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Untersuchung zur Morbidität der indigenen Volksgruppen der Chiquitanos im südlichen Amazonasgebiet

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Josef Georg Heckmann, Tamara Fischer, Ruben Maida, Juan Carlos, Jesus Galeote Untersuchung zur Morbiditiit tier indigenen u tier Chiquitanos im siidlichen Anlazonasgebiet 1 Study on Morbidity of the Indigenous Chiquitano-tribe in the Southern Amazonas Region Die Chiquitanos leben als relativ geschlossene Volksgruppe im schwer zugiinglichen und abgelegenen siidlichen Amazonasgebiet, im Osten Boliviens. Die Untersuchung zur Morbiditiit unter allgemein- und sozialmedizinischen Gesichtspunkten erfolgte an 1.514 Beratungssuchenden im Zeitraum eines Jahres (April 1995 bis Miirz 1996). Kin- der unter 15 Jahren und Frauen im gebtirfiihigem Alter (15 bis 45 Jahre) kamen am htiufigsten zur tirztlichen Beratung (34,1 bzw. 42, 7 Prozent). Die am hiiufigsten zu dia- gnostizierenden Krankheiten waren Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes (22,4 Prozent) und Erkrankungen des Respirationstraktes (16,2 Prozent), wobei in der Trockenzeit Infektionen der oberen und tiefen Luftwege und in der Regenzeit infekti- onsbedingte Durchfallerkrankungen iiberwogen. 15, 7 Prozent der Konsultationen wa- ren auf gyntikologisch-geburtshilfliche FragesteUungen zurackzufiihren. Typische Tro- penkrankheiten (Malaria, Dengue-Fieber, Chagas-Erkrankung, Lepra u.a.) wurden nur selten angetroffen. Auch spielten soziologisch bedingte Erkrankungen (AIDS, Al- kohol- und Suchterkrankungen, Kriminalittitsfolgen) keine nennenswerte RoUe. Hin- sichtlich der Erkrankungsschwere verliefen 55,8 Prozent der Erkrankungen klinisch leicht. Mittelschwere Verltiufe waren bei 39,6 Prozent zu beobachten. Bei 4,6 Prozent war die Erkrankung als schwer einzustufen. Unter dem Gesichtspunkt ,, One world" sind epidemiologische Kenntnisse iiber aUgemein- und sozialmedizinische Erkran- kungen yon Volksgruppen in der dritten Welt und iiber die Versorgungssituation be- deutsam. Die ermittelten Daten liefern Anhaltszahlen, um Notwendigkeit und Bedarf medizinischer Expertise zur Versorgung der BevOlkerung abzuschtitzen. SchliisselwOrter: AUgemeinmedizin, Sozialmedizin, indigene Volksgruppen, Medizin in den Entwicklungsliindern The Chiquitano-tribe lives in the southern Amazonas region in Bolivia, remote from larger towns. A study (n=1514) on morbidity over an one year period (April 1995 till March 1996) and its relation to general and social medicine is given. Most frequently, children under 15 years and women in parity age (15-45 years) sought consultation (34,1%, 42,7 %). Gastrointestinal, respiratoral and gynecological-obstetric diseases were predominant (22,4 %, 16,2 % and 15,7 %). In the dry season, common colds and respiratoral infections represented the major health problem. In the rainy season, infectious diarrhea diseases caused by polluted water as a consequence of extended floods were most frequent. Typical tropical diseases (malaria, Dengue fever, Chagas' disease, leprosy a.o.) and socially caused diseases (AIDS, dependencies on drugs and 1 Den Chiquitanos in Ehrfurcht vor ihren Traditionen und in Dankbarkeit for ihre Freundlichkeit gewidmet 166 z.f. Gesundheitswiss., 6. J'g. 1998, H. 2
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Josef Georg Heckmann, Tamara Fischer, Ruben Maida, Juan Carlos, Jesus Galeote

Untersuchung zur Morbiditiit tier indigenen u tier Chiquitanos im siidlichen Anlazonasgebiet 1 Study on Morbidity of the Indigenous Chiquitano-tribe in the Southern Amazonas Region

Die Chiquitanos leben als relativ geschlossene Volksgruppe im schwer zugiinglichen und abgelegenen siidlichen Amazonasgebiet, im Osten Boliviens. Die Untersuchung zur Morbiditiit unter allgemein- und sozialmedizinischen Gesichtspunkten erfolgte an 1.514 Beratungssuchenden im Zeitraum eines Jahres (April 1995 bis Miirz 1996). Kin- der unter 15 Jahren und Frauen im gebtirfiihigem Alter (15 bis 45 Jahre) kamen am htiufigsten zur tirztlichen Beratung (34,1 bzw. 42, 7 Prozent). Die am hiiufigsten zu dia- gnostizierenden Krankheiten waren Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes (22,4 Prozent) und Erkrankungen des Respirationstraktes (16,2 Prozent), wobei in der Trockenzeit Infektionen der oberen und tiefen Luftwege und in der Regenzeit infekti- onsbedingte Durchfallerkrankungen iiberwogen. 15, 7 Prozent der Konsultationen wa- ren auf gyntikologisch-geburtshilfliche FragesteUungen zurackzufiihren. Typische Tro- penkrankheiten (Malaria, Dengue-Fieber, Chagas-Erkrankung, Lepra u.a.) wurden nur selten angetroffen. Auch spielten soziologisch bedingte Erkrankungen (AIDS, Al- kohol- und Suchterkrankungen, Kriminalittitsfolgen) keine nennenswerte RoUe. Hin- sichtlich der Erkrankungsschwere verliefen 55,8 Prozent der Erkrankungen klinisch leicht. Mittelschwere Verltiufe waren bei 39,6 Prozent zu beobachten. Bei 4,6 Prozent war die Erkrankung als schwer einzustufen. Unter dem Gesichtspunkt ,, One world" sind epidemiologische Kenntnisse iiber aUgemein- und sozialmedizinische Erkran- kungen yon Volksgruppen in der dritten Welt und iiber die Versorgungssituation be- deutsam. Die ermittelten Daten liefern Anhaltszahlen, um Notwendigkeit und Bedarf medizinischer Expertise zur Versorgung der BevOlkerung abzuschtitzen. SchliisselwOrter: AUgemeinmedizin, Sozialmedizin, indigene Volksgruppen, Medizin in den Entwicklungsliindern

The Chiquitano-tribe lives in the southern Amazonas region in Bolivia, remote from larger towns. A study (n=1514) on morbidity over an one year period (April 1995 till March 1996) and its relation to general and social medicine is given. Most frequently, children under 15 years and women in parity age (15-45 years) sought consultation (34,1%, 42,7 %). Gastrointestinal, respiratoral and gynecological-obstetric diseases were predominant (22,4 %, 16,2 % and 15,7 %). In the dry season, common colds and respiratoral infections represented the major health problem. In the rainy season, infectious diarrhea diseases caused by polluted water as a consequence of extended floods were most frequent. Typical tropical diseases (malaria, Dengue fever, Chagas' disease, leprosy a.o.) and socially caused diseases (AIDS, dependencies on drugs and

1 Den Chiquitanos in Ehrfurcht vor ihren Traditionen und in Dankbarkeit for ihre Freundlichkeit gewidmet

166 z.f. Gesundheitswiss., 6. J'g. 1998, H. 2

alcohol, consequencies o f crime) were rarely seen. With respect to severity, 55,8 % o f the patients showed mild disorders. More serious diseases were observed in 39, 8 %. 4,6 % o f the patients were diagnosed severly ill and needed hospitalization. Epide- miological data on general and social medicine o f rninorities in developing countries and their actual degree o f medical care are important in a shrinking world. The data are useful to estimate medical needs and plan improvements to the health care system especially in rural areas. Keywords: General medicine, social medicine, indigenous tribe, developing countries

1. Ausgangssituation

Die indigene Volksgruppe der Chiquitanos bildet neben den Chiriguanos und Guaranis einen der gr613ten Indianerst~imme ira Osten Boliviens. Sie lebt im Norden und im Zentrum des Departementes Santa Cruz, in den Pro- vinzen Nuflo de Ch~ivez, Velasco, Chiquitos und Sandovfil (Fuss et al. 1981, Roth 1988).

Nach dem Ende der Jesuitenzeit (1689 bis 1767 n. Chr.), mit Aufl6sung der Reduktionssiedlungen in Concepci6n und San Javier, waren die Chiquita- nos meist als Leibeigene und Tagel6hner weil3er Dienstherren (Patrones) ohne Grundbesitz und ohne politische Rechte. Dies ftihrte zu einer Migra- tionsbewegung in die abgelegenen, schwer zug~nglichen Urw~ilder des stid- lichen Amazonasgebietes, das heutige 6stliche Tiefland Boliviens. Dort lebte diese Volksgruppe weitgehend isoliert nach eigenen sozialen und religi6- sen Traditionen. Erst Anfang dieses Jahrhunderts kam es zu einem zuneh- menden Kontakt mit katholischen Missionaren, die im Rahmen der Mis- sionierung auch Gesundheitsstationen und Schulen grtindeten (Hoffmann 1979, K6nig 1994, Schicker/Lindner 1985).

Die Gesundheitsstation San Antonio de Lomerfo wurde im Jahre 1972 auf- gebaut und liegt im Stiden der Provinz Nuflo de Chfivez. Sie versorgt 5.652 Bewohner (Bev61kerungsstruktur, s. Abb. 1), zu 98 Prozent Chiquitanos, w~ihrend die restlichen 2 Prozent aus Mestizen, Quechua und Weil3en be- stehen. Die Bev61kerung lebt in 43 D6rfern, die tiber eine Fl~iche yon 7000 km 2 verstreut sind. Im Hospital, das seit 1986 kontinuierlich yon einem Arzt, einer Krankenschwester und drei Krankenschwesterhelfern/-innen geftihrt wird, k6nnen bis zu sieben Patienten station~ir aufgenommen und behan- delt werden. Wichtigste Einrichtung ist das Consultorio, die Ambulanz mit t~glicher Sprechstunde und Notdienst am Wochenende. Dartiber hinaus steht eine einfache geburtshilfliche Einheit zur Verftigung.

Ziele der im April 1995 initiierten und im M~ir'z 1996 abgeschlossenen Studie war es, die Morbidit~it dieser indigenen Volksgruppe unter allgemein- und sozialmedizinischen Aspekten tiber den Zeitraum eines Jahres zu erfassen.

2. Patienten und Methoden

2.1 BevOlkerungsstruktur, Lebensweise

Im Rahmen der Studie wurde eine Z~ihlung der Bev61kerung durch ein- heimische Mitarbeiter des Hospitals vorgenommen (Z~hltag 1. Marz 1995). Erschwerend dabei war, dab ein Grof3teil der ~ilteren Bewohner ihr Alter nicht exakt wul3te. Geburts- und Sterbeurkunden sind unbekannt. Bei Un-

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klarheiten wurde daher das Alter gesch~itzt, und die Bev61kerung in folgende Altersgruppen nach Geschlecht aufgeteilt: bis 14 Jahre; 15-29 Jahre; 30-44 Jahre; 45 Jahre und ~ilter (Abb. la). Nennenswerte Migrationsbewegungen bestehen nicht.

Abb. la: Alters- und Geschlechtsverteilung der gesamten Population (Zahltag 1.3.1995; n=5.652) im Beobachtungszeitraum 4/95 bis 3/96

>45J

30-45J

15-29J

1-14J

Bev61kerung nach Alter und Geschlecht

I I

-2000 -1000 0 1000 2000 Zahl der Individuen

I �9 m&nnlich

�9 weiblich

Die BevOlkerung lebt im wesentlichen vonder Subsistenzwirtschaft. Als Hauptnahrungsmittel dienen Reis, Yuca, Mais und Gemtisebananen. Fleisch, Eier und Friichte stehen weniger zur Verfiigung. Handel unter kom- merziellen Gesichtspunkten besteht nur im begrenzten Mal3e.

Von 952 Familien leben 144 in Steinh~iusern, die mit Untersttitzung der EU im Rahmen eines Hausbauprojektes errichtet wurden (Schicker/Lindner 1985). Die tibrigen Familien wohnen nach wie vor in Lehmhtitten mit Stroh- d~ichern. Nut 25 Prozent der Haushalte besitzen einen abgetrennten Toi- lettenraum und ganze 0,61 Prozent verftigen tiber fliel3endes Wasser. An Kommunikationsmitteln besteht eine Funkverbindung nach dem ca. 400 km entfernten Santa Cruz, das zweimal wOchentlich auch von einem LKW-Bus angesteuert wird (Fahrzeit ca. 12 Stunden).

2.2 Patienten

Die Untersuchung umfal3t 1.514 Patienten, die sich im Hospital San Antonio de Lomerio im Zeitraum vom 1.4.1995 bis zum 31.3.1996 einer klinischen Un- tersuchung und Behandlung unterzogen. Jeder Patient wurde von einem ap- probierten Arzt fiber seine Hauptbeschwerdesymptomatik befragt, und die Erkrankung nach anamnestischen und klinischen Befunden diagnostiziert. Zu- satzuntersuchungen waren nur in sehr begrenztem Umfang mOglich (Blutbild,

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Blutausstrich, Sputumuntersuchung, Teststreifen ftir Urin und Liquor). Bei nicht eindeutigen Befunden wurde die wahrscheinlichste Verdachtsdiagnose aufgefOhrt. Als Grundlage zur Klassifikation der Erkrankungen diente das Merck-Manual (Berkow 1987), das bei Arzten, die in l~ndlichen Regionen ar- beiten, breite Akzeptanz findet. Es wurden 15 Krankheitsgruppen gebildet: Gastrointestinale Erkrankungen, gyn/~kologisch-geburtshilfliche Erkrankun- gen, Erkrankungen des Respirationstraktes, dermatologische Erkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates, Stoffwechselerkrankungen, Trau- mata, neurologisch-psychiatrische Erkrankungen, sonstige p/adiatrische Er- krankungen, sonstige Infektionen, Herz-Kreislauferkrankungen und Er- krankungen des Blutes, sonstige HNO-Erkrankungen, Augenerkrankungen, BiB- und Stichverletzungen und sonstige Erkrankungen. In der Tabelle 1 sind die Krankheitsgruppen n/~her definiert, wobei die am h~iufigsten vorkom- menden Krankheitsentit/iten aufgeffihrt wurden.

Tab. 1: Klassifikation der Beratungsanl~isse nach Krankheitsgruppen, wobei nur die am h~iufigsten vorkommenden Erkrankungen benannt werden (nach Berkow 1987).

Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes: Gastroenteritis, Wurmerkrankungen, Ulkuskrankheit, Cholera, Shigellose, Am6biasis, hepatobili~ire Erkr., Pan- kreaserkr., Ileussyndrome, Hemien, sonstige Erkr.

Gyniikologisch-geburtshilfliche Erkrankungen: Schwangerschaftsvorsorgeun- tersuchungen, Aborte, Komplikationen der Geburt und des Wochenbetts, gyn~ikologische Tumorerkr., Menstruationsst6rungen, gyn~kologische In- fektionen, sonstige Erkr.

Erkrankungen des Respirationstraktes: Akute Bronchitis, akute Bronchiolitis, chronische Bronchitis, Asthma, Pneumonien, Lungentuberkulose, Pleura- erkr., sonstige Erkr.

Hauterkrankungen: Oberfl~ichliche Hautinfektionen, Pilzinfektionen, Hautpa- rasitosen, Dermatitiden, sonstige

Erkrankungen des Bewegungsapparates: LWS-Syndrom, HWS-Syndrom, Ar- thritiden, Osteoporose, Tendinitiden, Bursitiden, sonstige

Stoffwechselerkrankungen: Diabetes mellitus, Hyperlipid~imie, Unter- und Mangelern~ihrung, Deshydratation, Avitaminosen, endokrinologische Er- krankungen, sonstige

Traumata: Frakturen, Luxationen, Distorsionen, Verbrennungen, sonstige Neurologisch-psychiatrische Erkrankungen: Epilepsien, cerebrovaskul~ire

Erkr., ZNS-Infektionen, demyelinisierende Erkr., extrapyramidate Erkr., Rfickenmarkserkr., periphere Neuropathien, Myopathien, endogene Psy- chosen, Suchterkr., Neurosen, Pers6nlichkeitsst6rungen, Suizid, sonstige

Sonstige piidiatrische Erkrankungen: Vorsorgeuntersuchungen, angeb. Fehlbil- dungen, Entwicklungsst6rungen, Infektionen (Masern, Windpocken, Mumps, R6teln), sonstige

Sonstige Infektionen: Tropische Infektionen (Malaria, Chagas, Dengue, Lepra), Infektionen des Urogenitaltraktes, Tetanus, tropische Myositis, sonstige

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des Blutes: Hypertonie, KHK, Herzvitien, Herzinsuffizienz, schwere An~imien, Leuk~imien, sonstige

HNO-Erkrankungen: Infektionen des HNO-Bereiches, Tumoren, Kehlkopf- erkr., sonstige

Augenerkrankungen: Konjunktivitis, Pterygium, Infektionen, perforierende Verletzungen, Fehlsichtigkeit, sonstige

Bifl- und Stichverletzungen: Schlangenbisse, Insektenstiche, Bil3verletzungen durch Haustiere

Sonstige Erkrankungen

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2.3 Erkrankungsschwere

Die Erkrankungsschwere wurde entsprechend der Auspr~igung der klini- schen Symptomatik in drei Schweregrade unterteilt: Ein Krankheitsfall wurde als leicht eingestuft, wenn der Patient durch die Erkrankung in den Aktivit~iten des t~iglichen Lebens nicht wesentlich eingeschr/ankt war. Ein mittelschwerer Krankheitsfall lag bei deutlichem Krankheitsgeftihl des Pa- tienten und klinisch als reduziert beurteiltem Allgemeinzustand vor. Die Notwendigkeit einer stationaren Behandlung mit kontinuierlicher ~irztlicher und pflegerischer Betreuung nahm man als Kriterium ftir einen schweren Krankheitsfall. Kontrolluntersuchungen wegen einer Erkrankung wurden nicht neu aufgeftihrt, Wiederholungsf~ille ein und derselben Erkrankung ge- sondert registriert.

3. Ergebnisse

3.1 Epidemiologie

Die Alters- und Geschlechtsverteilung der gesamten Bev61kerung werden in der Abbildung la wiedergegeben. Sie ist charakteristisch ftir Populatio- nen in Entwicklungsl~indern (Osuntokun et al. 1982): 66,7 Prozent der Po- pulation sind jianger als 30 Jahre. Im Untersuchungszeitraum wurden 1.514 allgemeinmedizinische Erkrankungsf~ille diagnostiziert und behandelt. Die Alters- und Geschlechtsverteilung der Patienten sind der Abbildung lb zu entnehmen.

Abb. lb: Alters- und Geschlechtsverteilung der Beratungssuchenden (n=1.514 Pa- tienten) im Beobachtungszeitraum 4/95 bis 3/96

I Patienten der AIIgemeinsprechstunde nach Alter und Geschlecht I

>45J

30-45J

15-29J

1-14d]

I

-1000

�9 m&nnlich

�9 weiblich

0 1000

Es war zu beobachten, dab Frauen (53,2 Prozent) h~iufiger in die Sprech- stunde kamen als M~inner (46,8 Prozent). 34,1 Prozent der Patienten war unter 15 Jahre alt. 23,6 Prozent der Patienten entstammten der Altersgruppe

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15-29 Jahre, wobei der Frauenanteil 70,9 betrug. 42,1 Prozent der Patien- ten waren 30-44 Jahre alt. Auch in dieser Altersgruppe iiberwog der Anteil der Frauen mit 61,7 Prozent. Das l~lberwiegen der Frauen in diesen beiden Altersgruppen ist auf geburtshilfliche Fragestellungen zur0ckzufiihren. 6,8 Prozent der Patienten waren 45 Jahre und /ilter bei ausgeglichener Geschlechtsverteilung.

Die H/iufigkeiten der einzelnen Krankheiten, der Schweregrad und die Zahl der Wiederholungsf/ille sind in der Abbildung 2 dargestellt.

Abb. 2: Anzahl der Beratungsanl/isse (nach Klassifizierung in o.a. Krankheitsgrup- pen), Erkrankungsschwere und Anzahl der Wiederholungsf~ille tiber den Zeitraum eines Jahres (April 1995 bis M/irz 1996)

[ BeratungsanlgLsse nach Krankheitsgruppen ] Sonstiga Erkr. ~l

Bii3.-u. Stichverfatz...~ Augenerkr. _ ~ HNO Erkr.

Herz-Kreislauf Erkr. J I Sonst. Infektionan

Sonst. p&diatr. E r k r . . ~ Neurolog.-psych. Erkr.

Traumata I~ Stoffwechselerkr."

Erkr. Bewegungsapp. ~ Hauterkr..

Resp.-Trakt Enkr. Gyn.-geburtsh. Edxr.

Gastrointastinale Ed<r. i

0

E

i 1000

I I Erkr.schwera:schwer

�9 mittetschwer

[ ] laicht

Wiederholungsf~tlle

Sonstige Erkr.

BiB.-u. Stichverletz.

Augenerkr.

HNO Erkr.

Herz-Kreislauf Erkr.

Sonst. Infektionen

Sonst. p~diatr. Erkr.

Neurolog.-psych. Erkr.

Traumata

Stoffwechselerkr.

Erkr, Bewegungsapp.

Hauterkr.

Resp.-Trakt Erkr.

Gyn.-geburtsh. Erkr.

Gastrointestinale Erkr.

I I

B I B

i

100

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Die h~iufigste Erkrankung tiberhaupt entstammte dem Formenkreis ga- strointestinaler Erkrankungen (22,4 Prozent), wobei die akute Gastroen- teritis und die intestinalen Parasitosen (Wurmerkrankungen) tiberwogen. Aber auch bakterielle Dysenterie (Shiggelose, Cholera) und Am~Sbiasis wa- ren h~ufig vertreten. Seltener traten hepatobili~ire Probleme, Ulkusbe- schwerden, Ileussyndrome oder Hernien auf, und wenn, dann vor allem bei ~ilteren Patienten.

Erkrankungen des Respirationstraktes waren am zweithgufigsten mit 16,2 Prozent, vor allem akut respiratorische Infektionen bei Kindern (11,8 Pro- zent). Seltener wurden chronische Bronchitiden und Lungenerkrankungen angetroffen. Die Diagnose einer Lungentuberkulose wies einen Anteil yon 3,1 Prozent der Atemwegs- und Lungenerkrankungen auf.

Gyn~ikologisch-geburtshilfliche Motive traten zu 15,7 Prozent auf, wobei 10,3 Prozent die Schwangerschaftsuntersuchungen ausmachten. Nahezu alle Patientinnen zeigten dabei klinisch auch Zeichen von An~imie und Vita- minmangel. Seltener kamen Patientinnen mit St/Srungen der Menstruation, uterinen, meist postabortalen Blutungen, verzOgerten Geburten und geni- talen Infektionen zur Behandlung.

Die jahreszeitliche H~iufung yon Erkrankungen des Gastrointestinal- und des Respirationstraktes ist in der Abbildung 3 dargestellt.

Abb. 3: Jahreszeitliche H~ufung von Erkrankungen des Gastrointestinal- und des Respirationstraktes

Jat~reszeitliche H~ufung von Erkrankungen des Gastrointestinal- und Respirationstraktes ]

[ ] Erkr. GJ-Trakt I [ ] Erkr. Resp.-Trakt I

50

K 45 o n

40 s

u 35 I

t 3o a

t 25 i o 20 rl e 15 n

lO 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1 2 3

Monate (April 95 bis MS~ 96)

Dabei fiel auf, dal3 gastrointestinale Erkrankungen (50,7 Prozent) auffal- lend h~iufig in den Monaten September bis Dezember 1995 auftraten. Er- krankungen der Atemwege zeigten mehrere H/iufigkeitsgipfel (Juli 1995, September 1995 und M~irz 1996). Beztiglich der weiteren Krankheitsgrup- pen konnte kein jahreszeitlicher Einflul3 festgestellt werden.

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Zu einem hohen Anteil waren auch dermatologische Krankheitsbilder zu behandeln (13,7 Prozent). Bakterielle Infektionen, Hautparasitosen wie zum Beispiel Skabies und oberfl~ichliche Pilzinfektionen standen im Vorder- grund.

Die weiteren beobachteten Krankeitsbilder traten mit folgenden H~iufig- keiten auf:

- in 6,4 Prozent Erkrankungen des Bewegungsapparates, allen voran Lumb- algien und Cervikobrachialgien, seltener Arthritiden, Tendosynovitiden und andere;

- in 2,2 Prozent Erkrankungen des Stoffwechsels und der Ern~ihrung, meist Mangelern~ihrung oder Deshydratation schwereren Ausmal3es;

- in 1,7 Prozent Traumafolgen, vor allem Frakturen der Tibia, Clavikula, des Ellbogens und der Finger, sowie Verbrennungen durch offenes Feuer;

- in 2,8 Prozent Erkrankungen des Nervensystems, wobei neben Epilep- sien vor allem periphere Neuropathien auftraten; aber auch seltenere neu- rologische Krankheitsbilder wie das Parkinsonsyndrom, die bakterielle Meningitis, die Trigeminusneuralgie oder auch der Spasmus facialis konnten vereinzelt festgestellt werden. Vaskul~ire neurologische Erkran- kungen traten bei fehlenden Risikofaktoren deutlich seltener auf. Pati- enten mit psychiatrischen St6rungen kamen nur sehr selten in die Sprech- stunde;

- in 2,2 Prozent ,,sonstige Kinderkrankheiten": Es handelte sich um Un- tersuchungen von Friahgeborenen und Neugeborenen, Kinder mit Fehl- bildungen wie Polydaktylie und Pigmentierungsst6rungen;

- in 6,9 Prozent ,,sonstige Infektionen": Die betrafen Malaria, Denguefie- ber, rheumatisches Fieber, Chagaserkrankung, Lepra, tropische Myositis und Tetanus.

Sonstige HNO-Erkrankungen (3,6 Prozent), Erkrankungen des Auges (2,8 Prozent), BiB- und Stichverletzungen durch Tiere (1,5 Prozent) wurden eher selten diagnostiziert. Ebensowenig stiel3 man auf Herzkreislauf-Erkran- kungen (0,5 Prozent) wie Hypertonie und koronare Herzerkrankung und Erkrankungen des Blutes (ubiquit~ire leichte An~imie wurden nicht mit- aufgenommen).

3.2 Erkrankungsschwere

55,8 Prozent der Erkrankungen verliefen klinisch leicht. Mittelschwere Ver- l~iufe waren bei 39,6 Prozent zu beobachten. Bei 4,6 Prozent war die Er- krankung als schwer einzustufen. Bei einem Drittel der schweren Falle (26,6 Prozent) lagen gastrointestinale Erkrankungen vor (infektiOse Gastroen- teritiden mit schwerer Dehydratation). 29 Patientinnen (42 Prozent) mul3- ten wegen Komplikationen bei der Geburt und im Wochenbett stationer behandelt werden. Vier Patienten verstarben (sechsmonatiges Kind infolge Herzkreislaufversagen bei maligner DiarrhO und vorbestehender Malnu- trition; ein sechsj~ihriges Kind an den Folgen einer Meningitis; eine 71j~hrige Patientin nach Schlaganfall und ein ca. 50j~hriger Patient nach Meningitis). Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer f-fir die Akutbehand- lung der schweren Erkrankungsf~ille lag bei drei bis vier Tagen (3,4 Tage).

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4. Diskussion

Die am h/iufigsten zur Beratung fiihrenden Erkrankungen (Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes, Erkrankungen bei jungen Frauen w~ihrend der Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett und Erkrankungen des Respi- rationstraktes) reflektieren deutlich die Gesundheitsstruktur l~ndlicher Be- vNkerungsgruppen in unterentwickelten L~ndern (Morales 1984, Muhe et al. 1995): Es dominieren eindeutig akute Erkrankungen, die zum gr6gten Teil durch fehlende ausreichende Lebensbedingungen in Bezug auf Hy- giene, Ern~ihrung und Schutz vor widrigen klimatischen Bedingungen mit- verursacht werden (Hansen/Lie 1991).

Zwei Untergruppen der Bev61kerung steUten das Haupkontingent der Be- ratungssuchenden: Kinder unter 15 Jahren (34,1 Prozent) sowie Frauen zwi- schen 15 und 44 Jahren (42,7 Prozent), wie auch andere epidemiologische Untersuchungen dieser Art in unterentwickelten L~indern zeigten (Muhe et al. 1995, Yohannes et al. 1992).

Die im Jahresverlauf zu beobachtenden auBerordentlichen H~ufungen von Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes in den Monaten September his Dezember und die mehrfachen H~ufigkeitsspitzen der Erkrankungen der Atemwege in der Trockenzeit sind folgendermaBen zu erkl~iren: Von Sep- tember bis Dezember 1995 herrschte feuchtheiBes trop.!sches Klima mit t~ig- lichen heftigen Niederschl~igen. Infolge regelm~igiger Uberschwemmungen war eine Trinkwasserkontamination unvermeidlich, die das Auftreten in- fekti6ser Gastroenteritiden auBerordentlich begtinstigte. In der Trocken- zeit (M~irz bis August) kam es bei ausbleibenden Niederschl~igen und Trockenheit wiederholt zu h~iufigen abrupten Witterungsumschwtingen mit Temperatursttirzen his 20 Grad Celsius und heftigen kalten Stidwinden aus der Antarktis (Bruns 1994, Pampuch/Echalar 1993). Da es in den einfachen Htitten und H~usern keine Heizungen gibt und die Bev01kerung nur spar- lich Schutzkleidung besitzt, sind periodische H~iufungen von Atemwegser- krankungen nicht verwunderlich. Diese Befunde haben sich leider trotz ei- nes bereits erw~ihnten Hausbauprojektes und eines Brunnenbohrprojektes im Vergleich zu einer Voruntersuchung aus den Jahren 1987 und 1988 nicht wesentlich ver~indert (Heckmann und Galeoto, unver6ffentlichte Daten).

Sozial bedingte Erkrankungen, wie sie zum Beispiel bei anderen indigenen Volksgruppen beschrieben wurden (Bah 1993), kamen selten vor. Dies fiJhr- ten wir auf noch intakte soziale Verh~ltnisse innerhalb der Volksgruppe zurtick. Exzessiver, kontinuierlicher Alkoholmigbrauch - als destabilisie- render Faktor in Indianerpopulationen bekannt - spielte bei den Chiqui- tanos bis vor kurzem keine Rolle. Die mehrmals im Jahr stattfindenden Dorffeste erlaubten einen kontrollierten AlkoholgenuB (Chitcha, eine Art Maisbier) und hatten eher einen konfliktl6senden, sozial stabilisierenden Effekt (Schicker/Lindner 1985). In den letzten beiden Jahren ist jedoch ein zunehmender Genul3 industriell gefertigter Alkoholika (Bier, Spirituosen) bemerkbar, so dal3 Alkoholfolgeprobleme in naher Zukunft verst~irkt zu erwarten sind.

Psychiatrische Erkrankungen wurden nur selten angetroffen. Dies ist jedoch soziokulturell bedingt. Patienten mit psychischen St6rungen, insbesondere

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Psychosen, werden von den Stammesmitgliedern und selbst von den Fami- lienangeh6rigen als ,,Besessene" betrachtet und behandelt. Oft folgen De- privation und Ausgrenzung. Falls Hilfe zu Rate gezogen wird, dann in er- ster Linie von sogenannten ,,curanderos" (Naturheiler) oder gar ,,bruchos" (Besessenenheiler). Eine schulmedizinische Behandlung erfolgt somit nur selten, und es mul3 eine hohe Dunkelziffer for diese Erkrankungen ange- nommen werden. Dies gilt auch fOr Epilepsiepatienten. Die in unserer Un- tersuchung ermittelte Pr/ivalenzrate von 11/5652 ist mit Sicherheit zu nied- rig. Hinsichtlich speziell diesen Patientengruppen w/ire zu iiberlegen, die traditionellen Heiter nach entsprechenden Schulungen in die Betreuung und Behandlung miteinzubeziehen.

Beziiglich der Erkrankungsschwere lagen gr6Btenteils leichte und mittel- schwere Krankheitsf~ille vor. Auch die schweren Erkrankungen waren nur kurz unter station/irer Beobachtung und Therapie. Dies h/ingt mit traditio- nellen Vorstellungen zusammen. Ein Krankenhausaufenthalt wird als fremd erlebt und bedingt trotz Aufkl/irung erhebliche ,~ngste. Bei einiger- maBen erfolgter Stabilisierung des Befindens dr/ingen die Patienten auf ihre Entlassung, oft gegen ~irztlichen Rat. Hier bedarf es noch geduldiger Auf- kl/irungsarbeit, um die Compliance zu optimieren. Bei schwerstkranken, mo- ribunden Patienten erfolgt fast nie eine station/ire Aufnahme. Die Patien- ten und ihre Angeh6rigen wtinschen ein Sterben zu Hause im Familienkreis.

Die Zahl der Wiederholungsf/ille (insgesamt 23,2 Prozent) betraf vor allem Erkrankungen bei Frauen wegen Schwangerschaft, Geburt und Wochen- bett (Wiederholungsf/ille 40,9 Prozent), ansonsten Hauterkrankungen (32,7 Prozent) mit wiederholten Infektionen und Parasitosen sowie Er- krankungen des Bewegungsapparates mit rezidivierend exazerbierten LWS- und HWS-Syndromen (29,9 Prozent).

Analysen der vorliegenden Art sind mit Untersuchungen in europ/iischen L/indern nicht vergleichbar. Die Nomenklatur in der Diagnostik, Klassifi- zierung der Erkrankungen und die Strukturen der Gesundheitswesen difo ferieren zu stark, um detaiUierte Vergleiche anstellen zu k6nnen (Fry 1987, GOpe11975, H/iussler 1969, Ritter 1972). Wir verzichten daher auf eine ver- gleichende Darstellung.

Die gewonnenen Daten weisen eindeutig auf notwendige Mal3nahmen zur Verbesserung der Gesundheitssituation hin. Im Vordergrund steht zun/ichst die Pr/ivention von Erkrankungen. Das heiBt Versorgung der Be- v61kerung mit einwandfreiem Trinkwasser, Erm6glichung einer ausgegli- chenen Ern/ihrung dutch Verbesserung der landwirtschaftlichen Anbau- methoden, Verbesserung der hygienischen Verh/iltnisse und Schaffung von Erwerbsm6glichkeiten, damit eine basismedizinische Versorgung auch fi- nanzierbar ist. Besondere Sorge muB dabei den Frauen und Kindern gel- ten. Im Durchschnitt bringt in Bolivien eine Frau 6,06 Kinder zur Welt (Fruchtbarkeitsrate 1985 bis 1990; Zahlen nach: Statistisches Bundesamt der BRD, L/inderbericht, Siidamerikanische Staaten, 1992). Ihr obliegen kul- turbedingt gr6fStenteils die Ern/ihrungs- und Erziehungsaufgaben. Die M6glichkeiten dazu sind jedoch begrenzt und mtissen daher auf mehrere Kinder verteilt werden. Neben Mutter-Kind-Projekten, die den Frauen auch

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Erwerbsmrglichkeiten anbieten, sind Alphabetisierung und Aufkl/~rung zu einer verantwortbaren Elternschaft unabdingbar.

Die vorliegenden Ergebnisse fiber die Gesundheitssituation einer indige- hen Volksgruppe krnnten als Grundlage ftir zuktinftige Organisation und Planung von Gesundheitsstationen dienen. Dies ist besonders wichtig, da zur Zeit in Bolivien eine Umkolonisation stattfindet. Indigene Bevrlke- rungsgruppen des Altiplanos, das geographisch und klimatisch bedingt kaum eine ausreichende Existenzgrundlage bietet, wandern in das Tiefland Boli- viens, um sich dort neu anzusiedeln und eine Existenz zu schaffen. Pro- blemzone mit t~iglich neuankommenden Umsiedlern stellt die Region um San Julian mit der ,,Brecha Casarabe" (ca. 25.000 Einwohner) dar, wo eine funktionierende Infrastruktur noch vrllig fehlt (Schicker, persrnliche Mit- teilung).

Hinzuweisen ist noch auf den Prozeg ,,Transicion epidemiologica", wie er in vielen Entwicklungsl/~ndern bereits vorkommt und auch in der unter- suchten Region in Ans/itzen zu erkennen ist: Mit zunehmender Lebenser- wartung und Urbanisation treten andere gesundheitliche Probleme in den Vordergrund (Frenk et al. 1991, Jitapunkul et al. 1993, Matuja/Ndosi 1994, Stingl 1994): einerseits die Behandlung chronisch kranker und/~lterer Pati- enten, andererseits soziologisch mitbedingte Erkrankungen wie AIDS, A1- kohol- und Drogenfolgekrankheiten und Kriminalit~itsfolgen. Es bedarf da- her grol3er Anstrengungen aller Gesellschaften, sowohl der ,,ersten" als auch der ,,dritten" Welt selbst, die indigenen Vrlker dieser Erde auf ihren Weg in die Zukunft zu begleiten und zu untersttitzen. Aus Sicht der Autoren w/~re wt~nschenswert, eine Entwicklung herbeizufiahren, die den Indianervrlkern ein Leben in MenschenwOrde nach eigenen religirsen und sozialen Tradi- tionen ermrglicht. Und dazu gehrrt auch Zugang zu einer basismedizini- schen Versorgung im Krankheitsfall.

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Dr. Josef Georg Heckmann, Universit/at Erlangen-Ntirnberg, Neurologische Klinik, Schwabachanlage 6, 91054 Erlangen Tamara Fischer, Ruben Maida, Juan Carlos, Hospital San Aatonio de Lomerfo, Dep. Santa Cruz, Bolivia Jesus Galeote, Hospital San Javier, Dep. Santa Cruz, Bolivia

Die Autoren danken Miriam Chuvirfi, Pedro Rodriguez, Augustina Soquer6, Tiho- mir Glowatzky, Luise Heckmann und Gerlind Vieten for ihre freundliche Beratung und Hilfe bei der Datensammlung und Manuskriptvorbereitung. Ganz besonderer Dank gilt Josef Schicker, der die Studienaufenthalte vermittelte und so diese Ar- beit erst erm6glichte.

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