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Empfehlungen zum Einsatz von anabolen Steroiden im Sport ... · Tage (12). Obwohl anabole Steroide...

Date post: 18-Aug-2020
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Jahrgang 53, Nr. 11 (2002) DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN 317 Dopingempfehlungen in der ehemaligen Sowjetunion Übersichten A classified 39-page “for limited use” research report (1) is described in this article, thus uncovering state-supported research on anabolic-and- rogenic steroids using athletes as the subjects in the former Soviet Uni- on. It summarizes research performed in the Research Laboratory of Training Programming and Physiology of the Sport Performance at the premier sport-research institution of the former USSR, The State Central Institu- te of Physical Culture in Moscow. The purposes of this research report were to: 1) provide a literature review of effects of anabolic-androgenic steroids on human body functions including athletic performance; 2) present the original data from secret Soviet research regarding effec- ts of these drugs on body functions and athletic performance; 3) develop recommendations to sport professionals of how to use ana- bolic-androgenic steroids in different sports; and 4) secretly circulate those recommendations obtained from these studies among elite sport institutions in the former USSR. Dosages, types of anabolic-androgenic steroids, and procedures are in- cluded in this manual. Sport-specific steroid protocols are also descri- bed. The importance of this secret document, presented for the first time in the West, is that it provides the first solid evidence of State collusion by the USSR in steroid use by athletes. This document exemplified the state-supported research. It served as the basis for state-supported im- plementation of the use of anabolic-androgenic steroids in sport by sta- te institutions and was probably the state approved starting point for the rapid spread and use of anabolic-androgenic steroids by Soviet athletes. Summary M. I. Kalinski 1 , M.S. Kerner 2 Empfehlungen zum Einsatz von anabolen Steroiden im Sport aus der ehemaligen Sowjetunion – Daten aus einem geheimen Dokument Recommendations for androgenic-anabolic steroid use by athletes in the former Soviet Union: revelations from a secret document 1 Exercise Sciences Laboratories, School of Exercise, Leisure and Sport, Kent State University, Kent, Ohio 2 Exercise Physiology Program, Division of Sports Sciences, School of Health Professions, Long Island University, Brooklyn Campus, Brooklyn, New York Die vorliegende Übersicht beschreibt den Inhalt eines geheimen 39seitigen Untersuchungsberichts „zum limitierten Gebrauch“ (1), der staatlich un- terstützte Studien zum Einsatz anaboler Steroide bei Sportlern in der ehe- maligen Sowjetunion beinhaltet. Die Untersuchungen wurden in der Ab- teilung für Trainingssteuerung und Leistungsphysiologie der damals führenden Sportuntersuchungseinrichtung, dem Staatlichen Institut für Körperkultur in Moskau, durchgeführt. Ziele des Berichtes waren: - einen Literaturüberblick zu ermöglichen zur Wirkung von anabolen Steroiden auf die Körperfunktionen und im besonderen die sportliche Leistung. – die Originaldaten geheimer sowjetischer Untersuchungen zu den Wir- kungen von anabolen Steroiden auf Körperfunktionen und sportliche Leistung vorzustellen – Empfehlungen für Leistungssportler zu entwickeln, wie anabole Stero- ide in verschiedenen Sportarten eingesetzt werden können und - diese Empfehlungen auf geheimem Wege unter den Sportinstitutionen des Landes zu verbreiten Auf Dosierungen, Arten anaboler Steroide und Anwendungsverfahren un- ter Berücksichtigung verschiedener Sportarten wird in diesem Manual ebenfalls eingegangen. Die Bedeutung dieses erstmalig im Westen vorge- stellten Dokuments besteht darin, dass zum ersten Mal die Existenz eines staatlich gesteuerten Steroideinsatzes im Sport bewiesen wird. Das Doku- ment gibt ein Beispiel für staatlich geförderte Forschung, auf deren Grund- lage Empfehlungen an verschiedene Institutionen ausgesprochen wurden und war möglicherweise der Ausgangspunkt der raschen Verbreitung ei- ner Verwendung anaboler Steroide unter Athleten der ehemaligen UDSSR. Zusammenfassung Bei Anhörungen vor dem „United States Senate Committee on the Judiciary“ wurde festgestellt, “dass nationale Stati- stiken nahelegen, dass 250.000 bis 500.00 jugendliche Le- ben bedroht sind durch die vielen Gefahren, die mit einem Steroidmissbrauch einhergehen” (4). Neuere Kommentare von Charles Yesalis, einem der führenden Experten im Be- reich des Dopings, besagen, dass sich die Situation nicht ge- bessert hat. Er stellt fest: „Der Gebrauch von leistungsstei- Einleitung gernden Drogen, speziell von anabolen Steroiden durch Sportler ist vermutlich das größte Problem im Sport unserer Tage (12). Obwohl anabole Steroide schon eine ganze Weile im Umlauf sind, kommt es erst heute dazu, dass wir von den ersten Verabreichungen dieser Substanzen an Athleten er- fahren. Ziel dieses Artikels ist es, den Inhalt eines geheimen Do- kumentes aus der ehemaligen UDSSR darzustellen, das Un- tersuchungen zu den Auswirkungen von Steroidgaben beim Menschen beschreibt.
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Page 1: Empfehlungen zum Einsatz von anabolen Steroiden im Sport ... · Tage (12). Obwohl anabole Steroide schon eine ganze Weile im Umlauf sind, kommt es erst heute dazu, dass wir von den

Jahrgang 53, Nr. 11 (2002) DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN 317

Dopingempfehlungen in der ehemaligen Sowjetunion Übersichten

A classified 39-page “for limited use” research report (1) is described in

this article, thus uncovering state-supported research on anabolic-and-

rogenic steroids using athletes as the subjects in the former Soviet Uni-

on. It summarizes research performed in the Research Laboratory of

Training

Programming and Physiology of the Sport Performance at the premier

sport-research institution of the former USSR, The State Central Institu-

te of Physical Culture in Moscow. The purposes of this research report

were to:

1) provide a literature review of effects of anabolic-androgenic steroids

on human body functions including athletic performance;

2) present the original data from secret Soviet research regarding effec-

ts of these drugs on body functions and athletic performance;

3) develop recommendations to sport professionals of how to use ana-

bolic-androgenic steroids in different sports; and

4) secretly circulate those recommendations obtained from these studies

among elite sport institutions in the former USSR.

Dosages, types of anabolic-androgenic steroids, and procedures are in-

cluded in this manual. Sport-specific steroid protocols are also descri-

bed. The importance of this secret document, presented for the first time

in the West, is that it provides the first solid evidence of State collusion

by the USSR in steroid use by athletes. This document exemplified the

state-supported research. It served as the basis for state-supported im-

plementation of the use of anabolic-androgenic steroids in sport by sta-

te institutions and was probably the state approved starting point for the

rapid spread and use of anabolic-androgenic steroids by Soviet athletes.

Summary

M. I. Kalinski1, M.S. Kerner2

Empfehlungen zum Einsatz von anabolen Steroiden im Sportaus der ehemaligen Sowjetunion – Daten aus einem geheimen Dokument

Recommendations for androgenic-anabolic steroid use by athletes in the former SovietUnion: revelations from a secret document

1 Exercise Sciences Laboratories, School of Exercise, Leisure and Sport, Kent State University, Kent, Ohio2 Exercise Physiology Program, Division of Sports Sciences, School of Health Professions, Long Island University,

Brooklyn Campus, Brooklyn, New York

Die vorliegende Übersicht beschreibt den Inhalt eines geheimen 39seitigen

Untersuchungsberichts „zum limitierten Gebrauch“ (1), der staatlich un-

terstützte Studien zum Einsatz anaboler Steroide bei Sportlern in der ehe-

maligen Sowjetunion beinhaltet. Die Untersuchungen wurden in der Ab-

teilung für Trainingssteuerung und Leistungsphysiologie der damals

führenden Sportuntersuchungseinrichtung, dem Staatlichen Institut für

Körperkultur in Moskau, durchgeführt. Ziele des Berichtes waren:

- einen Literaturüberblick zu ermöglichen zur Wirkung von anabolen

Steroiden auf die Körperfunktionen und im besonderen die sportliche

Leistung.

– die Originaldaten geheimer sowjetischer Untersuchungen zu den Wir-

kungen von anabolen Steroiden auf Körperfunktionen und sportliche

Leistung vorzustellen

– Empfehlungen für Leistungssportler zu entwickeln, wie anabole Stero-

ide in verschiedenen Sportarten eingesetzt werden können und

- diese Empfehlungen auf geheimem Wege unter den Sportinstitutionen

des Landes zu verbreiten

Auf Dosierungen, Arten anaboler Steroide und Anwendungsverfahren un-

ter Berücksichtigung verschiedener Sportarten wird in diesem Manual

ebenfalls eingegangen. Die Bedeutung dieses erstmalig im Westen vorge-

stellten Dokuments besteht darin, dass zum ersten Mal die Existenz eines

staatlich gesteuerten Steroideinsatzes im Sport bewiesen wird. Das Doku-

ment gibt ein Beispiel für staatlich geförderte Forschung, auf deren Grund-

lage Empfehlungen an verschiedene Institutionen ausgesprochen wurden

und war möglicherweise der Ausgangspunkt der raschen Verbreitung ei-

ner Verwendung anaboler Steroide unter Athleten der ehemaligen UDSSR.

Zusammenfassung

Bei Anhörungen vor dem „United States Senate Committeeon the Judiciary“ wurde festgestellt, “dass nationale Stati-stiken nahelegen, dass 250.000 bis 500.00 jugendliche Le-ben bedroht sind durch die vielen Gefahren, die mit einemSteroidmissbrauch einhergehen” (4). Neuere Kommentarevon Charles Yesalis, einem der führenden Experten im Be-reich des Dopings, besagen, dass sich die Situation nicht ge-bessert hat. Er stellt fest: „Der Gebrauch von leistungsstei-

Einleitung gernden Drogen, speziell von anabolen Steroiden durchSportler ist vermutlich das größte Problem im Sport unsererTage (12). Obwohl anabole Steroide schon eine ganze Weileim Umlauf sind, kommt es erst heute dazu, dass wir von denersten Verabreichungen dieser Substanzen an Athleten er-fahren.

Ziel dieses Artikels ist es, den Inhalt eines geheimen Do-kumentes aus der ehemaligen UDSSR darzustellen, das Un-tersuchungen zu den Auswirkungen von Steroidgaben beimMenschen beschreibt.

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318 DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN Jahrgang 53, Nr. 11 (2002)

Übersichten Dopingempfehlungen in der ehemaligen Sowjetunion

Die ehemalige Sowjetunion nahm erstmals nach dem 2.Weltkrieg an den Olympischen Spielen von Helsinki 1952 teilund erreichte bald eine dominante Stellung bei den Wett-kämpfen. Der Erfolg des sowjetischen Spitzensportpro-gramms war erstaunlich, es wurde eins der erfolgreichstenSportprogramme aller Zeiten. Eine der Sportarten, bei densowjetische Sportler in Helsinki besonders erfolgreich waren,war das Gewichtheben, wo sie 3 Gold-, 3 Silber- und 1 Bron-zemedaille gewannen. Nach den Olympischen Spielen be-schuldigte der Trainer der amerikanischen Gewichtheber BobHoffman, die sowjetischen Athleten, sie würden Hormoneeinnehmen, um die Kraft zu steigern (13). Diese öffentlichenVorwürfe wurden während der Weltmeisterschaften im Ge-wichtheben 1954 in Wien von dem russischen Mannschafts-arzt Dr. John Ziegler bestätigt (13,14). Unruhe kam bei denOlympischen Spielen in Melbourne 1956 auf, dass mehrereWettkämpfer im Gewichtheben sowie den leichtathletischenWurfdisziplinen Androgene benutzen würden (6). Zu einemder schädlichsten sowjetischen Skandale kam es 1984 beimInternationalen Leichtathletiktreffen in Paris, als TatianaKazankina, eine der besten Leichtathletinnen, die die UDSSRje hervorgebracht hatte, lebenslänglich gesperrt wurde, weilsie sich weigerte, einen Dopingtest auf anabole Steroidedurchführen zu lassen (8). Diese immer wieder kehrendenVerdächtigungen des Testosterongebrauchs von sowjeti-schen Athleten gab es in der westlichen Literatur zuhauf.Doch selbst im Licht der vielen Dopingskandale, die sich umsowjetische Sportler rankten und mehrerer begleitender Ar-tikel, Übersichten und Bücher, die über den Steroidmiss-brauch im Sport erschienen (10,13,14,15,16), konnte keinereine staatliche Geheimarbeit dokumentieren.

Der Verdacht eines Missbrauchs anaboler Steroide durchsowjetische Athleten wucherte bereits seit der 60er Jahre(11,12,14,15,16). Obwohl weiterhin anekdotische Berichtezirkulierten, konnte mit dem Steroidmissbrauch durch ein-zelne sowjetische Sportler nicht die Existenz einer staatlichgeförderten Untersuchung und geheimen Absprache bewie-sen werden.

Sowjetischen Wissenschaftlern, Trainern und Athletenwar es verboten, sich zu dieser Thematik zu äußern, mit derAusnahme gelegentlicher Negierungen, dass es derartige Un-tersuchungen bzw. Dopinganwendungen überhaupt gäbe.Nach dem Zusammenbruch der DDR 1990 konnten einigeGeheimdokumente aufgedeckt werden, die die Existenz einesderartigen staatlichen Geheimprogramms zu hormonellemDoping und Androgenisation von Athleten in der ehemali-gen DDR bewiesen (7).

Bis heute schien es keine klare Evidenz für ähnliche Ak-tivitäten in der UDSSR zu geben. Bis zum Zeitpunkt der Ab-fassung dieses Artikels war Archivmaterial zu Steroidunter-suchungen in der ehemaligen UDSSR nicht einsehbar (15).

In diesem Artikel präsentieren wir jedoch den Inhalt einesgeheimen Untersuchungsberichtes, eines Verschlussdoku-mentes, das 1972 vom Methodischen Büro des Zentralinstitutsfür Körperkultur in Moskau unter dem Namen „AnaboleSteroide und sportliche Leistungsfähigkeit“herausgegebenwurde.

Das Folgende ist eine Beschreibung (übersetzt aus dem Rus-sischen) des Deckblattes (auf dem auch spezifische hand-schriftliche Anweisungen von Beamten der ehemaligen So-wjetunion, die das Dokument an bestimmte Personen ad-dressieren, sowie Informationen des Herausgebers stehen).Dieser Abschnitt ermöglicht einen Abriss einiger Inhalte die-ses Dokuments. Den gesamten Anblick der Titelseite ermög-licht Abbildung 1. Oben steht der Name der Institution, diedieses Dokument herausgegeben hat „Staatliches Zentralin-stitut für Körperkultur“ (Abb. 2). Neben dem Institutsnamen

steht die Bezeichnung der Abteilung „Forschungslabor fürTrainingssteuerung und Leistungsphysiologie“ (Abb. 2). Wei-ter unten findet sich der Vermerk „zum eingeschränkten Ge-brauch“. Die individuelle Nummer der vorliegenden Kopie ist

Beschreibung des geheimenDokuments

Abbildung 1: Gesamtansicht der Titelseite des Dokuments

Abbildung 2: Einrichtung und Abteilungsname

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Jahrgang 53, Nr. 11 (2002) DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN 319

Dopingempfehlungen in der ehemaligen Sowjetunion Übersichten

096 (Abb. 3). Im Zentrum der Titelseite steht der Titel „Ana-bole Steroide und sportliche Leistungsfähigkeit“ mit demUntertitel „Wissenschaftliche und methodische Informatio-

nen“. Unten steht der Name der Abteilung, in der das Doku-ment gedruckt wurde „ Methodisches Kabinett“, die Stadt

„Moskau“ unddas Jahr „1972“(Abb. 5). Informa-tionen des Her-ausgebers, d.h.des staatlichenZentralinstituts

für Körperkultur Moskau und die Adresse sind auf der letz-ten Seite des Dokuments zu finden. (Abb. 6). Auch hier ste-

hen Titel und Untertitel des Dokuments, Namen der Produk-tionsgruppe sowie das Datum der Druckerlaubnis (21. Juli,

1972) und die Anzahlder gedruckten Kopien(Abb. 6). Das Doku-ment umfasst 39 Sei-ten. Lediglich 150 Ko-pien dieses Geheimdo-kuments wurdengedruckt (nur für auto-risierte Personen) undjedes Dokument wurde

mit einer Registriernummer versehen. Auf der Titelseite gibtes mehrere Angaben zur Verteilung dieses Dokuments. Eswurde im Dezember 1972 per Post vom damals drittgrößtenStaatlichen Institut für Körperkultur in Kiew (heutige Ukrai-

ne) empfangen. In der rechten oberen Ecke ist der Eingangvermerkt mit 6. Dezember 1972 und der Registriernummer1408 (Abb. 7). In der oberen linken Ecke steht ein hand-schriftlicher Vermerk des Rektors des Instituts an den Vize-präsidenten und Leiter des Forschungslabors. Er ist unter-schrieben und datiert auf den 7. Dezember 1972 (Abb. 8). Un-ten auf der Titelseite steht ein handschriftlicher Kommentardes Vizepräsidenten, der das Dokument an 4 Personen adres-siert: die Lehrstuhlinhaber der Abteilungen Sportbiochemie,Leistungsphysiologie, und Trainingslehre sowie den Direktordes Untersuchungslabors des Instituts für Körperkultur inKiew (Abb. 9).

Ein weiterer Beweis für die Identität des beschriebenenDokuments ist die Tatsache, dass der erste, der dieses Doku-ment von der Verwaltung des Staatlichen Instituts für Kör-perkultur in Kiew erhielt, der Erstautor dieses Artikels ist, zurdamaligen Zeit Lehrstuhlinhaber der Abteilung Sportbioche-mie. Das Dokument wurde vollständig geheimgehalten undniemals an die weiteren in der Liste angegebenen Empfän-ger weitergegeben. Die Entscheidung, diese Enthüllungenpreiszugeben, erfolgte erst, nachdem ein gesicherter Status -amerikanische Staatsbürgerschaft - erreicht wurde, 28 Jahrenach Erhalt dieses Dokuments.

Das Dokument enthält eine Reihe wissenschaftlicher Berich-te, die Zeiten und Dosierungen für die Verabreichung vonandrogen-anabolen Steroiden bei Menschen (Sportlern) lie-

Inhalt des Dokuments

Abbildung 3: Die Kennzeichnung “Für eingeschränkten Gebrauch” und dieNummer der Kopie

Abbildung 4: Titel und Untertitel des Dokuments

Abbildung 5: Abteilung, in der das Dokument ge-druckt wurde

Abbildung 6: Name und Adresse des Herausgebers, Hinweise auf die aus-führenden Personen

Abbildung 7: Registrationsnummer des Do-kuments und Datum der Einreichung

Abbildung 8: Anweisungen des Rektor (Hochschulpräsident) zur Durch-führung der Empfehlungen des Dokuments

Abbildung 9: Anweisungen des Vizepräsidenten zur Durchführung der Emp-fehlungen des Dokuments

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320 DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN Jahrgang 53, Nr. 11 (2002)

Übersichten Dopingempfehlungen in der ehemaligen Sowjetunion

fern sowie die Methoden und Ergebnisse von Untersuchun-gen am Forschungslabor für Trainingssteuerung und Lei-stungsphysiologie des Zentralinstituts für Körperkultur inMoskau. Es enthält die folgenden Kapitel:• Einleitung• Anabolika und Ausdauer• Anabolika und Kraft• Anabolika und sportliche Leistung• Anabolika und Wettkampfergebnisse• Dosierungen von Anabolika• Mögliche Nebenwirkungen• EinnahmekontrollenEs gibt keinerlei Hinweise darauf, dass irgendeine der er-wähnten Untersuchungen den allgemeinen ethischen Richt-linien für Humanversuche entsprach (z.B. vorherige Auf-klärung, Einverständniserklärung etc.).Im folgenden sollen einige ausgewählte Daten vorgestelltwerden.

Anabolika und AusdauerDer Abschnitt „Anabolika und Ausdauer“ beinhaltet Datenvon 3 getrennten Studien, die 1971-1972 durchgeführt wur-den. Ziel dieser Untersuchungen waren die Wirkungen desSteroids „Nerobol“, besser bekannt als „Dianabol“, aufverschiedene morphologische, biochemische und physiolo-gische Variablen und Tests. International bekannt ist dieSubstanz auch unter Methandienon (Methandrostenolol), derbiochemische Name lautet 17α-Methyl-17β-hydroxy-1,4-androstandien-3-on.

Die erste Studie wurde während eines 20tägigen Trainingsin einer Höhe von 1700 m Höhe durchgeführt. Ziel dieser Un-tersuchung waren die Auswirkung von Nerobol zum einenauf eine mögliche Leistungssteigerung und erhöhte Trai-ningsbereitschaft von Biathleten sowie zum anderen auf denEisen- und Aminosäure (Methionin)-Stoffwechsel. Die beob-achteten Parameter umfassten anthropometrische Messun-gen, Erythrozytenzahl, Hb-Konzentration, eine Abschätzungder VO2max, Beurteilung der Lungenfunktion sowie ver-

schiedene Leistungstests (Hf, push-ups, step-test). Die Studieergab eine signifikante Zunahme von Oberarm- und Wa-denumfang bei den Athleten, die Nerobol einnahmen, ge-genüber einer Gruppe mit Placebo (Tab. 1). Ebenso wurde un-ter Nerobol eine Zunahme der VO2max sowie ein deutlicherAnstieg von Hb-Konzentration (13%) und Erythrozytenzahlberichtet. Der Bericht bestätigt, dass eine gesteigerteErythropoiese ein wichtiger Steroideffekt ist. Weiterhin wur-de festgestellt, dass es bei Athleten, die Nerobol einnahmen,zu einer erniedrigten Ruheherzfrequenzvariabilität kam.

Die in dieser Studie angewandten Methoden sind oft nichtganz durchsichtig beschrieben und es fehlen häufig direkteMessungen (Abschätzung der VO2max). Trotz dieser Mängel beteuert das Dokument, dass Nerobol die sportliche Lei-stungsfähigkeit von Biathleten erhöht über eine Zunahmeder Muskelmasse, der VO2max und der HB-Konzentration,die myokardiale Funktion verbessert und die Erholung be-schleunigt.

Die zweite Studie im Kapitel “Anabolika und Ausdauer”wurde 1972 an Ruderern durchgeführt. Die Athleten erhiel-ten Nerobol über 20 Tage mit einer Gesamtdosis von 300 mg.Leider sind die einzelnen Originaldaten hier nicht aufgeführtsondern lediglich die Schlussfolgerung, dass Sportler, dieNerobol nahmen, Volumen und Intensität des Trainings stei-gerten sowie im Vergleich mit Kontrollen eine Zunahme derVO2max und der kontraktilen Aktivität des Myokards zeig-ten. Am wichtigsten aus sportlicher Sicht ist vielleicht dieTatsache, dass die Ruderer, die Dianabol eingenommen hat-ten, die Ruderer der Kontrollgruppe im Wettkampf schlugen.

Die dritte Untersuchung, die in diesem Kapitel beschrie-ben wird, wurde 1971 an Basketballern, Studenten am Zen-tralinstitut für Körperkultur, durchgeführt. Die Untersu-chungsgruppen erhielten während einer 30tägigen Trai-ningsperiode mit 7 Basketball/Gewichthebe-Einheiten proWoche entweder Nerobol oder das injizierbare Steroid Reta-bolil. Wieder fehlen die Originaldaten, aber es wird festge-stellt, dass die Sportler, die Steroide erhielten, Umfang undIntensität des Trainings sowie die VO2max erhöhten.

Variable

Körpergewicht (kg)

LBM (kg)

LBM (%)

Oberarmumfang(cm)

Wadenumfang(cm)

Gesamtfett (kg)

Fett (%)

Rückenkraft (kg)

vor

71,0

62,5

88,0

30,2

54,8

10,9

14,5

169,7

nach

71,7

63,52

88,5

30,0

55,2

10,0

12,4

140,0

vor

76,3

65,5

85,6

32,2

56,8

8,5

12,0

191,1

nach

79,03

69,03

87,71

33,53

58,53

8,11

11,51

136,61

Tabelle 1: Auswirkungen eines oralen anabolen Steroids (Nerobol) auf anthropometrische Messdaten von Sportlern

1 = p<0,05; 2 = p<0,01; 3 = p<0,001Statistische Differenz beim Vergleich vor und nach BehandlungSteroiddosierung = 15mg/Tag über 30 Tage (450mg total)Trainingsinhalt = GewichthebenAlle Probanden waren Studenten des Sportinstitutes

Gewicht (kg)

Fettanteil (%)

LBM (kg)

Rückenkraft (kg)

PWC 170 (kgm*min)

VO2 max (ml/min)

max. Kontraktions-geschwindigkeit –Gastrocnemius (m/s)

vor

74,4

13,0

61,5

170,0

1226

3325

120

nach

76,6

11,7

65,23

192,8

1282

3420

130

vor

78,4

8,8

69,4

169,4

1287

3429

143,7

nach

81,43

8,32

72,93

189,62

14231

36601

123,71

Tabelle 2: Wirkungen eines injizierbaren anabolen Steroids (Retabolil) aufanthropometrische und physiologische Parameter von Sportlern

1 = p<0,05; 2 = p<0,01; 3 = p<0,001Statistische Differenz beim Vergleich vor und nach BehandlungSteroiddosierung = 4 Injektionen von je 50mg/Tag über 30 Tage(200mg total)Trainingsinhalt = GewichthebenAlle Probanden waren Studenten des Sportinstitutes

Placebo Steroid

Placebo SteroidVariable

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Jahrgang 53, Nr. 11 (2002) DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN 321

Dopingempfehlungen in der ehemaligen Sowjetunion ÜbersichtenAnabolika und KraftDas Kapitel „Anabolika und Kraft“ enthält Daten einer sepa-raten Originaluntersuchung, die in den Sportarten Gewicht-heben, Kraftgymnastik (vergleichbar dem westlichen Body-building) und Leichtathletik durchgeführt wurde. Ziel dieserUntersuchung waren die Auswirkungen des Steroids Nerobolin Dosierungen von 15 mg/Tag bis 30 mg/Tag mit einer Ge-samtaufnahme von 450 mg (Tab. 2) und des injizierbarenandrogen-anabolen Steroids Retabolil/Deca-Durabolin, ge-geben in 4 Injektion à50 mg/Tag über einePeriode von 30 Tagen(200 mg total) (Tab. 3),auf verschiedene mor-phologische, bioche-mische und physiolo-gische Tests.

Die Ergebnissezeigten eine signifi-kante Zunahme desKörpergewichts undder fettfreien Körper-masse in der Gruppemit Nerobol verglichen mit den Ausgangsbedingungen (Tab.2). Bei einer Gruppe von Sportlern, die keine Anabolika ein-nahmen, unterblieb diese Zunahme des Körpergewichts.Weiterhin ergab die Studie eine Zunahme des Oberarm- undWadenumfangs unter Nerobol sowie eine erhöhte Kraft derRückenmuskulatur. Retabolil unterstützte besonders die Ver-änderung der Körperzusammensetzung und funktionellerParameter der Sportler (Tab. 3).

Die Studie bestätigt, dass die Gabe von Nerobol und Re-tabolil/Deca-Durabolin einen schnellen Anstieg von mor-phologischen und funktionellen Parametern bewirkt, die fürdas sportliche Training von Bedeutung sind .

Anabole Steroide und sportliche LeistungDieser Abschnitt des Berichtes stellt fest, dass anabole Stero-ide das subjektive Empfinden, kräftiger zu sein, erhöhen, denAppetit steigern, ei-ne positive Stim-mung vermittelnund den Wunschauslösen härter zutrainieren. Zusätz-lich kam es zu einervollständigerenRegeneration nachden einzelnen Trai-ningseinheiten.Diese Ergebnisseunterstrichen, war-um anabole Stero-ide höhere Trai-ningsbelastungenund damit besseresportliche Ergeb-

nisse erlauben. Als Beispiel für die Veränderungen der sport-lichen Leistung sind die Werte eines Speerwerfers in Tabelle4 zusammengefasst. Der Athlet, der insgesamt 210 mg Ner-obol während einer 2wöchigen Periode aufnahm, war in derLage, seinen Trainingsumfang signifikant zu steigern (bis zu150 Speerwürfen/Tag mit einer Gesamtsumme von 1140Würfen während der 2 Wochen). Der Athlet verbesserte sichin allen kontrollierten Tests: Schulterpresse, Bankdrücken,Kniebeugen, Wurf aus dem Stand, 30m-Sprint und Stand-weitsprung (Tab. 4). Ein anderes Beispiel in diesem Abschnittzeigt die Saisonbestleistun-gen eines Leichtathleten so-wohl bei Tests wie auch inseiner Sportart nach Injek-tionen von Retabolil/Deca-Durabolin. Dieser Abschnittenthält weiterhin ein klaresStatement, dass aufgrundder Ergebnisse dieser Unter-suchungen bei der Verabrei-chung von anabolen Stero-iden an (Spitzen)sportler vorallem beim Gewichthebeneine extreme Leistungsstei-gerung bereits nach 3 Wo-chen erreichbar sei. Das spe-zielle „Hochdosierungssche-ma“, das für derartigeErgebnisse notwendig sein soll, ist in Tabelle 5 aufgezeigt.Die Auswirkungen des „Hochdosierungsschemas“ im Detailstehen auf Seite 36 des Originaldokuments und sind hier inTabelle 6 zusammengefasst. Die Idee eines derartigen Sche-mas war ausgehend von einer relativ niedrigen Dosis Nero-bol (5 mg/Tag) die Dosis während einer 10-12tägigen Peri-ode jeden Tag um 5mg/Tag zu steigern. Einfache Berech-nungen zeigen, dass miteinem derartigen Dosie-rungsschema der Athlet ca.390 mg Nerobol in wenigerals 2 Wochen aufnahm.Das Hochdosierungssche-ma erwies sich als beson-ders effektiv in der Kraft-zunahme. Gleichzeitigwird berichtet, dass die Sportler guter Stimmung wären, be-gleitet von einem Nachlassen der Angst, ein bestimmtes Ge-wicht im Wettkampf nicht bewältigen zu können, was me-daillenträchtige Leistung begünstigt. Nach subjektiver Mei-nung der Sportler hielt der kumulative Effekt von Nerobolnach diesem Dosierungsschema ungefähr 10-12 Tage an. DieAutoren berichten, dass 10-12 Tage nach Beendigung desHochdosierungsschemas die Trainingsroutine schwer fiel,die Leichtigkeit des Trainings verschwand, ebenso wie diegute Laune und die rasche Erholungsfähigkeit.

Die Autoren gestehen ein, dass die Sportler nach Erfüllungdes Hochdosierungsschemas ernste Probleme haben und de-finieren diese als Sucht. Auf Seite 37 des Dokuments berich-

Elite

Nicht-Elite

AbsoluterAnstieg

15 kg

50 kg

prozentualerAnstieg

2,5

10

Tabelle 6: Wirkungen des Hochdosie-rungsschemas von Nerobol (s. Tab. 5)auf die Leistung von Gewichthebern imOlympischen Dreikampf (Gesamtlei-stung)

Tag

123456789101112

Total

Dosierung (mg)

51015202530354045505560390

Tabelle 5: Spezielles „Hochdosier-ungsschema (Nerobol) für die Vor-Wettkampfphase von Gewichthebern

Variable

Schulterpresse (kg)

Bankdrücken (kg)

Kniebeugen (kg)

Speerwurf aus demStand (m)

30 m Sprint (sec)

Standweitsprung (cm)

absoluterAnstieg

10,0

5,0

10,0

6,0

0,1

10,0

prozentua-ler Anstieg

10,0

4,0

5,0

11,5

2,5

3,4

Tabelle 4: Wirkungen eines oral verabreichtenanabolen Steroids (Nerobol) auf ausgewählte Lei-stungsdaten von Speerwerfern der Spitzenklasse

Anzahl der Würfe/Tag = 150Gesamtanzahl der Würfe innerhalb der 2 Trainingswochen = 1140Anstieg des Körpergewichts = 2,5kg in 2 WochenDosierung = 15mg/d über 14 Tage(210mg total)

Variable

∆ Oberarmumfang (cm)

∆ Wadenumfang (cm)

Placebo

-0,02

0,3

Steroid

0,891

1,222

Tabelle 3: Wirkungen eines oral verabreich-ten anabolen Steroids (Nerobol) auf anthro-pometrische Messdaten von Biathleten

1 = p<0,05; 2 = p<0,02Dosierung = 15mg/Tag für 20 Tage(300mg total)Trainingsinhalt = 5-6 Stunden/TagAufstieg von 1700 m auf 4000 m Höheund Wiederabstieg

Page 6: Empfehlungen zum Einsatz von anabolen Steroiden im Sport ... · Tage (12). Obwohl anabole Steroide schon eine ganze Weile im Umlauf sind, kommt es erst heute dazu, dass wir von den

322 DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN Jahrgang 53, Nr. 11 (2002)

Übersichten Dopingempfehlungen in der ehemaligen Sowjetunion

ten die Autoren offen über die Sportler als „Drogensüchtige“und stellen fest, dass einige von ihnen zu Sklaven der ana-bolen Steroide würden. Trotzdem betonen die Autoren kurznach dieser Feststellung „Unsere experimentellen Daten er-lauben, die Injektion von Retabolil für Spitzensportler so-wohl in Ausdauersportarten wie auch im Gewichtheben, Bo-xen und Ringen zu empfehlen, ja auch für Gymnasten undFechter. Injektionen von Retabolil/Deca-Durabolin, ebensowie die Einnahme von Nerobol, begünstigen eine Zunahmeder sportlichen Leistung und die Beschleunigung der Rege-neration, vermitteln ein Gefühl zunehmender Kraft, steigernden Appetit, vermitteln eine positive Stimmung und lösenden Wunsch aus, mehr zu trainieren. Die sportlichen Ergeb-nisse werden dadurch verbessert.“

Die Kosten für diese gesteigerte Leistungsfähigkeit wer-den nur wenig beachtet. Empfehlungen für die Verabrei-chung von Nerobol und Retabolil/Deca-Durabolin sind inTabelle 7 und 8 gegeben.

Mögliche NebenwirkungenIn diesem Abschnitt des Dokument sind die Nebenwirkungender anabolen Steroide aufgezählt (Tab. 9). Es sollte erwähntwerden, dass nach Meinung der Autoren diese Nebenwir-kungen möglicherweise nur dann auftreten, wenn die emp-fohlenen Dosierungen oder Einnahmezeiten überschrittenwerden.

Als ein ostdeutsches Forschungsprogramm zum perfektenAnabolikaeinsatz bei Olympischen Spitzensportlern aufge-deckt wurde, war die Erwartung groß, dass noch mehrere sol-che Enthüllungen folgen würden (5). Es scheint heute, dassdiese Annahme zu optimistisch war. In den vergangenenzwei Dekaden kam es zu keiner einzigen weiteren Enthül-lung.

Dies heißt allerdings nicht notwendigerweise, dass esähnliche Geheimprogramme in den übrigen Ostblockstaatennicht gab, sondern eher, dass die betroffenen Wissenschaft-ler aus verschiedenen Gründen nicht gewillt waren, über die-se Thematik zu sprechen. Die Sicherheitsmaßnahmen, die inden sogenannten totalitären Staaten routinemäßig ange-wandt werden, sind für die westliche Welt nur schwer beur-teilbar. Von 1940-1980 wurden die Bemühungen von Wis-senschaftlern, Journalisten, Athleten und Trainern, in derfreien Presse irgendwelche Enthüllungen über den Einsatzvon Steroiden zu äußern, mit Sicherheit durch die Autoritä-ten dieser totalitären Staaten verhindert. Ein sowjetischerWissenschaftler, der zu dieser Zeit versucht hätte, ein ent-sprechendes Dokument in den Westen zu schmuggeln, wäreals Verräter angesehen worden, angeschuldigt des Enthüllensvon Staatsgeheimnissen und hätte mit Sicherheit eine harteStrafe wie Inhaftierung (oder wenigstens Einschränkungenim öffentlichen Leben) hinnehmen müssen. Dies könnte viel-

Diskussion

Einzeldosis:

Ziel 1:Dosierung:

Zeitplan:

Ziel 2:

Dosierung:

Zeitplan:

Jährl. Dosierung:

Injektionsort:

Injektionsvolumen 1ml ölige Lösung mit 50mg Reta-bolil

Anstieg von Muskelmasse und sportlicher LeistungEine Injektion alle 10 Tage, wenn KG > 80 kg Eine Injektion alle 7 Tage, wenn KG > 80kgEmpfohlene Verabreichungszeit: 4 Wochen

Empfohlene Pause zwischen zwei Verabreichungspe-rioden: nicht weniger als 1 Monat

Anstieg der sportl. Leistung ohne Zunahme der Mus-kelmasse

Eine Injektion alle 14 Tage

Empfohlene Verabreichungszeit: 4 WochenEmpfohlene Pause zwischen zwei Verabreichungspe-rioden: nicht weniger als 1 Monat

1200mg/ Jahr, bei Aufnahme von 200mg/ Monat

Empfohlen werden M. gluteus max. oder quadriceps

Tabelle 8: Zusammenfassung der empfohlenen Dosierungen eines injizierba-ren anabolen Steroids, entsprechend der Angaben des Dokumentes für sowj.Sportler

Es wird den Sportlern zusätzlich empfohlen, die Aufnahme an Protei-nen, Vitaminen und Mineralstoffen während der Steroidbehandlung zuerhöhen

Fortpflanzungssystem• erhöhte Libido• verzögerte Spermienproduktion• Abnahme der Spermienproduktion• Impotenz• Sterilisation• Bei jugendlichen Sportler: vorzeitige Pubertät, vergrößerte Ge-

schlechtsorgane

Leber• Akkumulation toxischer Stoffwechselprodukte

Andere allgemeine Nebenwirkungen• Kopfschmerzen• Schlaflosigkeit• Gewichtsabnahme• Hautausschlag• Ödeme• tendenzieller Abfall des arteriellen Blutdrucks• Muskelverletzungen als Folge der Kraftzunahme• Bänder- und Sehnenschwäche als Folge der relativen Zunahme

der Muskelkraft

Tabelle 9: Zusammengefasste Aufzählung der Nebenwirkungen von oralenund injizierbaren anabolen Steroiden*

*Es wird den Sportlern zusätzlich empfohlen, die Aufnahme an Protei-nen, Vitaminen und Mineralstoffen während der Steroidbehandlung zuerhöhen

Einzeldosis:

Dosierung:

Ziel 1:

Zeitplan:

Ziel 2:

Zeitplan:

Zyklen/Jahr

Tablettengröße: 5mg

• bis zu 15mg/d bei einem KG von 80kg oder höher• 10 mg/d bei einem KG < 80 kg•15 mg/d bei hochintensivem Training und KG< 80kg

Anstieg der Muskelmasse und der sportlichen Leistung:Einnahme bei entsprech. Dosierung jeden Tag Empfohlene Einnahmezeit: nicht länger als 4 WochenEmpfohlene Pause zwischen zwei Einnahmeperioden:nicht weniger als 2 Wochen

Anstieg der sportlichen Leistung ohne Zunahme derMuskelmasse: Einnahme jeden 2. Tag Empfohlene Einnahmezeit: 4 WochenEmpfohlene Pause zwischen zwei Einnahmeperioden:nicht weniger als 2 Wochen

Für beide Behandlungsregime nicht mehr als 5-6 malpro Jahr

Tabelle 7: Zusammenfassung der empfohlenen Dosierungen für orale Verab-reichung von anabolen Steroiden, entsprechend der Angaben des Dokumen-tes für sowj. Sportler

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Dopingempfehlungen in der ehemaligen Sowjetunion Übersichtenleicht teilweise erklären, wie die Geheimhaltung erfolgreichwar. Hinzukommt, dass lediglich 150 Kopien des Dokumen-tes gedruckt wurden und im Umlauf waren. Trotz einer ho-hen Zahl ein Teilnehmern konnte die Geheimhaltung desOstdeutschen Steroidprogramms “Staatsplan 14.25” gewähr-leistet werden (7).

Einer der beschuldigten Wissenschaftler enthüllte, dassan dem ostdeutschen Projekt zwischen 1000 bis 1500 Wis-senschaftler, Ärzte und Trainer beteiligt waren (5), obwohldie Bevölkerung zu dieser Zeit lediglich ungefähr 17 Millio-nen Menschen umfasste. Im Vergleich dazu hätte man beieiner derartigen Supermacht, wie sie die UDSSR mit einerEinwohnerzahl von ca. 190 Millionen darstellt, eine weitausgrößere geheime Doping-Maschinerie erwarten können.

Will man diese Überlegungen in einen historischen Kon-text stellen, so muss bedacht werden, dass alle Anordnun-gen, derartige Untersuchungen durchzuführen und zu finan-zieren von einem hoch zentralisierten und geheimorgani-sierten System gegeben wurden. Untersuchungen zu denmedizinischen und biologischen Aspekten des Sportes warenintegraler Bestandteil einer Sportlerkarriere in der ehemali-gen Sowjetunion. Sie wurden durchgeführt in mehr als 28staatlichen Instituten der Sportlehre und der Forschung inder Sportwissenschaft. Offiziell negiert die Sowjetunion dieVerbreitung und Verabreichung von anabolen Steroiden anSportler. Aus dem vorliegenden Bericht ist allerdings offen-sichtlich, dass Untersuchungen mit anabolen Steroiden, beidenen Sportler die Probanden waren, in der ehemaligenUDSSR durchgeführt wurden, zumindest von 1971-1972. Al-le Vorgänge in der ehemaligen UDSSR waren hoch zentrali-siert, es war verpflichtend, dass jeder jährliche oder auch5Jahresuntersuchungsplan aller Sportinstitutionen im Landin einen Gesamtplan eingegliedert wurde, der von den höch-sten Offiziellen der Moskauer Sportregierung vor der Einset-zung genehmigt wurde. Es ist höchst unwahrscheinlich, dasskritische Entscheidungen über Finanzierung oder Ansetzungvon Untersuchungsprogrammen zu anabolen Steroiden vomStaatlichen Zentralinstitut für Körperkultur in Moskau ge-fällt wurden ohne die Kenntnis oder die Zustimmung derführenden Regierungsvertreter.

Verständlicherweise stellt dieses spezielle Dokument nurein kleines Beispiel der Steroiduntersuchungen, die zu je-ner Zeit durchgeführt wurden, dar. Auch waren sportbezo-gene pharmakologische Studien meist auf die russischenForschungsinstitute konzentriert und weniger auf Instituteder übrigen Sowjetunion. Nach dem Zusammenbruch derUDSSR blieb der Ort der meisten geheimen Untersuchun-gen im Herz der ehemaligen Sowjetunion in Moskau. ImRussland nach der Sowjetunion bestand höchstwahr-scheinlich für ehemalige sowjetische Sportwissenschaftler,die sich mit Anabolikauntersuchungen beschäftigt hatten,kein Druck durch die russische Regierung ihre Positionenaufzugeben. Es ist auch möglich, dass einige Sportoffiziel-le und Wissenschaftler, die für derartige Geheimprogram-me verantwortlich waren, auch lang nach der Auflösungder UDSSR ihre Spitzenpositionen behielten. Starke Für-sprecher des Anabolikaeinsatzes gab es aber nicht nur in

den Ostblockstaaten sondern auch unter einflussreichenÄrzten im Westen (9).

Es war in Sportlerkreisen allgemein bekannt, dass ein Er-folg bei den Olympischen Spielen den Athleten, Trainern,Wissenschaftlern und Sportfunktionären große Privilegienin der DDR und der UDSSR ermöglichte. Diese Privilegienumfassten: Prestige auf Staatsniveau, teure Geschenke, Au-tos, Wohnungen, Stipendien, erhöhte Bezüge und ausgiebi-ge Reisen ins westliche Ausland (7).

Nach dem Sturz der ostdeutschen Regierung „verschwan-den“ alle belastenden Dokumente hinsichtlich Untersuchun-gen zu anabolen Steroiden aus den Bibliotheken, wo sie hät-ten liegen sollen (5,7). Möglicherweise erlitten viele der ge-heimen Fäden aus der ehemaligen UDSSR ein ähnlichesSchicksal und das einzige überlebende, hier beschriebeneDokument zeigt nur einen kleinen Einblick dessen, was ak-tuell während der Jahre passierte, wo die Sowjetunion dieOlympischen Spiele dominierte.

Es sollte daraufhingewiesen werden, dass die Studien,die in diesem Report beschrieben werden, einige Mängelaufweisen. So waren z.B. die Studienteilnehmer nicht ran-domisiert und es gab keine Kontrollgruppen hinsichtlichder Energie- und Proteinaufnahme. Bhasin et al. (3) fassteneinige nicht-sowjetische Originalarbeiten zur Anabolika-wirkung zusammen und stellten ebenfalls Mängel hinsicht-lich einer Kontrolle von Energie- und Proteinaufnahme so-wie das Fehlen einer Standardisierung des Belastungsreizesfest.

Manch einer wird argumentieren, dass der Anabolikamiss-brauch weit verbreitet ist und dass die aktuelle Situation imWesten nicht anders als in der ehemaligen Sowjetunion ist.Und dennoch gibt es einen wesentlichen Unterschied zwi-schen Ostdeutschland und der ehemaligen Sowjetunion ge-genüber westlichen Ländern. Im Westen finanziert nicht dieRegierung menschliche Versuche mit anabolen Steroiden zurLeistungssteigerung im Sport. Der Gebrauch dieser Substan-zen ist hier verboten und wird nicht gefördert.

Bahrke berichtete, dass von 1991 bis 1994 185 Untersu-chungen zum Drogenhandel und anabolen Steroiden durchdie „United States Drug Enforcement Administration“ initie-ert wurden (3). Athleten, die sich dafür entscheiden, Steroidezu nutzen, machen dies auf eigene Initiative ohne Unter-stützung oder Zustimmung von Regierungsgremien. Das hiervorgestellte Dokument macht klar, dass es in der ehemaligenSowjetunion eine völlig andere Situation gab – die Regie-rung sponserte wissenschaftliche Bemühungen, die augen-scheinlich nicht den allgemeinen Normen für Humanversu-che entsprachen.

Durch Regierungskanäle wurden die Untersuchungser-gebnisse unter den Spitzensportzentren der ehemaligenUDSSR verbreitet, Sportfunktionäre, Trainer und Athletenwurden beraten, ihnen wurde empfohlen, sie wurden ermu-tigt, wenn nicht sogar aufgefordert, zu anabolen Steroidenzu greifen. In Ostdeutschland z.B. wurde berichtet, dass esPflicht für jeden Athleten, der an den Olympischen Spielen1988 in Seoul teilnehmen wollte, war, anabole Steroide ein-zusetzen (5).

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Übersichten Dopingempfehlungen in der ehemaligen Sowjetunion

Das Geheimdokument, das hier beschrieben wird, beweist dieExistenz von staatlich geförderten Studien zu den Auswir-kungen anaboler Steroide auf morphologische, biochemi-sche und physiologische Variablen von Sportlern sowie ihresportspezifische Leistung in der ehemaligen Sowjetunion.Die Studien wurden durchgeführt im Untersuchungslabor fürTrainingssteuerung und Leistungsphysiologie des Staatli-chen Zentralinstituts für Körperkultur in Moskau und hättennicht durchgeführt und finanziert werden können ohne Re-gierungsorder. Ziel der Studien war der Einfluss von Diana-bol und Retabolil/Deca-Durabolin auf verschiedene morpho-logische, biochemische und physiologische Variablen unddie sportliche Leistung von Sportlern in verschiedenenSportarten. Das Dokument kommt zu der Schlussfolgerung,dass die Verabreichung dieser Substanzen zu einer Zunahmeder sportlichen Leistung führt, die Regeneration beschleu-nigt, ein Gefühl von Kraft verleiht, den Appetit erhöht, einepositive Stimmung bewirkt und den Wunsch auslöst, mehrzu trainieren. Konsequenterweise werden bessere sportlicheErgebnisse erzielt.

Es werden detaillierte Empfehlungen für den Steroidge-brauch in verschiedenen Sportarten gegeben, im besonderenfür Sportler der Ausdauer- und Kraft-betonten Sportarten.Ethische Überlegungen scheinen weniger bedeutsam, unse-rer Information nach wurde keine Einverständniserklärungeingeholt, hohe Dosierungen wurden für das Gewichthebenempfohlen und beobachtete Nebenwirkungen herunterge-spielt.

Die Ergebnisse und Empfehlungen aus dieser Studie wur-den geheim unter den Spitzensporteinrichtungen der ehe-maligen Sowjetunion verbreitet. Die Information war geheimund nur auserwählten Gruppen zugängig. Die Verbreitungdieser Information durch das Zentralinstitut für Körperkul-tur in Moskau an die verschiedenen Spitzensporteinrichtun-gen der ehemaligen UDSSR schien als Basis für den Einsatzvon Anabolika in den verschiedenen Institutionen zu dienenund war möglicherweise auch der Keim für die schnelle Ent-wicklung eines Anabolikamissbrauch an anderen Orten. Alssolches hat das Dokument wichtige historische wie auch wis-senschaftliche Bedeutung.

DanksagungWir danken Dr. Christopher Dunbar (Brooklyn College,CUNY, Brooklyn, NY) ganz herzlich für seine Unterstützungbei der Revision dieses Manuskriptes.

Schlussfolgerungen1. Anabolic steroids and sport capacity. (scientific and methodological in-

formation). 1972. Methodological cabinet, Moscow: State Central Insti-tute of Physical Culture, 39p.

2. Bahrke MS: International conference on abuse and trafficking of anabolicsteroids. Int J Drug Policy 5 (1994)1, 23-26.

3. Bhasin S, Storer TW, Berman N, Callegary C, Clevenger B, Phillips J, Bun-nell TJ, Tricker R, Shirazi A, Cassaburi R: The effect of supraphysiologicdoses of testosterone on muscle size and strength in normal men. N EnglJ Med 335 (1996) 1-7.

4. Biden J: Opening statement. Steroids in amateur and professional sports– the medical and social costs of steroid abuse. In: U.S. Senate Commit-tee on the Judiciary hearing, Washington: U.S. Government Printing Offi-ce, 1990, 101-104.

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10. Kalinski MI: Doping, politics and sport. Svoboda Newspaper, Jersey Cityand New York, Friday, August 9, 1991.

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exercise. 2nd edition. Human Kinetics, Champaign, Illinois, 2002, p 493.

Deutsche Übersetzung: U. Künstlinger

Korrespondenzadresse:Michael I. Kalinski, Ph.D., FACSM

Exercise Sciences LaboratoriesKent State University

School of Exercise, Leisure, and SportP.O. Box 5190

Kent, Ohio 44242Fax (330) [email protected]

Literatur


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