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Funktionen desHumanismus - uni-regensburg.de · of the later Renaissance is difficult because...

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Funktionen des Humanismus Studien zum Nutzen des N euen in der humanistischen Kultur Herausgegeben von Thomas Maissen und Gerrit Walther SONDERDRUCK WALLSTEIN VERLAG 2006
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Funktionendes HumanismusStudien zum Nutzen des N euenin der humanistischen Kultur

Herausgegeben vonThomas Maissen und Gerrit Walther

SONDERDRUCK

WALLSTEIN VERLAG 2006

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HARRlET RUDOLPH

Humanistische Feste?

Habsburgische Festkulturin der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts

Humanismus und Festkultur gehören nicht den Themenfeldern, dieinnerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft gemeinhin zusammenverhandelt werden. Sie stellen vielmehr Untersuchungsgegenstände weit-gehend eigenständiger Forschungszweige dar, die sich nur im Werk weni-ger Historiker überschneiden, obwohl - das ist bekannt - Humanistenoder humanistischen Kreisen nahestehende Gelehrte und Künstler aufdie Ausgestaltung von höfischen Festen Einfluß nahmen oder selbst Fest-programme entwarfen.' Die frühen Humanisten wie auch die Historikerund Literaturwissenschaftler, die sich mit ihnen auseinandersetzten, be-schäftigten sich primär mit Texten, denn es war der Text, der beiden Sei-ten als geeignetes Medium für den Transport von Ideen galt, nicht dasBild, dem höchstens eine dienende Funktion zugewiesen wurde.2 Beider Erforschung von Festkulturen ist man jedoch in starkem Maße aufdie bildliche Überlieferung angewiesen, vermitteln doch die erhaltenen

I So bei Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien. Essen 1996 (zuerstBasel 1860); Richard Alewyn/ Karl Sätzle, Das große Welttheater. Die Epoche derhöfischen Feste in Dokumenten und Deutungen. Hamburg 1959; siehe auch RoyStrong, Art and Power - Renaissance Festivals 1450-1650. Woodbridge/Suffolk1984; Pierre Bthar, Image et spectacle: actes du XXXIIe Colloque Internationald'Etudes Humanistes du Centre d'Etudes Superieures de la Renaissance (Tours,29 juin - 8 juillet 1989). Amsterdam 1993.

2 Charles Hope/ Elizabeth McGrath, Artists and Humanists, in: Jill Kraye (Ed.), TheCambridge Companion to Renaissance Humanism. Cambridge 1996, 161; Noel L.Brann, Humanism in Germany, in: Albert Rabil Jr. (Ed.), Humanism beyond Italy.(Renaissance Humanism: Foundations and Legacies, Bd. 2.) Philadelphia 1988,123-155, hier 131. In der kunsthistorischen Forschung wird auch die These vertreten,daß der Humanismus für eine AufWertung des Bildes als Argumentationsmittelverantwortlich sei, dies betrifft aber höchstens jene Humanisten, die sich intensivmit Bildern auseinandersetzten und diese waren gerade in der ersten Generationder Humanisten deutlich in der Minderzahl. Andreas Tönnesmann, Gab es einespäthumanistische Kunst? Zur Statuenausstattung der Piazza della Signoria inFlorenz, in: Notker Hammerstein / Gerrit Walther (Hrsg.), Späthumanismus.Studien über das Ende einer kulturhistorischen Epoche. Göttingen 2000, 263-286, hier 263. Vgl. dazu Michael Baxandal~ Giotto and the Orators. HumanistObservers of Painting in Italy and the Discovery of Pictorial Composition (1350-1450). Oxford 1971.

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HUMANISTISCHE FESTE?

Texte nur eine rudimentäre Vorstellung von den ganz unterschiedlicheWahrnehmungssinne gleichzeitig ansprechenden Festinszenierungen anden europäischen Fürstenhöfen der Renaissance.

Die Kunstgeschichte als Fach, das sich sui generis mit der Interpreta-tion von Bildern beschäftigt, widmete sich in der Regel nur dann demThema Festinventionen, wenn bedeutende Künstler wie etwa Bronzino,Vasari oder Rubens damit betraut worden waren. Denn zum einen wurdeden Bildfolgen, die Festinventionen überliefern, selten der Status einesKunstwerks zugesprochen, zum anderen fallen die Festausstattungen ausheutiger Sicht eher in den Bereich der dekorativen oder angewandtenKünste, die im Allgemeinen nicht Gegenstand der Kunstgeschichte sind.3In der kunsthistorischen Forschung spielen zudem die Begriffe »Huma-nismus« und »Späthumanismus« keine nennenswerte Rolle; an ihrerStelle stehen vielmehr die Epochenbezeichnungen »Renaissance« und»Manierismus«, die zwar mit den ersten beiden Begriffen eine gewisse in-haltliche Schnittmenge aufweisen, aber keinesfalls deckungsgleich sind.4

Vor diesem Hintergrund fragt der folgende Beitrag danach, welcheRolle der Humanismus als intellektuelle Bewegung für die Festkultur derRenaissance und speziell für die der Habsburger in der zweiten Hälfte des16. Jahrhunderts spielte. Die Habsburgerhöfe als Zentren humanistischerGelehrsamkeit standen bereits vielfach im Zentrum der Forschung,wenn das Phänomen gleichwohl für den hier betrachteten Zeitraum kei-neswegs als hinlänglich erforscht betrachtet werden kann) Welche Ele-

Ausnahmen sind zum Beispiel die im Folgenden zitierten Arbeiten von ThomasdaCosta Kaufmann, so u.a. ders., Variations on the Imperial Theme in the Age ofMaximilian II. and Rudolph II. (Studies in Ceremonial, Art and Collecting.) NewYork 1978.

4 Dazu die informativen Überblicke von David Cast: Humanism and Art, in: AlbertRabil Jr., Humanism and the Disciplines. (Renaissance Humanism, Bd. 3.), 412-

449; Sydney Anglo, Humanism and the Court Arts, in: Anthony Goodman /AngusMacKay (Eds.), Impact ofHumanism on Western Europe. London 1990, 66-98.Zum Kunststil des Manierismus mit weiterführender Literatur Daniel Arasse/ An-dreas Tönnesmann, Der europäische Manierismus: 1520 - 1610. München 1997.Zum Begriff ••Späthumanismus« Notker Hammerstein: Einleitung, in: ders. /Walther, Späthumanismus (wie Anm. 2), 9-18, besonders II-15. Wird der Begriff"Humanismus« in der Kunstgeschichte verwendet, dann besitzt er meist eherattributivem Charakter und somit eine deutlich eingeengte Bedeutung, so etwabei Tönnesmann im Sinne einer .humanistischen Kunstauffassung<. Vgl. ders.,Kunst (wie Anm. 2), 263. Mit breiterem Begriffsgehalt schon Rudolf Wittkower,Grundlagen der Architektur im Zeitalter des Humanismus. München 1990 (zuerstLondon 1952).Dazu mit weiterführender Literatur Nicolette Mout, "Dieser einzige Wiener Hofvon Dir hat mehr Gelehrte als ganze Reiche anderer«: Späthumanismus am Kaiser-

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mente steuerten aber humanistische Gelehrte für die Ausgestaltung vonhöfischen Festlichkeiten bei? Was unterschied diese von bis dato tradiertenFestelementen? Kann man überhaupt von einer genuin humanistischenhöfischen Festkultur sprechen oder handelte es sich eher um ein »kosme-tisches« Oberflächenphänomen, das überkommene Festformen in ihremCharakter nicht grundlegend veränderte?6 Welche Funktionen übernah-men Humanisten bzw. übernahm humanistisches Gedankengut innerhalbder Festinszenierungen ?

Eine solche Fragestellung setzt eine Klärung voraus, welche Elementeder Renaissance-Festkultur überhaupt unter dem Label »humanistisch«erfaßt werden könnten. Hierunter sollen im vorliegenden Kontext inidealtypischer Weise folgende Charakteristika verstanden werden: 1. dasAuftreten von Ausdrucksformen, die für den Humanismus als typisch be-trachtet werden können wie etwa Antikenbezüge im Rahmen von Fest-ikonographie und -texten, die Verwendung historischer Exempla oder despoetischen Herrscherlobes sowie der prägende Einfluß einer spezifischhumanistischen Kunstauffassung7 auf die Gestaltung der Bildformen ins-gesamt; 2. die Beteiligung von humanistischen Gelehrten, Künstlern oderdiesen nahestehenden Personen an Entwurf und Umsetzung der Festpro-gramme, wobei die Akteure in der Tendenz ein hoher Grad an Interna-tionalität auszeichnet. Internationalität meint in diesem Kontext sowohlihre Herkunft, ihre geographische Mobilität wie auch die Auseinander-setzung mit verschiedenen kulturellen Kontexten und deren Formengut;3. die publizistische Aufbereitung der Festereignisse durch humanistischgebildete Autoren, die in diesem Zusammenhang ihre humanistischen>Kernkompetenzen< demonstrativ zur Schau stellten.8

Erst diese Klärung ermöglicht die Setzung inhaltlicher Schwerpunkte,die in diesem Beitrag für ausgewählte Festereignisse des Untersuchungs-zeitraumes vergleichend analysiert werden sollen. Dies gilt besonders für

hofin der Zeit Maximilians II., in: Hammerstein/Walther, Späthumanismus (wieAnm. 2), 46-64.

6 Anglo, Humanism (wie Anm. 4), 93.7 Diese kann hier nur kurz mit den Schlagworten »Ausgewogenheit«, »Gelehrsam-

keit«, »Originalität« und »Bild als Argument« umrissen werden. AusführlicherCast, Humanism (wie Anm. 4), 435-38; Paul Oskar Kristeller, Das moderne Systemder Künste, in: ders., Humanismus und Renaissance. Bd. 2. München 1975, 164-206; allgemein Rensselaer W Lee, Ut Pictura Poesis. The Humanistic Theory ofPainting. New York 1967.

8 Zur engen Verbindung von Humanismus und früher Publizistik siehe Charles G.Nauert, Humanism and the Culture ofRenaissance Europe. Cambridge 1995,137f.; außerdem: Stephan Füssel (Hrsg.), Humanismus und früher Buchdruck. Aktendes interdisziplinären Symposions vom 5.16. Mai 1995 in Mainz. Nürnberg 1996.

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HUMANISTISCHE FESTE?

die hier betrachtete Phase des Späthumanismus, in der humanistischesGedankengut bereits in unterschiedlichste Lebensbereiche »diffundiert«war und als solches für den Historiker zunehmend schwerer faßbar wird.9Das vorgestellte Raster gibt darüber hinaus die Gliederung des Beitragesvor. Im ersten Abschnitt geht es um die unterschiedlichen Ausformun-gen, die humanistische Elemente im höfischen Fest annehmen konnten;der zweite Abschnitt konzentriert sich auf die Akteure, die darüber ent-schieden, welches Formenvokabular in welcher Weise in den Festinven-tionen eingesetzt wurde. Im dritten Abschnitt wird nach der Rolle vonHumanisten als Autoren von Festpublizistik gefragt, bevor abschließendsynthetisierend erneut die übergreifende Fragestellung nach dem Verhält-nis von Humanismus und Festkultur an den Habsburgerhöfen der zweitenHälfte des 16. Jahrhunderts aufgenommen wird.

1. AusformungenDie höfische Festkultur des Untersuchungszeitraumes kannte eine Viel-zahl von Festanlässen, bei denen unterschiedliche Festformen entwedereinzeln oder auch in Kombination miteinander auftraten.IO Herrscher-investituren, Taufen, Geburten, Hochzeiten, Todesfälle, Herrscherbe-

9 So stellte Nauert fest: »Any attempt to trace humanism in European high cultureof the later Renaissance is difficult because humanism is everywhere, in someform and to some degree« (Humanism [wieAnm. 8], 194). Zum Begriff »Diffusi-on« Johannes Helmrath, Diffusion des Humanismus. Zur Einführung, in: ders.1Ulrich Muhlackl Gerrit Walther, Diffusion des Humanismus. Studien zur natio-nalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten. Göttingen Z002, 9-29,hier 19 f.

10 Stellvertretend für die boomende Festkulturforschung Jörg Jochen Berns, DieFestkultur der deutschen Höfe zwischen 1580 und 1730. Eine Problemskizze intypologischer Absicht, in: Germanisch-romanische Monatsschrift NF 65/34,1984, 295-311;Helen Watanabe-O'Kelly I Anne Simon, Festivals and Ceremonies.A Bibliography of Works Relating to Court, Civic, and Religious Festivals inEurope 1500-1800. London zooo; RudolfBraunl David Gugerli, Macht des Tan-zes- Tanz der Mächtigen. Hoffeste und Herrschaftszeremoniell 155°-1914.München1993; Pierre Bthar I Helen Watanabe O'Kelly (Hrsg.), Spectaculum Europaeum(r58o-1750). Theatre and Spectacle in Europe. (Wolfenbütteler Arbeiten zurBarockforschung, Bd. 31.) Wiesbaden 1999; Michael Maurer (Hrsg.), Das Fest.Beiträge zu seiner Theorie und Systematik. Köln u.a. zo04; James R. Mulryne IElizabeth Goldring (Eds.), Court Festivals of the European Renaissance. Burling-ton zo04; sowie etwa die beiden Ausstellungskataloge: La fiesta en la europa deCarlos v: Real Aldzar, Sevilla, 19 de septiembre-26 de noviembre 2000. Sevillazooo; Wilftied Seipel (Hrsg.), "Wir sind Helden.« Habsburgische Feste in derRenaissance. Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien in SchloßAmbras, Innsbruck, 10. Juni - 31.Oktober 2005. Wien zo05.

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suche oder militärische Siege dienten als Anlaß für die Veranstaltung vongroßen Banketten, von Tänzen, Turnieren und anderen Kampfspielen,von FestaufZügen, Feuerwerken oder Theateraufführungen. Die einzelnenFestformen boten sich in unterschiedlichem Maße für den Transport hu-manistischen Gedankengutes an. Bankette oder Jagden eigneten sich zumBeispiel naturgemäß weniger dazu, sieht man von einzelnen Formen desDekorums ab." Herrschereinzüge oder TurnieraufZüge boten hingegendeutlich mehr Möglichkeiten der Inkorporation von Elementen »all'an-tica«, sowohl in Form von Text - beispielsweise als Inschriften - als auchvon gemalten oder skulptierten Bildnissen, Architekturen oder Verklei-dungsdivertissiments. Deshalb stehen die besonders festlich begangenenErsteinzüge der habsburgischen Kaiser in ihre Residenzstädte Wien undPrag sowie die an den Höfen von Wien, Prag und Innsbruck veranstalte-ten Turniere mit ihren FestaufZügen im Vordergrund der Darstellung.

Im frühneuzeitlichen Festzug, zu dem der Herrschereinzug typologischgehört, fließen mehrere Traditionsstränge zusammen, die mit unter-schiedlichen Bedeutungsdimensionen verknüpft sind: der Einzug Christiin Jerusalem oder auch die Possessio des neu gewählten Papstes in Rom,die beide Bezüge zum antiken Herrschereinzug aufwiesen und denKrönungszug der mittelalterlichen Kaiser in Rom beeinflußten.I2 Frühe

TI So wurden bei einem Bankett zur Feier des Einzugs von Karl IX. und Elisabethvon Österreich 1571 in Paris nach einem Programmentwurf des französischenHumanisten Jean Dorat, umgesetzt durch den Hofkünstler Germain Pilon, aufsechsTabletten mythologische Szenen mit der Göttin Minerva dargestellt. Erhaltenhat sich nur ihre Beschreibung, denn die Skulpturen bestanden aus Zuckerwerkund wanderten in die Mägen der Bankettteilnehmer. Victor E. Graham/W McAl-lister Johnson, The Paris Entries ofCharies IX. and Elisabeth of Austria, 157I. Wirhan Analysis of Simon Bouquet's ,Bref et sommaire recueik Toronto 1974, 393 f.

12 Ausführlicher Rainer Roy/ Friedrich Kobler, Art. Festaufzug, Festeinzug, in: Real-lexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Bd. 8. Stuttgart 1987, 1417-1519; JoachimLehnen, Adventus principis. Untersuchungen zu Sinngehalt und Zeremoniell derKaiserankunft in den Städten des Imperium Romanum. (Prismata, Bd. 7.).Frankfurt a. M. 1997; Gerrit Jasper Schenk, Zeremoniell und Politik. Herrscher-einzüge im spätmittelalterlichen Reich. (Forschungen zur Kaiser- und Papst-geschichte des Mittelalters, Bd. 2I.) Köln 2002; Winftied Dotzauer, Die Ankunftdes Herrschers. Der fürstliche "Einzug in die Stadt« bis zum Ende des Alten Rei-ches, in: Archiv fur Kulturgeschichte 55, 1973, 7[-[46 u. 245-288; MichailA. Bojcov,Ephemerität und Permanenz bei Herrschereinzügen im spätmittelalterlichenDeutschland, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 24, 1997, 87-I07;Harriet Rudolph, Art. Entree [festliche, triumphale], in: Werner Paravicini I JanHirschbiegeli Jörg Wettlauf er (Hrsg.), Höfe und Residenzen im spätmittelalter-lichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch. Bd. 2: Bilder undBegriffe. Ostfildern 2005, 318-323.

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Beispiele einer bewußten Neuübernahme von antikisierenden Elementenlassen sich bei Herrschereinzügen ab der Mitte des 15. Jahrhundert inOberitalien nachweisen, so etwa die Errichtung ephemerer Triumph-bögen.I3 Gleichzeitig wurden spezifisch mittelalterliche Elemente wie die"lebenden Bilder«, die bis dahin religiöse, historische oder aus der mit-telalterlichen Romanliteratur entnommene Inhalte dargestellt hatten,zunehmend mit Szenen aus der antiken Mythologie bestückt.I4 DieTriumphidee, die solchen Inszenierungen zugrunde lag, wurde nicht zu-letzt durch ein literarisches Werk wie Petrarcas "Trionfi« verbreitet, des-sen illustrierte Druckausgaben des 15. Jahrhunderts wiederum als Vorbildfür reale Einzugsinszenierungen dienten.Ij Dies gilt ebenso für den mo-numentalen Triumphzug Andrea Mantegnas (r486-92) und die nach die-sem Vorbild entstandenen graphischen Folgen, die auch außerhalb ita-liens weite Verbreitung fanden.I6 Mit diesen Entwicklungen kamen dieHabsburger nicht zuletzt aufgrund ihrer engen dynastischen Verflech-tungen mit oberitalienischen Fürstenhöfen frühzeitig in Kontakt.I?

I} Dazu TI7ernerTI7eisbach,Trionfi. Berlin 1919; Hendrik Simon Versnel, Triumphus.An Inquiry into the Origin, Development and Meaning of the Roman Triumph.Leiden 1970; Edward Muir, Civic Ritual in Renaissance Venice. Princeton 1981.

14 S. zu den lebenden Bildern besonders Philine Helas, Lebende Bilder in der italie-nischen Festkultur des 15. Jahrhunderts. (Acta humaniora, Bd. 9.) Berlin 1999.

15 Dazu Konrad Eisenbichlerl Amilcare Iannucci (Eds.), Petrarch's Triumphs. Allegoryand Spectacle. Toronto 1990.

16 Sie regten graphische Großprojekte wie den allegorischen Triumphzug KaiserMaximilians I. von Albrecht Dürer, Albrecht Altdorfer, Hans Burgkmair u.a.(1516-1518) an. Obwohl es sich hier um einen imaginären Triumphzug handelt,knüpften die ersten Darstellungen von realen Kaisereinzügen des 16. Jahrhun-derts formal an diese Folge an. Ausführlicher Harriet Rudolph, Die visuelle Kulturdes Reiches. Kaiserliche Einzüge im Medium der Druckgraphik (1500-1800), in:Heinz Schilling u.a. (Hrsg.), Das Alte Reich 1495-1806. Symposium im Deut-schen Historischen Museum in Berlin vom 2.-4. März 2005 (im Druck). ZuMantegna Andrew Martindale, The Triumphs of Caesar by Andrea Mantegna inthe Collection ofHer Majesty the Queen at Hampton Court. London 1979;JaneMartineaul Susanne Boorsch (Hrsg.), Andrea Mantegna (on the Occasion of theExhibition Andrea Mantegna, Royal Academy of Arts, London, 17 January - 5April 1992). New York 1992.

17 Dies gilt auch für die Habsburger des Untersuchungszeitraumes, hatten dochgleich drei Töchter Kaiser Ferdinands I. in oberitalienische Fürstenhäuser einge-heiratet. Eine Vorbildrolle übernahm offenbar der Hof des 1569 zum Großherzogder Toskana erhobenen Cosimo I. Medici, dessen Sohn Francesco seit 1565 mitJohanna von Österreich verheiratet war. Sowohl über die durch Giorgio Vasariausgestatteten Hochzeitsfestlichkeiten als auch über andere Fesrinszenierungenam Florentiner Hof war der Kaiserhof durch publizierte Fesrbeschreibungen wiedurch handschriftliche Berichte gut informiert. Weiterfuhrend: fames R. Mulrynel

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Der feierliche Ersteinzug Ferdinands I. nach seiner in Frankfurt amMain vollzogenen Erhebung zum Kaiser am 24. März 1558 in die StadtPrag zwei Wochen später bietet sich nicht nur deshalb als erstes Beispielan, weil er am Beginn des Untersuchungszeitraumes liegt, sondern weilhier erstmals bei Herrschereinzügen der Habsburger in ihre Residenz-städte ein Gesamtprogramm entwickelt wurde, bei dem antikes Formen-gut und antike Mythologie eine tragende Rolle spielten. Ausgerichtetwurde der feierliche Einzug Ferdinands I. von Erzherzog Ferdinand 11.von Tiro!, der als Statthalter seines Vaters in Prag residierte und die Ge-legenheit nutzte, nicht nur das Haus Habsburg, sondern auch die eigenePerson wirkungsvoll in Szene zu setzen.'8

Entsprachen auch die zentralen Bestandteile dieses Kaisereinzugs, aufdie hier nicht näher eingegangen werden kann, in ihrer Grundzügen mit-telalterlichen Einzugstraditionen, so lassen sich doch zahlreiche Elementefeststellen, die auf den Einfluß von Humanisten bei der Ausgestaltungdes Einzuges zurückzuführen sind. '9 So wurde zum Beispiel ein Teil derlateinischen Casualcarmina von Schülern unterschiedlicher Prager Schulengesungen, die jeweils stellvertretend für eine der neun Musen standen. 20

Unweit des Hradschins hatte Erzherzog Ferdinand 11. einen Weinbrunnenmit einer Darstellung des Quellgottes Silen aufstellen lassen. Die »großeTriumphpforte nach Korinthischer Ordnung« zeigte ein Bildprogramm,das mit Kaiserportraits, Schlachtenszenen und Tugenden die DynastieHabsburg verherrlichte.21 Neben Justitia, Temperantia und Caritas, die

Margaret Shewring (Eds.), Italian Renaissance Festivals and their European In-fluence. Lewiston 1992.

18 Zu Ferdinand als böhmischem Statthalter: Vdclav BUiek, Erzher20g Ferdinand alsStatthalter von Böhmen - Residenz, Hof, Alltagsleben und Politik, in: KaiserFerdinand 1., 1563-1564.Wien zo03, 282-295; Marina Dmitrieva, Ephemere Ar-chitekturen in Krakau und Prag. Zur Inszenierung von Herrschereinzügen in ost-mitteleuropäischen Metropolen, in: dies. / Karen Lambrecht (Hrsg.), Krakau, Pragund Wien: Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat. (Forschungenzur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa.) Stuttgarr zooo, 255-281.

19 Vgl. da Costa-Kauftnann, Variations (wie Anm. 3), 22 f; Dmitrieva, Architekturen(wie Anm. 18), 259.

zo Die Casualcarmina sind abgedruckt bei Martinus Cuthaenus, Matthaeus Collinusa Choterina, Brevis et succincta descriptio pompae in honorem [... ] FerdinandiPrimi [00') ex Austria in Metropolim Pragam aduenranris [00.] Prag: Melanrrichusab Aventino 1558;dt.: Beschreibung des feyerlichen Einzugs Kaiser Ferdinands I.in die Hauptstadt Prag am 8ten November 1558.Bey Kaiser Franzens II. Akade-mischer Geburrstagsfeyer, übersetzt von Ignaz Cornova. Prag 1802.

zr Siehe zum Folgenden ausführlicher joseph Feil, Kaiser Ferdinand's I. Einzug inWien. 14. April 1558.Wien 1852,76-80, Zitat 75. Zu Ehrenpforren als Festarchi-

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zum Kanon der sieben Tugenden gehören, waren Potentia und Nobilitasals Grundlage für den Aufstieg des Hauses Habsburg abgebildet. Diezahlreichen lateinischen Inschriften bezogen die Herrschertugendeninhaltlich auf den einziehenden Kaiser. Das kaiserliche Wappen hieltennicht zufällig Fides und Religio - ein Hinweis auf die brisante konfes-sionelle Dimension dieses Einzugs. Auch die vor der Ehrenpforte auf-gestellten Standbilder der alttestamentalischen Richter Samson undGideon, die bei ihrem in göttlichem Auftrag geführten Kampf gegen denUnglauben nicht gerade zimperlich vorgegangen waren, können als im-plizite Drohung gegen die böhmischen Untertanen verstanden werden,die mehrheitlich der Reformation anhingen.22

Mit dem Ersteinzug des Böhmischen und Römischen Königs Maxi-mian H. am 16. März 1563 wurde »ein neuer Festtypus monumentalerArt, die römische via triumphalis« in Wien eingeführt - wenngleich auchhier der Ablauf in weiten Teilen den seit dem Spätmittelalter tradiertenFormen folgte.2) Die bildlichen Darstellungen der Triumphbögen undWeinbrunnen und die publizierten Einzugsbeschreibungen erlauben einerecht genaue Rekonstruktion ihrer Ikonographie, die ein übergreifendesGesamtprogramm erkennen läßt. Jeder der drei monumentalen Triumph-bögen war einem der habsburgischen Herrschaftsbereiche gewidmet:Wie beim Kaisereinzug der Rang der Zugteilnehmer von der Spitze desZuges bis hin zum Kaiser zunahm, so entsprach auch die Reihenfolge derTriumphbögen dem Rang des jeweiligen Herrschaftsbereiches: zuerst

tektur Herta Blaha, Österreichische Triumph- und Ehrenpforten der Renaissanceund des Barock. Diss. masch. Wien 1950. Hans Martin von Erffa, An. Ehrenpforte,in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Bd. 4. Stuttgart 1958, 1443-15°4.

22 Schließlich handelte es sich 1558 um den ersten Einzug Ferdinands I. nach derNiederschlagung des böhmischen Aufstandes im Jahr 1547. Dazu Winfried Eber-hard, Monarchie und Widerstand. Zur ständischen Oppositions bildung imHerrschaftssystem Ferdinands I. in Böhmen. (Veröffentlichungen des CollegiumCarolinum, Bd. 54.) München 1985.

23 Zitat Johann Schlager,Wiener Skizzen aus dem Mittelalter. 5 Bde. Wien 1836-46,hier Bd. 3, 55. Das Einzugsprogramm war zwischen dem Wiener Rat und derniederösterreichischen Landesregierung abgesprochen worden. Lars OlofLarsson,Höfische Repräsentation als kulturelle Kommunikation. Ein Vergleich der HöfeMaximilians 11. in Wien und Rudolfs 11. in Prag, in: Dmitrieva / Lambrecht(Hrsg.), Krakau (wie Anm. 18), 237-243, hier 238. Siehe im Folgenden die zeit-genössischen Beschreibungen Epitome solenniorum, quae in auspicatum adventuminvictiss. ac sacratiss. Romanorum Caesaris Maximiliani [. .. } Wien: MichaelZimmermann 1563; Gründliche und khürtze beschreibung des Alten unnd jun-gen Zugs, welche bede zu Einbeleittung der Röm. Kay. Mt. [... ] Wien: CasparStainhofer 1566.

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erreichte der Zug den Triumphbogen des Erzherzogtums Österreich, da-nach jenen des Königreichs Böhmen und zuletzt den des Heiligen Rö-mischen Reiches.24 Gleichzeitig steigerten sich von Bogen zu BogenMenge und Formenvielfalt des Dekorums.

Der erste Bogen wurde bekrönt von einem mit dem österreichischenBindenschild geschmückten Pfau, Attribut der Göttin Juno, Symbol derApotheose römischer Kaiser und heraldisches Zeichen der Habsburger,der von den christlichen Tugenden Caritas und Spes umgeben war.25Zubeiden Seiten des Durchganges standen überlebensgroße, antikisch ge-kleidete Helden mit den Wappenschilden Österreichs. Das Gewände desTorbogens zierten die Wappen der österreichischen Landschaften, denSchlußstein eine Reiterfigur, die auf die Rolle Österreichs als Verteidigerder Christenheit gegen die Türken verwies. Auf dem Giebel des zweitenBogens saß der böhmische Löwe,26 flankiert von den Tugenden Fortitudound Prudentia, während darunter zwischen korinthischen Säulen leichtbekleidete Personifikationen der böhmischen Länder mit ihren Wappenabgebildet waren. Die Sockelzone zierten naturgetreue Darstellungen einesRhinozeros und eines Elefanten, die neben ihrer symbolischen Bedeu-tung als Zeichen von Pietas, Temperantia und Mansuetudo auf das großeInteresse des einziehenden Herrschers an Botanik verweisen, das die Hof-kultur unter Kaiser Maximilian 11.besonders prägen sollte.2? Der dritteBogen, als einziger zweigeschossig, zeigte auf der oberen Plattform einennimbierten Doppeladler zwischen Justitia und Religio, während auf der

24 Etwas anders bei Dmitrieva, Architekturen (wie Anm. 18), 263.25 Die darunter befindliche Inschrift erläuterte, daß der Pfau auf den "alten Stamm«

des Hauses Österreich verweise. Vgl. im Folgenden \Verner Kayser, MelchiorLoriehs Ehrenpforten und Weinbrunnen zum Einzug Kaiser Maximilians I!. inWien, insbesondere die Ehrenpforte beim Waaghaus, in: Philobiblon 23, 1979,

279-295.26 Er hält ein ungarisches Wappen, das auf den Anspruch des einziehenden Herr-

schers auf das Königreich Ungarn verweist. Maximilian Ir. wurde jedoch erstnach dem Wiener Einzug zum ungarischen König gekrönt.

27 Zugleich erinnerte die Darstellung des Elefanten an den ersten festlichen EinzugMaximilians in Wien in Jahr 1552, als dieser der staunenden Wiener Bevölkerungeinen von Mohren geführten Elefanten präsentiert hatte. joseph \Vünsch, DerEinzug Kaiser Maximilians I!. in Wien 1563, in: Berichte und Mitteilungen desAltertums-Vereines zu Wien 46 f., 1914, 9-34, hier 16. Maximilian hatte das Tier1552 von Johann III. von Portugal geschenkt bekommen. Kurt Mühlberger, Bil-dung und Wissenschaft. Kaiser Maximilian II. und die Universität Wien, in:Friedrich Edelmayer (Hrsg.), Kaiser Maximilian II.: Kultur und Politik im16. Jahrhundert. (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Bd. 19.) Wien1992, 2°3-23°, hier 217.

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unteren Kaiser Ferdinand 1. seinem Sohn Maximilian Ir. die Weltkugelund damit die Weltherrschaft offeriert. Hier wird genau jener dynastischlegitimierte Anspruch Habsburgs auf den Kaiserthron formuliert, dendie Kurfürsten regelmäßig zurückwiesen. Als Vollplastiken standen au-ßerdem auf dem Bogen: der blitzschleudernde Jupiter, dessen Attribut(Adler) den imperialen Herrschaftsanspruch des Göttervaters mit demder Dynastie Habsburg verbindet, sowie ihm gegenüber Saturn als Hin-weis auf das Goldene Zeitalter, das seine Entsprechung im Kaisertum derHabsburger findet. Zu beiden Seiten des Durchganges waren mit Mars,Merkur, Apollo und Juno die vier römischen Gottheiten darstellt, deren,Zuständigkeitsbereiche< möglicherweise eine Art Regierungsprogrammverkörpern sollten: eine erfolgreiche Familienpolitik, militärische Er-folge, die Förderung von Handel und Verkehr sowie Musik und Dicht-kunst.

Anders als die steinernen Triumphbögen der römischen Antike, dieals dauerhafte Monumente den Ruhm des Herrschers über dessen Todhinaus verkünden sollten, waren die Ehrenpforten der Renaissance in derRegel für eine einmalige Benutzung gedacht.28 Die handwerkliche undkünstlerische Meisterschaft eines solchen Werkes wurde allerdings in derRegel auch danach bemessen und entsprechend mit Beifall bedacht, wieecht billigere und schnell zu verarbeitende Materialien wie Holz, Lein-wand, Stuck und Farbe hochwertige Materialien wie zum Beispiel Marmorvortäuschten.29 Malerei ersetzte aufWendigere Kunstgattungen wie Archi-tektur und Skulptur. Im Gegensatz zu den antiken Triumphbögen wurdendie Ehrenpforten in die Einzugsinszenierung integriert und oft sogar mitrealen Personen bevölkert.3° Es war das Ausmaß an Intermedialität, dasdie neuzeitlichen Ehrenpforten von den antiken Triumphbögen unter-schied: Sie erschienen zugleich als monumentales Denkmal und als ephe-mere Kulisse, als zweidimensionales Bild und als dreidimensionale Skulp-tur, als totes Abbild und als lebendige Verkörperung.

Wie der Herrschereinzug ist auch der TurnieraufZug zur Gruppe derFestzüge mit Triumphcharakter zu rechnen, allerdings unterschied sichdie Ausgestaltung beider Festzugsformen in der Praxis grundlegend von-

28 Eine Ausnahme bildet die Reichsstadt Nürnberg. Siehe dazu vorerst Renate Gold,Ehrenpforten, Baldachine, Feuerwerke. Nürnberger Herrscherempfänge vom16. Jahrhundert bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts, Nürnberg 1990.

29 So hob Curhaenus bei der Figur Kads V. anerkennend hervor, daß dessen Rüstungtatsächlich wie Metall geglänzt habe. Cuthaenus, Descriptio (wie Anm. 20), o.S.

30 Dabei handelte es sich entweder um Musiker oder um Schauspieler, die bestimmteFiguren des ikonographischen Programms verkörperten.

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einanderY Der Herrschereinzug inszenierte den monarchischen Herr-schaftsanspruch und bildete die soziale Rangfolge wie die aktuellen Macht-verhältnisse der Teilnehmer ab. Der Turnieraufzug bot auf grund seinerfiktionalen und komischen Momente ganz andere Möglichkeiten der Aus-gestaltung »all'antica«. Während der Herrschereinzug von seinem insze-natorischen Anspruch >Realität<spiegeln sollte, konnten Turnieraufzügeunter dem Motto »verkehrte Welt« die Herrschaftsordnung spielerischumkehren. Zog der Kaiser beim Herrschereinzug in seiner politischenFunktion als Reichsoberhaupt, Landes- und Stadtherr in seiner Residenz-stadt ein, dem bestimmte Herrschertugenden und antiken Helden/Göt-tern gleiche Eigenschaften lediglich attribuiert wurden, konnte er beimTurnieraufzug selbst als antiker Held auftreten bzw. andere Teilnehmer insolchen Rollen auftreten lassen.

So trat Erzherzog Ferdinand Ir. etwa bei dem starke überregionaleAufmerksamkeit findenden Turnier in Wien 1560, das der spätere KaiserMaximilian Ir. zu Ehren seines Vaters Ferdinand r. organisiert hatte, wäh-rend einer Mummerei zum Beispiel in Frauenkleidern als römische Sybilleauf32 Die erotischen Dimensionen der verwendeten mythologischenMotive zeigt die Ausgestaltung eines Plankenstechens, bei dem Cupidoals Strafe für die durch ihn verursachte Verwirrung zunächst gehängtwerden sollte, aber schließlich den Hofdamen übergeben wurde, die ihnzu ihrem eigenen Vergnügen in ihre Gemächer abführten. Bei einemRoß turnier markierten zwar zwei große Statuen von Mars und Venus das»Colosseum« als Austragungsort, jedoch folgte der Ablauf des Turniersund die Wahl der übrigen Kulissen ganz mittelalterlichen Traditionen.Am Ende schworen sich die Turnierteilnehmer auf ihren Kampf gegenden »türkischen Bluthund und Erbfeind der Christenheit« ein.

Hatte das Turnier von 1560 lediglich einzelne antikische Motive mehroder weniger unverbunden nebeneinander gestellt, so setzte sich ab den1570er Jahren das auf der Grundlage eines durchkomponierten Gesamt-programms inszenierte Turnierspektakel durch, bei dem der kämpfe-rische Aspekt sukzessive hinter den Schaueffekt zurücktrat)3 Für die

31 Dazu mit weiterführender Literatur Helen Watanabe-O'Kelly, Triumphal Shews.Tournaments at German-Speaking Courts in their European Context (1560-1730). Berlin 1992.

32 Das Turnier fand vom 24. Mai bis zum 24. Juni 1560 start. Vgl. die in Abschnirt!Ir. aufgeführten Beschreibungen von Johannes von Francolin.

33 Scheicher unterscheider zwischen Masken- und Handlungsturnieren. ElisabethScheicher, Ein Fest am Hofe Erzherzog Ferdinands Ir., in: Jahrbuch der Kunst-historischen Sammlungen in Wien 77, 1981, 119-153, hier 119. Siehe auch ClaudiaSchnitzer, Höfische Maskeraden. Funktion und Ausstartung von Verkleidungs-

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Habsburgerhöfe läßt sich ein Gesamtprogramm mit komplexen Bezügenzu antiker Mythologie erstmals im Kontext des Ringrennens nachweisen,das anläßlich der Hochzeit Karls H. von Innerösterreich mit Maria vonBayern am 28. August 1571 in Wien stattfand und offenbar maßgeblichdurch die im Kontext der Hochzeit von Wilhelm V von Bayern mitRenata von Lothringen 1568 am bayrischen Hof durchgeführten Turnier-spiele beeinflußt wurde.34 Die narrative Grundidee bestand in einemStreit zwischen den Göttinnen Juno und Europa, wobei auf der Seite Junosdie Weltteile Afrika, Asien und Amerika gegen Europa kämpften, diedurch ihre vier Töchter, Germania, Italia, Francia und Espania vertretenwurde,35 Auf der Seite Europas standen die Vertreter der vier antikenTugenden, der sieben freien Künste, die neun Musen sowie die GötterDiana, Neptun und Victoria,36 Weitere Motive mit zyklischem Charakterverkörperten die vier Elemente, die vier Himmelsrichtungen oder dievier Jahreszeiten.

Das Turnierprogramm verknüpfte mythologische Motive mit solchenaus der mittelalterlichen Literatur, aber auch mit aktuellen zeitgeschicht-lichen Anspielungen wie etwa dem Kampf gegen das Osmanische Reich,der bereits 1560 thematisiert worden war. Es zielte darauf ab, beinahe dasgesamte motivische Repertoire, das Aufzüge innerhalb der europäischenFestkultur bis dato aufzuweisen hatten, in die aktuelle Invention einzu-bauen und darüber hinaus Raum für den Entwurf neuer Figuren, Kulissen

divertissements an deutschen Höfen der Frühen Neuzeir. Tübingen 1999, 147.Der Verzichr auf schwere Panzerung erlaubte viel aufWendigere Formen der Ko-stümierung.

34 Vgl. im Folgenden Karl Vocelka, Habsburgische Hochzeiten 1550-1600. (Ver-öffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 65.)Wien 1976, 79-85; DaCosta Kaufmann, Variations (wie Anm. 3), 33-40; HeinrichWirrich, Ordentliche Beschreibung des Christlichen, Hochlöblichen und fürst-lichen Beylags oder Hochzeit, so da gehalten ist worden durch den Durchlauch-tigsten, Hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Carolen, Ertzhertzog zuÖsterreich [... ] Wien: Blasius Eber 1571. Für 1568 Johann wagner, Kurtze dochgegründte beschreibung des Durchleuchtigen Hochgebornnen Fürsten vnndHerren, Herren Wilhalmen, Pfaltzgrauen bey Rhein [... ] Vnd derselben gelieb-sten Gemahel [... ] Frewlein Renata gebornne Hertzogin zu Lottringen vnd Parr,[et]c. gehalten Hochzeitlichen Ehren Fests [... ] [s.l.] [1568]; Massimo Troiano,Discorsi delli triomfi, giostre, apparati, e delle cose piu notabile fatte nelle nozze,deli illustrissimo e excellentrissiimo Signor Guglielmo primogenito del generosis-simo Alberto V. conte Palatino del Reno [... ] München 1568 (dt. München 1842).

35 Im Folgenden siehe die Festbeschreibung von Wirrich, Beschreibung (wieAnm. 34).36 Das Gefolge Dianas bildeten Reiter in Tierverkleidung, darunter Löwen, Leopar-

den, Bären und Wölfe. Als Tiere verkleidere Turnierteilnehmer waren schon beimittelalterlichen Turnieren ein beliebtes Motiv gewesen.

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oder Symbole zu lassen. Dabei wurde mit dem überlieferten klassischenFormengut teilweise sehr frei umgegangen: So waren die von GuiseppeArcimboldo entworfenen Figuren antiker Götter mitunter reine Fantasie-produkte, die vor allem die Originalität ihres Schöpfers belegen sollten)?Nicht imitatio, sondern innovatio war das Motto solcher Inventiones.38

Mitunter umfaßte die programmatische Aufladung mit antiker The-men nicht den ganzen TurnieraufZug, sondern nur einzelne Teile, wieetwa bei dem 1580 von Erzherzog Ferdinand 11.von Tirol im Kontext derHochzeit seines Höflings Johann von Kolowrat 1580 in Innsbruck veran-stalteten Ringelrennen.39 Hier basierte vor allem der dritte von insgesamtfünf AufZügen auf einem komplexen Programm mit mythologischen, ge-nealogischen und zeithistorischen Bezügen. Der vom Götterboten Mer-kur angeführte Zug umfaßte Personifikationen der vier Elemente undder vier Jahreszeiten, denen jeweils bestimmte Götter zugeordnet werden.So taucht Apollo im Gefolge des Frühlings auf, wobei die Zuordnungnach Scheicher auf die Astronomica des Marcus Manilius zurückgeht,die im 15. Jahr wiederentdeckt worden war.40 Daß Ferdinands Sohn Karlvon Burgau als habsburgischer Herkules auftritt, gehört in den Kontextder vielfältigen Bemühungen des Erzherzogs, die Stellung seiner nichterbberechtigten Söhne aus der Ehe mit Philippine Welser zu verbessern.Auf diese Weise wurde der Anspruch einer Zugehörigkeit zur DynastieHabsburg auf der Ebene der symbolischen Repräsentation bekräftigt.Erzherzog Ferdinand selbst erscheint entsprechend seinem Rang alsGöttervater Jupiter auf einem Triumphwagen, in der rechten Hand alsZeichen seiner Strafgewalt den Blitz. Auf Erzherzog Ferdinand als Jupiter,»den Ursprung allen Seins«, bezieht sich das gesamte Programm, dasschließlich auch von ihm selbst entworfen worden war.

37 Vgl. zum Beispiel die Darstellung von Grammatik, Rhetorik und Dialektik in:Andreas Beyer (Hrsg.), Giuseppe Arcimboldo, Figurinen, Kostüme und Entwürfefür höfische Feste. Frankfurt am Main 1983, 15-17.

38 Das Ausmaß an innovatio zeigte sich auch in der zunehmenden Technisierungder Festausstartungen: der Verwendung von sich scheinbar selbsr bewegendenFestwagen, von Automaten, von aufWendigen und technisch immer anspruchs-volleren Feuerwerken. Dazu JörgJochen Berns, Die Herkunft des Automobils ausHimmelstrionfo und Höllenmaschine. Berlin 1996.

39 Vgl. im Folgenden die ausführliche Beschreibung mir zahlreichen Abbildungenaus dem Elsässer-Codex bei Scheicher, Fest (wie Anm. 33), 119-153.

40 Ebd., ein weiteres Beispiel 132. Zum Folgenden siehe allgemein Marie Tanner,The Last Descendant of Aeneas. The Habsburgs and the Mythic Image of theEmperor. New Haven 1993; Alphons Lhotsky, Apis Colonna. Fabeln und Theorienüber die Abkunft der Habsburger, in: ders., Aufsärze und Vorträge. München1971, Bd. 2, 7-102.

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»But iconography is no more than a symptom.«41 Deshalb soll es nunum die Akteure gehen, welche die Auswahl und die Kombination desFormengutes der höfischen Festkultur bestimmten. Denn mit den hierskizzierten Etappen 1560, 1571 und 1580 sind die wesentlichen Entwick-lungen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert im Untersuchungsraumvorgezeichnet. Zwar veranstaltete Erzherzog Ferdinand 1582 im Kontextseiner eigenen Hochzeit erneut prächtige Turnieraufzüge, damit ist dieEpoche der großen Turniere mit komplexen allegorischen Bezügen anden Habsburgerhöfen jedoch zunächst vorbei.42 Unter Kaiser Rudolf II.konzentrierte sich die Auseinandersetzung mit antikem Ideen- undFormengut in der Folge primär auf den Bereich der Bildenden KünsteMalerei, Graphik und Skulptur.43

2. Akteure

Das höfische Fest der Renaissance kann als komplexes, multimedialesEnsemble von Einzelinszenierungen verstanden werden, bei dessen Pla-nung und Durchführung eine Vielzahl von Personen in unterschiedlichenFunktionen einbezogen wurden: Gelehrte, Künstler, Handwerker ar-beiteten im Auftrag des Fürsten zusammen. Die Habsburgerhöfe desUntersuchungszeitraumes kennzeichnete insgesamt ein geistiges Klima,das in starkem Maße durch die vom jeweiligen Regenten an den Hofgeholten humanistischen Gelehrten geprägt wurde.44 Je nach Interessen-lage des Fürsten konnte dieses Klima allerdings ganz unterschiedlicheZüge annehmen.45 Auch das Ausmaß des fürstlichen Einflusses auf die

41 Cast, Humanism (wie Anm. 4), 439.42 Vgl. dazu Veronika Sandbichler, Der Hochzeitskodex Erzherzog Ferdinands

I!. Diss. Innsbruck 2003.

43 Vgl. dazu mit weiterführender Literatur die entsprechenden Beiträge in: EliJkaFucikovd u.a. (Eds.), Rudolf 11and Prague: the Court and the City. Prag 1997;Thomas daCosta Kaufmann, The School of Prague: Painting at the Court ofRudolf 11. Chicago 1988. Bei dem 1585 von Kaiser Rudolf 11. anläßlich der Auf-nahme in den Orden vom Goldenen Vlies veranstalteten Turnier scheint nichtnur auf Antikenbezüge bei Kulissen und Kostümen verzichtet worden zu sein,sondern offenbar überhaupt auf Masken und Verkleidungen.

44 Diese sind nicht immer im engeren Sinne zum Hofstaat zu zählen. Mout, Hof(wie Anm. 5), 52.

45 So zeigten etwa die Kaiser Maximilian 11.und in noch stärkerem Maße Rudolfll.weit größeres Interesse an naturwissenschaftlichen Disziplinen als Ferdinand I.oder die Erzherzöge Ferdinand 11. von Tirol oder Kar! von Innerösterreich, fürwelche Historiographie, Dichtkunst und Musik und damit auch das höfischeFest als Verkörperung dieser humanistischen Disziplinen ein höhere Bedeutungbesaßen.

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Ausgestaltung det Festlichkeiten hing vom jeweils regierenden Fürstenab. Das starke persönliche Engagement, das etwa Erzherzog Ferdinand II.von Tirol beim Entwurf von Festprogrammen zeigte, läßt sich für die an-deren regierenden Habsburger des Unrersuchungszeitraumes nicht indiesem Maße feststellen.46 Sie überließen den Entwurf von Festprogram-men weitgehend humanistischen Gelehrten und Künstlern. Dabei spiel-ten Hofhistoriographen wie etwa Wolf gang Lazius (1548-1564) als Pro-grammgestalter und Dokumenratoren eine wichtige Rolle.47 Lazius, deraußerdem als Leibarzt, kaiserlicher Rat und Präfekt der kaiserlichen Samm-lungen am Kaiserhof tätig war, entwarf die Bildprogramme der Ehren-pforten beim Wiener Einzug von 1563 und veröffentlichte anschließendauch eine Festbeschreibung mit in diesem Zusammenhang verfaßteneigenen und fremden Casualcarmina.48 In seiner mehrfach ausgeübtenFunktion als Dekan bzw. Rektor der Wiener Universität pflegte Laziusenge Konrakte zu den dort wirkenden Humanistenkreisen.

Mit der Ausstattung der Festkulissen wurden zunehmend bedeutendeKünstler beauftragt, so etwa beim Prager Einzug von 1558 der HofmalerErzherzog Ferdinands II., der Italiener Francesco Terzio, oder bei demWiener Einzug von 1563 der Flame Melchior Lorichs. Terzio, der inseiner Jugend humanistische Studien betrieben und mit Pietro Aretinokorrespondiert hatte, begann im gleichen Jahr seine Austriacae gentisimaginum, eine Sammlung von Kupferstichen, in denen die Ahnherrendes Hauses Österreich wie auch die aktuell regierenden Fürsten in allego-rischen Darstellungen verherrlicht wurden.49 Lorichs hatte zunächst die

46 Erzherzog Ferdinand 11. entwarf zum Beispiel für die Taufe seiner Tochter einTheaterstück sowie auch das Programm der Kolowrat-Hochzeit von 1580.

47 Dazu allgemein Arno Strohmeyer, Geschichtsbilder im Kulturtransfer. Die Hof-historiographie in Wien im Zeitalter des Humanismus als Rezipient und Multi-plikator, in: Andrea Langer / Georg Michels (Hrsg.), Metropolen und Kultur-transfer in Ostmitteleuropa (15.!I6. Jh.). Prag - Krakau - Danzig - Wien. Stuttgart200I, 65-84, besonders 70 f. Zu Lazius Ernst Trenkler. Wolfgang Lazius, Humanistund Büchersammler, in: Biblos 27, 1978, 86-103.

48 Epitome solenniorum, quae in auspicatum advent um invictiss. ac sacratiss. Rom.Caesaris D. N. Maximiliani, Bohemiae regis et archiducis Austriae (... ] respub.Viennen. omnia obsequii ergo supplex (... ] Wien 1563. Für seinen NachfolgerJohannes Sambucus (1564-1584) läßt sich eine direkte Beteiligung am Entwurfvon Festprogrammen nicht nachweisen, zu Sambucus siehe aber unten Anm. 59.

49 Jeder der ab 1558 offenbar sukzessive veröffentlichten fünf Teile des Werkes isteinem regierenden Mitglied der Dynastie gewidmet. Franciscus Tertius, Austriacaegentis imaginum. Innsbruck 1558. Zu Terzio s. Albert Ilg, Francesco Terzio, derHofmaler Erzherzogs Ferdinand von Tirol, in: Jahrbuch der KunsthistorischenSammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses in Wien 9, 1889, 235-262; jifi Kropd-eek, Francesco Terzio, pittore di Bergamo e di Praga, in: Sante Graciotti (Ed.),

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Niederlande und Italien bereist und dort Zeichnungen nach antikenSkulpturen angefertigt, bevor er im Gefolge Ogier Ghiselin de Busbecqsmit einer Gesandtschaft an die Hohe Pforte aufbrach, wo er in zahlreichenZeichnungen Trachten, Gebäude und geographische Gegebenheiten fest-hielt. 50Busbecq, der zu den Schlüsselfiguren des Humanismus am Kai-serhof gerechnet werden kann,5I könnte ihn für die Ausführung derEhrenpforten empfohlen haben, an denen neben Lorichs auch noch dieweniger bedeutenden Maler Donat Hübschmann und Heinrich Vogt-herr d.]. mitarbeiteten.\'

Hatten die Künstler zunächst primär die Ausstattung der von Gelehrtenoder vom Fürsten zusammengestellten Festprogramme ausgeführt, ent-warfen sie in zunehmendem Maße selbst Festinventionen, in denen sienicht nur ihre handwerklich-technischen und kreativen Fähigkeiten zurSchau stellten, sondern auch ihr breites Bildungswissen in antiker Mytho-logie, Geschichte und Sprachen, aber auch in zeitgenössischen Naturwis-senschaften, in Alchimie und Astrologie.53 Das Ideal des gelehrten Künst-

ltalia e Boemia nella cornice del rinascimento Europeo. (Studi, Bd. 49.) Florenz1999, 347-352·

50 Deß Weitberühmbten / Kunstreichen und Wolerfahrnen Herrn Melchior Lo-richs / Flensburgensis, Wolgerissene und Geschnittene Figuren / zu Roß undFuß / sampt schönen Türckischen Gebäwden / und allerhand was in der Türckeyzu sehen [... ] Hamburg: Hering 1626; Neuausgaben: Eugen Oberhummer (Hrsg.),Konstantinopel unter Sultan Suleiman dem Grossen aufgenommen im Jahre1559. München 1902; Cyril Mango (Ed.), Melchior Lorichs' Panorama ofIstanbul,1559. Bern 1999. Zu Lorichs: Hans Harbeck, Melchior Lorichs. Ein Beitrag zurdeutschen Kunstgeschichte des 16. Jahrhunderts. Hamburg 19II; Albert Schröder,Melchior Lorichs als Maler. Heide 1935.

51 Maut, Wiener Hof (wie Anm. 5), 55. Zur Gesandtschaft vgl. den in vielen Ausgabenerschienenen Reisebericht von Ogier Ghiselin de Busbecq, Epistolae. QuarumPriores Duae ante aliquot annos in lucem prodierunt sub nomine Itinerum Con-stantinopolitani & Amasiani, Adiectae Sunt Duae Alterae: Eiusdem de re militaricontra Turcam instituenda consilium. Accedit Solimani Turcarum Imper. Legatioad Ferdinandum Rom. Caes. anno M.D.LXII. Francofurtum missa: cuius apudBusbequium mentio. Cum Indice omnium locupletissimo. Hanau 1605; außerdemCharles T. Forster / F H. Blackburne Daniell (Eds.), The Life and Letters of OgierGhiselin de Busbecq, Seigneur of Bousbecque, Knight, Imperial Ambassador,2 Bde. London 1881.

52 Zu Hübschmann: Thieme-Becker, Bd. 17 f, 52 f Von Hübschmann stammenauch die Holzschnitte in der bereits zitierten Festbeschreibung Stainhofers (wieAnm. 23). Zu Heinrich Vogtherr d.].: Thieme-Becker, Bd. 33 f., 504-7. DieserSohn des bedeutenderen Heinrich Vogtherr d.Ä. arbeitete U.a. auch bei der Aus-stattung für das Leichenbegängnis' Ferdinands I. 1564 mit.

53 Vocelka, Hochzeiten (wie Anm. 34), 81, hebt den enzyklopädischen Charakterdieser Inszenierungen hervor.

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lers kann als Erfindung des Humanismus und gleichzeitig als eines seinerSymptome gelten.54 Nicht selten wirkte er als Skriptschreiber, Regisseur,Kulissenbauer und Dokumentator gleichzeitig. Von nun ab konkurriertemitunter die Selbstdarstellung des Künstlers mit der des Herrschers;meist gingen die Interessen beider aber eine Symbiose ein: Wie sich derHerrscher in der Meisterschaft seines Hofkünstlers sonnte, profitiertedieser von der sozialen Position seines Auftraggebers. Vor allem heraus-ragende Persönlichkeiten wie Giuseppe Arcimboldo nutzten die Fest-inventionen, um die eigene Gelehrsamkeit, Originalität und Kreativitätherauszustellen. Die durch diese Entwicklung entstehende Konkurrenzzwischen Künstlern und Gelehrten belegen die überlieferten Streitigkei-ten um die Autorschaft bestimmter Inventionen. So beanspruchten zumBeispiel sowohl Guiseppe Arcimboldo als auch der am Kaiserhof in unter-schiedlichen Funktionen tätige ]ohann Baptist Fonteius der Schöpfer deseuropaweit bestaunten Wiener Turnierprogramms von 1571 gewesen zusein.55

Als Vorlagen für ihre Inventionen zogen die Künstler weniger als ihregelehrten Vorgänger Textvorlagen heran, sondern die sich etablierendeGattung der Festbeschreibungen.56 Festgestalter wie Arcimboldo besaßenselbst Sammlungen solcher Publikationen, die auch in den entstehendenHofbibliotheken aufbewahrt wurden. Auch zeitgenössische Werke überdas antike Münzwesen, über ägyptische Hieroglyphen oder so genannteExempla-Bücher, die für bestimmte Sachverhalte auf historische Personenoder Ereignisse verwiesen, dienten mitunter als QuellenY

54 So schon Cast, Humanism (wie Anm. 4), 435 f.55 Beide hinterließen Schriften, die ihre Mitarbeit dokumentieren sollen. Diejenige

Arcimboldos ist abgedruckt in Vocelka, Hochzeiten (wie Anm. 34), 168-183. Eshandelt sich bei beiden Schriften offenbar um eigenhändige Arbeiten, die aberüber den Anteil der eigenen Mitwirkung am Programm letztlich doch nichtsVerläßliches aussagen. Wenn der Kunstkritiker und Kunsttheoretiker Gian PaoloLomazzo in seinem Werk "Idea del Tempio della Pirrura«. Bologna 1585, Arcim-boldo den Hauptanteil zuschrieb, so mag das auch daran liegen, daß ArcimboldoItaliener war.

56 Zu den Vorlagen für Inventionen im Folgenden vgl. auch Schnitzer, Maskeraden(wie Anm. 33), 3°7-324 f.

57 So zum Beispiel Giovanni Piero Valeriano, Hieroglyphica. Sive de sacris Aegyp-tiorum, aliarumque gentium literis comentarij. Straßburg 1518 (zahlreiche spätereAuflagen). Mit der Publikation von wissenschaftlichen Studien oder Nachschlage-werken, die als Quellen der Festikonographie dienen konnten, machten sich dieHumanisten als Festgestalter gewissermaßen selbst überflüssig. Gleichzeitig sorg-ten sie auf diese Weise für die Standardisierung und für die Legitimierung desVokabulars der Festinventionen. Vgl. Hope/McGrath, Artists (wie Anm. 2), 173.

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Trachtenbücher mit ihren Darstellungen der Bekleidung unterschied-licher Völker und Geschlechter konnte als Vorlagen für Kostümentwürfegenutzt werden.58 Für emblematische Motive konnte die Gattung derEmblembücher herangezogen werden, die Andrea Alciati mit seinemKonrad Peutinger gewidmeten Emblematum liber (1531) begründet hatte.59Der Entwurf von Emblemen mit ihren unterschiedlichen Bestandteilenaus Text und Bild ist gleichzeitig ein wichtiges und frühes Beispiel für dieZusammenarbeit von humanistischen Gelehrten und Künstlern.Go Abdem Ende des 16. Jahrhunderts wurden außerdem so genannte Inven-tionsmusterbücher publiziert. GI Mit solchen Musterbüchern ist eineneue Stufe erreicht, die auf das Zeitalter des Barock als Hochphase deshöfischen Festes verweist, in der die Künstler die Gelehrten als Fest-gestalter endgültig verdrängten.

Die steigende soziale Anerkennung des Künstlers, die sich in diesemEntwicklungsprozeß spiegelt, dokumentieren auch die Rangerhöhungenund Privilegien, die Künstlern von den Kaisern des Untersuchungszeit-

58 Vgl. u.a. Cesare Vecellio, Degli habiti anti chi et moderni di diverse parti delmondo libri due. Venedig 1590; Hans Weigel Habitvs Variarum Orbis gentium,Nürnberg 1571; Vincenzo Cartari, Le imagini dei et degli antichi nelle quali sicontengono gl'idoli, riti, ceremonie & altte cose appartenenti aHa teligione de gliantichi. Venedig 157!.

59 Andrea Alciati, Ad Chonradum Peutingerum emblematum liberoAugsbutg 1531;dazu William S. Heckscher, A Selective List of Secondary Sources Dealing withAndtea Alciati and his Book of Emblems. Princeton 1985. Aufschlußteich für dasVerhältnis der Humanisten zum Bild ist, daß Alciati sein Werk zunächst ohneBilder veröffentlichen wollte. Die Holzschnitt-Illustrationen gingen vielmeht aufseinen Verleget zurück, eine Entscheidung, welche einen bedeutenden Anteil amimmensen Erfolg dieser Gattung gehabt haben dürfte. Weitere wichtige Emblem-bücher veröffentlichten zum Beispiel die am Kaiserhof tätigen HumanistenJohannes Sambucus, Jacobus Typotius oder Octavio da Strada, wobei vor allemdie der beiden letztgenannten zahlreiche Neuauflagen erlebten. Vgl. dazu NicoletteMout, A Useful Servant of Princes. The Netherlands Humanist Jacobus Typotiusat the Prague Imperial Court around 1600, in: Acta Comeniana 13, 1999, 27-49;neuerdings Arnoud S. Q. Visser, Joannes Sambucus and the Learned Image: theUse of the Emblem in Late-Renaissance Humanism. Leiden u.a. 2005.

60 HopelMcGrath, Artists (wie Anm. 2), 170.61 Zum Beispiel Georg Engelhard Löhneys, Della Cavalleria: Gründtlicher Bericht

von allem was zu der Reutterei gehorig und einem Cavallier davon zu wissengeburt. Das ander Theil Gründtlicher Bericht vom Zeumen und ordentlicheAußtheilung der Mundstuck und Stangen wie dieselben nach eines jeden Pferdesarth und eygenschafft sollen gebraucht werden. Deßgleichen auch von allerleyRitterspielen sampt den darzu gehörigen Cardellen und Inventionen [... ]. Rem-lingen 16°9-1610 (zuerst 1588).

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raumes gewährt wurden.62 So bestätigte Ferdinand 1. Francesco Terzio1561 seinen adligen Stand, 1564 erhielt Melchior Lorichs ein Adelsdiplom.Guiseppe Arcimboldo wurde allerdings erst vergleichsweise spät (1591)geadelt.63 Darüber hinaus wurde die Mitarbeit an Festkulissen nicht seltenzu einem Karrieresprungbrett für die beteiligten Künstler. Der MalerBartholomaeus Spranger und der Bildhauer Hans Mont von Ghent wur-den nach ihrer Arbeit an der Ehrenpforte für den Einzug Rudolfs II. inWien an den Prager Hof berufen. 64 Beide hatten, bevor der ebenfalls ausFlandern stammende Giambologna sie Kaiser Maximilian II. empfahl,mehrere Jahre in Italien gearbeitet und sich intensiv mit dem Formengutder italienischen Renaissance auseinandergesetzt. 65 Neben Spranger undMont hatte im übrigen auch der vor allem durch sein »Schilderbuch« be-kannte flämische Maler Karel van Mander daran mitgewirkt, der in sei-nen kunsttheoretischen Arbeiten den Gleichklang von Translatio imperii,Translatio studii und Translatio picturae verkündet und das Ideal des ge-lehrten, ingeniösen, beinahe gottgleichen Künstlers propagiert hatte.66

3. Festpublizistik

Eine zentrale Rolle spielten humanistische Gelehrte als Autoren vonFestbeschreibungen und Casualcarmina. Von allen in diesem Beitragerwähnten Festlichkeiten haben sich Festbeschreibungen erhalten, die inden meisten Fällen auch publiziert worden sind. Sie weisen zumeist einenstark panegyrischen Charakter auf oder wurden überhaupt in Form einespoetischen Herrscherlobs verfaßt. So veröffentlichten etwa die beidenPrager Humanisten Martinus Cuthenus und Matthaeus Collinus a Cho-

62 Allgemein dazu Martin Warnke, Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernenKünstlers. 2., überarb. Aufl. Köln 1996.

63 Thieme-Becker, Bd. I, 70.64 Dieser Einzug ist weniger gut dokumentiert, weshalb er im ersten Teil nicht er-

wähnt wurde. Vgl. dazu Carel van Mander, Das Leben der niederländischenund deutschen Maler (von 14°° bis 1655). Worms 1991, 296 f. (zuerst 1617);Thomas daCosta Kaufmann, The Mastery ofNature. Aspects of Art, Science, andHumanism in the Renaissance. Princeton 1993, 136-15°.

65 Spranger hatte u.a. auch schon an den Ehrenpforten für den Einzug der BrautAlexander Farneses in Parma 1565 mitgearbeitet. Mander, Leben (wie Anm. 64),141. Hans Mont von Ghent empfing 1573 auch schon bei Maximilian 11. Hof-besoldung. Thieme-Becker, Bd. 25, 74.

66 So schon Andreas Beyer,Späthumanismus. Zu Aspekten des Fortlebens der Kunstnach dem Ende der Renaissance, in: Hammerstein/Walther (Hrsg.), Späthuma-nismus (wie Anm. 2), 287-299, hier 295.

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terina gemeinsam eine Beschreibung des feierlichen Einzugs von Ferdi-nand 1. in Prag 1558.67 Beide waren Augenzeugen des Einzugs gewesen,allerdings nicht der in seinem Kontext durchgeführten Festlichkeiten wieetwa des Turniers im Burghof, zu dem sie als Mitglieder der PragerAkademie keinen Zutritt hatten.68 Dessen Beschreibung übernahmen sieaus der Festbeschreibung Pietro Andrea Mattiolis, der als kaiserlicher Leib-arzt und Botaniker zum >inner circb des Kaisers gehörte und deshalbanwesend gewesen war.69 Anders als Mattioli, der wie die meisten ande-ren Autoren von Festbeschreibungen eher eine Idealversion als den tat-sächlichen Ablauf überliefert, berichten Cuthenus und Collinus auchüber Störungen der Einzugsinszenierung: So habe der Kaiser sein Pferdwährend der Darbietung der Jesuiten nur mühsam zügeln können, wäh-rend er der sonderbaren Aufführung der Prager Judenschaft erst gar keineAufmerksamkeit geschenkt habe'?o

Ob es sich bei diesen Beschreibungen um individuelle Aktivitäten odervielmehr um Auftragswerke handelte, läßt sich in den meisten Fällennicht mehr feststellen.?! Ohnehin dürften für die Publikation unter-schiedliche Motive verantwortlich gewesen sein. Aus Sicht des Fürstenerhöhten Festbeschreibungen das Ausmaß an Öffentlichkeit, das demlokal begrenzten Ereignis sonst zugekommen wäre. Die in den Festinven-tionen transportierte Verherrlichung der eigenen Person bzw. Dynastieerreichte nun breitere AdressatenkreiseJ2 Von der Darstellung profitierten

67 Cuthaenus/Collinus, Descriptio (wie Anm. 20).68 Dmitrieva, Architekturen (wie Anm. 18), 278.69 Pietro Andrea Mattioli, Le solenn i pompe i superbi [... ] apparati [... ] fatti alla

venuta dell'Invitt. Imp. Ferdinando I nella Real citta di Praga I'octavo giorno diNov. 1558. Prag 1559.

70 In diesen Ausf1lhrungen werden die Ressentiments der beiden Verfasser gegenüberreligiös abweichenden sozialen Gruppen deutlich. Wie weit es sich hier um realeVorgänge handelt, ist unklar. Daß die Jesuiten als "Christen« dabei besser weg-kommen als die Juden, könnte auch daran liegen, daß eine offene Verunglimpfungder vom Kaiser geförderten Prager Jesuiten von diesem kaum goutiert worden wäre.

71 Dies gilt auch in den Fällen, wenn sich Zahlungen nachweisen lassen. Denn einefinanzielle Entschädigung wurde nicht selten auch als Reaktion auf Schenkungengezahlt.

72 Besonders aufWendig gestaltete Exemplare von Festbeschreibungen wurden inden Bestand von Kunst- und Wunderkammern aufgenommen, was ihre Wert-schätzung durch die betreffenden Fürsten belegt. Das betrifft besonders kostbarilluminierte Festbeschreibungen, die jedoch im hier betrachteten Untersuchungs-zeitraum noch deutlich in der Minderzahl waren. Schnitzer, Maskeraden (wieAnm. 33), 357 f. ThomasdaCostaKaufmann, From Mastery of the World to MasteryofNature. The Kunstkammer, Politics and Science, in: ders., Mastery (wie Anm.65), 174-194.

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aber auch diejenigen Akteure, die an der Ausgestaltung der Festlichkeitenmitgewirkt hatten: Gelehrte und Künstler, bei Kaisereinzügen auch städ-tische Obrigkeiten. Ökonomische Interessen dürften hinter der Überset-zung und Neuauflage bereits publizierter Festbeschreibungen stehen: Sowurde zum Beispiel die von Hans Francolin zunächst in lateinischer Spra-che verfaßte, nicht illustrierte Beschreibung des Wiener Turniers von 1560in der Folge in mehreren Auflagen in deutscher Sprache veröffentlicht,die nun mit zahlreichen Illustrationen (u.a. von Francesco Terzio) versehenwaren.73 Die ebenfalls illustrierte Beschreibung Caspar Stainhofers überden Einzug Maximilian 11. in Wien 1563 erschien dagegen sofort in deut-scher Sprache, wobei auch die lateinischen Inschriften der Ehrenpfortenins Deutsche übertragen wurden.74 Dies deutet darauf hin, daß solchePublikationen zunehmend ein zwar gebildetes, lesefähiges, aber nicht mehrim klassischen Sinne gelehrtes Publikum ansprechen sollten.

Eine eigene Publikationsgattung bildeten die aus Anlaß des Herrscher-einzuges verfaßten Casualcarmina, die auf Veranlassung ihrer Autorenhäufig gedruckt und dem Herrscher bzw. anderen Vertretern der Obrigkeitgewidmet und überreicht wurden.75 Casualcarmina erschienen sowohleinzeln als Flugblätter oder Flugschriften, als auch in Form von Sam-melwerken, die dann mehrere, von unterschiedlichen Autoren verfaßteGedichte umfaßten. So veröffentlichte der Jurist Petrus a Rotis 1558 einePanegyrik, die in lateinischen Hexametern die Ankunft Ferdinands 1. in

73 Francolin war als kaiserlicher Ehrenhold per proftssionem für die ,Öffentlichkeits-arbeit< des Kaiserhauses zuständig. Johannes von Francolin, Felicis Imperatoriidescriptio ludorum Martialium sive Circensium a Maximiliano R. Bohem. Vien-nae exhibitorum a 2. Maii ad 13.Iun., [Wien]:[1562]; ders., Thurnier Buch: War-hafftige Beschreibunge aller kurzweil vnd Ritterspil so [... ] Herr Maximilian,König zu Beheym [... ] zu frölicher ankunfft deß [... ] Albrecht Hertzogen inBeyern [... ] in der weitberümpten Statt Wien [... ] lassen halten [... ] Frankfurtam Main: Feyerabend & Hüter 1566.

74 Stainhoftr, Beschreibung (wie Anm. 23). Die Übersetzungen der Inschriften sindteilweise sehr frei, was entweder auf eine begrenzte Sprachkenntnis oder auf dasBedürfnis hinweisen könnte, die komplexen Anspielungen bei der Übersetzunggleichzeitig zu erklären. Stainhofer hebt in seiner Widmung explizit hervor, daßdie Prachtentfaltung des Einzugs von 1563 sogar die Triumphzüge der Römerübertroffen habe.

75 Dazu allgemein Stephan Füsse4 Riccardus Bartholinus Peusinus. HumanisüschePanegyrik am Hofe Kaiser Maximilians I. (Saecula Spiritalia, Bd. 16.) Baden-Baden1987; Kerstin Heldt: Der vollkommene Regent. Studien zur panegyrischen Casu-allyrik am Beispiel des Dresdner Hofes Augusts des Starken. (Frühe Neuzeit,Bd. 34.) Tübingen 1997; Franz Römer/ Elisabeth Klecker, Poetische Habsburg-Panegyrik in lateinischer Sprache. Bestände der Österreichischen Nationalbiblio-thek als Grundlage eines Forschungsprojekts, in: Biblos 43,1994,183-198.

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Wien und den anschließenden Zug des Kaisers durch die Stadt verherr-licht.76 Gleichzeitig gab der kaiserliche Rat und Rektor der WienerUniversität, Georg Eder, eine circa 140 Seiten starke Sammlung der beidieser Gelegenheit von humanistischen Gelehrten aus dem Umkreis derWiener Universität wie etwa Hieronymus Lauterbach, Adam Schröter,Veit Jacobaeus und Bartholomaeus Reisacher verfaßten CasualcarminaherausJ?

Auch die folgenden Herrschereinzüge sowie andere Festlichkeitenwurden von humanistischen Gelehrten zum Anlaß für die Publikationvon Panegyriken genommen.78 Denn die poetischen Ergüsse kündetennicht nur vom Ruhm des Gefeierten, der dadurch im Medium des Textesgespeichert und verbreitet wurde, sondern sie stellten vor allem Gelehr-samkeit der Verfasser zur Schau. Gelegenheitsgedichte boten ihren Pro-duzenten wie keine andere Textgattung die Möglichkeit, ihre umfassendehumanistische Bildung unter Beweis zu stellen. Gerade das poetischeHerrscherlob vereinigte alle fünf zu den studia humanitatis gehörendenDisziplinen zu einem organischen Ganzen: Nirgendwo sonst konnte einAutor seine Vertrautheit mit den drei »heiligen Sprachen«,79 vor allemLatein und Griechisch, aber auch Hebräisch, seine dichterischen undrhetorischen Fähigkeiten, seine Kenntnis von Mythologie und Geschichtesowie Moralphilosophie auf derart begrenztem Raum in einem Werkgleichzeitig zur Geltung bringen.

76 Petrusa Rotis,Triumphi quo D. Ferdinandus I. Rom. Imperator Augustiss. P.F.P.P.Viennae a suis exceptus est, Descriptio. Wien: Michael Zimmermann 1558. DasWerk war dem Wiener Bürgermeister Georg Braunstetter, dem Stad trichter Lau-renz Hyttendorfer und dem Oberkämmerer Johann Ybermann gewidmet. Rotiserhielt für seine 26 Blätter am 28. Juni 1558 eine Belohnung aus der Stadtkasse.Feil Einzug (wie Anm. 21), 15. Für den Prager Einzug vgl. die in Cenek Zibrt,Bibliografie ceske historie. 5 Bde. Prag 1900-1912, hier Bd. 3.2, 432-434, auf-geführten zahlreichen Schriften U.a. von Petms Codicillus a Tulechowa undCaspar Cropacius.

77 GeorgEder, Triumphus D. Ferdinando I. Ro. Imperatori invictiss. P. P.Augustiss.Archigymnasii Viennensis nomine pro foelicibus imperii auspicis renuneiarus adeundem panegyrica aliquot doctissimorum hominum carmina, eiusdem scholaenomine, pro communi congratulatione de imperii fascibus tarn foeliciter adeptis,conscripta. Wien: Hofhalter 1558. Eder war elf Mal nacheinander Rektor derWiener Univeristät. Er gab 1559 den Catalogus Rectorum heraus, eine Geschichteder Wiener Universität. Vgl. zu Eder auch Mühlberger, Bildung (wie Anm. 27),224-226.

78 Zum Teil wurden diese allerdings auch nur in handschriftlicher Form bei Hofabgeliefert.

79 Dieter Wuttke, Humanismus als integrative Kraft. Die Philosophia des deutschen,Erzhumanisten< Conrad Celtis. Nürnberg 1985,37.

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Für diese öffentlichen Loyalitätsbekundungen winkten den Autorenkaiserliche Gnadenakte in Form von Privilegien, Standeserhöhungenoder materiellen Begünstigungen.8o 1558 bestätigte der Kaiser zudem ineinem Revers der Wiener Universität das Vorrecht der Dichterkrönung,das Kaiser Maximilian I. zunächst Conrad Celtis verliehen hatte und dasnach dessen Tod an die Wiener Universität übergegangen, aber in derFolge kaum noch ausgeübt worden war. 81 Schon kurz vor diesem Reverswar der Nürnberger Humanist Heinrich Eckard, der anläßlich von Ferdi-nands Einzug in Wien ebenfalls eine Herrscherpanegyrik veröffentlichthatte, durch den Universitätsprofessor und kaiserlichen Leibarzt PaulFabricius, der selbst ebenfalls diverse Panegyriken verfaßt hatte, in einetfeierlichen Zeremonie zum Dichter gekrönt worden.82 Wenig später folgtedie Dichterkrönung der oben genannten Gelehrten Hieronymus Lauter-bach und Veit }acobaeus.83 Nicht zuletzt empfahlen sich die Autoren aufdiese Weise für bestimmte Positionen an den Fürstenhöfen. So trat etwaLauterbach, der auch ein Gedicht zur Hochzeit Karls von Innerösterreichmit Maria von Bayern 1571 publiziert hatte, kurze Zeit danach am Hof

80 Im folgenden vgl. ]oseph Ritter von Aschbach, Geschichte der Wiener Universität.3 Bde. Wien 1865-88, hier Bd. I, 59.

81 Schon unter Kaiser Maximilian I. waren die Poetae laureati ein wichtiger Bestand-teil habsburgischer Herrschaftsinszenierung gewesen. Allgemein dazu ]an-DirkMüller, Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. (Forschungenzur Geschichte der älteren deutschen Literatur, Bd. 2.) München 1982; zurDichterkrönung neuerdings Albert Schirrmeister, Triumph des Dichters. GekrönteIntellektuelle im 16. Jahrhundert. (Frühneuzeitstudien, N.F., Bd. 4.) Köln/Weimar/Wien 2003.

82 RudolfKink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien. 2 Bde. Wien 1854,hier Bd.l, Th.l, 268-270. Heinrich Eckard, Ad Ferdinandi I. Imp. Rom. propacanda Germania carmen [... ] Wien 15)8 (offenbar nicht erhalten). Fabriciusveröffentlichte anschließend eine ausführliche Beschreibung diese Aktes: PaulFabricius, Actus poeticus in gymnasio Viennensi celebratus: In quo, Paulus Fabri-cius caesareses Archiducum Ausrriae mathematieus J. O. Med. [... ] autoritate[... ]; Imperatoris Ferdinandi [... ] Henrico Ecardo Norimbergensi lauream coro-nam imposuit Postamque croavit & renunciauit IIII Monas Iulij. Wien: RaphaelHofhalter 15)8.

83 Der Mathematiker und Astronom Hieronymus Lauterbach lehrte ebenfalls ander Wiener Universität. Veit Jacobaeus hatte in Wittenberg studiert und ging nachseiner Lehrtätigkeit an der Wiener Universität 1562 als Professor für Poetik nachIngolstadt. Allerdings konnte das akademische Ritual der Dichterkrönung nurkurzzeitig wiederbelebt werden, denn auch innerhalb der Wiener Universität gabes Kreise, die ihm kritisch gegenüberstanden, zumal die Werke der ausgezeichnetenPoeten ohnehin nicht über jeden Zweifel erhaben waren. Dazu Kink, Geschichte(wie Anm. 82), 267.

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Karls eine Stelle als Landesmathematiker an, auf der ihm kein geringererals Johannes Kepler folgen sollte.

4. Fazit

Die habsburgische Festkultur der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundertswurde zweifellos stark von humanistischem Gedankengut geprägt. Diesbetrifft besonders die hier exemplarisch betrachteten Festtypen Herr-schereinzug und Turnier, zwischen denen jedoch differenziert werdenmuß. Beim Herrschereinzug dienten die auf die Antike rekurrierendenElemente wie etwa die Bildsprache der Ehrenpforten der Überhöhungund Legitimierung eines monarchischen Herrschaftsanspruchs, der in denverfassungsrechtlichen Gegebenheiten gründete. Der Herrschereinzugvisualisierte bestehende rechtliche und soziale Verhältnisse, wenn auchnicht unbedingt deckungsgleich. Die Kaiser zogen wie ihre mittelalter-lichen Vorgänger als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, nicht etwaals antike Cäsaren ein. Die Herrschereinzüge übernahmen zwar Ele-mente des antiken Triumphzuges, sie wurden mit klassischem Bildungsgutangereichert, dennoch standen sie primär in der Tradition mittelalter-licher Herrschereinzüge. Die TurnieraufZüge schufen hingegen eine künst-liche Welt, in der die realen Herrschaftsverhältnisse auch umgekehrt oderin anderer Weise neu geordnet werden konnten. Hier konnte der Herr-scher tatsächlich als antiker Gott oder Held einziehen. Hier konnten dieAkteure sogar gelegentlich im Kampf verlieren, ohne tatsächlich verlorenzu haben. Denn die Kampfhandlung des Turniers trat zunehmend hinterden Schaueffekt von Kostümierung, Kulissen und szenischer Choreogra-phie zurück. Trotz der durch den Humanismus initiierten formalen Neue-rungen blieben jedoch auch hier mittelalterliche Motive wie Bauern,Wilde, Angehörige fremder Nationen und Monster oder christliche The-men wie die Überwindung von Tod und Teufel als eine Art Standard-repertoire über den gesamten Untersuchungszeitraum präsent.

Bei Entwurf und Umsetzung von Festprogrammen nahmen die Huma-nisten an den Habsburgerhöfen zunächst eine führende Rolle ein, dennder Humanismus stellte ein umfangreiches Vokabular für die Legitimationfürstlicher Herrschaft bereit: klassische Architekturformen als Hoheits-formeln, Exempla für herrscherliche Größe, Herrscherahnenreihen bis indie Antike, um nur einige Bestandteile dieses Vokabulars zu nennen.Im Zuge der Etablierung des Hofkünstlers wurde die Trennung vonliterarischem Programmentwurf und künstlerischer Umsetzung jedochzunehmend aufgegeben und in einer Hand konzentriert. Das neue Idealdes humanistisch gebildeten Künstlers machte den humanistischen Ge-

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lehrten als Programm gestalter weitgehend überflüssig. Dieser mußte sichdeshalb zunehmend auf die Produktion von Festbeschreibungen undCasualcarmina beschränken. Diese sollten den Ruhm des im Fest gefeier-ten Monarchen vermehren und darüber hinaus die eigene Gelehrtheit öf-fentlichkeitswirksam in Szene setzen. Humanistische Gelehrte und Künst-ler zeichnete eine hohe regionale Mobilität aus: Sie waren oft an mehrerenHöfen für unterschiedliche Auftraggeber beschäftigt gewesen und hattensich mit unterschiedlichen kulturellen Kontexten auseinandergesetzt.

Diese Internationalität prägte auch die in den Festinszenierungenverwendeten symbolischen Repräsentationsformen, die für eine huma-nistisch gebildete Oberschicht, zu der auch die habsburgischen Regentendes Untersuchungszeitraumes zu rechnen sind, europaweit verständlichwaren.84 Im Hinblick auf diese soziale Schicht wirkte der Humanismusinkludierend: Wer die durch Bild und Text vermittelten Botschaften auf-lösen konnte, durfte sich zugehörig fühlen. Andererseits wurden all jeneBevölkerungsschichten, welche die mehr oder weniger subtile Gelehrtheitder Festprogramme nicht oder nur zum Teil verstanden, völlig oder - undhier waren feine Differenzierungen möglich - teilweise exkludiert. Der,Pöbel<als Adressat der Herrschereinzüge mußte aus Sicht der Herrschafts-träger gar nicht alles verstehen: Er sollte vor allem staunen. Als »predomi-nant cultural style«85 überformte der Humanismus die hergebrachtenTraditionen der höfischen Festkultur, gleichwohl fegte er die tradiertenFesttypen und Repräsentationsformen nicht einfach hinweg. Was diesePhase der Auseinandersetzung mit klassischem Formengut von jener frü-herer Renaissancen86 grundsätzlich unterschied, war die Breite, die In-tensität und der hohe Grad an Reflektion, mit dem antiken Vokabularrezipiert, transformiert und so für die eigenen Interessen nutzbar ge-macht wurde.

84 Walther spricht von einem "neuen Code internationaler symbolischer Repräsen-tation«. Gerrit Walther, Nationalgeschichte als Exportgut. Mögliche Antwortenauf die Frage: Was heißt ,Diffusion< des Humanismus?, in: Helmrath/Muhlack!ders., Diffusion (wie Anm. 9), 436-446, hier 439.

85 Nauert, Humanism (wie Anm. 8), 183.86 Allgemein Erwin Panofiky, Die Renaissancen in der europäischen Kunst. 3. Aufl.

Frankfurt am Main 2001 (zuerst 1960).


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