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Auswirkung der lumbalen Hybridinstrumentierung und der rigiden Fusion auf das versorgte und...

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zur nichtkommerziellen Nutzung auf der privaten Homepage und Institutssite des Autors Der Orthopäde www.DerOrthopaede.de Organ der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Organ der Union Orthopädie und Unfallchirurgie der Fachgesellschaften DGOOC und DGU Elektronischer Sonderdruck für Ein Service von Springer Medizin Orthopäde 2011 · 40:169–177 · DOI 10.1007/s00132-010-1717-y © Springer-Verlag 2011 B. Wiedenhöfer · M. Akbar · C.H. Fürstenberg · C. Carstens · S. Hemmer · C. Schilling Auswirkung der lumbalen Hybridinstrumentierung und der rigiden Fusion auf das versorgte und anschließende Segment Eine biomechanische Untersuchung B. Wiedenhöfer
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zur nichtkommerziellen Nutzung auf der privaten Homepage und Institutssite des Autors

Der Orthopäde

www.DerOrthopaede.de

Organ der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische ChirurgieOrgan der Union Orthopädie und Unfallchirurgie der Fachgesellschaften DGOOC und DGU

Elektronischer Sonderdruck für

Ein Service von Springer Medizin

Orthopäde 2011 · 40:169–177 · DOI 10.1007/s00132-010-1717-y

© Springer-Verlag 2011

B. Wiedenhöfer · M. Akbar · C.H. Fürstenberg · C. Carstens · S. Hemmer · C. Schilling

Auswirkung der lumbalen Hybridinstrumentierung und der rigiden Fusion auf das versorgte und anschließende SegmentEine biomechanische Untersuchung

B. Wiedenhöfer

Orthopäde 2011 · 40:169–177DOI 10.1007/s00132-010-1717-yOnline publiziert: 30. Januar 2011© Springer-Verlag 2011

B. Wiedenhöfer1 · M. Akbar1 · C.H. Fürstenberg1 · C. Carstens2 · S. Hemmer1 · C. Schilling3, 4

1  Department für Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie, Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg

2 Fachklinik für Wirbelsäulenchirurgie, Galenus Klinik GmbH, Stuttgart3 Aesculap AG, Forschung & Entwicklung, Tuttlingen4 Julius Wolff Institut, Charité-Universitätsmedizin Berlin

Auswirkung der lumbalen Hybridinstrumentierung und der rigiden Fusion auf das versorgte und anschließende Segment

Eine biomechanische Untersuchung

Leitthema

Seit den 90er Jahren des letzten Jahrhun-derts ist ein signifikanter Anstieg wirbel-säulenchirurgischer Interventionen und hier speziell von Fusionen zu verzeich-nen. US-Daten [37] ergeben für die 90er Jahre einen Anstieg der wirbelsäulen-chirurgischen Eingriffe im Allgemeinen von 57% mit einem bedeutsamen An-stieg lumbaler Fusionen mit oder ohne Implantate. Dieser Trend ist weiter an-haltend. Eine der wesentlichen, bis heu-te ungelösten Folgen ist die Degenera-tion des oberen Anschlusssegments [9, 14, 38]. Ebenso ist die Diskussion über die Notwendigkeit der Fusion der behan-delten Segmente [3] nicht beendet. Ab-hängig von der Fusionstechnik und der Dauer der Nachbeobachtung ergeben sich für die symptomatische Degenera-tion des oberen Anschlusssegments In-zidenzen von 5–20% [25]. Unterschiedli-che Hypothesen zur Ursächlichkeit wer-den diskutiert, wobei sich 2 Ansätze her-aus kristallisieren [25]:

FEinerseits wird gestützt auf Ergeb-nisse aus In-vitro-Studien angenom-men, dass es durch die Fusion zu einem vermehrten Lasttransfer auf das angrenzende obere Anschlussseg-ment kommt. Daraus resultiert dort ein erhöhter intradiskaler Druck [36].

Durch die zusätzlich auftretende Ver-schiebung des Rotationszentrums im oberen Anschlusssegment in Flexion resultiert dort eine relative Hyper-mobilität [15] mit einer kompensa-torischen Vergrößerung der Range of Motion (ROM) und der neutralen Zone (NZ).

Die neutrale Zone beschreibt die Zone, in der sich die Wirbelsäule unter minima-ler Krafteinleitung bewegt, bevor die li-gamentäre Gegenspannung als primärer Stabilisator einsetzt [6, 24].

Nachemson [19, 21] sah bereits in den 60er Jahren den erhöhten intradiska-len Druck im Anschlusssegment als eine wesentliche Ursache für die Entwick-lung der Anschlussdegeneration an. Ob-wohl bis heute evidenzbasierte klinische Daten fehlen, konnte Nachemson [20, 21] durch unterschiedliche In-vivo-Messun-gen demonstrieren, dass der intradiskale Druck abhängig von der Rumpfposition und der aktuellen Belastung ist. Die Be-obachtungen wurden später auch mit an-deren Untersuchungsprotokollen bestä-tigt [27, 40]. Die Ergebnisse sind einer-seits bedeutend, da sie die Situation bei asymptomatischen Bandscheiben gesun-der Probanden ohne radiologische Dege-nerationszeichen widerspiegeln. Anderer-

seits konnten sie in einem Kollektiv senso-motorisch komplett querschnittsgelähm-ter tetra- und paraplegischer Patienten mit Verlust der den Rumpf stabilisieren-den Muskelkraft und -spannung bestätigt werden [13].

FKlinische Studien stellten einen ur-sächlichen Bezug zwischen der Länge und Rigidität der Fusion und den da-durch veränderten Bewegungs- und Belastungsparametern und dem Auf-treten einer Anschlussdegeneration her [3, 28]. Deshalb erschien biome-chanisch die Einführung der semiri-giden Fusionen primär viel verspre-chend [32, 33]. Leider konnten die biomechanischen Ergebnisse klinisch nicht eindeutig bestätigt werden, weshalb andererseits die natürliche Degeneration des Anschlusssegments als Ursache diskutiert wird [2, 12, 16, 26, 34]. Aber auch die Hypothese der natürlichen Degeneration ist sowohl in vivo als auch in vitro schwer zu be-legen.

Biomechanisch ist die Auswirkung von Fusionen von mehr als 5 Segmenten bis heute schwer simulierbar, da entspre-chende Simulatoren rar sind [5, 23, 39]. Folglich sind klinisch retrospektive Ana-

169Der Orthopäde 2 · 2011  | 

lysen unabdingbar. Diese stützen die These der Auswirkung der Fusionslänge auf die Entwicklung der Anschlussdege-neration [3].

Die vergleichende Datenlage zum Ein-fluss unterschiedlicher Fusions- oder Non-Fusionstechniken auf die Entwick-lung der oberen Anschlussdegeneration ist beschränkt. Neben den eingeführten, rein dorsalen, rigiden, pedikelgestütz-ten Fixateur-interne-Systemen ging zum einen der Weg zur 360°-Fusion, um da-mit die Gefahr der Pseudarthrose und In-stabilität zu reduzieren, und auf der ande-ren Seite wurde primär aus Gründen der Segmentprotektion der Weg zur dynami-schen Versorgung mit unterschiedlichen Ansätzen, wie semirigiden Stäben, inter-spinösen Spreizern und Bandscheibenen-doprothesen beschritten.

EDer Effekt beider Wege auf die Entwicklung der oberen Anschlussdegeneration ist noch unzureichend evaluiert.

Folglich gibt es bis heute keine abschlie-ßende Aussage, ob es besser ist, so lange und so rigide wie möglich zu fusionie-ren, oder ob eine kurzstreckige dynami-sche oder eine hybride Versorgung zur Vermeidung der Anschlussdegeneration überlegen ist.

Die vorliegende Arbeit evaluiert im humanen biomechanischen Modell eine bisegmentale rigide 360°-Fusion (Fixa-teur interne L3–5 und ALIF-Cages L3/4 und L4/5 [RIG 360°]) und eine bisegmen-

tale Hybridfusion (Fixateur interne L4/5, ALIF-Cage L4/5 und Bandscheibenpro-these L3/4 [Hybrid]) in ihrer Auswir-kung sowohl auf die versorgten Segmente als auch auf das obere Anschlusssegment unter dem Gesichtspunkt der Segment-protektion.

Material und Methoden

Nach Autorisierung durch die Ethikkom-mission wurden 6 frische, unfixierte, hu-mane Wirbelsäulenpräparate mit einem Durchschnittsalter von 75,17 (56–86 Jah-ren) für die In-vitro-Versuche verwen-det. Das umgebende Weichteilgewebe war entfernt, die Bänder, Gelenkkapseln und Bandscheiben waren unversehrt. Bei den verwendeten Präparaten gab es ana-mnestisch keine Hinweise auf eine mani-feste Osteoporose, ausgeprägte degenera-tive Osteochondrose oder Wirbelbrüche jedweder Genese. Dies wurde vor der Tes-tung radiologisch (CT und Q-CT) über-prüft. Die Präparate verblieben bis zum Tag vor der Testung bei −20°C tiefgekühlt und wurden dann über Nacht bei 4°C für die Versuche aufgetaut.

Die Lendenwirbelsäulen wurden auf die Länge der Segmente L2–5 reduziert und der kraniale Teil des LWK2 und der kaudale Teil des LWK5 mit Epoxyd-harz (Ureol FC 53, Vantico GmbH, Wehr, Deutschland) in einer Testvorrichtung zur Lasteinleitung am Wirbelsäulensimulator eingebettet. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Bandscheibe L3/4 horizontal aus-gerichtet war.

Instrumentierung

Die Präparate wurden jeweils in 3 Zustän-den, die nacheinander hergestellt wurden, untersucht. Als erster Segmentzustand wurde die native Situation (NAT) des Prä-parats untersucht. Sie diente als Referenz-messung für die folgenden instrumen-tierten Zustände. Als zweiter Segment-zustand erfolgte eine bisegmentale rigide Fusion L3–5 (RIG 360°) mit transpediku-lärem Fixateur interne (S4, B. Braun Aes-culap®, Tuttlingen) und ALIF-Cages (A-Space PEEK, B. Braun Aesculap®, Tutt-lingen) durch einen erfahrenen Wirbel-säulenchirurgen. Abschließend wurden die dorsalen bisegmentalen Stäbe durch monosegmentale Stäbe gleicher Biegung, die gemeinsam mit dem ALIF-Cage nur noch das Segment L4/5 dorsoventral ad-ressierten, ausgewechselt. Der ALIF-Ca-ge aus dem Segment L3/4 wurde entfernt und durch eine Bandscheibenprothe-se (Activ L, B. Braun Aesculap®, Tuttlin-gen), die unter idealen Spannungsbedin-gungen eingebracht wurde, ersetzt, so-dass die rigide Fusion (RIG 360°) in eine Hybridfusion (Hybrid) überführt wurde (.Abb. 1).

Die Versuche wurden entsprechend den Testkriterien für eine In-vitro-Fle-xibilitätstestung [42] durchgeführt. Alle Präparate wurden bei Raumtemperatur [39] in einem Wirbelsäulenbelastungssi-mulator (.Abb. 2), der nach dem Prin-zip von Crawford et al. [5] arbeitet, getes-tet. Die Präparate wurden in den 3 Haupt-bewegungsrichtungen

Abb. 1 9 Segmentzustän-de der getesteten Präpara-te. a Nativ (NAT), b biseg-mentale rigide 360°-Fu-sion (RIG 360°) bestehend aus dorsalem Fixateur L3–5 und ventralen ALIF-Im-plantaten in L4/5 und L3/4, c Hybridfusion (Hybrid), be-stehend aus 360°-Fusion in L4/5 und Bandscheiben-prothese in L3/4

170 |  Der Orthopäde 2 · 2011

Leitthema

Zusammenfassung · Abstract

Orthopäde 2011 · 40:169–177   DOI 10.1007/s00132-010-1717-y© Springer-Verlag 2011

B. Wiedenhöfer · M. Akbar · C.H. Fürstenberg · C. Carstens · S. Hemmer · C. Schilling

Auswirkung der lumbalen Hybridinstrumentierung und der rigiden Fusion auf das versorgte und anschließende Segment. Eine biomechanische Untersuchung

ZusammenfassungHintergrund.  Die Degeneration des oberen Anschlusssegments bei der operativen Be-handlung degenerativer Wirbelsäulenerkran-kungen der Lendenwirbelsäule („degenerati-ve disc disease“, DDD) ist ein ungelöstes Prob-lem. Außerdem besteht kein Konsens, ob die DDD segmentprotektiv eher rigide oder dy-namisch behandelt werden sollte. Die vorlie-gende Arbeit evaluiert die Auswirkung einer bisegmentalen rigiden 360°-Fusion und bi-segmentalen Hybridfusion sowohl auf die versorgten Segmente als auch auf das obere Anschlusssegment unter dem Gesichtspunkt der Segmentprotektion.Material und Methoden.  Sechs humane Wirbelsäulenpräparate (L2–5) wurden in al-len 3 Hauptbewegungsrichtungen unter phy-siologischen Belastungen und mit einer axia-len Vorlast nativ, bisegmentaler rigider Fu-sion (RIG 360°) und mit hybrider Fusion (Hyb-rid) getestet. Die Range of Motion (ROM) und neutrale Zone (NZ) wurden ausgewertet. Im oberen Anschlusssegment (OAS) wurde der intradiskale Druck (IDP) ermittelt.

Ergebnisse.  In den Segmenten L3–5 führ-te die RIG 360° im Vergleich zur nativen Si-tuation (NAT) zu einer signifikanten Bewe-gungsabnahme in allen Richtungen, die Hyb-rid nur in lateraler Biegung (LB). Im OAS wur-de die NZ deutlich stärker vergrößert als die ROM. Die RIG 360° zeigte eine Erhöhung der NZ in Flexion-Extension (FE) um 86,8% und LB um 49,6% sowie eine signifikante Erhö-hung der axialen Rotation (AR) um 52,5%. Die Erhöhung der Hybrid war in allen Rich-tungen nicht signifikant im Vergleich zur NAT. Die Druckmessung im OAS lieferte in allen Richtungen für beide Belastungszenarien für RIG 360° und für Hybrid keine signifikanten Unterschiede zur NAT.Diskussion.  Der Bewegungsradius der be-handelten Segmente von Hybrid lag im Ver-gleich zu RIG 360° am nächsten an NAT mit dem Hinweis auf eine segmentprotektive Wirkung. Die Hypothese, dass eine rigidere Fusion eine signifikante Auswirkung auf die intersegmentale Beweglichkeit (ROM) und die Erhöhung des IDP im oberen Anschluss-segment hat, konnte nicht bestätigt werden. 

Die Daten weisen darauf hin, dass die primä-ren Auswirkungen der Fusion auf die Nach-barsegmente eher gering sind, jedoch die fu-sionsbedingt vermehrte Frequenz von inner-halb des Signifikanzniveaus liegenden „Ext-rembelastungen“ des OAS zur Degeneration führt. Auch wenn sich die NZ-Werte der Hyb-rid und der RIG 360° überwiegend nicht sig-nifikant von NAT unterscheiden, sind die NZ-Veränderungen im Trend zwischen den Ins-trumentierungen stark zu Gunsten der Hyb-rid verschoben.Schlussfolgerungen.  Die Daten belegen, dass die deutlichen, teilweise signifikanten Veränderungen der NZ ein wesentlicher Fak-tor für de Entwicklung einer Anschlussde-generation sein kann. Ein dynamischer Ab-schluss einer Instrumentierung im Sinne des „topping off“ erscheint sinnvoll, wenn die pa-thoanatomischen Indikationen zur Band-scheibenprothese gegeben sind.

SchlüsselwörterKinematik · Intradiskaler Druck · Range of  Motion · Neutrale Zone · Hybridfusion

Effect of lumbar hybrid instrumentation and rigid fusion on the treated and the adjacent segments. A biomechanical study

AbstractBackground.  Degeneration of the upper ad-jacent segment after operative treatment of degenerative spinal diseases of the lumbar spine (degenerative disc disease DDD) is an unsolved problem. There is also no consen-sus on whether a rigid or dynamic treatment of DDD should be carried out to protect the segments. This study was carried out to eval-uate the effect of bisegmental rigid 360° fu-sion and bisegmental hybrid fusion on the treated segment as well as on the upper ad-jacent segment under the aspect of segment protection.Material and methods.  A total of six human spinal column preparations (L2-5) were test-ed under native conditions (NAT), with biseg-mental rigid fusion (RIG 360°) and with hy-brid fusion (Hybrid) in all three movement di-rections under physical load and with an pre-load. The range of motion (ROM) and neu-tral zone (NZ) were evaluated. The intradiscal pressure (IDP) was measured in the upper ad-jacent segment (OAS).

Results.  The RIG 360° led to a significant re-duction in movement in all directions com-pared to NAT but Hybrid only in lateral bend-ing (LB). In the OAS the NZ was showed a much greater increase than the ROM. The RIG 360° showed an increase of the NZ in flex-ion-extension of 86.8% and in LB of 49.6% as well as a significant increase in axial rota-tion of 52.5%. The increase in the Hybrid was not significant compared to NAT in all direc-tions. Pressure measurements in OAS showed no significant differences for RIG 360° and for Hybrid compared to NAT for both load sce-narios.Discussion.  The range of motion of the treated segments for Hybrid were close to NAT in comparison to RIG 360° indicating a segment-protective effect. The hypothesis that rigid fusion has a significant effect on in-tersegmental mobility and the increase in in-tradiscal pressure in the upper adjacent seg-ment could not be confirmed. The data indi-cate that the primary effect of fusion on the 

adjacent segment is very low but the fusion-linked increased frequency of extreme loads of the OAS falling within the significance lev-el leads to degeneration. Even if the NZ val-ues for Hybrid and RIG 360°do not significant-ly differ from NAT, the NZ alterations between the instrumentations tend to be strongly shifted in favor of Hybrid.Conclusions.  The data confirm that the clear and sometimes significant alterations of the NZ can be an essential factor for develop-ment of adjacent segment degeneration. A dynamic conclusion of instrumentation in the sense of a topping-off would appear to be useful if pathoanatomical indications for an intervertebral disc prosthesis are present.

KeywordsKinematics · Intradiscal pressure · Range of motion · Neutral zone · Hybrid fusion

171Der Orthopäde 2 · 2011  | 

FFlexion-Extension (FE),Fbilaterale laterale Biegung (LB) undFbilaterale axiale Rotation (AR)

untersucht.Dabei wurden in einem ersten Schritt

physiologische Belastungen von puren Momenten ±7,5 Nm aufgebracht und in einem zweiten Schritt diese mit einer axia-len Vorlast von 400 N überlagert [41, 43]. Die verwendeten Belastungen liegen nicht im destruktiven Lastbereich, damit meh-rere Messungen zerstörungsfrei an einem Präparat durchgeführt werden können.

Die resultierende Kinematik wur-de mit einem ultraschallbasierenden 3-D-Bewegungsmesssystem (Zebris, Is-ny, Deutschland) jeweils von den instru-mentierten Segmenten (L3–5) und vom nicht instrumentierten Anschlussseg-ment (L2/3) aufgenommen. Aus den 3-D-Daten des jeweils dritten Hysteresezyklus wurden die charakteristischen Parameter Range of Motion (ROM) und neutrale Zone (NZ) beider Segmente ausgewertet (.Abb. 3).

Zusätzlich wurde im nicht instru-mentierten Anschlusssegment (L2/3) si-multan zur Bewegungsmessung der in-tradiskale Druck (IDP) mit einem faser-optischen Miniaturdrucksensor (Durch-messer 0,4 mm, Druckmessbereich −0,1 bis 1700 kPa), basierend auf dem Fabry-Perot-Prinzip (Samba Sensors, Schwe-den) ermittelt (.Abb. 3). Der Druck-sensor wurde dazu orthograd zum Anu-lus fibrosus mittig zwischen den Wirbel-körperendplatten von ventrolateral in die Bandscheibe L2/3 zentral im oberen An-

schlusssegment eingebracht. Die Ergeb-nisse für den intradiskalen Druck (IDP) wurden zu den 3 charakteristischen Belas-tungspunktenFmaximal eingeleitetes Moment

(+7,5 Nm),Fneutral (0 Nm) undFminimal eingeleitetes Moment

(−7,5 Nm)

eines jeweiligen Hysteresezyklusses der Moment-Druck-Kurve ausgewertet.

Statistik

Die Auswirkung der 3 untersuchten Seg-mentzustände auf ROM und NZ im ver-sorgten Segment L3–5 bzw. im Anschluss-segment L2/3 sowie der IDP im An-schlusssegment L2/3 wurde anhand der Absolutwerte mittels einer einfaktoriel-len ANOVA zu einem Signifikanzniveau von p=0,05, statistisch ausgewertet. Als Post-hoc-Analyse wurde der Least-squa-re-difference-Test (LSD) verwendetet, um Unterschiede zwischen den spezifischen Segmentzuständen zu bestimmen. Zu-vor wurden die Daten auf Normalvertei-lung mit dem Klomogorov-Smirnov-Test überprüft. Die statistische Auswertung wurde mit Statistica 8.0 (StatSoft, Inc.) durchgeführt.

Ergebnisse

Zwei der 6 untersuchten Wirbelsäulen hatten im Gegensatz zur dokumentierten Anamnese Zeichen einer fortgeschrit-tenen Osteochondrose. Beide Präpara-

te wiesen klinisch und radiologisch eine osteoporotische Knochenqualität auf. Trotzdem ergaben sich während der Inst-rumentierung und während der Messun-gen weder Probleme durch Implantatlo-ckerung oder Einbrechen in die Endplat-ten noch durch Rupturen der Weichteil-strukturen (Kapseln und Bänder).

Range of Motion

In den instrumentierten Segmenten L3–5 führte die rigide 360°-Versorgung (RIG 360°) im Vergleich zum nativen Zu-stand (NAT) zu einer signifikanten inter-segmentalen Bewegungsabnahme in al-len 3 Hauptbewegungsrichtungen. Es fand sich eine Reduktion des ROM in Fle-xion-Extension (FE) um −68,3%, in latera-ler Biegung (LB) um −79,6% und in axia-ler Rotation (AR) um −38,5% (p <0,001; .Abb. 4, 5, 6).

Die Hybridversorgung (Hybrid) redu-zierte den ROM in den instrumentierten Segmenten weitaus weniger als RIG 360°. Für die hybride Fusion wurde eine ROM-Abnahme in FE von −23,1%, in der LB von −44,8% und in der AR von −11% ermittelt, wobei lediglich die Bewegungseinschrän-kung in LB (p <0,05) signifikant zum NAT war (.Abb. 4, 5, 6).

Im Anschlusssegment L2/3 konnte für beide Instrumentierungen keine signi-fikante Änderung des ROM festgestellt werden. Die Veränderungen des ROM in L2/3 im Vergleich zum NAT lagen für beide Instrumentierungen im Mittel in FE bei 9±4%, in LB bei 7±5% und in AR bei 12±6% (.Abb. 4, 5, 6).

Abb. 2 9 Wirbelsäu-lenbelastungssimula-tor. (Mod. nach Craw-ford et al. [5])

Vorlast

IDP(L2-L3)

M

ROM, NZ(L2-L3)

nicht instrumentiert

ROM, NZ(L3-L5)

instrumentiert

Abb. 3 8 Messung der Zielgrößen Range of Mo-tion (ROM), neutrale Zone (NZ) und intradiskaler Druck (IDP) am Präparat

172 |  Der Orthopäde 2 · 2011

Leitthema

Flexion - Extension mit Vorlast

ROM

[°]

instrumentiert (L3-L5)

0

5

10

15

20

25

30

nicht instrumentiert (L2-L3)

NAT RIG 360° HybridNAT RIG 360° Hybrid

Mean Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

Flexion - Extension

ROM

[°]

intrumentiert (L3-L5)

0

5

10

15

20

25

30

nicht instrumentiert (L2-L3)

NAT RIG 360° HybridNAT RIG 360° Hybrid

Mean Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

Abb. 4 7 Messwerte der Range of Motion (ROM) für 

Flexion-Extension (FE) als Box-Whisker-Plot

NAT NAT

Laterale Biegung mit Vorlast

ROM

[°]

instrumentiert (L3-L5)

0

5

10

15

20

25

30

nicht instrumentiert (L2-L3)

RIG 360° HybridRIG 360° Hybrid

Mean Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

Mean

Laterale Biegung

ROM

[°]

instrumentiert (L3-L5)

0NAT NAT

5

10

15

20

25

30

nicht instrumentiert (L2-L3)

RIG 360° HybridRIG 360° Hybrid

Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

Abb. 5 7 Messwerte der Range of Motion (ROM) für 

laterale Biegung (LB) als Box-Whisker-Plot

Axiale Rotation mit Vorlast

ROM

[°]

instrumentiert (L3-L5)

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

nicht instrumentiert (L2-L3)

NAT RIG 360° HybridNAT RIG 360° Hybrid

Mean Mean ± Std.Dev. Mean ±1.96*Std.Dev.

Axiale Rotation

ROM

[°]

instrumentiert (L3-L5)

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

nicht instrumentiert (L2-L3)

NAT RIG 360° HybridNAT RIG 360° Hybrid

Mean Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

Abb. 6 7 Messwerte der Range of Motion (ROM) für 

axiale Rotation (AR) als Box-Whisker-Plot

Flexion - Extension

NZ

[°]

instrumentiert (L3-L5)

0

2

4

6

8

10

12

14

16

nicht instrumentiert (L2-L3)

NAT RIG 360° HybridNAT RIG 360° Hybrid

Mean Mean±Std.Dev. Mean±1.96*Std.Dev.

Flexion - Extension mit Vorlast

NZ

[°]

instrumentiert (L3-L5)

0

2

4

6

8

10

12

14

16

nicht instrumentiert (L2-L3)

NAT RIG 360° HybridNAT RIG 360° Hybrid

Mean Mean±Std.Dev. Mean±1.96*Std.Dev.

Abb. 7 7 Messwerte der neutralen Zone (NZ) für Fle-xion-Extension (FE) als Box-

Whisker-Plot

173Der Orthopäde 2 · 2011  | 

Der zusätzlich gemessene Belastungs-zustand mit einer überlagerten Vorlast von 400 N reduzierte den Bewegungs-umfang ROM für alle Segmentzustände (NAT, RIG 360° und Hybrid), wobei die relativen Veränderungen der Segment-zustände untereinander im Vergleich zur Belastung mit purem Moment nahezu un-verändert blieben.

Neutrale Zone

Die RIG 360° führte analog zu den ROM-Daten im instrumentierten Segment L3–5 zu einer signifikanten Verringerung der NZ in den Bewegungsrichtungen FE um −62,88% und LB um −80,56% (p <0,01). Allerdings war die Reduktion der NZ in AR mit −13% nicht signifikant unter-schiedlich zu NAT.

Die NZ-Ergebnisse für Hybrid zeigen eine leichte Zunahme in FE um 10,1% und in AR um 36%, sind aber nicht signifikant zu NAT (p >0,05). In LB wurde dagegen die NZ um 50% signifikant verringert (p <0,01).

Im Anschlusssegment L2/3 wurde die NZ deutlich stärker vergrößert als der ROM. Hier zeigte die RIG 360° zu NAT

eine deutliche, aber nicht signifikante Er-höhung der NZ in FE um 86,8% und LB um 49,6% (p >0,05). Des Weiteren konn-te sogar eine signifikante Erhöhung in AR um 52,5% (p <0,05) ermittelt werden. Auch bei der Hybridversorgung war eine Zunahme der NZ im Anschlusssegment L2/3 vorhanden, in FE um 45%, LB um 44,5% und in AR um 36,3%. Die Erhöhung war deutlich geringer ausgeprägt wie bei der RIG 360° und zudem in allen Bewe-gungsrichtungen nicht signifikant zu NAT (p >0,05; .Abb. 7, 8, 9).

Die Ergebnisse der NZ verhielten sich im untersuchten Belastungszustand mit überlagerter Vorlast analog zu den ROM-Ergebnissen.

Intradiskaler Druck

Die Druckmessung im Anschlusssegment L2/3 lieferte für beide Belastungsszenarien sowohl für RIG 360° als auch Hybrid in allen 3 untersuchten Bewegungsrichtun-gen keine signifikanten Unterschiede zum NAT (.Abb. 10, 11, 12). Im Vergleich zu NAT lag die Änderung des IDP für bei-de Instrumentierungen im Bereich von ±20% (Belastung mit purem Moment)

und ±13% (Belastung mit zusätzlicher Vorlast) sowohl bei minimalem und ma-ximalem Moment als auch im unbelaste-ten Zustand neutral (p >0,05).

Diskussion

Das Ziel der Studie ist, die Auswirkun-gen unterschiedlicher Instrumentierun-gen an der LWS auf das obere Anschluss-segment zu evaluieren, speziell unter dem Gesichtspunkt der Segmentprotektion an-hand der Auswirkung auf den intradiska-len Druck sowie die infra- und interseg-mentale Bewegung. Hierfür wurden zwei in der Philosophie gegenläufige Ansätze einer dorsoventralen Versorgung gegen-über gestellt. Die Messungen erfolgten so-wohl unter puren Momenten als auch mit zusätzlicher Vorlast, um die physiologi-schen Bedingungen so exakt wie möglich zu simulieren [10, 11, 30].

Erwartungsgemäß fanden sich in den behandelten unteren instrumentierten Segmenten (L3–5) im Vergleich zur Na-tivmessung deutliche Verringerungen der Beweglichkeit für beide Instrumen-tierungen. Die Reduktion der ROM er-gab für die RIG 360° in allen Ebenen si-

Laterale Biegung mit Vorlast

NZ

[°]

instrumentiert (L3-L5)

0

2

4

6

8

10

12

14

nicht instrumentiert (L2-L3)

NAT RIG 360° HybridNAT RIG 360° Hybrid

Mean Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

Laterale BiegungN

Z [°

]

instrumentiert (L3-L5)

0

2

4

6

8

10

12

14

nicht instrumentiert (L2-L3)

NAT RIG 360° HybridNAT RIG 360° Hybrid

Mean Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

Abb. 8 9 Messwerte der neutralen Zone (NZ) für la-terale Biegung (LB) als Box-Whisker-Plot

0

1

2

3

4

5

6Axiale Rotation mit Vorlast

NZ

[°]

instrumentiert (L3-L5) nicht instrumentiert (L2-L3)

NAT RIG 360° HybridNAT RIG 360° Hybrid

Mean Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

Axiale Rotation

NZ

[°]

instrumentiert (L3-L5)

0

1

2

3

4

5

6

nicht instrumentiert (L2-L3)

NAT RIG 360° HybridNAT RIG 360° Hybrid

Mean Mean±Std.Dev. Mean±1.96*Std.Dev.

Abb. 9 9 Messwerte der neutralen Zone (NZ) für axiale Rotation (AR) als Box-Whisker-Plot

174 |  Der Orthopäde 2 · 2011

Leitthema

gnifikante Verringerungen, für die Hyb-rid nur in der LB. Es konnte in der Hyb-ridversorgung kein Hinweis auf eine Rota-tionsinstabilität gefunden werden, wie sie

von McAfee [17] für eine andere Band-scheibenendoprothese gefunden wurde, der die Frage diskutierte, ob eine Band-scheibenprothese geeignet ist, angrenzend

an Stabilisierungen von Lumbalskoliosen segmentprotektiv zu wirken. Unsere Mes-sungen ergaben, dass der Bewegungsra-dius der behandelten Segmente der Hy-

Laterale Biegung mit Vorlast

IDP

[kPa

]

links - LB

NATRIG 360°

Hybrid0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

Neutral

NATRIG 360°

Hybrid

rechts - LB

NATRIG 360°

Hybrid

Mean Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

Laterale Biegung

IDP

[kPa

]

links - LB

NATRIG 360°

Hybrid0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

IDP Kat: IDP(0)

NATRIG 360°

Hybrid

rechts - LB

NATRIG 360°

Hybrid

Mean Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

Abb. 11 8 Messwerte des intradiskalen Drucks (IDP) für laterale Biegung (LB) als Box-Whisker-Plot

Axiale Rotation

IDP

[kPa

]

links - AR

NATRIG 360°

Hybrid0

200

400

600

800

1000

1200

Neutral

NATRIG 360°

Hybrid

rechts - AR

NATRIG 360°

Hybrid

MeanMean ± Std.Dev.Mean ± 1.96*Std.Dev.

Axiale Rotation mit Vorlast

IDP

[kPa

]

links - AR

NATRIG 360°

Hybrid0

200

400

600

800

1000

1200

Neutral

NATRIG 360°

Hybrid

rechts - AR

NATRIG 360°

Hybrid

MeanMean ± Std.Dev.Mean ± 1.96*Std.Dev.

Abb. 12 8 Messwerte des intradiskalen Drucks (IDP) für axiale Rotation (AR) als Box-Whisker-Plot

NATRIG 360°

Hybrid NATRIG 360°

Hybrid NATRIG 360°

Hybrid

Flexion - Extension mit Vorlast

IDP

[kPa

]

0

200

400

600

800

1000

1200 Mean Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

Extension Neutral Flexion

Flexion - ExtensionID

P [k

Pa]

NAT Hybrid0

200

400

600

800

1000

1200

NAT Hybrid NAT Hybrid

Mean Mean ± Std.Dev. Mean ± 1.96*Std.Dev.

RIG 360° RIG 360° RIG 360°Extension Neutral Flexion

Abb. 10 8 Messwerte des intradiskalen Drucks (IDP) für Flexion-Extension (FE) als Box-Whisker-Plot

175Der Orthopäde 2 · 2011  | 

brid im Vergleich zur RIG 360° deutlich näher an der Referenzmessung liegt. Dies gibt einen Hinweis auf die Segmentpro-tektion, wenn auch der Bewegungsradius im unteren Segment reduziert ist [7].

Die Konsequenzen für das obere An-schlusssegment blieben für die ROM und den IDP für beide Instrumentierungen gering.

EIn keiner Bewegungsebene wurde weder mit puren Momenten noch mit Vorlast eine signifikante Differenz zu den Nativmessungen festgestellt.

Unsere Daten konnten die Hypothese, dass eine rigidere Fusion eine signifikante Auswirkung auf die intersegmentale Be-weglichkeit im Sinne der Erweiterung der ROM hat und damit zu einer Erhöhung des intradiskalen Drucks im oberen An-schlusssegment führt, nicht bestätigen [8, 36]. Die vorliegenden Daten stehen damit im Kontext mit der heterogenen Ergebnis-lage der Literatur. Verschiedene Autoren fanden ebenfalls, unabhängig von der Art der Instrumentierung, nur geringe Verän-derungen des IDP im oberen Anschluss-segment [4, 10, 18, 29, 33, 35]. Rohlmann et al. [29] schlossen daraus, dass mecha-nische Ursachen für die Degeneration des oberen Anschlusssegments keine Rolle spielen. Auch Chow et al. [4] kamen zu dem zu dem Schluss, dass die primären Auswirkungen der Fusion auf die Nach-barsegmente eher zu vernachlässigen sei-en. Jedoch formulierten sie die Hypothe-se, dass es durch eine fusionsbedingt ver-mehrte Frequenz innerhalb des Signifi-kanzniveaus liegender „Extrembelastun-gen“ des oberen Anschlusssegments zur Degeneration komme.

Die von uns errechneten Ergebnis-se der ROM sind schlüssig und im Kon-sens mit der Literatur. Einerseits muss aufgrund des hohen Durchschnittalters der getesteten Präparate (75,17 Jahre) von einer natürlichen Bandscheibendegene-ration ausgegangen werden, die für die ROM begrenzend sein können [31]. An-dererseits konnten in der biomechani-schen Evaluation der SB-Charité™-Pro-these (DePuy Spine Int. Inc., Raynham, USA) im altersunabhängigen Finite-Ele-mente-Modell bei einer nicht signifikan-ten Erweiterung der ROM im behandel-

ten Segment ebenfalls keine signifikanten Veränderungen der ROM und des IDP im oberen Anschlusssegment gefunden wer-den. Daraus wurde eine segmentprotekti-ve Wirkung der Prothese abgeleitet [10]. Die Resultate wurden in einer biomecha-nischen, vergleichenden Studie zwischen mono- und bisegmentalen SB-Charité™-Prothesen und dorsoventralen Fusionen bestätigt. Die Studie stellte heraus, dass die Effekte der mono- und bisegmenta-len Fusion im Gegensatz zur Prothese im-mer deutliche Auswirkungen auf das obe-re Anschlusssegment haben [22].

Unsere mit der Activ-L-Prothese in Bezug auf die Hybridversorgung gewon-nenen Daten bestätigen diese Schlussfol-gerung prinzipiell, obgleich sich die IDP- und die ROM-Daten nicht signifikant von denen der RIG 360° unterscheiden.

EEntscheidend für die Interpretation sind die Ergebnisse der neutralen Zone (NZ).

Die Vergrößerung der NZ ist ein Zei-chen der sich entwickelnden Instabilität im betroffenen Segment. Veränderun-gen der NZ treten unter In-vitro-Bedin-gungen früher auf als Veränderungen der ROM. Unsere Daten zeigen im oberen Anschlusssegment einerseits NZ-Wer-te der Hybrid, die sich in allen Hauptbe-wegungsrichtungen nicht signifikant von NAT unterscheiden. Die RIG 360° provo-ziert dagegen eine signifikant größere NZ in der axialen Rotation als NAT und eine nicht signifikante aber deutliche Vergrö-ßerung in FE und LB. Die Vergrößerung der NZ in FE ist für die RIG 360° aber fast doppelt so hoch wie für die Hybrid und bietet eine Erhöhung gegenüber NAT fast um das 9-fache. Das bestätigt die von Chow et al. [4] formulierte Hypothese der fusionsbedingt vermehrten Frequenz in-nerhalb des Signifikanzniveaus liegender „Extrembelastungen“ als Ursache der De-generation im oberen Anschlusssegment. Hinzu kommt die signifikante Einschrän-kung der NZ in den behandelten Segmen-ten L3–5 in der RIG 360° bei nicht signi-fikanter Veränderung der NZ der Hybrid.

Hieraus ergeben sich auch ohne Sig-nifikanzen der IDP und der ROM und nur partiell vorhandener Signifikanz der NZ im oberen Anschlusssegment, ge-

paart mit den signifikanten Veränderun-gen der Bewegung und der Laxizität in den behandelten Segmenten, deutliche Hinweise auf eine geringere Belastung des oberen Anschlusssegments durch die Hybridfusion im Vergleich zur rigiden 360°-Fusion und damit zur Segmentpro-tektion [6, 24].

Fazit für die Praxis

Beide Instrumentierungen verursachen im Vergleich zu NAT in unserer Messrei-he nur geringe Differenzen der ROM und des IDP im oberen Anschlusssegment, obwohl sich ROM und NZ im instrumen-tierten Segment deutlich unterscheiden. Die Hybridversorgung ermöglicht aber wesentlich mehr Bewegungsumfang und liegt deutlich näher an der nativen Si-tuation. Klinisch-radiologisch darstell-bar und quantifizierbar ist nur die ROM durch Funktionsaufnahmen der LWS. In-folge der geringen Unterschiede im obe-ren Anschlusssegment sind hier aber kei-ne signifikanten Unterschiede zu erwar-ten. Das erklärt die klinischen Ergebnisse von Nachkontrollen, die keinen Zusam-menhang zwischen der hypermobilitäts-bedingten Degeneration des oberen An-schlusssegments und der Instrumentie-rung finden [1, 25].Wie bereits von anderen Autoren formu-liert, belegen die Daten, dass die deutli-chen, wenn auch nur teilweise signifikan-ten Veränderungen der neutralen Zone (NZ) ein wesentlicher Faktor für die Ent-wicklung einer Anschlussdegeneration sein können. Hieraus ergibt sich, dass ein dynamischer Abschluss einer Instrumen-tierung im Sinne des „topping off“ sinn-voll erscheint, wenn die pathoanatomi-schen Indikationen zur Bandscheiben-prothese gegeben sind.

KorrespondenzadresseDr. B. WiedenhöferDepartment für Orthopädie,  Unfallchirurgie und Paraplegiologie, Stiftung Orthopädische Universitätsklinik HeidelbergSchlierbacher Landstr. 200a, 69118 [email protected]

Interessenkonflikt.  Die Durchführung der Studie wurde finanziell und logistisch von der Firma B. Braun Aesculap AG, Tuttlingen, Deutschland, unterstützt.

176 |  Der Orthopäde 2 · 2011

Leitthema

Literatur

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177Der Orthopäde 2 · 2011  | 


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