+ All Categories
Home > Documents > 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2...

3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2...

Date post: 30-Jun-2020
Category:
Upload: others
View: 0 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
80
UNESCO heute 1| 2006 Inhalt Die UN-Dekade in Deutschland Offizielle Dekade-Projekte Von Sao Paulo bis zu den Salomonen Die UN-Dekade weltweit Beiträge von Gerhard de Haan Annette Schavan Ute Erdsiek-Rave Ulla Burchardt Dieter Althaus Herlind Gundelach Bärbel Dieckmann Max Fuchs UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ Z EITSCHRIFT DER D EUTSCHEN UNESCO-K OMMISSION
Transcript
Page 1: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

UNESCOheute

1|2006

Inhalt

➜ Die UN-Dekade in Deutschland

➜ Offizielle Dekade-Projekte

➜ Von Sao Paulo bis zu den SalomonenDie UN-Dekade weltweit

➜ Beiträge von Gerhard de Haan Annette Schavan Ute Erdsiek-Rave Ulla Burchardt Dieter Althaus Herlind Gundelach Bärbel Dieckmann Max Fuchs

UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“

Z E I T S C H R I F T D E R D E U T S C H E N U N E S C O - K O M M I S S I O N

Page 2: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

Hilfe für Straßenkinder in Ecuador

Dekade-Projekt des Proyecto Esperanza e.V.

Dank des Projekts von ProyectoEsperanza erhalten obdachloseund bedürftige Kinder und Jugend-liche in Ecuador wieder einZuhause und neue Lebensper-spektiven. Je sechs Kinder bewoh-nen gemeinsam mit einer Tutorinein Haus. Die Kinder können eineSchule besuchen. Die Jugendli-chen können ein Kunsthandwerkerlernen oder PC-Kenntnisseerwerben. Eine Besonderheit desProjekts ist die Förderung einernachhaltigen Landwirtschaft. DieMitarbeiter auf der Finca lernen,wie sie nach dem Prinzip der „Per-makultur“ eine Umwelt schaffenkönnen, die sich selbst erhält. DiePermakultur setzt auf eine sinnvolle Kombination von Anpflanzungen, umauf natürliche Weise die Qualität der Böden zu verbessern.

Foto: Proyecto Esperanza e. V.

Das Projekt entwirft und realisiertKunstaktionen, die Solarenergiedurch Kraft, Klang, Bewegung,Wärme und Licht erfahrbarmachen. Ziel ist es, mit Solarkunst-aktionen zunächst auf emotionalerEbene das Interesse der Men-schen für das Thema Solarenergiezu wecken. Im Anschluss an dieAktionen werden die Zuschauermit weiterführenden Informatio-nen versorgt. Für Schulklassenwird zudem das Solarlabor Berlinbetrieben, in dem ein erlebnis-orientierter Unterricht zur Solar-energie angeboten wird.

Solarkunstaktionen auf Großveranstaltungen undals Inspiration für die Bildungsarbeit

Dekade-Projekt der Huth Solar Performance, in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Solarenergie (DGS) LV Berlin-Brandenburg e.V.

Foto: Huth Solar Performance

Dekade-Projekte in Deutschland

Das Deutsche Nationalkomitee für die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ hat erfolgreiche undinnovative Projekte als offizielle Beiträge zur UN-Dekade anerkannt. UNESCO heute stellt in dieser Ausgabeeine Auswahl der Projekte vor.

Page 3: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

1

Walter Hirche

Grußwort

Nachhaltigkeit ist nicht lediglich ein Poli-tikfeld unter vielen anderen. Nachhaltig-keit hat sich als das zentrale Leitbild fürdie humane Gestaltung der Globalisie-rung etabliert. Nachhaltige Entwicklungbedeutet, Verantwortung zu übernehmenfür zukünftige Generationen und für dasZusammenleben in der Einen Welt. Bildung für nachhaltige Entwicklung trägtdazu bei, dass Nachhaltigkeit zum Orien-tierungspunkt für das Handeln jedes Ein-zelnen wird. Es geht darum, Menschen indie Lage zu versetzen, aktiv, reflektiertund eigenverantwortlich an der Gestal-tung einer zukunftsfähigen Gesellschaftteilzuhaben. Die UN-Dekade „Bildung fürnachhaltige Entwicklung“ (2005-2014)wirbt bei allen politischen Akteuren undin der Zivilgesellschaft, bei der dasBewusstsein für diese Fragestellungenbereits sehr entwickelt ist, für dieseZiele.

Selten hat eine Weltdekade oder einInternationales Jahr in Deutschland soviel Aufmerksamkeit auf sich gezogenwie die UN-Dekade „Bildung für nachhal-tige Entwicklung“, für deren Umsetzungdie UNESCO die internationale Federfüh-rung übernommen hat. Die UN-Dekadeist gegenwärtig eine der wichtigsten undsichtbarsten Aktivitäten zur Umsetzungdes Programms der UNESCO in Deutsch-land. Das Nationalkomitee für die UN-Dekade hat bereits im Januar 2005 einenNationalen Aktionsplan vorgestellt, derals politisches Referenzdokument undSelbstverpflichtung dient. Die Auszeich-nung der bisher rund 250 offiziellen deut-schen Projekte für die Weltdekade erfährtgroße Resonanz. Über den Runden Tischund seine Arbeitsgruppen kooperiert dasNationalkomitee bundesweit mit über100 Initiativen der Bildung für nachhaltigeEntwicklung. Die deutschen Aktivitätenzur Dekade stehen unter der Schirmherr-schaft von Bundespräsident Horst Köhler.

Die Deutsche UNESCO-Kommission hatschon kurz nach Ausrufung der Weltde-kade in ihrer „Hamburger Erklärung“ imJahr 2003 Leitlinien für die Umsetzungder Dekade in Deutschland vorgeschla-gen, die nun in den Nationalen Aktions-plan eingeflossen sind. Auf der Grundlage

des einstimmigen Beschlusses des Deut-schen Bundestages zur UN-Dekade vom1. Juli 2004 koordiniert die DeutscheUNESCO-Kommission durch das von ihrberufene Nationalkomitee die Aktivitätenzur UN-Dekade in Deutschland. Der Bun-destag bekräftigte in seinem Beschlussdie „politische Verpflichtung“ für die Mit-gliedstaaten der Vereinten Nationen, „dieFörderung der Bildung für eine nachhal-tige Entwicklung auf nationaler und inter-nationaler Ebene zu forcieren“.

In ihrer koordinierenden Rolle kann dieDeutsche UNESCO-Kommission vorallem zwei komparative Vorteile einbrin-gen:

■ Die ambitionierten Ziele, die wir unsalle für die Dekade gesetzt haben, kön-nen wir nur erreichen, wenn alle rele-vanten Akteure an einem Strang zie-hen. Als Organisation, die zwischenPolitik und Zivilgesellschaft angesiedeltist und über breite Akzeptanz als ver-mittelnde und übergreifende Modera-torin verfügt, kann die DeutscheUNESCO-Kommission eine Plattformbereitstellen, auf der alle Akteure derBildung für nachhaltige Entwicklung inDeutschland zusammenarbeiten kön-nen.

■ Als Nationalkommission der UNESCOist die Deutsche UNESCO-Kommissionin ein weltweites Netzwerk aus 191Mitgliedstaaten eingebunden. Dadurchkann sie die internationale Anbindungder deutschen Aktivitäten zur Dekadesicherstellen.

Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltigeEntwicklung“ hat in Deutschland erfolg-reich begonnen. Selbstverständlich aberstehen wir erst am Anfang. Es gilt nun,zunächst die erfreuliche Dynamik desersten Jahres aufrechtzuerhalten. Dazugehört auch, dass wir uns weiter darumbemühen, alle Akteure – von der Bundes-regierung über die Länder bis zu Nichtre-gierungsorganisationen und der Privat-wirtschaft – davon zu überzeugen, dassdie Gestaltung einer zukunftsfähigenGesellschaft durch Bildung als oberstePriorität und Selbstverpflichtung verstan-

Page 4: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

2 UNESCOheute 1|2006

den werden muss. Noch nicht alle 'keyplayer' sind schon mit im Boot. Auchmüssen wir weiter daran arbeiten, dasssich Bildung für nachhaltige Entwicklungals integrierende „Dachmarke“ und Qua-litätskriterium für zukunftsfähige Bildungetabliert. Ein weiterer Schwerpunkt derkommenden Jahre muss daher die Eva-luation und die Fortentwicklung beste-hender Aktivitäten sein. Denn Bildung fürnachhaltige Entwicklung ist eine Innovati-onsstrategie, die wir auch auf unsereeigenen Aktivitäten anwenden sollten.International schließlich steht die Dekadenoch nicht da, wo es ihr aufgrund derRelevanz des Themas zustünde. Hier istnoch einige Überzeugungsarbeit zu lei-sten.

Besonders gut gelungen ist aus meinerSicht bisher die Zusammenarbeit vonPolitik und Zivilgesellschaft bei der Aus-gestaltung der Weltdekade in Deutsch-land. Beeindruckend ist das breite Spek-trum der Aktivitäten, wie es sich amMaßnahmenkatalog des Aktionsplansund an der Liste der Dekade-Projekteablesen lässt. Vertreten sind weit rei-chende politische Maßnahmen von Ministerien ebenso wie scheinbar kleine,praxisnahe Projekte in einzelnen Kindergärten, Schulen oder Weiterbil-

dungseinrichtungen. Die Vielfalt der Bil-dung für nachhaltige Entwicklung inDeutschland spiegelt sich in den Beiträ-gen zu diesem Heft wider.

Ich möchte dieses Themenheft zur UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwick-lung“ auch zum Anlass nehmen, allen ander Dekade in Deutschland Beteiligten fürihr großes Engagement zu danken! Nacheinem sehr gelungenen Auftakt gilt esnun, die strategischen Perspektiven wei-ter zu entwickeln und beharrlich an ihrerUmsetzung zu arbeiten. Das Thema die-ser Dekade jedenfalls wird an Bedeutungnur noch zunehmen.

Walter Hirche

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehrund stellvertretender Ministerpräsident des Landes Niedersachsen

Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission

Page 5: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

Grußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Walter Hirche

Bildung für nachhaltige Entwicklung – ein neues Lern- und Handlungsfeld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4Gerhard de Haan

Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ aus Sicht der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Annette Schavan

Vom globalen Vorhaben zur dezentralen Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Die UN-Dekade in den BundesländernUte Erdsiek-Rave

Kurswechsel in Richtung Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . 15Die UN-Weltdekade aus Sicht des Deutschen BundestagesUlla Burchardt

Impulse für die Thüringer Bildungspolitik . . . . . . . . . . . . 18Dieter Althaus

Die Musik spielt in den Ländern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Umweltminister der Länder unterstützen die UN-DekadeHerlind Gundelach

Nachhaltigkeit in den Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24Bonn und die UN-DekadeBärbel Dieckmann

„Wir haben einfach keine andere Wahl“. . . . . . . . . . . . . . 27Interview mit dem Beigeordneten UNESCO-Generaldirektor Peter Smith

Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ als politisches und zivilgesellschaftliches Projekt . . . . . . 31Verfasst vom Nationalkomitee für die UN-Dekade

Die Mitglieder des Nationalkomitees . . . . . . . . . . . . . . . . 33

Die Rolle der Nichtregierungsorganisationen bei der Umsetzung der UN-Dekade . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35Annette Dieckmann / Jörg-Robert Schreiber

Wohin die Reise gehen soll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Der Nationale Aktionsplan zur UN-DekadeElmar Schüll

Die Auszeichnung von offiziellen Dekade-Projekten . . . . 42Heidi Consentius

Von Sao Paulo bis zu den Salomonen. . . . . . . . . . . . . . . . 45Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ weltweitAlexander Leicht

Das College für nachhaltige Entwicklung der Universität Gaia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49Eine Vision für die UN-DekadeJohn Fien

Dem Schicksal die Stirn bieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52Globale Naturrisiken und Bildung für nachhaltige EntwicklungThomas Loster

Vorbereiten auf Katastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56Bildungs- und Informationsinitiativen der UNESCO Badaoui Rouhban

Bildung für nachhaltige Entwicklung – kulturelle Bildung – kulturelle Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . 58Wächst nunmehr zusammen, was zusammengehört?Max Fuchs

Das Nachhaltigkeitskonzept der UNESCO-Projektschulen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62Beispiel: das gemeinsame Netzwerk in Niedersachsen und BremenHeinz-Jürgen Rickert

Jugend und Nachhaltigkeit – eine Beziehung mit Zukunft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66Jasmin Godemann

Die Privatwirtschaft fördert Bildung für Nachhaltigkeit . . 70Kinder-Zukunftskongress der Deutschen TelekomMarion Schöberl

Auf einen Blick: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in Deutschland

Mitglieder des Runden Tisches zur UN-Dekade . . . . . . . . 74

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

3

Inhalt

Titelfoto © UNESCO / Bakary Emmanuel Daou

UNESCO heuteNr. 1/2006 (1. Halbjahr)

Page 6: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

4 UNESCOheute 1|2006

Gerhard de Haan

Bildung für nachhaltige Entwicklung– ein neues Lern- und Handlungsfeld

Gerhard de Haan, Vorsitzender des Deutschen Nationalkomitees für dieUN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, erläutert Konzep-tion und Geschichte der Nachhaltigkeitsbildung.

Bei der Bildung für nachhaltige Entwick-lung (im Folgenden BNE) handelt es sichum ein Lern- und Handlungsfeld, das inDeutschland seit 1996 – also vier Jahrenach der Rio-Konferenz für Umwelt undEntwicklung – bearbeitet wird. ImAbschlussdokument der Rio-Konferenz –der von rund 180 Staaten dieser Weltunterzeichneten „Agenda 21“ (AGENDA21 1992) – widmet sich Kapitel 36 derBedeutung von Bildung im Prozess dernachhaltigen Entwicklung. Ohne menta-len Wandel, ohne Bewusstseinsbildung,das heißt ohne eine weltweite Bildungs-initiative, so heißt es dort – wie an zahlreichen anderen Stellen in diesem wegweisenden Dokument für das 21. Jahrhundert –, sei eine nachhaltigeEntwicklung nicht zu gewährleisten.

Die Agenda 21

Mit der Agenda 21 wurden zwei Strängeinternationaler Politik endgültig zusam-mengebracht, die zwar schon im Bericht„Our common Future“ der Brundtland-Kommission (WCED 1987) verknüpftwurden, aber hier eine noch deutlichereAusprägung erhielten. Es handelt sich umdie Verbindung zwischen ökologischenNotwendigkeiten und entwicklungspoliti-schen Einsichten.

Seit den 1960er Jahren wird intensiv erör-tert, wie sich ein Ausgleich zwischen denreichen Ländern der nördlichen Hemisphäreund den ärmeren Ländern des Südenserreichen lässt, wie sich Unterdrückungund Ausbeutung weltweit reduzieren las-sen. Daran knüpften sich zahlreiche Bil-dungsinitiativen, die sich heute – jenseitsaller Nuancen – unter dem Titel „GlobalesLernen“ zusammenfassen lassen.

Rund 10 Jahre später, also um 1970erfahren die Verknappung natürlicherRessourcen, das Artensterben und die

Umweltvergiftungen international wienational eine hohe Aufmerksamkeit. Manspricht von der ökologischen Krise undsieht das Überleben der Menschheit inGefahr. Auch dieses große Thema bliebnicht ohne Resonanz im Bildungsbereich.Die in diesem Zuge entwickelten Kon-zepte und Ideen lassen sich unter demTitel „Umweltbildung“ zusammenfassen.

„EntwicklungspolitischeBildung hatte das Ziel,eine gerechtere Welt zu schaffen“

Aktivitäten in der EntwicklungspolitischenBildung bargen als normativen Kern dasZiel, eine gerechtere Welt zu schaffen.Aktivitäten in der Umweltbildung warengeprägt vom Gedanken des Schutzes vonNatur. Beiden Bildungsbereichen wareine gewisse Alarmierrhetorik zu Eigen:Beschworen die Einen die ökologischeUntergangskatastrophe, so kam es denAnderen darauf an, die Verantwortungdes reichen Nordens für das Elend imarmen Süden anzuprangern.

Mit der Vision einer nachhaltigen Ent-wicklung werden nun – zwar nicht nur,aber primär – die Themen Umwelt undEntwicklung zusammengeführt. Es geht –so die normative Leitidee – darum, heuteso zu wirtschaften, die Politik so zugestalten und so zu leben, dass für dieheutigen wie für zukünftige Generationenlebenswerte Verhältnisse geschaffenbzw. ermöglicht werden. Dieses ist – sodas Konzept der Nachhaltigkeit – dannmöglich, wenn Ökologie, Ökonomie undSoziales in ihren Interdependenzenzusammen gesehen werden. Wirtschaftli-che Prosperität zu verbinden mit sozialgerechten Verhältnissen und dabei dieUmweltbelastungen zu minimieren sowiedie natürlichen Ressourcen zu schonenund künftigen Generationen keine Lastenaufzubürden, die ihre Lebenschancengegenüber heutigen beeinträchtigen –das ist keine leichte, aber unabdingbareAufgabe.

Ohne eine weltweite

Bildungsinitiative ist eine

nachhaltige Entwicklung

nicht zu gewährleisten

Page 7: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

5

So sah es nicht nur die Staatengemein-schaft 1992 in Rio und auf der Folgekon-ferenz 2002 in Johannesburg, so sieht esauch die OECD (Organisation für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung). Die OECD hat sich die Auffassungzu Eigen gemacht, dass es drei übergrei-fende Bildungsziele gibt, die einemmodernen Konzept von Bildung und Erzie-hung zugrunde liegen sollten. Dieses sind:die Menschenrechte achten zu lernen,demokratisch handeln und im Sinne derNachhaltigkeit agieren können (vgl. OECD2005). Das unterstreicht, ganz unabhängigvon einer immer schon für die Nachhaltig-keit engagierten Community, die Bedeu-tung, die der nachhaltigen Entwicklung fürdas Lehren und Lernen zugedacht wird.

Ein Wandel der Bildung

Betrachtet man den Wandel der Umwelt-bildung und des Globalen Lernens hin zurBNE genauer, so werden erhebliche kon-zeptionelle Verschiebungen deutlich. DieUmweltbildung ging von einem Bedro-hungsszenario aus: Der exorbitante Ver-brauch nicht erneuerbarer Naturressour-cen, der Eintrag von toxischen Stoffen inden Naturhaushalt und das globale Bevöl-kerungswachstum waren die Warntafeln,unter denen man den Schutz der Natur,die Kritik an einem expansiven, Naturausbeutenden und zerstörenden Wirt-schaftswachstum und einer wenigumweltfreundlichen Politik betrieb.

„Die Umweltbildung gingvon einem Bedrohungs-szenario aus“

Die Entwicklungspolitische Bildungwarnte vor Ausbeutung, Armut undUnterdrückung. Dieses ging oftmals ein-her mit einer Schuldzuweisung in Rich-tung der großen Industrienationen unddem Erzeugen eines schlechten Gewis-sens bei den Bürgern dieser Nationen,deren Wohlstand als auf Kosten derArmen basierend angesehen wurde.Damit war ein Elendsszenario entworfen,das oftmals ebenso hilflos machte wiedas Bedrohungsszenario, auf dem dieUmweltbildung fußte.

Mit dem Konzept nachhaltiger Entwicklungwurde für die Umweltbildung wie für dieEntwicklungspolitische Bildung eine Neu-orientierung notwendig. Sie führte wegvon den Bedrohungs- und Elendsszenarienund hin zu Modernisierungsszenarien.

„In der Bildung für nach-haltige Entwicklunggeht es darum, etwasüber kreative Lösungenzu lernen“

Im Kontext von BNE geht es darum,etwas über kreative Lösungen zu lernen,die eine ökonomische Prosperität undden Schutz von Natur zugleich ermögli-chen; es geht um das Wissen für die Ent-wicklung innovativer, Ressourcen scho-nender Techniken, um Kenntnisse überneue Formen der Politik, bei der bürger-gesellschaftliches Engagement einenhohen Stellenwert erhält; es geht um dasNachdenken über neue Lebensstile, indenen sich Wohlbefinden, Zufriedenheitund Rücksichtnahme auf die Natur undauf andere Menschen zusammenbringenlassen; es geht um die Übernahme derPerspektiven Anderer aus anderen Län-dern, um Initiativen zum fairen Handelund neue Formen weltweiter Koopera-tion. Dies alles mit dem Ziel, durch Bil-dung und Erziehung handlungsfähig zuwerden für eine weltweit gerechtere Ver-teilung von Lebenschancen unter Berück-sichtigung ökologischer Kriterien.

Das Konzept der Gestaltungskompetenz

Einen entscheidenden Schritt hat die Ent-wicklung der BNE in den letzten Jahrenmit der Ausformulierung eines Kompe-tenzkonzeptes getan. Bildungsziele, wiesie mit der Nachhaltigkeitsidee verbun-den sind, bleiben so lange schillernd undvage, wie sie nicht mit Aussagen zu denFähigkeiten verbunden werden, die imKontext des Lernens erworben werdenkönnen oder sollen.

Für die BNE wurde das Konzept derGestaltungskompetenz ausformuliert. MitGestaltungskompetenz wird die Fähigkeitbezeichnet, Wissen über nachhaltige Ent-wicklung anwenden und Probleme nichtnachhaltiger Entwicklung erkennen zukönnen. Das heißt, aus Gegenwartsanaly-sen und Zukunftsstudien Schlussfolge-rungen über ökologische, ökonomischeund soziale Entwicklungen in ihrer wech-selseitigen Abhängigkeit ziehen und dar-auf basierende Entscheidungen treffen,verstehen und individuell, gemeinschaft-lich und politisch umsetzen zu können,mit denen sich nachhaltige Entwicklungs-prozesse verwirklichen lassen. Das Kon-

Foto © BMU/Bernd Müller

Im Konzept der Nachhaltigkeit

werden Ökologie, Ökonomie

und Soziales zusammen

gesehen

Page 8: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

6 UNESCOheute 1|2006

zept ist anschlussfähig an die Konzeptionder Schlüsselkompetenzen der OECD(vgl. OECD 2005), und es ist in Teilkom-petenzen weiter ausdifferenziert, so dasseine anwendungsnahe Beschreibung derZiele von BNE vorliegt, die in Bezug aufdie Auswahl von Inhalten, die Formulie-rung von Aufgaben und die Überprüfungdes Gelernten aussagekräftig ist.

Betrachtet man die Fortschritte der BNEin Deutschland über die letzten zehnJahre, so lässt sich durchaus von einerErfolgsgeschichte sprechen, zumal dieBedeutung von BNE durch Bundes- wieLandesministerien, durch den Bundestagund viele Landesparlamente mit einschlä-gigen Beschlüssen immer wieder heraus-gestellt wurde (vgl. z.B. BUNDESTAG2000, BMBF 2002, BUNDESTAG 2004,BMBF 2005). In zahlreichen Lehrplänenfindet sich die Nachhaltigkeit fest veran-kert, und der Bund hat gemeinsam mitden Ländern mehrere Programme zurFörderung der BNE aufgelegt und diesesHandlungsfeld mit einem zweistelligenMillionenbetrag gefördert (vgl. z.B. dieProgramme „Bildung für nachhaltige Ent-wicklung“ und „Transfer-21“: www.trans-fer-21.de).

Problemfelder der Nachhaltigkeitsbildung

Man kann aber auch Schwierigkeiten inder Umsetzung und Konturierung derBNE identifizieren. Drei seien hiererwähnt:

Erstens ist die BNE nicht in allen formel-len Bildungsbereichen gleich gut positio-Foto © BMZ

niert: In den Bereichen Hochschule,Berufsbildung und auch im Elementar-und Primarbereich sind weniger großeFortschritte zu verzeichnen als in derSekundarstufe. Im informellen und non-formellen Bildungsbereich sind ebensoweitere Transfermaßnahmen nötig.

Zweitens sind die Zusammenführung undder Wandel der Umweltbildung sowieEntwicklungspolitischen Bildung in Rich-tung BNE nicht konfliktfrei verlaufen. DieIntegration der Sichtweisen kosteteeinige Mühe, und oftmals sah man sichmit den jeweils eigenen Interessen über-gangen. So wurde der BNE anfänglicheine Umweltlastigkeit vorgeworfen,soweit die BNE von Akteuren aus derUmweltbildung vorangebracht wurde.Oder man warf den Engagierten aus derEntwicklungspolitischen Bildung vor, dieBedeutung der Ökologie zu gering zu ach-ten, wenn sie Zielstellungen für die BNEformulierten.

Die Zusammenführung ist inzwischenvorangeschritten, bleibt aber problema-tisch, so lange beide Seiten weiterhinversuchen, Alleinstellungsmerkmale fürsich zu reklamieren, anstatt die anstehen-den Aufgaben in der BNE aus der jeweilsin hohem Maße vorhandenen sachlichenKompetenz heraus zu betreiben. Die imRahmen der BNE zu bewältigenden Inte-grationsaufgaben sind auch über dieseDivergenzen hinaus beträchtlich.

Es ist nicht damit getan, Elemente ausder Entwicklungspolitischen Bildung undder Umweltbildung in der BNE zu verei-nen. Auch die Konsumentenbildung, dieFriedenspädagogik, Menschenrechtsbil-dung, die Mobilitätserziehung, die Bil-dung in Finanzfragen und Aspekte derCitizenship Education (Demokratiepäd-agogik) bieten Expertise für die BNE, dieintegriert werden muss.

Drittens schließlich erwächst ein exorbi-tantes Problem aus dem sehr weiten Ver-ständnis von Nachhaltigkeit und von denAufgaben der BNE, wie sie insbesonderein internationalen Dokumenten der Ver-einten Nationen und der UNESCO formu-liert werden. Dieses Problem sei etwasausführlicher behandelt.

Für die Vereinten Nationen – wie für dieUNESCO – gehört „Education for All“,gehört die United Nations LiteracyDecade (2003 bis 2012), gehört dieArmutsbekämpfung und auch die

In zahlreichen Lehrplänen

findet sich die Nachhaltigkeit

fest verankert

Page 9: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

7

Bekämpfung von HIV/AIDS, die Gleich-stellung der Geschlechter zu den Aufga-benfeldern der BNE (vgl. UNESCO 2005oder UNITED NATIONS 2002). Seltsamer-weise wird die International Decade forAction „Water for life“ (2005 bis 2014)nicht genannt. Freilich werden auch dieoben angeführten Themen, also die Ent-wicklung nachhaltiger Lebensstile, derdemografische Wandel, innovative Tech-nologien, Probleme des Konsums, dieUmweltverschmutzung, der Klimawandeletc. genannt.

Nachhaltige Entwicklung wird damiteinerseits zu einem Lernfeld deklariert,andererseits aber wird alles, was einerEntwicklung im positiven Sinne entge-gensteht oder für die Zukunft als sinnvollerscheint, unter der BNE subsumiert. Esscheint – und wird manchmal sogar for-muliert – als solle man aus der BNE her-aus generell die Qualität der Bildungssy-steme beurteilen, über BNE die Armutbekämpfen, die Alphabetisierung voran-treiben, die Gleichheit der Geschlechterdurchsetzen. So sinnvoll all diese Initiati-ven sind, so sehr überfrachtet man dieBNE mit solchen Ansprüchen. Zudemgerät das Verständnis von BNE diffus,und man macht sich auch unglaubwürdig,wenn ein so schmales Lern- und Hand-lungsfeld wie BNE all diese Aufgaben(mit) schultern soll.

Wie kann man mit dieser Diffusion undÜberfrachtung von BNE umgehen?

Mein Vorschlag ist, der BNE aus mehrfa-chen Gründen eine nationale Ausprägungzu geben. Das hat weniger mit der Sou-veränität der Staaten dieser Welt zu tunals mit den spezifischen Problemlagenund jeweiligen gesellschaftlichen Struktu-ren sowie vorhandener Expertise undProfessionalität.

So ist es unter Gesichtspunkten derNachhaltigkeit sicherlich richtig, in etli-chen Ländern „Education for All“ einzu-fordern. Wo nicht einmal eine Grundbil-dung für acht bis zehn Schuljahreverwirklicht ist und zudem Mädchen undFrauen kaum ein Zugang zur Bildunggewährt wird, muss man dieses Problemaus der Perspektive der BNE auf dieAgenda setzen. Wo aber, wie hierzu-lande, ein Deckeneffekt erreicht ist, dasheißt für alle eine Schulpflicht bis zumEnde der Sekundarstufe I besteht, ist eswenig sinnvoll, diese Aufgabe der BNEnoch zuzuschreiben. Das gilt auch dann,

wenn man auf die hohe Quote der Anal-phabeten in Deutschland verweist, dietrotz der Schulpflicht existiert. Denn mitder Aufgabe, diese Quote zu reduzieren,wären die Experten für BNE überfordert.Es wäre ein Zeichen von Unprofessionali-tät, würde man dieses Feld mitbedienenwollen. Schließlich gibt es dafür inDeutschland Experten, die sich dieserThematik viel besser annehmen können.

Das gilt auch für andere Themen, dieinternational der BNE zugedacht werden:Auch für die HIV-Prävention gibt es inDeutschland professionell arbeitendeOrganisationen und Experten, die hiertätig sind, wie es sie im Kampf gegenRassismus und in der Fürsorge sowieArmutsbekämpfung gibt. Damit sinddiese (wie zahlreiche andere) Problemfel-der dennoch nicht aus dem Horizont derBNE verschwunden. Sie werden, andersfokussiert, durchaus zum Thema, aberimmer aus dem Blickwinkel eines enge-ren Verständnisses von Nachhaltigkeit.

Beiträge gegen die Bildungsarmut

So halte ich es für aussichtsreich, mitHilfe der BNE gegen die Bildungsarmuthierzulande etwas zu unternehmen. Undzwar im Kontext der Einrichtung nachhal-tig wirtschaftender Schülerfirmen. Schü-lerfirmen sind von Schülerinnen undSchülern selbsttätig betriebene kleineUnternehmen im schulischen Kontext.Wir wissen, dass die Lernmotivationeninsbesondere von Schülerinnen undSchülern aus bildungsfernen Milieus, denHaupt- und Förderschulen steigt, wennsie sich in Schülerfirmen engagieren. Undwir wissen, dass Jugendliche Umwelt-themen und der Förderung von gerechte-ren Lebensverhältnissen hohe Prioritätzumessen. Aus dieser Perspektive lohntes sich, eine Fahrradwerkstatt, einenCatering-Service mit Bioprodukten, einUnternehmen für regionalen sanften Tou-rismus und vieles andere einzurichten.Das Engagement in einer Schülerfirmasteigert auch das Interesse am regulärenUnterricht. Und man kommt leichter mitUnternehmen der Umgebung in Kontakt.Das wiederum erhöht die Chance fürdiese Jugendlichen, nach der Schulzeiteinen Einstieg ins Arbeitsleben zu finden.

Insofern können wir durch BNE einenprofessionellen Beitrag gegen Bildungs-armut leisten – wie man durch BNE aucheinen Beitrag zur Förderung der Bildung

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ und

die Aufgaben der Nachhaltig-

keitsbildung werden von der

UNESCO sehr weit gefasst

Page 10: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

8 UNESCOheute 1|2006

in so genannten Entwicklungsländern lei-sten kann. Indem zum Beispiel Schülerin-nen und Schüler im direkten Kontakt mitTeeanbauern in Indien deren ökologischangebaute Produkte hier vertreiben undeinen Teil der Einnahmen an das Dorf die-ser Bauern zweckgebunden zurückgeben,damit dort eine Schule errichtet oder eineLehrkraft bezahlt werden kann.

„Innovationen sind von hohem Wissen abhängig“

Eine nationale Ausprägung ist auch ausanderen Gründen sinnvoll. Wir leben ineiner Wissensgesellschaft. Deutschlandist ein rohstoffarmes Land, dessen Pro-sperität von Hightech und intelligentenDienstleistungen abhängt. Innovationenin diesem Feld sind von hohem Wissenabhängig. Zahlreiche Studien belegeninzwischen, dass Wissen der Wachs-tumsfaktor Nummer eins ist.

Das eingeflossene Wissen bestimmtlängst bei vielen Produkten die Preise.Wer zum Beispiel ein Pharmaproduktkauft, bezahlt einen Preis, der zu mehr als80 Prozent durch das eingeflossene Wis-sen bestimmt wird. Technologien undDienstleistungen unter Gesichtspunkten

der Nachhaltigkeit zu entwickeln, heißteben auch, in diesem Feld über intelligen-tes Wissen zu verfügen. Das erschließteinen Themenkanon, der tief in die Natur-wissenschaften, technische Grundbil-dung und das Feld wirtschaftlicher Kennt-nisse hineinreicht. Überhaupt bietet dieNachhaltigkeit ein Themenfeld, das alsparadigmatisch gelten kann für einezukunftsweisende Bildung. Denn sie istinterdisziplinär und problemorientiert aus-gerichtet. Hier wird kein träges Wissenverbreitet, vielmehr lassen sich durchBNE anwendungs- und alltagsbezogenFähigkeiten erwerben, deren Nutzen fürden Einzelnen wie für die Gesellschaftaußerordentlich hoch ist – und die Lern-motivation steigert.

Wie eine nationale Ausprägung von BNEim Detail aussehen kann und welche Lei-stungen sie im Kontext der Wissensge-sellschaft zu erbringen in der Lage ist, die-ses werden wir im Kontext der Dekade inden nächsten Jahren ausloten müssen.

Prof. Dr. Gerhard de Haan ist Vorsitzenderdes Deutschen Nationalkomitees für die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Ent-wicklung“. Er ist Professor für Erziehungs-wissenschaftliche Zukunftsforschung an derFreien Universität Berlin.

Quellen:• AGENDA 21 1992: www.bmu.de/files/

agenda21.pdf• BMBF 2002: Bericht der Bundesregierung zur

Bildung für eine nachhaltige Entwicklung.Bonn 2002: www.bmbf.de/pub/011212bfne_bericht_kabinettfassung.pdf

• BMBF 2005: Bericht der Bundesregierung zurBildung für eine nachhaltige Entwicklung fürden Zeitraum 2002 bis 2005:www.dekade.org/hgmaterial/Bericht_Bundesregierung_2005.pdf

• BUNDESTAG 2000: Beschlussempfehlung undBericht. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Drucksache 14/3319.http://dip.bundestag.de/btd/14/033/1403319.pdf

• BUNDESTAG 2004: Beschlussempfehlungund Bericht. Aktionsplan zur UN-Weltdekade„Bildung für nachhaltige Entwicklung“.Drucksache 15/3472. http://dip.bundestag.de/btd/15/034/1503472.pdf

• OECD 2005: Definition und Auswahl von Schlüs-selkompetenzen – Zusammenfassung 2005.www.oecd.org/dataoecd/36/56/35693281.pdf

• UNESCO 2005: International ImplementationScheme. www.dekade.org/hgmaterial/unescoIIs.pdf

• UNITED NATIONS 2002: Report of the WorldSummit on Sustainable Development.http://www.johannesburgsummit.org/html/documents/summit_docs/131302_wssd_ report_reissued.pdf

• WCED 1987: (World Commission for Environment and Development; auch „Brundt-land-Kommission“): Our common future. www.are.admin.ch/are/en/nachhaltig/international_uno/unterseite02330/

Systemische Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Unterricht und Schulleben

Dekade-Projekt des Berufskollegs Institut Dr. Flad, Stuttgart

Das staatlich anerkannte Berufskolleg fürChemie, Pharmazie und Umwelt ist Part-ner von zahlreichen nationalen und inter-nationalen Projekten, wobei die gesamteSchüler- und Lehrerschaft einbezogenwird. Die Schule tritt für Chancengleich-heit in der Bildung ein und vergibt Stipen-dien an bedürftige Schülerinnen undSchüler sowie an ausländische Stipendia-ten. Regelmäßig werden Veranstaltungenzu den Themen Menschenrechte undRassismus an Schulen durchgeführt.

Foto: Institut Dr. Flad

Page 11: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

9

Wir haben hier in Deutschland sehr gute Voraussetzungen, um dieDekade erfolgreich zu gestalten und dabei wichtige Schritte in Richtungnachhaltige Entwicklung zu machen, meint Annette Schavan, Bundes-ministerin für Bildung und Forschung. Gemäß seiner Rolle als feder-führendes Ministerium steht das BMBF in einer besonderen Verantwor-tung für die Dekade.

Annette Schavan

Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ aus Sicht der Bundesregierung

„Unsere größte Herausforderung im 21.Jahrhundert ist es, die einstweilen nochabstrakt erscheinende Idee einer nachhal-tigen Entwicklung zur Realität für alleMenschen dieser Erde zu machen.“ Mitdiesen Worten hat Kofi Annan, der Gene-ralsekretär der Vereinten Nationen, aufdie Bedeutung der Umsetzung der Leit-idee des Erdgipfels von Rio hingewiesenund gleichzeitig das Ziel der UN-Welt-dekade „Bildung für nachhaltige Entwick-lung“ beschrieben. Alle Mitgliedstaatender Vereinten Nationen sind aufgefordert,in den Jahren 2005 bis 2014 national undinternational einen besonderen Akzentauf die Bildung zu legen, um das Ziel derWeltgesellschaft, die Lebens- und Über-lebensbedingungen für die jetzt lebendenund die zukünftigen Generationen zubewahren, zu unterstützen und Wegedorthin aufzuzeigen.

„Die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ist Ziel und Maßstab unseresRegierungshandelns“

Für die Bundesregierung hat das Leitbildder nachhaltigen Entwicklung eine her-ausragende Bedeutung. Im Koalitions-vertrag heißt es dazu: „Die Förderungeiner nachhaltigen Entwicklung ist Zielund Maßstab unseres Regierungshan-delns, auf nationaler, europäischer undinternationaler Ebene.“

Die Idee der nachhaltigen Entwicklungkann dem Streben nach wirtschaftlicherLeistungsfähigkeit, sozialer Gerechtigkeitund Verantwortung für die natürliche

Umwelt eine gemeinsame Orientierunggeben. Nachhaltige Entwicklung bedeutetfür jeden Einzelnen und für das Gemein-wesen, mit Wissen, Kreativität undZuversicht die Zukunft zu gestalten.

Bildung spielt für die nachhaltige Entwick-lung eine besondere Rolle. Sie verbindetVergangenheit mit Zukunft, verknüpftBewahren mit Gestalten. Dabei geht esum mehr als die Vermittlung von Faktenund Techniken; Bildung für nachhaltigeEntwicklung schließt die Ausbildung vonWerthaltungen und Einstellungen ein.Nur dadurch wird es den Menschen mög-lich, Entwicklungsprozesse selbständigzu beurteilen und das eigene Handelndazu in Beziehung zu setzen. Bildung fürnachhaltige Entwicklung verbindet Sach-wissen und Orientierungswissen, indemsie naturwissenschaftlich-technische,sozial-kulturwissenschaftliche und philo-sophisch-ethische Lerninhalte miteinan-der vernetzt. Sie ist transdisziplinär ange-legt und verknüpft schon früh das Wissenunterschiedlicher Fächer. Auf dieseWeise ermöglicht Bildung Orientierungund Urteilsfähigkeit in einer beschleunig-ten, komplexer werdenden Welt und öko-nomische, kulturelle, soziale und politi-sche Teilhabe.

Die Nachhaltigkeitsidee in derBildung verankern

Die globale Leitidee der nachhaltigen Entwicklung wird in den verschiedenenRegionen der Erde auf unterschiedlicheWeise realisiert. Geht es in Mitteleuropabeispielsweise um eine längerfristig trag-bare Veränderung unserer Produktions-

Bildung für nachhaltige Entwick-

lung verbindet Vergangenheit mit

Zukunft, verknüpft Bewahren mit

Gestalten

Page 12: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

10 UNESCOheute 1|2006

Koordinierende Rolle der

Deutschen UNESCO-

Kommission

und Konsummuster, steht in anderen Teilen der Welt die Sicherung elementa-rer Grundbedürfnisse im Vordergrund.Auch der Beitrag der Bildung zur nachhal-tigen Entwicklung wird in dieser Weltde-kade erst auf nationaler und regionalerEbene konkrete Gestalt annehmen.

Wir haben hier in Deutschland sehr guteVoraussetzungen, um die Dekade erfolg-reich zu gestalten und dabei wichtigeSchritte in Richtung nachhaltige Entwick-lung zu machen. Der Bericht der Bundes-regierung zur Bildung für eine nachhaltigeEntwicklung dokumentierte bereits imJahr 2001 eine ausgedehnte Akteursland-schaft und die Aufnahme der Thematik innahezu allen Bildungsbereichen. ImBericht aus dem Jahre 2005 wird festge-stellt, dass die Bildung für nachhaltigeEntwicklung in den zurückliegenden vierJahren konzeptionell weiter präzisiert undbreiter umgesetzt wurde. Der Bericht2005 zeigt auch, dass die internationaleDimension der Bildung für nachhaltigeEntwicklung an Bedeutung gewonnenhat.

„Die internationale Dimension der Bildungfür nachhaltige Entwicklung hat an Bedeutung gewonnen“

Den strukturierenden Rahmen für unsereweiteren Aktivitäten wird in der kommen-den Zeit die UN-Dekade „Bildung fürnachhaltige Entwicklung“ darstellen. DerDeutsche Bundestag hat schon im Vor-feld der UN-Dekade am 1. Juli 2004 miteinem einstimmigen Beschluss dieErstellung eines nationalen Aktionsplanes„Bildung für nachhaltige Entwicklung“gefordert. Daraufhin hat die DeutscheUNESCO-Kommission in Deutschland –ähnlich wie die UNESCO innerhalb desSystems der Vereinten Nationen – einekoordinierende Funktion übernommen.Sie wird dafür vom Bundesministeriumfür Bildung und Forschung (BMBF), dasinnerhalb der Bundesregierung für dieDekade federführend ist, unterstützt undausgestattet. Ein von der DeutschenUNESCO-Kommission im Mai 2004 ein-gesetztes Nationalkomitee versammeltExperten aus Wissenschaft, Kultur undMedien, Vertreter des Bundestages, derBundesregierung und der Kultusminister-konferenz sowie Persönlichkeiten, diesich in der Öffentlichkeit für die Idee derNachhaltigkeit einsetzen. Die erste Auf-

gabe dieses Komitees war es, bis zumJahresende 2004 den Nationalen Aktions-plan zu entwickeln.

„Ein erfolgreiches Zusammenspiel staatlichen und zivil-gesellschaftlichen Handelns“

Ich freue mich sehr darüber, dass wir inDeutschland einen Aktionsplan vorlegenkönnen, der die beachtlichen Aktivitätenund Vorhaben zahlreicher Akteure ausallen Bildungsbereichen präsentiert. DieDekade erweist sich damit schon jetzt alsein gutes Beispiel für das erfolgreicheZusammenspiel staatlichen und zivilge-sellschaftlichen Handelns.

Beiträge des BMBF zur Nachhaltigkeitsbildung

Das Bundesministerium für Bildung undForschung ist innerhalb des Maßnahmen-katalogs des nationalen Aktionsplans entsprechend seiner Zuständigkeiten mitinhaltlichen Beiträgen vertreten:

■ Die Modellversuche in der beruflichenAus- und Weiterbildung (Wirtschafts-modellversuche) fördern nachhaltigesDenken und Handeln durch die Entwick-lung berufsübergreifender und berufsbe-zogener Kompetenzen. Ziele sind eineIntegration entsprechender Inhalte in dieAusbildungsordnungen und eine Verbrei-tung durch branchen- und themenspezifi-sche regionale und überregionale Netz-werke.

■ Die EU-Bildungsprogramme SOKRATESund LEONARDO thematisieren Nachhal-tigkeit in unterschiedlichem Maße. DasBMBF wird darauf hinwirken, Themennachhaltiger Entwicklung auch künftig inangemessener Form in die Bildungspro-gramme und -projekte der EU zu integrie-ren.

■ Eines der Ziele des BMBF-Rahmenpro-gramms „Forschung für Nachhaltigkeit“(FONA), das ein Fördervolumen von rund160 Millionen Euro pro Jahr vorsieht, istdie stärkere Verknüpfung von Forschungund Bildung, um den systematischenTransfer von Forschungsergebnissen inentsprechende Bildungsmaßnahmen zuverbessern. In den Bekanntmachungender einzelnen Förderschwerpunkte wird

Page 13: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

11

deshalb erstmalig die Einbindung vonspezifischen Bildungsaspekten ausdrück-lich gefordert.

■ Im allgemein bildenden Bereich wird derBund künftig thematische Weiterent-wicklungen und den gemeinsam mit denLändern initiierten Transfer guter Praxisdurch Forschung begleiten und unterstüt-zen und die Ergebnisse dieser Forschungin die internationale Berichterstattung zurDekade einbringen.

Gemäß seiner Rolle als federführendesMinisterium steht das BMBF darüber hin-aus in einer besonderen Verantwortung fürdie Dekade. Nachhaltige Entwicklung hatdeutliche Bezüge zu anderen Politikfeldernwie beispielsweise zum Umweltschutz, zurEntwicklungszusammenarbeit und zumVerbraucherschutz. Der jüngste Bericht derBundesregierung zeigt, dass nahezu alleRessorts Beiträge zur Bildung für eine nach-haltige Entwicklung leisten. Es ist ein Anlie-gen des BMBF, diese erfolgreiche Zusam-menarbeit fortzusetzen und weiterauszubauen. Für die Erreichung der Zieleder Dekade von noch größerer Bedeutungist jedoch die Aufgabe, funktionale Struktu-ren und Foren für alle Beteiligten bereit zustellen. Der Nationale Aktionsplan benenntvier strategische Ziele:

■ Weiterentwicklung und Bündelung derAktivitäten und Transfer guter Praxis indie Breite,

■ Vernetzung der Akteure der Bildung fürnachhaltige Entwicklung,

■ Verbesserung der öffentlichen Wahr-nehmung von Bildung für nachhaltigeEntwicklung,

■ Verstärkung internationaler Kooperatio-nen.

Erfolgreiche Bilanz:das erste Jahr der UN-Dekade

Die bisher gemeinsam mit der DeutschenUNESCO-Kommission etablierten Struktu-ren und eingeleiteten Initiativen, insbeson-dere das Nationalkomitee und der RundeTisch mit seinen Arbeitsgruppen, die zahl-reichen nationalen und regionalen Veran-staltungen, die Auszeichnung von Dekade-Projekten sowie die im Aktionsplanaufgeführten Maßnahmen haben dazugeführt, dass wir diesen Zielen schon imersten Jahr der Dekade ein gutes Stücknäher gekommen sind: Die verschiedenen

Foto © UNESCO / MSC Waldo Jose Torres

Bildungseinrichtungen und -initiativenhaben jetzt bessere Möglichkeiten, guteBeispiele auszutauschen und voneinanderzu lernen. Die Kooperationsmöglichkeitenauf nationaler und regionaler Ebene werdenintensiv genutzt. Transparenz und Öffent-lichkeitswirksamkeit haben eine deutlicheUnterstützung erfahren. Die Beteiligungvon Vertretern europäischer UNESCO-Nationalkommissionen am letzten RundenTisch in Erfurt belegt das zunehmendeinternationale Engagement ebenso wie dieKooperation der Mitgliedstaaten der UnitedNations Economic Commission for Europe(UNECE), die 2005 in Vilnius eine gemein-same Strategie „Bildung für nachhaltigeEntwicklung“ verabschiedet haben undderen Umsetzung kontinuierlich begleiten.

2006 werden die bisherigen Aktivitäteneine zusätzliche Unterstützung durch einvom BMBF finanziertes Internetportal „Bil-dung für nachhaltige Entwicklung“ bei derDeutschen UNESCO-Kommission erfahren.Von diesem Internetauftritt erhoffen wiruns eine weitere Bündelung der Kompeten-zen der beteiligten Anbieter durch gemein-

Vier strategische Ziele

Page 14: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

12 UNESCOheute 1|2006

Leben gestalten lernen

Dekade-Projekt des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern e.V.

same Angebote, eine Erhöhung der Trans-parenz und Zugänglichkeit für potenzielleNutzer und eine deutliche Erhöhung deröffentlichen Aufmerksamkeit für dieDekade. Um die internationale Vernetzungzu fördern, wird das Portal auch englisch-sprachige Angebote bereithalten.

Eine besondere Chance der Weltdekade„Bildung für nachhaltige Entwicklung“sehe ich darin, den internationalen Aus-tausch zu intensivieren und neue Partner-schaften einzugehen. Gerade wegen derUnterschiedlichkeit kultureller Vorausset-zungen und wegen der Vielfalt, in der

sich nachhaltige Entwicklung realisiert,bietet der globale Dialog Möglichkeitendes gegenseitigen Lernens. Eine Verstär-kung der internationalen Kooperationinnerhalb der Dekade wird deshalb vonmeinem Ministerium nachdrücklich unter-stützt.

Ich danke bei dieser Gelegenheit allenBeteiligten für ihr bisheriges Engagementund wünsche ihnen weiterhin viel Erfolg!

Dr. Annette Schavan, MdB, ist Bundesministerin für Bildung und Forschung.

Das deutsche Internetportal

„Bildung für nachhaltige

Entwicklung“ soll 2006 an

den Start gehen

Ziel des Projektes ist die Qualifizierungvon Kindergärten im Bereich der Bildungfür nachhaltige Entwicklung. Kindergärtenwerden mit den Inhalten und Methodender Nachhaltigkeitsbildung vertraut

gemacht, um Kindern frühzeitig Kompe-tenzen in diesem Bereich zu vermitteln.Dies betrifft soziale Erfahrungen, Motorik,Achtsamkeit und Gestaltungskompetenz.Themenfelder sind: Bauen und Wohnen,

Gesundheit und Ernährung, biologischeVielfalt, Klima und Ressourcen. Das Pro-jekt lässt sich auf andere Bundesländerübertragen.

Foto: Horst Munzig

Page 15: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

13

Ute Erdsiek-Rave

Vom globalen Vorhaben zur dezentralen UmsetzungDie UN-Dekade in den Bundesländern

Die von den Vereinten Nationen weltweit ausgerufene UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“hat sich große Ziele gesetzt. Die „globale Vision“ will „allen Menschen Bildungschancen eröffnen“ und„positive gesellschaftliche Veränderungen“ anregen; sie fordert Bildungskonzepte und -praktiken, die sicham Leitbild der nachhaltigen Entwicklung orientieren. Diese per se abstrakten und keineswegs völlig unstrittigen Vorgaben gilt es nun, mit Leben zu füllen, vom Papier in die Köpfe und Herzen der Bürgerinnenund Bürger wandern zu lassen, damit daraus eine selbstverständliche, lebenslang verbindliche humanitäreKompetenz wird. Für die Bundesrepublik Deutschland hat die Deutsche UNESCO-Kommission die nationaleVermittlung übernommen, die Bildungsverwaltungen – also die Länder – sind verantwortlich für den Transferin die Schulen.

Bildung für nachhaltige Entwicklung, die-ses Thema ist an unseren Schulen keines-wegs völlig neu. Die drei klassischenDimensionen von Nachhaltigkeit – Ökolo-gie, Ökonomie und Soziales – sind längstverankert in den Lehrplänen, in denSchulprogrammen, in zahlreichen außer-unterrichtlichen Aktionen und Projekten.Die Kultusministerkonferenz hat mit ihrerErklärung vom 25. Mai 1973 die Bildungs-ziele in neun Punkten zusammengefasst;darin heißt es unter anderem, dassSchule „zu Freiheit und Demokratie“, „zuToleranz, Achtung vor der Würde desanderen Menschen und Respekt voranderen Überzeugungen erziehen“, dasssie „friedliche Gesinnung im Geist derVölkerverständigung“ sowie „die Bereit-schaft zu sozialem Handeln und zu politi-scher Verantwortlichkeit wecken“ und„zur Wahrnehmung von Rechten undPflichten in der Gesellschaft befähigen“solle. Erst einige Jahre später fand derUmweltaspekt Eingang in die politischeDiskussion und den Wertekanon, 1980hat sich die Kultusministerkonferenz aufden Beschluss „Umwelt und Unterricht“verständigt.

„Nachhaltigkeit mussein fester Bestandteilvon Erziehung und Bildung sein“

Diese Ziele erhalten nun durch die UN-Dekade einen höheren Stellenwert, weildie Perspektive deutlich vergrößert wird.

Es geht nicht mehr nur darum, Verant-wortung für die eigene unmittelbareUmgebung und Umwelt zu übernehmen.Es geht zugleich um die Einsicht, dassdie Zukunft weltweit ganz entscheidenddavon abhängt, ob es uns gelingt, unsereLebensgrundlagen wenigstens zu erhal-ten und zugleich die politischen undsozialen, die ökonomischen und ökologi-schen Verhältnisse für die Menschen derärmeren Regionen deutlich zu verbes-sern. Die UN-Dekade „Bildung für nach-haltige Entwicklung“ stellt also größereZusammenhänge her und vernetzt dieeinzelnen Bildungsziele auf einem höhe-ren Niveau.

Eine selbstverständliche Kompetenz

Das Bewusstsein, die Verantwortung fürNachhaltigkeit in diesem umfassendenSinn sollte zu einer selbstverständlichenKompetenz für uns alle werden. Nach-haltigkeit muss deshalb ein festerBestandteil von Erziehung und Bildungsein, deshalb sollte sie gelehrt undgelernt werden, und zwar so früh wiemöglich schon, privat, in den Familien,und öffentlich, in den verschiedenen Bil-dungseinrichtungen. Für die Kindertages-einrichtungen werden derzeit bundesweitzunehmend Bildungspläne entwickelt, indenen das Thema Nachhaltigkeit altersan-gemessen berücksichtigt ist. In den allge-meinbildenden und beruflichen Schulensoll dieses Ziel noch konsequenter und

Page 16: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

14 UNESCOheute 1|2006

Ein Leitgedanke des

Nationalen Aktionsplanes ist

lebensnahes Lernen

entschiedener als bisher verankert wer-den. Den Rahmen für diese Umsetzungder Weltdekade formulieren die Aktions-pläne der Bundesländer beziehungsweiseder Stadtstaaten, die im Nationalen Akti-onsplan ersichtlich sind. Darüber hinaushaben die norddeutschen BundesländerHamburg, Mecklenburg-Vorpommern,Niedersachsen und Schleswig-Holsteindie „Norddeutsche Partnerschaft zurUnterstützung der UN-Dekade (NUN)“gegründet, um Wissen und Erfahrungauszutauschen und Synergieeffekte nut-zen zu können.

Ein Leitgedanke dieses Nationalen Akti-onsplanes ist lebensnahes Lernen an Beispielen aus der eigenen engerenUmgebung. Wer erkennt, wie er selbstdurch sein Verhalten und durch sein Han-deln zur Nachhaltigkeit beitragen kann,und zwar nicht einmalig, sondern bestän-dig, immer wieder, der ist dem großenZiel – weltweit materiell und ideell mehrLebensqualität und mehr Beteiligung –ein Stück näher gekommen.

„Heranwachsende zu eigenständigen Initiativen motivieren“

Eine Schlüsselrolle bei dieser Bildung für nachhaltige Entwicklung kommt denErwachsenen zu: Sie sind Multiplikatoren.Sie sind Ideengeber, die Heranwach-sende zu eigenständigen Initiativen moti-vieren. Sie können Kinder und Jugendli-che für eine derart verantwortliche undvielfach vernetzte Selbstbestimmungbegeistern. Anlässe, Anregungen dafürgibt es viele, ob Benzinpreisentwicklung,Tsunami oder Bürgerkrieg und Vertrei-bung: Deshalb sollten Eltern die Bedeu-tung des Themas – auch für sich selbst –erkennen und ihren Kindern entspre-chende Anregungen geben. Lehrerinnenund Lehrer sollten „Nachhaltige Entwick-lung“ in die Schulen hineintragen, in denUnterricht, in die Ganztagsangebote.Dafür brauchen sie Hilfestellungen,Unterrichtsmaterialien und Ideenpools,aber auch Kontaktadressen von mögli-chen außerschulischen Partnern. Der

Nationale Aktionsplan unterstützt siedabei etwa mit Transfer-21, dem gemein-samen Programm von Bund und Ländern,oder mit TheoPrax und nicht zuletzt mitvielen regionalen Angeboten von Organi-sationen und Institutionen, die unmittel-bar mit Schulen zusammenarbeiten.

Referenzcurriculum für „Globale Entwicklung“

Der stärkeren Verankerung der Bildungfür nachhaltige Entwicklung in den Lehr-plänen von allgemeinbildenden und beruf-lichen Schulen hat sich auch ein Projektverpflichtet, das derzeit gemeinsam vonder Kultusministerkonferenz, dem Bundes-ministerium für wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung und InWEnT(Internationale Weiterbildung und Ent-wicklung) durchgeführt wird. Im Rahmendieses Projekts wird ein fachübergreifen-des und fächerverbindendes Referenzcur-riculum für den Lernbereich „Globale Ent-wicklung“ im Rahmen einer Bildung fürnachhaltige Entwicklung erarbeitet. Essoll den Umsetzungsprozess in RichtungSchule befördern, deshalb wird diesesReferenzcurriculum, das Mitte 2006 imRahmen einer Fachtagung vorgestelltwird, den Lehrerinnen und Lehrern kon-krete Beispiele und Möglichkeiten aufzei-gen. Gefragt sind aber auch die Einrich-tungen der Lehrerbildung, dieSchulverwaltungen, die Institutionen undUnternehmen mit ihrem besonderenKnow-how und ihrem jeweiligen Praxis-bezug.

Bildung für nachhaltige Entwicklung istohne Zweifel elementar. Der Erfolg dieserUN-Dekade aber hängt nicht zuletzt davonab, ob es gelingt, diesen großen Rahmenmit überzeugenden Inhalten zu füllen, ihnin der Lebenswirklichkeit von Kindern,Jugendlichen und Erwachsenen zu veran-kern. Wenn wir als gute Vorbilder mitguten Beispielen vorangehen, wenn wirdas Thema in die Fläche streuen, dannkann uns dies gelingen.

Ute Erdsiek-Rave ist Präsidentin der Ständigen Konferenz der Kultusminister derLänder in der Bundesrepublik Deutschland.

Gefragt sind auch die

Einrichtungen der Lehrerbildung

Page 17: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

15

Ulla Burchardt

Kurswechsel in Richtung NachhaltigkeitDie UN-Weltdekade aus der Sicht des Deutschen Bundestages

Nachhaltige Entwicklung heißt Kurswechsel, heißt neu denken undanders entscheiden als bisher, heißt raus aus den alten Routinen inWirtschaft, Wissenschaft und Politik, heißt, sich daran zu orientieren,dass der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen die Voraussetzungfür eine zukunftsfähige wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist.

Nachhaltigkeit als Leitidee gibt eine grobeRichtung vor für diesen Kurswechsel. AmAnfang steht die Einsicht, dass es keinePerspektive für eine Zukunft gibt, in deralle Menschen gut leben können, wennes so weitergeht wie bisher. Ändernmüssen sich die täglichen Entscheidun-gen, die Art und Weise, wie Menschenihre Bedürfnisse befriedigen, wie sie mit-einander und mit ihrer natürlichenUmwelt umgehen. Weniger wird dannmehr: mehr Wohlstand und mehrLebensqualität durch weniger Energie-und Ressourcenverbrauch, wenigerSchadstoffe, Emissionen und Abfälle.

„Die Ressource Wissenist der entscheidendeSchlüssel“

Hinter dieser so einfachen Formel steckteine anspruchsvolle Aufgabe, ein gewalti-ges Innovationsprogramm. Innovationaber setzt Innovationsfähigkeit voraus.Und dafür ist die Ressource Wissen unddas Ausschöpfen derselben, kurz mehrund bessere Bildung, der entscheidendeSchlüssel. Denn das Neue fällt nicht vomHimmel, es muss gelernt werden. Nach-haltigkeit war und ist der Auftrag zumParadigmenwechsel: raus aus der Kurzat-migkeit, auch von Wahlperioden, hin zurlangfristigen Perspektive.

Bundestag als Schrittmacherund Antreiber

Die Weltkonferenz der Vereinten Natio-nen im Jahr 1992 in Rio de Janeiro warein Quantensprung: Erstmals bekanntensich die Regierungen dazu, ihre nationale

Politik auf das Leitbild der Nachhaltigkeitauszurichten und eine Strategie zu ent-wickeln, die eine wirtschaftlich leistungs-fähige, sozial gerechte und ökologischverträgliche Entwicklung zum Ziel hat.

Regierungsbeschlüsse allein machen abernoch keinen Kurswechsel in RichtungNachhaltigkeit. Es braucht einen Schrittma-cher und Antreiber, und in Deutschland wardas zuallererst der Bundestag. Hier sind inden letzten fünfzehn Jahren die inhaltlichenGrundlagen gelegt und die entscheidendenWeichen für eine Institutionalisierung derNachhaltigkeitsidee gestellt worden.

An erster Stelle sicherlich durch dieArbeiten der beiden Enquete-Kommissio-nen „Schutz des Menschen und derUmwelt“, die den Auftrag von Rio auchals Auftrag für die bundespolitischeEbene von der Leitidee bis zur Hand-lungsempfehlung durchbuchstabierthaben. Als ganz entscheidend für deneigenen Erkenntnisfortschritt erwiesensich auch die Studien des Büros für Tech-nikfolgenabschätzung, unserer „eigenen“wissenschaftlichen Beratungskapazität.

Auch im Bundestag haben wir es erlebt:Nachhaltigkeit schafft Arbeit, nämlichsehr viel Zusatzarbeit. Man stößt aufWiderstände, begibt sich auf fremdesTerrain oder stört andere in ihrer beschau-lichen Routine. Aber über die Fraktions-grenzen hinweg haben wir auch nocheine andere Erfahrung gemacht: Eine sol-che Arbeit schweißt zusammen, undErfolge ermutigen zum Weitermachen.

Und Erfolge gab es in den letzten fünf-zehn Jahren reichlich, eine lange Liste von

„Regierungsbeschlüsse allein

machen noch keinen

Kurswechsel in Richtung

Nachhaltigkeit“

Page 18: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

16 UNESCOheute 1|2006

parlamentarischen Initiativen undBeschlüssen belegt das eindrucksvoll.Dabei waren sich die Fraktionen im Bun-destag in kaum einem anderen Politikbe-reich so einig wie in der nachhaltigen Bil-dung. So etwa mit der gemeinsamenBeschlussempfehlung zur „Umweltbil-dung und Umweltwissenschaft“, mit derwir eine kontinuierliche Berichterstattungder Bundesregierung zur nachhaltigen Bil-dung auf den Weg gebracht haben. Odermit der interfraktionellen Beschlussemp-fehlung zur „Bildung für eine nachhaltigeEntwicklung“, die im Jahr 2000 einebreite Verankerung der Nachhaltigkeits-idee auf allen Bildungsebenen eingeleitethat.

Das ist auch der entscheidende Grund,weshalb der Bundestag nicht bei Nullbeginnen musste, als die UN-Vollver-sammlung im Dezember 2002 die Welt-dekade zur Bildung für nachhaltige Ent-wicklung ausgerufen hatte. Ganz imGegenteil: Der einstimmig gefassteBeschluss des Bundestags zur Weltde-kade fügt sich nahtlos ein in eine guteund langjährige parlamentarische Tradi-tion.

Und bei aller Würdigung des großen zivil-gesellschaftlichen und individuellen Enga-gements für die nachhaltige Bildungbleibt doch festzuhalten: Ohne diesenwegweisenden Bundestagsbeschlusskönnten wir nach knapp eineinhalb Jah-ren Weltdekade in Deutschland keine sol-che Erfolgsbilanz ziehen.

Beschluss des Bundestags

zur Weltdekade

Foto © BMU / transit / Härtrich

„Die Weltdekade ist kein Projekt, das sichvon der Regierung exekutieren lässt“

Genauso richtig aber ist: Die Weltdekadeist wie die nachhaltige Entwicklung keinProjekt, das sich vom Parlament beschließen und von der Regierung exe-kutieren lässt. Ohne das Engagementund die Beteiligung vieler Menschen ausden unterschiedlichsten gesellschaftli-chen Bereichen ist eine nachhaltigeZukunftsgestaltung nicht zu machen!

Nachhaltigkeit lernen

Wenn in Deutschland über Bildung gere-det wird, dann schwingt dabei nochimmer eine ganz bestimmte Vorstellungmit: es gibt Bildende und zu Bildende unddas heißt: Die einen verfügen über Wis-sen, das die anderen noch nicht haben,aber bekommen sollen – indem nämlichein fest gefügter Wissenskanon aus Lehr-büchern weitergegeben wird und dasauch noch im 45-Minuten Takt.

Nachhaltigkeit und Bildung lassen sichnicht so denken. Vielmehr sprengt dieIdee der Nachhaltigkeit geradezu solcheKategorien. Nachhaltigkeit ist kein klardefinierbarer und zeitlich bestimmterEndzustand, und folglich kann es auchkeinen daraus abgeleiteten Metaplangeben. Nicht umsonst ist die Weltdekadeals offener Prozess angelegt, und ganzbewusst wird der nationale Aktionsplanauch regelmäßig aktualisiert, evaluiertund neuen Erkenntnissen angepasst.

„Nachhaltigkeit gestalten“ hat etwas mitWissen und Können zu tun. NachhaltigeZukunftsgestaltung braucht neue Qualifi-kationen im umfassenden Sinne: „sustainabilities“! Dazu gehört neues Sach- undFachwissen über die komplexen Zusam-menhänge zwischen Mensch, Natur undTechnik.

Nachhaltige Zukunfts-gestaltung brauchtneue Qualifikationen

Aber damit aus der Vision Nachhaltigkeitauch Wirklichkeit wird, kommt es ebennicht nur auf das Wissen an. „Sustain abilities“, das meint Fähigkeiten, diesesWissen auch anwenden zu können. Unddas genau sind die Fähigkeiten, die hierzu-

Page 19: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

17

lande bislang auf allen Bildungsebenen zuwenig gefördert werden: vernetztes undvorausschauendes Denken, Problemeangemessen kommunizieren zu können,sich in die Lage anderer hineinversetzenzu können und nicht zuletzt die Fähigkeitzu lebenslangem Lernen.

Die Weltdekade als Innovationsprogramm

Auch der Bundestagsbeschluss zur Welt-dekade hat es dick unterstrichen: Jetztbietet sich die große Chance, die Leitideeder Nachhaltigkeit dauerhaft in informel-len Bildungsprozessen wie in den klassi-schen Bildungsinstitutionen zu verankern– von der Grundschule bis zur Hoch-schule, in die berufliche Aus- und Weiter-bildung. Gelänge das in den zehnDekade-Jahren, dann wäre das für dasBildungsangebot wie die Bildungspraxisin Deutschland ein qualitativer Meilen-stein.

Die Bedeutung von „Nachhaltigkeit ler-nen“ geht aber weit über das Bildungs-system hinaus. Durch die Weltdekade inGang gesetzt werden kann auch eingesellschaftlicher Innovationsprozess.Denn es sind die neuen Fähigkeiten und

das neue Wissen im Sinne der nachhalti-gen Bildung, die die Innovationsfähigkeiteiner Gesellschaft im Zeitalter der Globali-sierung ausmachen. Diese „sustain abilities“ sind die Voraussetzung dafür,dass der rasante gesellschaftliche wieökonomische Wandel nicht nur erlebt underlitten wird. Sie ermöglichen vielmehrTeilhabe und die Fähigkeit zur aktiven Mit-gestaltung des Wandels.

Mit seinem Beschluss zur UN-Weltde-kade hat der Deutsche Bundestag einmalmehr deutlich gemacht, dass er in der Bil-dung für nachhaltige Entwicklung einenganz entscheidenden Schlüssel fürZukunftsfähigkeit sieht. Nur dann aberwird die nachhaltige Bildung zu einerSelbstverständlichkeit werden, wennauch in der Gesetzgebung von Bund undLändern und in den Curricula die entspre-chenden Weichen gestellt werden.Daran, wie mit dem eingangs beschriebe-nen Kurswechsel weiter umgegangenwird, lässt sich die Zukunftsfähigkeit auchvon Politik messen.

Ulla Burchardt, MdB, ist Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des DeutschenBundestages.

Fertigung und Einsatz von Solarlampen in ländlichen Gegenden von Entwicklungsländern

Dekade-Projekt der Staatlichen Berufsschule Berchtesgadener Land

Das Solarprojekt Freilassing e.V. ist einEntwicklungshilfeprojekt der StaatlichenBerufsschule Berchtesgadener Land inBayern. Sein Ziel ist, die Fertigung undden Einsatz von Solartechnik in ländlichenGegenden von Entwicklungsländern zuinitiieren und zu fördern. Gemeinsam mitkompetenten Partnern der Ausbildungs-betriebe wurde eine Solarlampe entwi-ckelt, die in Bausätzen in Entwicklungs-länder versandt und dort montiert undgenutzt wird. Den Projektpartnern in Ent-wicklungsländern werden Konzepte undHilfsmittel zur Verbreitung von Solar-lampen zur Verfügung gestellt, Werkstatt-personal und Projektleiter werden aus-gebildet. So entstanden bereits mehrereSolarwerkstätten in Tansania.

Foto: Solarprojekt Freilassing e. V.

Die Weltdekade ist als offener

Prozess angelegt

Page 20: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

18 UNESCOheute 1|2006

Dieter Althaus

Impulse für die Thüringer BildungspolitikDer Freistaat Thüringen hat einen Aktionsplan zur Nachhaltigkeitsbildung beschlossen

„Was auch immer du tust, tue es klug undbedenke das Ende“, lautet eine alte römi-sche Weisheit. In der Tat: Bei allem, waswir tun, ist es wichtig, an die Folgen zudenken. Besser könnte man das, was mitnachhaltigem Handeln gemeint ist, nichtbeschreiben. Nachhaltigkeit heißt, unsereLebensqualität und unseren Wohlstand zusichern und gleichzeitig künftigen Genera-tionen eine lebenswerte Zukunft zu erhal-ten.

Jede Generation muss ihre Aufgaben lösenund darf sie nicht den nachkommendenGenerationen aufbürden – eine sehranspruchsvolle und umfassende Heraus-forderung. Denn nachhaltiges Handelnbedeutet nicht nur, die natürlichen Res-sourcen zu schonen, den Abfall zu trennenoder Energie zu sparen. Das eigene Lebenmit Blick auf die kommenden Generatio-nen verantwortungsvoll zu gestalten, istauch eine Frage der sozialen Gerechtigkeitund des ökonomischen Wachstums. DassWohlstand, sozialer Frieden, Bildung undeine gute Gesundheitsversorgung für allein vielen Teilen der Welt nicht selbstver-ständlich sind – daran sollten wir uns aucheinmal erinnern, wenn wir über Problemeim eigenen Land klagen oder allzu gedan-kenlos mit Ressourcen umgehen.

„Es geht darum, verantwortliches Handeln zu stärken“Wenn es darum geht, ökonomisch, ökolo-gisch und sozial verantwortliches Handelnzu stärken, sind alle Menschen gefordert.Nachhaltigkeit bedeutet für den Einzelnen,Verantwortung zu übernehmen – für sichund für andere, bei uns und an anderenOrten der Welt, für die heutige Generation

und für unsere Kinder und Kindeskinder.Dabei ist es wichtig, schon bei jungenMenschen das Bewusstsein für diesen„Dreiklang der Nachhaltigkeit“ zu schärfen.Nachhaltiges Handeln kann man lernen.Der Weg führt über die Bildung. Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwick-lung“ trägt dazu bei, die Menschen für ver-antwortungsvolles Handeln zu sensibili-sieren und den Gedanken der Nachhaltig-keit in allen Bereichen des Bildungswe-sens zu verankern. Das Ziel ist es, demEinzelnen Wissen und Fähigkeiten mit aufden Weg zu geben, die es ihm ermögli-chen, aktiv und eigenverantwortlich dieZukunft zu gestalten.

Die UN-Dekade in Thüringen

Der Freistaat Thüringen unterstützt dieZiele und Maßnahmen dieser UN-Initiativeund beteiligt sich aktiv an deren Umset-zung. Als Ministerpräsident habe ich dieSchirmherrschaft über die UN-Dekade inThüringen übernommen. Denn: Bildungund Erziehung sind wesentliche Schwer-punkte der Thüringer Landespolitik. Bildungist der Schlüssel für Entwicklung, Innova-tion und damit für eine zukunftsfähigeGesellschaft. Ich bin überzeugt: Von derUN-Dekade gehen wichtige, zukunftswei-sende Impulse für die Thüringer Bildungs-politik aus.

Das bisher Erreichte kann sich sehen las-sen: Auf der 6. Thüringer Umweltbildungs-konferenz im Jahr 2004 fiel der Startschussfür die UN-Dekade in Thüringen. ZahlreicheVertreter aus Politik, Verwaltung, Wirt-schaft und Nichtregierungsorganisationensprachen sich für die Beteiligung Thürin-gens an der UN-Dekade und ein gemeinsa-mes Leitbild für deren Umsetzung aus.

Dreiklang der Nachhaltigkeit

Der Freistaat Thüringen unterstützt die Ziele und Maßnahmen dieser UN-Initiative und beteiligt sich aktiv an deren Umsetzung. Als Ministerpräsident habe ich die Schirmherrschaft über die UN-Dekade in Thüringen übernommen.

Page 21: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

19

Im Jahr 2005 fand in Erfurt die „Woche derNachhaltigkeit“ statt – mit zahlreichenHöhepunkten wie der Tagung des RundenTisches und des Deutschen Nationalkomi-tees für die UN-Dekade, dem 1. ThüringerBildungskongress und nicht zuletzt der Ver-abschiedung des Thüringer Aktionsplaneszur UN-Dekade. Damit hat der ThüringerLandtag, als erstes Länderparlament inDeutschland, fraktionsübergreifend einenAktionsplan beschlossen, nach dem dienachhaltige Entwicklung künftig festerBestandteil von Bildung und Erziehung inThüringen werden soll.

„Den Nachhaltigkeitsge-danken mit Leben zu erfüllen, ist in Thüringen eine Querschnittsaufgabe“

Und nicht nur das: Den Nachhaltigkeitsge-danken mit Leben zu erfüllen, ist in Thürin-gen eine Querschnittsaufgabe aller Res-sorts. Im Auftrag der beiden feder-führenden Ressorts, des Thüringer Mini-steriums für Landwirtschaft, Naturschutzund Umwelt und des Kultusministeriumskoordiniert eine Nichtregierungsorganisa-tion – der Arbeitskreis Umweltbildung Thü-ringen e.V. – die Umsetzung. Der Vorteil:Der Arbeitskreis Umweltbildung Thüringene.V. vereint unter seinem Dach über 100Nichtregierungsorganisationen. Das isteine gute Vorrausetzung, um eine breiteÖffentlichkeit anzusprechen und für dasThema Nachhaltigkeit zu interessieren. Jemehr Menschen sich mit diesem Zukunfts-thema auseinandersetzen, umso besserlässt sich der Thüringer Aktionsplan umset-zen.

Damit greifen wir die nationalen und inter-nationalen Ziele der UN-Dekade auf.Selbstverantwortliches Lernen und Han-deln im Sinne einer nachhaltigen Entwick-lung soll in allen Lebensbereichen ermög-licht und gefördert werden. Einebesondere Rolle kommt dabei natürlichunserem Bildungssystem zu. Bildung fürnachhaltige Entwicklung betrifft Kinderta-gesstätten, Schulen und Hochschulenebenso wie Forschungsinstitute und Wei-terbildungseinrichtungen.

Modellprojekte wirken weit überdie Schule hinaus

Ein Beispiel: Ein bedeutendes Projekt zurnachhaltigen Entwicklung an unseren allge-

Foto © BMU / Bernd Müller

Thüringer Aktionsplan für

nachhaltige Entwicklung

Umweltkontaktschulen als

„Berater für Nachhaltigkeit“

meinbildenden und berufsbildenden Schu-len ist das Bund-Länder-Programm „BLK-21“ sowie das darauf aufbauende Pro-gramm „BLK-21-Transfer“. Thüringenbeteiligt sich schon seit 2002 am BLK-Pro-gramm – und das mit Erfolg. Im Verlauf die-ses Programms wurde ein Netz von zwölfUmweltkontaktschulen aufgebaut. In die-sem Jahr nimmt Thüringen mit 17 Schulen– davon fünf Grund- und Ganztagsschulenam „BLK 21-Transfer“ teil. Unser Ziel istes, bis zum Jahr 2008 rund zehn Prozentaller allgemeinbildenden Schulen im Frei-staat als Umweltkontaktschulen zu etablie-ren. Diese können als „Berater für Nach-haltigkeit“, als Multiplikatoren, weit überdie Schule hinaus wirken.

Nachhaltiges, zukunftsfähiges Handeln zuvermitteln, ist nicht nur eine Aufgabe derBildungseinrichtungen. Der erste Lern-und Bildungsort unserer Kinder ist dieFamilie. Hier werden Werte, Verhaltens-weisen und Lebensstile vorgelebt. DenEltern kommt bei der Erziehung der Kin-der zu verantwortungsvollem Handelneine besondere Rolle zu. Mit dem Thürin-ger Bündnis für Familien und dem neuenThüringer Familienfördergesetz stärkenwir die Erziehungspartnerschaft zwischenEltern, Kindertageseinrichtungen undSchulen. Denn: Nachhaltigkeit zu lernenund zu lehren ist eine umfassende Auf-gabe, die nur gemeinsam erfolgreichumgesetzt werden kann.

Page 22: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

20 UNESCOheute 1|2006

Nachhaltigkeit in der beruflichen Bildung

Dekade-Projekt des Bildungswerkes für berufsbezogene Aus-und Weiterbildung (BWAW) Thüringen

Das Projekt richtet sich an Auszubil-dende, besonders der IT- und Elektrobe-rufe und des Bereichs Mediengestaltungin kleinen und mittleren Unternehmen inThüringen. Ziele des Projektes sind die

Sensibilisierung der Akteure für Nachhal-tigkeitsthemen und die Vermittlung vonKompetenzen und Schlüsselqualifikatio-nen im Sinne der Bildung für nachhaltigeEntwicklung. Mittels eines Checks sollen

komplexe Aufgabenstellungen derArbeits- und Prozessgestaltung in Unter-nehmen analysiert, geeignete Lösungsan-sätze erarbeitet und vor Betriebsvertre-tern präsentiert werden.

Bildung für nachhaltige Entwicklungbetrifft aber auch Landesbehörden, Kom-munen, Verbände, Kirchen, Betriebe undVereine. Zum Beispiel organisieren dieThüringer Forstämter eine erlebnisorien-tierte Umweltbildungsarbeit für Kinderund Jugendliche in Jugendwaldheimen.Und: In dem von den Forstämtern unddem Kultusministerium vorbereitetenProjekt „Thüringenforst macht Schule“wird die Zusammenarbeit von Schulenund Forstämtern weiter ausgebaut.

Ein weiteres Beispiel: Das Deutsche Insti-tut für Erwachsenenbildung hat in Zusam-menarbeit mit der Thüringer Landesanstaltfür Umwelt und Geologie das Projekt„Umweltkommunikation mit neuenMedien – ein Bildungsmodul für das Frei-willige Ökologische Jahr in Thüringen“ ent-

wickelt. Das Projekt wurde im Jahr 2005von der Deutschen UNESCO-Kommissionausgezeichnet.

Diese Projektbeispiele zeigen, dass dasThema Nachhaltigkeit in Thüringen bereitsauf vielfältige Weise aufgegriffen wurde.Für den Erfolg der UN-Dekade ist es ent-scheidend, auch weiterhin eine breiteÖffentlichkeit für das Thema zu sensibili-sieren, und dass Bildungsakteure ermutigtwerden, die nötigen Kompetenzen und Ein-stellungen zu vermitteln. Ich rufe daher alleBürgerinnen und Bürger auf, sich für einenachhaltige Entwicklung zu engagieren.Nachhaltigkeit kann man lernen – für einelebenswerte Zukunft!

Dieter Althaus ist Ministerpräsident von Thüringen.

Foto: BWAW Thüringen

Page 23: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

21

Herlind Gundelach

Die Musik spielt in den LändernUmweltminister der Länder unterstützen die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“

Der Weg zur Nachhaltigkeit führt über Bildung. Den Bundesländernkommt dabei eine wichtige Scharnierfunktion zu, denn sie sind nichtnur „näher am Geschehen“, sondern darüber hinaus auch für fast alleBereiche der Bildung zuständig. Neben der Schule gewinnt dabei deraußerschulische Bildungsbereich mit seinen vielen Facetten eine immergrößere Bedeutung. Hier zeigen die Umweltressorts der Länder bemer-kenswerten Einsatz bei der Unterstützung der UN-Dekade.

Auf der Konferenz für Umwelt und Ent-wicklung der Vereinten Nationen in Riode Janeiro im Jahre 1992 unterschrieben178 Staaten – darunter die Bundesrepu-blik Deutschland – die „Agenda 21“ alsRahmenvereinbarung und setzten damitdas Prinzip der Nachhaltigkeit auf dieTagesordnung des 21. Jahrhunderts.Zehn Jahre später musste die Staatenge-meinschaft auf dem UN-Weltgipfel inJohannesburg 2002 feststellen, dass dieUmsetzung einer nachhaltigen Entwick-lung aus verschiedenen Gründen nurungenügend vorangekommen ist. DieVereinten Nationen riefen deshalb eineUN-Dekade „Bildung für nachhaltige Ent-wicklung“ (BNE) für die Jahre 2005 bis2014 aus und beauftragten die UNESCOmit der Durchführung. Die Bundesregie-rung beschloss einstimmig, die Weltde-kade zu unterstützen, und rief zu einer„Allianz Nachhaltigkeit Lernen“ auf.

Zwischen dem auf globaler Ebene propa-gierten Ziel einer global nachhaltigen Ent-wicklung und seiner Umsetzung vor Ortim Alltag der Menschen klafft nach wievor eine sehr große Lücke. Vor Ort wirddies besonders deutlich sichtbar, weilhier bei dem Bemühen um Nachhaltigkeitdie unterschiedlichsten Interessen aufein-anderprallen. Nachhaltige Entwicklungkann nur durch die Verschränkung mehre-rer, zum Teil konkurrierender Ebenengelingen: Es geht nicht nur um den Erhaltder physischen Umwelt, sondern weitdarüber hinaus auch um die kulturelleMit-Welt, um produktives Wirtschafts-wachstum, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit.

Zwar sind grundsätzlich Veränderungs-potentiale der Gesellschaft in Richtungnachhaltigen Konsums, nachhaltigerMobilität oder Klimaschutz möglich, dochsie können nicht allein durch ordnungs-politische oder fiskalische Mittel erzieltwerden. Zum Erreichen einer nachhaltige-ren Gesellschaft ist vielmehr ein Wand-lungsprozess nötig, der alle Menschenbetrifft und der von jedem vor Ort gelebtwerden muss. Der Weg zur Nachhaltig-keit führt über Bildung, gesellschaftlicheKommunikationsprozesse und entspre-chende demokratische Entscheidungen.

Den Bundesländern kommt dabei einewichtige Scharnierfunktion zu, denn siesind nicht nur „näher am Geschehen“,sondern darüber hinaus auch für fast alleBereiche der Bildung zuständig. Nebender Schule gewinnt dabei der außerschu-lische Bildungsbereich mit seinen vielenFacetten eine immer größere Bedeutung.Hier zeigen die Umweltressorts der Län-der bemerkenswerten Einsatz bei derUnterstützung der UN-Dekade BNE.

Außerschulischer Bereich gewinnt an Bedeutung

Die Umweltminister der Länder habendies rechtzeitig erkannt und bereits imNovember 2003 (61. Sitzung der Umwelt-ministerkonferenz, 19.-20.11.03 in Ham-burg) „Empfehlungen zur Umweltbildungund zur Bildung für nachhaltige Entwick-lung“ verabschiedet. Darin unterstrichensie die Bedeutung der Umweltbildung fürden Prozess der nachhaltigen Entwick-

Scharnierfunktion der

Bundesländer

Page 24: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

22 UNESCOheute 1|2006

Foto © BMU / transit / Härtrich

lung und empfahlen den Ländern, sich ander UN-Dekade BNE zu beteiligen.

Die Zahl der Veranstaltungen, Fortbildun-gen oder Projekte usw., die seit Beginnder UN-Dekade BNE mit Unterstützungdurch die Umweltressorts der Länderstattfanden, ist beachtlich. Im Kultusbe-reich arbeitet seit mehreren Jahrenerfolgreich das Programm der Bund-Län-der-Kommission für Bildungsplanung undForschungsförderung (BLK) Transfer 21mit dem Ziel, Schülerinnen und SchülernGestaltungskompetenz für die Zukunftnäher zu bringen. Aber auch außerhalbvon Schule gibt es viele herausragendeBeispiele einer Bildung für nachhaltigeEntwicklung, darunter das Projekt „Lebengestalten lernen“ im Elementarbereich(Bayern), das Projekt des Umweltzen-trums Naturgut Ophoven „Sonnige Zeiten – Grünes Klassenzimmer“ (Nord-rhein-Westfalen), der Wettbewerb „Altund Jung für eine zukunftsfähige Ent-wicklung“ (Mecklenburg-Vorpommern),die Einrichtung einer Koordinationsstellefür die Dekade bei einem Umweltverband(Thüringen), die Zertifizierung von Einrich-

tungen und Anbietern der umwelt- undentwicklungspolitischen Bildung (Schles-wig-Holstein) oder der bundesweiteModellversuch „Nachhaltigkeit in derberuflichen Aus- und Weiterbildung amBeispiel von Wärmeschutzmaßnahmenim Gebäudebestand“ (Hamburg), um nureinige zu nennen.

Länder erstellen eigeneAktionspläne zur UN-Dekade

Das große Interesse an der UN-Dekadeund das Engagement in vielen Ländernlässt sich auch an den zahlreichen Auf-taktveranstaltungen ablesen, die unterwesentlicher Beteiligung der Umweltres-sorts seit Beginn der Dekade 2005 statt-fanden oder demnächst geplant sind. Zunennen sind hier Bayern, Baden-Würt-temberg, Brandenburg, Hamburg, Meck-lenburg-Vorpommern, Niedersachsen,Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz,Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. In mehreren Län-dern liegen Kabinettbeschlüsse zur Unter-stützung der UN-Dekade oder der Bildung

Projekte zur UN-Dekade mit

Unterstützung durch die

Umweltressorts der Länder

Page 25: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

23

für nachhaltige Entwicklung vor. DieFederführung für die Unterstützung derUN-Dekade BNE wurde in den meistenBundesländern auf die Umweltressortsübertragen und dabei in der Regel eineenge Zusammenarbeit mit dem Bildungs-ressort vereinbart.

Besonders bemerkenswert ist, dassbereits drei Länder (Baden-Württemberg,Hamburg, Thüringen) einen eigenen Akti-onsplan zur Dekade verabschiedet habenund weitere Länder (u.a. Bayern, Hessen,Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt)dies planen. Diese Pläne beinhalten meistLeitlinien zur Unterstützung der UN-Dekadeund führen daneben in einer Liste beson-ders wichtige Vorhaben auf Länderebeneauf.

Umweltministerkonferenz unterstützt UN-Dekade

Die Umweltministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Ländersahen auf ihrer 63. Sitzung (4. bis 5.November 2004 in Niedernhausen) imHinblick auf ihr vielfältiges Engagementauf diesem Themenfeld die Notwendig-keit, über den langen Zeitraum von zehnJahren im Deutschen Nationalkomiteeder UN-Dekade BNE vertreten zu sein.Das Nationalkomitee ist dieser Bittenachgekommen und hat mich als Vertre-terin der Umweltministerkonferenz

(UMK) in das Deutsche Nationalkomiteeberufen.

Seitdem hat sich die UMK mehrfach mitder Bildung für nachhaltige Entwicklungbefasst und in entsprechenden Beschlüs-sen auf die Bedeutung der Umweltbil-dung und Bildung für nachhaltige Ent-wicklung hingewiesen sowieentsprechende Handlungsvorschlägeunterbreitet. So kann beispielsweisedurch eine bessere Zusammenarbeit vonSchulen mit den außerschulischen Trä-gern der Umweltbildung sowie durch dieEntwicklung von Konzepten und Quali-tätsstandards ein wichtiger Beitrag zurUN-Dekade BNE geleistet werden (UMK-Beschluss „Umweltbildung an Ganztags-schulen“, 62. UMK, 6. bis 7. Mai 2004).Auch im Elementarbereich (UMK-Beschluss „Umweltbildung im Elemen-tarbereich“, 63. UMK, 4. bis 5. November2004) sollte nach Meinung der UMK dasThema nachhaltige Entwicklung sowohlin der Aus- und Fortbildung der Fach-kräfte als auch bei der Erstellung von Bil-dungsplänen auf Länderebene und in derQualitätsentwicklung von Kindertagesein-richtungen verankert werden.

Staatsrätin Dr. Herlind Gundelach, Behördefür Stadtentwicklung und Umwelt der Freienund Hansestadt Hamburg, ist Mitglied im Nationalkomitee für die UN-Dekade als Vertreterin der Umweltministerkonferenz.

Beschlüsse der

Umweltministerkonferenz

Informationen im Internet:

www.umweltministerkonferenz.de

www.blak-ne.de

Ch@t der Welten – umwelt- und entwicklungspolitischeThemen in Unterricht und Schule

Dekade-Projekt von InWent, Regionales Zentrum Nordrhein-Westfalen, in Kooperation mit dem Landesinstitut für Schule NRW

Das Projekt "Ch@t der Welten" bietetJugendlichen die Möglichkeit, direkt mitAkteuren vor Ort in Afrika, Asien undLateinamerika über Themen der Nachhal-tigkeit, die beide Seiten interessieren, zukommunizieren. Es kann in den Schuleninterdisziplinär eingesetzt werden. EineEinbindung in den Regelunterricht istgeplant.

Foto: Ch@t der Welten

Page 26: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

24 UNESCOheute 1|2006

Bärbel Dieckmann

Nachhaltigkeit in den KommunenBonn und die UN-Dekade

Ein Jahr nach Beginn der UN-Dekade zur Bildung für nachhaltige Entwicklung leben wir in einer Stadt, in der Zukunftsthemen Dynamikhaben. Der politisch gewollte Strukturwandel ist erfolgreich gemeistert.Im Geiste des Berlin/Bonn-Gesetzes wurde die alte BundeshauptstadtBonn zu einem „Standort für Entwicklungspolitik, nationale, internatio-nale und supranationale Einrichtungen“ ausgebaut. Bonn ist heute alszweites politisches Zentrum Deutschlands, deutsche UNO-Stadt undinternationale Dialogplattform für globale Zukunftsthemen klar positioniert.

Foto: Michael Sondermann, Presseamt der Bundesstadt Bonn

Die Ausgangsvoraussetzungen für erfolg-reiche Dekade-Arbeit waren gut. Nachhal-tigkeit ist der rote Faden des „neuen“Bonn. Das fängt an bei den 12 BonnerUNO-Organisationen, die sich in ihremCommon Information Space unter demgemeinsamen Dach „UNO in Bonn – fürNachhaltigkeit weltweit“ sammeln. Unddas setzt sich fort bei Ministerien undBundesbehörden, Wissenschaftseinrich-tungen, Entwicklungsdiensten und gut150 Nichtregierungsorganisationen, vondenen ein Großteil in den BereichenUmwelt, Entwicklung und Gesundheitagiert.

„Nachhaltigkeit ist der rote Faden des'neuen' Bonn“

Auch als Konferenzort und Dialogplatt-form hat Bonn seine Kompetenz vielfachunter Beweis gestellt. Vertragsstaaten-konferenzen zum Beispiel zu Klima undWüstenbildung, die Internationale Süß-wasserkonferenz 2001, die Konferenzüber Erneuerbare Energien 2004 oderaktuell die Frühwarnkonferenz sind Mei-lensteine auf dem Weg zu einer weltweitnachhaltigen Entwicklung.

Auch die Wirtschaft engagiert sich mehrund mehr für dieses Ziel. Bonner Unter-nehmen nehmen ihre Verantwortung an.Sie verankern den Nachhaltigkeitsgedan-ken in ihrer Unternehmensphilosophie,veröffentlichen Nachhaltigkeitsberichte(so genannte Corporate Social Responsi-bility Reports) und kooperieren mit Orga-

nisationen der Vereinten Nationen oderNichtregierungsorganisationen. In dennächsten Wochen werde ich die ersteGesprächsrunde mit Bonner Unterneh-men zur Corporate Social Responsibilityeinberufen.

Eine Dialogplattform für nachhaltige Themen

Bildung für nachhaltige Entwicklung hatin Bonn gute Tradition und ist mit Lebengefüllt. Bereits seit 1996 führt die Stadtihre jährliche Solarwoche durch, die übri-gens im Jahre 2000 auch mit dem Preis„Öffentlichkeitsarbeit für den Klima-schutz in der Kommune“ ausgezeichnetwurde. Insbesondere der Solarmarkt mitInfoständen und Präsentationen ist einAnziehungspunkt nicht nur für Bauherren.Vorträge, Themenbroschüren und Impuls-veranstaltungen, Multiplikatorenpro-gramme wie das 50/50-Energiesparpro-jekt in Schulen und innovative Konzeptewie der Einsatz von Erneuerbaren Ener-gien in Schulen tragen dazu bei, dasThema Nachhaltigkeit immer wieder inden Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken.Die Aktivitäten Bonns für Klimaschutzund eine nachhaltigere Energienutzungwurden im Jahre 2004 nicht nur mit demEuropäischen Solarpreis ausgezeichnet,sondern auch nach dem European EnergyAward zertifiziert, dessen umfangreicherMaßnahmenkatalog zurzeit sukzessiveumgesetzt wird.

Eine Stadt, die sich solcherart der Nach-haltigkeit verschrieben hat und dieses

UNO in Bonn – Konferenzort

und Dialogplattform für

Nachhaltigkeit weltweit

Page 27: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

25

Thema leben will, trägt weit über ihrenlokalen Radius hinaus Verantwortung.Deshalb greift die Stadt immer wiederThemenschwerpunkte der VereintenNationen auf und setzt sie in Multiplikato-renprojekte um. So wurden im Jahre2005 die „Millenniumsentwicklungsziele“auf verschiedenen Ebenen vom BonnerUNO-Gespräch mit Eveline Herfkens überdas Fest zum Tag der Vereinten Nationenmit über 30 teilnehmenden Organisatio-nen in der Info-Zeltstadt bis hin zumKunstprojekt „Millenniumssteine“, indem junge Steinmetze die Millenniums-Entwicklungsziele gestalterisch umsetz-ten, erfolgreich kommuniziert.

„Ein konkreter Mehrwert“

Bonn verfügt über ein Netzwerk für Nach-haltigkeit, das an Dichte nichts zu wün-schen übrig lässt. Das gemeinsameThema verbindet UN-Einrichtungen,nationale Organisationen, Nichtregie-rungsorganisationen, Entwicklungsdien-ste, Wissenschaftseinrichtungen undUnternehmen am Standort Bonn. Für alleBeteiligten entsteht dabei ein konkreterMehrwert – und abstrakte Themenfelderwerden für die allgemeine Öffentlichkeitkonkret fassbar und begreifbar gemacht.Damit leistet der Standort, den derGesetzgeber dafür besonders prädesti-niert hat, einen substanziellen Beitrag zurentwicklungspolitischen Bildungsarbeit.

Was läge also näher, als die UN-Dekade„Bildung für nachhaltige Entwicklung“noch mehr in den Mittelpunkt der BonnerAktivitäten und der Aufmerksamkeit derÖffentlichkeit zu rücken?

Lokale Initiativen und nachhaltige Schulprojekte

Ein Jahr nach Beginn der Dekade gibt esbereits eine Vielzahl von Akteuren, die inBonn Dekade-Projekte durchführen, dar-unter einige international ausgerichteteNichtregierungsorganisationen, aber auchlokale Initiativen und Bonner Schulen.

Die Stadt selbst nutzt zur Dekade zumeinen bestehende Veranstaltungsformatewie das Bonner UNO-Gespräch, den Tagder Vereinten Nationen (Thema: Nachhal-tigkeit fordern – Nachhaltigkeit fördern)und die Jahrespartnerschaft mit „Help –Hilfe zur Selbsthilfe e.V.“. Darüber hinaushaben wir noch weitere Bildungsprojekte

entwickelt, die im Laufe des Jahres 2006eine breite Öffentlichkeit erreichen sollen.

Seit Anfang Januar haben wir bei der Tou-rismus & Congress GmbH ein aus Mittelndes BMZ finanziertes Projekt angesiedelt,das besonders Hotellerie, Gastronomieund Konferenzdienstleister adressiert.Denn in einer Stadt, in der Konferenzenzu Nachhaltigkeitsthemen stattfinden,sollten Veranstalter und Gäste auch aufein Umfeld treffen, in dem diese Philoso-phie umgesetzt und gelebt wird, unteranderem durch den Umstieg auf Pro-dukte des fairen Handels und die Berück-sichtigung ökologischer Kriterien.

Nachhaltigkeit in der kommunalen Entwicklungs-zusammenarbeit

Sehr konkret wird Nachhaltigkeit in derkommunalen Entwicklungszusammenar-beit. Die Partnerschaftsprojekte der StadtBonn leisten einen fassbaren Beitrag zurLösung globaler Probleme. Zum Beispielarbeiten Schüler aus Bonn und Buchara(Usbekistan) zurzeit im Rahmen einesEU-Projekts gemeinsam an Unterrichts-materialien zu Energieeffizienz und erneu-erbaren Energien.

Projektpartnerschaften wie diese habensich bewährt. Die konkrete Zusammenar-beit in gemeinsamen Anliegen hat sich inallen bisherigen Bonner Partnerschaften,sei es mit Minsk (Belarus), Ulan Bator(Mongolei), La Paz (Bolivien) oder ganzaktuell Cuddalore (Indien), als äußerstfruchtbar für beide Seiten erwiesen. Dazuhaben wir aus dem Erfahrungsaustauschmit Kommunen in aller Welt wertvolleErkenntnisse gewonnen, die Impulse fürdie internationale Nachhaltigkeitsdebattegeben können.

Anlässlich der Gründung des Weltbürger-meisterrates zum Klimawandel imNovember 2005 in Montréal, dessen Vor-sitz ich innehabe, konnte ich dies wiedereinmal feststellen. Kommunen könnennicht nur einzeln und lokal Dinge bewir-ken, sondern diese Wirkung potenziertsich, wenn die eigenen Erfahrungenanderen nutzbar gemacht werden. Dazukommt, dass die Politik die Erfahrung undMitwirkung der Kommunen braucht, umwirklich wirksame Regelungen für Kli-maschutz zu gestalten. Und die geradebeendete ICLEI-Konferenz in Kapstadt hatmich darin bestärkt, auch weiterhin auf

Solarmarkt

und Energiesparprojekt

in Schulen

Foto © BMU / B. Hiss

Page 28: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

26 UNESCOheute 1|2006

die Zusammenarbeit kommunaler Ebe-nen zu setzen.

„Öffentlichkeit und Öffentlichkeitsarbeitsind das A und O“

Zum Auftakt der Dekade „Bildung fürnachhaltige Entwicklung“ wollen wir inder Bonner Bevölkerung das Bewusst-sein für diesen Themenkreis schärfen.Mit einer Ausstellung und einer Bro-schüre werden wir die Ziele, die Charak-teristika und die Inhalte der Projektpart-nerschaften darstellen. DieWanderausstellung soll in öffentlichenGebäuden und insbesondere in Schulengezeigt werden. Öffentlichkeit undÖffentlichkeitsarbeit sind das A und O,

wenn es um Nachhaltigkeit geht. Ohnedie Mitwirkung der Menschen funktio-niert auch das beste Konzept nicht –Menschen als Wähler und Menschen inihrem Alltag, Menschen als Wissenspool,Menschen als Multiplikatoren und natür-lich als Umsetzende. Die UN-Dekade„Bildung für nachhaltige Entwicklung“soll uns bewusst machen, dass globaleProbleme JEDEN betreffen und dassJEDER zu ihrer Bewältigung beitragenkann. Die Dekade-Projekte haben Signal-wirkung und Vorbildfunktion. Und ichwünsche mir, dass jedes von ihnen einenDomino-Effekt für Nachhaltigkeit auszulö-sen vermag.

Bärbel Dieckmann ist Oberbürgermeisterinder Stadt Bonn.

Die Bonner MillenniumssteineFoto: Rolf Rau

Zum Auftakt der UN-Dekade

wird eine Wanderausstellung in

Schulen gezeigt

Page 29: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

27

„Wir haben einfach keine andere Wahl“Interview mit dem Beigeordneten UNESCO-Generaldirektor für Bildung, Peter Smith

Foto: UNESCO / Niamh Burke

UNESCO heute: Prof. Smith, „Bildungfür nachhaltige Entwicklung“ ist ein sehrkomplexer Begriff. Lassen Sie mich des-halb mit der Frage beginnen: Wie definie-ren Sie „Bildung für nachhaltige Entwick-lung“?

Peter Smith: Das Ziel einer Bildung fürnachhaltige Entwicklung ist, die Welt zueinem besseren Ort für uns, für unsereKinder und für deren Kinder zu machen.BNE bedeutet, um es ganz einfach auszu-drücken, Menschen so zu bilden, dass sienicht nur an die Gegenwart, sondernauch an die Zukunft denken.

„Eine neue Vision von Bildung“

In der Tat ist der Begriff aber außeror-dentlich komplex, denn Bildung für nach-haltige Entwicklung muss natürlich eineReihe unterschiedlicher Perspektiven ein-beziehen. Dazu gehören ökonomische,soziale, bürgerschaftliche und kulturelleAspekte. BNE ist eine Vision von Bildung,die menschliches und wirtschaftlichesWohlergehen mit kulturellen Traditionenund Rücksicht auf die natürlichen Res-sourcen verbindet. BNE fördertbestimmte Grundwerte und Verhaltens-weisen, die Teil allen Lernens sein soll-ten.

UNESCO heute: Welche Fertigkeitenund Kompetenzen zeichnen eine Personaus, die im Sinne des Nachhaltigkeitskon-zeptes gebildet ist, und wie werden dieseKompetenzen in der BNE vermittelt?

Smith: Es gibt sicher nicht 'das eine' Cur-riculum oder Programm zur Bildung fürnachhaltige Entwicklung. Wenn ich einenMenschen beschreiben sollte, der im

Sinne von BNE gebildet ist, würde ichsagen, sie oder er ist 'verantwortungsbe-wusst'. Wesentlich ist ein ausgeprägtesBewusstsein für sich selbst, für dieGemeinschaft, für das Leben auf dieserErde. Ein so gebildeter Mensch ist in derLage, Entscheidungen zu treffen, die fürdie Zukunft sinnvoll sind. Das betrifftauch die Belange von Wirtschaft, Ökolo-gie und gesellschaftlicher Fairness. Die-ser Mensch hätte ein komplexes und dif-ferenziertes Weltbild und die Fähigkeit,sich Veränderungen anzupassen und beiseinen Entscheidungen unterschiedlicheWerte, Prioritäten und Meinungen abzu-wägen.

UNESCO heute: Die UNESCO ist die'Lead Agency' für die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“.Was tut die UNESCO, um die Dekadeweltweit umzusetzen?

Smith: Die Generalversammlung der Ver-einten Nationen hat 2002 in einer Resolu-tion die UN-Dekade „Bildung für nachhal-tige Entwicklung“ ausgerufen und dieUNESCO mit der internationalen Koordi-nierung der Weltdekade beauftragt. DerUNESCO diese Rolle zuzuweisen warnahe liegend, wenn man ihre Rolle alsIdeenlabor und Förderer der internationa-len Zusammenarbeit in Bildung, Wissen-schaft, Kultur und Kommunikationbedenkt.

Unser erster Schritt war die Entwicklungeines Internationalen Umsetzungsplans inZusammenarbeit mit unseren zahlreichenPartnern. Ich möchte betonen, dass die-ser gemeinsam erarbeitete Umsetzungs-plan für die Dekade ein 'kollektives Unter-nehmen' ist. Wir brauchen für diesesUnternehmen alle unsere Partner.

Die UNESCO koordiniert als 'Lead Agency' die Umsetzung der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) innerhalb derVereinten Nationen. Alexander Leicht hat für UNESCO heute dazu einGespräch mit Prof. Dr. Peter Smith geführt, der seit Juni 2005 Beigeordneter Generaldirektor der UNESCO für Bildung ist.

Page 30: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

28 UNESCOheute 1|2006

Der nächste Schritt – und dieser Prozessist noch nicht abgeschlossen – bestehtdarin, sicherzustellen, dass jedes Landüber die sozialen, ökonomischen undökologischen Kapazitäten verfügt, umgezielt den Weg einer dauerhaft zukunfts-fähigen Entwicklung beschreiten zu kön-nen. Wie ist das zu bewerkstelligen? Wirbauen auf dem Prinzip auf, dass Bildung –angefangen mit der Alphabetisierung undGrundbildung bis hin zum lebenslangenLernen – die Grundlage für nachhaltigeEntwicklung ist. Hier spielt die UNESCOeine entscheidende Rolle, indem sie Län-dern und Regionen hilft, Pläne und Strate-gien zu entwickeln, die auf ihre jeweiligenGegebenheiten und Bedürfnisse zuge-schnitten sind.

UNESCO heute: Bildung für nachhaltigeEntwicklung ist ein interdisziplinäres Vor-haben, das sich quer durch alle Sektorenzieht. Wie koordiniert die UNESCO die

Aktivitäten der BNE in ihren verschiede-nen Arbeitsbereichen?

Smith: Die UNESCO hat – unter der Leitung des Bildungssektors – damitbegonnen, eine eigene 'Roadmap' zu ent-wickeln, um ihren Beitrag zum Internatio-nalen Umsetzungsplan konkret zu gestal-ten. Diese Roadmap baut auf einerVielzahl bereits existierender Projekteund gemeinsamer Aktivitäten der einzel-nen Programmbereiche auf. Ebenfallswerden die zwei großen Querschnittsthe-men der UNESCO aufgegriffen: dieArmutsbekämpfung und der Beitrag derInformations- und Kommunikationstech-nologien zu Bildung, Wissenschaft, Kulturund zum Aufbau einer Wissensgesell-schaft.

Die intersektorale Arbeitsgruppe für Bil-dung für nachhaltige Entwicklung, derenVorsitz ich übernommen habe, ist für die

Gesamtkoordination zuständig. Sie sollsicherstellen, dass BNE in alle UNESCO-Programme eingebettet wird und dassdie Dekade dazu beiträgt, die drei Kernin-itiativen des Programms „Bildung füralle“ zu stärken: die Initiative „Alphabeti-sierung für Empowerment“ (LiteracyInitiative for Empowerment / LIFE), dieInitiative „Lehrerbildung für das subsaha-rische Afrika“ (Teacher Training Initiativefor Sub-Saharan Africa / TTISSA) und dieglobal Initiative „Bildung gegen AIDS“(Global Initiative on Education andHIV/AIDS / EDUCAIDS).

UNESCO heute: Wie schätzen Sie denbisherigen Erfolg der UN-Dekade zur Bil-dung für nachhaltige Entwicklung ein?

Smith: Auf der ganzen Welt haben dieMenschen hohe Erwartungen an dieseDekade. Sie sehen die Dekade als einVorhaben an, das wahrhaft etwas bewe-

Foto © UNESCO / Felipe Alcoceba

Page 31: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

29

gen wird. Daher sind sie bereit, sich zuengagieren und aktiv zum Gelingen beizu-tragen. Ich bin überzeugt davon, dass dieDekade als Gemeinschaftsprojekt sehrerfolgreich sein wird, da alle ihre Ziele teilen.

„Auf der ganzen Welthaben die Menschenhohe Erwartungen andiese Dekade“

Bildung für nachhaltige Entwicklung istschon jetzt weit mehr als ein Slogan. Esist eine Bewegung, die an Schwungkraftgewinnen wird. Immer mehr Menschenteilen die Einsicht, dass wir in der Weltvon morgen keine andere Wahl haben,als auf Bildung zu setzen.

UNESCO heute: Die Dekade hat sehrschwungvoll begonnen. Viele Staatenhaben die Bedeutung der Bildung fürnachhaltige Entwicklung erkannt. WelcheHerausforderungen stellen sich nun beider weiteren Umsetzung der Dekade?

Smith: Die größte Herausforderungbesteht wohl darin, das eigentliche Zielder Dekade nicht aus den Augen zu ver-

lieren, das heißt die Stoßrichtung derDekade deutlich zu machen. Zu oft wirdvergessen, dass dies eine Bildungsde-kade ist und nicht einfach eine Dekadefür nachhaltige Entwicklung.

Eine weitere Herausforderung sind diegewaltigen Erwartungen, die die Dekadegeweckt hat. Die UNESCO alleine kanngar nicht alle Anfragen der Mitgliedstaa-ten bewältigen. Hier ist die Mobilisierungunserer Partner von grundlegenderBedeutung.

UNESCO heute: Die UNESCO hat immerwieder betont, das sie dem Programm„Bildung für alle“ nach wie vor die ober-ste Priorität einräumt. Dem gegenübersteht die Forderung, die UNESCO solleangesichts ihrer besonderen Rolle als'Lead Agency' für die UN-Dekade einengrößeren Schwerpunkt auf die Bildungfür nachhaltige Entwicklung legen als bis-her. Wie begegnen Sie diesem Einwand?Sehen Sie darin einen möglichen Kon-flikt?

Smith: Überhaupt nicht! Ich würde imGegenteil behaupten, „Bildung für alle“und „Bildung für nachhaltige Entwick-lung“ ergänzen einander perfekt.

Lassen Sie es mich ganz einfach ausdrük-ken: Niemand bestreitet, dass Nachhaltig-keit essentiell für Entwicklung ist. Aberum eine nachhaltige Entwicklung zu errei-chen, müssen Menschen Nachhaltigkeitlernen. „Bildung für alle“ schafft dafür dieVoraussetzungen, sichert den Zugang zuLernmöglichkeiten – in Schulen, Alphabe-tisierungsprogrammen, Berufsbildungs-programmen –, während BNE dafürsorgt, dass die dort erhaltene BildungGehalt hat.

UNESCO heute: Die UN-Dekade ist einepolitische Initiative. Wie können wir beider Umsetzung der Dekade die manch-mal bestehende Kluft zwischen Politikund Praxis schließen?

Smith: Die einzige Lösung ist echteZusammenarbeit. Die Dekade wird dann– und nur dann – zum Erfolg, wenn wiralle, das heißt Regierungen, internatio-nale Organisationen, Vereine, Gemein-den, Pädagogen, der private Sektor unddie einzelnen Bürger, unseren Beitrag lei-sten. Keine Institution, Organisation oderRegierung wird es alleine schaffen, nach-haltige Entwicklung Realität werden zulassen.

„expedition WELT“ – Dialog für nachhaltige Entwicklung

Dekade-Projekt des expedition WELT e.V.

Im Februar 2006 starteten drei Studentender Universität Witten/Herdecke auf eineachtmonatige "expedition WELT". Rundum den Globus besuchen sie Persönlich-keiten und Initiativen, die sich aktiv füreine nachhaltige Entwicklung engagieren,und führen mit ihnen Interviews. Im Mit-telpunkt des "Dialogs für nachhaltige Ent-wicklung" stehen Social Entrepreneurs(Sozialunternehmer), die zur Lösungeines gesellschaftlichen Problems beitra-gen. Die Erlebnisse des Expeditions-teams mit ausführlichen Vor-Ort-Inter-views werden auf der Internetplattformwww.expedition-welt.de für Schülerinnenund Schüler in Deutschland live erlebbargemacht. Ziel des Projekts ist es, einenDialog zwischen Schulen in Deutschlandund Menschen aus Entwicklungsländernzu initiieren

Foto: Expedition Welt e.V.

Page 32: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

30 UNESCOheute 1|2006

UNESCO heute: Wo sehen Sie die Rolleder Nationalkommissionen bei derUmsetzung der Dekade?

Smith: Die Nationalkommissionen derUNESCO spielen eine entscheidendeRolle bei der Umsetzung der Dekade aufnationaler und regionaler Ebene. Vonihnen können wichtige Initiativen ausge-hen, etwa die Berufung eines Nationalko-mitees für die UN-Dekade, so wie hier inDeutschland geschehen. Sie spielenebenso eine unerlässliche Rolle dabei, fürBNE zu werben und BNE in nationale Bil-dungspolitiken, -strategien und -pläne zuintegrieren. Sie können Ausbildungs- oderForschungsprogramme anregen.

„Die National-kommissionen spieleneine entscheidende Rolle bei der Umset-zung der Dekade“

Als Bindeglied zwischen den UNESCO-Programmen, nationalen Institutionenund der Zivilgesellschaft spielen dieNationalkommissionen eine wichtigeRolle als Berater und Mittler. Sie sind Ver-bindungsstellen zu den Regierungen undkönnen die Entscheidungsträger informie-ren und beeinflussen. Schließlich helfensie dabei, die internationale Zusammenar-beit im Hinblick auf die Entwicklung inno-vativer Strategien und Programme zustärken.

UNESCO heute: Für die internationaleBildungszusammenarbeit bietet die UN-Dekade sicherlich einen guten Anknüp-fungspunkt. Interessant ist dabei, dassBildung für nachhaltige Entwicklung inverschiedenen Ländern jeweils sehrunterschiedliche Akzente setzt. KönntenSie ein paar Beispiele für die Bandbreiteder Projekte und Initiativen weltweitgeben, vielleicht eines für jede UNESCO-Region?

Smith: Es ist schwer, aus den vielfältigenAktivitäten, ein paar exemplarische Bei-spiele herauszugreifen, aber lassen Siees mich versuchen. Denken Sie aber bittedaran, dass das nur die Spitze des Eis-bergs ist.

Die „Sandwatch“-Initiative in der Karibikist ein interessantes Beispiel, wieUmweltbildungsprogramme reformiertwerden, um sich an die neuen Prioritätenanzupassen: Schüler setzen sich mit den

Problemen von Küstengebieten und fragi-len marinen Ökosystemen in ihrer Umge-bung auseinander - im Rahmen des regu-lären Unterrichts.

In den Golfstaaten hat die UNESCO„Rashid der Recycler“ aufgelegt, einenLeitfaden, der Schülern beibringen soll,wie sie zum Beispiel durch Abfallvermei-dung oder Recycling aktiv zu nachhaltigerEntwicklung beitragen können.

In Afrika hat die Dekade zahlreiche lokaleAktivitäten ausgelöst. So trafen zum Beispiel in Südafrika beim ersten Jugend-Umwelt-Symposium von Kapstadt Schüler verschiedenster sozialer Herkunftzusammen, um über nachhaltiges Lebenund aktuelle Projekte zu lokaler nachhalti-ger Entwicklung zu diskutieren.

„Bildung für nachhaltigeEntwicklung ist eineAntwort auf Natur-katastrophen“

In Asien spielt BNE eine wichtige Rolleals Antwort auf Naturkatastrophen. Nachdem Erdbeben und der dadurch ausgelö-sten Tsunami-Katastrophe am 26. Dezem-ber 2004, die viele Ortschaften in denKüstenregionen verwüstet hat, habenmehrere UNESCO-Büros in der Regiondamit begonnen, ein Projekt „Bildung zurKatastrophenvorsorge im asiatisch-pazifi-schen Raum“ umzusetzen.

Für Lateinamerika möchte ich die Ibero-amerikanische Konferenz zur nachhalti-gen Entwicklung herausgreifen, die Mitte2005 in Rio de Janeiro stattfand. Dieseregionale Auftaktveranstaltung für dieDekade versammelte Menschen des gan-zen Kontinents zu Diskussionen undeinem Erfahrungsaustausch mit dem Ziel,gemeinsame Aktivitäten von Regierun-gen, Zivilgesellschaft und Unternehmenanzuregen, um Nachhaltigkeit zu fördern.

Eine interessante weltweite Initiative istdas Projekt „Globale Partnerschaft fürHochschulbildung für nachhaltige Ent-wicklung“. Es dient dem Aufbau interna-tionaler und regionaler Netzwerke undfördert Forschungsaktivitäten an Hoch-schulen zur Bildung für nachhaltige Ent-wicklung.

UNESCO heute: Kann man bei diesergroßen Bandbreite an Projekten und trotzder unterschiedlichen politischen Rah-

menbedingungen gemeinsame Themenidentifizieren, die überall von Bedeutungsind und daher als Basis für einen frucht-baren internationalen Austausch dienenkönnen?

Smith: Nachhaltige Entwicklung ist ja einsehr komplexes Unterfangen, das alleLebensbereiche betrifft. Bei der Erarbei-tung des Internationalen Umsetzungsplanswurde eine Reihe von Themen identifi-ziert. Dazu zählen: Menschenrechte, Frie-den und Sicherheit, Gleichberechtigung,kulturelle Vielfalt und interkulturelle Ver-ständigung, Gesundheit, HIV/AIDS, guteRegierungsführung, natürliche Ressour-cen, Klimawandel, ländliche Entwicklung,nachhaltige Urbanisierung, Maßnahmenzur Vermeidung von Naturkatastrophen,Reduzierung der Armut, unternehmerischeVerantwortung in der Marktwirtschaft.

UNESCO heute: Bildung für nachhaltigeEntwicklung scheint alle Bereiche derUNESCO zu berühren. Ist das Nachhaltig-keitskonzept die Antwort auf die Heraus-forderungen der Globalisierung?

Smith: Nachhaltige Entwicklung berührtin der Tat alle Bereiche, in denen dieUNESCO tätig ist. Es ist von essentiellerBedeutung, dass alle Nationen dieserErde ihre Entwicklungsziele am Leitbildder Nachhaltigkeit ausrichten. Wir habenwirklich keine andere Wahl!

Koïchiro Matsuura, der Generaldirektorder UNESCO, hat gesagt: „Entweder wirnehmen Verhaltensweisen an, die nach-haltige Entwicklung fördern, hören auf,die Umwelt zu verschmutzen, schaffendie Voraussetzungen für die Erneuerungnatürlicher Ressourcen und tragen zurVerbesserung der Lebensqualität allerbei, oder wir unterschreiben früher oderspäter unser eigenes Todesurteil“. DieseDekade bietet der UNESCO, unseren Mit-gliedsländern und jedem Einzelnen dieChance, die Art und Weise, in der wirmiteinander und mit der Umwelt umge-hen, zu verändern und einen neuen Wegzu beschreiten.

Übersetzung: Christine Möller

UNESCO-Website zur

UN-Dekade „Bildung für nach-

haltige Entwicklung“:

www.unesco.org/education/desd

Page 33: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

31

Die UN-Dekade „Bildung für nach-haltige Entwicklung“ als politischesund zivilgesellschaftliches ProjektVerfasst vom Nationalkomitee für die UN-Dekade

Menschen, die in 25, in 50 oder 100 Jah-ren geboren werden, sollen mindestensebenso große Chancen auf ein erfülltesLeben haben wie wir. Aber nachhaltigeEntwicklung ist nicht nur auf die Zukunftgerichtet. Es geht auch darum, bereitsheute allen ein Leben in Menschenwürdezu ermöglichen. Diese Forderungen bil-den den Kern des Leitbilds nachhaltigerEntwicklung. Nachhaltigkeit, eine ökolo-gisch, ökonomisch und sozial ausgewo-gene und zukunftsfähige Entwicklung,gehört zu den großen Herausforderungenunserer Zeit. Es ist eine Herausforderung,

die uns in den kommenden Jahrzehntenmehr und mehr beschäftigen wird.

Institutionelle Anbindung

Bildung muss bei unserem Bemühen umnachhaltige Entwicklung eine viel größereRolle spielen als bisher. Dies war eine derwichtigsten Erkenntnisse des Weltgipfelszur nachhaltigen Entwicklung 2002 inJohannesburg. Noch im Jahr des Welt-gipfels rief daher die Vollversammlungder Vereinten Nationen für die Jahre 2005

bis 2014 die UN-Dekade „Bildung fürnachhaltige Entwicklung“ aus. Im Jahr2003 machte die Deutsche UNESCO-Kommission mit ihrer „Hamburger Erklä-rung“ Vorschläge für die nationale Ausge-staltung der Dekade. Der DeutscheBundestag forderte im Juli 2004 in einemeinstimmigen Beschluss die Bundesre-gierung zu einer aktiven Rolle bei derUmsetzung auf. Das Parlament schlugvor, die Deutsche UNESCO-Kommission„mit der Koordinierung der über die staat-liche Ebene hinaus reichenden nationalenAktivitäten im Rahmen der Weltdekade“

Lokale Agenda 21 in Varel

Dekade-Projekt des Agenda-Büros Varel, Niedersachsen

Das Kinder- und Jugendnetzwerk und das Regionale Jugendnetzwerk sind zweiProjekte, die im Rahmen der LokalenAgenda 21 in Varel umgesetzt werden.Das Agenda-Büro hat das Ziel, ein lücken-loses Netz für die Kinder- und Jugend-arbeit zu betreuen. In Zusammenarbeitmit Vareler Schulen werden zunehmendProjekte zur Bildung für nachhaltige Ent-wicklung durchgeführt. InternationaleKooperationen bestehen im Rahmen derPartnerschaft der Stadt Varel mit einerGemeinde in Nicaragua. Das RegionaleQualifizierungsnetzwerk dient der Berufsorientierung und Vernetzung vonSchülern, Eltern, Lehrern und Betrieben.

Foto: Schülerzeitung Schülerfloh

Page 34: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

32 UNESCOheute 1|2006

zu beauftragen. Das innerhalb der Bun-desregierung bei der UN-Dekade feder-führende Bundesministerium für Bildungund Forschung stellte der DeutschenUNESCO-Kommission darauf für ihreKoordinierungstätigkeit Mittel zunächstfür drei Jahre zur Verfügung.

International hat die UNESCO – die Welt-organisation für Bildung, Wissenschaft,Kultur und Kommunikation – die Feder-führung bei der Koordinierung derDekade-Aktivitäten übernommen. Durchdie koordinierende Rolle der DeutschenUNESCO-Kommission (DUK) hierzulande

Foto © BMU / B. Hiss

ist die Verknüpfung der deutschen Aktivi-täten zur Dekade mit den internationalenEntwicklungen sichergestellt. Zudem botsich die DUK mit ihrem spezifischen Pro-fil als integrative Plattform an, auf dersich ein breites Spektrum politischer undzivilgesellschaftlicher Akteure zur Umset-zung der Dekade versammeln konnte:Die DUK arbeitet zum einen im Auftragder Bundesregierung, zum anderen ist sieeine Mitgliederorganisation, in der nebender bundespolitischen Ebene auch dieLänder, Kommunen und eine Vielzahl vonzivilgesellschaftlichen Organisationen ver-treten sind.

Ein gesamtgesellschaftlichesVorhaben

Die Ausrufung eines weltweiten Vorha-bens wie der UN-Dekade durch die Gene-ralversammlung der Vereinten Nationenist zunächst einmal ein Appell. In den Mit-gliedstaaten wird ein solches Projekt nurwirksam, wenn dort die wichtigstenAkteure selbst Verantwortung für dieUmsetzung übernehmen. NachhaltigeEntwicklung betrifft Einstellungen undVerhaltensweisen und lässt sich dahernicht als eine 'von oben' vorgegebeneStrategie, sondern nur unter Beteiligungmöglichst vieler Bürgerinnen und Bürgerumsetzen. Sollen die Inhalte und Prinzi-pien einer ökologisch, ökonomisch undsozial zukunftsfähigen Entwicklung inabsehbarer Zeit zu den selbstverständli-chen Anliegen aller Bildungseinrichtun-gen gehören, so müssen möglichst vielegesellschaftliche Gruppen die Ziele derUN-Dekade teilen. Dabei ist die Mitwir-kung der Politik – auf Bundes-, Länder-und kommunaler Ebene – unerlässlich.Denn Bildung für nachhaltige Entwicklung(BNE) wird nur dann zu einer Selbstver-ständlichkeit werden, wenn auch in derGesetzgebung und in Curricula die ent-sprechenden Weichen gestellt werden.Ebenso wichtig für die Umsetzung derUN-Dekade „Bildung für nachhaltige Ent-wicklung“ ist die Mitwirkung von Vertre-tern der Zivilgesellschaft wie Nichtregie-rungsorganisationen, Privatwirtschaft,Medien und Stiftungen. Denn diese bil-den neben den staatlichen Einrichtungendie zweite Säule der Akteure in der BNE.

Mit der Berufung von 30 Institutionenver-tretern und individuellen Experten ausPolitik und Zivilgesellschaft in das Natio-nalkomitee für die UN-Dekade „Bildungfür nachhaltige Entwicklung“ ist die Deut-sche UNESCO-Kommission diesen Über-

Page 35: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

33

Das Nationalkomitee für die UN-Dekade„Bildung für nachhaltige Entwicklung“

Volker Angres

ZDF, Redaktion Umwelt

Petra Bierwirth, MdB

Ausschuss für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit des DeutschenBundestages (seit Mai 2006)

Ministerialdirigent Dr. Günter Bonnet

BMZ

Ulla Burchardt, MdB

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung desDeutschen Bundestages

Dr. Ignacio Campino

Deutsche Telekom, Corporate Sustainability and Citizenship

Prof. Dr. Gerhard de Haan

Freie Universität Berlin, ArbeitsbereichErziehungswissenschaftliche Zukunfts-forschung; Vorsitzender des National-komitees

Annette Dieckmann

Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Bundesverband e.V.

Prof. Dr.-Ing. Peter Eyerer

Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie

Eva Goris

Bild am Sonntag, Ressort Umwelt

Staatsrätin Dr. Herlind Gundelach

Umweltministerkonferenz der Länder

Bettina Heinrich

Deutscher Städtetag

Hendrik Hey

Welt der Wunder GmbH / H5B5 GmbH

Klaus Hübner

Deutscher Naturschutzring

Ministerialdirigent Klaus Karpen

Schulausschuss der KMK

Ministerialdirigent Hans Konrad Koch

BMBF

Prof. Dr. Lenelis Kruse-Graumann

Fern-Universität Hagen; stellvertretendeVorsitzende des Nationalkomitees

Thomas Loster

Münchener Rück Stiftung

Dr. Barbara Meifort

Bundesinstitut für Berufsbildung

Prof. Dr. Gerd Michelsen

Universität Lüneburg

Prof. Dr. Edda Müller

Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Ingrid Müller

BMU

Prof. Dr. Dr. Franz Josef Radermacher

Forschungsinstitut für anwendungs-orientierte Wissensverarbeitung

Ministerialdirigent Bodo Richard

Schulausschuss der KMK

Gertrud Sahler

Deutsches Nationalkomitee für das UNESCO-Programm „Der Mensch und die Biosphäre“ (MAB)

Jörg-Robert Schreiber

Verband Entwicklungspolitik deutscherNichtregierungsorganisationen

Christoph Schulz

Deutscher Sparkassen- und Giroverband

Hubert Weinzierl

Rat für nachhaltige Entwicklung

Dr. Ulrich Witte

Deutsche Bundesstiftung Umwelt

Prof. Dr. Christoph Wulf

Freie Universität Berlin

Mit beratender Stimme:Dr. Roland Bernecker

Deutsche UNESCO-Kommission

legungen zur Dekade als gesamtgesell-schaftliches Projekt nachgekommen.Dazu kam das Bestreben, das breiteSpektrum der BNE – von der entwick-lungspolitischen über die Verbraucher- biszur Umweltbildung – zu reflektieren undaußerdem Ansprechpartner für alle Bil-dungsbereiche – vom Elementarbereichbis zum informellen Lernen – im National-komitee zu vereinen. Universitäten undandere Forschungseinrichtungen stellendie wissenschaftliche Expertise zur Verfü-gung. In Kürze wird das Komitee durchVertreter der Schülerschaft ergänzt. Umdie Umsetzung der abgestimmten Posi-tionen zu gewährleisten, war es wichtig,auch hochrangige Entscheidungsträgerzur Mitarbeit zu gewinnen. Das Steue-rungsgremium Nationalkomitee soll einegroße Reichweite und Durchsetzungsfä-higkeit haben. Welche Rolle spielt dasKomitee bei der Umsetzung der Dekadein Deutschland im Einzelnen?

Abstimmung, Steuerung,Clearing – Aufgaben des Nationalkomitees für die UN-Dekade

Mit Hilfe der UN-Dekade soll Bildung fürnachhaltige Entwicklung in Deutschlandeinen deutlichen Schritt nach vornemachen. Dies wird nur gelingen, wennsich die entscheidenden Akteure zusam-menschließen, gemeinsam Prioritätenund politische Maßnahmen zur Veranke-rung von BNE in allen Bereichen der Bil-dung in Deutschland identifizieren undmiteinander abstimmen. Hierin sehen wir– die im Komitee vertretenen Fachleuteund Entscheidungsträger – die erste Auf-gabe des Nationalkomitees. Wir sindüberzeugt, dass diese Verpflichtung aufeinen gemeinsamen Einsatz für dieDekade weiter die integrative Funktiondes Konzeptes Bildung für nachhaltigeEntwicklung stärken wird. Im Zuge derAbstimmung eines gemeinsamen Vorge-hens fungiert das Nationalkomitee auchals eine Plattform, auf der die einzelnenMitglieder ihre jeweiligen Anliegen anein-ander herantragen können. So könnenbeispielsweise zivilgesellschaftlicheRepräsentanten über die Diskussionspro-zesse des Komitees von den Entschei-dungsträgern in der Politik verstärkteMaßnahmen zur BNE einfordern.

Als Abstimmungsgremium von Maßnah-men, die das Nachhaltigkeitslernen inDeutschland voranbringen, möchte das

Page 36: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

34 UNESCOheute 1|2006

Nationalkomitee auch im Sinne eines Sen-soriums aktuelle Ideen und Strömungenzur BNE in der Gesellschaft aufnehmen.Um Kooperationspartner zu gewinnen, hatdas Nationalkomitee gleich am Anfang derDekade einen Runden Tisch aus etwa 100Akteuren einberufen, die die Dekade vorOrt umsetzen, das Nationalkomitee bera-ten und Impulse für die Ausgestaltung derDekade geben. Der Runde Tisch tagt ein-mal pro Jahr, zwischen seinen Sitzungenstellen Arbeitsgruppen zu Bildungsberei-chen und Themen der BNE die Kontinuitätder Umsetzung sicher. Das Ziel der Gre-mien „Nationalkomitee – Runder Tisch –Arbeitsgruppen“ ist es, innerhalb derDekade ein hohes Maß an Beteiligungs-möglichkeiten zu offerieren. Seiner erstenAufgabe als Abstimmungsgremium ist das

Nationalkomitee nachgekommen, als esim Herbst 2004 den Nationalen Aktions-plan erstellte und in Konsultationen unter-einander und mit den Akteuren des Run-den Tisches die zentralen Ziele undstrategischen Leitlinien für die UN-Dekadein Deutschland beschrieb. Mit seiner auf30 begrenzten Mitgliederzahl ist das Natio-nalkomitee ein arbeitsfähiges Gremium,das im Übrigen auch als politischer Armder Dekade gesehen werden kann, der dieArbeit der einzelnen Beteiligten bündeltund engagiert in nationaler und internatio-naler Politik und Öffentlichkeit vertritt.

Die Abstimmung gemeinsamer Maßnah-men und die Identifikation von Prioritätenbedeutet auch, dass das Nationalkomiteedie Rolle eines zentralen Steuerungsgre-

miums bei der Umsetzung der Dekadeübernimmt. Mit dem in ihm vertretenenSachverstand sichtet das Nationalkomi-tee die Aktivitäten zur BNE in Deutsch-land im Sinne eines Clearing House,bewertet sie, prüft die politischen Rah-menbedingungen, identifiziert 'weißeFlecken' und spricht Empfehlungen aus.Auch dies soll im Austausch mit RundemTisch und den Arbeitsgruppen gesche-hen, weshalb jede Arbeitsgruppe der UN-Dekade eine Kontaktperson im National-komitee hat, die die Anbindung der AGsicherstellt.

Ein Beispiel für die steuernde Funktiondes Gremiums ist die Identifikation vonMaßnahmen für den Nationalen Aktions-plan und die Auszeichnung der offiziellendeutschen Dekade-Projekte. Maßnahmenund Projekte sollen ab 2006 regelmäßigevaluiert werden, womit wir sicherstellenmöchten, dass die Dekade nicht nur auspolitischen Willenserklärungen besteht,sondern zu einer tatsächlich messbarenUmorientierung des Bildungswesens hinzu einer verstärkten Thematisierung vonNachhaltigkeit beiträgt. Es soll daraufgeachtet werden, dass die offiziellendeutschen Dekade-Projekte ihrer Arbeitein ausreichend komplexes Verständnisvon Nachhaltigkeit zugrunde legen. DieIdentifizierung von Schwerpunktthemender BNE und die Anregung entsprechen-der Arbeitskreise – etwa zu den ThemenWasser und Konsum – und Veranstaltun-gen ist ein weiteres Beispiel für dieArbeit des Nationalkomitees als Steue-rungsgremium. Voraussetzung für dieSteuerung der UN-Dekade durch dasNationalkomitee ist, dass das Gremiumauch als Ideenlabor funktioniert, das inno-vative konzeptionelle Überlegungen zurBildung für nachhaltige Entwicklunganstellt.

Das Nationalkomitee kann nur in demMaß erfolgreich sein, in dem sich seineMitglieder die Anliegen der Dekade zuEigen machen und in die Breite tragen.Gleichermaßen entscheidend ist dieBereitschaft aller, nicht direkt im National-komitee vertretener Akteure, sich an derArbeit des Komitees zu beteiligen undseine Aktivitäten mitzutragen. Nur alswirkliches Kooperationsprojekt wird dieUN-Dekade die Bildung für nachhaltigeEntwicklung in Deutschland voranbrin-gen.

Dieser Artikel wurde gemeinsam von den Mitgliedern des Nationalkomitees verfasst.

Foto © UNESCO / Martin Bobic

Page 37: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

35

Annette Dieckmann / Jörg-Robert Schreiber

Die Rolle der Nichtregierungs-organisationen bei der Umsetzungder UN-DekadeSamba-Rhythmen begleiten das Gewirr unzähliger Stimmen von Kin-dern, die in der großen Halle des Hamburger Museums der Arbeit aufder Bühne und an Ausstellungsständen die Ergebnisse ihrer Projektedarstellen. Es geht um die Produktion von Bananen und Schokolade,Umweltschutz und gesunde Ernährung, Essgewohnheiten in aller Welt,Menschenrechte und Kinderarbeit, Ökolandbau und Fairen Handel,Wasser als Lebensgrundlage, Entwicklungsprojekte in Mali... „WeltFrühstück“ heißen die Projekttage, die 20 Schulen vor diesemgemeinsamen Abschlussfest durchgeführt haben.

Bildung für nachhaltige Entwicklung kannsehr vielfältige Formen annehmen, wennman Menschen mit unterschiedlichenErfahrungen, Blickwinkeln, Temperamen-ten daran beteiligt. Sie scheint dortbesonders erfolgreich zu sein, wo esgelingt – wie im Fall der in Bonn, Berlin,Leipzig und Hamburg von der Welthun-gerhilfe durchgeführten Projekttage zumThema WeltFrühstück – Akteure des Glo-balen Lernens mit Akteuren der Umwelt-bildung zusammenzubringen. Offensicht-lich hat es sich als erfolgversprechenddurchgesetzt, dass Nichtregierungsorga-nisationen (NRO) – neben ihren eigenenBildungsveranstaltungen – mit Schulenund anderen staatlichen Bildungsträgernkooperieren. Wer sind diese nichtstaatli-chen Umwelt- und Entwicklungsorganisa-tionen und welche Ziele verfolgen sie inder Bildung?

Was sind NRO?

Es sind auf lokaler, nationaler und interna-tionaler Ebene arbeitende Organisatio-nen, die sich staatlich ungebunden undnicht gewinnorientiert für bestimmteZiele einsetzen. In ihnen engagieren sichBürgerinnen und Bürger auf freiwilligerBasis für Ziele, die ihnen wichtig sind:Menschenrechte, Umwelt- und Natur-schutz, Armutsbekämpfung und Entwick-lungsprojekte, Klimaschutz und alterna-tive Energien, gerechter Welthandel,zukunftsfähiges Konsumverhalten, Erhaltder biologischen Vielfalt und vieles mehr.Als Umwelt- und Entwicklungsorganisa-

tionen haben sehr viele von ihnen in langjähriger Erfahrung Bildungs- undBewusstseinsarbeit als den Kern vonzukunftsfähiger Entwicklung ausgemachtund erkannt, dass Umweltschutz undEntwicklungszusammenarbeit in ihremWesen auch Lernprozesse sind.

NRO zeichnen sich in ihrem Selbstver-ständnis als auch in der Außenwahrneh-mung vor allem durch zwei Merkmaleaus: Sie gelten als kritisches Frühwarn-system für sich schnell ändernde (welt-weite) ökonomische, soziale, ökologischeund politische Rahmenbedingungen, undsie haben Partizipation schon sehr frühals Grundvoraussetzung für eine demo-kratische und nachhaltige Entwicklungengagiert vertreten. Der Ansatz des„Empowerment“, wie er von VENRO(siehe Seitz/Schreiber 2005) und anderenals grundlegende Entwicklungsstrategievertreten wird, entspricht der Notwendig-keit einer Aufwertung der Zivilgesell-schaft, wie er bereits in der Agenda 21zum Ausdruck gebracht wurde. Nachhal-tigkeit setzt Empowerment und beteili-gungsorientierte Politik voraus. Em-powerment beschreibt dabei den Prozessselbstverantworteten Lernens, in demMenschen sich ermutigt und befähigtfühlen, ihre eigenen Angelegenheiten indie Hand zu nehmen und sich am gesell-schaftlichen Wandel gestaltend zu beteili-gen.

NRO sind häufig Träger von Projekten.Sie haben sich vielfältig vernetzt und sind

Page 38: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

36 UNESCOheute 1|2006

auf internationaler Ebene oft mit UN-Organisationen assoziiert, wo sie aufWelt- oder Gegenkonferenzen einezunehmend wichtige Rolle spielen. IhreRolle als Bildungsträger und Kooperati-onspartner staatlicher Bildungseinrichtun-gen ergibt sich aus ihrer besonderengesellschaftlichen Funktion zwischenStaat und Markt. Sie können weitgehendunabhängig von politischen Machtinteres-sen und dem Druck ökonomischerGewinnmaximierung ein Leitbild nachhal-tiger Entwicklung vertreten und sich anseiner Umsetzung beteiligen. Dabei sindsie keineswegs auf beispielhaftes eige-nes Verhalten beschränkt, sondern habenweitreichende Möglichkeiten der Mitge-staltung gesellschaftlicher und politischerRahmenbedingungen. Mit diesem Selbst-verständnis bringen sich nichtstaatliche

Umwelt- und Entwicklungsorganisationenin die Dekade „Bildung für nachhaltigeEntwicklung“ ein.

Professionalisierung und Basishaftung

Ihr Erfolg (angesichts eines begrenztenpersonellen und finanziellen Einsatzes)und ihr gewachsener Einfluss haben denProfessionalisierungsdruck erhöht. Mitt-lere und große NRO sind zunehmend aufein professionelles Projektmanagementangewiesen, auf angemessene Strategie-konzepte, Methodenkompetenz, Fähig-keit zur Evaluation – und das nicht zuletztin ihrer Bildungsarbeit. Sie müssen sich invielen Feldern wachsender Konkurrenzstellen. Dazu sind sie durchaus bereit,

müssen aber gleichzeitig erkennen, dassdie wachsende Spannung zwischen Pro-fessionalisierung und Basishaftung einernst zu nehmendes Risiko für sie dar-stellt. Eine möglichst breite Verankerungin der Bevölkerung entspricht nicht nurihrem Grundverständnis, sondern ist auchVoraussetzung für ihren Erfolg. Pro-gramme, die auch die ehrenamtlich Enga-gierten etwa für Projektmanagement,Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeitfortbilden, sind daher wichtig. Sie kom-men zudem einem wachsenden Inter-esse an lebenslangem Lernen und eige-ner Weiterentwicklungengagementbereiter Bürgerinnen undBürger entgegen. Die besondere Attrakti-vität von NRO besteht darin, dass solcheLernprozesse gleichzeitig mit aktivemHandeln etwa im Umweltschutz, in lokale

Aktion zum 2. White Band Day "Deine Stimme gegen Armut" am 9. September 2005 vor dem Reichstag in Berlin Foto: VENRO

Page 39: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

37

Agenda-21-Gruppen oder Regionalver-marktungsinititativen verbunden sind.

Die Begleitung solcher Nachhaltigkeitsin-itiativen durch Fachberatung, Moderationund Prozessbegleitung wurde in einemProjekt der Arbeitsgemeinschaft Natur-und Umweltbildung (ANU) untersucht.Hier hat sich gezeigt, das bürgerschaftli-ches Engagement auch kleiner Initiativenwie den Köchen und Gastronomen von„Heimat auf´m Teller“ oder den ökologi-schen Kleingärtnern im Verein „Kraut undRüben“, erfolgreich durch Instrumentesystemischer Organisationsentwicklungunterstützt werden kann (siehe ANU2005). Innerhalb solcher Prozesse findeterfolgreich selbstgesteuertes Lernenstatt.

Ähnliches gilt für Weltläden, Freiwilligen-dienste und Entwicklungspartnerschaf-ten, die ebenfalls nicht nur nach außenWirkung erzielen, sondern selbst ein sehrwichtiger Ort demokratischen Lernenssind.

Kampagnen und Bildungsarbeit

NRO sind in ihrer Bildungsarbeit nicht aufformale Bildungsansätze beschränkt, son-dern erzielen gerade mit ihren Kampa-gnen und im Bereich der informellen Bil-dung eine erhebliche Breitenwirkung –nicht zuletzt über die Medien. So konntesich der entwicklungspolitische Dachver-band VENRO zusammen mit seinen Mit-gliedsorganisationen und einer Vielzahlähnlicher Initiativen auf der ganzen Weltmit seiner Aktion „Deine Stimme gegendie Armut“ wirkungsvoll für die Millenni-ums-Entwicklungsziele der VereintenNationen einsetzen. Unterstützt von pro-minenten Künstlern gelang es, die deut-sche Politik zu Fortschritten hinsichtlichdes 0,7 Prozent-Ziels und neuer Schul-denerlasse zu bewegen.

Anschließende – nicht selten enttäu-schende – politische Wirkungen stärkendie Überzeugung, dass breitenwirksameKampagnen durch dauerhafte Bildungsar-beit vertieft werden müssen. So ist dieZahl der Kurse, Workshops, Projekttage,Kooperationsangebote und Unterrichts-materialen von NRO zur zukunftsfähigenGestaltung der Globalisierung und zumGlobalen Lernen unübersehbar gewor-den. Sie sind vor allem auf lebensnahezentrale Handlungsfelder wie Energiever-brauch, Konsum und Mobilität orientiert.

Auch die großen Umweltverbände undvor allem ihre Jugendverbände sind inbundesweiten Kampagnen, etwa zuerneuerbaren Energien, zu Mobilität oderzum Bodenverbrauch aktiv – gestütztdurch zahlreiche Gruppen vor Ort. Sogründete sich anlässlich des „YouthEnergy Summit“, einer Jugendkonferenzzu erneuerbaren Energien, die parallel zur„Renewables-Konferenz“ 2004 stattfand,ein Verbände übergreifendes „Jugend-bündnis Zukunftsenergie“, das Jugendli-che zur Beteiligung aktiviert und auch indiesem Jahr wieder eine große Folge-konferenz organisiert.

Vernetzung und Steuerungdurch Verbände

NRO, die sich für eine nachhaltige Ent-wicklung einsetzen, stellen einen großenund kaum überschaubaren Teil zivilgesell-schaftlicher Organisationen dar.

In der ANU, der ArbeitsgemeinschaftNatur- und Umweltbildung e.V.(www.umweltbildung.de), die auf Bundes-ebene und in 12 Landesverbänden tätigist, sind 680 Umweltzentren und weitereAnbieter außerschulischer Umweltbildungorganisiert. Die seit etwa 20 Jahren anvielen Orten entstandenen Umweltzen-tren arbeiten häufig in Trägerschaft vonNaturschutzverbänden oder lokalen Verei-nen. Sie wollen durch vorbildhaftenBetrieb sichtbare Zeichen setzen undkombinieren ihre Rolle als Lernorte fürSchulen mit nicht formaler Bildung imFreizeitbereich oder der Unterstützunginformeller Lernprozesse. Die ANU organi-siert Qualifizierung, Vernetzung undÖffentlichkeitsarbeit für die außerschuli-sche Umweltbildung und unterstützt dieAkteure darin, die Prinzipien einer Bildungfür nachhaltige Entwicklung in derUmweltbildung zu verankern.

Im VENRO, dem Verband Entwicklungs-politik deutscher Nichtregierungsorgani-sationen e.V. (www.venro.org), sind bun-desweit über hundert Mitgliedsorgani-sationen zusammengeschlossen, darun-ter die NRO-Landesnetzwerke, in denenetwa 1.800 überwiegend mittlere undkleine NRO organisiert sind. VENRO setztsich vor allem für die Verwirklichung derMenschenrechte und die Bekämpfungder Armut durch Einflussnahme auf dieEntwicklungspolitik, aber auch durch dieKoordination und Unterstützung vonÖffentlichkeitskampagnen und Program-men des Globalen Lernens ein.

Engagement in der UN-Dekade

ANU als auch VENRO sind im DeutschenNationalkomitee zur UN-Dekade „Bildungfür nachhaltige Entwicklung“ (BNE) unddurch ihre Mitgliedsorganisationen in denArbeitsgruppen des Runden Tisches ver-treten. Sie haben wichtige Maßnahmenin den Nationalen Aktionsplan der Bil-dungsdekade eingebracht, für derenUmsetzung sie allein oder in Kooperationmit anderen Akteuren Verantwortungübernehmen.

Diese Maßnahmen dienen dazu, den Dia-log und die Vernetzung der BNE-Akteurezu organisieren und die Entwicklung vonLeitbildern und Aktionsplänen auf Lan-desebene in Gang zu bringen. Inhaltlichsollen sie die Bildungsangebote für einegerechte Gestaltung der Globalisierung,zu den Millenniums-Entwicklungszielenund Umweltthemen erweitern sowie dieEntwicklung von Nord-Süd-Partnerschaf-ten voran bringen.

Außerdem unterstützen Entwicklungs-und Umwelt-NRO als Kooperationspart-ner staatlicher Bildungseinrichtungendurch ihr Angebot außerschulischer Lern-orte, durch Unterrichtsmaterialien zueiner Vielfalt von Themen und Fachrefe-renten die Stärkung einer Bildung fürnachhaltige Entwicklung in den Schulen.

Wie die Verankerung nachhaltiger Ent-wicklung in den Bildungsangeboten derNRO konkret gelingen kann, zeigen dieVorhaben, die als offizielle Dekade-Pro-jekte ausgezeichnet wurden. Dabei ste-hen NRO ganz vorne: Die Hälfte aller bis-her ausgezeichneten Projekte liegt in derTrägerschaft von Nichtregierungsorgani-sationen.

So richten sich beispielsweise die Aktivi-täten der Deutschen Umwelthilfe (Regio-nalverband Nord) darauf, Schulen bei derEinführung nachhaltiger Schulverpflegungzu unterstützen. In Schülerfirmen oderanderen Projektformen verfolgen Schüle-rinnen und Schüler unter Beteiligung dergesamten Schulgemeinde das Ziel einerVersorgung mit ökologischen, regionaloder fair gehandelten Produkten.

Ein anderes Beispiel ist der Energie-Erlebnispark „artefact“ in Glücksburg(www.artefact.de), eine Bildungseinrich-tung mit einem Gästehaus in Lehmbau-weise. Er verbindet in seinen Kursen überDämmung beim Hausbau, Spielzeug aus

Page 40: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

38 UNESCOheute 1|2006

Energie-Erlebnispark artefact, Foto: artefact

Recycling-Materialien oder Pflanzenklär-anlagen Globales Lernen mit lokalemHandeln und wurde für sein nachhaltigesBetriebskonzept ausgezeichnet.

Entwicklung und Umwelt:Vielfalt und Gemeinsamkeit

Nichtstaatliche Entwicklungs- undUmweltorganisationen, ihre Menschenund Projekte sind in ihren Zielen, Schwer-punkten und Erfahrungen so vielfältig undunterschiedlich, wie man es sich kaumvorstellen kann. Und diese Vielfalt ist einnicht zu überschätzendes Potenzial fürnachhaltige Entwicklung und zukunftsfä-hige Bildungsprozesse. Sie wurde in derVergangenheit manchmal nur in ihremwiderborstigen Verhalten gegenüber Inte-grationsbemühungen unter dem Dachder Bildung für nachhaltige Entwicklunggesehen. Was sie alle verbindet, ist dieOrientierung an einem Leitbild nachhalti-ger Entwicklung. Dass es selbst darin kei-nen absoluten Konsens gibt und zum Bei-

spiel entwicklungspolitische NRO häufigneben ökologischer Verträglichkeit, sozia-ler Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Lei-stungsfähigkeit eine vierte Dimension derdemokratischen Politikgestaltung (GoodGovernance) hervorheben, sollte nichtweiter beunruhigen. Kommt es doch inder Bildung darauf an, sich Leitbilder inkritischer Selbstverantwortung zu Eigenzu machen und mit Inhalt zu füllen. Dabeigibt es viele Gemeinsamkeiten, zum Beispiel die, dass ganz unterschiedlichezivilgesellschaftliche Initiativen die großeBedeutung und Herausforderung von Kul-tur als Hintergrundfolie von nachhaltigerEntwicklung erkennen.

Annette Dieckmann ist Bundesvorsitzende derArbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbil-dung (ANU) und vertritt die ANU im National-komitee für die UN-Dekade.

Jörg-Robert Schreiber vertritt den VerbandEntwicklungspolitik deutscher Nichtregie-rungsorganisationen (VENRO) im National-komitee für die UN-Dekade.

Quellen:Klaus Seitz / Jörg-Robert Schreiber (2005): Kursauf eine nachhaltige Entwicklung – Lernen füreine zukunftsfähige Welt. Ein Diskussionsbei-trag des Verbands Entwicklungspolitik deut-scher Nichtregierungsorganisationen (VENRO)zur UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Ent-wicklung“ 2005-2014; VENRO-Arbeitspapier Nr.15, 2005.

ANU (2005): Arbeitsgemeinschaft Natur- undUmweltbildung Bundesverband e.V & econturSustainibility Center Bremen (Hg.): Nachhaltig-keit im Alltag voranbringen. Ein Leitfaden fürUmweltzentren und Nachhaltigkeitsinitiativen.Bremen, 2005.

Page 41: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

39

Elmar Schüll

Wohin die Reise gehen sollDer Nationale Aktionsplan zur UN-Dekade

Man kann Aktionsplänen eine große Zukunft vorhersagen. Die Umsetzung größerer Vorhaben in Projektenauf Zeit und die dafür notwendige Zusammenarbeit heterogener Akteursgruppen erfordern das, was Aktionspläne – im besten Falle – auszeichnet: Sie offerieren den Beteiligten Orientierung und bieten einenReferenzrahmen für das gemeinsame Handeln. Sie stellen den für das Vorhaben relevanten Kontext in einergebündelten Form dar und haben zielsetzende Funktion: Aktionspläne legen fest, wohin die Reise gehen soll,und nennen die Schritte, die auf dem Weg gemacht werden müssen. Der Nationale Aktionsplan bündelt dieAktivitäten zur Umsetzung der von den Vereinten Nationen ausgerufenen Weltdekade „Bildung für nach-haltige Entwicklung“ in Deutschland.

„Die große Vision der Weltdekade ist es,allen Menschen Bildungschancen zueröffnen, die es ermöglichen, sich Wis-sen und Werte anzueignen sowie Verhal-tensweisen zu erlernen, die für einelebenswerte Zukunft und eine positivegesellschaftliche Veränderung erforder-lich sind“ – so formuliert die UNESCOdas Ziel der UN-Dekade. Deutschlandmöchte hierzu einen Beitrag leisten,indem der Gedanke und die Inhalte einernachhaltigen Entwicklung in allen Bil-dungsbereichen verankert werden. Wieaber, so stellt sich die Frage zu Beginnder UN-Dekade, geht man diese großeAufgabe an?

Vier strategische Ziele

Der Nationale Aktionsplan (NAP) siehtvier strategische Ziele vor, die bei dergemeinsamen Arbeit als Orientierung dienen sollen:

1. In Deutschland gibt es bereits eineVielzahl an Aktivitäten für einezukunftsfähigere Ausrichtung unsererGesellschaft. Oft werden diese abernur lokal wahrgenommen oder sind zustark in ihren eigenen Bereichen ver-haftet. Um eine Entwicklung in Rich-tung Nachhaltigkeit zu erwirken, müs-sen die bestehenden Bildungsangebotekonzeptionell weiterentwickelt, ihrPotenzial gebündelt und die guten Bei-spiele noch stärker in die Breite getra-gen werden.

2. Um das zu erreichen, ist auch einebessere Zusammenarbeit und Vernet-zung der Bildungsaktivitäten notwen-

dig. Deutschland verfügt über einesehr vielfältige Bildungslandschaft. DasPotenzial einer engen inhaltlichen undorganisatorischen Zusammenarbeitwird aber noch zu selten genutzt.

3. Bildung für nachhaltige Entwicklung istein sperriger Begriff und vielleicht auchein sperriges Konzept. Dahinter verber-gen sich aber die zentralen Herausfor-derungen und Themen, denen sichunsere Gesellschaft gegenübersieht.Die Anliegen der Bildung für nachhal-tige Entwicklung müssen daher stärkerin die öffentliche Aufmerksamkeitgerückt werden.

4. Schließlich müssen wir noch viel mehrals bisher die Herausforderungen unse-rer Zukunft global denken. Die Verstär-kung internationaler Kooperation solldeshalb ein unablässiges Ziel bei unse-ren Bestrebungen für eine Bildung fürnachhaltige Entwicklung sein.

Der politische Auftrag, diese Ziele zu ent-wickeln und für die Umsetzung der UN-Dekade in Deutschland einen NationalenAktionsplan auf den Weg zu bringen,wurde im Sommer 2004 erteilt. In einemeinstimmigen Beschluss forderte derDeutsche Bundestag die Bundesregie-rung auf, für die UN-Dekade eigene Bei-träge zu entwickeln und sie in einem ent-sprechenden Aktionsplan zu bündeln. Aufinternationaler Ebene war die UNESCOals „lead agency“ mit der Vorbereitungund Koordination der Weltdekade beauf-tragt worden. Die Deutsche UNESCO-Kommission hatte mit der im Sommer2003 verabschiedeten „Hamburger Erklä-

Page 42: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

40 UNESCOheute 1|2006

Foto © bpa / Faßbender

rung“ weit reichende Empfehlungen fürdie Erstellung eines Nationalen Aktions-plans gegeben.

Auf den partizipatorischen Aspekt wurdebei der Entwicklung des NAP von Anfangan großer Wert gelegt. Nur wenn die zumTeil unterschiedlichen Interessen allerbeteiligten Akteure in angemessenerWeise berücksichtigt würden, würde derNationale Aktionsplan auch seinenAnspruch einlösen können, ein von allenBeteiligten akzeptiertes Referenzdoku-ment zu werden. Daher sollten möglichstviele der für die Bildung für nachhaltigeEntwicklung relevanten und interessier-ten Akteure in den Erstellungsprozessdes Aktionsplans involviert werden.

Runder Tisch

Der erste Schritt in diese Richtung wurdeam 2. November 2004 getan. Etwa 100Akteure der Bildung für nachhaltige Ent-wicklung aus ganz Deutschland, darunterVertreter aus den Ländern und Kommu-nen, Unternehmen und Nichtregierungs-organisationen, kamen in Berlin zu einemersten Runden Tisch zusammen, umgemeinsam eine Agenda für die deutscheUmsetzung der UN-Dekade zu entwi-ckeln. Rechtzeitig zu diesem ersten großenTreffen legte das Deutsche Nationalkomi-

tee für die UN-Dekade eine Entwurfsfas-sung des NAP vor.

Die Mitglieder des Runden Tisches unddie interessierte Öffentlichkeit meldetenKritik, Hinweise und Verbesserungsvor-schläge an dem Aktionsplan an. Bevoraus der Entwurfsfassung ein allgemeinakzeptiertes Dokument werden konnte,mussten alle Vorstellungen aufgenom-men, diskutiert und miteinander abge-stimmt werden. Auf der Internetseite derUN-Dekade (www.dekade.org) war derAktionsplan bereits während seiner Ent-stehung öffentlich verfügbar.

Unterschiedliche Perspektivender Akteure

Diese Abstimmungsphase war auch einLernprozess für alle Beteiligten. Für dasNationalkomitee wurde über die verschie-denen Rückmeldungen das breite Spektrum deutlich, das es in Deutschlandinnerhalb der Bildung für nachhaltige Ent-wicklung gibt. Deutlich wurden auch diejeweils unterschiedlichen Perspektivender beteiligten Akteure. Häufig mussteder Text überarbeitet, rückgekoppelt, ver-bessert und wieder verbessert werden.Wenn der NAP in seiner gegenwärtigenFassung an manchen Stellen noch nichtsehr spezifisch klingt, so ist dies demUmstand geschuldet, dass das National-

komitee die vielen Akteure dort abholenwollte, wo sie sich zu Beginn der insge-samt zehnjährigen Reise befanden.

Auf eine Facette der inhaltlichen Ausrich-tung des Dokumentes wurde jedoch vonBeginn an großer Wert gelegt: Nachhal-tigkeit und Bildung für nachhaltige Ent-wicklung sollten als an der Zukunft aus-gerichtete Modernisierungskonzepteverstanden werden und damit jene immernoch vorhandene defensive Grundhaltungüberwinden, die sich über – vornehmlichökologische – Problemlagen motiviertund einen Gleichgewichts- und Gerech-tigkeitszustand anstrebt, der meist'irgendwo' in der Vergangenheit vermutetwird. Nachhaltige Entwicklung meintzukunftsfähige Entwicklung für die Menschen im 21. Jahrhundert und ist indiesem Sinne kaum mit einer rückwärts-gewandten Orientierung vereinbar.

Aufgrund der guten politischen Vorberei-tung und der Mitarbeit aller beteiligtenAkteure konnte das Nationalkomiteeschon zu Beginn der UN-Dekade denNAP der Öffentlichkeit präsentieren. AlsReferenzdokument dient er auch als Ori-entierung für die Bundesländer. So habenHamburg, Thüringen und Baden-Würt-temberg bereits im ersten Dekadejahreigene Aktionspläne für die landesspezifi-sche Umsetzung der UN-Dekade auf denWeg gebracht. Aus anderen Bundeslän-dern gibt es Signale, dies auch tun zuwollen. Aufgrund der Bildungshoheit derLänder und der großen Bedeutung regio-naler Strukturen liegt für die Umsetzungder UN-Dekade in den Ländern einbesonderes Potenzial, und wie es scheinthat der NAP einen Teil dazu beigetragen,dieses Potenzial zu aktivieren.

Der Maßnahmenkatalog

Seit seiner ersten Veröffentlichung erfuhrder NAP eine maßgebliche inhaltlicheErweiterung, und zwar durch den sogenannten Maßnahmenkatalog: Dabeihandelt es sich um eine Zusammenstel-lung von zunächst 62 Bildungsmaßnah-men, die jetzt und in den kommendenJahren die Bildung für nachhaltige Ent-wicklung in Deutschland strukturell beför-dern sollen. Der Maßnahmenkatalog istTeil des NAP und soll die politische Kraftdes Dokumentes stärken, indem verbind-liche und überprüfbare Aussagen zurUmsetzung gemacht werden. In demKatalog wurden für jede Maßnahmeneben den Verantwortlichkeiten, der

Page 43: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

41

jeweiligen Ausgangssituation und denZielen schon im Voraus konkrete Über-prüfungskriterien angegeben, mit denender spätere Erfolg bzw. Misserfolg derMaßnahme gemessen werden kann. DerMaßnahmenkatalog versteht sich damitals die Umsetzungsplanung der im NAPgenannten strategischen Ziele und gibtAuskunft darüber, wie die großen Visio-nen und die verschiedenen Ziele desNationalen Aktionsplans im Detail verfolgtwerden.

Fortschreibung des Aktionsplans

Die Akteure, die in Deutschland an derUmsetzung der UN-Dekade beteiligt sind,haben mit der Erstellung des NAP unddem Maßnahmenkatalog schon ein gutesStück an Arbeit geleistet. Der NAP sollteaber nicht als das Ergebnis oder Endeeines Prozesses betrachtet werden, viel-mehr versteht er sich als ein Beitrag zumAnfang und zur weiteren Begleitung die-ser UN-Dekade. Sowohl der Text desNAP als auch der Maßnahmenkatalogsind keine abgeschlossenen Dokumente.Als Teil der NachhaltigkeitsstrategieDeutschlands wird der NAP in dieser Hin-

sicht wiederholt aktualisiert und überar-beitet. Der Maßnahmenkatalog bildet inseiner gegenwärtigen Fassung sicherlichnoch nicht das ganze Spektrum an struk-turellen Bildungsaktivitäten ab, die eshierzulande gibt. Er ist ergänzungsbedürf-tig und wird im jährlichen Turnus erwei-tert werden.

Das Nationalkomitee wird außerdemneue Erkenntnisse und Erfahrungen indie Fortschreibungen des NAP einbringenund die Umsetzung der annonciertenMaßnahmen überprüfen.

Aus gegenwärtiger Sicht haben sich imbisherigen Erstellungsprozess einigePunkte als entscheidend herausgestellt:

■ Transparenz: Damit jede und jederInteressierte an dem Entstehungspro-zess teilhaben kann, muss für alle klarsein, wo man im jeweiligen Momentsteht, wie die Abläufe sind und wohindie Reise gehen soll. Wenn es guteGründe gibt, weshalb dieser oder jenerVorschlag eines Akteurs nicht odernicht vollständig übernommen werdenkann, muss diese Entscheidung nach-vollziehbar gemacht werden.

■ Vielfalt der Akteure: Die politische Kraftdes Aktionsplans wird davon abhängen,ob sich die beteiligten Akteure, Organisa-tionen und Institutionen in dem Plan wie-der finden. Im Laufe der gemeinsamenArbeit werden sich die Positionen viel-leicht angleichen. Zu Beginn gilt esjedoch, die unterschiedlichen Meinun-gen 'mitzunehmen'.

■ Kürze: Je kürzer und klarer der Akti-onsplan ist, desto häufiger wird ergelesen.

■ Geschwindigkeit: Der NAP entstandin so kurzer Zeit wie möglich. Sicherlichmüssen die Abläufe in den beteiligtenOrganisationen und Institutionenrespektiert werden. Lange Bearbei-tungszeiten sind aber häufig nur langeLiegezeiten. Es gilt, den Abstimmungs-prozess lebendig und präsent zu halten– wie auch die Umsetzung der UN-Dekade insgesamt.

Elmar Schüll ist wissenschaftlicher Referentfür die UN-Dekade in der Berliner Arbeits-stelle beim Vorsitzenden des Nationalkomi-tees. Er hat die Erarbeitung des NationalenAktionsplans (NAP) koordiniert.

Systemische Verankerung von Bildung für nachhaltigeEntwicklung in Unterricht und Schulleben

Dekade-Projekt des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums in Hamburg

Das Alexander-von-Humboldt-Gymnasiumist eine Schule mit dezidiertem „Nachhal-tigkeitsprofil“. Die Schule wurde auditiertund ist selbst an der Entwicklung vonInstrumenten zur Auditierung von Schu-len intensiv beteiligt. Das gesamte päd-agogische und Verwaltungspersonal, 700Schülerinnen und Schüler sowie einigetausend Stadtteilbewohner, externeKooperationspartner und Eltern sind indie weit umfassende Nachhaltigkeits-strategie der Schule einbezogen. Es wirdBildung für nachhaltige Entwicklung imRegelunterricht angestrebt

Foto: hot/HAN

Page 44: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

42 UNESCOheute 1|2006

Heidi Consentius

Die Auszeichnung von offiziellen Dekade-Projekten

Eine der wichtigsten Strategien zur Umsetzung der UN-Dekade inDeutschland ist die Unterstützung der einzelnen Akteure vor Ort. DieAnerkennung von offiziellen Dekade-Projekten stellt diesen Gedankenin den Mittelpunkt. Die Projekte stehen beispielhaft für eine innovativeund breitenwirksame Umsetzung der Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Bildung für nachhaltige Entwicklung(BNE) betrifft gleichermaßen das Lernenin Kindertageseinrichtungen, Schulen,Hochschulen, in der Berufs- und Weiter-bildung, in außerschulischen Bildungs-und Kultureinrichtungen sowie in For-schungsinstituten, Unternehmen und Ver-waltungen. BNE findet auch außerhalbvon Bildungseinrichtungen, zum Beispielin der Familie, im Freundeskreis, durchMassenmedien und in der Konsumenten-beratung statt. BNE betrifft Kommunen,Verbände, Vereine, Betriebe und Fami-lien; sie bereichert jeden Einzelnen underöffnet wertvolle Zukunftschancen.

Sogleich mit dem Beginn der UN-Dekadewurde der Aufruf lanciert, dass sichAkteure und Organisationen um die Aus-zeichnung als „Offizielles Projekt derDekade der Vereinten Nationen zur Bil-dung für nachhaltige Entwicklung 2005 –2014“ bewerben sollten. Dieser Aufrufstieß auf große Resonanz. Im Mai 2006wurde – nach gut einem Jahr Laufzeit –das 250ste Projekt ausgezeichnet.

Es sind drei Gründe, die das Nationalko-mitee bewogen haben, eine Initiative zurAuszeichnung von Dekade-Projekten zustarten: Wir wollen die Aktivitäten zurBNE sichtbar machen, andere zur Über-nahme vorbildlicher Ideen anregen undnicht zuletzt den Engagierten unsereAnerkennung aussprechen.

Das Spektrum der Akteure

Es gibt zahlreiche engagierte Personenund Institutionen, die sich der Herausfor-derung, Bildung für Nachhaltigkeit in die

Breite zu tragen, stellen wollen oder die-ses seit geraumer Zeit tun. Viele dieserAktivitäten sind aber nur lokal begrenztsichtbar oder einem kleinen Personen-kreis bekannt. Wir wollen mit der Aus-zeichnung diese Aktivitäten und dasEngagement der Menschen sichtbarmachen. So wird deutlich, wie groß dasSpektrum der Akteure ist, wo an welchenOrten der Republik mit Beharrlichkeit undElan Nachhaltigkeit gelernt, spielerischerfahren, erprobt und praktiziert wird.

Vielfalt der Aktivitäten

Die Vielfalt der Aktivitäten ist außeror-dentlich groß und faszinierend. So habensich zum Beispiel beworben:

■ ein Dorf, das sich als Motor einer nach-haltigen Entwicklung im ländlichenRaum versteht,

■ mehrere Kultur- und Medienprojektefür Kinder im Elementarbereich,

■ Schulen mit dezidiertem Nachhaltig-keitsprofil,

■ Projekte der beruflichen Aus- und Wei-terbildung zum nachhaltigen Bauen,

■ Initiativen zur Ressourcenschonung,

■ Initiativen zur nachhaltigen Entwicklungin Chemieberufen,

■ Hochschulen (Sustainable Universities),

■ Umweltzentren und Schullandheimemit ganzheitlichem Leitbild BNE,

Page 45: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

43

■ kleine Initiativen wie zum BeispielSchülersolidaritäts- und Sozialprojekte,die den Dialog mit den Ländern desSüdens führen,

■ Seniorenprojekte, in denen Menschenim Dritten Lebensalter zu Multiplikato-ren für BNE fortgebildet werden,

■ nachhaltige Schülerfirmen,

■ Kunstprojekte im Kontext von Nachhal-tigkeit,

■ Trainingsprogramme für junge Füh-rungskräfte, die auf globaler oder multi-kultureller Ebene tätig sind,

■ Projekte zum Mobilitäts- und Konsum-verhalten,

■ Klöster und Kirchen des europäischenNetzwerks Sustainable Churches

und viele, viele andere.

Da nur solche Projekte ausgezeichnetwerden, die innovativ und/oder vorbildlichsind, bedeutet ihr Sichtbarmachen auch,dass sich andere, die sich neu engagierenoder ihre Themenfelder erweitern möch-ten, besser informieren können. Indemwir die ausgezeichneten Projekte auf gro-ßen Auszeichnungsveranstaltungeneinem breiteren Publikum vorstellen undauf unserer Website (www.dekade.org)präsentieren, haben alle Interessiertendie Möglichkeit, sich sachkundig zumachen und direkt mit den Projektverant-wortlichen Kontakt aufzunehmen.

Wofür steht die Auszeichnungals Dekade-Projekt?

Es ist dem Nationalkomitee ein großesAnliegen, den Projekten mit der Auszeich-nung als offizielles Projekt der UN-Dekadeeine symbolische Anerkennung für dasherausragende Engagement zu verleihen.Denn das Engagement für BNE ist nichtselbstverständlich. Wenn eine Schule ihr

Schulprofil auf die Nachhaltigkeit ausrich-tet oder eine Seniorengruppe ein ganzesKursprogramm absolviert, um dann alsLehrende in Sachen Nachhaltigkeit aktivwerden zu können, dann steckt darin einEngagement, zu dem sie nicht verpflichtetsind. Nachhaltigkeit zu lehren, Kurse anzu-bieten, die Institution unter Nachhaltig-keitsgesichtspunkten zu gestalten, bedeu-tet, sich über das Regelmaß hinaus inBeruf und Freizeit der Sache zu widmen.Wenn dies noch mit hoher Kreativität,hohem Einsatz und oftmals geringer Ent-lohnung einhergeht, dann sollte wenig-stens eine Kultur der Anerkennunggepflegt werden. Dafür engagieren wiruns mit den Auszeichnungen.

Es verwundert auch nicht, dass die Aus-zeichnung als offizielles Dekade-Projektein großes Motivationspotenzial für dieso Geehrten birgt. Man ist stolz auf dieseAnerkennung, die mit der Verleihungeiner Urkunde und der Übergabe einerFlagge verbunden ist. Zudem erhalten die

Foto: © UNESCO / brendan O

Page 46: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

44 UNESCOheute 1|2006

Foto: DUK

Projekte die Berechtigung, unser Dekade-Logo mit dem Hinweis zu nutzen, dassman ein offizielles Projekt der Dekadeund Mitglied der „Allianz NachhaltigkeitLernen“ ist. Es zeigt sich auch ein sehrpositiver Nebeneffekt für die Projekte:Mit der Auszeichnung fällt es leichter,nicht nur neue Partner und Besucher vorOrt zu gewinnen, da oftmals über dieAuszeichnung in der regionalen Presseberichtet wird. Die Auszeichnung durchdas Nationalkomitee und die damit ver-bundene Erlaubnis, das UNESCO-Symbolzu tragen, ist auch ein Türöffner. Es fälltdann leichter, sich Gehör zu verschaffenund hin und wieder auch mehr – immerdringend benötigte – Mittel einzuwerben.

Wie wird man Dekade-Projekt?

Wir haben dafür einen Kriterienkatalogentwickelt und Bewerbungsunterlagengedruckt – die auch online verfügbar sind

(www.dekade.org). Bewerben könnensich alle Institutionen, Organisationen,Unternehmen und Projektträger, dieInitiativen zur BNE ergriffen haben. Daskönnen zum Beispiel Kindergärten, Schu-len, Hochschulen, Dienstleistungs- undandere Unternehmen, Behörden, Ver-bände, Nichtregierungsorganisationen,lokale Aktionsgruppen oder praktikableProjekte zum Anfassen und Nachmachensein.

Ein Dekade-Projekt sollte bei der Erst-bewerbung unter anderem folgende Aus-wahlkriterien erfüllen:

Es sollte

■ einen innovativen Charakter haben,

■ in die Breite wirken können,

■ hohen Qualitätsstandards entsprechen,

■ mindestens zwei Dimensionen derökologischen, ökonomischen undsozialen Seite der Nachhaltigkeitabdecken,

■ sich um Vernetzung mit anderen Projekten bemühen

■ und das bloße Planungsstadium deut-lich überschritten haben.

Die Auswahl erfolgt durch eine Fachjury,die sich aus zwölf Mitgliedern des Natio-nalkomitees zusammensetzt. Im Rahmeneiner zwei- bis dreimal jährlich stattfin-denden feierlichen Auszeichnungsveran-staltung wird den Projekten und Initiati-ven die Urkunde, eine Flagge und einStempel mit unserem Dekade-Logo über-reicht.

Die Anerkennung als offizielles Projektder Dekade gilt für zwei Jahre. Wieder-bewerbungen sind erwünscht. Bei einerWiederbewerbung müssen Entwick-lungsfortschritte erkennbar sein, diedurch einen Evaluationsbogen erhobenwerden.

Wir hoffen, in den zehn Jahren Laufzeitder Dekade 1000 Projekte auszeichnenzu können, die unseren Kriterien genü-gen. Die Chancen stehen gut.

Heidi Consentius ist Mitarbeiterin in der Berliner Arbeitsstelle für die UN-Dekade undbetreut dort die Dekade-Projekte.

Page 47: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

45

Alexander Leicht

Von Sao Paulo bis zu den SalomonenDie UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ weltweit

Internationale Kooperation ist für kaum ein politisches Ziel so entschei-dend wie für nachhaltige Entwicklung. Im Rahmen der UN-Dekade undmit Unterstützung der UNESCO sollen weltweit Projekte der Bildungfür nachhaltige Entwicklung gefördert und miteinander verknüpft wer-den. Ziel ist eine globale Allianz Nachhaltigkeit lernen.

Die brasilianische Megastadt Sao Pauloist von einem riesigen geschützten Grün-gürtel umgeben. Schüler aus armenFamilien, die in der Umgebung wohnen,werden in diesem Schutzgebiet zu Frem-denführern für nachhaltigen Tourismusausgebildet. Sie erwerben Wissen überden Artenreichtum der Gegend, überRecycling, nachhaltige Land- und Forst-wirtschaft und erhalten eine Qualifikationfür ein rapide wachsendes Berufsfeld.Schätzungen zufolge soll sich der nach-haltige Tourismus in der Region innerhalbvon fünf Jahren mehr als verdoppeln.

Im Projekt „Sandwatch“, das im Rahmeneines Schulworkshops auf der Karibik-insel Tobago entstand und weltweit inkleinen Inselstaaten durchgeführt wird,untersuchen Schüler die Strände in ihremLebensumfeld. Sie lernen Umweltbedro-hungen einzuschätzen und befassen sichmit Möglichkeiten einer nachhaltigen Nut-zung der Ressourcen des Meeres. DieSchüler betrachten die Strände auchunter dem Gesichtspunkt der Eigentums-rechte und setzen sich mit Lösungsmo-dellen für Konflikte zwischen unterschied-lichen Nutzern auseinander.

In Tuvaruhu auf den Salomonen habensich 20 Jugendliche zu einer Theater-gruppe zusammengetan und sich imSelbststudium fortgebildet. Sie erarbeitenTheateraufführungen mit Jugendlichenaus umliegenden Gemeinden zu wichti-gen Themen einer sozial nachhaltigenEntwicklung wie HIV/AIDS-Präventionoder Drogenmissbrauch. Diese Themenidentifizieren sie im gemeinsamenGespräch.

Ein internationales Vorhaben

Internationale Kooperation ist für kaumein anderes politisches Ziel so entschei-dend wie für nachhaltige Entwicklung.Kein Land kann allein die Erderwärmungabmildern. Keinem Land kann es gleich-gültig sein, dass der Meeresspiegeldroht, innerhalb der nächsten Jahrzehntedramatisch anzusteigen. Kein Land kanndie immer stärkeren wirtschaftlichenInterdependenzen und Dynamiken igno-rieren, die Größenordnungen haben wiediese: Sollte die chinesische Wirtschaftweiter so schnell wachsen wie zurzeit,wird sie die US-amerikanische Wirtschaftbereits im Jahr 2014 überholt haben.

Wenn eine ökologisch, ökonomisch undsozial ausgewogene Entwicklung ein glo-bales Anliegen ist, gilt das gleichermaßenfür die Bildung für nachhaltige Entwick-lung. Die drei stichprobenartig gewähltenBeispiele aus Brasilien, Tobago und vonden Salomonen geben einen Einblick indie Vielfalt, mit der Bildung für nachhal-tige Entwicklung weltweit umgesetztwird. Die UN-Dekade „Bildung für nach-haltige Entwicklung“ wirbt um politischeUnterstützung für Initiativen wie diese.Die UNESCO möchte zudem weltweitinnovative Bildungsvorhaben initiierenund den Austausch zwischen den ver-schiedenen Ansätzen und Projekten zumNachhaltigkeitslernen fördern. Das Zielwäre eine weltweite Allianz von Regie-rungen, Wirtschaftsunternehmen, Nicht-regierungsorganisationen und Bildungs-einrichtungen, die erkannt haben, dassdie natürlichen Lebensgrundlagen nurgesichert werden können und globale

Page 48: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

46 UNESCOheute 1|2006

Foto © UNESCO / Sayyed Nayyer Reza

Gerechtigkeit nur verwirklicht werdenkann, wenn wir in der Bildung die richti-gen Akzente setzen.

Katalysatoren für eine globaleAllianz – der Beitrag internatio-naler Organisationen

Zu den wichtigsten Aufgaben zwischen-staatlicher Organisationen gehört es, einForum für globale Diskussionen bereitzu-stellen, als Katalysatoren für die internatio-nale Zusammenarbeit zu wirken und Leitli-nien für das Zusammenleben in derglobalisierten Welt zu erarbeiten. Waskann die UNESCO, die innerhalb der Ver-einten Nationen die Federführung für dieUN-Dekade hat, zu einer globalen Allianzfür Bildung für nachhaltige Entwicklungbeitragen?

Gemäß ihrem Mandat ist die UNESCObei der Umsetzung der UN-Dekade aufmehreren Ebenen aktiv: Zunächst hat siedie politische Aufgabe, den Anliegen derBildung für nachhaltige Entwicklungdurch Abstimmungen auf Regierungs-ebene größeres Gewicht zu verleihen.Dafür hat sie im Laufe des ersten Jahresder Dekade einen Internationalen Umset-zungsplan vorgelegt, der wichtige strate-gische Leitlinien benennt und als Handrei-chung dienen soll, wie die Dekadegemeinsam von Politik und Zivilgesell-schaft verwirklicht werden kann.

Inhaltliche Impulse gibt die UNESCO dar-über hinaus durch internationale Veran-staltungen zur Dekade, darunter – um nurzwei jüngere Beispiele zu nennen – einExpertenworkshop zur Frage der wichtig-sten Forschungsschwerpunkte zur Bil-dung für nachhaltige Entwicklung im

Februar 2006 in Paris und eine Podiums-diskussion am Rande der Commission onSustainable Development im Mai 2006 inNew York, bei der Deutschland eingela-den war, seine Umsetzung der Dekadeals gutes Praxisbeispiel vorzustellen.

Im Idealfall spielt die UNESCO bei sol-chen Aktivitäten die Rolle eines globalenDenklabors, das durch seine Fähigkeit,weltweit Experten zu mobilisieren, dieDiskussion zu politischen und wissen-schaftlichen Fragen der Bildung für nach-haltige Entwicklung voranbringt. DieUNESCO entwickelt zudem konkrete Pro-jekte, die den Mitgliedstaaten als gutePraxisbeispiele zur Orientierung dienensollen. Das genannte brasilianische Pro-jekt ist beispielsweise in einem UNESCO-Biosphärenreservat entstanden, das Pro-jekt „Sandwatch“ im Rahmen desUNESCO-Schulnetzwerks. Die UNESCO

Page 49: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

47

verfügt außerdem über ein hervorragen-des Netzwerk von Nationalkommissio-nen, die in fast allen der 191 Mitgliedstaa-ten eingerichtet wurden und meist einendirekten Zugang zu Politik und Zivilgesell-schaft ermöglichen.

In der UN-Region Europa – zu der auchdie USA und Kanada zählen – hat die Uni-ted Nations Economic Commission forEurope (UNECE) in Genf in Absprachemit der UNESCO eine koordinierendeRolle für die UN-Dekade übernommen.Die UNECE, das europäische Regional-gremium des Wirtschafts- und Sozialratsder Vereinten Nationen, setzt sich seit2003 auch für die Bildung für nachhaltigeEntwicklung ein. Sie hat dazu im Jahr2005 ein europäisches Strategiepapierverabschiedet und ein jährlich tagendesSteuerungsgremium eingerichtet.

Das UNESCO-Regionalbüro in Bangkokengagiert sich in der Region Asien/Pazifikfür die Umsetzung der Dekade. Es hatunter anderem eine umfassendeBestandsaufnahme erstellt, die einenÜberblick über den Stand der Bildung fürnachhaltige Entwicklung in allen Staatender Region gibt.

Herausforderungen

Die größte Herausforderung bei derGestaltung der UN-Dekade als weltweitesKooperationsprojekt ist sicherlich die Ver-ständigung über gemeinsame Ziele undKonzepte der Bildung für nachhaltige Ent-wicklung. Dies wird bei der Verknüpfungvon Aktivitäten zur Dekade aus verschie-denen Ländern sichtbar. Deutlich werdenunterschiedliche Akzentsetzungen bei-spielsweise bei der Erarbeitung von Indi-katoren für Bildung für nachhaltige Ent-wicklung, die die UNECE derzeit für dieRegion Europa und das UNESCO-Regio-nalbüro Bangkok für die Region Asien/Pazifik vorantreiben. Während einige Ver-treter gerne quantitativ messbare Verhal-tensänderungen des Einzelnen alsErfolgskriterium sähen, sehen andere Län-der – darunter auch Deutschland – dasZiel der Bildung für nachhaltige Entwick-lung darin, Menschen die Kompetenzenzu vermitteln, die erforderlich sind, um dieGesellschaft eigenverantwortlich undaktiv zukunftsfähig zu gestalten, was aucheinen kritischen Diskurs über Nachhaltig-keitskonzepte einschließen kann.

Darüber hinaus stellt sich die Frage derpolitischen Prioritäten. Während Länder

wie Schweden, die Niederlande, Austra-lien und Frankreich die Dekade außeror-dentlich aktiv umsetzen und zum Teileigene Nationalkomitees eingerichtethaben, hat eine Reihe anderer Länder dieBedeutung der Dekade bisher erst inAnsätzen erkannt. Innerhalb der UNESCOist die Dekade noch nicht ausreichendsichtbar, weil das Programm „Bildung füralle“ zur Förderung der Grundbildung denalles überragenden Schwerpunkt im Bil-dungsbereich darstellt. Der Einwurf einesBildungspolitikers aus einem der Länderdes Südens – „Wie sollen wir eigentlichfür Nachhaltigkeit bilden, wenn bei unsnoch nicht einmal jeder zur Schule geht?“– macht deutlich, wie schwierig es seinkann, für ein größeres politisches Gewichtder Bildung für nachhaltige Entwicklungzu argumentieren. Im Rahmen derUNESCO wird Bildung für nachhaltigeEntwicklung zum Teil schlicht gleichge-setzt mit Förderung der Nachhaltigkeitdurch verstärkte Bildungsanstrengungen.Es trifft natürlich zu, dass in vielen Län-dern erst einmal die Voraussetzungen füruniverselle Bildung geschaffen werdenmüssen, doch führt ein so weiter Begriffder Bildung für nachhaltige Entwicklungdazu, dass der eigentliche Kern des Kon-zeptes verloren geht – und damit auchsein politisches Gewicht. Im Sinne der

Globales und interkulturelles Lernen

Dekade-Projekt des Oberstufenzentrums Bürowirtschaft und Dienstleistungen, Berlin

Das Projekt soll Schüler theoretisch undpraktisch mit den Gegebenheiten in ande-ren Ländern vertraut machen. Sie sollenin kulturell heterogenen Gruppen an derSchule und anderswo agieren könnenund ökonomische, ökologische undsoziale Zusammenhänge der Globalisie-rung kennen lernen. Darüber hinaus kön-nen sie die Möglichkeit des Schüleraus-tausches nutzen. DieAuseinandersetzung mit dem ThemaNachhaltigkeit wird als eine Aufgabeangesehen, die in ein Schulprogrammund in ein Gesamtcurriculum eingebettetsein muss.

Foto: Stefan Marien

Page 50: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

48 UNESCOheute 1|2006

Schärfung des Begriffs wäre es ein loh-nenswertes Vorhaben, international inten-siver zu diskutieren, welche Bildungsin-halte zum Kern der Bildung fürnachhaltige Entwicklung gehören undwelche möglicherweise von anderen Bil-dungsvorhaben oder -politiken verfolgtwerden sollten.

Eine weitere Herausforderung ist struktu-reller Natur: Der internationale Austauschin der UNESCO und anderen zwischen-staatlichen Gremien verläuft auf derEbene der Regierungen. Wie gerade ander deutschen Umsetzung abzulesen ist,lebt aber Bildung für nachhaltige Entwick-lung auch von den vielen zivilgesellschaft-lichen Aktivitäten. Diese sind internationalnicht immer ausreichend eingebunden.Auch vollzieht sich der Versuch internatio-naler Organisationen, die zivilgesellschaft-liche Dimension mit einzubeziehen, bis-weilen recht unsystematisch: Iminternationalen Rahmen exponieren sichmanchmal Organisationen und Experten,die in ihren jeweiligen Ländern kaumAnbindung an die Aktivitäten zur Dekadehaben. Ein möglicher Weg wäre hier

neben der erforderlichen Systematisie-rung, zusätzlich zu den 'offiziellen' Kon-takten und Konferenzen, den Austauschzwischen einzelnen Projekten in verschie-denen Ländern stärker zu fördern.

Ein Lernprozess

Die weltweit unterschiedlichen Akzentset-zungen bei der Bildung für nachhaltigeEntwicklung sind aber auch eine Chance.Denn trotz aller Relativierungen, Entwick-lung sei kulturspezifisch, – die manchmalauch etwas akademisch wirken – bestehtbezüglich des übergreifenden Leitbildseiner Generationen- und weltweitenGerechtigkeit ja ein Grundkonsens. Aufdieser Grundlage sollte die UN-Dekadeauch als eine Möglichkeit verstanden wer-den, sich in einem gemeinsamen Lernpro-zess über die unterschiedlichen Prioritä-ten und Praktiken in der Bildung fürnachhaltige Entwicklung auszutauschen.Die Auseinandersetzung mit den ganzanderen Rahmenbedingungen der Bildungfür nachhaltige Entwicklung etwa in Ent-wicklungsländern kann auch europäischen

Die wichtigsten internationalen Doku-mente zur UN-Dekade „Bildung fürnachhaltige Entwicklung“ sind auf derWebsite www.dekade.org verfügbar.Weitere Informationen unter www.unesco.org/education/desd undwww.unescobkk.org/esd

Vorhaben helfen, sich produktiv in Fragezu stellen, ihr Profil zu schärfen undgemeinsame Interessen zu identifizieren,die weltweit verfolgt werden können.Lernprozesse sind offen. Zum Erfolg sindalle aber dennoch verdammt: Denn ange-sichts der großen Herausforderungen, mitdenen sich die Staaten der Welt konfron-tiert sehen, bleibt gar keine andere Wahl,als diejenigen Denk- und Verhaltenswei-sen zu lernen, mit denen wir zu einerlebenswerten Zukunft beitragen können.Dies gilt in Europa genauso wie in Brasi-lien, in der Karibik und auf den Salomo-nen.

Alexander Leicht ist wissenschaftlicher Referent im Sekretariat für die UN-Dekadebei der Deutschen UNESCO-Kommission.

Foto © UNESCO / Jean O'Sullivan

Page 51: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

49

John Fien

Das College für nachhaltige Entwicklung der Universität GaiaEine Vision für die UN-Dekade zur nachhaltigen Entwicklung

John Fien ist Professor für nachhaltige Innovationsforschung an derRMIT Universität, Australien. In dem folgenden Artikel entwirft er seineZukunftsvision: eine Universität für und nach den Prinzipien der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).

Zielsetzung

Das BNE-College soll der Stadt Gaia alsModell für Nachhaltigkeit dienen – undheute bereits sehen wir die Erfolge: inder Bauweise und Gestaltung des Col-lege, in seinem Management und darin,wie man sich fühlt, wenn man dort lebtund arbeitet, an den Studien- und For-schungsinhalten, in der Grundhaltung undden Werten, die in allen Kursen und Akti-vitäten gefördert werden. Wer sich nochan den Universitäts- oder College-Cam-pus des späten 20. Jahrhunderts erinnert,spricht begeistert vom Lebenswert derheutigen „Nachhaltigkeits-Colleges“. Esist etwas, das man mit allen Sinnen auf-nimmt und das in jedem Gespräch auf-taucht. Der Bau des BNE-Campus wurdevon vornherein auf Respekt für MutterNatur ausgelegt. Dozenten wie Studen-ten der BNE sehen sich selbst – unabhän-gig von ihren Fachgebieten oder Speziali-sierungen – als „Bewahrer der Erde“.

Planung und Gestaltung

Ein gutes Beispiel für eine neue Generationvon Gebäuden, die nicht dem „Wegwerf-Prinzip“ unterliegen, ist das Zentrum fürangewandte Nachhaltigkeitstechnologien.Den Planern war klar geworden, dass esressourcenschonender ist, einmal hoch-wertig zu bauen als mehrfach mangelhaft.Das Zentrum wurde für eine Lebens- undNutzungsdauer von 1000 Jahren konzipiert– niemand war erstaunt, dass die Kostenkeineswegs fünfzig Mal höher lagen als beieinem ähnlichen, aber auf 20-jährige Nut-zung ausgelegten Gebäude!

Größe und bauliche Ausführung wurdenoptimiert, so dass das Gebäude mit

selbst gewonnener Energie auskommt.Trotz des relativ warmen Klimasbeschränken sich seine primären Klimati-sierungssysteme auf Luftaustauschdurch Zirkulation und hocheffiziente Fen-ster. Thermische Solarkollektoren wurdendekorativ direkt in Gebäudesubstanz undFassade eingearbeitet. Auch Prinzipiender passiven Energiegewinnung undPflanzen wurden so oft wie möglich ein-gesetzt, um zum Komfort des Gebäudesbeizutragen. Landschaftsbau stellt einenwesentlichen Bestandteil des Gebäude-designs dar.

Das Innere des Zentrums wurde nichtdekoriert, sondern vielmehr landschafts-gärtnerisch gestaltet. Als die Architektenendlich zur Kenntnis genommen hatten,dass Menschen ein Teil der Natur sind,gestalteten sie die Innenräume immerabwechslungsreicher, bunter und lebendi-ger, mit verschiedensten Oberflächen-strukturen. Die Dekoration wandte sichwieder stärker dem Gebrauch von Stein,Holz, Ziegel, Pflanzen, Wasser und Kies,Sand und Felsgestein zu. Die wachsen-den, blühenden und sich ausbreitendenPflanzen schufen eine sich fast unmerk-lich verändernde Umgebung und trugengleichzeitig als „lebende dekorative Ele-mente“ maßgeblich zur Luftqualität bei.

Maximale Abfallvermeidung

Mülltonnen und gelbe Säcke – im 20.Jahrhundert noch so alltäglich – sind sogut wie verschwunden. Recycling ist einfester Bestandteil des Campuslebens.Bei der Müllvermeidung wurde direkt ander Quelle angesetzt: Mensen und Cafe-terien geben kein Wegwerfbesteck und -geschirr mehr aus. Papier wurde fast voll-

Page 52: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

50 UNESCOheute 1|2006

Foto © bpa / Reineke

ständig durch elektronische Kommunika-tions- und Wissenstechnologien ersetzt.Viele Studenten benutzen Notebooks mitCD-ROM-Büchereien für ihre Kurse – dauns klar wurde, dass wir jedem Studen-ten einen Computer gratis zur Verfügungstellen können, wenn wir dies mit denGesamtkosten konventioneller Bücher,Zeitschriften, Magazine, Zeitungen undPapierfabriken, mit den Unterhaltskostenfür große Bibliotheken, Transportkostenund Straßenverschleiß, mit der Gelände-aufschüttung zur Müllentsorgung, Ent-schädigungsklagen wegen zu schwerenTragens in Transportbetrieben oder Verla-gen und den Kosten für Wasser- undLuftreinigung verrechnen.

Transport

Der BNE-Campus ist sehr ruhig. Dies wäreim 20. Jahrhundert so nicht möglich gewe-sen. Die gewohnten Abgase und Motoren-geräusche sind verschwunden. Eine kleineZahl elektrischer und wasserstoffbetriebe-ner Fahrzeuge hat alle alten Autos ersetzt.

Der Campus wurde ganz auf die Bedürf-nisse und Fähigkeiten von Fußgängernausgerichtet: Die Gebäude sind nachFunktionen und Aktivitäten gruppiert, Stu-dentenwohnheime, Einkaufs-, Sport- undUnterhaltungsmöglichkeiten wurden inte-griert und optimal an Gaias öffentliche Ver-kehrsmittel angeschlossen. Veränderun-gen in der Bauweise stellten jedoch denleichtesten Teil des Wandlungsprozessesdar, obwohl sie einen so großen Beitragzur Bewahrung von Ressourcen und zurVermeidung von Umweltschäden leisten.

Lernen

Das Wichtigste am BNE-Campus sindaber weder seine Gebäude und Solar-paneele, noch seine Blumenbeete. Viel-mehr ist der Campus ein Ort, an deminnere Einstellung, Fähigkeiten undWerte der Bürger gefördert und gefordertwerden. Der eigentliche Job jedes Mitar-beiters, Dozenten, Professors, Verwal-tungsangestellten und Studenten ist es,dazu einen Beitrag zu leisten. Hiervon

gingen einige der wichtigsten Impulse fürVeränderungen aus.

Eine Dozentin der Architektur beschriebHolz in ihrem Seminar nicht als totesObjekt mit bestimmten Eigenschaften,sondern als ein lebendiges Geschenk derNatur. Ihre Einstellung zu Holz als einerMaterie, die respektiert und mit Vorsichtgestaltet und verwendet werden muss,spiegelte sich in jeder Lernaktivität. DieStudenten konnten die Erwartung derDozentin spüren, nach ihrem Abschlussnicht nur eine ökonomische Rolle als pro-duktive Angestellte, sondern auch eineökologische und eine soziale Rolle zuübernehmen, nämlich den Planeten zustärken, der ihren Beruf erst ermöglicht.In ihrer Arbeit würden sie Stolz auf Quali-tät ausdrücken, so wie dies früher diemittelalterlichen Zünfte taten.

Ein Dozent des Gesundheitswesensuntersuchte mit Studenten die menschli-che Gesundheit, nicht nur im Zusammen-hang mit krankmachenden Organismen,

Page 53: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

51

sondern in Bezug auf die gesamte Bezie-hung zwischen Mensch und Natur. Inihren Diskussionen nahm die Arbeit imGesundheitswesen eine ganz neueBedeutung an: weg von der reinenBehandlung bereits bestehender Krank-heiten, hin zur Prävention von Krankhei-ten durch das Schaffen und Erhalteneiner gesunden Umgebung.

Verwaltung und Management

Verwaltung und Management des BNE-Campus begannen ebenfalls, ihre Rolleneu zu definieren. Hauptsorge bliebnatürlich die Wirtschaftlichkeit, aber Entscheidungen gewannen eine neueDimension als ökologische und sozialeKosten mit in den Entscheidungsprozesseinbezogen wurden. Die neu gewählteStrategie wurde „bestes Preis-Leistungs-Verhältnis statt niedrigster Preis“ betitelt.Gründe für die Verschwendung vielfälti-ger Ressourcen, wie auch für Umweltver-schmutzung, fanden sich in mangelnderKommunikation und strategischer Pla-nung, wunderlichen Buchhaltungs- undVerwaltungssystemen, Entscheidungs-prozessen, die Teile der BNE-Gesellschaftausschlossen, und der Nichtbeachtungkreativer Vorschläge. Dadurch lernten wir,dass die Entwicklung zu einem nachhalti-gen Campus, neben Recycling und Maß-nahmen gegen Verschmutzung, auchWeiterentwicklung der Menschen, Wei-terbildung der Mitarbeiter und Verände-rungen in den Verwaltungsprozessenbedeutet. Menschen wurden nicht längerals „menschliche Produktionsmittel“gesehen, sondern als unerlässliche Quel-len der Einsicht, Erkenntnis und Kreativi-tät.

Paradigmenwechsel

Der Wendepunkt in der Verwaltungspraxiswar erreicht, als das Umweltkomiteeabgeschafft wurde. Wir erkannten, dassökologische und soziale Themen vongrundlegender Bedeutung für alle aufge-klärten Managemententscheidungen sind.So wurde uns auch klar, dass die Einrich-tung von speziellen Arbeitsgruppen fürsolch wichtige Themen nur dazu dient,keine konkrete Verantwortung überneh-men zu müssen. Ein weiterer großerSchritt war die Abschaffung von Kursenüber Umweltthemen, Ressourcenma-nagement und nachhaltige Entwicklung.Alle Kurse wurden stattdessen genausoauf den Grundlagen von sozialer Gerech-tigkeit und Ökozentrismus geplant wie

Der Artikel von John Fien basiert auf „A green vision“, in Green Guide: A User’sGuide to Sustainable Development for Canadian Colleges, National Roundtable onthe Environment and the Economy and Association of Canadian Community Colleges, Ottawa, 1992.

Übersetzung aus dem Englischen: Christine Möller

nach pädagogischen und ökonomischenPrinzipien. Nachhaltige Entwicklungwurde so zum natürlichen Bestandteiljedes Kurses. Auf Studiengänge wieMathematik hatte dies keinen großen Ein-fluss. Aber für Landwirtschaft, Bergbau,Betriebswirtschaft, Architektur, Jura, Inge-nieurswissenschaften, Medizin und Psy-chologie ergaben sich tiefgreifende Verän-derungen.

Teilhabe an der gesellschaftlichenEntwicklung

Nachdem Bildung und Training nun alsWeg gesehen wurden, menschlicheBedürfnisse mit ökologischen und sozia-len Realitäten zu verknüpfen, wurde dasBNE-College ein aktiver Partner gesell-schaftlicher Entwicklung. Das Konzeptdes „Partnering“ führte zu einer erneutenVerschiebung des Ansatzes hin zu einerstärkeren Integration und Teilnahme inallen Bereichen gesellschaftlicher bzw.regionaler Entwicklung. Statt als „aufge-klärte Führung“ der Massen durch einigewenige Erleuchtete, wurde der Übergangzu einer nachhaltigen Institution nun eherals ein Weg gesehen, Möglichkeiten zurFörderung der Synergie und Zusammenar-beit zu finden und die einzigartigen Bei-träge jedes Individuums zu einemgemeinsamen gesellschaftlichen Ziel auf-zugreifen.

Schlussbemerkung

Der Prozess der Veränderung lässt sichjetzt im Rückblick wesentlich einfachernachzeichnen. Wenn damals jemandeinen detaillierten Plan zur Umgestaltungin einen BNE-Campus vorgelegt hätte,hätte er bestimmt keinen Erfolg gehabt.Stattdessen kam ein gemeinsamesBewusstsein auf, dass sich unsere tra-dierten Lebens-, Lern- und Bauweisenverändern müssen – und ein gemeinsa-mer Wille, nach Alternativen und Hand-lungsmöglichkeiten zu suchen. Was vor20 Jahren noch als „grüner Traum“ belä-chelt worden wäre, wurde zur Realität –durch unser aller Träume, Träumen füreine bessere Zukunft, Schritt für Schritt.

Page 54: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

52 UNESCOheute 1|2006

Thomas Loster

Dem Schicksal die Stirn bietenGlobale Naturrisiken und Bildung für nachhaltige Entwicklung

Mit einem Konzept der Nachhaltigkeit, das Ökologie, Gesellschaft und Ökonomie verbindet, lassen sich Ausmaß und Folgen von Naturkatastrophen für die Betroffenen vermindern.

Unsere Welt steckt voller Gefahren. Obtechnisches Versagen, etwa bei Flug-zeugabstürzen, oder das Auftreten vonNaturkatastrophen wie Hurrikane, Erdbe-ben und Vulkanausbrüche – es gibt wohlkaum einen Flecken auf der Erde, an demsich der Mensch in Sicherheit wiegendürfte. Mit dem rapiden Anstieg derBevölkerung, die zudem immer mehr inMegastädte drängt, und der zunehmen-den Nutzung gefährdeter Lebensräumehaben sich rund um den Globus enormeSchadenpotenziale aufgebaut. Daraufdeutet auch die in jüngster Zeit aufgetre-tene Serie von Naturkatastrophen hin.Die internationalen Statistiken sprecheneine klare Sprache: Sie weisen Jahr fürJahr nicht nur neue Schadenrekorde auf –schlimmer noch wiegen die zuletzt riesi-gen Opferzahlen.

„Die Statistiken sprecheneine klare Sprache“

Das Jahr 2005 war dann auch das Jahrmit den kostspieligsten Naturkatastro-phen aller Zeiten. Die volkswirtschaftli-chen Schäden summierten sich auf rund220 Milliarden US-Dollar, die versichertenSchäden immerhin noch auf 95 Milliar-den. Damit wurde der bisherige Rekordvon 2004 (145 Milliarden / 45 MilliardenUS-Dollar) weit übertroffen. Das Erdbe-ben in der Kaschmirregion (Pakistan,Indien) am 8. Oktober 2005 fordertemehr als 80.000 Menschenleben, und2004 wird als trauriges Beispiel in dieGeschichtsbücher eingehen: Der Tsunamiim Indischen Ozean riss mehr als200.000 Menschen in den Tod.

Die soziale Komponente derNachhaltigkeit

Das gehäufte Auftreten von Katastrophenin den vergangenen Jahren ist kein Zufall.Denn es besteht eine enge Verbindung

zwischen der fortschreitenden Umwelt-zerstörung und einer größeren Anfällig-keit gegenüber Naturereignissen wieÜberschwemmungen, Hurrikane undDürren. Experten rechnen nicht mehrdamit, dass sich der Klimawandel aufhal-ten lässt. Doch liegt es in der Hand derMenschheit, ihn zumindest zu verlangsa-men.

Obwohl das Bewusstsein wächst, dassdie Erde ein Ganzes ist, wir in unsererExistenz von ihr abhängig sind, nehmenviele Länder in ihrem Streben nach Wohl-stand und Entwicklung wenig Rücksichtauf die Belange der anderen. So entfälltder Löwenanteil der Rohstoffnutzung aufwenige industrialisierte Länder, wobeibesonders der Ölverbrauch ein Ausmaßerreicht hat, der den Fortbestand dieserRessource für künftige Generationengefährdet.

Dieser Zusammenhang hat dem Begriff„Nachhaltigkeit“ in den vergangenen Jah-ren eine große Aufmerksamkeit beschert.Er hat gleichzeitig die Umweltdebatte aufneue Grundlagen gestellt und dafürgesorgt, dass die Themen Ökonomie,Ökologie und sozialverträgliches Handelnin Politik, Wissenschaft, Wirtschaft undGesellschaft eine neue Bewertung erfuh-ren. Dabei wurde der Begriff häufig inBezug auf „Wirtschaften“ oder im sozia-len Kontext verwendet, im Zusammen-hang mit Naturgefahren hat Nachhaltig-keit vergleichsweise wenig Beachtunggefunden.

„Experten rechnennicht mehr damit, dasssich der Klimawandelaufhalten lässt“

Dabei fordert Nachhaltigkeit, so wie esdie UN-Kommission unter dem Vorsitzvon Gro Harlem Brundtland schon vor

Page 55: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

53

Jahren formuliert hat, geradezu dazu auf,sich verstärkt mit dem Katastrophen-schutz auseinanderzusetzen. Denn in die-ser Definition heißt nachhaltige Entwick-lung nichts anderes, als heutige

Bedürfnisse zu decken, ohne zu riskieren,dass künftige Generationen ihre eigenenBedürfnisse nicht mehr befriedigen kön-nen. Die Konkretisierung in RichtungGenerationengerechtigkeit führt unmittel-

Bedeutende Naturkatastrophen 1980 bis 2005

Datum Ereignis Region Todesopfer Schäden

volkswirt- versichert

schaftlich

(Mio. US$ - Werte 2005)

25. bis 30. August 2005 Hurrikan Katrina USA 1.350 125.000 60.000

17. Januar 1995 Erdbeben Japan, Kobe 6.430 100.000 3.000

17. Januar 1994 Erdbeben USA, Northridge 61 44.000 15.300

23. bis 27. August 1992 Hurrikan Andrew USA, Florida 62 30.000 17.000

Mai bis September 1998 Überschwemmungen China 3.650 30.000 1.000

19. bis 24. Oktober 2005 Hurrikan Wilma Mexiko, USA 42 19.000 11.500

26. Dezember 2004 Tsunami Südasien > 200.000 10.000 1.000

29. bis 30. April 1991 Zyklon, Sturmflut Bangladesch 139.000 3.000 100

8. Oktober 2005 Erdbeben Pakistan, Indien 88.000 5.200

Juli bis August 2003 Hitzewelle, Waldbrände Europa 35.000 13.000

© 2005 NatCatSERVICE®, Munich Re

Überschwemmungen in der Altstadt von Dresden im August 2002. Dank einer Versicherungkönnen Gewerbetreibende rasch die Schäden beseitigen und ihr Geschäft wieder aufneh-men, die langfristigen Schäden halten sich in Grenzen. Foto: T. Loster, München

bar zu den Naturgefahren: Alle Menschenhaben das gleiche Grundrecht auf eineintakte Umwelt und auf einen angemes-senen Lebensstandard. Die Belange spä-terer Generationen müssen bei heutigenEntscheidungen berücksichtigt werden.

Da der globale Klimawandel und dieÜbernutzung der natürlichen RessourcenStürme, Überflutungen und Dürrenbegünstigen, kann die Bedeutung vonUmwelt- und Klimaschutz und damit vonnachhaltigem Wirtschaften gar nicht hochgenug eingeschätzt werden. Danebensind die Schaffung effizienter Frühwarn-systeme und die Prävention ebenfalls einGebot der Nachhaltigkeit. Auch das imRahmen der UN vereinbarte so genannteMillenniumsziel zur Armutsbekämpfungkann nur erreicht werden, wenn die Men-schen ihre Häuser, Schulen, Straßen undKrankenhäuser nicht immer wieder durchNaturkatastrophen verlieren.

Um die Menschen in Risikogebietenadäquat auf Naturrisiken vorzubereiten,haben die Vereinten Nationen die 1990er-Jahre zur „Internationalen Dekade zurVorbeugung von Naturkatastrophen“(IDNDR) ausgerufen. In der Folge nah-men die globalen Anstrengungen im

Page 56: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

54 UNESCOheute 1|2006

Katastrophenschutz deutlich zu, am Endedes Jahrzehnts standen sichtbareErfolge. Denn es ist gelungen, in einigenLändern wirksame Schutzkonzepte zuentwickeln. Das beste Beispiel liefern dieSturmflutschutzbauten in Bangladesch,wo die Zahl der Flutopfer mittlerweiledeutlich gesunken ist. Heute können sichbedrohte Menschen an der Küste inSicherheit bringen – ein Warnsystem ruftrechtzeitig dazu auf.

Im Nachgang zur UN-Dekade wurdenzahlreiche nationale und internationaleInitiativen gegründet, etwa das DeutscheKomitee Katastrophenvorsorge in Bonnoder die International Strategy for Dis-aster Reduction in Genf, die sich bisheute dafür einsetzen, die Katastrophen-vorsorge zu optimieren.

Auf Menschen zugeschnitteneKatastrophenvorsorge

Die soziale beziehungsweise kulturelleKomponente der Nachhaltigkeit rückt vordem Hintergrund der jüngsten Großkata-

strophen stärker in den Mittelpunkt. Derim August 2005 über New Orleans hin-weggefegte Hurrikan Katarina hatgezeigt, dass selbst in den USA, einemder reichsten Länder der Welt mit ausge-zeichneten Warnsystemen, die Gefahrennicht unterschätzt werden dürfen. Hun-derte Menschen kamen ums Leben, weildie Evakuierungsmaßnahmen nicht aus-reichend auf die betroffenen Bevölke-rungsgruppen zugeschnitten waren. EinSchutzkonzept, das bei der unterschiedli-chen Risikowahrnehmung bestimmterKulturkreise und bei den individuellenBedürfnissen der Menschen ansetzt,wäre daher wünschenswert.

Katastrophenbewältigung undSolidarsysteme

Da Naturkatastrophen nicht vermeidbarsind, müssen wir uns zumindest gut aufsie vorbereiten. Die soziale Komponenteder Nachhaltigkeit verlangt darüber hin-aus, den Betroffenen die Möglichkeit zugeben, die Folgen von Großschädenabzumildern. Das bedeutet rasche Hilfe

und Unterstützung beim Wiederaufbau,damit die Menschen möglichst bald wie-der auf die Beine kommen und ihr Lebenin Eigenverantwortung gestalten können.Auf sich alleine gestellt haben gerade dieMenschen in den Entwicklungsländernnach Naturkatastrophen kaum Chancen,dem „Kreislauf der Armut“ zu entkom-men, die sich von Generation zu Genera-tion überträgt. Denn meist wird das ohne-hin weitmaschige soziale Netz durchKatastrophen in Mitleidenschaft gezogen,so dass die bestehenden Solidarsystemeversagen. Versicherungslösungen sind inarmen Länden in der Regel nicht existent,und die Entwicklung von Mikrokredit-oder Mikroversicherungssystemen ver-läuft schleppend. Dabei wären geradediese Instrumente in der Lage, dieLebensbedingungen auch künftigerGenerationen wesentlich zu verbessern.

Wissen nachhalten

Sobald die Menschen in einer gefährde-ten Region auf mögliche Katastrophenvorbereitet sind, erlangt Nachhaltigkeit

Das Erdbeben in der Kaschmirregion am 8. Oktober 2005 machte weite Teile der Region dem Erdboden gleich. 88.000 Menschen kamenums Leben. Die Menschen werden Jahre, wenn nicht Jahrzehnte für den Wiederaufbau brauchen. Für die Ärmsten der Armen wird esschwer, dem Kreislauf der Armut zu entkommen. Foto: A. Allmann, München

Page 57: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

55

Bauen mit Risikobewusstsein: Die neu errichteten Gebäude im Tsunamigebiet um Khao Lak, Thailand, stehen auf Stelzen. So ist es den Bewoh-nern möglich, sich bei Flutwarnung in Sicherheit zu bringen. Die Maßnahme wirkt nachhaltig, wenn die Bauregeln eingehalten werden.

Foto: T. Loster, München

eine neue Dimension. Denn das Wissenum Vorsorge muss im wahrsten Sinn desWortes nachgehalten werden, bedürfenWarnsysteme, Schutzanlagen, Logistikund Infrastruktur doch intensiver Pflege.

Eine ganz zentrale Rolle in diesemZusammenhang kommt der Bildung zu.Erziehung für Nachhaltigkeit trägt beson-ders große Früchte, wenn sie im Kindes-alter beginnt. Dies gilt sowohl für das Ver-ständnis für Natur und Ökologie als auchfür ethische und moralische Grundauf-fassungen – selbstverständlich auch imHinblick auf die Sensibilisierung für Natur-gefahren. Da Elementarereignisse meistspektakulär sind, ist die Vermittlung damitverbundener Zusammenhänge in derRegel einfach.

Die Tsunamikatastrophe in Südasien hatvor Augen geführt, wie wichtig frühe Auf-klärung sein kann. Ein kleines Mädchenaus Großbritannien hatte zahlreiche Men-

schen im Urlaubsparadies vor dem Ertrin-ken gerettet, da ihr Lehrer in der Schuledie Besonderheiten von seismischenFlutwellen zum Thema gemacht hatte:Bodenerschütterung – Meeresrückzug –Flutwelle. Bei den ersten verdächtigenAnzeichen am Morgen des 26. Dezem-bers hatte das Kind die Menschen amStrand aufgefordert, höher gelegeneGebiete aufzusuchen.

„Seismische Flutwellenwaren Thema in derSchule“

In Japan wird jedes Jahr ein „DisasterPrevention Day“ abgehalten, an dem dieMenschen über Vorsorgemaßnahmen beiErdbeben aufgeklärt werden. In Übungenan Schulen werden dort bereits Kleinkin-der auf Erdbeben vorbereitet, mit denendas Land aufgrund der geologischenGegebenheiten rechnen muss. Dieser

Ansatz sorgt dafür, dass die betroffenenMenschen im Ernstfall wissen, was zutun ist. Zudem wird das Bewusstsein fürNaturrisiken und mögliche Schäden wachgehalten.

Bildung und Erziehung für Nachhaltigkeitmuss ein fester Bestandteil von Schulbil-dung sein. Dem Thema kommt in einerimmer dynamischeren und komplexerenWelt eine Schlüsselrolle zu. Je mehr wiruns heute für nachhaltige Lösungen ein-setzen, umso größer wird der Erfolg beider Bewältigung der Naturrisiken sein.

Thomas Loster ist Geschäftsführer der Münchener Rück Stiftung und Mitglied imDeutschen Nationalkomitee für die UN-Dekade.

Page 58: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

56 UNESCOheute 1|2006

Badaoui Rouhban

Vorbereiten auf KatastrophenBildungs- und Informationsinitiativen der UNESCO

Der wissenschaftliche Fortschritt und neue Technologien haben es inden letzten Jahren ermöglicht, Strategien zur Bewältigung von Natur-katastrophen wie Erdbeben, Überflutungen, Erdrutsche und Stürme ineinen integrativen Ansatz weiterzuentwickeln. Erfahrungen aus vielenKatastrophenfällen zeigen, welche zentrale Rolle eine angemessene Bildungs- und Informationsarbeit für die Schadensverringerung spielt.

Trainingsprogramme, in denen Kinder undErwachsene lernen, sich im Katastro-phenfall richtig zu verhalten, sowie Information und Fortbildung für politischVerantwortliche sind die entscheidendeVoraussetzung jeder Katastrophenvor-sorge. Dabei stammen Beiträge zur Ver-besserung von Strategien in der Katastro-pheninformation und –schulung oft aus

betroffenen Gebieten, von Dorfgemein-schaften, denen überliefertes Wissen dasÜberleben sicherte. Auf den Surin Inselnin Thailand überlebten alle 196 Stammes-mitglieder der Moken (auch bekannt als„Meermenschen“) den ihre Siedlungenverwüstenden Tsunami im Dezember2004, weil sie das plötzliche Absackendes Meerwasserspiegels richtig als

Gestaltung einer Berufsausbildung für eine nachhaltige Entwicklung

Dekade-Projekt der Sächsischen Bildungsgesellschaft für Umweltschutz und Chemieberufe Dresden mbH (SBG)

Das Projekt trägt dazu bei, dass die in derSBG ausgebildeten Facharbeiter befähigtwerden, berufliche Aufgaben unterBeachtung umweltrechtlicher und sicher-heitstechnischer Vorschriften und ökolo-gischer Kriterien erfüllen zu können. Siesollen dabei ökonomische Kennzahleneinhalten und soziale Verantwortungübernehmen. Pädagogisches Gestal-tungsmittel zur Erreichung dieses Zielesist ein integrativ zu vermittelndes Modul„Lernen und Arbeiten in einem zertifizier-ten Unternehmen“.

Foto: SBG

Page 59: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

57

Systemische Verankerung von Bildung für nachhaltigeEntwicklung in Unterricht und Schulleben

Dekade-Projekt des Hamburger Umweltzentrums

In einem Entwicklungsprozess verankertdas Hamburger Umweltzentrum das Leit-bild der Bildung für nachhaltige Entwick-lung in Unterricht und Schulleben. Ziel istes, Aspekte einer nachhaltigen Entwick-lung in möglichst viele der bestehendenBildungsangebote zu integrieren. NeueAngebote der Bildung für nachhaltige Ent-wicklung werden entwickelt, und es wirdein Kriterienkatalog als Orientierungsrah-men erarbeitet

Foto: Hamburger Umweltzentrum/BUND

Gefahr erkannten und sich in höher gele-gene Gebiete zurückzogen.

Die UNESCO, das Sekretariat für die Inter-nationale Strategie zur Katastrophenvor-sorge der Vereinten Nationen (UN-ISDR),Action Aid International und weitere Orga-nisationen haben eine weltweite Allianzfür Bildungsarbeit in der Katastrophenvor-sorge begründet. Diese entwickelt derzeiteinen Aktionsplan zur Verbesserung derBildungsarbeit zur Katastrophenvorsorgeauf globaler Ebene. Der Aktionsplanumfasst wissenschaftliche, technischeund ökonomische Gesichtspunkte undberücksichtigt auch kulturelle Unter-schiede im Kontext der einzelnen Weltre-gionen. Konkret steht das Ziel im Mittel-punkt, Schulungsmodule in die Lehrpläneder Primar- und Sekundarstufe und derHochschulbildung einzubringen. So sollbei Schülern und in der allgemeinenÖffentlichkeit das Bewusstsein für dieKatastrophenvorsorge geschärft werden.

In den vergangenen Jahren hat dieUNESCO mehrere Initiativen mit ähnli-cher Stoßrichtung vorangebracht. Bei-

spielhaft für diese Initiativen ist ein Pro-jekt, in dem Schulen in Tijuana (Mexiko),Antofagasta (Chile) und Katmandu (Nepal)in enger Abstimmung mit den lokalenBehörden ein gemeinsames Trainingspro-gramm zur Einschätzung der Gefahrenvon drohenden Naturkatastrophen undzur Eindämmung ihrer Folgen veranstalte-ten.

Ein weiteres beispielhaftes Projekt derUNESCO ist der „Informationsbaukastenfür die Medien der Karibik“. Diese Publi-kation liegt inzwischen in der sechstenAuflage vor, neben vielen anderen Mate-rialien, die gerade für diese Region ent-wickelt wurden. Der Baukasten liefertHintergrundinformationen für Journali-sten, die über Katastrophen und poten-zielle Naturgefahren in der Region berich-ten. Die Publikation ist online verfügbarunter www.cdera.org/media.

Badaoui Rouhban ist Leiter der Abteilung Katastrophenvorsorge bei der UNESCO in Paris.

Übersetzung: Johannes Becke

Page 60: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

58 UNESCOheute 1|2006

Max Fuchs

Bildung für nachhaltige Entwicklung –kulturelle Bildung – kulturelle VielfaltWächst nunmehr zusammen, was zusammengehört?

„Bildung“ kann man gut als diejenige individuelle Disposition beschreiben, die den Menschen zur Gestaltung seines Lebens nachselbst gesetzten Zielen befähigt. Bildung ist daher stets nachhaltig,insofern sie diese gegenwärtige und zukünftige Lebensgestaltung leistet, oder es ist gar keine.

Diese kleine begriffliche Analyse zeigt,dass die zu bearbeitende Fragestellungauf den ersten Blick sehr leicht erscheint.Denn natürlich stimmt die klassischeBegriffsbestimmung von Cicero, Kulturals Hege und Pflege zu betrachten,immer noch.

Es ist auch kein Zufall, dass die culturaanimi, die Pflege des Geistes, in Analogiezur Landwirtschaft (cultura agri) beschrie-ben wurde. Denn wo sonst soll man einegute Pflege und andererseits Nachhaltig-keit besser lernen als dort. Damit wäreder sachliche Zusammenhang zwischenLernen, Bildung, Kultur, Natur und Nach-haltigkeit schon bei dem ersten Auftau-chen des Kulturbegriffs hergestellt.

Interessanterweise passt auch das(angeblich) erste Auftauchen des Nach-haltigkeitskonzeptes zu diesem Kontext:als nämlich der Berghauptmann Carl vonCarlowitz sich vor über 300 JahrenGedanken darüber macht, wie er die fürseine Silberminen notwendigen Holzvor-räte sicherstellen kann. Die internationaleDebatte über immer neue Leitbilderkönnte dann so verstanden werden, dassaus den seit langem bekannten Zusam-menhängen jeweils bestimmte Aspektein den Vordergrund treten: Pflege, Ent-wicklung, das Verhältnis zur Natur, Viel-falt.

Der Begriff der Entwicklung

Ein zweiter Blick zeigt jedoch, dass diesnicht ohne Widersprüche gelingt. Ging esbei Cicero zwar primär um eine zukünf-tige Nahrungsversorgung, durchaus aber

– entsprechend dem römischen Pragma-tismus – auch schon um gute Erträge, soist das ökonomische Motiv bei Carlowitzeindeutig im Vordergrund. Man kannnatürlich alle entscheidenden Begriffesehr unterschiedlich deuten: Im Kontexteiner Entwicklung des Humanen, im Rah-men sozialer Gerechtigkeit, aber ebenauch in einer ökonomischen Perspektive.

„Spricht man mit einemÖkonomen über Entwicklung, so wirdaus der Entwicklungsehr rasch Wachstum“

Der Begriff der Entwicklung bietet hierfürein schönes Beispiel. Spricht man miteinem Ökonomen über Entwicklung, sowird in den meisten Fällen aus der Ent-wicklung sehr rasch Wachstum. Und die-ses wird sofort in Geldströme umgewan-delt. So geschah es auch am 20.1.1949,als nämlich der amerikanische PräsidentTruman in seiner Regierungserklärungden größten Teil der Welt als „unterent-wickelt“ beschrieb. Die so definierten„Entwicklungsländer“ sollten daher aufden richtigen Pfad der Entwicklunggebracht werden – und dieser Pfad orien-tierte sich natürlich politisch, sozial undökonomisch an dem Muster der USA.

Entwicklung ist Wachstum, so auch viel-fach der Artikel 1 der OECD, und Wachs-tum heißt natürlich stets: ökonomischesWachstum. „Entwicklung“ (als Wachs-tum) wurde zum Leitbild, und es wardurchaus schwierig, gegen diesen Main-stream die Grenzen einer so verstande-

Page 61: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

59

nen Entwicklung aufzuzeigen. Gerade die„Entwicklungsländer“ sind es allerdingsheute, die eine ökologische Sensibilitätoft genug für einen Luxus der reichenLänder des Nordens halten.

Weltdekaden gehören zu den politisch-publizistischen Möglichkeiten der Verein-ten Nationen, in diesem Streit um dasDeutungsrecht zentraler Begriffebestimmte Begriffe zu „bewerben“ bzw.bei eingeführten Begriffen um eineandere Deutung zu kämpfen. Von 1988bis 1997 gab es etwa die „Weltdekadefür kulturelle Entwicklung“. Vorangegan-gen waren Jahrzehnte einer verfehlten„Entwicklungspolitik“, in denen man soallmählich merkte, dass zum einen derProzess der Modernisierung nicht so ein-fach von Weltbank, Internationalem Wäh-rungsfonds und großen Industrienationenvorzuschreiben ist.

Zum anderen musste man erleben, dassdie Selbstgewissheit, über den einzig

richtigen Entwicklungsweg zu verfügen,im Schwinden war. Mit eine Rolle spieltedaher die Erkenntnis, dass ökonomischeProzesse vielfältig mit sozialen und vorallem kulturellen Prozessen verknüpftsind. Dieser Lernprozess war nicht nur infinanzieller Hinsicht teuer, sondern erkostete auch viele Menschenleben – under ist bis heute nicht abgeschlossen. Mankann durchaus die erbitterten Auseinan-dersetzungen im Rahmen der Welthan-delsorganisation als Fortsetzung diesesStreits über das richtige Verständnis vonEntwicklung betrachten.

Leitbild der nachhaltigen Entwicklung

Man kann dem Versuch, mit dem Leitbildder nachhaltigen Entwicklung Ökonomieund Ökologie zu versöhnen, durchauszustimmen und trotzdem den einen oderanderen Wermutstropfen finden.Zunächst sollte man sich klar machen,

dass man sich bei solchen Leitbildern ineiner schwierigen Gemengelage unter-schiedlicher Diskurse befindet: Es vermi-schen sich philosophisch-anthropologi-sche, politisch-strategische, praktische,ökonomische Interessen und Sprachrege-lungen.

Inzwischen ist es keine Neuigkeit mehr,dass die 1992 gefundene Definition(„Dauerhafte Entwicklung ist Entwick-lung, die die Bedürfnisse der Gegenwartbefriedigt, ohne zu riskieren, dass künf-tige Generationen ihre eigenen Bedürf-nisse nicht befriedigen können“) ein For-melkompromiss war, der die Zustimmungder Regierungschefs gesichert hat, aberwichtige Fragen offen ließ: WelcheBedürfnisse? Wessen Bedürfnisse? (Vgl.W. Sachs, in: Nachhaltige Entwicklung.Hrsg. v. K.-W. Brand, Opladen 1997). Esgeht also um die dringlicher werdendeFrage der Gerechtigkeit, wobei die mei-sten der heutigen Weltkonflikte in dem

Foto © UNESCO / Niamh Burke

Page 62: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

60 UNESCOheute 1|2006

MBA-Fernstudiengang „Sustainability Management“

Dekade-Projekt des „Centre for Sustainability Management“ der Universität Lüneburg

Der MBA-Fernstudiengang „SustainabilityManagement“ richtet sich an Absolven-ten, die einen Karrieresprung anstrebenund dies mit Nachhaltigkeitsthemen ver-binden möchten. Neben betriebswirt-schaftlichen Kenntnissen und Fähigkeitenvermittelt der Studiengang, wie einenachhaltige Unternehmensentwicklungrealisiert werden kann. Das Fernstudiumkann berufsbegleitend in Teil- oder Voll-zeit absolviert werden und ist nach denEuropean MBA Guidelines internationalanerkannt

Empfinden von Ungerechtigkeit und Miß-achtung eine Ursache haben.

Inzwischen hat es bei der ohnehin schonkomplexen Debatte rund um die Nachhal-tigkeit mit der Berücksichtigung von „Kul-tur“ eine weitere Erweiterung gegeben.Nunmehr geht es um Naturschutz,Armutsbeseitigung, Frieden und – neuerdings – um den Schutz der Kultur,speziell: der kulturellen Vielfalt.

„Gegner kultureller Vielfalt war eine grassierende Ökonomisierung“

Der Naturschutz war bei dieser Frageinsofern schon weiter, als es eine Kon-vention zum Schutz der biologischen Viel-falt schon seit längerem gibt. Diese hatman sich zum Muster genommen, alsman über eine Konvention zur kulturellen

Vielfalt nachdachte. Argumente undMotive waren durchaus ähnlich: Gegnerwar eine grassierende Ökonomisierung,die sich weder um die Natur noch um dieKulturen scherte und die auch unsensibelbei Fragen sozialer Gerechtigkeit ist. Manverwendete dabei dieselbe Argumenta-tion: Vielfalt ist die Quelle von Innovationund Reichtum. Man stellte zudem einenZusammenhang zu den Menschenrech-ten her.

Nachhaltigkeit und kulturelleVielfalt

Das zur Zeit aktuellste und vollständigsteBegriffsnetz auf der Ebene des Völker-rechts findet sich in der neuen Konven-tion zur kulturellen Vielfalt (verabschiedetvon der UNESCO-Generalkonferenz imOktober 2005), wo ein außerordentlichkompliziertes Gerüst von wechselseitigaufeinander verweisenden Begriffen

(Identität, Menschenrechte, Entwicklung,Vielfalt, Nachhaltigkeit, Erbe, Innovationetc.) entwickelt wird, dessen innere Logiknicht sehr klar ist und bei dem durchausder Verdacht von Zirkelhaftigkeit entste-hen kann. Allerdings ist hier wiederumauf den Charakter dieser Papiere hinzu-weisen: Es sind zwar auch juristische,nämlich völkerrechtlich verbindlicheTexte. In erster Linie sind es jedoch politi-sche Texte, bei denen es um Konsensüber politische Ziele geht.

„Der Nachhaltigkeits-begriff hat auch in derKulturpolitik an Interesse gewonnen“

Vor diesem Hintergrund kann manzunächst einmal auf der Ebene verbindli-cher Texte das Zusammenführen kulturel-ler, ökologischer, politischer und ökonomi-scher Aspekte als gelungen betrachten.

Foto: Universität Lüneburg

Page 63: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

61

„RE-ART One“Dekade-Projekt des Vereins für Kunst, Gesundheit und Bildung e.V.

Mit der Ausstellung von Gebrauchskunstund freier Kunst an exponierten Plätzensollen Kinder und Jugendliche fürUmweltschutz und Recycling sensibili-siert werden. Zusätzlich werden Work-shops angeboten, die die Kreativität imUmgang mit dem Rohstoff Abfall weckensollen. An RE-ART One sind mittlerweile51 Künstler aus 15 Ländern beteiligt. DasProjekt präsentiert sich auch im Ausland.In Nairobi wurde eine Auswahl von 128Arbeiten gezeigt.

Von links: Samuel J. Fleiner, Kurator der Aus-stellung, Prof. Wangari Maathai, Trägerin desFriedensnobelpreises 2004, Dr. Klaus Töpfer,ehemaliger Direktor des Umweltprogramms

der Vereinten Nationen (UNEP), und Dr.Anna Tibaijuka, Direktorin von UN-Habitat

Foto: Bernard Wahihia

Insbesondere wird Nachhaltigkeit an eini-gen Stellen der neuen Konvention expliziterwähnt (u.a. prominent in Ziffer 3 derPräambel: Kulturelle Vielfalt als Triebfederfür nachhaltige Entwicklung für Gemein-schaften, Völker und Nationen). DerNachhaltigkeitsbegriff hat auch in der Kul-turpolitik insgesamt an Interesse gewon-nen im Sinne der Frage nach wirkungs-vollen Maßnahmen und Strukturen.

Bleibt nun noch der Aspekt der Bildung.Zweifellos landet man bei allen politi-schen und sozialen Aktivitäten letztlichimmer bei dem Einzelnen, seinen Tätig-keiten, Werthaltungen, seinen Einstellun-gen zum Leben. All zu oft hat man beipolitischen Prozessen geglaubt, esgenüge, wenn man oben Entscheidungentrifft, die da unten werden sie schonumsetzen.

Man kann mit Fug und Recht behaupten,dass eine Ursache für das abrupte Endedes Staatssozialismus auch die Vernach-lässigung des subjektiven Faktors war.Das Subjekt und seine Bildung stehenalso zu Recht im Mittelpunkt, wobei manallerdings in Deutschland aufpassenmuss, dass politische oder ökonomischeProbleme nicht zu sehr pädagogisiertwerden. Es genügt dabei eigentlichschon, den Anspruch auf Menschen-

würde – als grundlegendstem Ziel allernationalen und internationalen Normenka-taloge – zur Begründung von Bildungsan-strengungen zuzuziehen, doch gibt eszusätzlich die Menschenrechte auf Bil-dung und auf Teilhabe.

Kulturelle Bildung und Umweltbildung

Kulturelle Bildung kann dabei als Allge-meinbildung verstanden werden, die überkulturpädagogische Arbeitsweisen erwor-ben wird. Diese bezeichnen einen ent-wicklungsoffenen Bereich, zu dem diepädagogische Arbeit in den traditionellenKünsten und den Medien ebenso gehörtwie Zirkus- oder Spielpädagogik. Es han-delt sich dabei gerade nicht um eine welt-abgewandte „musische Bildung“ frühe-rer Jahrzehnte. Sondern man nimmtheute eine klassische Definition von Bil-dung ernst: nämlich die Herstellung einerbewussten Beziehung zur sozialen, kultu-rellen und natürlichen Umwelt. „Umwelt-bildung“ gehört so gesehen immer schonzu Bildung insgesamt und speziell auchzu kultureller Bildung.

Methoden der Kulturarbeit werdenzudem mit großem Erfolg in vielen Bil-dungsangeboten angewandt, weil geradeeine Arbeitsweise, die nicht nur das

Kognitive, sondern auch den Körper unddie Emotionen anspricht, eine effektiveund zugleich von den Lernenden gewollteArt des Lernens darstellt. Wenn man denweiten Kulturbegriff der UNESCO ernstnimmt, nämlich zu Kultur neben den Kün-sten die Lebensweise dazu zu nehmen,dann ist kulturelle Bildungsarbeit einguter Weg, sein eigenes Projekt desguten Lebens zu erfinden und zu gestal-ten.

Nachhaltigkeit in gesellschaftlicher Hin-sicht wird sich nur dann ergeben, wenndie Menschen je für sich eine Lebens-weise praktizieren, die die Zukunftgemäß der obigen klassischen Definitionvon Nachhaltigkeit im Auge hat. Pädago-gik ist dabei die Entwicklung zugehörigerKompetenzen und Einstellungen. Kultu-relle Bildungsarbeit hat sich in diesemSinne längst in den Dienst des gemeinsa-men Leitbildes gestellt.

Prof. Dr. Max Fuchs ist Direktor der AkademieRemscheid, Vorsitzender der Bundes-vereinigung Kulturelle Jugendbildung, desDeutschen Kulturrates und des Instituts fürBildung und Kultur. Der Erziehungs- und Kulturwissenschaftler lehrt Kulturarbeit ander Universität Duisburg-Essen. Er ist Mitglied der Deutschen UNESCO-Kommission und ihres Kulturausschusses.

Page 64: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

62 UNESCOheute 1|2006

Heinz-Jürgen Rickert

Nachhaltigkeitskonzept der UNESCO-ProjektschulenBeispiel: das gemeinsame Netzwerk in Niedersachsen und Bremen

Die UNESCO-Projektschulen bemühen sich mit schlanken Konzepten inSchülerschaft und Kollegien, wesentliche Inhalte nachhaltigen Handelszu implementieren und intrinsisches Engagement zu befördern. Dasgemeinsame Netzwerk Niedersachsen/Bremen versucht auf diesemGebiet besondere Akzente zu setzen.

Die UNESCO-Projektschulen haben sichschon jetzt in der ersten Reihe positio-niert. Das Spektrum Nachhaltigkeit lässtsich aber nur dann zukunftsfähig etablie-ren, wenn die Themen ganzheitlicherfasst, erlebt, bedacht sind und Verant-wortung für globale Kontexte aus demlokalen Handeln heraus erkennbar sind.Es dürfte zum Beispiel fragwürdig sein,einen „Run for help“ für ein Waisenhausin Bolivien durchzuführen, wenn diesozialen, politischen und kulturellenDeterminanten des Landes im Vorfeldnicht angesprochen wurden, Bedürfnisseund Lebensbedingungen der dortigenBevölkerung bestenfalls diffus wirken,Interdependenzen nicht plausibel erschei-nen.

Das Projekt „Nachhaltigkeit“ mit seinenweiten Facetten ist eine gute Chance,junge Menschen auf dem prozesshaftenWeg zur Emanzipation vom Egozentris-mus zu begleiten und über konkreteErfahrungen nicht nur das Selbstwertge-fühl zu stärken, sondern auch persönlicheFähigkeiten entdecken zu lassen und zufördern. Verantwortung zu übernehmen,darf dabei nicht als Bürde empfundenwerden: Sie sollte als persönlicherGewinn wahrgenommen werden. Schulesollte allerdings ebenso nicht dem Trug-schluss erliegen, sämtliche Inhalte unterdem endlos strapazierten Spaßfaktor zuvermitteln. Eine gewisse Ernsthaftigkeitin der Arbeit an konkreten Themen undAufgaben ist zweifellos eminent wichtig.Am Ende der Schullaufbahn werdenSchülerinnen und Schüler unter solchenVoraussetzungen nicht zu selbstgefälligenBourgeois, zu alerten Flaneurs auf demParkett der Eitelkeiten, sondern zu Citoy-

ens, zu mündigen, kritischen Staatsbür-gern, die Verantwortung am Gemeinwohlpraktizieren und damit an eben diesemauch beherzt partizipieren.

Status quo

Die UNESCO-Projektschulen unterliegenjährlicher Berichtspflicht. Seit 2004beleuchten sämtliche Mitgliedsschulenim Netzwerk Niedersachsen/Bremenjeweils einen nachhaltigkeitsrelevantenAspekt schulischer Arbeit besondersintensiv. Das reflektiert die geleisteteArbeit, ist außerdem Anlass, konstruktivund prospektiv Ideen zu entwickeln, diein den Folgejahren realisierbar sein kön-nen. 2006 wird der Internationale Projekt-tag und seine Konsequenz für das künf-tige Schulprofil auf den Modulen Sport,Bewegung, Gesundheitsförderung undErnährung evaluiert.

Während der vergangenen Regionalta-gungen wurden bereits mehrfach schulin-terne Ansätze im Bereich „Nachhaltig-keit“ präsentiert und Verknüpfungen mitanderen Schulen gesucht. Der Kontextentfernte sich längst aus der naturwis-senschaftlichen Umklammerung, umfasstinzwischen ein weit darüber hinausragen-des Spektrum. Grundbausteine der Praxissind die Stichpunkte ,,bewahren,beschützen, erinnern, fördern, nachwach-sen lassen“. Dazu gehören Beiträge zurGedenkstättenarbeit, Mülltrennung, Kon-takt zu Migranten, Sprachförderung, Aus-einandersetzung mit unterschiedlichenLebensstilen, Partner- und Patenschafts-projekte. Gerade der zuletzt genannteBereich führte in den zurückliegenden

Page 65: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

63

Jahren erfolgreich zu regionalen Koopera-tionen unter verschiedenen Schulen undweiteren Partnern.

Internationale Schulpartner-schaften

Im südlichen Niedersachsen pflegenmehrere Schulen von beachtlichem Enga-gement getragene Projekte im südlichenAfrika, in Nordostniedersachsen wird einvergleichbares Netzwerk mit Einrichtun-gen in Rio de Janeiro entwickelt, in West-niedersachsen ist ein Konzept in der Pla-nung, das eine umfassendeZusammenarbeit zwischen vor Ort ansäs-sigen Schulen und Einrichtungen inGhana vorsieht. Dabei stehen Austausch-programme neben karitativen und ökolo-gischen Projekten. Es besteht die Mög-lichkeit, interessierten Schülerinnen undSchülern künftig Sozialpraktika in denPartnerländern anzubieten.

Zunehmend wurden in den vergangenenJahren regionale und landesweite Netz-

werkvorhaben mit Nachhaltigkeitseffektrealisiert. Schon 2003 entschlossen sichdie UNESCO-Projektschulen in Nieder-sachsen und Bremen, den Euro-Arabi-schen Dialog mit Workshops und Semi-naren zu vitalisieren. Seither entstandenunter anderem zwei Internet-Magazine,von Jugendlichen aus dem Libanon, Jor-danien, Palästina und Norddeutschlandgestaltet. 2005 reiste eine Lehrergruppenach Beirut, um Kontakte zu dortigenSchulen im UNESCO-Schulnetzwerk zuknüpfen. Besonders die Kooperation mitder Libanesischen UNESCO-Kommissionstellte die Vorhaben auf eine profundeBasis. 2006 ist ein Schüler-Workshop inNorddeutschland vorgesehen, 2007 eingroßes Projekt für Lehrer und Schüler inAlexandria, Ägypten, mit Teilnehmern ausdiversen arabischen und europäischenLändern, wiederum initiiert vom Netz-werk Niedersachsen/Bremen.

„Hand in Hand in die Zukunft“

Auf Landesebene führen die UNESCO-Projektschulen im Schuljahr 2005/2006

Foto: Herderschule Lüneburg

Page 66: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

64 UNESCOheute 1|2006

das Kunstprojekt „Hand in Hand in dieZukunft“ durch: Schülerinnen und Schü-ler der Mittelstufe artikulieren ihre Verant-wortung gegenüber der nächsten undübernächsten Generation mit künstleri-schen Mitteln. Die Arbeiten werdenzunächst in den Schulen präsentiert, dannvor Ort bepunktet, schließlich an ver-schiedenen Stationen ab Sommer 2006ausgestellt, von einer Fachjury prämiiert.Nach Beendigung dieser Phase sollen dieausgezeichneten Arbeiten für einige Jahr-zehnte in einem niedersächsischenMuseum verschlossen werden. Die amVorhaben beteiligten Lehrer und Schülerhaben Gelegenheit, die Arbeit währendeines Workshops im Europahaus Aurichzu reflektieren und Weichen für adäquateFolgeprojekte zu stellen. Als „leadingschool“ fungiert die Astrid-Lindgren-Schule Edewecht, eine Förderschule, dieüber hervorragende Erfahrungen auf demKunstsektor verfügt.

Tanz-Projekt

Eine weiteres Projekt mit beachtlicherAusstrahlung ist das ambitionierte Tanz-Vorhaben „Wohin gehst du – Schritte indie Zukunft“, eine sehr freie Adaption derfamosen Berliner „Rhythm is it“-Initia-tive. 100 jugendliche Tänzerinnen undTänzer aus den vier UNESCO-Projekt-schulen der Region Nordostniedersach-sen sind die Akteure, dazu kommen 30Musikschüler, die den Orchesterpartübernehmen.

Das Projekt ist fächer- und schulform-übergreifend, intendiert eine enge Koope-ration mit Kulturträgern der Region (Thea-

ter und Musikschule Lüneburg), definiertdie Lehrerrolle neu (sie sind ebenfalls Ler-nende, zugleich Moderatoren) und schafftmit einem kreativen Expertenteam dieprofessionelle Grundlage. ChoreografinKerstin Kessel und Dirigentin Kathy Kelshentwarfen das künstlerische Konzept. Eswird in Arbeitsgemeinschaften in den teil-nehmenden Schulen umgesetzt und kurzvor der Uraufführung am 1. Juli 2006 ineiner Projektwoche zusammengeführt.

„Wohin gehst du“ vertanzt jugendge-mäße Fragestellungen und Probleme(Partnersuche, Ärger mit den Eltern,Sehnsucht und Ängste) in acht Szenen.Die Musik ist eine Eigenkomposition deramerikanischen Dirigentin und verbindetElemente wie Hiphop und Rap mit klassi-schen Bestandteilen. Das Vorhaben ver-steht sich als pädagogische Innovationund soll die Jugendlichen animieren, sichindividuell für das kollektive Gelingenanzustrengen: ein Kraftwerk, das nachhal-tig auf das Selbstbewusstsein der betei-ligten Schüler und die Schule ausstrahlt.

Prozess-Schritte

Die Konzentration auf den Fokus „Nachhal-tigkeit“ verstehen die UNESCO-Projekt-schulen im Netzwerk Niedersachsen/Bre-men als sinnvolle Gelegenheit, einFundament für künftige Schularbeit zuschaffen. Die thematischen Alternativenaus den Vorgaben der UN-Dekade „Bildungfür nachhaltige Entwicklung“, die Verbin-dung von globalen und lokalen Kontextenund die Notwendigkeit einer Zusammenar-beit mit außerschulischen Partnern regeneine allgemeine Veränderung im Schulleben

und der Schullaufbahnen an: Zusammen-hänge werden erkennbar, Verantwortungwird gefördert, Unterricht handlungsorien-tierter, Prozesse werden angeschoben, Per-spektiven entwickelt.

Das Landesnetzwerk hat einen Beschlussgefasst, in den kommenden Jahren einnach außen und innen klar erkennbaresNachhaltigkeitsprofil zu implementieren,das verpflichtende Standards mit fakulta-tiven Angeboten verbindet, individuelleBeiträge der Schüler würdigt und amEnde der jeweiligen Schulzeit die gelei-stete Arbeit der Schüler zertifiziert. DerAktionsradius für den Basis-Kanon reichtvon ökologischen Aspekten wie „Drehab“, gesunden Angeboten in der Cafete-ria, Mülltrennung, Gedenkstättenarbeit(oft in Hinblick auf den Nationalsozialis-mus) bis zu interkulturellen Akzenten.Diese konsensuale Grundlage für daskomplette Netzwerk ist zurzeit in Arbeitund wird auf der nächsten Regionalta-gung im November 2006 verabschiedet.

Als zweite Schicht folgen zum Teil tempo-räre Vorhaben, die in regionalen Netzwer-ken oder landesweit entwickelt und reali-siert werden. Dazu gehören dievorgestellten Projekte „Hand in Hand indie Zukunft“ und „Wohin gehst du –Schritte in die Zukunft“, respektive dieschon existierenden oder neu konzipier-ten Partner- und Patenschaftsvorhaben.

Als drittes Betätigungsfeld bietet jedeeinzelne Schule weitere Möglichkeitenzum Kontext „Nachhaltigkeit“ an, bevor-zugt in Zusammenarbeit mit örtlichenPartnern, zugeschnitten auf die lokaleInfrastruktur.

Foto © BMU / Rupert Oberhäuser

Page 67: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

65

Masterstudiengang „Sustainable Resource Management“

Dekade-Projekt der Studienfakultät Forstwissenschaft und Ressourcenmanagement der Technischen Universität München

Professionelles Ressourcenmanagementlernen die Studierenden im Masterstudi-engang „Sustainable Resource Manage-ment“ an der Technischen UniversitätMünchen. Studierende werden in einerinternationalen Atmosphäre mit den viel-fältigen Anforderungen für ein professio-nelles Ressourcenmanagement vertrautgemacht. Es gilt, die bedeutsamen Kon-zepte für ein nachhaltiges Wirtschaftenkennen und anwenden zu lernen.

Foto: TU München

Das vierte Element sind eigene Ideenund Aktivitäten der Schülerinnen undSchüler. Sie können beispielsweise ihreErfahrungen in Jugendgruppen oder Ver-bänden (NABU etc.) nutzen und diesekreativ ins Unterrichtsgeschehen einbrin-gen, etwa durch Partizipation außerschuli-scher Organisationen in geeignetenUnterrichtsthemen.

Die Prozesse und Erkenntnisse diesermomentan sich strukturierenden Arbeitsollen regelmäßig im Jahresbericht derUNESCO-Projektschulen dokumentiertund evaluiert werden. Die Ergebnissewerden transparent gemacht und, wennes angemessen erscheint, in einer Art„best practise“ veröffentlicht. Das Profilselbst dient einerseits der Akzentuierunginnerhalb der Schulen, andererseits derPositionierung in der lokalen Bildungs-landschaft und vor allem individuellerLernbegleitung und -förderung der Schü-ler.

Kooperationen

Eine enge Kooperation mit lokalen undüberregionalen Partnern ist mehr alsopportun, sie ist zwingend erforderlich,um Ressourcen zu bündeln und die Effi-

zienz der Arbeit zu steigern. Die UNESCO-Projektschulen in Niedersachsen und Bre-men arbeiten unter anderem intensiv mitdem Programm „BLK-Transfer 21“zusammen, sind aktiver Partner desgesamten Netzwerkes.

In Nordostniedersachsen wird ein Ver-bund aus mehreren UNESCO-Projekt-schulen federführend ein Nachhaltigkeits-audit (2006 bis 2008) erstellen. Es stelltim Vergleich zum angestrebten und fürsämtliche UNESCO-Projektschulen inNiedersachsen und Bremen verpflichten-den Nachhaltigkeitsprofil eine qualitativeSteigerung dar: In diversen Schritten wer-den die teilnehmenden Schulen Aspektewie Leitbild, Kompetenzen, Schulleben,Management, Ressourcen, vorhandeneKooperation unter wissenschaftlicherBegleitung analysieren und bewerten,daraus Konsequenzen für die spätereSchularbeit folgen lassen. Das Auditbeschleunigt die Qualitätsentwicklungder Schulen, stiftet Zusammenhänge,optimiert vorhandene Strukturen mitNachhaltigkeitsbezug, fördert selbststän-diges Lernen und schafft einen erhebli-chen Zuwachs an Identifikation von Schü-lerschaft und Kollegium mit der Schule.

Verantwortung übernehmen

„Nachhaltige Entwicklung heißt zumeinen Zukunftsfähigkeit. Wir stehen inder Verantwortung, unser heutiges Lebenso zu gestalten, dass auch in 50 oder 500Jahren noch menschenwürdiges Lebenauf der Erde möglich ist. Nachhaltige Ent-wicklung bedeutet aber auch, Sorge dafürzu tragen, dass hier und heute in allenRegionen der Welt ein menschenwürdi-ges Leben möglich ist, Ressourcen alsonicht nur zukunftsfähig genutzt, sondernauch gerecht verteilt werden“ – ein Plä-doyer von Walter Hirche, Präsident derDeutschen UNESCO-Kommission, dasden Weg der niedersächsisch-bremischenUNESCO-Projektschulen flankiert.

Das Netzwerk versteht sich als bildungspoli-tische Avantgarde, kreativer Impulsgeber,zuverlässiger Kooperationspartner undBeschleunigungsinstrument für ein sichdeutlich veränderndes öffentlichesBewusstsein, in dem Nachhaltigkeit keineleere Vokabel ist, sondern Ausdruck desInteresses an und der Verantwortung für dieEine Welt.

Heinz-Jürgen Rickert ist Landeskoordinator derUNESCO-Projektschulen in Niedersachsen.

Page 68: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

66 UNESCOheute 1|2006

Jasmin Godemann

Jugend und Nachhaltigkeit – eineBeziehung mit Zukunft?

Man könnte meinen, Jugendliche sind heute nur an Handys, Klingel-tönen und iPods interessiert. Empirisch scheint sich dieser Eindruckauch zu bestätigen: Laut der BRAVO-Studie 'Faktor Jugend' (2005)zählen neben Mode und Kosmetik, Mobiltelefone zu den so genannten„High Interest-Bereichen“ der Jugendlichen. Technik und Medien sindim Alltag junger Menschen fest integriert und nicht mehr weg zu denken. Fast jeder Haushalt, in dem 12-19jährige heute aufwachsen,verfügt über mindestens ein Fernsehgerät, Mobiltelefon, CD-Playeroder Computer sowie Internetzugang (JIM 2005). Aber ist es gerecht-fertigt, die heutige Jugend auf den Aspekt der Technikaffinität undmobilen Kommunikation zu reduzieren? Was macht die junge Generation aus und was bewegt sie?

Das Bild der heutigen Jugend ist geprägtdurch relativen gesellschaftlichen Wohl-stand und dem selbstverständlichenRückgriff auf materielle Ressourcen allerArt. Markenprodukte stehen bei den jun-gen Konsumenten hoch im Kurs und sindAusdruck von Gruppenzugehörigkeit bzw.fungieren als Abgrenzungsmerkmal. Umdie eigene Persönlichkeit zu finden, istdas Bedürfnis nach Orientierung beson-ders ausgeprägt, gerade Jugendlichedefinieren sich stärker über Marken alsandere Altersgruppen. Dennoch kannfestgestellt werden, dass die Entstehungvon Jugendkulturen, wie es sie in denvergangenen Jahrzehnten gab (Punksetc.), „erlahmt“ zu sein scheint und Die-ter Rink (2002) spricht von einer „beunru-higenden Normalisierung“ der Jugend.

Was charakterisiert die Jugendvon heute?

In eine ähnliche Richtung geht auch dieAntwort von Klaus Hurrelmann (2005) aufdie Frage, was die Jugend von heute cha-rakterisiert: Jugendliche legen sich nichtzu früh fest, halten sich möglichst vieleOptionen offen und nehmen eine zuneh-mend egozentrische Haltung ein. In denletzten Jahren hat sich auch die grundle-gende Werteorientierung verschoben. Esstehen nicht mehr postmaterielle Wertewie Selbstbestimmung, Lebensgenussund Kreativität im Vordergrund, sondern

eher Werte, wie sie bereits die Groß-eltern vertreten haben: Fleiß, Sicherheit,Ordnung und Orientierung sind neu hin-zugekommen, sicher auch als Reaktionauf die Unsicherheit, die in immer mehrLebensbereichen zunimmt (Arbeitsmarkt,Wirtschaftssituation, Weltsituation).

Was Jugend eigentlich ist, lässt sich nichtganz einfach definieren, insbesonderenicht im Zeitalter zunehmender Individua-lisierung. Jugend ist eine flexibler Begriff:er kann sich auf eine Zeitspanne bezie-hen und junge Menschen zwischen 12und 25 Jahren als Personengruppe mei-nen, psychologisch betrachtet eine Reife-phase beschreiben oder den Möglich-keitsraum der Entwicklung, den eineGesellschaft der nachwachsenden Gene-ration einräumt.

„Generation X“, „Generation Golf“ oder„Generation Praktikum“

Vor dem Hintergrund, dass nur eine undif-ferenzierte Zuordnung der Jugendlichenzu Kulturen oder Gruppierung möglich ist,wird in den letzten Jahren versucht,Jugend mit Hilfe einer kulturellen Zeitdia-gnose zu beschreiben. Resultat sind Titu-lierungen wie „Generation X“, „Genera-tion Golf“ oder „Generation Praktikum“.Unabhängig von den verschiedenenSemantiken und gesellschaftlichen Vor-

Page 69: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

67

stellungen über Jugend ist unbestritten,dass es sich um die Generation handelt,die die Zukunft gestaltet. Das zukunftsori-entierte Konzept Nachhaltigkeit kanndaher nicht ohne die heutige Jugendgedacht werden, und die Frage, wieJugendliche zu dieser gesellschaftlichenVision stehen, ist daher mehr als berech-tigt. Bisher gibt es keine empirischen Stu-dien, die direkt auf diese Frage eine Ant-wort geben. Dennoch gibt es vielerortsHinweise darauf, wie Jugendliche zu ein-zelnen Aspekten des Nachhaltigkeitskon-zeptes stehen.

Wie stehen Jugendliche zumNachhaltigkeitskonzept?

Ein weit verbreiteter Zugang zu Frageneiner nachhaltigen Entwicklung ist dieHinwendung zu Umweltfragen und -pro-blemen. Wie stehen Jugendliche zurUmwelt, und lässt sich dieses Themanutzen, um die Idee der Nachhaltigkeit zu

transportieren? Eine allgemein gültigeAntwort darauf ist nicht zu geben, denndas Interesse an Umwelt- und Zukunfts-fragen ist gerade bei Jugendlichen sehrunterschiedlich ausgeprägt. ZahlreicheJugendliche engagieren sich in Green-teams bei Greenpeace oder anderenGruppen, um sich gemeinsam für denSchutz der Umwelt einzusetzen (Gode-mann 2001). Dennoch ist für den Großteilder Jugendlichen das Thema „Umwelt“scheinbar out. Es ist offenbar ein Begriff,der sich auch nach dem Revival in den1980er Jahren nicht gehalten hat. Beigenauerer Betrachtung stellt sich jedochdie Frage, ob sich das auf den Begriff ansich bezieht oder, ob das gleichermaßenauch für die Inhalte gilt.

Der Vergleich von Ergebnissen zum Stel-lenwert der Umwelt mit dem konkretenEngagement von Jugendlichen ergibt einwidersprüchliches Bild: Die 14. Shell-Stu-die aus dem Jahre 2002 hat gezeigt, dass

Foto © bpa / Reineke

Page 70: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

68 UNESCOheute 1|2006

Umwelt eine nicht mehr so hohe Bedeu-tung zukommt und das Interesse unterJugendlichen, sich dafür zu engagieren,in den letzten fünf Jahren signifikantabgenommen hat.

Bei der Umfrage „Perspektive Deutsch-land 2004/05“ ist die Verbesserung derUmwelt auf dem letzten Platz abgeschla-gen, in der Studie „Umweltbewusstseinin Deutschland 2004“ steht Umwelt-schutz auf Rang 3. Und dennoch demon-strierten mehrere tausend, überwiegendjunge Globalisierungskritiker bei denWeltwirtschaftsgipfeln der letzten Jahre,und die Organisation „attac“ hat dengrößten Mitgliederzuwachs, den eineNGO innerhalb eines Jahres je zu ver-zeichnen hatte. Wie groß die Bereitschaftvieler Jugendlicher ist, selbst aktiv zuwerden, zeigte auch der zur Rio-Folge-konferenz 2002 in Johannesburg veran-staltete „Youth Action Summit“ 2002 inUtrecht, der unter dem Motto stand „Wirwollen einen anderen Konsum“. Die Teil-nehmer waren aus der ganzen Weltangereist und diskutierten drei Wochen

lang über Themen der nachhaltigen Ent-wicklung.

„Die Themen rankennicht mehr nur umUmwelt- und Natur-schutz“

Offenbar hat ein Perspektivwechsel statt-gefunden. Die Themen ranken nicht mehrnur um Umwelt- und Naturschutz, son-dern soziale und globale Aspekte kom-men hinzu und Fragen nach Konsum undErnährung gewinnen an Gewicht. DerBegriff Umwelt und auch die enge Fokus-sierung auf „grüne Themen“ scheinenihre mobilisierenden und auch motivie-renden Kräfte verloren zu haben, für diemeisten Jugendlichen sind sie abgenutztund zum Teil zu stark pädagogisiert.Umweltthemen haben längst Eingang indie Schulen gefunden und scheinen einegewisse Selbstverständlichkeit erlangt zuhaben. Sie sind fester Bestandteil des All-tags, das alarmierende Aufmerksammachen auf Umweltkatastrophen ist

Foto © BMU / Bernd Müller

Page 71: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

69

Literatur

BRAVO-Studie 'Faktor Jugend', November 2005

Godemann, Jasmin (2001): Möglichkeitsräumeschaffen – Gesellschaftliche Partizipation von Kin-dern und Jugendlichen in Greenteams. In: Kind,Jugend und Gesellschaft. Zeitschrift für Jugend-schutz, 46. Jg. Heft 3, S. 87-90

Greenpeace Magazin 6/2005

Hurrelmann, Klaus (2005): Jugend 2005. Deutsch-land Online, 3/2005, www.magazine-deutsch-land.de

JIM 2005 – Jugend, Information, (Multi-)Media.Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-jähri-ger in Deutschland. Hrsg. vom Medienpädagogi-schen Forschungsverbund Südwest

Jugend 2002: 14. Shell Jugendstudie. Hg.: Deut-sche Shell, Frankfurt am Main

Neon Magazin 9/2005

Projektbericht "Perspektive Deutschland 2004/05– die größte gesellschaftspolitische Online-Umfrage". www.perspektive-deutschland.de

Rheingans-Heintze, Anke; Kuckartz, Udo (2004):Umweltbewusstsein in Deutschland 2004. Hrsg.vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit. Bonn

Rink, Dieter (2002): Beunruhigende Normalisie-rung: Zum Wandel von Jugendkulturen in derBundesrepublik Deutschland. In: Aus Politik undZeitgeschichte B 5/2002, S. 3-6

Bedingt durch die großbetrieblichenStrukturen von Volkswagen Nutzfahr-zeuge hat sich für die berufliche Erstaus-bildung die Einrichtung eines eigenenArbeitskreises zum Thema Umweltschutzals sinnvoll erwiesen. Dieser Arbeitskreis,bestehend aus einem Vertreter jederBerufsgruppe, sichert die kontinuierlicheBeschäftigung mit dem Thema. Die Mit-arbeiter des Arbeitskreises sind für Kolle-gen und Auszubildende erste Ansprech-partner in Sachen Umweltschutz,Multiplikatoren von Umweltinformationensowie Träger einer Fülle von Umweltpro-jekten.

Foto: Volkswagen Coaching GmbH

Arbeitskreis Umweltschutz

Dekade-Projekt der Volkswagen Coaching GmbH

längst institutionalisiert, und Umweltorga-nisationen wie Greenpeace kommt hohesVertrauen zu: Bei den 18-30jährigengenießt Greenpeace immer noch mehrGlaubwürdigkeit als die Bundesregierungund den Umweltaktivisten wird mehr Ver-trauen geschenkt als den Politikern (Neon2005).

„Bei den 18-30jährigengenießt Greenpeacemehr Glaubwürdigkeitals die Bundesregierung“

Das Interesse der Jugend an globalenund sozialen Fragen mutet an, dass dasThema Nachhaltigkeit bei der jungenGeneration anschlussfähig sein könnte.Eine Befragung von Studenten des Ma-nagermagazins hat gezeigt, dass über 90 Prozent vom Sinn gesellschaftlichenEngagements überzeugt sind, sei es aufdem Feld sozialer Anliegen, in der Politikoder etwa auch im Sport oder in eigenerSache. Ein knappes Drittel engagiert sichin diesem Sinne bereits.

Engagement kann nicht verordnet werden

Die heutige Jugend ist sich bewusst,dass gesellschaftliches Engagement

nicht verordnet werden kann. In einerUmfrage von Greenpeace (2005) äußerteein gutes Drittel, dass die Motivation,etwas für den Umweltschutz zu tun, ausihnen selbst heraus kommt. Für dieUmsetzung von Nachhaltigkeit einer derzentralsten Anknüpfungspunkte, denndabei geht es um die Mitgestaltung derGesellschaft mit einem hohen Grad derPartizipation in unterschiedlichen gesell-schaftlichen Bereichen. Nachhaltige Ent-wicklung ist ein Konzept, das Umweltfra-gen mit sozialen und ökonomischenAspekten zusammenführt. Der Blick aufheutige Problemlagen hat sich damiterweitert.

Eine ähnliche thematische Verlagerung istauch bei den Jugendlichen zu beobach-ten, wenn es um ihr gesellschaftlichesEngagement geht. Das Interesse richtetsich zunehmend auf soziale und globaleFragen und steht nicht im Widerspruchzur Vision einer nachhaltigen Entwick-lung. Gelingt es, dieses Interesse aufzu-fangen und damit eine Brücke zumThema Nachhaltigkeit zu bauen, kanndurchaus davon ausgegangen werden,dass Jugend und Nachhaltigkeit eineBeziehung mit Zukunft ist.

Dr. Jasmin Godemann arbeitet am Institut für Umweltkommunikation (INFU) der Universität Lüneburg.

Page 72: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

70 UNESCOheute 1|2006

Marion Schöberl

Die Privatwirtschaft fördert Bildung für NachhaltigkeitKinder-Zukunftskongress der Deutschen Telekom

Die Wirtschaft hat ein primäres Interesse an Bildung und Ausbildung.Man muss nicht unbedingt noch einmal die Rohstoffarmut Deutsch-lands anführen, um zu verstehen, dass in einer hoch entwickeltenGesellschaft Bildung ein wesentliches Element für Innovation und Weiterentwicklung ist.

Dies kommt unter anderem in der Grün-dung von Stiftungen und Initiativen sei-tens der Wirtschaft zur Förderung der Bil-dung und zur Steigerung der Attraktivitätvon Bildung bei jungen Menschen zumAusdruck. Im Kontext der Debatten umeine nachhaltige Gesellschaft kommtdazu, dass im Zeitalter der Globalisierungdie Wirtschaft einer der entscheidendenAkteure ist, wenn es darum geht, unsereWelt dauerhaft ökologisch, ökonomischund sozial zukunftsfähig zu gestalten.Angesichts ihrer weit reichenden und fol-genreichen Entscheidungen und Aktivitä-ten hat die Wirtschaft eine zentrale Ver-antwortung für die nachhaltigeEntwicklung der Weltgesellschaft. DieBeteiligung der Wirtschaft an der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwick-lung“ betont die Bedeutung der Bildungin einem holistischen Kontext für dieUnternehmen und steht für die beson-dere Verantwortung des privaten Sektorsfür Nachhaltigkeit.

Die Idee eines Gleichgewichtes zwischenökonomischen, ökologischen und sozial-gesellschaftlichen Aspekten in der Wirt-schaft hat schon viele fasziniert. Aberzwischen der Idee und der Realität stehtdie Verwirklichung und hier tauchen dieSchwierigkeiten auf. Diese beruhen zumTeil auf der Tatsache, dass es gar nicht soleicht ist, Nachhaltigkeit zu erklären.Denn alle ineinander greifende Faktorenmit ihren Interaktionen sind nur schwerdarstellbar.

„Wie stellst du dir die Zukunft vor?“

Die Deutsche Telekom startete deshalbim Jahre 2005 – wenn man so will – mit

einem Experiment. Dieses Experimenthieß: Kinder-Zukunftskongress. 100 Kin-der im Alter zwischen 12 und 14 Jahrewurden nach Berlin eingeladen, um sichin zehn Gruppen Gedanken über wichtigeThemen der Zukunft zu machen. Angelei-tet wurden sie dabei von geschultenBetreuern. Thema war die Gestaltung derZukunft auf allen Ebenen.

„Wie stellst du dir die Zukunft vor?“hatte die Deutsche Telekom zusammenmit dem Verein Schulen-ans-Netz Schülerund Schülerinnen der sechsten Klassegefragt. Kinder aus ganz Deutschlandwaren aufgerufen, sich für einen der 100Workshop-Plätze bei diesem ersten Kin-derkongress zu bewerben. Fast 1000Schülerinnen und Schüler der sechstenKlassen meldeten darauf ihr Interesse an.Ein Expertengremium wählte 100 Kinderaus. Wichtigstes Kriterium war dabeinicht die schulische Leistung, sonderndas persönliche Interesse für eines derzehn Workshop-Themen: Eine Welt,Deine Musik, Das Universum, Aktivmobil, Unser Essen, Neues Design,Große Politik, Gute Geschäfte, ModerneKommunikation, Intelligente Mode.

Ein Pädagogischer Beirat, unter anderembesetzt mit Prof. Dr. Gerhard de Haan,Vorsitzender des Deutschen Nationalko-mitees der UN-Weltdekade „Bildung fürnachhaltige Entwicklung“ und Leiter desInstituts für ErziehungswissenschaftlicheZukunftsforschung an der FU Berlin,unterstützte die Telekom bei der Auswahlder Kinder. Weitere Mitglieder warenProf. Dr. sc. Hans-Dieter Burkhard, Leiterdes Lehr- und Forschungsgebietes Künst-liche Intelligenz an der Humboldt Univer-sität Berlin, Dr. Erwin Brunner, stellvertre-

Page 73: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

71

tender Chefredakteur des zweisprachigenWissensmagazin für Kinder „NationalGeographic World“, und Dr. Claudia Haas,Gründungsdirektorin des Zoom Kinder-museums in Wien.

„Tagesschau im Jahr 2015“

Zusammen mit Pädagogen und Fachex-perten konnten die Schüler themenspezi-fische Zukunftsvisionen und Ideen für dieWelt von morgen entwickeln und im Rah-men einer großen Zukunftsshow in derArena in Treptow vor Experten, Promi-nenten und Medien vorstellen. Kriegeverhindern, anderen Menschen helfen,durchs Universum reisen, gesund essen,Staus vermeiden – das waren nur einigeder Visionen, die beim Zukunftskongress2005 entwickelt wurden.

Die Präsentationen in Form von Filmen,Liedern und Animationen reichten von

der „Tagesschau im Jahr 2015“ über eine„Zeitreise durchs Universum“ bis hin zu„Mitbestimmung in der Politik“. Im Mit-telpunkt stand die Frage, wie sich Kinderunter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ihreZukunft vorstellen. Mit dem Zukunfts-camp erhielten sie ein Forum, in dem sie,angeleitet von erfahrenen Pädagogen undExperten, mit großem Engagement undgrenzenloser Phantasie Ideen für ihreeigene Zukunft gestalteten.

Unter der Schirmherrschaft von EdelgardBulmahn, damalige Bundesministerin fürBildung und Forschung, war dasZukunftscamp eines der ersten realisier-ten Projekte in Deutschland im Rahmender UN-Weltdekade „Bildung für nachhal-tige Entwicklung“ (2005-2014). Die Tele-kom ist Mitglied im Deutschen National-komitee der Dekade und wollte mitdiesem Kongress auch deutlich machen,dass der Konzern seine Rolle als Modera-

Foto: © UNESCO / Amy OTCHET

Page 74: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

72 UNESCOheute 1|2006

tor gesellschaftlicher Veränderungspro-zesse sehr ernst nehmen und diese Rolleaktiv ausfüllen will.

Nachhaltigkeit ist eng verbunden mit derGestaltung der Zukunft. Auch wenn dasWort „Nachhaltigkeit“ an jenem Wochen-ende in Berlin vielleicht gar nicht fiel,haben die Teilnehmer an einer Sicherungder Zukunft mitgearbeitet. Der spieleri-sche Weg und das Ernstnehmen derGedanken der Kinder ergab eine sehrattraktive Kombination. Die Teilnehmerwaren begeistern von der Idee, selbstarbeiten zu können, und dass ihre Ideenund Gedanken ernst genommen wurden.

Kinder-Zukunftskongress 2006zum Klimaschutz

Ermutigt durch die Erfahrungen aus 2005wird in diesem Jahr erneut ein Kinder-Zukunftskongress stattfinden. Im Herbst2006 soll in Berlin allerdings nur einThema im Mittelpunkt stehen: Klima-schutz. Denn die globale Erwärmung derAtmosphäre ist eine der größten Heraus-forderungen unserer Zeit. Sie wird nicht

nur die Umweltbedingungen verändern,sie wird Auswirkungen auf die Wirtschaftund auch auf unser Privatleben haben.Die am stärksten Betroffenen werden dieKinder von heute und Erwachsenen vonmorgen sein.

Beim zweiten Kinder-Zukunftskongressder Deutschen Telekom sollen die ausge-wählten Kinder diese Themen herausar-beiten, aber auch Lösungen zur Siche-rung unserer Gesellschaft entwickeln.Dabei darf es natürlich nicht zu einer blo-ßen Aufzählung von Katastrophen kom-men. Es soll eine ernsthafte Auseinander-setzung mit dem Thema Klimaschutz unddessen Folgen stattfinden und zugleicheine Erarbeitung von Lösungsalternativenaus der Perspektive der Teilnehmer erfol-gen. Denn die Kinder dürfen nicht denEindruck gewinnen, dass sie keine Ein-flussmöglichkeiten auf den Prozesshaben. Ihnen gehört die Zukunft – und siesollen es auch so erfahren.

Marion Schöberl arbeitet im Bereich Unternehmenskommunikation der DeutschenTelekom und ist dort für Corporate Relations /Corporate Responsibility verantwortlich.

Fortbildung der Weiterbildnerinnen und Weiterbildner in Schleswig-Holstein zum Leitbild nachhaltiger Entwicklung

Dekade-Projekt des Weiterbildungsverbundes Neumünster

Im Rahmen von Multiplikatorenseminarenwerden Dozenten von Weiterbildungs-einrichtungen befähigt, das Leitbild nachhaltiger Entwicklung inhaltlich zu vertreten und methodisch umzusetzen. In drei Kooperationseinrichtungen findenFortbildungen zu Organisationsentwick-lung und Nachhaltigkeitsbildung statt.Durch das Training von Multiplikatorensoll das Ziel nachhaltiger Entwicklung inUnternehmen und in der breiten Bevölkerung gefördert werden.

Foto: Weiterbildungsverbund Neumünster-Mittelholstein

Page 75: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

73

Auf einen Blick:Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in Deutschland

Auf der Grundlage eines einstimmigen Beschlusses des Deutschen Bundestages zur UN-Dekade vom 1. Juli 2004

koordiniert das von der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK) eingesetzte Nationalkomitee die Umsetzung der

UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in Deutschland. Die DUK wird dafür vom Bundesministerium für

Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. Bundespräsident Horst Köhler hat die Schirmherrschaft über die deutsche

Umsetzung der Dekade übernommen.

Das Deutsche Nationalkomitee für die UN-Dekade: Das Nationalkomitee ist das zentrale Steuerungs- und Abstimmungsgremiumfür die Umsetzung der Dekade in Deutschland. Ihm gehören rund 30 Institutionen und Experten an, darunter Vertreter der Bundes-ministerien, der Länder, Nichtregierungsorganisationen, die Medien, die Privatwirtschaft und Vertreter aus der Wissenschaft. Vor-sitzender ist der Erziehungswissenschaftler Professor Dr. Gerhard de Haan von der Freien Universität Berlin. Das Nationalkomiteewird von einem Sekretariat in Bonn und einer Arbeitsstelle in Berlin unterstützt, die mit Hilfe einer Zuwendung des BMBF einge-richtet werden konnten.

Runder Tisch und Arbeitsgruppen: Um die Umsetzung der Dekade gemeinsam mit möglichst vielen Akteuren zu gestalten undeine „Allianz Nachhaltigkeit Lernen“ zu initiieren, hat das Nationalkomitee zur Beteiligung an einem Runden Tisch für die UN-Dekade aufgerufen. Der Runde Tisch aus etwa 100 Akteuren tagt einmal pro Jahr. Zwischen den Treffen tragen die vom RundenTisch eingerichteten Arbeitsgruppen zur Umsetzung der Dekade bei.

Nationaler Aktionsplan: Der Aktionsplan benennt die Hauptziele der Dekade in Deutschland und hält in einem Maßnahmenkatalogdie Beiträge und Selbstverpflichtungen einzelner Akteure fest. Der Plan wurde vom Nationalkomitee im Austausch mit zahlreichenAkteuren des Runden Tisches erarbeitet und bei der bundesweiten Startkonferenz am 13. Januar 2005 „Zukunft macht Schule“vor 300 Gästen der Öffentlichkeit vorgestellt. Er wird regelmäßig aktualisiert, evaluiert und neuen Erkenntnissen angepasst.

Der Aktionsplan definiert als übergreifendes Ziel der Dekade die Verankerung des Gedankens der nachhaltigen Entwicklung in allenBereichen des Bildungswesens. Im Einzelnen soll dies mit Hilfe von vier strategischen Zielen erreicht werden:

1. Weiterentwicklung und Bündelung der Aktivitäten sowie Transfer guter Praxis in die Breite2. Vernetzung der Akteure der Bildung für nachhaltige Entwicklung3. Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung von Bildung für nachhaltige Entwicklung4. Verstärkung internationaler Kooperationen

Der ergänzende Maßnahmenkatalog operationalisiert diese Ziele, indem er spezifische Akteure benennt und die Entwicklung hin zueiner Verankerung im gesamten Bildungswesen beschreibt. In den Katalog sind bisher über 60 Maßnahmen eingetragen.

Dekade-Projekte: Erfolgreiche und innovative Projekte der Bildung für nachhaltige Entwicklung haben die Möglichkeit, sich um dieAnerkennung als 'Offizielles Projekt der UN-Dekade' zu bemühen. Diese vom Nationalkomitee ausgesprochene Anerkennung giltzunächst für zwei Jahre und geht mit der Berechtigung einher, das Logo der Dekade zu nutzen. Ziel ist es, die Akteure vor Ortsichtbar zu machen und die Anliegen der Bildung für nachhaltige Entwicklung in die Breite zu tragen. Bis Mitte 2005 wurden rund250 Projekte ausgezeichnet.

Die Anbindung der deutschen Aktivitäten zur Dekade an internationale Vorhaben und Debatten ist ein wichtiges Element bei derUmsetzung der UN-Dekade durch das Deutsche Nationalkomitee. Hierzu gehören die laufende Abstimmung mit der für die Welt-dekade federführenden UNESCO, gemeinsame Veranstaltungen mit UNESCO-Nationalkommissionen und Koordinierungsgremienanderer Länder und die Mitwirkung in dem von der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) eingerichteteneuropäischen Steuerungsgremium für die Dekade.

Kontakt und weitere Informationen:

Deutsche UNESCO-Kommission Arbeitsstelle UN-DekadeSekretariat UN-Dekade Freie Universität BerlinLangwartweg 72 Arnimallee 953129 Bonn 14195 BerlinTel.: 0228-4468440 Tel.: 030-83853178Fax: 0228-2425708 Fax: 030-83853023E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected]

Internet: www.dekade.org

Page 76: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

74 UNESCOheute 1|2006

Mitglieder des Runden Tisches 2005 für die UN-Dekade

■ Adolf Grimme Institut, Gesellschaft fürMedien, Bildung und Kultur mbH

■ AG Informations- und Bildungsarbeitdes Bund-Länder-Ausschusses Ent-wicklungszusammenarbeit

■ Agenda Transfer / Bundesweite Servicestelle Lokale Agenda 21

■ Arbeiterwohlfahrt Bundesverband,AWO

■ Arbeitsgemeinschaft der Umweltbe-auftragten der deutschen Diözesen

■ Arbeitsgemeinschaft der Umwelt-beauftragten in den Gliedkirchen derevangelischen Kirchen Deutschland,AGU

■ Bertelsmann Stiftung

■ Bildungsserver Daedalos

■ Bischöfliches Hilfswerk Misereor e.V.

■ BLK-Programm Transfer-21

■ BUND Bundesverband

■ Bundesarchitektenkammer

■ Bundesgartenschau

■ Bundesinstitut für Berufsbildung, BIBB

■ Bundesministerium für Bildung undForschung, BMBF

■ Bundesministerium für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung,BMZ

■ Bundesverband der deutschen Gas-und Wasserwirtschaft

■ Bundesverband Deutscher Garten-freunde e. V.

■ Bundesverband Kulturelle Jugendbil-dung e. V.

■ Bundesweiter Arbeitskreis der staatlichgetragenen Bildungsstätten im Natur-und Umweltschutz, BANU

■ Bundeszentrale für politische Bildung,BpB

■ Copernicus Campus "UNI21"

■ Deutsche Bundesstiftung Umwelt,DBU

■ Deutsche Gesellschaft für Erziehungs-wissenschaft, DGfE

■ Deutsche Gesellschaft für TechnischeZusammenarbeit, GTZ

■ Deutsche Gesellschaft für Umwelt-erziehung e. V., DGU

■ Deutsche Kinder- und Jugendstiftung,DKJS

■ Deutsche Welthungerhilfe e.V.

■ Deutscher Akademischer Austausch-dienst, DAAD

■ Deutscher Entwicklungsdienst, DED

■ Deutscher Sparkassen- und Giroverband, DSGV

■ Deutscher Volkshochschul-Verband e.V.und Institut für Internationale Zusammenarbeit des DVV (IIZ/DVV)

■ Deutsches Institut für Erwachsenen-bildung, DIE

■ DGB Bildungswerk e. V.

■ Didacta Verband e. V.

■ Die Verbraucher Initiative e. V.

■ Duales System Deutschland – Der grüne Punkt

■ Evangelische Trägergruppe für gesell-schaftspolitische Jugendbildung

■ FechnerMEDIA GmbH

■ FÖJ-Betreuungsstelle beim Jugend-pfarramt der Nordelbischen Kirche

■ Fraunhofer Gesellschaft

■ Genanet Leitstelle Geschlechterge-rechtigkeit und Nachhaltigkeit LIFE e.V.

■ Georg-Eckert-Institut für InternationaleSchulbuchforschung

■ Gewerkschaft Erziehung und Wissen-schaft, GEW

■ Goethe-Institut

■ Grundschulverband – ArbeitskreisGrundschule e.V.

■ Handelsblatt

■ Institut für Friedenspädagogik

■ Institut für Kulturpolitik der Kultur-politischen Gesellschaft e.V. – Haus der Kultur

■ Institut für Kunst, Kultur und Zukunfts-fähigkeit e.V.

■ Institut für Umweltschutz in der Berufsbildung

■ Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, IZT Berlin

■ International Human Dimensions Programme on Global EnvironmentalChange (IHDP)

■ Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH, InWEnt

■ Katholische LandjugendbewegungDeutschlands, KLJB

■ Kindernothilfe e.V.

■ Kolleg für Management und Gestaltungfür nachhaltige Entwicklung gGmbH

■ Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften an der Universität Kiel

■ Michael Haerdter, ehem. Leiter desKünstlerhauses Bethanien

■ Naturgut Ophoven, als Vertretung der ANU

■ Nordländer-Verbundprojekt zur Unter-stützung der UN-Dekade „Bildung fürnachhaltige Entwicklung“

■ ökom Verlag

■ Ökoprojekt – MobilSpiel e. V.

■ Ökumenische Initiative Eine Welt, alsKoordinierungsstelle der internationa-len Erd-Charta-Initiative

■ Robert Bosch Stiftung

■ Schering AG

■ Schulen ans Netz e. V.

■ SSWP/IDT-HSG Universität St. Gallen

■ Stiftung Naturschutzfonds beim Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum, Baden-Württemberg

■ Stiftung Nord-Süd-Brücken

■ Stiftung Warentest

■ TheoPrax

■ TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbHund Co. KG

Page 77: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

75

■ Umweltbundesamt, Grundsatzreferat „Umweltstrategien und Forschungsplanung“

■ Umweltspione

■ UNESCO-Projektschulen

■ Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., vzbv

■ Verkehrsclub Deutschland e. V.

■ Weltladen-Dachverband

■ Werkstatt 3 – Bildungswerk

■ Wissenschaft im Dialog gGmbH

■ Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH

■ Zeitbild Verlag

Als Vertreter der Bundesländer:

■ Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz

■ Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin

■ Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg

■ Landesinstitut für Schule Bremen

■ Behörde für Umwelt und Gesundheit Hamburg

■ Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz

■ Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommern

■ Niedersächsisches Kultusministerium

■ Aktionsnetzwerk „Zukunft Lernen“, Zentralstelle für Umwelterziehung an der Universität Essen, Nordrhein-Westfalen

■ Landeszentrale für Umweltaufklärung Rheinland-Pfalz

■ Sächsisches Staatsministerium für Kultur

■ Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt

■ Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur Schleswig-Holstein

■ Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt

Page 78: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

76 UNESCOheute 1|2006

Impressum:

UNESCO heute (ISSN 0937-924X)Hrsg.: Deutsche UNESCO-Kommission e.V.Präsident: Walter Hirche Vizepräsidenten: Dr. Verena Metze-Mangold, Prof. Dr. Hermann SchäferGeneralsekretär: Dr. Roland Bernecker

Redaktionsanschrift:Colmantstraße 15, D-53115 BonnTelefon (0228) 60 497-0, -11Fax (0228) 60 497 30E-Mail: [email protected]: www.unesco.de

Verantwortlich: Dieter Offenhäußer

Redaktion:Alexander Leicht und Kurt SchlünkesMitarbeit: Samera Zagala

UNESCO heute wird vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland unterstützt.

Redaktionelle Kürzungen, Bildauswahl, Überschriften und Veröffentlichung der eingesandten Artikel bleiben der Redaktion vorbehalten. Namentlich gezeichnete Artikel geben nicht immer die Meinung der Redaktion wieder.

Erscheint halbjährlich. Bezug und Abdruck frei. Quellenangabe: UNESCO heute. Belegexemplare erbeten. Kostenlose Abonnements an Privatanschriften werden auf ein Jahr befristet.

Layout, Satz und Druck: Köllen Druck + Verlag GmbH, Bonn. Auflage: 5.500UNESCO heute wird auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.

unesco heute online www.unesco-heute.de

Page 79: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

„Mc Möhre – Die NaturKost-Bar“: gesunde, ökologischeErnährung in Schulen

Dekade-Projekt der DeutschenUmwelthilfe e.V. (DUH), Regionalver-band Nord

Mit dem Projekt „Mc Möhre“ sollen Schülerinnen und Schülern ökologische, fairgehandelte, regional erzeugte, frische undsaisonale Lebensmittel schmackhaftgemacht werden. Die DUH unterstützt dieSchulen bei der Planung, Installation unddem Betrieb von NaturKostBars. Ebensowerden die Gründung von nachhaltigenSchülerfirmen und die Vernetzung mit Bio-Höfen, Umweltzentren, Behörden undFirmen gefördert. Die starke Einbindungvon Schülern in die verschiedenen Projektbausteine ist ein vorrangiges Ziel.

Foto: Deutsche Umwelthilfe

Foto: NaturGut Ophoven

Systemische Verankerungder Bildung für nachhaltigeEntwicklung im NaturGutOphoven

Dekade-Projekt des FördervereinsNaturGut Ophoven

Das NaturGut Ophoven in Leverkusen ist ein Zentrum für inno-vative Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung.Hier wird schon seit 20 Jahren handlungsorientierte Umwelt-bildung für Kinder, Familien und Senioren durchgeführt. Täglichbetreuen qualifizierte Pädagogen mehrere Schulklassen imGelände und in der „Erlebnisausstellung EnergieStadt“. Zweimal jährlich erscheint ein Programm mit mehr als 150 Ver-anstaltungen zu Natur- und Umweltthemen für Groß und Klein.Aus der Fülle der Bildungsangebote sticht neben dem Modell-projekt „Erlebnisausstellung EnergieStadt“ besonders das„Grüne Klassenzimmer“ hervor.

Page 80: 3008302 UNESCO heute 1 06 › sites › default › files › downloads... · 2016-11-09 · 2 UNESCO heute 1|2006 den werden muss. Noch nicht alle 'key player' sind schon mit im

Recommended