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47 Erkrankungen der ErythrozytenS.W. Eber

47.1 Anämien

Die Anämien gehören weltweit zu den häufigsten Erkrankungen. Bei gutem Allgemeinzustand, mäßiger Anämie über 70 g/l und fehlen-der Hämoglobinurie können die diagnostischen Untersuchungen ambulant durchgeführt werden. Durch die Zuwanderung von Mit-bürgern aus Risikogebieten für Hämoglobinopathien (v. a. Afrika, Südostasien, Mittelmeeranrainerstaaten) nehmen auch in Deutsch-land die Bedeutung der Sichelzellerkrankung, HbE-Thalassämie und anderer Hämoglobinopathien zu. Dem primär betreuenden Pädiater kommt daher die wichtige Aufgabe zu, möglichst bald die Patien-ten mit einer „gewöhnlichen“ Eisenmangelanämie von chronischen Anämien zu unterscheiden. Patienten mit transfusionsbedürftiger homozygoter oder compound heterozygoter Hämoglobinopathie/Thalassämie sollten von Kinderärzten mit hämatologischem Schwer-punkt betreut werden.

z Definition und Häufigkeit

Anämie

Als Anämie wird die Verminderung der Hämoglobinkonzentra-tion und des Hämatokritwerts unter die jeweilige Altersnorm bezeichnet.

Im Allgemeinen gilt der um zwei Standardabweichungen unter-schrittene Mittelwert als Grenzwert. Nach dieser Definition haben ca. 400.000 Kinder und Jugendliche (bis 18 Jahre) in Deutschland eine Anämie. Die altersabhängigen Anämiegrenzen sind (gemein-sam mit den Veränderungen im MCV) in . Tab. 47.1 angegeben.

z SymptomeDie wichtigsten klinischen Symptome sind:- Blässe der Haut und Schleimhäute,- Ikterus,- Milzvergrößerung.

Nicht jedes blasse Kind ist anämisch. Eine verminderte Hautdurchblu-tung oder eine individuell verminderte Durchsichtigkeit der Oberhaut können den Eindruck erwecken, dass der Patient anämisch ist. Wich-tig ist eine Inspektion der Konjunktivalschleimhaut und der Handfal-ten. Ikterus und Splenomegalie sind häufige, aber nicht obligate Symp-tome bei hämolytischen Anämien. Die Gelbfärbung der Konjunktiven ist ab einer Bilirubinkonzentration von mehr als 2 mg/dl, die der Haut erst ab einer Bilirubinkonzentration von 3–4 mg/dl erkennbar.

Selbst ausgeprägte Anämien verursachen bei Kindern oft nur geringe Symptome. Die Leistungsfähigkeit ist bei Kindern trotz ausgeprägter fahlgelber Blässe der Haut und Schleimhäute gut oder nur wenig eingeschränkt. Selbst bei ausgeprägten Anämien kann der Ikterus fehlen, v. a. im 1. Lebensjahr. Dies gilt nicht in der Neugebo-renenperiode. Bei aplastischen Krisen im Rahmen von angeborenen hämolytischen Anämien verleitet der fehlende Ikterus nicht selten zu einer Unterschätzung der Schwere der Anämie, die fatale Folgen haben kann. Bei akut auftretender Anämie (Blutung, Hämolyse) können Schocksymptome das klinische Bild bestimmen.

! Je rascher die Hämoglobinkonzentration fällt, desto aus-geprägter die Symptome, desto größer die Gefahr für den Patienten!

z EinteilungDie Anämien werden am besten nach dem verschiedenen mittleren Erythrozytenzellvolumen (mikrozytäre, normozytäre, makrozytäre Anämie) eingeteilt (. Tab. 47.1; ▶ http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/025-027l_S1_Anaemiediagnostik_2012-04.pdf). Aller-dings hat die morphologische Charakterisierung nach dem mitt-leren Zellvolumen als Grundeinteilungsprinzip Grenzen, da Anä-mien unterschiedlicher Ursachen das gleiche anomale Zellvolumen aufweisen können (z. B. mikrozytäre Anämie bei Eisenmangel oder Thalassämie). Für die Therapieplanung ist daher auch die Kenntnis der unterschiedlichen Pathogenese wichtig. Besonders wichtige Parameter für die Klärung der Ursache sind der Nachweis einer Bi- oder Trizytopenie (Leukozyten- [Neutrophilen-] und Throm-bozytenzahl), die Ferritinkonzentration und die Retikulozytenzahl. Auf eine Hämoglobinurie (Ausscheidung von Hämoglobin über die Nieren) sollte bei akuten schweren Hämolysen (Immunhämolyse, G6PD-Mangel) geachtet werden.

Bei der Bewertung des mittleren Zellvolumens müssen die al-tersabhängigen Veränderungen des MCV (mittleres Erythrozyten-volumen) berücksichtigt werden (. Tab. 47.1): Jenseits der Neuge-borenenzeit kann im Alter von 1–6 Jahren die Grenze des unteren Normalbereichs des MCV approximativ als 69 fl + (Alter in Jahren) angegeben werden. Bei älteren Kindern steigt diese Grenze um 1 fl alle 2 Jahre an, bis der untere Normalbereich des Erwachsenen von 80 fl erreicht ist. Die obere Grenze des normalen MCV steigt linear (0,6 fl/Jahr) von 84 im Alter von 1 Jahr bis zur oberen Normalgrenze des Erwachsenen (96 fl) an. Mikrozytäre Anämien sind fast immer hypochrom (eine Ausnahme ist u .a. die hereditäre Pyropoikilozy-tose, bei der die mittlere zelluläre Hämoglobinkonzentration erhöht sein kann).

z DiagnostikDie Verminderung der Hämoglobin- (Hb-)konzentration und des Hämatokrits (Hkt) bestimmen den Schweregrad der Anämie. In der Mehrzahl der Fälle kann die Artdiagnose mit einfachen Untersu-chungsmethoden gestellt werden:- Erythrozytenindizes: MCH (mittlerer Hämoglobingehalt des

Einzelerythrozyten), MCV (mittleres Erythrozytenvolumen), MCHC (mittlere Hämoglobinkonzentration der Erythrozyten),- Erythrozytenmorphologie: anomale Form und Einschlusskör-per (Heinzkörper, Jolly-Körperchen, Cabot-Ringe),- Leukozyten- und Thrombozytenzahlen,- Retikulozytenzahl,- Ferritinkonzentration (alternativ Transferrinkonzentration oder Transferrinsättigung),- indirektes Bilirubin, Haptoglobin, LDH,- direkter Coombs-Test,- Urinstatus (Hämoglobinurie bei schwerer akuter intravasaler Hämolyse).

Falls nicht alle Erythrozytenindizes bekannt sind, können MCV, MCH und MCHC errechnet werden:

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D. Reinhardt, T. Nicolai, K.-P. Zimmer (Hrsg.), Therapie der Krankheiten im Kindes- und Jugendalter, DOI 10.1007/978-3-642-41814-3_47, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

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MCVHkt

Erythrozytenzahl=

( )×( )−

%

mml

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MCHHb

Erythrozytenzahl=

×

( )−

g

dl

mml

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MCHCHb

Hkt=

×

( )

g

dl100

%

> In der Praxis ist die Feststellung des Erythrozyenvolumens (MCV) der erste Schritt.

Die „Red cell distribution width“ (RDW; Maß für Anisozytose) ist bei Eisenmangel deutlich über 15 % (bis 20 %) erhöht, bei hetero-zygoter Thalassämie normal. Eine erniedrigte Ferritin- oder Trans-ferrinsättigungkonzentration (oder eine erhöhte Konzentration des löslichen Transferrinrezeptors) beweist einen Eisenmangel; bei einer Entzündung ist der Ferritinwert bei einem Eisenmangel nicht erniedrigt.

z DifferenzialdiagnoseDie wichtigsten Differenzialdiagnosen der Eisenmangelanämie sind die heterozygote β-Thalassämie und die Anämie chronischer Erkrankungen. Die Abgrenzung ist in den meisten Fällen einfach, da die heterozygote β-Thalassämie (ohne zusätzlichen Eisenmangel) niemals zu Hb Werten unter 10 g/dl führt.

Die Beurteilung des Blutausstrichs und die Zählung der Re-tikulozyten erlauben eine weitgehende Differenzierung zwischen hypoplastischen Anämien und Anämien mit erhöhter Blutbildung. Polychromasie, Anisozytose, Poikilozytose, abnorme Zellformen sowie die Vermehrung der Normoblasten und der Retikulozyten weisen auf eine gesteigerte erythropoetische Regeneration hin. Sie beweisen aber noch nicht eine gesteigerte Hämolyse.

Zeichen einer hämolytischen Anämie sind eine erhöhte Konzentration an indirektem Bilirubin und LDH sowie die Ver-

minderung der Haptoglobinkonzentration (alternativ erhöhte HbCO-Konzentration). Bei intravasalen Hämolysen (z. B. akuter Immunhämolyse) ist die Konzentration an freiem Hämoglobin im Serum erhöht; es findet sich bei schweren Verlaufsformen eine Ma-krohämaturie, die auf eine drohende Kreislauf- und Niereninsuffizi-enz hinweisen kann. Der Nachweis einer Immunhämolyse geschieht am besten durch einen positiven Coombs-Test. Der weiteren Diffe-renzierung hämolytischer Anämien dienen die Bestimmung der osmotischen Fragilität der Erythrozyten und der Bande-3-Konzen-tration („Acidified Glycerol Lysis Time“, AGLT; Eosin-5-Maleimid-, EMA-Test; Membrandefekte, v. a. hereditäre Sphärozytose) sowie die genaue Hämoglobinanalyse (Hämoglobinchromatographie u. a.) und Bestimmung der Erythrozytenenzyme.

Leukozytenzahl und -differenzierung sowie die Thrombozyten-zahl ergeben Aufschluss über die gesamte Knochenmarkfunktion. Eine Knochenmarkzytologie ist nur bei hypoplastischen und Ver-dacht auf dyserythropoetischen Anämien oder ineffektive Eryth-ropoese erforderlich. Bei Verdacht auf ein im Kindesalter seltenes myelodysplastisches Syndrom muss eine Knochenmarkhistologie mittels Stanzbiopsie erfolgen. Weiterhin sollte auch eine Aspiration inkl. Zytomorphologie und Zytogenetik, ggf. auch Molekulargenetik durchgeführt werden. Vor der Knochenmarksdiagnostik kann eine molekularzytogenetische Analyse mittels FISH im peripheren Blut auf die bekannten erworbenenen genetischen Defekte (z. B. Monoso-mie 7) erfolgen. Auch eine Analyse auf pathologische Koexpression auf T- und B-Lymphozyten mittels Immunphänotypisierung kann in der Differenzialdiagnose sinnvoll sein.

k Therapie z Therapieprinzipien

Die therapeutischen und prophylaktischen Maßnahmen sind trotz unterschiedlicher Ätiologie bei zahlreichen Anämien ähnlich.

Vermeidung erythropoeseschädigender Noxen Die meisten Medi-kamente, die die hämatopoetische Stammzelle schädigen, führen zu einer Störung hämatopoetischer Zelllinien. Eine isolierte aregenera-torische Anämie nach Einnahme von Medikamenten ist im Kindes-alter sehr selten. In den meisten Fällen liegen nur Einzelfallberichte vor. Ausnahmen sind Diphenylhydantoin und Chloramphenicol, bei denen der kausale Zusammenhang zwischen Medikament und Aplasie gesichert ist. Die knochenmarkhemmende Wirkung kann dosisabhängig oder dosisunabhängig auftreten.

Vom Chloramphenicol sind beide Wirkungen bekannt: Dosisab-hängig kann eine Störung der Erythropoese mit sideroachrestischer Reifungshemung der roten Vorstufen auftreten. Frühe Kennzeichen sind Absinken der Retikulozyten und Anstieg der Serumeisenkon-zentration. Nach Absetzen des Medikaments ist die Hemmung der Erythropoese reversibel. Demgegenüber ist die selten vorkommende Knochenmarkaplasie durch Chloramphenicol unvorhersehbar und irreversibel. Sie betrifft Erythropoese, Granulozytopoese und Thrombozytopoese. Die Mortalität beträgt 50 %. Durch die strengere Indikationsstellung für Chloramphenicol wird diese Nebenwirkung kaum mehr beobachtet.

Vermeidung hämolyseauslösender Noxen Medikamentenindu-zierte hämolytische Anämien kommen v. a. im Neugeborenenalter als toxische Innenkörperanämie vor. Grundsätzlich können alle Medikamente, die beim Glukose-6-Phosphatdehydrogenasemangel eine Hämolyse bewirken (. Tab. 47.7), in hohen Dosen auch nor-male Erythrozyten zerstören. Jenseits der Neugeborenenperiode sind medikamenteninduzierte hämolytische Anämien im Kindesalter sehr selten. In Verdachtsfällen sollten Urin und Serum für spätere

. Tab. 47.1 Anämiegrenzen im Kindesalter

Alter (Jahre) Hämoglobin (g/dl)

Hämatokrit (%)

MCV (fl)

1 Tag 13,5 42 98

1 Woche 13,5 42 88

4 Wochen 10,0 31 85

0,5–2 Jahre 10,5 33 70

2–6 Jahre 11,5 34 75

6–12 Jahre 11,5 35 77

12–18 Jahre w 12,0 36 78

m 13,0 37 78

MCV mittleres Erythrozytenvolumen; w weiblich; m männlich

Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten426

Analysen asserviert werden (in Deutschland z. B. Labor von Prof. Dr. Abdulgabar Salama, Institut für Transfusionsmedizin, Campus Virchow-Klinikum, Augustenburger Platz  1, 13353  Berlin). Die meisten erworbenen akuten Hämolysen sind im Kindesalter immu-nologisch bedingt und treten im Rahmen von Infekten auf. Es gibt keine Möglichkeit, diese infektbedingten Hämolysen zu vermeiden.

Behandlung von Grunderkrankungen Zahlreiche, v. a. immunolo-gische Erkrankungen können eine Anämie verursachen; sie werden neuerdings unter den Anämien chronischer Erkrankungen (chro-nische Infektionen, rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Tumoren, Autoimmunerkrankungen, Hypothyreose, Nierenerkran-kungen u. a.) zusammengefasst. Bei diesen Erkrankungen ist die Ery-thropoese aufgrund verschiedener Ursachen vermindert. Bei der re-nalen und rheumatoiden Anämie ist Erythropoetin wirksam. Ob der Einsatz von Erythropoetin während der Chemotherapie maligner Tumoren die Anzahl von Erythrozytentransfusionen vermindert, ist noch unklar. In den meisten anderen Fällen steht die Behandlung der Grundkrankheit im Vordergrund.

Behandlung spezifischer Mangelzustände Um den Blutpool zu ver-größern, hängen Kinder in besonderem Maß von einer regelmäßigen Aufnahme von Eisen und Vitaminen aus der Nahrung ab. Eine Substi-tution mit Eisen oder Vitamin B12 u. a. ist nur dann indiziert, wenn ein spezifischer Mangel nachgewiesen wurde. Eine Substitution ohne die-sen Nachweis kann schädlich sein. Bei allen Anämien mit gesteigerter Eisenresorption (hämolytische Anämien, Thalassämiesyndrome), bei denen kein Eisenmangel besteht, sind Eisengaben zu vermeiden, da dadurch die Entstehung einer Hämosiderose begünstigt wird.

Steigerung der Erythropoese Die Erythropoese kann bis auf das 5- bis 6-fache gesteigert werden, vorausgesetzt es sind genügend Vorräte an Eisen, Vitamin B12 und Folsäure vorhanden. Außerhalb von spezifi-schen Mangelzuständen ist ein günstiger Effekt dieser Substanzen nur dann zu erwarten, wenn z. B. bei stark gesteigerter Erythropoese (hä-molytische Anämien) Zeichen des Eisenmangels auftreten oder wenn sich eine megaloblastäre Entwicklung der Erythropoese andeutet. Die Anwendung von Glukokortikoiden kann die Erythropoese beim Men-schen abgesehen von Patienten mit Diamond-Blackfan-Anämie nicht steigern. Androgene stimulieren die Erythropoese vermutlich, indem sie die Produktion von Erythropoetin erhöhen. Verschiedene Präpa-rate können in moderaten Dosen eingesetzt werden: Oxymethalone

(v. a. bei Fanconi-Anämie), Fluoxymesteron und Danazol (hat die ge-ringst virilisierende Wirkung). Die Gabe von Erythropoetin kann die an sich schon erhöhte Erythropoese bei Patienten mit hämolytischer Anämie oder Thalassämie noch weiter steigern. Erfolge wurden bei der Rh-Erythroblastose, bei Säuglingen mit hereditärer Sphärozytose und Patienten mit Sichelzellanämie oder Thalassämia intermedia be-richtet. Nur bei der renalen Anämie ist der Einsatz von Erythropoetin bisher gesichert. Bei allen anderen Erkrankungen sollte Erythropoetin im Rahmen klinischer Studien eingesetzt werden.

Bluttransfusion Die Transfusion von Erythrozyten ist indiziert:- Bei Unterschreiten des untersten noch tolerablen Hb- oder Hämatokrit-Werts und/oder- wenn klinisch relevante Anämiesymptome auftreten (Kreis-lauf- oder Ateminsuffizienz).

In der Regel gelten folgende Grenzwerte als Transfusionindikation (. Tab. 47.2).

Diese Grenzwerte sind individuell zu erhöhen bei:- Fieber, Herz-Kreislauf- oder Ateminsuffizienz,- raschem Hb/HKT-Abfall, Massenblutung,- Retikulozytopenie.

Bei chronischen Anämien erlauben infolge guter Adaptation oft niedrigere Hämoglobinkonzentrationen eine ausreichende Leis-tungsfähigkeit. Hier können Transfusionen erst bei Hämoglobin-konzentrationen von 4–5 g/dl angezeigt sein. Abwarten ist möglich, wenn sich durch eine Retikulozytose bereits eine Regeneration andeutet (z. B. bei aplastischen Krisen, bei der akuten Erythroblas-tophthise, bei der Spätanämisierung von Frühgeborenen). Beruht die Anämie auf einem spezifischen Mangel, so ist meist eine Trans-fusion nicht notwendig. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die lebenswichtige O2-Versorgung des Herzens über die Koronargefässe bei Hb-Werten unter 5 g/dl eingeschränkt ist und eine stärkere Anä-misierung zu einer akuten Herzinsuffizienz führen kann.

Bei schweren komsumptiven Erkrankungen (z. B. während che-motherapiebedingter Aplasiephasen, während Knochenmarktrans-plantation oder bei beatmeten Kindern mit O2-Bedarf) gelten höhere Transfusionsgrenzen:- Hb <8 g/dl (Hk <0,24) ohne Fieber,- Hb <9 g/dl (Hk <0,27) mit Fieber.

. Tab. 47.2 Grenzwerte für Transfusionen (Indikation zur Erythozytenkonzentrattransfusion)

Hkt Hb (g/dl)

Akut auftretende Blutung/Hämolyse (traumatisch, perioperativ, akute Hämolyse, hämolytische/aplastische Krise)

<0,15 <5

Eisenmangelanämie (chronische Sickerblutung, etc.); Erythroblastopenieb <0,12–0,15 <4–5

Anämie mit erhöhtem O2-Bedarf (kranke Termin- und Frühgeborene, Schädel-Hirn-Trauma mit Neurointensivtherapie)

<0,25 <9

Nach Knochenmarktransplantation (KMT), bei Chemo-/Radiotherapie (in der Frühphase nach KMT oder intensiver Chemotherapie evtl. Transfusion bei höherem Hb)

<0,18 <6

Thalassämiena <0,18 <6

Chronische Anämie (chronische hämolytische Anämie, aplastische Anämie) <0,15(–0,24) <5(–8)

a bei Patienten mit einem regelmäßigen Transfusionsregime gelten höhere Grenzen.b transitorische Erythroblastopenie des Kindesalters.

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Diese Grenzen sind so angesetzt, dass der Erythrozytenersatz geplant durchgeführt werden kann: Bestellung am gleichen Tag an dem die Hämoglobingrenze unterschritten wird, Transfusion am gleichen oder kommenden Tag.

Grundsätzlich sollte ein Defizit an Hämoglobin und Erythrozyten durch leukozytendepletiertes Erythrozytenkonzentrat ersetzt werden. In der Regel werden 15 (max. 20) ml/kgKG transfundiert. Bei be-stimmten Indikationen kommen gesondert behandelte Konzentrate (bestrahlt, gewaschen, CMV negativ) zum Einsatz (▶ Kap. 170).

Splenektomie Die Splenektomie ist zur Behandlung von Anämien nur indiziert, wenn die Erythrozyten in der Milz verstärkt abgebaut werden. Dies ist bei den meisten – aber nicht bei allen – chroni-schen hämolytischen Anämen der Fall. Bei anderen chronisch transfusionbedürftigen Anämien (z.  B Thalassämien, Diamond-Blackfan-Anämie) kann die Milzentfernung indiziert sein, wenn der Erythrozytenbedarf unerklärt ansteigt und regelmäßige Trans-fusionen mit einem Abstand von weniger als 2 Wochen erforderlich sind (▶ einzelne Erkrankungen). Wichtigstes Indiz ist die Splenome-galie. Nur in unklaren Fällen ist es notwendig, den Abbauort der Erythrozyten mittels Markierung mit Radiochrom zu bestimmen. Bei manchen Erkrankungen (schwere hämolytische Anämien bei Enzymdefekt) bringt die Splenektomie eine Besserung mit Rückgang der Transfusionshäufigkeit auch dann, wenn kein selektiver Abbau der Erythrozyten in der Milz nachweisbar ist.

Häufigster Grund für eine Splenektomie im Kindesalter ist die hämolytische Anämie bei hereditärer Sphärozytose. Bei der Sichel-zellerkrankung kommt es infolge von Milzinfarkten zu einer Auto-splenektomie meist vor dem 5. Lebensjahr.

Komplikationen Bei jeder Form von Asplenie ist das Risiko für eine fulminant verlaufende Sepsis und/oder Meningitis (meist Pneumo-kokken) lebenslang erhöht. Die Indikation zur Splenektomie bei hä-matologischen Erkrankungen wird im Kindesalter daher zunehmend zurückhaltender gestellt. Bei den meisten Patienten mit hereditärer Sphärozytose reicht eine nahezu totale Milzentfernung (NTS) aus, um die Hämolyse langfristig und weitgehend zu normalisieren. Aufgrund der besonderen Gefährdung für eine letale Postsplenektomie-Sepsis und Meningitis von Kindern, die im Alter von unter 5 Jahren splenek-tomiert wurden, darf eine elektive Splenektomie bei hämatologischen Erkrankungen auf keinen Fall im Alter von unter 2 Jahren durchge-führt werden; nach Möglichkeit sollte sie nicht vor dem 6. Lebensjahr erfolgen. Neben dem Alter hängt das Risiko einer Postsplenektomie-Infektion auch von der Grundkrankheit ab. 0,1–0,4 % der Patienten mit hereditärer Sphärozytose versterben z. T. noch Jahrzehnte post-operativ an einer Postsplenektomie-Sepsis. Bei Patienten, die wegen einer Thalassämie oder im Rahmen einer Staging-Operation bei Lym-phom splenektomiert wurden, ist das Risiko noch wesentlich höher.

Die Einhaltung nachstehender Regeln trägt dazu bei, das Risiko einer schweren Infektion nach Splenektomie zu verringern und ist daher zwingend erforderlich.

Infektionsprophylaxe nach Splenektomie- Alle splenektomierten Patienten und solche mit funktionel-lem Hyposplenismus erhalten eine Pneumokokkenimpfung (I, II)- Dokumentation, Aufklärung und Auffrischimpfung erfordern spezielle Überwachung (regelmäßige Nachsorge; I, II)- Patienten ohne frühere Haemophilus-influenzae-Typ-b-Imp-fung erhalten eine einmalige Impfung (I, II)- Impfung gegen Influenza-Virus wird empfohlen (II)- Eine mehrjährige Dauerprophylaxe (orales Penicillin oder Alternativen) ist notwendig (. Tab. 47.3); je nach Erkrankung lebenslange Dauer (I, II)- Asplenie-Patienten haben ein erhöhtes Risiko für eine kompli-zierte Malaria (I)- Hundebisse, Katzenkratzer und Zeckenbisse stellen eine besondere Gefährdung dar (I)- Die Patienten sollten einen Notfallausweis mit den wichtigs-ten Angaben zur Infektgefährdung mitführen, kleine Kinder eine Notfallplakette (I, II)- Bei allen unklaren fieberhaften Infektionen ist eine sofortige Behandlung mit einem Breitbandantibiotikum einzuleiten (z. B. Amoxicillin mit b-Laktamase-Inhibitor: I, II)- Evidenzgrad:– I = Wissenschaftlich gesicherte, generelle Empfehlung auf

der Basis einer gut dokumentierten Langzeitbeobachtung sowie von Expertenmeinung

– II = Aufgrund von Expertenmeinung orts- und situationsab-hängig empfohlen (es gibt keine kontrollierten Studien)- Pneumokokkenimpfung:

– Polyvalenter Polysaccharidimpfstoff (z. B. Pneumovax) mindestens 2 Wochen vor der Splenektomie: Patienten, die nach Splenektomie erstgeimpft werden oder Kindern unter 5 Jahren müssen mit dem 13-fachen Konjugatimpfstoff (Prevenar) geimpft werden; 6 Wochen später eine Boos-terimpfung mit Pneumovax. Eine Auffrischimpfung mit Polysacharidimpfstoff wird nur eingeschränkt und erst nach langjährigem Intervall (i. e. nach 5–10 Jahren) empfohlen.- Penicillindauerprophylaxe

– Dosierung: 2 × 200.000 E/Tag bis zum 5. Lebensjahr; 2 × 400.000 E/Tag ab dem 5. Lebensjahr. Bei größeren Pa-tienten empfiehlt sich die Dosierung nach Körpergewicht: 50.000 E/kgKG; maximal 2 × 1,5 Mio E.

– Alternativ: Depotpräparat i.m. (1,2 Mega) 1- bis 2-mal pro Monat. Bei Penizillinallergie kann Erythromycin gegeben werden.

Darüber hinaus wird eine Meningokokkenimpfung mit Konjugat-impfstoffen gegen Serogruppe C, gefolgt von einer Boosterimpfung mit quatrovalentem Konjugat- (alt: Polysaccharid)impfstoff nach 8  Wochen empfohlen. Zusätzlich müssen Patienten, Eltern und Hausärzte darüber aufgeklärt werden, dass auch nach lege artis durchgeführten Impfungen und unter Einhaltung einer dauerhaften Penicillinprophylaxe schwere Infektionen möglich sind.

! Jede Postsplenektomie-Infektion stellt einen infektiologischen Notfall dar!

Der Verdacht auf eine Sepsis muss in allen Fällen einer hochfebri-len Krankheit gestellt und unverzüglich eine Behandlung mit einem bakteriziden Breitbandantibiotikum (derzeit z. B. Amoxicillin und

. Tab. 47.3 Empfohlene Mindestdauer der Penizillingabe

Alter bei Splenektomie Mindestdauer

<6. Lebensjahr 6 Jahre

6–10. Lebensjahr 4 Jahre

>10. Lebensjahr 3 Jahre

Empfehlung analog der Leitlinie für hereditäre Sphärozytose

Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten428

Clavulansäure oder Cephalosporinpräparate der 2. oder 3. Genera-tion) eingeleitet werden.

Bei einigen Erkrankungen ist das Thromboserisiko nach Sple-nektomie erhöht. Dies trifft v. a. für hämolytische Anämien zu, bei denen auch nach Splenektomie die Hämolyse gesteigert ist (Pyruvat-kinasemangel, autoimmunhämolytische Anämie, Thalassämie u. a.). Aufgrund rezidivierender Thrombosen der großen Körpervenen und Lungenvenen ist die vollständige Splenektomie bei Patienten mit hereditärer Stomatozytose und Xerozytose kontraindiziert. Die regelmäßig nach Splenektomie zu beobachtende Thrombozytose verursacht per se keine Thrombose. Aufgrund der erhöhten Throm-boseneigung ist allerdings bei Patienten mit Thrombozytenwerten >500.000/mml nach Splenektomie eine mindestens dreimonatige Thromboseprophylaxe mit niedrigdosierter Azetylsalizylsäure (1–2 mg/kgKG/Tag) zu empfehlen.

Steigerung der Eisenausschleusung bei sekundärer Hämoside-rose Bei allen Patienten mit chronischen Anämien, die regelmäßig Transfusionen benötigen, kommt es nach jahrelangem Verlauf zu einer Hämosiderose mit Schädigung von Herz, Leber und endokrinen Drüsen. Die schwerste Komplikation ist die Kardio-myopathie. Am stärksten sind Patienten mit Thalassämia major und anderen Anämien mit ineffektiver Erythropoese betroffen. Bei diesen Patienten ist die intestinale Eisenresorption gesteigert und es kommt auch ohne Transfusionen zur Hämosiderose. Die Körpereisenüberladung kann durch eine regelmäßige Bestimmung der Serumferritinkonzentration kontrolliert werden. Das genaue Ausmaß der Hämosiderose wird anhand einer Bestimmung des Lebereisens festgestellt, die am besten mit der SQUID-Biosus-zeptometrie („supsconducting quantum interference device“; in Deutschland nur in der Universitätskinderklinik Hamburg-Eppendorf vorhanden) oder mit dem MRT gemessen wird (z. B. Universitätskinderkliniken Ulm, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und Berlin).

Die Eiseneliminationstherapie ist indiziert, wenn die Serumfer-ritinkonzentration bei wiederholter Messung um 1000 μg/l liegt (ein

vorübergehender, z. B. inflammationsbedingter Anstieg muss aus-geschlossen sein), die Transferrinsättigung deutlich erhöht ist oder wenn der Lebereisengehalt 3,2 mg/g Lebertrockengewicht übersteigt. In der Regel werden diese Grenzwerte nach 10–20 Transfusionen (bei Patienten mit Thalasssämia major zumeist ab vollendetem 2.–3. Lebensjahr) erreicht.

Für die Eisenausschleusung stehen drei Medikamente zur Ver-fügung: Die beiden großen Moleküle Deferasirox (Exjade) p.o. oder Deferoxamin (Desferal) s.c. oder i.v. sind starke Eisenkomplexbild-ner; das monovalente Deferipron (Ferriprox) p.o. schleust das Eisen eher schlechter aus. Sowohl mit Deferasirox als auch mit Deferox-amin kann bei gleichzeitiger Transfusionstherapie eine negative Ei-senbilanz erreicht werden.

Bei Verfügbarkeit eines prinzipiell gut funktionierenden oralen Chelatbildners Deferasirox kann der s.c.-anzuwendende Chelatbild-ner Deferoxamin eine vermeidbare Zumutung für ein Kleinkind dar-stellen. Die Nebenwirkungen von Deferoxamin auf das kindliche Skelettsystem und das Längenwachstum (v. a. bei Kindern unter 3 Jahren) sprechen ebenfalls eher gegen die s.c.-Deferoxaminthe-rapie. Aufgrund der guten Verträglichkeit wird daher neuerdings Deferasirox zur primären Therapie eines kleinen Kindes empfohlen (auch wenn dies in den aktuellen Leitlinien noch etwas zurückhal-tend angegeben werden musste).

Deferasirox wird mit einer Dosis von 20 mg/kgKG begonnen; die Erhaltungsdosis liegt bei 30 mg/kgKG, die Maximaldosis beträgt 40 mg/kgKG. Das an Deferasirox gebundene Eisen wird vorwiegend fäkal ausgeschieden, sodass der Urin unter der Therapie nicht rot werden sollte. Abnehmende Ferritinwerte und Lebereisenspiegel sind das beste Maß für eine negative Eisenbilanz.

Aufgrund möglicher Nebenwirkungen auf Niere (überwiegend reversible Anstiege der Serumkreatininkonzentration, selten tubu-läre Nierenerkrankungen) und Leber unter Deferasirox sollten die Nieren und Leberwerte monatlich kontrolliert werden.

Die zur Erzielung einer negativen Eisenbilanz erforderliche Deferoxaminmenge muss individuell ermittelt und kontinuierlich angepasst werden. Als Richtschnur für die Dosierung gilt:

Ferritinwert mg Lmg Deferoxamin an Tage

/( )= −

405 7 n Woche.

Nachteil von Deferoxamin ist, dass mit einer kleinen, batterie-betriebenen Infusionspumpe, die der Patient bei sich trägt, nachts s.c. über mindestens 6 Stunden infundiert wird, je nach Austestung 1,5–4 g/Nacht. Diese Behandlung kann nach Erlernen der Technik in der Klinik von den Patienten bzw. deren Eltern im häuslichen Mi-lieu selbst durchgeführt werden. Bei üblicher Dosierung (25–60 mg/kgKG) sind nur Linsentrübungen als ernsthafte Nebenwirkungen der Deferoxaminbehandlung bekannt geworden. Sie sind nach Do-sisreduktion voll reversibel. Zur besseren Eisenmobilisation werden täglich (abends 30–60 min nach Beginn der Chelattherapie) 100–200 mg Vitamin C p.o. verabreicht (Ausnahme: Kein Vitamin C an Patienten mit vorbestehender Kardiomyopathie!).

Bei ungenügender Eisenausschleusung aus Herz und/oder Leber kann Deferipron p.o. zu Deferasirox oder Deferoxamin hinzugefügt werden. Die Dosis von Deferipron beträgt zwischen 40–75 mg/kgKG in 3 Dosen. Die häufigste Nebenwirkung ist eine Arthropathie. Beim Auftreten einer Agranulozytose (regelmäßige Blutbildkontrollen!) muss das Medikament sofort abgesetzt werden; die Leukozytenzahl steigt dann wieder an. Eine negative Eisenbilanz ist mit Deferipron allein in der Regel nicht zu erreichen. Allerdings weisen neuere Daten darauf hin, dass Deferipron das im Herzmuskel abgelagerte

Eisen besser mobilisiert. Der Effekt von Deferasirox oder Deferox-amin in der Kombination Deferipron auf die Eisenausschleusung ist additiv, sodass bei Patienten mit schwerer Eisenüberladung (Ferritin >1500 μg/l; deutlich erhöhtes Herz- oder Lebereisen) eine kombinierte eisenausschleusende Therapie empfohlen wird. In der Kombination mit Deferoxamin wird Deferipron 50–75 mg/kgKG an 7 Tagen der Woche und Deferoxamin 25–40 mg/kgKG s.c. 3-mal pro Woche empfohlen. Alternativ kommt eine höher dosierte i.v.-Therapie mit Deferoxamin in Betracht. Derzeit ist die Sicherheit und Effizienz einer Langzeittherapie mit dieser Kombination noch nicht hinreichend belegt, sodass diese Behandlung nur in hämatologischen Zentren mit jahrelanger Erfahrung in der Thalassämietherapie und im Rahmen einer klinischen Studie angewandt werden sollte. Auf mögliche Medikamentennebenwirkungen z. B. verstärkte Hämolyse, Agranulozytose, Gelenkschäden sollte besonders geachtet werden.

Stammzelltransplantation Die Stammzelltransplantation stellt bei einer zunehmenden Anzahl angeborener Anämien eine kausale Therapie dar (▶ Übersicht). Gute Erfolge werden bei Patienten mit Thalassämien und Sichelzellanämien berichtet, sofern noch keine wesentlichen Organschäden vorliegen. Der optimale Zeitpunkt für

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die Transplantation ist daher vor dem 12. Lebensjahr. Bisher wurde die Transplantation nur empfohlen, falls ein HLA-kompatibler ge-noidenter Familienspender zur Verfügung steht. Es ist aber mög-lich, dass aufgrund der verbesserten Ergebnisse bei Verwendung phänoidenter Fremdspender und der schlechteren Ergebnisse bei fortgeschrittenen Organschäden in Zukunft die Fremdspendertrans-plantation vor dem 12. Lebensjahr Vorteile bringt. Bei Diamond-Blackfan-Anämie kann eine Fremdspendertransplantation bisher nur in Ausnahmefällen bei 10/10 exzellent passendem Fremdspen-der überlegt werden. Aufgrund der geringeren Rate an chronischen Graft-versus-Host-Reaktionen wird die Knochenmarkspende der Gabe von peripheren Stammzellen vorgezogen.

Indikationsliste zur Stammzelltransplantation (SZT)- Thalassämia major (alle)- Thalassämia intermedia (nach Schweregrad und Risikoabwä-gung)- Diamond-Blackfan-Anämie (mit Glukokortikoidresistenz)- Sichelzellerkrankung (bei schwerem, therapieresistenten Verlauf )– Die Sichelzellerkrankung ist durch die Erfolge der frühen

Hydroxycarbamidbehandlung und alternativer Behand-lungsmöglichkeiten zu einer meist gut beherrschbaren Erkrankung geworden und sollte daher nur bei schwer kranken, nicht auf die medikamentösen Therapien an-sprechenden Patienten und nur bei Vorhandensein eines optimal passenden verwandten Spenders erwogen werden- Dyserythropoetische Anämie (bislang nicht gesicherte Indika-

tion)

Extramedulläre blutbildende Tumoren Diese seltenen Tumoren können sich bei allen erwachsenen Patienten mit chronischen An-ämien und langdauernder gesteigerter Erythropoese (hämolytische Anämien, Thalassämien u. a.) bilden. Sie sind meist im Thorax lo-kaliert. Es ist nicht gesichert, dass eine Reduktion der Erythropoese durch Splenektomie (z. B. bei hereditärer Sphärozytose oder Tha-lassämie) zu einer Rückbildung des Tumors führt. Bei ausgedehnten Tumoren kann daher die Resektion des Tumors notwendig werden.

47.2 Mikrozytäre, hypochrome Anämien

Die beiden großen Gruppen (Eisenmangel- und Thalassämien) sind durch verschiedene Reifungsstörungen und ineffektive Erythropoese bedingt. Ätiologisch liegen verschiedene zytoplasmatische Hämo-globinsynthesedefekte zu Grunde. Als ineffektiv wird die Erythro-poese bezeichnet, wenn im Knochenmark minderwertige Zellen gebildet werden, die im Knochenmark und nach Ausschleusung in die Blutbahn vorzeitig zerstört werden (v. a.bei Thalassämien). Das Charakteristikum ist die in Relation zur Anämie zu niedrige Reti-kulozytenzahl.

47.2.1 Eisenmangelanämie

z Ätiologie und Pathogenese

> Der Eisenmangel ist die häufigste Ursache einer Anämie im Kindesalter.

Die Erkrankung tritt vorwiegend zwischen dem 6. Lebensmonat und dem Ende des 3. Lebensjahres sowie in der Adoleszenz bei menst-ruierenden Mädchen auf. An der Entstehung des Eisenmangels sind mehrere Faktoren beteiligt. Am häufigsten ist die zu geringe Zufuhr von Eisen mit der Nahrung. Bei überwiegender Milchernährung wird im 1. und 2. Lebensjahr nicht genügend Eisen zugeführt. An zweiter Stelle sind verminderte Eisendepots bei unreif geborenen Kindern zu nennen. Es besteht eine enge Korrelation zwischen dem Gestationsalter und dem Eisenvorrat. Neben unreifen Kindern sind Kinder, die als Neugeborene eine Anämie hatten, und solche, die mit Austauschtransfusionen behandelt wurden, besonders durch Eisen-mangel gefährdet. Schließlich können ungenügende Resorption, z. B. bei Gliadinintoleranz (Zöliakie), und chronischer Blutverlust einen Eisenmangel bewirken. Durch die mit dem Wachstum ver-bundene Zunahme der Körpermasse ist der Eisenbedarf des Kindes größer als der des Erwachsenen.

Ein reifes Neugeborenes braucht bei ausreichendem Depotei-sen bis zum Ende des 1. Lebensjahres zusätzlich 150 mg Eisen, ein Frühgeborenes mit geringeren Depots und stärkerem Wachstum braucht rund 250 mg. Je höher der Eisenbedarf ist, desto größer ist auch die Resorption. Gesunde Kinder resorbieren 10–15 % einer oral gegebenen Ferrosulfatdosis. Die Resorption ist bei Frühgebore-nen von der 6. Lebenswoche an und bei reifen Neugeborenen vom 4. Lebensmonat an erhöht. Bei Eisenmangel steigt die Resorption bis auf das 3-fache. Nur 10 % des in der Milch, aber 20 % des im Fleisch enthaltenen Eisens werden aufgenommen. In pflanzlichen Produkten enthaltenes Eisen wird schlecht resorbiert (hoher Gehalt an Oxal- oder Phytansäure!). Obwohl die zentrale Eisenstoffwech-selregulation über das in der Leber synthetisierte Protein Hepcidin geschieht, spielt die Bestimmung dieses Keyproteins bisher in der Diagnostik noch keine Rolle.

Kinder brauchen vom 3. Lebensmonat an täglich 0,7–0,8 mg Ei-sen. Dieser Bedarf kann gedeckt werden, wenn die Nahrung 0,5 mg Eisen/kgKG enthält. Selbst in guten sozioökonomischen Verhält-nissen, unter denen die Kinder im 1. Lebensjahr reichlich Fleisch erhalten, ist trotz normaler Hämoglobinkonzentration (>11 g/dl) im Knochenmark am Ende des 1. Lebensjahres kein Speichereisen nachweisbar. Man kann daher nicht von der „physiologischen An-ämie“ des Säuglings sprechen, sondern muss berücksichtigen, dass ein weitverbreiteter Eisenmangel die Ursache ist. Auch in Europa ist der Eisenmangel meist alimentär durch eine Fehlernährung mit eisenarmer Diät (v. a. vegetarische, seltener veganische Kost) verur-sacht (Häufigkeit in Europa 10–15 %). Besonders häufig manifestiert sich der alimentäre Eisenmangel vor dem 6. Lebensmonat und nach Vollendung des 3. Lebensjahres. Bei jüngeren oder älteren Kindern ist ein chronischer Blutverlust (▶ Abschn. 47.3.2), eine Resorptions-störung (v. a. Zöliakie), chronisch entzündliche Erkrankung (z. B. rheumatoide Arthritis, chronisch entzündliche Darmerkrankung) oder eine genetische Ursache (IRIDA, „iron-resistant iron deficiency anemia“) nicht so selten Ursache des Eisenmangels.

z DiagnostikDie Diagnose der Eisenmangelanämie ist in vielen Fällen einfach. Mikrozytose, Hypochromie, ausgeprägte Anisozytose („red cell dis-tribution width“ >15), Ferritinkonzentration <10 μg/l und geringe Transferrinsättigung (<16 %) sind die wichtigsten Kriterien. Ergän-zend kann der Anstieg der totalen Eisenbindungskapazität, die Er-höhung des löslichen Transferrinrezeptors (sTfR; Cave: ist auch bei gesteigerter Hämolyse erhöht), Verminderung des Retikulozytenhä-moglobins und selten Anulozyten nachgewiesen werden. Eine Hy-posiderämie ist öfters Ausdruck einer interkurrenten Infektion. Die Veränderungen der hämatologischen Parameter treten mit zuneh-

Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten430

mender Schwere der Anämie in folgender Reihenfolge auf: Abnahme der Hämoglobinkonzentration, Abnahme der Serumeisenkonzent-ration, Abnahme des MCV und des MCH, Anstieg der totalen Ei-senbindungskapazität, Abnahme der MCHC. Bei Hämoglobinkon-zentrationen <7 g/dl sind die Retikulozyten meist leicht (40–60 %) erhöht. Vor jeder Eisensubstitution muss nach einem enteralen Ei-senverlust mittels dreimaliger Suche nach okkultem Blutverlust im Stuhl (z. B. Hämoccult) gesucht werden. Eine sorgfältige Anamnese auf Epistaxis, Hämaturie, Menorrhagie u. a. Blutungen sowie nach vorausgegangenen Operationen ist zwingend erforderlich.

k TherapieNeben anorganischen Eisensalzen (Sulfat) werden auch organische Eisenverbindungen, (Aspartat-Fumarat, Gluconat) gut resorbiert.

> Zweiwertige anorganische oder organische Eisenpräparate sind gegenüber Eisen-III-Salzen zu bevorzugen: sie werden 3-mal besser resorbiert.

Grund ist, dass der intestinale Eisenrezeptor nur 2-wertiges Eisen bindet; 3-wertiges wird nur in geringen Mengen über einen alterna-tiven Transport aus dem Darm aufgenommen. Vitamin C wird den Präparaten zur Stabilisierung des 2-wertigen Eisens häufig zugesetzt. Die orale therapeutische Dosis beträgt (optimal 2–3 mg/kgKG tgl; max. 6 mg/kgKG). Die angegebene Menge sollte möglichst zwischen den Mahlzeiten, aufgeteilt in 3 Einzeldosen, gegeben werden. Das früheste Zeichen für das Ansprechen auf die Eisensubstitution ist der Anstieg des retikulozytären Eisens und – bei schwerer Anämie um 6 g/dl – der Retikulozytenzahl. Bei wirksamer Behandlung ist eine Erhöhung der Hämoglobinkonzentration um 1–2 g/dl/Woche zu erwarten. Nach Erreichen der normalen Hämoglobinkonzentration sollte die Behandlung zur Auffüllung der Depots noch 1–2 Monate fortgesetzt werden (insgesamt meist 3 Monate). Nebenwirkungen der oralen Therapie sind bei Kindern selten. Nach der Zahnung muss darauf geachtet werden, dass die flüssigen Eisenpräparate nicht un-verdünnt mit den Zähnen (Schwarzfärbung) in Berührung kommen. Vom praktischen Gesichtspunkt her ist es daher am einfachsten, die Eisentropfen unter den Brei zu rühren, selbst wenn dadurch die Re-sorption geringer ist. Nüchtern werden die Präparate oft schlecht vertragen.

Praxistipp | |

Eisenpräparat mit Sab simplex mischen.

Die parenterale i.v.-Gabe von 3-wertigen Eisenpräparaten ist nach größerem Blutverlust die Therapie der Wahl, um die Eisenspeicher wieder aufzufüllen. Auch bei intestinalen Resorptionsstörungen oder Unverträglichkeit von oralen Eisenpräparaten, bei wiederholt mangelnder Compliance zur oralen Therapie sowie bei Kindern mit renaler Anämie, die Erythropoetin erhalten, ist die i.v.-Eisengabe der peroralen Applikation vorzuziehen. In diesen Fällen darf die paren-terale Eisengabe nur bei nachgewiesenem Eisenmangel (erniedrigter Ferritinspiegel!) erfolgen.

! Während akuter Infektionen darf kein i.v.-Eisen verabreicht werden!

Intravenöse Eisengaben steigern die Zunahme der Hämoglobinkon-zentration schneller als orale. Das Eisenpräpart muss dextranfrei sein; systemische Nebenwirkungen sind damit selten.

! Ein Paravasat ist streng zu vermeiden da es zu schwärzlichen Ablagerungen in der Haut kommen kann: dadurch ist der Ein-satz von i.v.-Präparaten bei Kleinkindern in der Praxis begrenzt.

Bei Kindern mit alimentärem Eisenmangel (Vegetarier, Veganer) ist der Erfolg einer schnellen i.v.-Eisenverabreichung ohne eine ausreichende Diätberatung begrenzt. Hier ist eine längerdauernde Therapiebegleitung der Eltern durch den Kinder- oder Hausarzt entscheidend, um die wesentliche Änderung der Essgewohnheit (mehr Fleisch, weniger Kuhmilch und weniger Gemüse) zu errei-chen. Unterbleibt dieser ärztliche Support kommt es oft nach einigen Monaten zu einem Rezidiv der Eisenmangelanämie. Allerdings kann bei schlechter Compliance zur peroralen Eisensubstitution die i.v.-Eisengabe notwendig werden.

> Die erforderliche Dosis ist nach folgender Formel zu berech-nen:

kgKG × (14 - aktuelle Hämoglobinkonzentration [g/dl]) × 3,5 = mg Eisen.

Die übliche Dosis bei langsamer i.v.-Injektion beträgt 3 mg/kgKG/Tag (max. 200 mg/Tag) an 2–3 Tagen der Woche. Höhere Dosen sollten vermieden werden, da es zu einer akuten Eisenintoxikation kommen kann. Neuere hochdosierte Eisencarboxymaltose-Präparate (50 mg/ml) sind jedoch gut verträglich; sie sind erst bei Jugendlichen >14 J. zugelassen.

Präparate zur i.m.-Injektion können bei schlechten Venenver-hältnissen erforderlich sein. Bisher steht für die i.m.-Injektion nur ein dextranhaltiger Eisenkomplex zur Verfügung. Die Dosis errech-net sich wie für die i.v. Gabe; die Einzeldosis sollte bei i.m.-Gabe 100 mg nicht überschreiten. Der Anstieg der Hb-Konzentration ist nach i.m.-Gabe nicht schneller als bei oraler Eisensubstitution. Zudem können schwere anaphylaktische Reaktionen auf den Dex-trananteil auftreten, sodass die Eisensubstitution i.v. oder p.o. vor-zuziehen ist.

z ProphylaxeKinder, die wiederholt einen Eisenmangel haben oder nicht auf die diätetisch erhöhte Eisenzufuhr ansprechen und daher rezidivierend eine Eisensubstitution benötigen, sollten prophylaktisch täglich 1–2 mg/kgKG eines gut resorbierbaren Eisenpräparats zusätzlich zu ihrer Nahrung erhalten.

Frühgeborene >1000 g erhalten 3–6 mg/kgKG/Tag p.o. (ent-sprechend der Transferrinsättigung) ab der 3. Lebenswoche. Bei Frühgeborenen (>1500–2500 g) und Neugeborenen, die eine An-ämie hatten oder mit Austauschtransfusionen behandelt wurden, kann die Prophylaxe ab der 6. Lebenswoche mit 10 mg zweiwer-tigem Eisen begonnen und in derselben Dosis bis zum Ende des 1. Lebensjahres fortgesetzt werden. Da auch in Deutschland in-zwischen einige Formulanahrungen mit gut resorbierbaren Eisen-salzen angereichert sind, ist darauf zu achten, dass insgesamt nicht wesentlich mehr als 15 mg Eisen täglich angeboten werden. Reife Neugeborene ohne perinatalen Blutverlust sollten die Eisenpro-phylaxe vom 6. Lebensmonat an als eisenangereicherte Beikost und Folgemilch erhalten.

Seltene Sonderformen Typische Eisenmangelanämien entwickeln sich beim angeborenen Transferrinmangel, infolge pulmonaler Hä-morrhagien bei der Lungenhämosiderose und beim Goodpasture-Syndrom (Lungenhämosiderose + Glomerulonephritis). Über-zeugende therapeutische Maßnahmen sind bei diesen seltenen Erkrankungen nicht bekannt.

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47.2.2 Thalassämien

Die Thalassämien sind eine heterogene Krankheitsgruppe, bei denen eine Mikrozytose und Hypochromie aufgrund einer gestörten Hä-moglobinproduktion auftreten. In der Regel wird kein anomales Hä-moglobin gebildet. Sie sind weltweit eine der häufigsten, genetisch-bedingten Erkrankungen. Durch die Zuwanderung von Mitbürgern aus Endemiegebieten (Mittelmeerraum, Südostasien, Westpazifik) nimmt ihre Bedeutung auch in Mitteleuropa zu. Man unterscheidet α-, β-, δβ- und die ε-Thalassämie (. Tab. 47.4). Zu den Thalassämien zählt auch die Hämoglobin-Lepore-Krankheit, bei der durch Hyb-ridisierung von Teilen normaler β- und δ-Peptidketten ein patho-logisches Hämoglobinmolekül entsteht. In Mitteleuropa kommen überwiegend β-Thalassämien sowie in zunehmender Anzahl auch α- und ε-Thalassämien vor.

Nahezu alle Thalassämien werden autosomal rezessiv vererbt. Die Erkrankung verläuft unterschiedlich schwer, je nachdem, ob die Patienten heterozygot, doppelt heterozygot oder homozygot für die Thalassämie-Anlage sind:- Heterozygot:- Thalassämia minor (leichte Form),- Thalassämia intermedia (mittelschwer),- Homozygot:- Thalassämia major (schwere Form).

Doppelte Heterozygotie kommt als Kombination von zwei Tha-lassämie-Genen (d/β-Thalassämie) oder als Kombination eines Thalassämie-Gens mit anormalem Hämoglobin (z. B. HbS-Tha-lassämie) vor. Die Schwere der resultierenden Krankheitsbilder liegt zwischen heterozygoter und homozygoter Manifestation der einzelnen Defekte.

Heterozygote Thalassämie (Thalassaemia minor) z Klinik

Heterozygote Anlageträger einer Thalassämierkrankung zeigen in der Regel keine klinischen Symptome. Bei der β-Thalassämia minor werden die Hypochromie und leichte mikrozytäre Anämie meist zufällig oder im Rahmen einer Familienuntersuchung entdeckt. Nur selten besteht eine mittelschwere Anämie mit Splenomegalie (Tha-lassaemia intermedia). Beweisend für die Diagnose einer Thalass-aemia minor sind die Erhöhung der Hämoglobin-A2-Konzentration oder – seltener – eine erhöhte Hämoglobin-F-Konzentration (hohes HbF-Gen).

Die α-Thalassaemia minor ist auf die Repression von zwei der vier a-Globingenen zurückzuführen. Der Blutausstrich zeigt eine Mikrozytose, Targetzellen und eine Hypochromie. Der Nachweis der heterozygoten Anlage ist jenseits der Neugeborenenperiode nur durch die molekulargenetische Untersuchung der a-Globingene möglich. Gelegentlich werden HbH-Innenkörper in der Brillant-kresylblau-Färbung gefunden. Beim Neugeborenen ist Hämoglobin-

Barts (g4) vermehrt. Es verschwindet im 3.–6. Lebensmonat. Gele-gentlich ist der Eisenspiegel erhöht.

k TherapieEine Behandlung ist bei Thalassaemia minor nicht erforderlich. Die Thalassaemia minor wird besonders bei Mitteleuropäern häufig mit der Eisenmangelanämie verwechselt: der normale oder erniedrigte Ferritinwert erlaubt die Unterscheidung. Die Abgrenzung zur Eisen-mangelanämie ist nötig: Eisengaben müssen bei Thalassaemia minor vermieden werden, auβer wenn gleichzeitig ein Eisenmangel besteht (häufig bei Kleinkindern).

Homozygote β-Thalassämie (Thalassaemia major, Cooley-Anämie)

z KlinikDie Symptome treten bereits im 1.  Lebensjahr auf. Hypochrome Anämie, Ikterus, Gedeihstörung und Splenomegalie sind die ersten Symptome. Durch extramedulläre Blutbildung entstehen Deformie-rungen der Schädelknochen (Bürstenschädel). Entwicklung und Wachstum der Patienten sind beeinträchtigt. Die Patienten können ohne häufige Transfusionen (meist im Abstand von 3–6 Wochen er-forderlich) nicht überleben. Das typische Aussehen entwickelt sich nur bei Patienten, die über Jahre unzureichend transfundiert wurden.

Die Prognose der Erkrankung wird bei ausreichenden Transfusi-onsmöglichkeiten durch die sekundäre Eisenüberladung des Körpers bestimmt. Vor Einführung des Hochtransfusionsregims und der ei-senausschleusenden Therapie verstarben die meisten Patienten vor dem zwanzigsten Lebensjahr. Die Folgen der Organhämosiderose (▶ Übersicht) treten meist erst ab dem zweiten Lebensjahrzehnt, bei guter Therapieführung noch später auf. Eine latente primäre Hypo-thyreose ist vielfach die erste Manifestation. Im weiteren Verlauf sind regelmäßige Untersuchungen der Schilddrüsenfunktion erforder-lich, um eine klinisch relevante, substitutionsbedürftige Hypothyre-ose rechtzeitig zu erkennen.

Eine latente primäre Hypothyreose tritt in der Regel erst spä-ter auf. Im weiteren Verlauf sind regelmäßige Untersuchungen der Schilddrüsenfunktion erforderlich, um eine klinisch relevante, sub-stitutionsbedürftige Hypothyreose rechtzeitig zu erkennen. Erstsym-ptom eines Hypoparathyreoidismus können Tremor und Ataxie bei Basalganglienverkalkung sein. Einige männliche Patienten sind fertil und haben Kinder. Die meisten Patienten entwickeln jedoch trotz ausreichender Eisenausschleusung einen hypogonadotropen Hypo-gonadismus mit verzögertem Pubertätseintritt. Frauen weisen viel-fach eine primäre oder sekundäre Amenorrhoe auf. Viele Patienten wachsen nach dem 10–12. Lebensjahr vermindert.

Organmanifestationen der Hämosiderose bei Thalassämie- Hypothyreose

. Tab. 47.4 Häufige Thalassämien und ihr klinischer Verlauf

Thalassaemie Genotyp Schweregrad

Β-Thalassämie Homozygot β°; β°/β+ meist Thalassaemia major

Β-Thalassämie Homozygot β+ Thalassaemia intermedia

ε-Thalassämie Compound heterozygot βε/β° Thalassaemia intermedia

Hämoglobin-Lepore-Krankheit Homozygot βLepore; Comp. Heterozygot βLepore/β° Thalassaemia intermedia

HbH-Krankheit Angeboren oder erworben: a-/a-a+ Thalassaemia intermedia

Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten432

- Kardiomyopathie- Leberfibrose, Zirrhose- Diabetes mellitus- Hypoparathyreoidismus- Hypogonadismus- Kleinwuchs- Osteopenie/Osteoporose-Syndrom

z DiagnostikDas schwere Krankheitsbild, das vorwiegend bei der Bevölkerung des Mittelmeerraums vorkommt, und die typische Erythrozyten-morphologie machen die Diagnose leicht (Targetzellen, Anisozytose, Hypochromie). Hämoglobin F ist auf 20–90 % erhöht. Hämoglo-bin A2 ist normal. Die Diagnose wird durch die molekulare Ana-lyse gesichert. Trotz verbesserter Behandlungsmöglichkeiten ist die beste Maßnahme die Prävention durch pränatale Diagnose. Mit Hilfe molekulargenetischer Techniken kann die Erkrankung bereits von der 8.–14. Schwangerschaftswoche an mittels Chorionzottenbiopsie festgestellt werden. In einigen Gebieten mit großer Thalassämie-Häufigkeit (Sardinien, Zypern) gelang es, die Neuerkrankungen auf ein Minimum zu senken. In Deutschland ist die Vermeidung von Neuerkrankungen schwierig, da ein generelles Screening von Risi-kopopulationen fehlt.

k Therapie z Konventionelle Behandlung

Sie besteht in einem regelmäßigen Transfusionsregime, durch das die eigene ineffektive Erythropoese und die gesteigerte Eisenabsorption unterdrückt werden.

Als Indikation für den Beginn der regelmäßigen Transfusi-onstherapie (meist alle 3 Wochen) gilt ein wiederholtes Absinken des Hb (sog. Steady-State-Hämoglobinwert) unter 6 g/dl. Nach 10–20 Transfusionen sollte eine eisenausschleusende Therapie mit Deferasirox (alt: Deferoxamin und/oder Deferiprone) zur Vermin-derung der transfusionsbedingten Hämosiderose erfolgen. Ziel ist es, eine negative Eisenbilanz zu erreichen. Bei vorhandenen en-dokrinen Organschädigungen ist eine Substitutionstherapie, z. B. mit Insulin, Thyroxin, Vitamin  D und Keimdrüsenhormonen erforderlich. Ein besonderes Problem älterer Patienten stellt das Osteopenie-/Osteoporose-Syndrom dar, das zu schweren Kno-chenschmerzen führen kann. Bei Hypogonadismus und verzö-gerter Geschlechtsentwicklung sollte die Pubertät nicht zu spät mit Gonadenhormonen eingeleitet werden. Der Kleinwuchs ist multifaktoriell bedingt und z. T. auf einen partiellen Wachstums-hormonmangel, die verzögerte Pubertätsentwicklung oder einen Mangel an Spurenelementen bei zu hoher oder zu früher Deferox-amintherapie (seltener Deferasirox) zurückzuführen. Bisher ist un-klar, ob die regelmäßige s.c.-Gabe von rekombinantem humanem Wachstumshormon zu einem Aufholwachstum führt. Patienten mit schwerer transfusionsbedürftiger Thalassämie haben ein erhöhtes Infektionsrisiko und können von einer eher großzügigen antibio-tischen Behandlung profitieren.

Vorgehen- Hochtransfusionsregime: Hb sollte vor Transfusion nicht <9–10,5 g/dl und nach Transfusion 12–13 g/dl betragen (meist 12–14 ml/kgKG Erythrozytenkonzentrat (HKT 60 %) in 3-wö-chentlichem Abstand)

- Eisenausschleusende Therapie im Alter von 3–4 Jahren beginnen. Mittel der Wahl: Deferasirox 20–30 mg/kgKG; alter-nativ: nächtliche s.c.-Infusion von Deferoxamin- Bei fieberhaften Infekten und/oder Gastroenteritis Abset-zen des Deferasirox/Deferoxamins/Deferiprons und Gabe eines yersinienwirksamen Antibiotikums, z. B. Cotrimoxazol. Splenektomierte Patienten müssen bei Fieber zusätzlich eine Prophylaxe mit Augmentin einnehmen- Jährliche Kontrolluntersuchungen der Herz- und Leberfunk-tion sowie des endokrinen Status; ggf. Anpassung der Defer-asirox- (Deferoxamin)dosis in Abhängigkeit von Serumferritin und Lebereisenüberladung (wird am besten mit SQUID oder MRT bestimmt)- Unbedingt einmal jährlich OGTT; bei pathologischem Test sollte die Chelierung intensiviert werden. Der Diabetes bei Thalassaemia major und intermedia ist schwer zu behandeln- Bei vorhandenen endokrinen Organschädigungen ist eine Substitutionstherapie z. B. mit Insulin, Schilddrüsen- oder Sexualhormonen, erforderlich

Das Überleben der Patienten hängt entscheidend von der Entwick-lung einer hämosiderosebedingten Kardiomyopathie ab. Jüngste Auswertungen zeigen, dass die Lebenserwartung der Patienten unter einer eisenausschleusenden Therapie gegenüber einer reinen Trans-fusionstherapie zwar verbessert, aber weiterhin deutlich verkürzt ist. Grund ist, dass die Compliance für die aufwendige Therapie mit Deferoxamin vielfach unzureichend war und viele Patienten trotz einer Deferoxamintherapie eine Kardiomyopathie oder eine andere schwere Organhämosiderose (z. B. Diabetes mellitus) entwickeln.

Es ist zu hoffen, dass der orale Chelatbildner dieser Kompli-kation entgegenwirkt. Möglicherweise kann die Kombination mit Deferipron die Kardiomyothie verhindern (▶ Abschn. 47.1 „Eisenaus-schleusende Therapie“). Spätestens ab dem 12. Lebensjahr sollte daher eine jährliche kardiologische Abklärung mit Echokardiographie und Radionuklidventrikulographie erfolgen. Bei schwerer Kardiomyo-pathie oder Diabetes mellitus kann durch eine Intensivierung der Chelattherapie (z. B. mehrmonatige intensivierte i.v.-Deferoxamin-therapie) die Herzfunktion oder Insulinsekretion deutlich gebessert werden. Eine intensivierte Chelattherapie (z. B. Kombination Defer-asirox/Deferipron oder i.v.-Deferamin) sollte überlegt werden wenn wiederholte Kontrollen der Ferritinkonzentration >2500 μg/l oder die Lebereisenüberladung 15(–20) mg/g Lebertrockengewicht über-schreitet. Der Nutzen einer Herztransplantation bei Patienten mit fortgeschrittener Kardiomyopathie ist umstritten. Die aufwendige Diagnostik und Therapie sollte durch einen spezialisierten pädiat-rischen Hämatologen erfolgen: die bessere Überlebenszeit von Pati-enten, die in Schwerpunkteinrichtungen mit langjähriger Erfahrung in der Behandlung von Thalassämiepatienten behandelt werden, ist statistisch belegt.

z KnochenmarktransplantationDie KMT ist heute die einzige kurative Therapiemöglichkeit. Das krankheitsfreie Überleben liegt bei über 90 %, sofern ein HLA-iden-ter Familienspender zur Verfügung steht und noch keine schwerwie-genden Organschäden vorhanden sind. Patienten mit Hepatopathie und und anderen Organschäden haben eine wesentlich schlechtere Heilungschance. Die Patienten sollten daher möglichst vor dem 10. Lebensjahr und vor der Entwicklung einer hämosiderosebeding-ten Hepatopathie oder Kardiomyopathie transplantiert werden. In letzter Zeit haben sich die Ergebnisse der Transplantation unter Ver-

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wendung von HLA-phänoidenten unverwandten Fremdspendern deutlich verbessert.

z SplenektomieEine Splenektomie (vollständig oder subtotal) ist bei gut transfun-dierten Patienten meist unnötig und sollte wegen der erheblichen Gefahr einer schweren Postsplenektomie-Infektion nur erfolgen, wenn der Transfusionsabstand weniger als zwei Wochen beträgt und/oder ein erheblicher Milztumor mit Hyperspleniesyndrom (Leukozytopenie, Thrombozytopenie) entsteht. Das jährliche Trans-fusionsvolumen sollte deutlich mehr als 200–240 ml Erythrozyten-konzentrat/kgKG betragen. Die Splenektomie sollte grundsätzlich erst nach dem 5. Lebensjahr erfolgen; nach der Operation ist eine lebenslange Penicillinprophylaxe erforderlich.

Thalassaemia intermedia und HbH-KrankheitMehrere homozygote oder compound heterozygote Thalassämien können unter einem mittelschweren Krankheitsbild verlaufen (. Tab. 47.4). Ungefähr 20 % der Thalassämien verlaufen als Tha-lassämia intermedia (. Tab. 47.5). Für alle α-Thalassämien gilt, dass sie jenseits der Neugeborenenperiode nur molekulargenetisch diag-nostiziert werden können. Bei der β-Thalassämie kann die moleku-lare Diagnostik zur Unterscheidung zwischen major und intermedia Form nur beitragen; letztlich entscheidet der klinische Verlauf. Der Hämoglobinwert hält sich über 6 g/dl; Transfusionen sind nur gele-gentlich erforderlich. Patienten mit HbH-Krankheit müssen zumeist nicht transfundiert werden. Selten sind schwere transfusionsabhän-gige Krisen (oft infektgetriggert).

Die Eisenüberladung auch ohne Transfusionen ist die wichtigste Komplikation im Kindes- u. Jugendalter. Daher sollte die Leberei-senüberladung am besten mit MRI bestimmen werden. Ab einem Ferritin von 800 μg/l oder Lebereisen >6 mg/g sollte eine Chelierung mit Deferasirox beginnen.

Nach jahrelangem Verlauf treten die typischen skelettalen Verän-derungen mit Gesichtsdysmorphie (Facies thalassaemica) auf. Kom-plikationen kommen v. a. im Erwachsenenalter vor (extramedulläre blutbildende Tumore, Gicht u. a.). Die Entscheidung über ein per-manentes oder vorübergehendes Transfusionsregime sollte in Ab-hängigkeit von den klinischen Beschwerden (v. a. Wachstums- und Gedeihstörungen) und/oder einer regelmäßigen Hb-Konzentration <6 g/dl getroffen werden. Bei vermindertem Wachstum oder erheb-licher Entwicklungsstörung kann ein regelmäßiges Transfusionsre-gime und eine eisenausschleusende Therapie notwendig werden. Die

Knochenmarktransplantation ist bei Vorliegen eines HLA-genoiden-ten Familienspenders indiziert.

Extramedulläre Blutbildungsherde mit der Entwicklung von pa-ravertebralen Pseudotumoren tritt meist erst im Erwachsenenalter auf und kann regelmäßige Transfusionen erfordern. Bei der HbH-Krankheit sind meist keine Transfusionen erforderlich.

Homozygote α-Thalassämie (Hb-Bart’s Hydrops fetalis Syndrom)Diese sich perinatal manifestierende schwerste Form der Thalass-ämie sollte in speziellen Zentren mit neonatolosicher Intensivbe-treuung und hämatologischer Expertise behandelt werden. Wichtig ist die pränatale Diagnostik und Beratung der Eltern.

47.2.3 Sideroblastische Anämien

Sideroblastische (sideroachrestische) Anämien sind durch eine hypo-chrome mikrozytäre Erythrozytenpopulation und Ringsideroblasten im Knochenmark charakterisiert. Sie lassen sich in X-chromosomal oder autosomal rezessive vererbliche und erworbene Formen einteilen. Die kongenitale sideroblastische Anämie entsteht durch einen Defekt der 5-Anminolävulinsynthase, die den geschwindigkeitsbestimmen-den Schritt der Hämsynthese darstellt. Erworbene sideroblastische Anämien sind entweder idiopathisch oder treten als Begleiterkran-kungen (z. B. bei myeloproliferativen Syndromen) auf. Medikamentös ausgelöste sekundäre sideroblastische Anämien werden in der Regel durch Pyridoxinantagonisten (z. B. Isoniazid, Pyrazinamid) verur-sacht. Bei schwerem Verlauf können Transfusionen notwendig sein. Gelegentlich werden sie durch Toxine (Blei) hervorgerufen.

z ManifestationDie Erkrankung manifestiert sich selten im Kindesalter und nur aus-nahmsweise bei Säuglingen. Die frühkindlichen, kongenitalen Formen sind meist ausgeprägt mikrozytär und werden oft mit Thalassämien verwechselt. Die Anämie ist hochgradig. Die Mehrzahl der X-chromo-somalen Formen manifestiert sich erst im zweiten bis dritten Lebens-jahrzehnt. Die Anämie ist mäßiggradig. Infolge der gesteigerten Eisen-resorption entwickelt sich im Verlauf der Erkrankung das Vollbild der Hämosiderose; die Eisenüberladung wird durch Transfusionen noch verstärkt. Die Folgeschäden durch die Siderose des Herzens, der Leber, des Pankreas sowie der endokrinen Drüsen entsprechen den Kompli-kationen bei Thalassämiepatienten (▶ Abschn. 47.2.2).

. Tab. 47.5 Klinische Symptomatik der β-Thalassämia intermedia

Symptome Ursache Komplikationen

Minderwuchs, Skelettschäden Anämie durch ineffektive Erythropoese progredient ab dem 20. Lj., Skoliose, Osteopo-rosebeschwerden

Paravertebrale Pseudotumore (v. a. Thorax/Retroperitoneum)

ineffektive extramedulläre Erythropoese Gefahr der neurologischen Kompressionssyn-drome

Splenomegalie extramedulläre Erythropoese keine Panzytopenie!

Ineffiziente Erythropoese sekundäre Hämochromatose, intestinale Eisen-resorption ↑

Ferritin >800 μg/l → Chelierung

Hyperkoagulabilität Inside-out-vesikel, Hb-Peroxidation, Splenek-tomie

arterielle und venöse Thrombembolie, „silent cerebral infarct“, pulmonale Hypertonie

Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten434

k TherapieBei der schweren frühkindlichen Form sind oft regelmäßige, bei den Spätformen meist keine Transfusionen erforderlich. Im Vordergrund steht die eisenausschleusende Therapie; sie erfolgt je nach Schwere-grad und grundsätzlich nach den für Thalassämiepatienten angege-benen Richtlinien (▶ Abschn. 47.1 „Eisenausschleusende Therapie“). Erworbene „primäre“ Formen hängen vom Verlauf der Grunder-krankung (meist Myelodysplasien) ab.

> Ein Therapieversuch mit hochdosiertem Pyridoxin (50–300 mg/Tag), in resistenten Fällen mit Pyridoxalphosphat (250 mg/Tag) sollte bei allen Patienten erfolgen.

Bei einigen Patienten mit der kongenitalen oder „sekundär“ erwor-benen Form steigt die Hämoglobinkonzentration an oder die Trans-fusionhäufigkeit nimmt ab. Zu einer Normalisierung des Hämoglo-binwerts kommt es selten und die Anämie nimmt nach Absetzen des Pyridoxins wieder zu. Zusätzlich wird die Gabe von Folsäure 5 mg/Tag empfohlen. Auslösende Medikamente müssen abgesetzt werden. Ist die Medikation unumgänglich (z. B. Isoniazid), sollte eine gleich-zeitige Pyridoxinsubstitution erfolgen. Nach Absetzen kommt es zu einer raschen Besserung.

In Einzelfällen wurde von einer erfolgreichen Knochen-marktransplantation berichtet.

BleianämieDie chronische Bleivergiftung stellt die wichtigste sekundär erwor-bene sideroblastische Anämie dar. Neugeborene und Kleinkinder sind durch eine erhöhte Bleiexposition aufgrund von Umweltbelas-tung (bleihaltige Wasserrohre, Farbanstriche, Kraftstoffe u. a.) be-sonders gefährdet (Blei passiert die Plazenta ungehindert!). In den letzten Jahren ist die Bleivergiftung seltener geworden. Die Anämie ist eher ein Spätsymptom der chronischen Bleivergiftung. Charak-teristisch sind Hypochromie und basophile Tüpfelung der Erythro-zyten. Beweisend ist der erhöhte Bleigehalt im Blut.

k TherapieSie richtet sich nach der klinischen Symptomatik und der Höhe des Bleispiegels im Blut (▶ Kap. 161). Die frühzeitige Diagnosestellung ist wichtig, um eine Behandlung mit den Chelatbildern EDTA, BAL oder Penicillamin einzuleiten; wegen der langsamen Elimination des Bleis ist eine langfristige Therapie erforderlich. Darüber hinaus sollten unbedingt die Ursache der Bleiexposition aufgeklärt und ggf. das häusliche Milieu (alte Tapeten!) saniert werden.

PorphyrienDie ebenfalls zu den Hämsynthesestörungen gehörenden Porphy-rien gehen meist nicht mit einer Anämie einher. Auch bei Patien-ten mit der schwersten Form, der kongenitalen erythropoetischen Form, steht die Anämie nicht im Vordergrund der Syptome. Diese Patienten sollten multizentrisch geführt werden (Kontrakturen bei schwerer Hautverbrennung, Leberschaden, Anämie, Frage der Transplantation).

47.3 Anämien durch Blutverlust und Verdünnung

Diese Anämien bilden einen Übergang zwischen den mikrozytären und den normozytären Anämien. Während akute Blutungen im-mer normozytär sind, entsteht bei chronischem Blutverlust infolge

des Eisenverlusts eine typische mikrozytäre Eisenmangelanämie (▶ Abschn. 47.2.1).

47.3.1 Akute Blutungsanämien jenseits der Neugeborenenperiode

Nach massivem, plötzlichem Blutverlust entwickelt sich eine normo-chrome, normozytäre Anämie. Ihr volles Ausmaß kann erst 8–12 h nach Einsetzen der Blutung ermittelt werden. Nach 3–4 Tagen tritt eine Retikulozytose auf.

k TherapieDie Schockbehandlung steht im Vordergrund. Nach Überwin-dung der akuten Phase ist eine Behandlung mit Eisen erforderlich (▶ Abschn. 47.2.1)

47.3.2 Chronische Blutungsanämien jenseits der Neugeborenenperiode

An Blutverlust ist besonders bei Eisenmangelanämien zu denken, die vor dem 6. Lebensmonat und nach Vollendung des 3. Lebensjahres auftreten, besonders dann, wenn bei Hämoglobinkonzentrationen über 6 g/dl die Retikulozytenzahlen leicht erhöht sind.

k TherapieWichtigste therapeutische Maßnahme ist die Fahndung nach der Blutungsquelle: Nasenbluten, Gefäßanomalien, Teleangiektasien, Gerinnungsstörungen (besonders Hypermenorrhoe) bei von Wil-lebrand-Syndrom), idiopathische Lungenhämosiderose, gleitende Hiatushernie, peptische Ulzera, Meckel-Divertikel, Colitis ulcerosa, M. Crohn, Thrombozytopenien, exsudative Enteropathie und Aze-tylsalizylsäuretherapie kommen als Ursache in Frage. Nach der Be-hebung der Ursache wird die orale Behandlung mit Eisen eingeleitet (▶ Abschn. 47.2.1).

47.4 Normozytäre Anämien

Die beiden wesentlichen Vertreter sind hämolytische Anämien und hypoplastische Anämien. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal ist die Retikulozytenzahl. Bei hypoplastischen Anämien ist der Retiku-lozytenproduktionsindex (im Vergleich zur hämolytischen Anämie) nicht erhöht.

47.4.1 Hämolytische Anämien

Bei diesen Anämien ist die Erythrozytenüberlebenszeit aufgrund verschiedener angeborener oder erworbener Defekte der Erythrozy-tenmembran oder des Erythrozytenstoffwechsels verkürzt. In vielen Fällen werden die geschädigten Erythrozyten in der Milz abgebaut.

z NotfalltherapieAnders als die aregeneratorische Anämien oder die Eisenmangelan-ämie können hämolytische Anämien zu einem plötzlichen Hämo-globinabfall führen, der eine notfallmäßige Transfusion erfordert. Besonders schwer verlaufen akute intravasale Hämolysen (z. B. bei infektassoziierte immunhämolytische Anämie) und aplastische Krisen (bei allen chronischen hämolytischen Anämien möglich).

435 4747.4 • Normozytäre Anämien

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Die klinische Symptomatik hängt von der Geschwindigkeit des Hä-moglobinabfalls ab. Zur Beurteilung, ob ein Patient mit Hämolyse akut gefährdet ist, kann die Urinuntersuchung beitragen: Bei Urobi-linogenurie oder gar Hämoglobinurie ist in der Regel eine sofortige stationäre Einweisung erforderlich.

Zwei wichtige therapeutische Grundsätze dürfen nicht überse-hen werden:- Bei schweren akuten Hämolysen (Hb <4 g/dl, reduzierter

Allgemeinzustand, und/oder kardiale Insuffizienz) ist immer eine sofortige Transfusion erforderlich. Bei hohem Fieber oder kardiopulmonaler Vorerkrankung kann eine Transfusion auch bei höheren Hb-Werten notwendig sein.- Eisengaben müssen bei hämolytischen Anämien unbedingt vermieden werden. In nahezu allen Fällen ist die Eisenresorp-tion erhöht.

z DiagnostikDie zur definitiven Diagnostik erforderlichen Untersuchungsme-thoden sind aufwendig und sollten erst dann durchgeführt werden, wenn durch einfache Untersuchungen feststeht, dass die Hämolyse wirklich gesteigert ist:- AGLT zur Bestimmung der osmotischen Fragilität der Eryth-

rozyten; EMA,- Coombs-Test,- Erythrozytenenzyme,- Hämoglobinanalyse,- Erythrozytenmembran:- Elektrophoretische Auftrennung nach einzelnen Memb-ranproteinen und quantitative Bestimmung von Spektrin, Ankyrin und Bande 3,- Konzentration von Spektrin-Tetramer und -Dimer,- intraerythrozytäre Na+- und K+-Konzentration.

z KomplikationenDie an dieser Stelle besprochenen Komplikationen können bei allen chronischen hämolytischen Anämien auftreten.

Hämolytische Krisen Die meisten Patienten mit mittelschwerer bis schwerer hämolytischer Anämie erleiden eine bis mehrere hämolyti-sche Krisen meist im Rahmen von viralen Infekten. Sie sind charak-terisiert durch eine Zunahme der Hämolyse und der Gelbsucht und vermutlich auf eine vorübergehende Milzschwellung oder Phagozy-toseaktivierung des retikuloendothelialen Systems zurückzuführen. Bei schnellem Hb-Abfall kann eine Transfusion erforderlich werden.

Aplastische Krisen Die seltenere aplastische Krise führt zu einer ausgeprägten Blässe und einem raschen Abfall der Hb-Konzent-ration. Der ansonsten typische Haut- und Sklerenikterus kann ab-blassen, sodass die typischen Zeichen der Hämolyse fehlen und die Schwere der Krise bisweilen verkannt wird. Die Retikulozyten sind deutlich erniedrigt. Meist ist eine Transfusion erforderlich, da die Hb-Konzentration auf tiefste Werte unter 2 g/dl abfallen und die Patienten an der kardialen Insuffizienz versterben können. Ursache ist meist eine Infektion mit Parvoviren B19. Die Infektion hinterlässt eine lebenslange Immunität, sodass eine aplastische Krise in der Re-gel nur einmal im Leben auftritt. Schwangere sollten den Kontakt meiden, da die intrauterine Infektion mit Parvovirus B19 – wenn auch selten – zu einer fetalen Anämie und Hydrops führen kann. Nach Einzelfallberichten kann bei bekanntem Kontakt zu Ringelrö-teln eine schwere transfusionsbedürftige Krise durch die frühzeitige Gabe eines s.c.- (oder i.v.-)Standardimmunglobulinpräparats (die nahezu alle Anti-Parvovirus-Antikörper enthalten) vermieden wer-

den (z. B. 5 ml Vivaglobin SC). Jedoch wird die aplastische Krise bei den meisten Patienten erst mit Beginn der klinischen Symptome entdeckt, und kurz danach entwickelt der Patient eigene schützende Antikörper. Der Nutzen der Immunglobulingabe ist in den letzteren Fällen meist marginal und sollte vor einer allgemeinen Empfehlung im Rahmen einer klinischen Studie evaluiert werden.

Megaloblastäre Krisen Selten sind megaloblastäre Krisen; sie sind auf unzureichende Zufuhr von Folsäure zurückzuführen, die nicht dem bei gesteigerter Erythropoese erhöhten Bedarf entspricht. Bei Schwangeren und bei Patienten mit einer intestinalen Resorptions-störung oder verminderter diätetischer Folatzufuhr (selten auch in der Regenerationsphase nach aplastischen Krise) ist eine tägliche Folatsubstitution erforderlich.

Gallensteine Aufgrund der gesteigerten Bilirubinproduktion ent-wickeln viele Patienten mit chronisch erhöhter Hämolyse (v. a. mit gleichzeitiger homozygoter Anlage für M. Gilbert-Meulengracht) Pigmentgallensteine bereits im Kindes- und Jugendalter. Die meisten Steine bilden sich in der zweiten bis dritten Lebensdekade. Aufgrund des Risikos einer Cholecystolithiasis und ihrer Komplikationen soll-ten Ultraschallkontrollen bei Patienten mit gesteigerter Hämolyse mindestens alle 3  Jahre sowie vor Splenektomie erfolgen. Sofern Gallensteine Symptome verursachen, ist eine laparoskopische Cho-lezystektomie zu empfehlen. Steine in den ableitenden Gallewegen müssen vorher ausgeschlossen sein.

Hereditäre hämolytische AnämienBedingt durch Stoffwechseldefekte oder Membrandefekte, können sie bereits beim Neugeborenen unter dem Bild des M. haemolyticus neonatorum in Erscheinung treten (▶ Abschn. 47.9.3).

Hereditäre Membrandefekte Membrandefekte sind in Mitteleuropa bei weitem die häufigste Ursache angeborener hämolytischer Anä-mien. Sie werden nach der charakteristischen Erythrozytenmorpho-logie unterschieden:- hereditäre Sphärozytose,- hereditäre Elliptozytose,- hereditäre (Pyro)-Poikilozytose,- südostasiatische Ovalozytose,- hereditäre Stomatozytose,- hereditäre Xerozytose.

Hereditäre Sphärozytose (Kugelzellanämie) Die dominant vererbte hereditäre Sphärozytose ist bei der kaukasischen Rasse die häufigste genetisch bedingte hämolytische Anämie (1 : 5000). Die wichtigsten diagnostischen Kriterien sind neben allgemeinen Zeichen der ge-steigerten Hämolyse der Nachweis von Sphärozyten, eine erhöhte osmotische Fragilität („Acidified Glycerolysis Test“) und vermin-derte Bande-3-Bindung im Eosin-Maleimid-Test (EMA). Eine immunhämolytische Anämie muss ausgeschlossen sein (negativer Coombs-Test). Ca. 15 % der Sphärozytosepatienten haben in den ersten beiden Lebensjahren eine schwere Anämie infolge einer ver-zögert einsetzenden, ineffektiven Erythropoese.

Anhand der unterschiedlichen Hämoglobin- und Bilirubin-konzentration sowie der Retikulozytenzahl unterscheidet man vier Schweregrade (. Tab. 47.6).

k TherapieEine symptomatische Therapie ist in der Regel nicht erforderlich. Ausnahmen sind Erythrozytentransfusionen in den ersten beiden Lebensjahren bei Patienten mit schwerer Sphärozytose, im späteren

Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten436

ein rein laparoskopischer Zugangsweg gegenüber den bisher veröf-fentlichten Daten mit der nahezu vollständigen Splenektomie via Laparatomie überlegen ist.

Die Entscheidung zur nahezu vollständigen Milzentfernung sollte nach sorgfältiger Abwägung der Operationsindikation, mög-lichst nach mehrjähriger Beobachtung durch eine(n) pädiatrische(n) Hämatolog-en/in, unter Berücksichtigung des Risikos einer postope-rativen Infektion sowie der Bereitschaft des Patienten und seiner El-tern zu einer postoperativen antibiotischen Prophylaxe im Konsens zwischen pädiatrische(r)m Hämatolog-en/in, Kinderchirurg und Patient/Eltern getroffen werden.

Patienten, die nahezu vollständig und nichtvollständig splenek-tomiert werden sollten:- mit der seltenen schweren oder sehr schweren Sphärozytose,

bei denen die Milz wegen regelmäßigem Transfusionsbedarf und Organhämosiderose vor dem 6. Lebensjahr entfernt wer-den muss,- die zusätzlich an einer Immunschwäche leiden,- bei denen die Compliance für eine postoperative Antibiotikap-rophylaxe nicht gegeben ist oder- ein erhöhtes Infektionsrisiko aufweisen (z. B. Auslandsaufent-halt in einem Land mit erhöhter Pneumokokkenresistenz oder Malariaendemiegebiet).

Eine Indikation zur nahe vollständigen Splenektomie kann im Ein-zelfall auch bei Patienten mit erheblicher Milzvergrößerung gegeben sein, die intensiv Sport betreiben (z. B. Kampfsportarten, Ballspiel, Radrennfahren) und daher ein erhöhtes Risiko für eine Milzruptur aufweisen.

Bei mittelschweren Formen und schweren Verläufen >6. LJ. kann das Operationsverfahren individuell nach kritischer Abwägung der potenziellen Vor- und Nachteile oder Risiken (z. B. kürzere Antibio-tikaprophylaxe nach nahezu vollständiger Splenektomie) entschie-den werden.

Sofern Gallensteine zum Zeitpunkt der Splenektomie nachge-wiesen werden, sollte eine gleichzeitige Cholezystektomie erfolgen.

Verlauf bei aplastischen Krisen. Eine Transfusion sollte in der Regel erst bei einem Hämoglobinabfall unter 5–6 g/dl und/oder entspre-chender klinischer Symptomatik erfolgen. Bei Neu- und Frühgebo-renen gelten altersabhängig höhere Transfusionsgrenzen.

Bei bekanntem chronischen Verlauf und akut verstärkter Hä-molyse (Hb <5 mg/dl) kann zur Vermeidung einer Bluttransfusion eine passagere Milzblockade mit hochdosiertem Predniso(lo)n ver-sucht werden. Der Autor verordnet in diesen Fällen Rektodelt-Supp. 100 mg (wiederholte Gabe nach 1–2 Tagen möglich).

z SplenektomieDie Milzentfernung führt fast immer zu einer vollständigen Norma-lisierung des Hb und der Retikulozytenzahl; lediglich bei Patienten mit sehr schwerer Sphärozytose kann eine leicht gesteigerte Hämolyse fortbestehen. „Therapieversager“ sind darauf zurückzuführen, dass Nebenmilzen bei der Operation übersehen wurden oder die Diag-nose falsch war. Die Milzentfernung sollte möglichst nicht vor dem 6. Lebensjahr erfolgen (auf keinen Fall vor dem 3. Lebensjahr). Da 0,1–0,4 % der Patienten an einer schweren Postsplenektomie-Infektion (v. a. Pneumokokkensepsis und -Meningitis) versterben, sollte die Milz nur nach wiederholten Transfusionen oder bei eingeschränkter Leis-tungsfähigkeit (. Tab. 47.6) entfernt werden. Aufgrund des lebenslang erhöhten Risikos einer foudroyanten Sepsis und der zunehmenden Antibiotikaresistenz von Pneumokokken ist dabei die subtotale Milz-resektion der vollständigen Entfernung vorzuziehen. Die subtotale Milz führt zu einer langfristigen Normalisierung der Hämoglobinkon-zentration (Beobachtungszeitraum bis zu 14 Jahren) und deutlichen Verminderung der gesteigerten Hämolyse. Der verbleibende Milzrest sollte möglichst klein sein (postoperativer Milzrest 10 ml unabhängig von der präoperativen Größe), um Nachresektionen zu vermeiden.

Für die Abwägung des bestmöglichen Operationsverfahrens sind letztlich entscheidend die Sicherheit der Operation und das Lang-zeitergebnis mit ausreichender Milzgröße, aber ohne spätere Not-wendigkeit einer Nachresektion. Um zukünftig eine Vergleichbarkeit der postoperativen Verläufe sicher zu stellen, sollten verbleibende Restmilzgrößen definiert werden. Bisher gibt es keinen Anhalt, dass

. Tab. 47.6 Klinische Schweregrade der hereditären Sphärozytose und Indikation zur Splenektomie. (Mod. nach Eber et al. 1990 und Eber u. Lux 2004)

Leichte HS Mittelschwere HS Schwere HSa Sehr schwere HSb

Anteil an Patienten (%) 25–33 60–70 ≈10 3–4

Hämoglobin (g/dl) 11–15 8–11 6–8 <6

Retikulozyten (%) 1,5–6 ≥6 ≥10 (meist >15)c ≥10

Bilirubin (mg/dl) 1–2 ≥2 >2–3 ≥3

Sphärozyten u. a. im Blutausstrich

Oft nur vereinzelt Deutlich vermehrt Deutlich vermehrt Mikrosphärozyten und Poikilozyten

Transfusionend 0–1 0–2 ≥3 Regelmäßig

Indikation zur nahezu vollständigen Splenek-tomie

Meist nicht erforderlich Bei mehreren hämoly-tischen Krisen (Hb <8 g/dl; >2 Transfusionen; oder ausgeprägter Leistungs-minderung

Alle Patienten, nicht vor dem 6. Jahr

Alle Patienten, nicht vor dem 6. Jahr

a Patienten benötigen in den ersten beiden Jahren gehäufte, z. T. regelmäßige Transfusionen

b Patienten müssen regelmäßig transfundiert werden um einen Hämoglobinwert über 6 g/dl zu halten

c Die Retikulozyten sind infolge der verzögert einsetzenden Erythropoese z. T. nur mäßig erhöht

d jenseits der Neugeborenenperiode

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chronischer hämolytischer Anämie, bei denen auch mit den in der . Tab. 47.7 als bedingt einsetzbar gekennzeichneten Medikamenten hämolytische Krisen ausgelöst werden können. In Einzelfällen (bei hohem Fieber, bekannten Fieberkrämpfen oder schwerem Krank-heitsbild) sollte aber nicht auf eine Antipyrese – am besten mit Pa-racetamol – verzichtet werden. Eine Splenektomie ist nur bei den Pa-tienten mit dem sehr seltenen und schweren Enzymdefekt indiziert. Heterozygote Frauen mit einer Restaktivität >15 % brauchen in der Regel keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen beachten.

Medikamente, die möglicherweise eine Hämolyse verursachen:- Für Trimethoprim (ohne Sulfomethoxazol) werden in der deutschen Fachinformation unterschiedliche Angaben gemacht: für den Saft (z. B. Infectotrimet) wird keine Kontra-indikation angegeben; für Cotrim-Tbl wird ein angeborener Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel der Erythrozyten, Hämoglobinanomalien wie Hb Köln und Hb Zürich als Ge-genanzeige angegeben; es wird sicher mit einer hämolytischen Reaktion in Zusammenhang gebracht.

Hereditäre Elliptozytose Obwohl die Elliptozytose relativ häufig ist (1 : 2500 in der nordeuropäischen Bevölkerung) ist ihre klinische Bedeutung gering, da die meisten Anlageträger keine Symptome zei-gen. Nur etwa 10 % der Patienten weisen Zeichen einer gesteigerten Hämolyse auf. Besonders in der Neugeborenenperiode kann dabei eine schwere transfusionsbedürftige poikilozytäre hämolytische Anämie (Elliptozytose mit infantiler Poikilozytose) auftreten. Die Splenektomie ist nur bei wenigen Patienten mit schwer verlaufender chronischer Elliptozytose und (Pyro)-Poikilozytose erforderlich. Da sich die Hämolyse oft in den ersten Jahren zurückbildet, sollte der Eingriff auf keinen Fall vor dem dritten und möglichst nicht vor dem sechsten Lebensjahr erfolgen.

Hereditäre Stomatozytose und Xerozytose Beide Anämien sind auf eine gestörte Kationenpermeabilität der Erythrozytenmembran zu-rückzuführen. Die Erythrozyten sind makrozytär. Da die Ätiologie ausschließlich eine gesteigerte Hämolyse ist, werden sie in diesem Abschnitt behandelt. Die Splenektomie führt bei Patienten mit der schweren hereditären Stomatozytose zu einer Besserung der Hämo-lyse; es können jedoch auch nach Splenektomie transfusionsbedürf-tige aplastische Krisen auftreten. Bei der sehr seltenen hereditären Xerozytose führt die Splenektomie nicht zu einer Besserung der Hä-molyse. Da nahezu alle Patienten mit Stomatozytose und Xerozytose z. T. Jahre nach der Splenektomie rezidivierende Thromboembolien erleiden und an einer pulmonalen Hypertonie sterben können, ist die vollständige Milzentfernung kontraindiziert; nach eigener Erfahrung kann auch nach teilweiser Milzentfernung ein Verschluss großer Kör-pervenen auftreten. Die Milzentfernung kann daher nur bei zwingen-der Indikation (ausgeprägter Hypersplenismus) diskutiert werden; vermutlich ist postoperativ eine lebenslange Antikoagulation (z. B. Markumar) zu empfehlen. Patienten mit der Xerozytose erleiden in-trauterin einen z. T. schweren Chylaszites, der nach der Geburt rasch rückläufig ist. Intrauterine Transfusionen können erforderlich sein.

Enzymdefekte der ErythrozytenEs gibt Defekte- der Glykolyse,- des Nukleotidstoffwechsels,- des Pentosephosphatzyklus,- des Glutathionstoffwechsels.

Glukose-6-Phosphatdehydrogenase (G6PD)-MangelDer Glukose-6-Phosphatdehydrogenase (G6PD)-Mangel, ein Defekt des Pentosephosphatzyklus, ist weltweit der häufigste Enzymdefekt. Er verursacht in der Regel passagere hämolytische Krisen, die durch oxidierende Nahrungsmittel oder Medikamente ausgelöst werden. Im Neugeborenenalter manifestiert sich der G6PD-Mangel häufig mit einem Ikterus gravis ohne schwere Hämolyse. Selten gibt es Vari-anten der G6PD mit sehr niedriger Restaktivität, die ohne besondere Exposition eine chronische hämolytische Anämie verursachen.

Die schwerste Komplikation einer hämolytischen Krise ist akutes Nierenversagen (bei Kindern selten). Während der Krisen sollte auf eine ausreichende Urinproduktion geachtet werden; das Nierenver-sagen kann eine temporäre Hämodialyse erfordern.

k TherapieDie wichtigste Maßnahme ist die Vermeidung oxidierender Medi-kamente und Nahrungsmittel, die eine hämolytische Krise auslösen können (. Tab. 47.7). Viele Medikamente können in normaler the-rapeutischer Dosierung bei Patienten mit G6PD-Mangel, die keine chronische Hämolyse aufweisen, angewandt werden. Eine Ausnahme bilden die sehr seltenen Patienten mit schwerem Enzymdefekt und

. Tab. 47.7 Medikamente, Chemikalien und Nahrungsmittel bei Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel

Hämolyse erzeugen und daher zu meiden

Gabe in normaler therapeutischer Dosierung erlaubt(Ausnahme: Glukose-6-Phosphatdehy-drogenase-Mangels mit chronischer, nichtsphärozytärer hämolytischer Anämie)

AcetanilidDapsonDimercaprolFavabohnenGlibenclamidMetamizolMethylenblauNailidixinsäureNaphthalinNiridazolNitrofurantoin (Fur-adantin)Pamaquin PhenylhydrazinPrimaquinSulfanilamidSulfacetamidSulfadimidinSulfapyridinSulfamethoxazolSulfasalazinSulfoxonThiazolsulfonToluidinblauTrinitrotoluolUratoxidase

AzetylsalizylsäureAmidopyrinAntazolinAntipyrinAscorbinsäureChinidinChininChloramphenicolChloroquinColchicinDiphenhydraminIsoniazidL-DopaMenadiolnatriumbisulfit p-AminobenzoesäureParacetamolPhenacetinPhenylbutazonPhenytoinProbenecidProcainamidhydrochloridProguanilPyrimethaminStreptomycinSulfadiazinSulfaguanidinSulfamerazinSulfamethoxypyridazinSulfisoxazolTrihexyphenidylTrimethoprimTripelennaminVitamin-K-Analogaa

a Phytomenadion (Konakion) kann zur Vitamin-K-Prophylaxe bei Neugeborenen gegeben werden

Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten438

HämoglobinopathienAls Hämoglobinopathien im engeren Sinne werden Erkrankungen bezeichnet, bei denen aufgrund eines Gendefekts eine bestimmte Aminosäure einer Polypeptidkette des Hämoglobins durch eine an-dere Aminosäure ersetzt ist. Defekte der β-Ketten können schwere hämolytische Anämien bewirken, Defekte der α- und γ-Ketten spielen klinisch nur eine untergeordnete Rolle. Die meisten der bisher bekannten Hämoglobinvarianten sind mit Hilfe der Hämo-globinchromatographie und isoelektrischer Fokussierung nach-weisbar.

SichelzellerkrankungZu den Sichelzellerkrankungen rechnet man nicht nur die homozy-gote HbSS-Erkrankung, sondern auch die sog. Compound hetero-zygoten Formen wie HbS β0Thal, HbSβ+Thal, HbSC, HbSD, HbSLe-pore, Hb OArab. Die Patienten sollten an die Sichelzellstudie (Dr. R. Dickerhoff, Düsseldorf) gemeldet werden. Es gibt eine Interessenge-meinschaft Sichelzellzellkrankheit und Thalassämie e. V.

Bei Patienten mit normozytärer (seltener auch mikrozytärer) Anämie, Retikulozytose, und rezidivierenden Knochenschmerzen (v. a. Beinschmerzen), die aus Risikoländern für Sichelzellerkran-kungen kommen (Türkei, Griechenland, Sizilien, mittlerer Osten, Afrika), muss an eine Sichelzellerkrankung gedacht werden.

z DiagnoseDie Diagnose kann durch die Hb-Analyse (HPLC, Elektrophorese) in einem Speziallabor leicht gestellt werden. Eine Bestätigung der Diagnose durch molekulargenetische Untersuchungen ist über-flüssig. Pränatal kann die Sichelmutation im Chorionzottengewebe oder in Amniozyten rasch nachgewiesen werden. Die Hämoglobin-F-Konzentration ist der wichtigste Faktor für den Schweregrad der Erkrankung: Patienten mit einer Hämoglobin-F-Konzentration von mehr als 10 % haben weniger ZNS-Ereignisse, diejenigen mit HbF >15–20 % weniger Schmerzkrisen als Patienten mit einem niedrige-ren HbF-Gehalt. Die Erkrankung wird autosomal rezessiv vererbt: die heterozygote Anlage für HbS macht in der Regel keine klinischen Symptome.

z ProphylaxeNach Diagnosestellung sind die wichtigsten prophylaktischen Maß-nahmen die Instruktion der Eltern zur Milzpalpation bei fieberhaften Infekten (Milzsequestrationskrise bei Säuglingen und Kleinkindern), die Pneumokokkenimpfung und die tägliche Penizillinprophylaxe bis zum 5. Lebensjahr.

z SymptomatikDie Sichelzellkrankheit ist eine Multiorgankrankheit. Im Vorder-grund stehen Gefäßverschlusskrisen (Schmerzkrisen, hauptsächlich im Knochen lokalisiert, ZNS-Infarkte) und Sequestrationskrisen (Milzsequestration, akutes Thoraxsyndrom, Priapismus). Die funk-tionelle Asplenie, die bei den meisten Sichelzellpatienten bereits im 1. Lebensjahr durch häufig abgelaufene Gefäßverschlüsse besteht, prädisponiert zu gehäuften Infektionen (Pneumonie, Meningitis, Os-teomyelitis), v. a. durch Kapselbakterien. Aplastische Krisen treten bei Parvovirus-B19-Infektionen auf.

k Therapie z Therapieprinzip

Die Therapie der Sichelzellerkrankung ist komplex und sollte unter Leitung eines erfahrenen pädiatrischen Hämatologen erfolgen. Ak-tuelle Therapieempfehlungen können unter ▶ www.haemoglobin.uni-bonn.de oder ▶ www.SCInfo.org/nihnewcontents.htm abgefragt

- Auf Aspirin kann in der Regel verzichtet werden, da das unbe-denkliche Paracetamol zur Verfügung steht.- Ciprofloxazin und Ascorbinsäure und Chloramphenicol sollten wegen möglicher hämolysierender Wirkung nicht verabreicht werden.- Für Sulfadoxin (Fansidar) ist keine hämolysierende Wirkung bekannt.

GlykolysedefekteUnter den Glykolysedefekten ist der Pyruvatkinase-(PKM1)-Man-gel am häufigsten (ca 1 : 20.000). Im Gegensatz zu der hereditären Sphärozytose ist die osmotische Fragilität der Erythrozyten nicht erhöht und die Patienten haben auch nach Splenektomie eine deut-lich gesteigerte Hämolyse. PK ist das Schlüsselenzym der Glykolyse und der entscheidende energiegewinnende Schritt. Die Enzymak-tivität ist allosterisch reguliert. Tumorzellen beziehen ihre Energie weitestgehend aus der aeroben Glykolyse, d. h. sie nutzen auch in Anwesenheit von Sauerstoff keine mitochondriale Atmungskette. Die Umstellung vom normalen adulten PKM-1-Isoenzym auf die phosphotyrosinkinase bindende fetale Isoform PKM2 hat eine wich-tige Bedeutung in der Tumorgenese. Die Hemmung oder Förderung der PK-Aktivität durch spezifische Inhibitoren (Antikörper) oder Aktivatoren ist möglich. Es kann sein, dass die spezifische Hemmung der PKM2 (bei Tumorzellen) vice versa die spezifische Förderung der PKM1 (bei hämolytischen PK-Mangel-Anämien) in Zukunft eine wichtige Rolle in der Enzymtherapie spielen.

Der Pyrimidin-5'-Nucleotidase-Mangel (Kennzeichen: baso-phile Tüpfelung) kommt meist bei Südeuropäern vor. Andere De-fekte der Glykolyse und des Nukleotidstoffwechsels sind sehr selten (Glukosephosphat-Isomerase-, Triosephosphat-Isomerase-Mangel u. a.). Das wichtigste diagnostische Kriterium aller Enzymdefekte der Glykolyse ist die chronische nichtsphärozytäre hämolytische Anämie. Die Milz ist in unterschiedlichem Ausmaß vergrößert. Bei einzelnen Glykolyseenzymdefekten (Aldolase, Glukosephosphat-Isomerase, Phosphofruktokinase, Phosphoglyzeratkinase) können neben der gesteigerten Hämolyse eine Myopathie (z. T. mit infektbe-dingten Rhabdomyolysen und belastungsabhängigen Muskelkrämp-fen) sowie eine psychomotorische Retardierung auftreten.

Patienten mit dem sehr seltenen Triosephosphatisomerase-mangel erkranken neben der Hämolyse immer an einer schweren neuromuskulären Störung (Ataxie, Myopathie, spastische Zereb-ralparese). Der Nachweis der einzelnen Enzymdefekte ist nur in spezialisierten Laboratorien möglich (Hämatologische Labora-torien der Universitätskinderkliniken Würzbug, Ulm, Aarau und Zürich).

k TherapieNur bei ausgeprägter Anämie mit kurzfristig notwendigen Bluttrans-fusionen ist die Splenektomie angezeigt. Obwohl der hämolytische Prozess weiterbesteht, ist nach der Entfernung der Milz in vielen Fällen keine Bluttransfusion mehr notwendig. Der Eingriff sollte möglichst nicht vor dem 6. Lebensjahr vorgenommen werden. Eine gute Kompensation bei Hämoglobinkonzentrationen zwischen 8 und 10 g/dl ist zu erreichen.

Pathognomonisch für den Pyruvatkinasemangel ist nach der Splenektomie ein dauerhafter Anstieg der Retikulozytenzahlen auf Werte um 500 % und darüber. Bei Patienten mit Pyruvatkinaseman-gel wurden gehäuft Thrombosen nach Splenektomie beobachtet, so-dass eine längerfristige Thromboseprophylaxe mit Aspirin (1–2 mg/kgKG) sinnvoll ist.

Bei Patienten mit Triosephosphatisomerasedefekt ist die Sple-nektomie nicht indiziert.

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gesbedarf i.v.), ausreichende Analgesie sowie die Behandlung auslö-sender Faktoren. Wenn möglich sollte der Patient die Flüssigkeit bei leichten Schmerzen und vorhandenen Darmgeräuschen p.o. oder per Magensonde bekommen. Bei starken Schmerzen oder fehlenden Darmgeräuschen muss eine i.v. Hydrierung mit Glukose 5 %, 50 mM NaCl-Lösung erfolgen. Ein Stufenschema zur Analgesie: . Tab. 47.8.

Transfusion Die einmalige Bluttransfusion ist bei großen Milzse-questrationskrisen, Infekten (Pneumonie, Osteomyelitis u. a.), aku-tem Thoraxsyndrom und vor größeren operativen Eingriffen (nicht bei Schmerzkrise!) indiziert. Der Hämoglobinwert muss dabei vor-sichtig und nicht über 10 g/dl angehoben werden. Die Indikation zum Blutaustausch wird heutzutage zurückhaltend gestellt. Nur in therapierefraktären, schweren Krisen mit drohendem Organver-sagen ist eine partielle Austauschtransfusion erforderlich; Ziel ist es, eine Hämoglobinkonzentration von 12–14 g/dl bei einem HbS-Gehalt von 20–30 % zu erreichen. Nach allen Eingriffen ist auf eine gute Oxygenierung (O2-Sättigung >90 % bis der Patient völlig wach ist), Vermeidung von Hypoventilation durch Atemphysiotherapie und ausreichende Schmerzmedikation zu achten.

Akute ZNS-Infarkte stellen eine Notfallsituation dar, bei der eine Austauschtransfusion erfolgen muss. Anschließend ist ein Transfusi-onsregime in 3- bis 4-wöchentlichen Abständen erforderlich. Ziel ist es, die HbS-Konzentration unter 30 % zu senken. Neuerdings wird auch für Patienten ohne zerebralen Insult eine regelmäßige Mes-sung der zerebralen Flussgeschwindigkeiten mittels transkranieller Doppleruntersuchung empfohlen. Dieses kritische Verfahren sollte auf wenige Zentren mit spezieller Expertise bei Sichelzellpatienten beschränkt bleiben. Patienten mit pathologisch erhöhten Flussraten können von einem zeitlich limitierten Transfusionsregime profitie-ren.

Andere HämoglobinopathienWie z. B. Hb Köln und instabile Hämoglobine sind seltene Ursachen einer chronisch hämolytischen Anämie. Die Splenektomie führt zu einer mäßigen Besserung.

Extrakorpuskulär bedingte hämolytische AnämienImmunologische GeneseMedikamente, Infektionen (atypische Pneumonien, infektiöse Mo-nonukleose, Hepatitis, Windpocken, Masern, Mumps), Allgemei-nerkrankungen, z. B. Lupus erythematodes, Dermatomyositis und Periarteriitis sowie Tumoren können die Bildung von Antikörpern bewirken, die normale Erythrozyten vorzeitig zerstören. In der Mehrzahl der Fälle ist der Mechanismus, der zur Antikörperbildung führt, jedoch unbekannt. Die Erkrankungen werden dann als „au-toimmunhämolytische Anämien“ bezeichnet.

Medikamente können ihre Wirkung auf zweierlei Art entfalten: Durch Bindung an die Erythrozyten kann ein neues Antigen ent-stehen, das die Antikörperbildung in Gang setzt. Antikörper wer-den nur während der Exposition gebildet und nur in diesen Phasen ist der Antiglobulin-Coombs-Test positiv. Chinin, Chinidin, Phe-nacetin, einige Insektizide, Penicillin und Cephalotin gehören in diese Gruppe. In anderen Fällen, z. B. bei α-Methyldopa, kann der Coombs-Test monatelang positiv sein, ohne dass eine Hämolyse auf-tritt. Der unmittelbare Anlass für die Zerstörung der Erythrozyten ist unbekannt.

z DiagnostikAuf ein immunologisches Geschehen weist der positive Coombs-Test hin. Zur Beurteilung der Prognose und zur Klassifizierung ist eine Charakterisierung der Antikörper erforderlich. Die wichtigsten

werden. Die folgenden verschiedenen Therapiestufen sind in Ab-hängigkeit vom Schweregrad angebracht:1. Verhinderung von Gefäßverschlusskrisen mittels Hydroxycor-

bamid2. Vermeiden von Kälte und Dehydrierung3. Vermeidung sowie rechtzeitige und ausreichende Behandlung

von Infektionen (funktionelle Asplenie!)4. Ausreichende Schmerzmedikation bei Gefässverschlusskrisen

(Stufenschema: . Tab. 47.8)5. Breitbandantibiotikatherapie bei Verdacht auf Sepsis, Osteomy-

elitis (Salmonellen oder akutem Thoraxsyndrom)6. Transfusion bei großen Milzsequestrationen, aplastischer Krise,

akutem Thoraxsyndrom, vor großen Operationen; selten auch bei Schmerzkrisen ohne Ansprechen auf Analgesie

7. Ein chronisches Transfusionsregime (Ziel: HbS <30 %) ist in-diziert nach durchgemachtem ZNS-Infarkt, Niereninsuffizienz und Lungenfibrose mit pulmonalem Hypertonus

8. Bei schweren Verlaufsformen ist die Knochenmarktransplanta-tion indiziert, sofern ein HLA-identer Spender zur Verfügung steht

Hydroxycarbamid Die wesentliche Neuerung in der Therapie ist die Empfehlung zur frühen Einführung von Hydroxycarbamid (früher: Hydroxyurea, HU). Hydroxycarbamid wirkt durch eine Erhöhung der HbF-Konzentration und eine verminderte Endothelädhäsion der „sticky“ Sichelzellen. In Deutschland gibt es drei kommerzielle Präparate: Litalir, Syrea und Siklos. Siklos ist wesentlich teurer, bietet aber bessere Dosierungsmöglichkeit und ist, im Gegensatz zu Litalir und Syrea, für die Behandlung von Sichelzellpatienten zugelassen. Gemäß Expertenmeinung ist der Einsatz von HU bei wiederkehren-den Schmerzkrisen oder gar einem akuten Thoraxsyndrom ab dem 2. Lebensjahr gerechtfertigt. Die Verbesserung der Hämatologie ist bei Kindern und Erwachsenen im gleichen Maß eindrucksvoll: An-stieg von Hb (12 g/l); Anstieg von Hämoglobin F (9,6 %); Abfall der Retikulozyten (-146.000/ml), Abfall von LDH (-310 U/l). Die The-rapie sollte mit 20 mg/kgKG p.o. begonnen werden. Sinnvoll ist eine Kontrolle des Blutbilds alle 4 Wochen. Die Zieldosis (meist zwischen 25–30 mg/kgKG) richtet sich nach der Verminderung der Neutro-philenzahl, die zwischen 2000–4000/mml liegen sollte. Wichtigstes Ziel der frühen Therapie ist die Verhinderung von zerebrovaskulären Verschlüssen.

Indikationen zur Hydroxycarbamidtherapie sind:- häufige/schwere Schmerzkrisen (beeinträchtigter Alltag!!),- akutes Thoraxsyndrom,- ständige schwere Anämie (Hb < 6 g/dl),- pathologische TCDS, wenn keine Stenosen,- chronische Nierenschäden,- pulmonale Hypertension.

Infektionsprophylaxe Bei unklaren fieberhaften Infekten ist eine breite antibiotische Therapie unter besonderer Berücksichtigung der Problemkeime (Pneumokokken, Hämophilus influenzae, Sal-monellen, Staphylokokken) angezeigt. Eine kontinuierliche Penicil-linprophylaxe (ab dem 4. Lebensmonat bis mindestens zum 5. Le-bensjahr) und Pneumokokkenimpfungen gemäß STIKO-Schema (ab der 6. Woche mit konjugiertem Impfstoff; nach dem 2. Lebensjahr kann eine Boosterimpfung mit Polysaccharidpneumokokkenimpf-stoff indiziert sein) sind unerlässlich.

Analgesie Die Grundprinzipien der Therapie von Schmerzkrisen sind reichliche Hydrierung (1- bis 1½-facher Tageserhaltungsbedarf i.v.; Ausnahme: bei Lungenbeteiligung nie mehr als einfacher Ta-

Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten440

Gabe von gewaschenen Erythrozyten kann bei Verwendung gepackter Erythrozytenkonzentrate in der Regel verzichtet werden. Bei schneller und starker Anämisierung ist eine Erythrozytentransfusion in jedem Fall erforderlich, auch wenn keine voll kompatible Konserve gefunden wird. In diesen Fällen empfiehlt sich die Gabe einer kleinen Menge von Immunglobulinen (0,1 g/kgKG) und von Prednison (2 mg/kgKG) vor der Transfusion (▶ Kap. 170). Besonders bei den akuten parain-fektiösen hämolytischen Anämien hat sich die i.v.-Gabe von hochdo-sierten γ-Globulinen (2 × 1 g/kgKG) bewährt. Die Verwendung von gewaschenen Erythrozyten wird nicht mehr empfohlen. Beim Nach-weis von Kälteantikörpern muss die Transfusion bei 37 °C erfolgen.

Bei chronischen Formen ist die Behandlung mit Glukokortiko-iden, 2 mg Prednisolon/kgKG/Tag, erforderlich. Die Verabreichung sollte kontinuierlich und die Dosisreduktion langsam unter Kon-trolle der Hämolyseparameter erfolgen. Bei Steroidresistenz oder sehr hohem Steroidbedarf wird vor der Splenektomie der mono-klonale anti-CD20-Antikörper (Rituximab Mabthera) eingesetzt (4 × 375 mg/m2 im Abstand von jeweils einer Woche).

Alternativ ist bei Nachweis von IgG-Wärmeautoantikörpern frühestens nach ½ Jahr die Splenektomie indiziert. Versagt die Sple-nektomie (in etwa 50 % der Fälle), kommt ein Versuch mit immun-suppressiver Therapie (Azathioprin, Cyclophosphamid, Vincristin) oder eine Plasmapherese (Immunadsorption mit Protein-A-Säule) in Frage. Die autologe oder allogene Knochenmarktransplantation bleibt den wenigen, schweren Fällen vorbehalten, die auf die oben beschriebenen Medikamente oder Maßnahmen nicht ansprechen. Der mögliche Einsatz des neuen komplementbindenden Antikör-pers Eculizumab bei Hämolysen mit Komplementaktivierung wird in ▶ „Nichtimmunologische Genese“ besprochen.

sind komplementbindende biphasische (d. h. Hämolyse bei 37 °C nach Vorinkubation in der Kälte) Donath-Landsteiner-Antikörper vom IgG-Typ (paroxysmale Kältehämoglobinurie meist akut nach einer Virusinfektion im Kleinkindalter) und inkomplette Wärme-antikörper vom IgG-Typ (Lupus erythematodes, Infektionen, unbe-kannte Ursache). Die komplementverbrauchenden Kälteagglutinine vom IgM-Typ (meist nach Mykoplasma pneumoniae, gelegentlich nach Epstein-Barr-Virus- oder Rubella-Infektion) können selten auch im Kindesalter vorkommen; eine dabei auftretende Anämie heilt meist spontan in 3–4 Wochen aus (diagnostisch bedeutsam ist eine beschleunigte Blutsenkung in der Kälte!).

Immunologisch bedingte hämolytische Anämien sind bei Kin-dern seltener als bei Erwachsenen. Sie kommen jedoch in jedem Alter vor.

z VerlaufAkute hämolytische Krisen werden durch Medikamente und Infek-tionen ausgelöst. Sie sind von Fieber, Erbrechen, Leibschmerzen, Hämoglobinurie und Ikterus begleitet. Die Milz ist meistens nur ge-ring vergrößert. Der chronische Verlauf ist häufiger bei malignen Er-krankungen, bei Kollagenosen und bei den idiopathischen Formen. Besonders ungünstig ist die Kombination mit Autoimmunthrombo-zytopenie (Evans-Syndrom). Aplastische Krisen sind keine seltene Komplikation. Die Anämie ist normochrom und normozytär; die Retikulozytenzahl kann erhöht oder erniedrigt sein.

k TherapieDie Beendigung der Exposition mit Medikamenten bzw. die Bekämp-fung von Infektionen ist der erste Schritt der Behandlung. Auf die

. Tab. 47.8 Stufenschema zum Analgetikaeinsatz bei Sichelzellpatienten mit Schmerzkrisen

Maximale Dosis (mg) Applikation Intervall

A Leichte Schmerzen

Paracetamol 15–20 mg/kgKG/Dosis p.o. Alle 4 h

Novalgin 8–16 mg/kgKG/Dosis p.o. Alle 4 h

Ibuprofen 10 mg/kgKG/Dosis p.o. Alle 8 h

B Mäßig schwere Schmerzen

Eines der unter A genannten Analgetika plus Kodeina

1 mg/kgKG/Dosis p.o. Alle 4 h

Tramadolb 1–2 mg/kgKG/Dosis p.o. Alle 4–6 h

C Schwere Schmerzen

Eines der unter A genannten Analgetika plus Morphin

c,d

0,1–0,15 mg/kgKG/Dosis i.v. Alle 1–2 h

Evtl. Dauerinfusion Morphin (0,05 mg/kgKG/h) oder patientenkontrollierte Analgesie

i.v. Kontinuierlich

Beachte: Bei Besserung Reduktion der Einzeldosis, nicht Änderung der Zeitintervalle!

a 10 % aller Menschen haben einen Enzymmangel, der die Metabolisierung von Kodein zu Morphin verhindert, d. h. bei diesen Menschen ist Kodein wirkungslos. In dieser Situation sollte statt Kodein Tramadol verschrieben werden: 1–2 mg/kgKG alle 4–6 h.

b Nach eigener Erfahrung ist die Kombination von Novalgin und Tramadol bei mäßig schweren Schmerzen wirksam.

c Unter i.v.-Gabe von Opiaten muss eine Hypoventilation vermieden werden. Geeignete Maßnahmen sind Atemgymnastik bzw. Blähen der Lunge mit Spirometer alle 2–3 h.

d Wenn Schmerzen abnehmen, parenterale Dosis um 10–20 % reduzieren, Zeitintervall aber beibehalten. Umsetzen auf orale Analgetika, wenn 50 % der initialen parenteralen Dosis erreicht ist. Morphin nicht abrupt absetzen, sondern ausschleichen. Wenn Patienten sehr schnell die Klinik verlassen wollen, nicht einige Tage Oxygesic (Retard-Codein) oder MST (orales Morphin-Retarddpräparat) geben

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dieser Gruppe sind normochrom und normozytär. Das wesentliche Kennzeichen der ungenügenden Regeneration ist eine niedrige Re-tikulozytenzahl. Wir unterscheiden im Kindesalter im Wesentlichen drei Erkrankungen:- akute transitorische Erythroblastophthise (transitorische Ery-

throblastopenie),- kongenitale hypoplastische Anämie (Diamond-Blackfan),- aplastische Krise bei hämolytischen Anämien.

Darüber hinaus gibt es erworbene hypoplastische Anämien bei an-deren Grunderkrankungen (renale Anämie, Frühgeborenenanämie).

Akute transitorische ErythroblastophthiseDie transitorische Erythroblastopenie manifestiert sich im Kleinkin-desalter (2.–5. Lebensjahr) 4–6 Wochen nach einem vorausgegan-genen viralen Infekt. Diese isolierte passagere Störung der Erythro-zytenbildung ist im Kindesalter nicht selten. In der Regel kommen die Kinder wegen starker Blässe mit Hämoglobinkonzentrationen von 4–5 g/dl zum Arzt. Die Kinder sind sehr blass, meist nur wenig beeinträchtigt.

z DiagnoseDie Diagnose ist leicht, wenn die Retikulozyten fehlen und keine zusätzlichen Befunde (Lymphknotenvergrösserung, Hepatosple-nomegalie, erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit/CRP u. a. nach vorausgegangenem Infekt) vorliegen. Bei gleichzeitiger Neutrozy-topenie und/oder Thrombozytopenie sollte eine Knochenmarkas-piration erfolgen, um eine Leukämie auszuschließen. Falls dysplas-tische Veränderung der Hämatopoese (z. B. Pelger Huet, anomale Normoblasten, Riesenthrombozyten) im peripheren Blut auffallen, ist eine Knochenmarkbiopsie zum Ausschluss einer Myelodysplasie) vorzuziehen! Eine Verwechslung mit einer hämolytischen Anämie kann auftreten, wenn die Patienten im Stadium der Regeneration mit erhöhter Retikulozyten zur Untersuchung kommen.

k TherapieAnders als bei den hämolytischen Anämien sinkt der Hämoglo-binwert nur langsam, d. h. mit 1 g/dl pro Woche ab. Bei gesicherter Diagnose kann auf Bluttransfusionen verzichtet werden, da mit der regelmäßig einsetzenden Spontanremission die Hämoglobinkonzen-trationen innerhalb weniger Wochen auf normale Werte ansteigen. Andererseits darf mit der Transfusion nur gewartet werden, solange keine Zeichen einer Herzinsuffizienz erkennbar sind. Sie können sich bei ausgeprägter Anämisierung im Rahmen zusätzlich auftretender Infekte rasch entwickeln. Die Gabe von Glukokortikoiden ist nicht angezeigt.

Aplastische Krise bei hämolytischer AnämieDie wichtigste Differenzialdiagnose der transitorischen Erythro-blastopenie ist die aplastische Krise bei chronischen hämolytischen Anämien, besonders bei hereditärer Sphärozytose, bei autoimmun-hämolytischen Anämien und bei nichtsphärozytären hämolytischen Anämien. Ob es sich um eine aplastische Krise bei hämolytischer Anämie oder um eine transitorische Erythroblastopenie bei sonst gesunden Kindern handelt, kann häufig erst nach Überwinden der Krise entschieden werden.

Aplastische Krisen stellen eine ernste und nicht so seltene Kom-plikation bei chronischen hämolytischen Anämien dar. Die Diag-nose wird leicht übersehen, da der diagnostisch wegweisende Ikterus fehlt. Ursache ist in der Regel eine Parvovirus-B19-Infektion, die eine vermutlich lebenslange Immunität hinterlässt. Das typische Exan-them bei Ringelröteln fehlt meist.

Sonderformen hämolytischer Anämien mit vermutlich immu-nologischer Grundlage sind die schweren hämolytischen Anämien bei atypischem, durch Pneumokokken verursachtem hämolytisch-urämischem Syndrom und bei der nekrotisierenden Enterokolitis des Neu- und Frühgeborenen. Infolge der Aktivierung des krypti-schen T-Antigens ist der Coombs-Test positiv; allerdings ist die Rolle der T-Antigen-Antikörperreaktion für die Hämolyse bisher unklar. Wesentlich ist die Behandlung der Grunderkrankung; bei schwerer Hämolyse muss transfundiert werden.

Nichtimmunologische GeneseBestimmte Medikamente und Infektionen können eine Hämolyse bewirken, ohne dass ein Antikörper nachweisbar ist: Aufgrund der zunehmenden Auslandsreisen in Endemiegebiete ist die schwere hämolytische Anämie bei Malariainfektion auch in unseren Breiten nicht so selten. Die Substanzen, die beim Glukose-6-Phosphatdehyd-rogenase-Mangel hämolytisch wirken, können in hohen Dosen auch normale Erythrozyten vorzeitig zerstören. Besonders bei Nierenin-suffizienz können normale Dosen durch Kumulation toxisch wirken.

Schließlich kommen toxische Hämolysen nach Schlangenbis-sen vor (▶ Kap. 163). Die bei chronischen Infektionen (Tuberkulose, Toxoplasmose, Histoplasmose) auftretenden Anämien haben nicht selten eine hämolytische Komponente. Besonders bei Sepsis mit gramnegativen Erregern kann eine schwere akute hämolytische An-ämie auftreten. Lebensbedrohlich können die hämolytischen Krisen beim hämolytisch-urämischen Syndrom sein.

Eine Splenomegalie verschiedenster Ursache kann die Lebens-dauer der Erythrozyten verkürzen. Oft begleiten Thrombozytopenie und Granulozytopenie die Anämie. Nur wenn ein erhöhter Abbau in der Milz nachgewiesen wurde, ist die Splenektomie indiziert.

Mechanische Zerstörung der Erythrozyten ist die Ursache der Hä-molyse bei manchen angeborenen Herzfehlern. Hämolytische Anämien können auch nach operativer Korrektur (Prothesen der Aortenklappe und der Mitralklappe, Verschluss von Septumdefekten mit künstlichem Material) auftreten. Typisch sind der Nachweis von Fragmentozyten im Blutausstrich und die starke Erhöhung der LDH. Bei schwerer Anämi-sierung ist u. U. ein Austausch der Klappen erforderlich.

Anstrengungsbedingte Hämoglobinurie und paroxysmale nächt-liche Hämoglobinurie (PNH) sind bei Kindern selten. Die PNH ist eine erworbene klonale Stammzellkrankheit und betrifft daher auch Thrombozyten und Granulozyten. Ein Übergang in eine systemische Knochenmarkerkrankung (z. B. aplastische Anämie oder Leukämie) ist möglich.

k TherapieFür die Therapie der PNH steht neuerdings ein monoklonaler Anti-körper, Eculizumab (Soliris), gegen das Komplementprotein C5 zur Verfügung, der die Aktivierung des aktiven Komplementkomplexes C5b-9 verhindert. Bisher gibt es keine Erfahrung mit Kindern. Auf jeden Fall ist vor dem Einsatz auf die stattgehabte Meningokokken-impfung zu achten. Es ist möglich, dass dieser Antikörper auch bei komplementvermittelten immunhämolytischen Anämien eine Ver-besserung der hämolytischen Anämie bewirkt.

Bei den anderen extrakorpuskulären hämolytischen Anämien ist die Behandlung symptomatisch, einschließlich der Therapie der Grundkrankheit bzw. der Vermeidung exogener Noxen.

47.4.2 Hypoplastische Anämien

Hypoplastische Anämien beruhen auf einer akuten oder chronischen Bildungsstörung der Erythrozyten im Knochenmark. Alle Anämien

Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten442

Hämosiderose bedingten Organschäden muss das mit der Trans-fusion zugeführte Eisen durch eine Eisenchelation (p.o. oder s.c.) eliminiert werden. Bei diesen Patienten ist die Stammzelltransplan-tation indiziert, sofern ein HLA-genoidenter Familienspender zur Verfügung steht.

Eine Splenektomie ist nur bei sekundärem Hypersplenismus (meist durch eine transfusionsbedingte Alloimmuniserung bedingt) indiziert. Therapieversuche mit hämatopoetischen Wachstumsfakto-ren haben keine wesentlichen Erfolge gezeigt.

Erworbene chronische hypoplastische AnämienDie erworbenen hypoplastischen Anämien („Pure Red Cell Aplasia“) werden im ▶ Kap. 53 behandelt.

Bisher wurde ein Mangel an Erythropoetin nur bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz nachgewiesen. Die Anämie spricht gut auf eine regelmäßige Gabe von gentechnisch hergestelltem menschlichen Erythropoetin an.

47.5 Makrozytäre (megaloblastäre) Anämien

Vitamin B12- oder Folsäuremangel führen zu megaloblastären An-ämien: die Erythrozyten sind makrozytär. Ätiologisch liegen Kern-reifungsstörungen (Vitamin B12- oder Folsäuremangel) zugrunde.

Rein makrozytäre Anämien ohne megalosblastäre Verände-rungen im Knochenmark sind selten. Charakteristisch ist die reine Makrozytose für die sehr seltene hereditäre Stomatozytose und Xero-zytose, eine Sonderform hämolytischer Anämien (▶ Abschn. 47.4.1). Eine hohe Retikulozytose bei schweren hämolytischen Anämien kann eine Pseudomakrozytose bedingen. Die reifen Erythrozyten sind im Blutausstrich (nach Abzug der Retikulozytose normozytär).

47.5.1 Vitamin-B12- und Folsäuremangel

Bei therapieresistenten zerebralen Anfällen und psychomotorischer Retardierung muss man auch heutzutage an eine megaloblastäre An-ämie infolge eines Vitamin-B12-Mangels denken; bei diesem Man-gel stehen die neurologischen Störungen im Vordergrund. Deshalb sollte während der Stillperiode nach einer veganischen Ernährung der Mutter gefragt und ab dem zweiten Lebenshalbjahr auf die fleischhaltige Beikost hingewirkt werden. Teilweise kann auch eine bisher nicht erkannte perniziöse Anämie der Mutter zu einer zereb-ralen Symptomatik in den ersten Lebensmonaten führen. Die frühe Erkennung ist besonders wichtig, da unerkannte Fälle zu einer nicht mehr heilbaren schweren Entwicklungsverzögerung führen können.

z UrsachenDie Ursachen sind unterschiedlich: Allgemeine Unterernährung mit Eiweißmangel und Malabsorptionssyndrome sind häufig von Folsäuremangel begleitet. Seltene Ursachen von Folsäure- oder Vitamin-B12-Mangel sind erworbene Stoffwechselveränderungen während der Behandlung mit bestimmten Medikamenten. Die Vitamin-B12-Resorption kann bei angeborenem und erworbenem Mangel an „intrinsic factor“, bei generalisierter Malabsorption und auf genetischer Basis selektiv beim Immerslund-Gräsbeck-Syndrom (Wachstumsretardierung, Proteinurie, Hämaturie) vermindert sein.

z DiagnostikDie hämatologischen Befunde bei Folsäure- und Vitamin-B12-Man-gel sind identisch. Sie sind durch eine Reifungs- und Bildungsstö-rung der Erythrozyten, Granulozyten und Thrombozyten zu erklä-

k TherapieAufgrund des raschen Absinkens der Hämoglobinkonzentration ist bei Unterschreiten einer Hämoglobinkonzentration von 5 g/dl in der Regel eine Transfusion erforderlich. Ob bei bekannter hämolytischer Anämie und Kontakt mit Ringelröteln der frühzeitige Einsatz von s.c.-Immunglobulinen den Verlauf der aplastischen Krise abmildert, ist bisher nicht gesichert. Mit einem Impfstoff gegen Parvoviren ist in den nächsten Jahren nicht zu rechnen.

Kongenitale chronische hypoplastische Anämie (Typ Diamond-Blackfan, DBA)Sie tritt in 95 % der Fälle bereits im 1. Lebensjahr auf. In ca. 10 % sind weitere Familienmitglieder betroffen; in diesen Fällen kann ein auto-somaler Erbgang durch die molekulare Analyse gezeigt werden. Das für die DBA ursächliche Gen liegt auf dem Chromosom 15q25.2. Die Patienten sollten an die multizentrische DBA-Studie (Studienlei-tung: Frau Prof. C. Niemeyer, Dr. M. Wlodarski, Freiburg) gemeldet werden. Es gibt eine Diamond-Blackfan-Anämie-Selbsthilfegruppe.

z DiagnoseTypisch ist eine chronische normochrome, bisweilen makroyztäre Anämie mit absoluter Retikulozytopenie. Die Diagnose wird durch den Nachweis einer isolierten Verminderung der Erythropoese im Knochenmark mit einem Stopp auf Höhe der Proerythroblasten ge-stellt. Die Aktivität der erythrozytären Adenosindesaminase und die Hämoglobin-F-Konzentration sind meist erhöht. Ein Viertel der Pa-tienten weist körperliche Fehlbildungen auf (Kleinwuchs, Gesichts-dysmorphie, Daumenanomalie u. a.).

k TherapieDie Anämie kann lange (bis zu Hämoglobinwerten von 4 g/dl) kompensiert werden. Zwei Drittel der Patienten sprechen auf eine Behandlung mit initial 2 mg/kgKG Prednison gut an und rund die Hälfte bleibt mit geringen Kortikoiddosen jahrelang in der Remis-sion. Die Retikulozytenzahl steigt 2–3 Wochen nach Beginn der Be-handlung an und die Hämoglobinkonzentration normalisiert sich innerhalb weniger Wochen. Die initiale Dosis wird längstens 4 Wo-chen gegeben und die Dosis dann schrittweise reduziert. Eine alter-nierende Dauertherapie mit der minimalen Prednisondosis, bei der die Hämoglobinkonzentration über 8 g/dl liegt und Retikulozyten nachweisbar sind, ist anzustreben. Meist genügen 0,1–0,25 mg/kgKG jeden zweiten Tag. Bei absinkenden Hämoglobinspiegeln muss die Prednisondosis wieder auf >1 mg/kgKG gesteigert und rasch auf die niedrigste, zum Erhalt der Erythropoese notwendige Dosis reduziert werden. Das Ansprechen auf die Prednisontherapie ist bei einem sol-chen Rezidiv der Grunderkrankung nicht schlechter als initial. Auch nach jahrelangem Verlauf kann eine spontane Remission (v. a. in der Pubertät) eintreten. Aus diesem Grund werden Auslassversuche nach jahrelanger Glukokortikoidtherapie empfohlen. Ein Absetzen der Prednisontherapie sollte spätestens in der Adoleszenz versucht werden.

Höhere Prednisondosen verstärken den krankheitsspezifischen, oft schweren Kleinwuchs und sollten daher vermieden werden. Bis-her ist unklar, ob ein Verzicht auf eine Therapie mit Glukokorti-koiden im ersten Lebensjahr das Längenwachstum der Patienten langfristig bessert.

Patienten, die nicht oder nur auf hohe Dosen von Prednison (>0,5 mg/kgKG täglich) ansprechen, benötigen regelmäßig Blut-transfusionen, um die Hämoglobinkonzentration über 8 g/dl zu halten. Diese Patienten entwickeln eine sekundäre Hämosiderose mit Kardiomyopathie, Hepatopathie und endokrinologischen Stö-rungen (▶ Abschn. 47.2.2, ▶ „Hämosiderose“). Zur Vermeidung von

443 4747.5 • Makrozytäre (megaloblastäre) Anämien

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47.5.3 Dyserythropoetische Anämien

Bisher sind 3 Typen dieser genetisch bedingten Anämien bekannt (Typ I, II, III). Typ II wird auch als HEMPAS-Syndrom („hereditary erythroblastic multinuclearity with a positive acidified serum test“) bezeichnet. Die Symptome können bereits kurz nach der Geburt be-ginnen; die Diagnose wird aber oft erst später im Kinderalter in der Adoleszenz gestellt. Neben Zeichen der peripheren Hämolyse sind im Knochenmark bei Vermehrung der roten Vorstufen charakteris-tische morphologische Veränderungen der Erythroblasten zu finden, die die Unterscheidung der einzelnen Typen erlauben:- Typ I durch Chromatinbrücken verbundene Erythroblasten,- Typ II mehrkernige Erythroblasten,- Typ III Riesenerythroblasten.

Die Anämie ist bei Typ I makrozytär, bei Typ II meist normozytär. Die Diagnose der CDA I kann durch den Nachweis einer Mutation des CDAN1-Gens (auf 15q), bei Typ II durch die Membrananalyse und/oder den Nachweis einer Mutation des SEC23B-Gens (auf 20p) gesichert werden.

k TherapieBei den schweren Manifestationen im frühen Kindesalter kommt es zur transfusionsbedürftigen Anämie mit Hepatosplenomegalie und gesteigerter entereraler Eisenresorption. Bei schweren Fällen von CDA II ist die Splenektomie indiziert, die immer zu einem Anstieg des Hämobglobins, allerdings nicht zu einer Normalisierung der er-höhten Eisenresorption führt. Bei den ersten Zeichen einer organ-gefährdenden sekundären Hämosiderose sind eisenausschleusende Maßnahmen indiziert.

Eine allogene Stammzelltransplantation wurde in Einzelfällen mit anhaltendem Erfolg durchgeführt.

Eine Splenektomie ist beim Typ I nicht indiziert. Eine Therapie mit Inferferon-α führt zur Verbesserung der Anämie, langfristig zur Abnahme des vermehrten Körpereisens.

47.6 Anämien bei chronischen Erkrankungen

Unter diesem Oberbegriff werden die chronische Infektanämie, An-ämien bei Autoimmunerkrankungen, bei chronisch entzündlichen Erkrankungen und die Tumoranämien zusammengefasst. Je nach Pathogenese ist die Anämie mikro-, normo- oder makrozytär. Die Verminderung des verfügbaren Eisens im Transferrinpool hat für die Entstehung der Anämie chronischer Erkrankungen eine entschei-dende Bedeutung. An der Pathogenese dieser Anämien sind meis-tens Hypoplasie der Erythropoese, ein gestörter Eiseneinbau in das Hämoglobin sowie eine gesteigerte Hämophagozytose und damit er-höhte Hämolyse beteiligt. Die Behandlung gilt der Grundkrankheit.

47.6.1 Infektanämien und Anämie bei juveniler idiopathischer Arthritis

Chronisch entzündliche Erkrankungen (Infektionen, juvenile idio-pathische (Syn: juvenile rheumatoide) Arthritis) sind häufig mit einer mäßigen normo- oder hypochromen Anämie assoziiert. Die Anämie beruht auf einer verkürzten Erythrozytenüberlebensdauer und einer inadäquaten Erythrozytenproduktion. Veränderungen im Eisenstoffwechsel mit Blockade des Eisens im retikuloendothelialen System und verminderte intestinale Eisenabsorption führen zu Hy-

ren: Je nach Dauer und Schwere der Erkrankung findet man alle Grade einer makrozytären Anämie mit Erhöhung des MCV und des MCH bei normaler MCHC. Wenn ein gleichzeitiger Eisenmangel oder eine Thalassämie-Anlage vorliegt, können die Erythrozyten mikrozytär oder normozytär sein. Die Diagnose des Vitamin-B12-Mangels wird heute durch den Nachweis einer erhöhten Methylma-lonsäureausscheidung im Urin (der Vitamin-B12-Spiegel im Serum hat nur wenig Bedeutung) gestellt. Beim Folsäuremangel wird oft die Formiminoglutaminsäure (nach Histidinbelastung) im Urin erhöht ausgeschieden; beweisend ist der erniedrigte Folsäurespiegel im Se-rum. Mit dem Schilling-Test kann eine Vitamin-B12-Malabsorption nachgewiesen werden. Die Knochenmarkpunktion ist meist ent-behrlich.

Vor Therapiebeginn muss bei allen megaloblastären Anämien zwischen einem Mangel an Vitamin-B12- und Folsäure unterschieden werden. Folsäure kann zwar bei Vitamin-B12-Mangel die hämatologi-schen, jedoch nicht die neurologischen Symptome bessern.

k Therapie z Folsäuremangel

Der Tagesbedarf an Folsäure beträgt im Kindesalter 3,3–3,6  μg/kgKG. Bei Verdacht auf einen Folsäuremangel wird 0,5 mg p. o. für 2–3 Tage gegeben und nach Sicherung der Diagnose mit Tabletten geeigneter Dosierung (2–5 mg) über 3–4 Wochen fortgefahren.

Die durch Medikamente (z. B. Diphenylhydantoin, Phenylbuta-zon, Nitrofurantoin) induzierte Anämie kann ohne Unterbrechung der Therapie durch orale Gabe von 2–5 mg Folsäure/Tag gut behan-delt werden. Nur bei Malabsorptionssyndromen ist die i.m.-Gabe von 2 mg (z. B. Folsan) initial angezeigt.

z Vitamin-B12-MangelDer Tagesbedarf beträgt im Kindesalter 0,5–2 mg. Bei Verdacht auf Vitamin-B12-Mangel werden initial für 2 Tage 10 μg s.c. gegeben; nach Sicherung der Diagnose besteht die Behandlung in der s.c.- oder i.v.-Gabe von 1000 μg Vitamin B12. Bei chronischen Formen ist die Gabe von 100 μg s.c. alle 4 Wochen zu wiederholen. Alternativ kann nach initialer i.v.-Therapie ein Versuch mit täglich 300 μg p. o. für 1–2 Wochen (mit Spiegelkontrolle nach Absetzen) im Abstand von einigen Monaten unternommen werden. Das Knochenmark normalisiert sich innerhalb von 3–4 Tagen nach der ersten Gabe. Retikulozytenanstieg nach 1–2 Wochen. Bei ausreichender Substi-tution sinkt das MCV um 5 fl alle 2 Wochen ab und die Methyl-malonsäureausscheidung im Urin normalisiert sich. Nach ausrei-chender Vitamin-B12-Substitution kann ein Eisenmangel manifest werden. Die neurologischen Symptome bilden sich innerhalb von Monaten zurück. Die psychomotorische Entwicklungsverzögerung bei länger bestehendem Vitamin-B12-Mangel bessert sich auch nach ausreichender Vitaminsubstitution nur langsam. Oft müssen sowohl Vitamin B12 als auch Folsäure ersetzt werden.

47.5.2 Genetisch bedingte Stoffwechseldefekte

Defekte im intermediären Folsäurestoffwechsel, Mangel an Transco-balamin und ein Defekt des Pyrimidinstoffwechsels (Orotsäureurie) wurden als Ursachen megaloblastärer Anämien beschrieben.

k TherapieDie Orotsäureurie spricht auf eine Behandlung mit Uridin (5 × 300 mg tgl. p.o.) an.

Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten444

k TherapieDie Behandlung besteht in vorsichtiger Realimentation und Vita-minsupplementation.

47.6.5 Hypothyreose

Durch die Substitution von Schilddrüsenhormon wird die Anämie (normo-makrozytär) beseitigt.

47.7 Polyzythämien

Bei diesen Erkrankungen sind die Hämoglobinkonzentration (>17 g/dl) und der Hämatokrit (>50 %) erhöht. Primäre Polyzythämien können aufgrund des normalen Erythropoetin- (Epo)-spiegels und der Epo-unabhängigen oder Epo-hypersensitiven Erythroblasten-kultur von sekundären Formen unterschieden werden. Die meisten Patienten mit der primären Polyzythämia vera weisen eine erwor-bene JAK2 (V617 F)-Mutation auf. Die Unterscheidung ist wichtig, da thromboembolische Komplikationen fast nur bei den primären Formen auftreten.

47.7.1 Primäre Polyzythämien

Die semimaligne Polyzythämia vera ist bisher bei Kindern nur in Ausnahmen beschrieben. Die primäre Manifestation kann ein Budd-Chiari-Syndrom sein. Andere familiäre oder spontane Polyzythä-mien ohne erkennbare Ursache sind bei Kindern selten (Ausnahme ist die in Russland endemische Chuvash-Polyzythämie).

k TherapieBei Jugendlichen mit Hämoglobinwerten konstant über 19 g/dl ist eine Entlastung durch Aderlass von 300 ml Vollblut indiziert, um zerebrale oder thrombotische Symptome zu vermeiden. Das Gesamtvolumen kann innerhalb weniger Minuten – am besten mit einem Eigenblutspende-Konserven-Set – entnommen werden; anschließend wird die gleiche Menge an Ringer-Laktat-Lösung infundiert. Ein wiederholter Aderlass führt zu einem Eisenman-gel mit Unterdrückung der Erythropoese, sodass der Aderlass nur im Abstand von mehreren Monaten erforderlich ist. Eine Eisen-supplementation kann zu einem Rezidiv der Polyzythämie führen.

47.7.2 Sekundäre Polyzythämien (Polyglobulie)

Die früher als benigne familiäre Erythrozytose bezeichnete Form ist im Kindesalter sehr selten. Pathologische Hämoglobine (z. T. mit Methämoglobinämie) mit erhöhter O2-Affinität, Mutationen im Erythropoetinrezeptor oder im von Hippel-Lindau-Tumorsup-pressorGen (VHL) kommen als Ursache in Frage. Andere Ursachen sind eine Störung des pulmonalen Gasaustauschs oder zyanotische Herzfehler. Bei bestimmten Nierenerkrankungen (Nierenkarzinom, Wilms-Tumor, Hydronephrose, Zystenniere) kann eine Vermehrung der Erythropoetinproduktion eine Polyzythämie bewirken.

k TherapieAuch bei sekundären Polyzythämien kann eine Behandlung notwen-dig werden, falls die o. g. Hämoglobinkonzentration überschritten wird und/oder Symptome eines mangelnden Blutflusses auftreten.

posiderämie und vermehrter Eisenablagerung im Knochenmark. Im Gegensatz zum Eisenmangel ist Transferrin niedrig und Serumferri-tin normal oder erhöht. Gelegentlich tritt eine Kombination mit Ei-senmangel z. B. bei Blutverlust oder nach Abklingen des Infekts auf.

k TherapieDie Behandlung der Infektion steht im Vordergrund. Eine Eisensub-stitution ist in den meisten Fällen nicht indiziert. Nur bei Kombi-nation mit einem Eisenmangel – kenntlich an Serumferritinwerten unter 25 μg/l – kann eine Eisenbehandlung sinnvoll sein. Eine Anä-mie tritt bei juveniler idiopathischer Arthritis v. a. bei den stark ent-zündlichen Formen auf. Diese Patienten können von einer Eisengabe profitieren; die Substitution erfolgt bei ausgeprägter mikrozytärer Anämie und nachgewiesenem Eisenmangel bevorzugt i.v., da die Eisenresorption stark gestört ist.

47.6.2 Renal bedingte Anämien

Verminderte Erythropoetinproduktion, verkürzte Erythrozyten-überlebensdauer und Blutverluste (bei der Hämodialyse) sind haupt-sächlich an der Entstehung der Anämie bei chronischer Niereninsuf-fizienz beteiligt. Sie ist in der Regel normochrom und normozytär. Oft liegt zusätzlich ein Eisenmangel vor, da bei chronischer Nieren-insuffizienz die Eisenresorption vermindert ist.

k TherapieSie besteht in der Gabe von rekombinantem Erythropoetin, 50–300 lE/kgKG/Woche; die Wochendosis kann aufgeteilt in 2–3 Do-sen i.v. oder als Einzeldosis s.c. verabreicht werden. Neuerdings wird von erfahrenen Zentren die Gabe eines Erythropoetinpräpa-rats mit verlängerter Halbwertszeit (Darbepoetin, Aranesp, initial 6,75 µg/kgKG s.c., einmal alle 3 Wochen) bevorzugt. Zusätzlich sind Eisengaben (am besten i.v.) erforderlich. Der Ferritinzielspie-gel liegt bei >150–400 μg/l. Als Nebenwirkung bei zu schnellem Anstieg des Hämatokritwerts wird gelegentlich eine Hypertension beobachtet.

47.6.3 Anämien bei Lebererkrankungen

Die Ätiologie ist komplex: Häufige Ursachen sind Blutverlust, Hy-persplenismus (bei Leberzirrhose), Eisen- und Folsäuremangel. Bei einigen Patienten wurden Defekte der Erythrozytenmembran mit morphologischen Auffälligkeiten (Target-Zellen, Akanthozytose) beobachtet.

k TherapieSie besteht in der Behandlung der Grundkrankheit und der Man-gelerscheinungen.

47.6.4 Anämie bei Eiweißmangel

Eiweißmangel infolge Unterernährung ist ein Hauptproblem in Entwicklungsländern. Hypoproteinämien und Hypalbuminämien werden jedoch auch bei uns im Rahmen chronischer Erkrankungen und bei Diätfehlern beobachtet. Die begleitende Anämie ist normo-chrom und beruht auf verminderter Erythrozytenproduktion, die Erythropoetinwerte sind erhöht. Meistens liegen Kombinationen mit anderen Mangelzuständen (Eisen, Zink, Folsäure) vor.

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Bei zyanotischen Herzfehlern besteht auch bei „normalen“ Hb-Werten ein relativer kardialer O2-Mangel. Diese Patienten benötigen daher höhere Hämoglobinwerte. Ein zusätzlicher Eisenmangel muss behandelt werden, um die Rheologie der Erythrozyten („stiffness“) zu verbessern und zerebrovaskulären Insulten vorzubeugen. Trans-fusionen können in Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik schon bei Hb-Werten <10 g/dl erforderlich werden.

Bei ansteigenden Hämatokritwerten (über 60 %) sollte herzchi-rurgisch versucht werden, die Zyanose zu verbessern. Bei Inopera-bilität haben Aderlässe meist nur kurzfristig positive Auswirkungen.

47.7.3 Polyglobulie (sekundäre Polyzythämie) bei Neugeborenen

Verglichen mit Erwachsenen sind Neugeborene normalerweise polyglobul. Erst wenn der Hämatokritwert 70 % überschreitet und Symptome auftreten, die auf die Polyglobulie zurückgeführt werden können (Atemstörungen, zerebrale Symptome), ist eine Behandlung notwendig.

k TherapieSie besteht in einer fraktionierten Austauschinfusion mit Frisch-plasma. Die zu einer bestimmten Senkung des Hkt-Werts notwen-dige Plasmamenge kann nach folgender Formel berechnet werden:

Notwendiges Plasmavolumen ml Blutvolumen akuteller Hkt g( ) = × −eewünschter Hktaktueller Hkt

47.8 Methämoglobinämien

Führendes Symptom aller Formen ist die Zyanose. Infolge der Ge-webshypoxie kann sich gleichzeitig eine sekundäre Polyzythämie entwickeln.

47.8.1 Methämoglobinämie durch anomale Hämoglobine

Anomale Hämoglobine mit erhöhter Oxidierbarkeit des Eisens wer-den mit dem Buchstaben „M“ bezeichnet (z. B. Hb Minneapolis). Sie werden dominant vererbt. 20–30 % des roten Blutfarbstoffs hetero-zygoter Genträger sind Methämoglobin. Es ist nicht in allen Fällen als Cyanmethämoglobin nachweisbar, da manche Hämoglobin-M-Typen ein verändertes Absorptionsspektrum haben. Homozygotie ist ein Letalfaktor. Defekte der a-Ketten bewirken bereits bei der Geburt eine Zyanose. β-Kettendefekte treten mit der Abnahme der Hämoglobin-F-Konzentration und der Zunahme der Hämoglobin-A-Synthese im Laufe des 1. Lebensjahres in Erscheinung.

k TherapieWenn bei Hämoglobinopathien mit erhöhter O2-Affinität und folg-licher Erythrozytose eine Indikation zur Aderlasstherapie gesehen wird, kann diese auch schon bei relativ niedrigen Hämatokritwer-ten erfolgen. Eine Aderlasstherapie kann indiziert sein, wenn die erhöhte Viskosität des Blutes einer Intervention bedarf (und nicht durch kontrolliert reichliches Trinken behoben werden kann). Man sollte jedoch bedenken, dass aufgrund der hohen O2-Affinität des Blutfarbstoffs bei den betroffenen Patienten in der Regel sofort die Erythropoese steigt und die Hb- und Hkt-Werte in wenigen Tagen wieder auf den Ausgangswert einreguliert werden, sodass die Patien-ten von Aderlässen jeweils nur kurze Zeit profitieren. Gemäß über-einstimmenden Literaturangaben wird die Aderlasstherapie eher zurückhaltend empfohlen, auch die Etablierung eines chronischen Aderlassprogramms wird nicht empfohlen.

47.8.2 Methämoglobindiaphorasemangel (Zytochrom-B5-Reduktase-Mangel)

Dieser autosomal-rezessiv vererbte Defekt der Erythrozyten tritt nur bei homozygoten Genträgern in Erscheinung. Die Methämoglobin-

konzentration liegt zwischen 10 und 40 %. Die Zyanose besteht seit der Geburt.

k TherapieSie ist nur bei Exazerbationen der Methämoglobinämie >30 % erfor-derlich und besteht in der i.v.-Gabe von Methylenblau. Tägliche orale Einnahme von 100–200 mg Methylenblau oder von 200–500 mg Ascorbinsäure und Riboflavin (10 mg) können die Zyanose ab-schwächen. Die infantile schwere Form (Cytochrom-B5-Reduktase-Mangel Typ II) führt neben der hämatologischen Symptomatik zu Strabismus, Opisthotonus und schwerer psychomotorischer Ent-wicklungsverzögerung. Eine Therapie ist nicht bekannt.

47.8.3 Toxische Methämoglobinämie

Jede in den ersten Lebensmonaten plötzlich auftretende Zyanose kann auf einer toxischen Methämoglobinbildung beruhen. Eine noch nicht näher definierte Empfindlichkeit der Neugeborenenery-throzyten gegen oxidativ wirkende Noxen erklärt die Altersdisposi-tion. Nitrathaltiges Wasser und Gemüse (Darmbakterien reduzieren Nitrat zum oxidierend wirkenden Nitrit), anilinhaltige Farbstoffe (Stempelfarbe) und Phenacetin sind die wichtigsten auslösenden Noxen.

k TherapieSolange der Anteil an Methämoglobin 30 % nicht übersteigt, genügt es, die auslösende Noxe zu beseitigen. Bei höheren Konzentrationen kann 1%ige Methylenblaulösung in der Dosis von 1–2 mg/kgKG i.v. gegeben werden. Höhere Dosen sind zu vermeiden, da der Farb-stoff in hohen Dosen als Oxidationsmittel wirkt. Eine hämolytische Anämie mit Innenkörperbildung wäre die Folge (▶ Abschn. 47.4.1).

47.9 Anämien des Neu- und Frühgeborenen

Die Anämien Neugeborener (Hb <14 g/dl; Hkt <40 %) werden sepa-rat behandelt, da in allen Fällen einer schweren Blutarmut bei Geburt (Hb <8 g/dl mit Schocksymptomatik) unabhängig von der Diagnose eine sofortige Erythrozytentransfusion erfolgen muss. Liegt ein Hy-drops vor, kann eine Austauschtransfusion nötig werden, um eine akute Volumenüberladung (mit Zunahme der Herzinsuffizienz und von Pleura- und Perikarderguss) zu vermeiden. Ursachen der Blut-

Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten446

k TherapieIn schweren Fällen ist eine Erythrozytentransfusion indiziert (in schwersten Fällen und bei Gefahr der Volumenüberladung ist eine Austauschtransfusion erforderlich). Mittelschwere und leichte An-ämien werden so früh wie möglich oral mit Eisen behandelt (▶ Ab-schn. 47.2.1).

47.9.3 Hämolytische Anämien im Neugeborenenalter

Schwere, bereits intrauterin auftretende hämolytische Anämien können zu einem Hydrops fetalis und kongenitaler Erythroblas-tose führen. Dabei spielt es keine Rolle ob die Ursache der Hämolyse extrakorpuskulär – immunologisch oder hereditär – metabolisch ist. Bei hereditären Membrandefekten (v. a. Sphärozytosen) tritt die Anämie – mit Ausnahme der hereditären Xerozytose – erst postnatal auf, da die pathogenetisch entscheidende Milzphagozytose erst mit der Geburt einsetzt. Infolge von Stoffwechselbesonderheiten sind fe-tale Erythrozyten besonders empfindlich gegenüber bestimmten hä-molytisch wirkenden Noxen. Wasserlösliche Vitamin-K-Präparate, hohe Eisendosen und Vitamin-E-Dosen und die meisten der auch bei Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel hämolyseauslösen-den Substanzen (. Tab. 47.7) kommen ätiologisch in Frage. Auch Infektionen (Sepsis, Zytomegalie, Lues, Röteln) können fetale Ery-throzyten stärker schädigen als adulte.

Eine Sonderform der hereditären Elliptozytose ist die infantile Poikilozytose: Dabei findet sich eine verstärkte Hämolyse im Neuge-borenenalter mit bizarren poikilozytären Formen; im späteren Alter geht die Erkrankung in eine klinisch meist inapparente Elliptozy-tose über. Die Erkrankung wurde früher als infantile Pyknozytose bezeichnet.

Das klinische Bild der einzelnen genannten Erkrankungen un-terscheidet sich beim Neugeborenen kaum: unkonjugierte Hyperbi-lirubinämie, Anämie, Retikulozytose und Erythroblastose sind die wichtigsten Symptome.

Die durch Isoantikörper bedingten immunhämolytischen Anä-mien des Neugeborenen (Rh- und ABO-Erythroblastose) werden an anderer Stelle besprochen (▶ Abschn. 47.4.1).

k TherapieSie gilt in erster Linie der Verhütung der Bilirubinenzephalopathie. Daher sollte bei raschem Bilirubinanstieg nach Geburt aufgrund einer mittelschweren bis schweren Hämolyse eine Austausch-transfusion erfolgen. Die Indikation zur Austauschtransfusion bei M. haemolyticus neonatorum ist prinzipiell gemäß den, in ▶ Ab-schn. 47.1 genannten, Kriterien zu stellen. Phototherapie kann bei massiver Hämolyse den Anstieg des Bilirubinspiegels nicht wirksam unterdrücken.

47.9.4 Frühgeborenenanämie

Die erste Phase der Frühgeborenenanämie ist hypoplastisch. Die tiefsten Hämoglobinkonzentrationen werden zwischen der 5. und 9. Lebenswoche erreicht. Die Transfusionsgrenzen wurden in den letzten 15 Jahren schrittweise gesenkt, da das Gedeihen und Ver-halten der Kinder auch bei niedrigen Hämoglobinkonzentrationen oftmals nicht gestört ist. Untersuchungen belegen dass eine Transfu-sionsgrenze von 9 g/dl Hämoglobin auch bei beatmeten sehr kleinen Frühgeborenen <1000 g innerhalb der ersten beiden Wochen sicher ist. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass bei einer infolge restriktiven

armut sind akuter oder chronischer Blutverlust, verminderte Bildung von Erythrozyten oder Hämolyse.

47.9.1 Akute Blutungsanämien bei Neugeborenen

Durch Blutungen werden 5–10 % aller Neugeborenenanämien ver-ursacht. Sie können kurz vor oder nach der Geburt auftreten. Fe-tomaternale Blutungen, Blutungen aus der Nabelschnur oder der Plazenta, Kephalhämatome, intrakranielle Blutungen, Leberruptu-ren und gastrointestinale Blutungen sind die häufigsten Ursachen. Nach massiven Blutverlusten stehen die Zeichen des Schocks im Vordergrund: Blässe, Hypotonie, Apathie, Tachypnoe und Tachy-kardie (>180/min). Liegt die Blutung erst kurze Zeit zurück, so muss der Hämatokritwert noch nicht abgesunken sein. Meist ist die Anämie spätestens nach 8 h nachweisbar. Sie ist normochrom und normozytär. Fetomaternale Blutungen können durch den Nachweis HbF-haltiger Erythrozyten im mütterlichen Blut bewiesen werden. In 1 % der Schwangerschaften führt eine fetomaternale Transfusion zu einem ausgeprägten Blutverlust des Feten von mehr als 40 ml.

Bei gastrointestinalen Blutungen mit Hämatemesis oder Mela-ena ist die Unterscheidung zwischen verschlucktem mütterlichem (Hämoglobin-A-haltigem) Blut und kindlichem (alkaliresistentem Hämoglobin F) Blut mit Hilfe der Apt-Probe leicht möglich, wobei 1%ige Natronlauge nur mütterliches Blut braungelb färbt.

k Therapie

> Die Behandlung gilt zunächst der Schocksymptomatik.

Der Volumenverlust wird, wenn möglich, mit Erythrozytenkonzen-trat und kristalloiden Lösungen (z. B. Ringer-Laktat- oder physio-logische Kochsalzlösung) ersetzt. Neugeborene mit starkem akuten Blutverlust („weiße Asphyxie“) werden am besten notfallmäßig mit 0 Rh-negativem, lysinfreiem Universalspenderblut ohne vorherige Kreuzprobe transfundiert. Bei fehlender Schocksymptomatik kann abgewartet werden. Nach Überwindung der akuten Phase sollte so früh wie möglich oral mit Eisen behandelt werden (▶ Abschn. 47.2.1).

47.9.2 Chronische Blutungsanämien bei Neugeborenen

Diese können auf intrauterin auftretenden transplazentaren Blutun-gen sowie bei Zwillingen auf fetofetaler Transfusion beruhen. Die Anämie ist bereits bei der Geburt nachweisbar. Die hämatologischen Symptome ähneln denen der Eisenmangelanämie: Der Spiegel von Serumeisen ist erniedrigt, von erythrozytärem Protoporphyrin er-höht. Der Blutausstrich zeigt Mikrozytose und Hypochromie. Reti-kulozytose und Erythroblastose zeigen die gesteigerte Blutbildung an. Der Nachweis HbF-haltiger Erythrozyten im mütterlichen Blut beweist eine fetomaternale Transfusion.

> Allerdings ist der Nachweis nur innerhalb von 14 Tagen nach Geburt möglich; die fetalen Zellen können bei Blutgruppenun-verträglichkeit fehlen.

Bei schwerer und lange bestehender Anämie entwickeln sich infolge der kardialen Dekompensation Ödeme, die sich zum Hydrops stei-gern können. Fehlen von Splenomegalie und Ikterus erleichtert die Abgrenzung zum M. haemolyticus neonatorum.

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Transfusionsverhaltens langfristig niedrigeren Hb-Konzentration ze-rebrale Schädigungen (Parenchymblutung, periventrikuläre Leuko-malazie) und Apnoen zunehmen.

k TherapieDie genannten Transfusionsgrenzen gelten für nicht beatmete, nicht intensivpflichtige Frühgeborene jenseits der 2.–4. Lebenswoche.

Erst bei Hämoglobinkonzentrationen von weniger als 8 g/dl ist die Gabe von Erythrozytenkonzentrat zu erwägen (Transfusionsin-dikation bei Hb-Werten unter 6–7 g/dl). Bei auffälligem klinischem Verlauf (zirkulatorische Instabilität, Bradykardien, Apnoen, Trink-schwäche) kann schon bei Hämoglobinkonzentrationen von 8–10 g/dl eine Transfusion in Erwägung gezogen werden. Um das Risiko von Infektionen möglichst gering zu halten, sollten bei absehbar wiederholtem Transfusionsbedarf gesplittete Erythrozytenkonzent-rate von einem Spender verwendet werden (▶ Kap. 170). Zum Zeit-punkt der stärksten Anämisierung setzt die Erythropoese wieder ein, erkennbar am Anstieg der Retikulozytenzahlen. Sie können bis auf 15 % ansteigen. Bei bereits aktiver Erythropoese wird man mit der Indikation zur Transfusion zurückhaltender sein, als wenn die Retikulozytenzahlen noch niedrig sind.

> Erythropoetin zur Behandlung der Frühgeborenenanämie kann nicht empfohlen werden.

Wegen des geringen Eisendepots Frühgeborener (1500–2500 g) kann ab der 3. Lebenswoche an die Gabe von zweiwertigem Eisen (z. B. ≥3 mg/kgKG Ferrosanol p.o. täglich) erforderlich sein; der enterale Kostaufbau sollte unbedingt abgeschlossen sein (▶ Abschn. 47.2.1). Auch kleinere Frühgeborene <1000 g können bei voller enteraler Ernährung Eisen p.o. (z. B. 3–4,5 mg = 2–3 Tropfen Ferrosanol/Tag) erhalten. Allerdings sind Serumeisen und Transferrin sowie die Transferrinsättigung in regelmäßigen Abständen zu bestimmen. Es ist unbedingt zu vermeiden dass durch eine Hypersiderämie freies Eisen entsteht, das zur Bildung von toxischen Hydroxylradikalen führt. Nebenwirkungen sind bei ausreichender Retikulozytenzahl nicht zu erwarten. Ab der 6. Lebenswoche wird dann die Eisenpro-phylaxe an das Gewicht angepasst über die ersten 6 Monate weiter-geführt; alternativ können ab einem Gewicht von >2500 g Ferrosanol 7–10 mg (5 Tropfen) unverändert während der 6 Monate gegeben werden. Mit dieser Maßnahme kann die 2. Phase der Frühgebo-renenanämie (hypochrome Anämie infolge von Eisenmangel), die ohne Eisensubstitution zwischen dem 4. und 8. Lebensmonat auf-tritt, verhütet werden. Bei regelmäßig durchgeführter Eisenprophy-laxe unterscheiden sich die hämatologischen Daten von frühgebo-renen und reifgeborenen Kindern in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres nicht.

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Kapitel 47 • Erkrankungen der Erythrozyten448


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