, wie das Beispiel Senegal zeigt, z.B. wurden die Politisierung der strongmen sowie die Beziehungen von Staat und gesellschaftlichen Gruppen nicht berücksichtigt. Es hat sich gezeigt, dass die Einbindung von strongmen in staatliche Patronage-Netzwerke zu einer Stabilisierung des Staates beiträgt. Diese Taktik verhindert zwar eine vertiefte staatliche Penetration der Gesellschaft und kann somit nicht zur Überwindung des Machtlosigkeit des schwachen Staates beitragen, fördert allerdings nicht seinen Zerfall (vgl. 4.2.3).

Daher will ich diese Hypothese wie folgt erweitern: Staatszerfall wird gefördert, wenn die Bevölkerung eines Staates ihre Loyalität eher lokalen strongmen anstatt dem Staat schenkt und diese strongmen eine dem Staat gegenüber feindliche Position beziehen.

Hypothese 2: Staatszerfall wird gefördert, wenn in den Institutionen eines Staates Korruption und Klientelismus grassieren.

Die obigen Beobachtungen lassen diese Hypothese als zu weit gefasst erscheinen. Patronage-Netzwerke und Klientelismus mögen zwar theoretisch das institutionelle Gefüge des Staates untergraben, treten jedoch auch in nominell

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demokratischen Staaten auf.321 Stattdessen kann Klientelismus, wie in Nigeria, dem Senegal und selbst in Zaire zu sehen ist, zur Stabilisierung des Staates beitragen, indem potentiell gefährliche strongmen zu Kostgängern des Staates gemacht werden. Rohe Selbstbereicherung hat sich dagegen in allen Beispielen als zerstörerische Kraft herausgestellt (sofern sie bestimmte kulturell definierte Grenzen überschreitet), so dass diese Hypothese wie folgt verändert wird: Staatszerfall wird gefördert, wenn in den Institutionen eines Staates ein hohes Maß an Korruption auftritt.

Hypothese 3: Staatszerfall wird durch autokratische Regime gefördert.

Bei der dritten Hypothese ist eine wesentlich differenziertere Betrachtung notwendig: Alle vier untersuchten Staaten waren lange Zeit durch autokratische Systeme gekennzeichnet, die jedoch – wie das Beispiel Senegals zeigt – unterschiedlich zum Staatszerfall beigetragen haben. Die Beispiele Zaires und Somalias scheinen nahezulegen, dass die Stabilität eines einzelnen autoritären Regimes (Mobutu und Barre herrschten beide über mehr als zwei Jahrzehnte) sowie der Grad an Personalisierung der Macht die entscheidenden Variablen in diesem Punkt seien.

Daher kann man Autokratien höchstens tendenziell, jedoch nicht per se, als zerstörerisch bezeichnen. Zu unterschiedlich sind die Strategien der verschiedenen Regime, um hier zusammengefasst werden zu können. Somit war entweder meine Definition (vgl. 5.1.3.) zu weit gewählt, die Hypothese zu grob formuliert oder aber die Hypothese grundlegend falsch. Hier ist eine detailliertere Betrachtung sowie eine Unterscheidung verschiedener Formen der Autokratie vonnöten, um sinnvolle Ergebnisse zu erhalten.322 Dazu möchte ich die Hypothese aufstellen, dass insbesondere die Personalisierung der Macht sowie die Errichtung eines shadow state (vgl. 4.1.5) zerstörerische Folgen nach sich ziehen.

321 Anm.: Damit wäre auch die Definition von Renos shadow state (vgl. 4.1.5) nicht erfüllt, da dieser ein autokratisches Regime zugrunde legt. 322 Besonders interessant wäre hier eine Untersuchung von Systemen, die nach Max Weber als ‚sultanistisch’ bezeichnet werden (vgl. Linz 2000).

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Hypothese 4: Staatszerfall wird gefördert, wenn die internationale Unterstützung eines Staates seit dem Ende des Kalten Krieges deutlich zurückgegangen ist.

Diese Hypothese hat sich in allen Fällen bestätigt. In Somalia trug das Ausbleiben finanzieller Hilfe zum Kollaps bei. Der Mangel an Geldmitteln ließ Patronage-Netzwerke zerbrechen, gesellschaftliche cleavages können somit nicht mehr durch die Klientelisierung von strongmen übertüncht werden. Dagegen mangelte es Zaire sowohl an Geld als auch an militärischer Unterstützung, die Mobutus shadow state am Ende zerbrechen ließen.

Hypothese 5: Staatszerfall wird beschleunigt, wenn sich große Menge von Waffen im Land befinden.

Hypothese 5 konnte in Teilen bestätigt werden. Der somalische Zerfall war von einer großen Verbreitung von small arms begleitet, der zairische hingegen nicht. Das Regime Mobutu hat sich, seiner evidenten Schwäche zum Trotz, lange an der Spitze halten können, da seine Opposition nicht militarisiert war. Erst nachdem Zaires Nachbarländer die AFDL unterstützten, konnte diese Mobutus shadow state stürzen. Die Annahme, Waffen würden am ehesten als Multiplikatoren oder als trigger funktionieren, kann aber beibehalten werden.

Darüber hinaus hat sich die Annahme bestätigt, dass die verschiedenen Zerfallsursachen eng miteinander verbunden sind. Dabei lassen sich zwei Komplexe von Ursachen ausmachen: Der erste bewirkt dabei über lange Zeiträume die Destabilisierung des Staates und bereitet damit gewissermaßen den Hintergrund, der zweite spielt die Rolle des Auslösers, der Prozesse des Zerfalls beschleunigt und zuspitzt.

Der erste Komplex ist der wesentlich größere. Gesellschaftliche cleavages (Hypothese 1) wirken zerstörerisch, wenn sie durch autokratische Regime (Hypothese 3) angefacht werden und nicht in neopatrimoniale Netzwerke (Hypothese 2) eingebunden sind. Korruption (Hypothese 2) hat sich als grundsätzlich nachteilig erwiesen; wenn die internationale finanzielle Unterstützung (Hypothese 4) schlagartig zurückging, ist auch das Funktionieren der neopatrimonialen Netzwerke (s.o.) gefährdet.

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Die Militarisierung der Gesellschaft (Hypothese 5) und das Ausbleiben militärischer Unterstützung (Hypothese 4) bilden den zweiten, wesentlich kleineren Komplex. Sie wirken in einer trigger-Funktion – wenn der Hintergrund für den Zerfall bereitet ist, dann tragen diese Faktoren zu einem baldigen und schnellen Kollaps bei.

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6. Résumé Ich habe in dieser Arbeit den Versuch unternommen, das Phänomen des Staatszerfalls näher zu beleuchten. Zu diesem Zweck wurde im zweiten Kapitel ein Konzept des Staates entworfen, das sowohl auf soziologischen als auch juristischen Kategorien beruhte. Dabei wurde Staatlichkeit in ihre juristischen und empirischen Aspekte unterteilt.

Im dritten Kapitel wurden zuerst die Entstehungsbedingungen der modernen Staatenwelt dargelegt. Es stellte sich heraus, dass Staatsbildung einen interaktiven Prozess zwischen politischen Eliten und der Gesellschaft darstellt und Staaten historisch nicht in einem Vakuum entstanden sind, sondern sich im Konflikt mit der Gesellschaft abgrenzten und veränderten. In einem zweiten Teil wurde anhand der Theorien Migdals untersucht, wie diese Interaktion dazu beitragen kann, dass manche Staaten dauerhaft in einer Position der Schwäche verharren. Drittens stellte ich fest, dass sich diese Theorien nur mit großer Vorsicht auf die afrikanische Staatenwelt anwenden lassen, die unter anderen Bedingungen entstand und deren Staat-Gesellschaft-Interaktion entlang anderer Muster verläuft als im Idealbild der Theorien von Tilly und Migdal.

Im vierten Kapitel wurde der aktuelle Stand der Forschung dargestellt, systematisiert und die verschiedenen Ansätze zusammengeführt, um eine eigene Definition von Staatszerfall zu entwickeln. Diese Definition unterscheidet Staatszerfall (einen Prozess) von Staatskollaps (einem Endzustand). Zerfall und Kollaps werden dabei besonders an vier Indikatoren festgemacht: dem Gewaltmonopol, dem Abgabemonopol, dem Funktionieren staatlicher Institutionen und der Einstellung der Bevölkerung.

Danach entwickelte ich fünf Hypothesen über die Ursachen von Staatszerfall und testeten diese an zwei Fall- und zwei Gegenbeispielen. Einige Hypothesen wurden im Wesentlichen bestätigt, nämlich jene, dass privater Zugang zu Gewaltmitteln und ein Abbruch internationaler Unterstützung Staatszerfall förderten. Die Annahme, autokratische Regime würden den Zerfall ihres Staates beschleunigen, wurde als zu grob identifiziert, ähnliches gilt für das Vorhandensein von strongmen. Demgegenüber konnte Korruption als Ursache von Zerfallsprozessen etabliert werden; zu Patronage und Klientelismus sind hingegen keine eindeutigen Aussagen möglich.

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Das Phänomen des Staatszerfalls ist in der Politikwisseneschaft bislang nur wenig beachtet worden, wie z.B. im Bereich der Internationalen Beziehungen. „The IR [International Relations] discipline is burdened with a ‚taken for granted’ understanding of states as fixed, ‚like units’ which vary in very few respects, the main one being relative capabilities.“323 Staatszerfall stellt für die Theorie der Internationalen Beziehungen demgemäß eine Infragestellung ihrer grundlegenden Annahmen dar.

Staatszerfall ist aber auch eine Herausforderung für die praktische Politik, da er die Grundlage des internationalen Systems (mit dem konstitutiven Element des souveränen Staates) gefährdet. Einige Autoren plädieren daher für einen ‚innovativeren’ Umgang mit kollabierten Staaten; die Vorschläge reichen von einer Wiedererweckung des UN Trusteeship Council, über die Nichtmehr-Anerkennung solcher Staaten bis hin zu Modellen abgestufter Souveränität.324 Jackson lehnt diese Vorschläge jedoch als unrealistisch ab: Zum einen hätten sie einen neokolonialistischen Beigeschmack, zum anderen besäßen sie keine Umsetzungschance, da kein Staat freiwillig seine Souveränität in Frage stellen ließe.325 Viel realistischer ist dagegen die Frage, unter welchen Umständen eine Intervention in kollabierten Staaten gerechtfertigt sei, was momentan Gegenstand einer wissenschaftlichen Debatte ist.326

Doch auch in anderen Teilgebieten ist Staatszerfall bislang nur ungenügend berücksichtigt worden. So gibt es z.B. kaum Arbeiten, die variable Staatlichkeit in die Transitionsforschung miteinbeziehen. Welchen Sinn kann Demokratisierung in einem zerfallenden Staat haben? Bei der gegenwärtigen Debatte um den politischen Wiederaufbau Afghanistans, wie unlängst im Falle Ost-Timors, wird zuweilen von einer baldigen Demokratisierung des Landes gesprochen, aber sollte nicht der Wiederaufbau von Staatlichkeit im Vordergrund stehen?327

323 Soerensen 1997: 267. Der Begriff der ‚like units’ entstammt der Schule des Neorealismus, wird aber von Soerensen als für alle Schulen charakteristisch angesehen (vgl. Buzan 1998, Soerensen 1997 und 2000b). Eine Einführung in die Staatstheorien der verschiedenen Schulen der Internationalen Beziehungen bietet Hobson 2000. 324 Vgl. Norton; Miskel 1997, Alger 1998 und 1999, sowie Herbst 1996 und Helman; Ratner 1993. 325 Vgl. Jackson 1999. 326 Vgl. dazu Ramsbotham; Woodhouse 1996, Snow 1996: 115-160, Eikenberg; Körner 1993, Gambari 1993 und Deng 1995. 327 Vgl. Holsti 1996: 209.

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Um das Beispiel der Demokratieforschung fortzusetzen: Ich bin überdies der Ansicht, dass die ungenügende Berücksichtigung von Staatszerfall zu verzerrten Ergebnissen führt. Dazu möchte ich folgende These aufstellen: Die bekannte Korrelation zwischen dem Maß an Demokratie und positiven sozialen Indikatoren (Alphabetisierung etc.) ist in weiten Teilen ein Scheinzusammenhang. Bereinigt man die Untersuchung um die infrastrukturelle Macht des Staates (als ein einfaches Maß der Staatlichkeit), wird diese Korrelation weniger stark ausfallen.

Ich möchte nachdrücklich davor warnen – um zum Thema der Arbeit zurückzukehren – den Akteuren in zerfallenden Staaten zu unterstellen, sie seien grundsätzlich an einer Stabilisierung und Befriedung ihres Landes interessiert.328 Allzu oft verfolgen die Beteiligten nicht diese Form der Rationalität, sondern handeln anhand eigener Motivationen, nicht selten ökonomischer Art. Statt die Stärkung des Staates zu betreiben, demontieren Despoten Institutionen, um das Aufkommen autonomer Machtzentren zu unterbinden. Strongmen schüren Konflikte, um die Gesellschaft zu fragmentieren und sich als partikularistischer Anführer und evtl. als warlord zu konstituieren.

Der angolanische Bürgerkrieg liefert ein besonders gutes Beispiel für diese, meist ökonomisch motivierte, Form des Eigeninteresses. Dort hatten die Regierungstruppen und die Rebellen das Land während der 90er Jahre unter sich aufgeteilt: Die Generäle kontrollierten den Handel mit Öl, die Aufständischen hatten die Diamantenminen in ihrer Gewalt. Die Eliten auf beiden Seiten machten gute Gewinne mit dem Handel dieser Rohstoffe und waren kaum an einer Änderung der Situation interessiert. Die Militärs brauchten den Krieg, um ihre herausgehobene Stellung innerhalb des Staates zu behalten und ihre Etats zu rechtfertigen, die Rebellen hatten kein Interesse an weiteren Eroberungen, so dass der ‚Bürgerkrieg’ zu einem omnipräsenten low-intensity conflict verkam. Erst die militärische Erschöpfung der UNITA und die erfolgreichen Offensiven des angolanischen Militärs durchbrachen diesen Stillstand.

Einigen Aspekten konnte ich dieser Arbeit nicht gebührend Rechnung tragen. Der eine, auf den ich hier etwas länger eingehen möchte, ist der regionale Charakter von Staatszerfall. Dieser wird in Afrika deutlich: Ganze Regionen wie das Gebiet der Großen Seen, Westafrika oder das Horn von Afrika versinken im

328 Vgl. dazu die Arbeiten Renos und Migdals.

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Chaos prekärer Staatlichkeit. Dazu stellt Mair fest: „Bereits in einem Frühstadium entfaltet [Staatszerfall eine] auf Nachbarstaaten destabilisierende Wirkung.“329

Staatszerfall wird dabei nach einer einfachen Logik transportiert. Meist beginnt der Zerfall in den peripheren Gegenden nahe der Landesgrenzen. Die Hauptstadt ist fern, die u.U. ethnisch verwandten Bürger des Nachbarlandes (man berücksichtige die koloniale Grenzziehung, die zuweilen Völker über mehrere Staaten verteilte) dagegen nah. Da der schwache Staat seine Grenzen nur ungenügend kontrollieren kann, entstehen bald gesellschaftliche, kulturelle und ökonomische Verbindungen (legaler oder illegaler Natur) in das Nachbarland.330 Kommt es nun zum Kollaps des Staates und wird dieser – wie in eigentlich allen Fällen von Staatskollaps – von Gewalt und Bürgerkrieg begleitet, entstehen Flüchtlingsströme, die sich über die Grenze ergießen. Einerseits stellen diese Flüchtlinge ein kaum zu bewältigendes ökonomisches und soziales Problem für ihr Gastland dar, andererseits tragen sie den Samen des Konfliktes bereits in sich: Oft werden durch solche Ströme Muster politisierter Ethnizität aus dem zerfallenden Staat exportiert bzw. im Gastland überhaupt erst geschaffen. Es erfolgt eine Transformation von „refugee-generating conflicts into conflict-generating refugees“331. Auch politische Gewalt erhält schnell einen regionalen Charakter, z.B. indem ein Staat den Rebellen eines verfeindeten Nachbarlandes ein sicheres Rückzugsgebiet zur Verfügung stellt.332

Dramatische Beispiele für derartige regionale Zusammenhänge bieten die DR Congo sowie Westafrika.333 Seit dem Angriff der Rebellen von Charles Taylor auf liberianisches Territorium im Jahre 1989 hat sich dort ein Geflecht von Animositäten und Allianzen herausgebildet. Staaten unterstützen Rebellenbewegungen in ihren Nachbarländern und bieten ihnen Rückzugsgebiete. Die drei wichtigsten Protagonisten sind Sierra Leone, Guinea und Liberia, deren Situation Grill folgendermaßen schildert: „Die Konflikte 329 Mair 2000: 166. Ähnlich Deng et al. 1996: 146, Ayoob 1995: 47, Dorff 1999 und Clapham 1996: 123. 330 Vgl. Bayart; Ellis; Hibou 1999: 23ff., Luke; Ó Tuathail 1999 und Tetzlaff 1993a. 331 Lemarchand 1997. 332 Vgl. Rufin 1999. 333 Vgl. dazu Jean; Rufin 1999, Schlichte 1993 und Grill 2001a. Informationen zu neuen Entwicklungen bietet das Global Policy Forum unter <http://www.globalpolicy.org/security/issues/slindex.htm>. Zur DR Congo vgl. Molt 1997, Lemarchand 1997, Nuscheler 2000 und Mair 2000.

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dreier Länder, kompliziert ineinander verzahnt, geschürt von Räuberpräsidenten, ein halbes Dutzend Kampfparteien, reguläre Söldner und Rebellentrupps, Plündererhorden und Stammesmilizen [...] . Die Liste der Beuteobjekte aber kann jedes Kind aufsagen: Arbeitssklaven, Frauenkörper, Vieh und Nahrungsmittel, Tropenholz. Vor allem aber: Diamanten.“334 Auf diese Weise brachte Taylors Rebellion 1989 eine Kaskade von Entwicklungen ins Rollen, die die gesamte Region bis heute destabilisiert. Es gilt jedoch analytisch zu differenzieren: Staatszerfall an sich hat nur begrenzte regionale Wirkungen (Flüchtlinge, illegaler Handel), der dem Staatszerfall beinahe unvermeidlich folgende Bürgerkrieg dagegen bringt weitreichendere Folgen mit sich.

Ein anderer zu kurz gekommener Aspekt ist die ökonomische Dimension von Staatszerfall. Welche Rolle spielt das Vorhandensein von Rohstoffrenten auf Zerfallschancen und -prozesse? Sind rohstoffreiche Länder unsicherer als rohstoffarme Länder? Gibt es – ähnlich zum Beispiel Angolas, oben – ökonomische Motivationen, Staatszerfall voranzutreiben? Überhaupt ist das Verhalten von Eliten in dieser Arbeit nur sehr kursorisch behandelt worden. Dieser Mangel herrscht leider in großen Teilen der Literatur vor und ist ein Aspekt, der in jedem Fall noch weitere Forschung verdient.

Zuletzt aber ein Wort der Einschränkung: Staatskollaps hat nicht nur negative Folgen. Als Kind der Ersten Welt ist man an die benevolente Präsenz eines soliden Staates gewöhnt und erwartet, in kollabierten Staaten den Hobbesianischen Dschungel wiederzufinden. Stattdessen bilden sich neue Strukturen von Autorität und Hierarchie heraus, die das Leben auf der sub-staatlichen Ebene im Rahmen gesellschaftlicher Gruppen organisieren. „(C)ivil society continues to exist – indeed, even thrive – under state collapse, its inability to fill the national vacuum being paralleled by its vigor in local operations.“335 In Mogadischu finanzieren Geschäftsleute eine Miliz, die von islamischen Geistlichen überwacht wird. Diese Miliz räumte viele der von den verschiedenen Faktionen aufgebauten checkpoints und sorgt mittlerweile für ein Mindestmaß an Sicherheit für ihre Geldgeber. In ländlichen Gegenden übernahmen Älteste und Frauen Autorität zur Ordnung ihrer Gemeinschaft, Lehrer und Ärzte praktizierten ohne Schulen oder Hospitäler. Staatskollaps ist ein schwerwiegender Nachteil für arme Länder wie Somalia – bietet ihnen aber 334 Grill 2001a: 3. 335 Zartman 1995b: 268. Ähnlich Tetzlaff 2000a: 34f.

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auch die Chance, die Reste des Kolonialstaates abzuwerfen und von den grassroots aufwärts ein neues politisches Gemeinwesen zu errichten.

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