Council of Europe Children’s Rights Division
Europarat – Referat für KinderrechteLeitlinien des Europarates
für eine kindgerechte Justiz – Europäische
„Good Practice“ Beispiele
Fachtagung des BMFSFJ und des DKHW, 7. September 2018 in Berlin
Übersicht
Leitlinien des Europarates für eine kindgerechte Justiz
- Was ist der Europarat?
- Die kindgerechte Justiz als Pfeiler der „Sofia-Strategie“
(2016-2021)
- Prinzipien und rechtliche Grundlagen der Leitlinien
- Umsetzungsbeispiele aus verschiedenen Ländern: das
„Kinderhaus“ nach dem isländischen Barnahus-Modell
- Der HELP-Kurz zur kindgerechten Justiz
- Staatenberichte zur Kinderbeteiligung – die kindgerechte
Justiz also Indikator
Der Europarat• Älteste Menschenrechtsorganisation Europas
• Gegründet 1949 von 10 Mitgliedsstaaten in London
• Beitritt Deutschlands 1950
• Seit September 2009: 47 Mitglieder
• Hauptsitz in Straßburg; verschiedene Außenstellen, v.a.
in Osteuropa
• Zentrale Organe:
– Ministerkomitee
– Parlamentarische Versammlung
– Kongress der Gemeinden und Regionen
– Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
– Menschenrechtskommissar
– Internationale Konferenz der NGOs
Leitideen:
Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit
Generalsekretär Thorbjørn Jagland
Das Gebäude von 1977 (Architekt Henry Bernard)
Definition, Umsetzung und Monitoring von Normen (1)
Zentrale Aufgabe einzelner Organe
– Ministerkomitee: Verabschiedung von Konventionen, Leitlinien und Empfehlungen (nach Erarbeitung durch die Fachabteilungen; Monitoring, Assistenzprogramme, Pilotprojekte)
– Parlamentarische Versammlung und Kongress der Gemeinden und Regionen: Anstoß neuer nationaler und europäischer Debatten durch Entschließungen und Empfehlungen
– Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Verurteilung von und Sanktionen für einzelne Staaten auf der Basis von Individualklagen
– Menschenrechtskommissar und Internationale Konferenz der NGOs: Identifizierung von Missständen und Handlungsbedarf
Umsetzung der Menschen-
rechtedurch den Europarat
Definition, Umsetzung und Monitoring von Normen (2)
Programm: „Aufbau eines Europas für und mit Kindern“
- Regelmäßige Kinderrechts-Strategien seit 2009, derzeit „Sofia-Strategie“
Zentrale Standards mit Bezug zu Kinderrechten:
- Konvention für Kinderrechte der Vereinten Nationen (VN KRK)
- Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
- Europäische Sozialcharta
- Konvention für den Schutz von Kindern gegen sexuelle Ausbeutung und
sexuellen Missbrauch („Lanzarote Konvention“; D: 2016)
- Konvention gegen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen
(„Istanbul-Konvention“) und Konvention für Maßnahmen gegen den
Menschenhandel („Warschauer Konvention“)
- Leitlinien für eine kindgerechte Justiz
- Diverse Empfehlungen des Ministerkommitees
- Diverse Entschließungen und Empfehlungen der Parlamentarischen
Versammlung (PVER)
Umsetzung der Kinderrechte
durch den Europarat
Die kindgerechte Justiz als Pfeiler der „Sofia-
Strategie“ für die Rechte des Kindes (2016-2021)
- Aktuelle „Fünf-Jahres-Strategie“ des Programmes
„Aufbau eines Europas für und mit Kindern“
- Fünf Prioritätenbereiche:
- Chancengleichheit für alle Kinder
- Partizipation aller Kinder
- Ein gewaltfreies Leben für alle Kinder
- Eine kindgerechte Justiz für alle Kinder
- Rechte des Kindes in der digitalen Welt
- Deutsche Koordinationsstelle der „Sofia-Strategie“
ist das DKHW
Warum Leitlinien für eine kindgerechte Justiz?
- Entsprechen einem Bedarf, der durch die Rechtsprechung des EGMR identifiziert wurde
- Folgen einer speziellen Anfrage der Justizminister der 47 Mitgliedsstaaten
- Definieren einen Prozess und zielen darauf ab, Mentalität und Einstellung von Fachleuten in Kontakt mit Kindern günstig zu beeinflussen
- Wollen Gräben zwischen Gesetzgebung und Praxis überbrücken
- Verabschiedet durch das Ministerkomitee im November 2010
Was ist eine kinderfreundliche Justiz?
- Rechtssysteme, die den Respekt und die rasche Umsetzung aller Kinderrechte sicherstellen
- Unter ausreichender Berücksichtigung der Reife des Kindes, seines Verständnisses und der besonderen Umstände eines „Falles“
- Anwendbar für alle Kinder unter 18 in Kontakt mit dem Gesetz, als jugendliche Straftäter, Opfer oder Zeugen von Straftaten, in familienrechtlichen Verfahren (z.B. bei Scheidung der Eltern) etc.
Die grundlegenden Prinzipien…- Partizipation: Recht des Kindes angehört zu werden;
Erwachsene sollten Sicht der Kinder ernst nehmen
- Kindeswohl: Bedürfnisse des Kindes entsprechend dem
Alter berücksichtigen, ggf. nach Expertenmeinung
- Würde und Respekt: Privatsphäre des Kindes und andere
Rechte respektieren
- Schutz vor Diskriminierung: gleiche Behandlung
unabhängig von Herkunft, Religion, Sprache; Kinder mit
Behinderungen, in Institutionen oder aus ethnischen
Minderheiten brauchen besonderen Schutz
- Rechtsstaatlichkeit: faire Behandlung in Rechtssystemen,
Rechtsbeistand, Recht auf Beschwerde
bei unabhängigen Stellen
… und ihre Anwendung auf:- Die Zeit vor Gerichtsverfahren: verständliche Information, Anhörung durch
in Kinderrechten und Kindesbedürfnissen geschulte Fachkräfte,
Inhaftierung nur als letztes Mittel (Alter der Strafmündigkeit gesetzlich festgelegt und nicht zu niedrig)
- Den Umgang mit der Polizei: Befragung nur in Beisein von Eltern oder
Rechtsbeistand, Gewahrsam in Sicherheit und nicht zusammen mit
Erwachsenen
- Die Zeit während laufender Gerichtsverfahren: Information über eigene Rechte und Ablauf von Verfahren, Zugang zu Rechtsmitteln und
Rechtsbeistand, Recht auf Gehör und Meinungsäußerung, Verhandlung
und Befragungen in kindgerechter Umgebung und mit kindgerechten Vernehmungsmethoden, idealerweise durch wenige geschulte Fachkräfte
und unter Einsatz von audiovisuellen Methoden
- Die Zeit nach Gerichtsverfahren:
Entscheidungen kindgerecht erläutern, Möglichkeit der Beschwerde, konstruktive und
individuelle Sanktionen und Schwerpunkt auf
Wiedereingliederung
Besonderer Schutz von Kinderrechten durch…
- Information, Repräsentation und Partizipation
- Schutz der Privatsphäre
- Sicherheit
- Multidisziplinärer Ansatz und Schulung von Fachkräften
- Schutzvorkehrungen vor, während und nach
Gerichtsverfahren
- Polizeigewahrsam als letztes Mittel
- Förderung und Überwachung von kindgerechten
Maßnahmen
Das besondere an den Leitlinien…
- Große Bandbreite durch Behandlung aller Rechtsgebiete
(Zivilrecht, Verwaltungsrecht und Strafrecht), aller
Verfahrensschritte (vor während und nach
Gerichtsverfahren) und verschiedener Formen der
Betroffenheit (Opfer, Zeugen, Täter, Betroffener etc.)
- Konkrete Anleitung für Fachkräfte durch Fallstudien und
„good practice“ Beispiele aus verschiedenen Ländern
- Breit angelegte Einbindung von verschiedenen
internationalen und Nicht-Regierungs-Organisationen
- Erstmalige Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
selbst bei der Erarbeitung eines Rechtsinstrumentes
(4000 Antworten auf einen
Fragebogen aus 25 Ländern)
Ein europäisches „good practice“
Beispiel:
Das isländische
Barnahus-Modell
Zugrunde liegende Ideen:
- Schaffung eines Ortes, an dem durch
Verfolgung eines kindgerechten und
interdisziplinären „Multi-Akteur“-Ansatzes die
Re-Traumatisierung von Kinderopfern und
Zeugen vermieden werden kann.
- Koordinierung von strafrechtlichen
Ermittlungen und Maßnahmen für das
Kindeswohl.
Ein europäisches „good practice“
Beispiel:
Das isländische
Barnahus-Modell
Sicherung der Qualitätsstandards durch:
- Handlung im besten Interesse des Kindes- Kinderbeteiligung- Vermeidung von Verzögerungen- Multidisziplinäre Zusammenarbeit
zwischen verschiedenen Stellen
- Nicht-Diskriminierung- Kindgerechte Umgebung- Interdisziplinäres „case management“
Ein europäisches „good practice“
Beispiel:
Das isländische
Barnahus-Modell
Sicherung der Qualitätsstandards durch:
- Durchführung von forensischen Befragungen durch eine einzige Fachkraft unter Nutzung von Videotechnologien
- Medizinische Untersuchungen vor Ort
- Schulung über Supervision von Fachkräften
- Prävention, Datenerhebung und
Netzwerkarbeit
Das isländische Barnahus-Modell:
Interview-Raum
Die „Sofia-Strategie“: Strategie des Europarates
für die Rechte des Kindes (2016-2021)
- Aktuelle „Fünf-Jahres-Strategie“ des
Programmes „Aufbau eines Europas für und
mit Kindern“
- Fünf Prioritätenbereiche:
- Deutsche Koordinationsstelle der „Sofia-
Strategie“: DKHW
Das isländische Barnahus-Modell:
Beobachtungs-Raum
Das isländische Barnahus-Modell:
Verhandlungssaal mit IT-Ausstattung
- 70-85% der Kinder, die Opfer sexuellen
Missbrauchs werden, kennen den Täter
persönlich;
- die meisten Kinder werden Opfer von Tätern
aus ihrem sogenannten „Vertrauensumfeld“
(Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft oder
schulisches Umfeld);
- 30% von Kindern berichten nie über
erfahrenen Missbrauch;
>> Seit der Einrichtung des Barnahus hat sich
in Island die Anzahl der ermittelten Fälle
verdoppelt und die Anzahl der
strafverfolgten Fälle und ausgesprochenen
Urteile verdreifacht.
Das isländische Barnahus-Modell:
Erste „Erfolge“…
20
Overview
Der HELP-Kurs
zur kindgerechten Justiz des
Europarates
Ziele von HELPHELP hilft Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten,durch gezielte Schulung, in ihrer täglichen Arbeit diehöchsten Standards in den Bereichen Menschenrechteund Kinderrechte anzuwenden
1) HELP Netzwerk
HELP Hauptkomponenten
2) Kostenlose Online Kurse
0
5000
10000
15000
20000
2014 2015 2016 2017
Users (+23.000)
3) Schulungsmethodologie zu Menschenrechten
Kurs zur kindgerechten JustizSchulungsbedarf identifiziert bei:• High-level Konferenz zur Europarats-
Kinderrechtsstrategie (Sofia, April 2016)• HELP Jährliche Netzwerktreffen 2014 and 2015
Intention• Kenntnis der EMRK stärken
und harmonisieren• Qualität von
Rechtsverfahren und diesbezüglichen Kinderschutz verbessern
Basiert auf den Leitlinien des Ministerkomitees für eine kindgerechte Justiz
Kursübersicht: 9 Module zu…1. Einer Einführung zu Kinderrechten und kindgerechter Justiz;2. Allgemeine Prinzipien der kindgerechten Justiz vor, während
und nach Gerichtsverfahren;3. Außergerichtliche Verfahren;4. Generelle Elemente zur Privatsphäre, Kinderschutz,
Rahmenbedingungen, Rechtsbeistand, etc.;5. Interaktion mit Kindern im Justizsystem und besondere
Herausforderungen;6. Interdisziplinäre Ansätze, Teamwork und Zusammenarbeit,
auch zwischen Berufsgruppen;7. Ingewahrsamnahme von Kindern, Haftbedingungen, und
Beschwerdestellen;8. Gewalt gegen Kinder und Umgang mit Gewaltopfern;9. Migration und Asyl, besondere Situation der Kinder in
diesbezüglichen Verfahren.
Zugang zum HELP-Kurs- Interaktiver Online-Kurs;
- Kurzes Einrichten eines Benutzer-Accounts reicht aus, um kostenfrei,
auf alle Inhalte zuzugreifen (ohne weitere Verpflichtungen);
- Zugang über die HELP E-learning
Plattform:http://help.elearning.ext.coe.int/;
- Sodann direkter Zugriff auf den Online-Kurs:
http://help.elearning.ext.coe.int/course/view.php?id=2104;
- Anpassung des Kurses an die jeweiligen nationalen
Rahmenbedingungen durch vom Europarat begleitete
Kooperationsprojekte (Referat für Kinderrecht oder HELP-
Projektstelle).
Weitere HELP-Kurse zu
Admissibility criteria (ECtHR)
[email protected] www.coe.int/children
#coe_children
…für Ihre Aufmerksamkeit!
EuroparatReferat für Kinderrechte
Danke…