Vom Internationalen ITP Consensus Report
zur gemeinsamen Leitlinie DGHO/DGTI/GTH
A. Matzdorff
Caritasklinik St. Theresia
Abtlg. f. Hämatologie/Onkologie/Hämostaseologie
Zertifiziertes Onkologisches Zentrum
Saarbrücken
90er Jahre
SplenektomieSteroide
Azathioprin
CsA, MMF
VCR
1st-Line 2nd-Line 3rd-Line
Folie 2
Off-Label
Rituximab
Eltrombopag
Romiplostim
2010 Den Wald vor Bäumen nicht sehen
SplenektomieSteroide
Azathioprin
CsA, MMF
VCR
Patienten
ohne Blutung
Thromboz.-
Antikörper
Folie 3
Pessima tempora plurimae legesIn den schlechtesten Zeiten gibt es die meisten Gesetze
Folie 4
Vom Internationalen Consensus Report
zur Leitlinie der DGHO/DGTI/GTH
Welche Untersuchungen sind bei Erstvorstellung und welche
bei bekannten, aber therapieresistenten Patienten sinnvoll?
Welche ist die beste 2./3.-Linien Therapie? Welche Therapiesequenz?
Soll man asymptomatische Patienten überhaupt behandeln?
Was sind schwere Blutungen, was leichte?
Muss man den Patienten über „off-label“ Therapien informieren?
Welche Folgen haben Leitlinien-Empfehlungen?
Kann man Thrombopoietin Receptor Agonisten auch vor Splenektomie
geben? (EU Zulassung nur nach Splenektomie)
Folie 5
Diagnostikbei der ersten Vorstellung
USA1996 USA2009 Germ2010
Anamnese, Untersu.
Blutwerte
Blutausstrich
Knochenmark - Alter > 60
- Vor Splenektomie
Anamnese, Untersu.
Blutwerte
Blutausstrich
HIV, HepC, H. pylori,
Blutgruppe, DAT,
quant. Immunogl.
Knochenmark - Alter > 60
- Vor Splenektomie
Anamnese, Untersu.
Blutwerte
Blutausstrich→ erfahrener Arzt
PT, aPTT
Blutgruppe, DAT
Knochenmark- Atypische Symptome
- Hepatosplenomegalie
- V.a. Lymphom
- Alter > 60
- Vor Splenektomie
- Therapieresistenz
Es ist wichtig, dass dem Erstbehandler, meist ein
Nicht-Hämatologe, eine Empfehlung mit an die
Hand gegeben wird, welche initialen Untersu-
chungen bei neuen Patienten mit V.a. ITP
indiziert sind, insbesondere vor dem Start von
Steroiden.
Bei allen Patienten sollte ein in der Begutachtung
von Blutausstrichen erfahrener Arzt hinzugezo-
gen werden (zum Ausschluss einer TTP, AML).
Thrombozyten-Antikörper sind kein Bestandteil
der Erstdiagnostik, wohl aber bei chronischen
ITP-Patienten und insbesondere bei atypischen
Symptomen.
Folie 6
Lacey Semin Thromb Haemost 1977
TherapieSoll man asymptomatische, thrombopene Patienten behandeln?
Tödliche Blutungen
pro Jahr
Schwere, nicht-tödliche
Blutungen pro Jahr
Cohen Arch Intern Med 2000
Folie 7
Wann behandeln?
„Treatment is rarely indicated in patients with platelet
counts above 50.000/µL in the absence of the following:
• bleeding,
• platelet dysfunction or another hemostatic defect,
• trauma, surgery,
• clearly identified comorbidities for bleeding,
• mandated anticoagulation therapy, or
• in persons whose profession or lifestyle predisposes
them to trauma.
Patient preference must also be considered when
discussing treatment options.“
100.000
90.000
80.000
70.000
60.000
50.000
40.000
30.000
20.000
10.000
0
Thro
mbozyte
nzahl / µ
l
Was tun, wenn die Thrombozyten niedrig sind,
der Patient aber völlig asymptomatisch ist?
Folie 8
0-3 Monate
Akute ITP
1st-Line Therapie
Therapieziel
Blutung stoppen
Remission erreichen
Nebenwirkungen bei
kurzer Therapie
akzeptabel
3-12 Monate
Persistend ITP
2nd-Line Therapie
(meist aggressiver)
Therapieziel
Blutung stoppen
Remission erreichen
Nebenwirkungen bei
längerer Therapie
wenig akzeptabel
> 12 Monate
Chronische ITP
3rd-Line Therapie
Therapieziel
Blutungen stoppen
Lebensqualität
Nebenwirkungen
noch weniger
akzeptabel
Die Therapieziele ändern sich mit der Therapiedauer
Wann behandeln?
Folie 9
Blutungsgrade
WHO Bleeding Grade 0
- No bleeding
WHO Bleeding Grade I
- Petechia
- Small hematoma, ecchymosis (<10 cm)
- Mucosal bleed (oral blood blister)
- Epistaxis (<1 h duration, no intervention required)
- Subconjunctival Bleed, w/o visual impairment
- Abnormal vaginal Bleed (nonmenstrual, < 2 pads/day)
WHO Bleeding Grade II (no transfusion necessary)
- Hämatome, Ekchymosen (>10 cm Durchmesser)
- Epistaxis (>1 hour or packing required)
- Retinal hemorrhage without visual impairment
- Abnormal vaginal bleeding (nonmenstrual),
> 2 pads/day
- Melena, hematemesis, hemoptysis, hematuria, hematochezia
- Bleeding from invasive sites, musculoskeletal bleeding
WHO Bleeding Grade III (transfusion required)
- Epistaxis, mucosal bleed
- Abnormal vaginal bleed
- Melaena, Hematemesis, Hemoptysis, Hematuria,
Hematochezia
- Bleeding from puncture sites
- Musculosceletal bleeding
WHO Bleeding Grade IV
- Debilitating bleeding including retinal bleeding with visual
impairment
- Nonfatal CNS bleeding with neurologic signs and symptoms-
- Fatal bleeding from any source.
Folie 10
1st-Line Therapie, wann?2010
Die Indikation zur 1st-LIne Therapie richtet sich primär nach der
klinischen Blutungsneigung, nicht nach der Thrombozytenzahl.
• Alle Patienten mit neu diagnostizierter ITP und Blutungen WHO III/ IV
bedürfen der Behandlung.
• Paitenten mit neu diagnostizierter ITP und Blutungen WHO II wird in der
1st-Line in der Regel auch eine Behandlung angeboten.
• Paitenten mit neu diagnostizierter ITP und keinen oder nur minimalen
Blutungen (WHO 0/ I) können mit einer 1st-Line Therapie behandelt
werden, müssen es aber nicht. „Watch and wait“ ist eine akzeptable
Alternative, selbst bei sehr niedrigen Thrombozytenzahlen (z. B. <
30.000/µl).
• Als 1st-Line Therapie sollten Kortikosteroide angeboten werden (Kontra-
indikationen sind zu beachten: IDDM, Psychose, aktive Infektionen).
Die Indikation zur Therapie wird von der
Thrombozytenzahl „entkoppelt“. Folie 11
2nd-Line Therapie, wann?
Die Indikation zur 2nd, 3rd oder Xth-Line Therapie richtet sich nach
der klinischen Blutungsneigung, nicht nach der Thrombozytenzahl.
• Eine 2nd-, Xth-Linie Therapie ist bei jedem Patienten mit persistierender
Thrombopenie der weiterhin stark blutet ( III/ IV) indiziert.
• Eine 2nd-, Xth-Linie Therapie ist bei Patienten, die nach einer 1st-Line
Therapie mit Steroiden keine Remission erreichen und die nicht oder nur
minimal bluten ( 0/ I/ II) nicht zwingend notwendig. Eine „watch and wait“
Strategie wäre genauso vertretbar .
• Alle Therapieoptionen sind mit dem Patienten zu diskutieren. Die Risiken
und Nebenwirkungen einer Therapie müssen gegen das Blutungsrisiko
abgewogen werden. Soziale Faktoren (Beruf, Alter, Mobilität) müssen bei
der Entscheidung für oder gegen eine Therapie mit berücksichtigt werden.
Auch in der 2nd-Line wird die Indikation zur Therapie
von der Thrombozytenzahl „entkoppelt“.
Folie 12
Splenektomie
Die grosse Mehrheit aller Patienten ist gegen die
Splenektomie eingestellt. Nur 30% aller Patienten
mit chronischer ITP werden in der Realität
splenektomiert. Viele fragen nach alternativen, nicht-
invasiven Therapieoptionen („Splenectomy-Sparing
Therapies“).
Es sollte allen Patienten vermittelt werden, dass trotz
der neuen therapeutischen Entwicklungen die
Splenektomie immer noch die Therapieoption mit der
höchsten Rate anhaltender, kompletter Remissionen
darstellt. Andererseits gibt es keine zwingende
Indikation zur Splenektomie, solange die Patienten
nur leichtgradig bluten.
Folie 13
Therapiesequenz
14/17
zugelassen
zugelassen gut
zugelassen
Off-label
Off-label
Off-label
Off-label
Off-label
Off-label
Folie 14
„Off-Label“ Therapie
Die Internationale Konsensus Leitlinie listet Thrombopoietin Rezeptor
Agonisten (TRAs) und Rituximab als 2nd-Line Therapie-Option und Alternative
zur Splenektomie.
Nach dieser Einschätzung von Fachexperten muss allen Ärzten, die ITP
Patienten in Deutschland behandeln, geraten werden, ihre Patienten über
diese Möglichkeiten zu informieren, unabhängig davon, ob TRAs vor
Splenektomie und Rituximab eine behördliche Zulassung haben oder nicht.
Die fehlende Zulassung der o.g. Therapiealternativen kann im Fall einer
Komplikation nach Splenektomie – die nicht selten sind – nicht als Argument
dafür dienen, dass der Patient nicht darüber aufgeklärt wurde. Bei fehlender
Aufklärung über Therapiealternativen besteht das Risiko der Arzthaftung.
Die deutsche Therapiempfehlung nennt TRAs und Rituximab als Alternativen
zur Splenektomie. Die fehlende Kostendeckung im gesetzlichen Krankenver-
sicherungsbereich kann die medizinische Empfehlung nicht unterbinden. Eine
Verordnung auf Privatrezept wäre grundsätzlich möglich.
Folie 15
„Off-Label“ Therapie
Es sollte gegenüber dem Patienten unterstrichen werden, dass TRAs und
Rituximab relativ neue Therapien der ITP darstellen, während man mit der
Splenektomie seit vielen Jahren Erfahrungen gesammelt hat. Die langfristigen
Wirkungen und Nebenwirkungen der neuen Medikamente sind noch nicht
absehbar, z.B. braucht man sicher noch einige Jahre, um das Risiko der
Markfibrose bei TRAs sicher bewerten zu können. Kürzlich wurden auch neue
Infektionsrisiken nach Rituximab beschrieben.
Folie 16
Wegen der besseren Datenlage (Phase III-Studien) sollten TRAs den anderen
3rd-Line Therapieoptionen, die meist auf sog. Altzulassungen beruhen
(Azathioprin, Vincristin, Cyclophosphamid, etc), vorgezogen werden.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann das Risiko einer Knochenmarkfibrose durch TRAs
nicht ausgeschlossen werden. Knochenmarkbiopsien werden vor dem Start
von TRAs, nach einjähriger Therapie oder bei ungewöhnlichen Symptomen
empfohlen.
Die neuen SubstanzenThrombopoietin Rezeptor Agonisten (TRAs)
Folie 17
Take Home Messages
• Bei der Erstvorstellung Anamnese, Untersuchung und
Blutausstrich. KM-Biopsie nur bei atypischen Symptomen.
• Die Therapie richtet sich nach der Blutungsneigung.
• Es ist vertretbar, bei a- oder oligosymptomatischen Patienten
mit der Therapie zuzuwarten.
• Allen Patienten muss vermittelt werden, dass die Splenek-
tomie die effektivste Therapie ist. Es gibt aber meist keine
zwingende Indikation zur Splenektomie in der 2nd-Line.
• Thrombopoietin Rezeptor Agonisten und Rituximab sind
international akzeptierte Therapiealternativen und werden als
Splenektomie-sparende Therapie angeboten. Der Patient
sollte über diese Alternativen informiert werden.
Folie 18