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Die Anfänge Römischer Mosaikkunst in Westkleinasien

Date post: 16-Jan-2023
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* Österreichische Akademie der Wissenschaften, Insti- tut für Kulturgeschichte der Antike, Bäckerstraße 13/1, A – 1010 WIEN. Der folgende Beitrag stellt einen Auszug der For- schungsergebnisse dar, die von der Verfasserin im Rah- men ihrer Dissertation erzielt worden sind; vgl. V. SCHEI- BELREITER, Studien zu den kaiserzeitlichen Mosaiken West- kleinasiens, Wien, 2001 (Diss. Wien). 1 Zu den Kieselmosaiken aus Gordion und Altıntepe vgl. SALZMANN, Kieselmosaiken, Nr. 46-49 Taf. 2-3 bzw. Nr. 5 Taf. 1, 4. 2 SALZMANN, Kieselmosaiken Nr. 50-51 Taf. 6, 1. 2; Nr. 52-56 Taf. 6, 3. 4. 3 Das Mosaik mit der Erotenwägung aus Assos wird aufgrund stilistischer Überlegungen zu den weiblichen Gewandfiguren an das Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. datiert, während beim Rankenmosaik aus Sinope der Grabungsbefund für eine Datierung in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts ausschlaggebend war; SALZMANN, Kieselmosaiken, Nr. 16 Taf. 61-62, 1-4 und Nr. 123 Taf. 63, 1. 4 Greifenmosaik mit konzentrischen Bordüren (J. T. CLARKE, F. H. BACON, R. KOLDEWEY, Investigations at As- sos 1881-1883, London, Cambridge Mass., Leipzig, 1902- 1921, S. 119, 121, Abb. 2; SALZMANN, Kieselmosaiken, Nr. 17 Taf. 63, 2) : zweite Hälfte 3./Anfang 2. Jahrhundert v. Chr. (verschollen). 5 Mosaik im Loutron des Gymnasions aus einfärbigen Kieseln, die in Halbkreisen, Rechtecken und Fischgräten gesetzt sind (SALZMANN, Kieselmosaiken, Nr. 2 Taf. 58, 4. 5) : 2. Jahrhundert v. Chr. 6 Erythrai : Pfauenmosaik aus einem Rundbau, den G. Weber zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschrieben hat (G. WEBER, AM, 26, 1901, S. 113; SALZMANN, Kieselmosai- ken, Nr. 155). – Pergamon : Mosaik aus einem Bad im Südwesten der Oberen Agora, von dem sich nur Ansätze der kreisförmigen Rahmung mit Wellenband und Mäan- der erhalten haben (W. RADT, Pergamon. Geschichte und Bauten, Funde und Erforschung einer antiken Metropole VERONIKA SCHEIBELREITER* DIE ANFÄNGE RÖMISCHER MOSAIKKUNST IN WESTKLEINASIEN Im Gegensatz zu den westlichen Provinzen des Imperium Romanum, wo das Auftreten von Mosaiken immer einen terminus post quem in der römischen Gebietsokkupation be- sitzt, ist man in der östlichen Reichshälfte mit einer vorörmischen Mosaikentradition kon- frontiert, die sich in Kleinasien sogar bis ins 8. Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgen läßt 1 . Nach dieser frühen Manifestation von Mosaik- pavimenten, der sich in Gordion noch Bei- spiele des 6. und späten 5. Jahrhunderts v. Chr. anschließen lassen 2 , sind aus Kleinasien – im Gegensatz zu Griechenland – erst wieder Kieselmosaiken des ausgehenden 4. und be- ginnenden 3. Jahrhunderts v. Chr. bekannt 3 . Die florierende Mosaikenproduktion des Hel- lenismus kann danach kontinuierlich bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen werden. Im folgenden wollen wir versuchen, die traditio- nellen Formen gegen Exemplare einer neuen Kunst abzugrenzen, die den Beginn des „römi- schen Mosaikschaffens“ markieren. Es soll veranschaulicht werden, daß dieser Begriff nicht willkürlich gewählt ist und nur Bestre- bungen der modernen kunsthistorischen Pe- riodisierung entspringt, sondern tatsächlich eine Innovation auf dem Gebiet der Bodende- koration bezeichnet. Überblickt man die Mosaikfundstätten Io- niens, Lydiens und Kariens im 2. Jahrhundert v. Chr., in dessen letztem Drittel die römische Provinz Asia proconsularis eingerichtet wurde, so erhält man folgendes Bild : Neben Kiesel- mosaiken aus Assos 4 und Priene 5 , Böden aus polygonalen Steinen aus Erythrai, Pergamon und Troja 6 , finden sich die prominentesten
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* Österreichische Akademie der Wissenschaften, Insti-tut für Kulturgeschichte der Antike, Bäckerstraße 13/1, A –1010 WIEN.

Der folgende Beitrag stellt einen Auszug der For-schungsergebnisse dar, die von der Verfasserin im Rah-men ihrer Dissertation erzielt worden sind; vgl. V. SCHEI-BELREITER, Studien zu den kaiserzeitlichen Mosaiken West-kleinasiens, Wien, 2001 (Diss. Wien).

1 Zu den Kieselmosaiken aus Gordion und Altıntepevgl. SALZMANN, Kieselmosaiken, Nr. 46-49 Taf. 2-3 bzw. Nr.5 Taf. 1, 4.

2 SALZMANN, Kieselmosaiken Nr. 50-51 Taf. 6, 1. 2; Nr.52-56 Taf. 6, 3. 4.

3 Das Mosaik mit der Erotenwägung aus Assos wirdaufgrund stilistischer Überlegungen zu den weiblichenGewandfiguren an das Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr.datiert, während beim Rankenmosaik aus Sinope derGrabungsbefund für eine Datierung in die zweite Hälftedes 4. Jahrhunderts ausschlaggebend war; SALZMANN,

Kieselmosaiken, Nr. 16 Taf. 61-62, 1-4 und Nr. 123 Taf. 63, 1.4 Greifenmosaik mit konzentrischen Bordüren (J. T.

CLARKE, F. H. BACON, R. KOLDEWEY, Investigations at As-sos 1881-1883, London, Cambridge Mass., Leipzig, 1902-1921, S. 119, 121, Abb. 2; SALZMANN, Kieselmosaiken, Nr. 17Taf. 63, 2) : zweite Hälfte 3./Anfang 2. Jahrhundert v. Chr.(verschollen).

5 Mosaik im Loutron des Gymnasions aus einfärbigenKieseln, die in Halbkreisen, Rechtecken und Fischgrätengesetzt sind (SALZMANN, Kieselmosaiken, Nr. 2 Taf. 58, 4.5) : 2. Jahrhundert v. Chr.

6 Erythrai : Pfauenmosaik aus einem Rundbau, denG. Weber zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschrieben hat(G. WEBER, AM, 26, 1901, S. 113; SALZMANN, Kieselmosai-ken, Nr. 155). – Pergamon : Mosaik aus einem Bad imSüdwesten der Oberen Agora, von dem sich nur Ansätzeder kreisförmigen Rahmung mit Wellenband und Mäan-der erhalten haben (W. RADT, Pergamon. Geschichte undBauten, Funde und Erforschung einer antiken Metropole

VERONIKA SCHEIBELREITER*

DIE ANFÄNGE RÖMISCHER MOSAIKKUNST IN WESTKLEINASIEN

Im Gegensatz zu den westlichen Provinzendes Imperium Romanum, wo das Auftretenvon Mosaiken immer einen terminus postquem in der römischen Gebietsokkupation be-sitzt, ist man in der östlichen Reichshälfte miteiner vorörmischen Mosaikentradition kon-frontiert, die sich in Kleinasien sogar bis ins 8.Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgen läßt1.Nach dieser frühen Manifestation von Mosaik-pavimenten, der sich in Gordion noch Bei-spiele des 6. und späten 5. Jahrhunderts v.Chr. anschließen lassen2, sind aus Kleinasien– im Gegensatz zu Griechenland – erst wiederKieselmosaiken des ausgehenden 4. und be-ginnenden 3. Jahrhunderts v. Chr. bekannt3.Die florierende Mosaikenproduktion des Hel-lenismus kann danach kontinuierlich bis ins 1.Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen werden. Im

folgenden wollen wir versuchen, die traditio-nellen Formen gegen Exemplare einer neuenKunst abzugrenzen, die den Beginn des „römi-schen Mosaikschaffens“ markieren. Es sollveranschaulicht werden, daß dieser Begriffnicht willkürlich gewählt ist und nur Bestre-bungen der modernen kunsthistorischen Pe-riodisierung entspringt, sondern tatsächlicheine Innovation auf dem Gebiet der Bodende-koration bezeichnet.

Überblickt man die Mosaikfundstätten Io-niens, Lydiens und Kariens im 2. Jahrhundertv. Chr., in dessen letztem Drittel die römischeProvinz Asia proconsularis eingerichtet wurde,so erhält man folgendes Bild : Neben Kiesel-mosaiken aus Assos4 und Priene5, Böden auspolygonalen Steinen aus Erythrai, Pergamonund Troja6, finden sich die prominentesten

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Köln, 1988, Farbtaf. 23; BINGÖL 1997, Abb. 56). – Troja :Von dem heute verschollenen Stück ist nur ein Foto über-liefert, das zwei Bordüren (Spiralranke, Wellenband) er-kennen läßt (SALZMANN, Kieselmosaiken, Nr. 172 Taf. 84, 2).

7 Zum Hephaistionmosaik aus dem „Großen Gemach“sowie dem Mosaik aus dem „Altargemach“ vgl. G. KAWE-RAU, TH. WIEGAND, Die Paläste der Hochburg, Berlin, 1930,S. 32. 57-65 Abb. 39 (Altertümer von Pergamon, V 1); zu-letzt BINGÖL 1997, Abb. 57 f.

8 V. GIANOULLI, A.-M. GUIMIER-SORBETS, «Deux mo-saïques hellénistiques à Samos», BCH, 112, 1988, S. 545-568.

9 A. DRELIOSSI-HERAKLEIDOU, “A Hellenistic mosaicfloor from the city of Rhodos”, in : CMGR, VII/1, S. 39-50.

10 PH. BRUNEAU, Les Mosaïques, Paris, 1972, passim(Exploration archéologique de Délos, XXIX).

11 Didyma : Das Mosaik aus dem sog. Nordgebäude imKultbezirk der Artemis zeigt die Farben Weiß, Blau, Rotund Gelb, seine Zeitstellung ist allerdings ungeklärt;vgl. TUCHELT 1984, S. 193-240 Taf. 57, 2. – Halikarnassos :Zwei Räume eines Hauses in der Nähe des Maussolleionsweisen Mosaiken mit farbigen Raute-in- Rechteck-Kompositionen auf : Während in Raum D mehrereweiße Rauten im Rechteck gezeigt sind, enthält dasMosaik des Raumes C nur eine Raute, die ihrerseitseinen Kreis mit einem Rapport aus Zirkelblumenumschließt; vgl. für beide B. POULSEN, “The new excava-tions in Halicarnassos. A preliminary report (1990-1991)”,in : J. ISAGER (ed.), Hekatomnid Caria and the Ionian Re-

naissance, Odense, 1994, S. 795 f. Taf. 241, 6 (Halicarnas-sian Studies I); BINGÖL 1997, Taf. 23, 3. Die Mosaikdatie-rung um 100 v. Chr. ist stilistisch begründet, da die Fund-keramik unter dem Mosaik aus Raum C noch nichtausgewertet wurde.

12 Untersuchungen zum sozialen und nationalen Gefügeder delischen Gesellschaft – besonders im Hinblick aufWohn- und Kultanlagen – sind zahlreich : vgl. zuletztTRÜMPER 1998, bes. S. 136 f. mit weiterführender Literatur.

13 Westliche Einflußnahme manifestiert sich durch li-turgische Malereien, Altäre und Kultnischen an Haus-fassaden. Aus der Quantität dieser Zeugnisse ist jedochnicht auf eine Dominanz italischer Ethnien zu schließen;vgl. dazu BRUNEAU 1970; U. T. BEZERRA DE MENESES, «Es-sai de lecture sociologique de la décoration murale desmaisons d’habitation hellénistiques à Délos», DialA, ser. 2,3, 1984, S. 77-88. – Im folgenden gehen wir aus ersichtli-chen Gründen nur auf die Manifestation des italischenElements in der materiellen Hinterlassenschaft Delos‘ ein.

14 I. LAVIN, “The Hunting Mosaics of Antioch and theirSources”, DOP, 17, 1963, S. 185 führte den Begriff des “clas-sic way of organizing the floor” ein, unter dem er die imSpäthellenismus entstandenen Charakteristika subsumier-te : Konzentrische Bordürenstreifen sind einem Mittelbilduntergeordnet, wobei dieses eine Öffnung in die dritte Di-mension suggeriert und deshalb den Blick des Betrachtersauf sich zieht. – BRUNEAU 1972 (n. 10), S. 328 f. spricht fürdasselbe Phänomen von «usage hellénistique». Vgl. auchJOYCE 1979, S. 256; BALTY 1981, S. 356; BALTY 1995, S. 162 f.

Vertreter der Tessellatpavimente, welche inKleinasien ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. be-zeugt sind, im Palast V der pergamenischenBurg : Ihre Komposition kennzeichnet sichdurch einen konzentrischen Aufbau mehrererBordüren um ein bzw. mehrere illusionisti-sche Mittelbilder7. Dieses Charakteristikumbesitzen auch Mosaiken aus Samos8, Rhodos9

und Delos10. Eine andere, am letztgenanntenOrt anzutreffende Komposition besteht aus einem Rechteckfeld, das eine Raute um-schreibt : Nach diesem Schema gestaltete Tessellate kennt man in Westkleinasien bisheraus Didyma (Abb. 1a) und Halikarnassos(Abb. 1b)11.

Kehren wir noch einmal nach Delos zurück,wo sich die meisten Mosaikböden des uns in-teressierenden Zeitraumes befinden : Die Inselerlebte ihre wirtschaftliche und kulturelle Blü-te zwischen 130 und 88 v. Chr., bevor sie durchzweimalige Zerstörung in den mithridatischenKriegen so geschwächt war, daß sie sich niemehr erholte und in der frühen Kaiser-

zeit geradezu in Vergessenheit geriet. Vorherwar Delos jedoch als einer der wichtigstenHandelshäfen im östlichen Mittelmeerraumfür Zuwanderer aus West wie Ost sehr attraktivund ist nach modernen Begriffen als Schmelz-tiegel verschiedener Nationalitäten zu bezeich-nen. Überraschenderweise konnte trotz derPräsenz von Griechen, Orientalen und Itali-kern ein relativ homogener Eindruck ihrer ma-teriellen Hinterlassenschaft gewonnen wer-den : Großteils ließen sich weder in Bauweisenoch Ausstattung der Häuser eindeutig natio-nale Charakteristika der Bewohner erkennen12.Die wenigen Ausnahmen sind dafür umso mar-kanter und für unsere Untersuchung übermögliche Einflüsse der Apenninenhalbinselauf Westkleinasien von größtem Interesse13.Zum besseren Verständnis ist dabei vorauszu-schicken, daß in der Mosaikenforschung derBegriff des „hellenistischen“ Kompositionsty-pus existiert, dessen Eigenschaften schon teil-weise vorgestellt worden sind14 : Hauptkenn-zeichen ist die Unterordnung mehrerer selb-

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ständiger Bordüren unter ein Mittelbild, dasoft einen dreidimensionalen Effekt suggeriertund so den Blick des Betrachters auf sich

Abb. 1 – a, Didyma : Nordgebäude : Tessellat mit Raute-in-Rechteck-Komposition (aus TUCHELT 1984, Taf. 57, 2);b, Halikarnassos : sog. Hellenistisches Haus : Mosaik aus

Raum C (Aufnahme der Verfasserin).

zieht. Andererseits können die Mittelzonenaber auch undekoriert oder geometrischgeschmückt sein (Abb. 2). Die Bordürenstrei-fen zeigen charakteristische Rapportmuster(Balkenkopffries, Sägezahnfries, Flechtband,Wellenband, Mäander etc.), die teilweiseschon von Kieselmosaiken ererbt sind.

Neben den vorwiegend nach diesem Sche-ma gestalteten Mosaiken befinden sich in De-los vier Signinumböden15, die einem völlig an-deren Gestaltungswillen verpflichtet sind : DerUrsprung dieses Pavimenttyps liegt im westli-chen Mittelmeerraum und weist in seiner tech-nischen Entwicklung keine Beeinflussungdurch klassische und hellenistische Mosaikendes Ostens auf16. Das Charakteristische liegt inder Bejahung des Bodens als Fläche sowie inder Vereinheitlichung derselben durch Rap-portmuster, die sich gleichförmig nach allenRichtungen ausbreiten. Die Farbigkeit ist aufden Kontrast zwischen hellrotem Ziegelmörtelund weißen Tesserae reduziert, zu denenmanchmal auch schwarze Steine gesetzt wur-den. Großer Beliebtheit erfreuten sich Signi-numpavimente vor allem in der TuffperiodePompejis aber auch in Herculaneum, gängigeMuster waren dabei Rautengitter, Linien,Hakenkreuzmäander, Hexagonrapporte undKreuzsterne17. Von den vier Signinumpavi-menten aus Delos stammen drei aus ein und

15 PLIN., NH, XXXV 165 bezeichnet als pavimenta si-gnina rötliche Mörtelestriche mit weißen, seltener schwar-zen Tesserae. Auf die unterschiedlichen Interpretationender antiken Terminologie und ihre Anwendung aufEstrichböden kann hier nicht eingegangen werden. Vgl.aber BRUNEAU 1982, S. 639-655; DONDERER 1987, S. 377.

16 K. M. D. DUNBABIN, “Early pavement types in theWest and the invention of tessellation”, in : CMGR, V,S. 26-40. Die frühesten bekannten Estrichboden miteingesetzten Keramik-, Ziegelteilchen und geschnittenenSteinen stammen aus Karthago, Kerkouane und dempunischen Einflußbereich Siziliens (4. /3. Jahrhundert v.Chr.). Vgl. auch F. RAKOB, Pavimenta Punica undAusstattungselemente der punischen und römischenHäuser, Mainz am Rhein, 1991, S. 220-225 (Die deutschenAusgrabungen in Karthago, I).

17 JOYCE 1979, S. 254 f.; PERNICE 1938, S. 119; DONDE-RER 1987, S. 373 Anm. 64 zu Signinumböden mit weißemRautenrapport der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v.Chr. aus mittelitalischen Heiligtümern.

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18 BRUNEAU 1982, Nr. 326. 327. 339.19 Ibid., 22 f. 113 f.20 BRUNEAU 1970, S. 592; TRÜMPER 1998.21 W. DÖRPFELD, AM, 32, 1907, S. 167-189, Taf. 14-17;

A. CONZE, O. BERLET, A. PHILIPPSON, C. SCHUCHHARDT,F. GRÄBER, Stadt und Landschaft, Berlin, 1913, S. 217 f.286-290 (Altertümer von Pergamon, I, 2).

22 SALZMANN 1991, Abb. 11.23 Ibid., Abb. 24.24 E. Boehringer („Pergamon“, in : Neue deutsche Aus-

grabungen im Mittelmeergebiet und im Vorderen Orient,Berlin, 1959, S. 146, Abb. 16) datiert die Bauten des Vier-tels ins 1. und 2. nachchristliche Jahrhundert.

Abb. 2 – Pergamon : Peristylhaus II : Vielbordürenmosaikaus dem oecus 6 (aus PINKWART, STAMNITZ 1984, Taf. 46b).

Abb. 3 – Pergamon : Attaloshaus : Signinumpaviment auscubiculum 38 (Zeichnung der Verfasserin nach SALZMANN

1991, Abb. 11).

demselben Haus – aus der Maison de Fourni18.Ihre Existenz gemeinsam mit anderen Mosai-ken westlicher Prägung19, sowie der singuläreBautyp des Hauses in der Art einer römischenVilla mit einer basis villae aus Tabernen unddie liturgischen Malereien sind als Hinweisefür einen oder mehrere italische Bauherrn undBewohner gewertet worden20.

Wenn es legitim ist, das Vorhandensein vonSigninumböden als Indikator westlicher Ein-flußnahme anzusehen, liegt es nahe, West-kleinasien dahingehend unter die Lupe zu neh-men.

Pavimente dieses Typs sind in dieser Re-gion zwar nicht sehr zahlreich, aber dennochvorhanden, etwa zweimal in Pergamon. Eineshat sich in einem Peristylhaus gefunden, dasvom Hellenismus bis in die mittlere Kaiserzeitbewohnt war und nach seinem kaiserzeitlichenBesitzer Attaloshaus genannt worden ist

(Abb. 3)21 : Im cubiculum 38 nimmt das Si-gninum das nördliche Drittel des Bodens ein,wobei die weißen Tesserae ein Rautengitter bil-den. Durch die weite, unregelmäßige Setzungder Steine nehmen die Rautenflächenallerdings die Gestalt von Parallelogrammenungleicher Größe an22. Das Signinum ist miteinem Tessellat hellenistischen Typs kombi-niert, welches den größeren Südteil des Rau-mes auf etwas tieferem Niveau bedeckt.

Ein zweiter Estrichboden mit weißem Rau-tenrapport befindet sich in einem großenrechteckigen Raum eines Peristylhauses in derGegend des Amphitheaters auf dem pergame-nischen Musala Mezarlık : Dort weist der Ra-ster allerdings eine enge, sorgfältige Setzungder weißen Würfel auf23. Während das Pavi-ment des Attaloshauses aufgrund der Fundke-ramik einen terminus post quem im 1. Jahrhun-dert v. Chr. besitzt, muß im zweiten Fall für dieDatierung die Aufarbeitung der alten Gra-bungstagebücher abgewartet werden. Interes-sant ist jedenfalls, daß es sich bei dem Stadtge-biet auf dem Musala Mezarlık offensichtlichum ein Neubauviertel der römischen Kaiser-zeit handelt24.

Unverzierte Signinumböden sind im westli-

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25 A. HOFFMANN, „Eine römische Meervilla an der klein-asiatischen Westküste“, IM, 43, 1993, S. 441.

26 R. v. BEEK, J. BEELEN, “Excavations in Klazomenai”,BaBesch, 63, 1988, S. 138-140; ID., “Excavations onKarantina Island in Klazomenai. A preliminary report”,Anatolica, 17, 1991, S. 31-57 Abb. 12 f.

27 H. EDHEM-BEY, RA, 4, 1904, S. 48 f.28 I. C. LOVE, “A preliminary report of the excavations

at Knidos, 1971”, AJA, 76, 1972, S. 65, 68, 397, Abb. 3.

29 G. SALIES, „Untersuchungen zu den geometrischenGliederungsschemata römischer Mosaiken“, BJ, 174, 1974,S. 39 : „In den östlichen Provinzen konnte der Schwarz-weißstil kaum oder gar nicht Fuß fassen“ und Anm. 78 :„Wahrscheinlich ebensowenig in Kleinasien. Wegen derschlechten Publikationslage konnten die Mosaiken diesesReichsteils nicht berücksichtigt werden“.

30 PINKWART, STAMNITZ 1984, S. 98-105 Taf. 3 c. 13 c-f.45. 46 b; SALZMANN 1991, S. 444 Abb. 14.

Abb. 4 – Verbreitungskarte der Fundorte von Schwarz-weißtessellaten an der westkleinasiatischen Küste

(Zeichnung der Verfasserin).

chen Kleinasien an mehreren Orten anzutref-fen : In einer römischen Risalitvilla auf derkleinen Insel Elaioussa (Mardaliç Adası), dieder kleinasiatischen Küste auf der Höhe Perga-mons vorgelagert ist25, in einem Apsidenhausin Klazomenai26 sowie in einem nicht näherbestimmbaren, unpublizierten Gebäude inPhokaia27. Das sog. römische Haus an der Stie-gengasse 7 in Knidos besitzt ebenfalls zwei Si-gnina, einmal als Impluviumeinfassung, ein-mal als Umrandung der nördlich des Atriumsgelegenen Zisterne aus natürlichem Fels28.

Doch Signinumpavimente sind nicht dieeinzigen typisch westlichen Mosaiken. Ein an-derer Typus der Bodenverzierung, der seit dem2. Jahrhundert v. Chr. in Italien bezeugt ist,verdrängte jene nach 200jähriger Koexistenzund behielt seine vorrangige Stellung bis ins 3.Jahrhundert n. Chr. Es handelt sich umSchwarzweißtessellate, die als indigene itali-sche Schöpfung gelten. Obwohl es auchschwarzweiße Mosaiken hellenistischen Typsgibt, zeichnen sich jene wie die Signinum-böden durch die Betonung der zweiten Dimen-sion aus, indem durch Musterrapporte einegleichmäßige Behandlung der Oberfläche er-zielt wird. Zusätzlich entstand ein bisher nichtdagewesenes Musterrepertoire.

Die schlechte Publikationslage der Mosai-ken Kleinasiens hat in der Vergangenheit zuder Annahme geführt, es sei hier analog zur Le-vante nicht zur Ausbildung von Schwarzweiß-mosaiken gekommen29. Daß dem nicht so ist,zeigt eine Verbreitungskarte der Tessellate die-ses Typs (Abb. 4) : Eine Konzentration läßtsich in Pergamon, Ephesos, Iasos und Miletfeststellen. Vereinzelt tauchen sie auch in Kla-zomenai, Kusadası und Metropolis auf. Gesi-chert ist ein frühes Auftreten in Pergamon : Imrepräsentativen oecus corinthius des Peristyl-hauses II30 befanden sich zwischen den

Wandpfeilern am Boden kleine, vorwiegendschwarzweiße Tessellatfelder, welche ein Mar-morplattenpaviment im Norden und Südensäumten (Abb. 5) : Die korrespondierendenOrnamentfelder des nördlichen und südlichenMosaikstreifens wiesen die gleiche Abfolgehinsichtlich ihrer Grundmuster auf, besaßenallerdings unterschiedliche Dimensionierun-gen und Ausgestaltungen. In den beiden öst-lichsten Quadratfeldern begegnet zunächst

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31 BALTY 1981, S. 358 f. Taf. 4, 1-2. Flavius Iosephus(Ant. Iud., XV, 8, 1; XV, 9, 6; Bell. Iud., I, 21, 8) überliefert,daß Herodes römische Errungenschaften der Monumen-talarchitektur nach Palästina brachte.

32 PINKWART, STAMNITZ 1984, S. 52 f., 66, 167.33 SALZMANN 1991, S. 446 mit Anm. 49, wo zahlreiche

italische Beispiele aus den beiden Jahrhunderten um Chri-sti Geburt genannt sind.

34 RADT 1980, S. 405-409, Abb. 4. 6; SALZMANN 1991,S. 437-4 39 Abb. 5-6.

35 Casa dei Dioscuri : PERNICE 1938, 137 Taf. 22, 3;28, 1.

36 “Secondo Complesso” : MosAntIt, Stabiae, S. 58 Nr.117 Taf. 31.

37 SALZMANN 1991, S. 437 ; U. WULF, C. MEYER-SCHLICHTERMANN, Die Stadtgrabung, 3. Die hellenistischenund römischen Wohnhäuser von Pergamon. Unter besonde-rer Berücksichtigung der Anlagen zwischen der Mittel- undder Ostgasse, Berlin 1999, S. 43 (Altertümer von Perga-mon, 15).

Abb. 5 – Pergamon, Peristylhaus II : Skizze der Tessellat-felder nördlich und südlich des Marmorplattenbodens inoecus 4c (Zeichnung der Verfasserin nach SALZMANN 1991,

Abb. 15).

eine Rosette (im Norden in der Form einersechsblättrigen Zirkelblume innerhalb einesKreises, im Süden als bespanntes Rad [Rép 89]in einem quadratischen Rahmen mit Wellen-band [R 101b]). – Durch je einen Andesitqua-der getrennt, folgte im Norden und Süden desBodens je ein Feld mit einem Schachbrett-Sanduhr-Muster (R 120g), wobei die Einzelfor-men an der Nordseite des Bodens kleiner wa-ren als im Süden.

Zusätzlich zeigten hier die Quadrate Kreuz-sterne als Füllornamente. – Nach einem weite-ren Andesitquader schloß nördlich und südlichdes Plattenbodens je ein Feld mit einem Rau-tenschachbrett (R 202a) in den Farben Weiß,Schwarz und Rot an. – Die letzten beiden Fel-der im Westen des Raumes waren mit schwar-zen Hexagonrapporten in Strichzeichnung

(Wabenmustern) auf weißem Grund dekoriert(R 204a) : Während die länglichen Waben desNordfelds senkrecht versetzt waren, erschie-nen diejenigen im Süden in liegender Positionund besaßen übereck gestellte schwarze Qua-drate als Füllornamente. Schachbrett-Stun-denglas-Rapport und Wabenmuster stellenneue, nicht im hellenistischen Mosaikenreper-toire enthaltene Muster dar : Man fühlt sich anden Fall des Winterpalastes des Herodes inMasada erinnert, wo das isolierte Auftretenzweier Wabenmosaiken als direkte Reflexioneines Romaufenthaltes zwischen 40 und 39 v.Chr. bzw. durch das Wirken römischer Wer-kleute/Künstler erklärt worden ist31. Im perga-menischen oecus 4c des Peristylhauses II führ-te die augusteisch-tiberische Fundkeramik zueiner Datierung des Bodens in die frühe Kai-serzeit32. Da die Bauphase des Hauses Merk-male eines Wiederaufbaus nach einer gewalt-samen Zerstörung in sich trägt, könnte sienach dem Erdbeben von 17 n. Chr. erfolgt sein.

Dieter Salzmann konstatierte hinsichtlichder architektonischen Form des oecus corinthi-us, der in Kleinasien bisher singulär, in römi-schen Villen dagegen sehr häufig anzutreffenist, einen Bezug zum Westen33.

Ein Mosaik mit einem fast die gesamte Flä-che überziehenden Schwarzweißdekor fandsich im Triklinium eines anderen pergameni-schen Peristylhauses (Abb. 6)34 : Es zeigt einenRapport aus weißen Schneidekreisen, diesechsblättrige Rosetten auf schwarzem Grundbilden (R 247e). Die flächendeckende Verwen-dung des Musters kennt man bisher aus demOsten des Reiches nicht. Es gibt aber früheBeispiele aus Pompeji35 und Stabiae36. DieFundkeramik weist den pergamenischen Bo-den ins 1. Jahrhundert v. Chr.37, das heißt, man

767DIE ANFÄNGE RÖMISCHER MOSAIKKUNST IN WESTKLEINASIEN

38 Eine vorläufige Durchsicht des in Fragmenten erhal-tenen Mosaikmaterials läßt allerdings die Existenz weite-rer Schwarzweißtessellate erkennen.

39 R. MERIÇ Metropolis in Ionien. Ergebnisse einer Sur-vey-Unternehmung in den Jahren 1972-1975, Königstein,1982, S. 59-63 (Beiträge zur Klassischen Philologie 142);

Abb. 6 – Pergamon : Peristylhaus der Stadtgrabung : Rekonstruiertes Schwarzweißmosaik des Trikliniums (aus

SALZMANN 1991, Abb. 6).

Abb. 7 – Ephesos : Hanghaus 2, a, Wohneinheit 1, RaumSR 6 : Ausschnitt des Schwarzweißmosaiks des ursprüng-lich größeren Raumes SR 6+1 (aus JOBST 1977, Abb. 66);b, Wohneinheit 3, Raum 16a : Schachbrett-Sanduhr-

Mosaik (Mosaik I) (aus ibid. Abb. 186).

hat hier einen der ältesten kleinasiatischenSchwarzweißböden italischen Typs vor sich.

Ephesos besitzt eine Fülle von Schwarz-weißmosaiken, deren Großteil sich auf dasHanghaus 2 konzentriert. Aus dieser Insulastammen 26 rein schwarzweiße Tessellate itali-schen Typs38. Die Pavimente der Räume SR 1/6der Wohneinheit 1 (Abb. 7a) sowie 16a derWohneinheit 3 (Abb. 7b) sind nach aktuellemForschungsstand in tiberische Zeit zu datie-ren : Sie zeigen schwarz gerahmte Mus-terfelder auf weißem Grund.

Aus dem nicht weit von Ephesos gelegenenMetropolis stammt ein schwarzweißes Korri-dormosaik, von dessen Mittelzone bei der Aus-grabung noch drei Felder sichtbar waren : Eshandelt sich um einen Rapport aus Hexagonen(Wabenmuster) in doppelter Strichzeichnungmit Kreuzsternen als Füllornamenten(Abb. 8a), um ein Schachbrett-Sanduhr-Mu-ster (Abb. 8b), sowie um ein Quadrat mit einerKreuzblüte, welches von zwei Reihen schwar-

zer Dreiecke auf weißem Grund (Variante vonR 341a) umgeben ist. Recep Meriç datierte denBoden aufgrund eines unsicher fundierten Ver-gleichs ins 2. Jahrhundert n. Chr., währendsich Werner Jobst zuletzt für eine Datierungins 1. Jahrhundert n. Chr. ausgesprochen hat39.Das Dreieckmuster war ab der Mitte dieses

768 VERONIKA SCHEIBELREITER

W. JOBST, „Antike Tessellatpavimente in Ephesos“, in :H. FRIESINGER, F. KRINZINGER (ed.), 100 Jahre Österreichi-sche Forschungen in Ephesos, Akten des Symposions, Wien1995, Wien, 1999, S. 572, Taf. 137, 2-3 (Akademie die Wis-senschaften phil. – hist. Kl. Denkschriften, 260).

40 Vgl. DONDERER 1987, bes. S. 92 mit Anm. 878 f.41 Vgl. JOBST 1977 Abb. 54. – Zur Person des Stifters vgl.

Inschriften von Ephesos (IvE) II 438; II 431 sowie M. STES-KAL, „Zu den Stiftungen des M. Claudius P. Vedius Anto-ninus Phaedrus Sabinianus und ihrem Echo in Ephesos“,Tyche, 16, 2001, 177-188.

42 BERTI 1983, S. 235 f., Abb. 2-8.43 D. LEVI, ASAtene, 31/32, 1969/70, S. 517-525 Abb. 69-

72; BERTI 1983, S. 238 f. Abb. 9-11.44 Zum Gesamtkomplex vgl. R. PARAPETTI, “Il comples-

so del Balık Pazarı. Studi di restauro e anastilosi”, in : Ia-sos di Caria. Un contributo ferrarese alla archeologia micro-asiatica. Progetti e lavori di restauro, Ferrara, 1995, S. 115-123, bes. S. 118 Abb. 2. (Atti dell’Accademia delle Scienzedi Ferrara, 71) – Zu den Mosaiken vgl. F. BERTI, “Nuovitessellati a decoro geometrico dal Balık Pazarı di Iasos inCaria”, in : AISCOM, I, S. 473-483 Abb. 1-3.

45 R. v. BEEK, J. BEELEN, “Excavations on Karantina Is-land in Klazomenai. A preliminary report”, Anatolica, 17,1991, Abb. 16-18.

46 S. TÜRKOGLU, “Kusadası Tusan Oteli yanındakikazı”, Efes Harabeleri ve Müzesi Yıllıgı (= The Annual of theRuins and Museum of Ephesus), 1972 (1973), S. 84-90.

47 KNACKFUSS 1924, S. 64-69 Abb. 52-56 Taf. 6-9.48 GERKAN 1922, S. 36 f. Taf. 12.

Abb. 8 – Metropolis : a, Schwarzweißmosaik mit Hexagon-rapport; b, Schwarzweißmosaik mit Schachbrett-Sanduhr-Rapport (Grabungsdepot Yeniköy. Aufnahme der Verfas-

serin mit freundlicher Erlaubnis von Prof. R. Meriç).

Jahrhunderts in den Vesuvstädten vorhanden;besonderer Beliebtheit erfreute es sich inNorditalien sowie auf den gallischen Vielmu-stermosaiken40.

Außer den genannten Exemplaren gibt eseine Fülle schwarzweißer Mosaiken aus West-kleinasien, welche die alte Forschungsmei-nung widerlegen, nach der diese Art der Tessel-late in Kleinasien niemals heimisch gewordensei. Beispiele dieses Typs (Abb. 9a) kennt manaus dem ephesischen Vediusgymnasium, daszwischen 147 und 149 n. Chr. eingeweiht wor-den ist41. Schwarzweißmosaiken begegnenauch mehrfach im karischen Iasos : In der sog.Casa dei Mosaici42 und in den sog. Annexbau-ten des Propylons43 befinden sich sogar die ein-zigen bisher bekannten figuralen Schwarz-weißmosaiken Westkleinasiens (Abb. 9b). Siewerden an den Anfang des 2. Jahrhundertsn. Chr. datiert. Auch die Mosaiken aus dem alsBalık Pazarı44 bezeichneten Mausoleum sinddieser Zeit zuzuordnen. Bei vielen iasischenMosaiken ist der Schwarzweißkontrast durcheine weitere Farbe (Rot, Grau) belebt. DiesesCharakteristikum besitzen auch die Mosaikeneines Peristylhauses aus Klazomenai45, einerStrandvilla aus dem heutigen Kusadası46 sowiedes Peristylgebäudes am Südmarkt von Milet47.Die Ladenlokale an der Westseite des helleni-stischen Nordmarkts wiesen hingegen einfacheglattweiße Böden mit schwarzen Leistenum-rahmungen auf, die durch kaiserzeitlicheMünzfunde an der Mosaikoberfläche, von de-nen die letzten der spätantoninischen Zeit an-gehörten, an das Ende des 2. Jahrhundertsn. Chr. datiert worden sind48. In Übereinstim-mung mit diesem Ergebnis und aufgrund tech-nischer und stilistischer Parallelen wurde dasältere Peristylmosaik aus dem milesischenHofhaus beim Athenatempel der Mitte bzw.

769DIE ANFÄNGE RÖMISCHER MOSAIKKUNST IN WESTKLEINASIEN

49 GERKAN 1925, S. 86 ff., Taf. 7 Beil. 5. 6.

Abb. 9 – a, Ephesos : Vediusgymnasium, Raum IIIa : Schwarzweißmosaik unter polychromem Mosaikpaviment(aus JOBST 1977, Abb. 54); b, Iasos : Casa dei Mosaici, Pastasmosaik : Delphin (Aufnahme der Verfasserin).

der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts zuge-ordnet49.

Nach diesem Überblick über westlich be-einflußte Mosaiken Westkleinasiens ist der

Frage nachzugehen, wie man sich Vermittlungund Aufnahme neuer Techniken und Komposi-tionsschemata konkret vorzustellen hat.

Es erscheint nicht zufällig, daß Si-

770 VERONIKA SCHEIBELREITER

50 In Pergamon wurde um die Mitte des 1. Jahrhundertsv. Chr. bei der Erneuerung der Westwand des Odeions ge-mörteltes Bruchsteinmauerwerk angewendet. Vgl. W.RADT, TürkAD, 23/2, 1976, S. 81; ibid., 24/1, 1977, S. 157-165.Dieses vereinzelte Beispiel findet mehrere Parallelen inEphesos, von denen hier exemplarisch der sog. Rundbauauf dem Panayır Dagı – vielleicht ein Tropaion für den See-sieg des Pompeius über die Piraten – sowie der wohl unterMark Anton errichtete Tempel auf dem Staatsmarkt zunennen sind. Für weitere ephesische Bauten mit gemörtel-tem Mauerwerk vgl. W. ALZINGER, Augusteische Architekturin Ephesos, Wien, 1974, sowie WAELKENS 1987, S. 101 f. mitweiterführender Literatur. – Der limyräische Kenotaphwurde vom lykischen Bund auf Anordnung des Augustuserrichtet : Auch die Elemente der Baudekoration tragenwestliche Merkmale, “suggest of involvement of architectstrained in the capital”; vgl. WAELKENS 1987, S. 98.

51 WAELKENS 1987, S. 102 : “Perhaps the explanationhere may be found both in the Hellenistic local experiments(with lime mortar) and in the fact, that Pergamum, becauseof its political importance, had, more than any other city ofthe peninsula, been exposed for over two centuries toRoman influences”.

52 Vgl. zum Forschungsstand auf dem Sektor der öf-fentlichen Bautätigkeit dieser Zeit zuletzt P. SCHERRER,“The City of Ephesos. From the Roman Period to Late An-tiquity”, in : KOESTER 1995, S. 1-25, bes. S. 2 ff.

53 W. ECK, Senatoren von Vespasian bis Hadrian, Mün-chen, 1970 (Vestigia, 13); H. HALFMANN, Die Senatoren ausdem östlichen Teil des Imperium Romanum bis zum Endedes 2. Jhs. n. Chr., Göttingen, 1979.

54 Vgl. L. M. WHITE, “Urban Development and SocialChange in Imperial Ephesos”, in : KOESTER 1995, S. 27-79,bes. S. 43 f.; PHILOSTRAT, v. Soph., I, 23.

gninumpavimente zuerst in Pergamon faßbarwerden, wo bereits in der Frühzeit der Provinzstarke römische Präsenz anzunehmen ist. Un-zweifelhaft verfügten die Auftraggeber derarti-ger Pavimente, sofern sie nicht selbst Italikerwaren, über persönliche Erfahrungen oderKontakte mit Italien und der dortigen, zeitge-nössischen Kunstproduktion. Man könnte dasPhänomen der Aufnahme ähnlich erklären,wie das Marc Waelkens für das punktuelle, lo-kal unterschiedliche Eindringen westlicherMauerwerkstechniken in Kleinasien um dieZeitenwende getan hat : Diese traten ebenfallszuerst in Pergamon – beim Umbau des Gymna-siums neben dem Heroon für Diodoros Paspa-ros – auf, dann stellenweise in Ephesos und amKenotaph des Gaius Caesar in Limyra50. Inallen Fällen war das persönliche Engagementdes Einzelnen mit Verbindung zu Italien Mo-tor der Anwendung einer innovativen, neue ar-chitektonische Möglichkeiten eröffnendenKonstruktionsweise51. – In Ephesos, über des-sen architektonische und künstlerische Ent-wicklungen der späten Republik wir kaum in-formiert sind52, konnten bisher weder nachhellenistischem Kompositionsprinzip gestalte-te Tessellate noch Signinumböden aufgedecktwerden.

Im 1. Jahrhundert n. Chr. fanden hier – wievermutlich auch in Metropolis – Schwarzweiß-tessellate Eingang in das Mosaikschaffen, dasvor allem in Wohnhäusern dokumentiert ist.Die Erforschung der Wohnbauten Kleinasiensist noch nicht so weit gediehen, als daß man

die Entwicklung der Ausstattungsformen inden beiden Jahrhunderten vor und nach Chri-sti Geburt nachvollziehen könnte. Vor dempauschalen Urteil, daß die politische und da-raus resultierende wirtschaftliche Notlage inden Anfangsjahren der Provinz Asia eine Zäsurdes Mosaikschaffens verursacht habe, muß je-denfalls gewarnt werden.

Es ist vielmehr lokal bzw. regional zu diffe-renzieren : Die z. B. in Pergamon bezeugtenSigninumböden zeigen, daß es eine Kontinui-tät auf dem Gebiet der Mosaikenproduktiongegeben hat, die spätestens ab dem. 1. Jahr-hundert v. Chr. unter westlichem Einflußstand. Auch Schwarzweißmosaiken sind ver-einzelt schon so früh nachzuweisen. Im 1. undbesonders im 2. nachchristlichen Jahrhundertfanden sie dann verbreitet Anwendung : In die-ser Zeit der großen Bauvorhaben und Stiftun-gen darf die Existenz der Tessellate v. a. imWohnbereich nicht verwundern. Es ist näm-lich davon auszugehen, daß konkurrierendeStifterpersönlichkeiten auch in ihren Häusern– die ja über ein ganz anderes Maß an öffentli-chem Zugang verfügten als das im modernenSprachgebrauch verwendete Begriffspaar „pri-vat-öffentlich“ wiederzugeben vermag – gro-ßen Wert auf zeitgemäß-luxuriöse Ausstattunglegten. Da seit den Flaviern den Provinzialender Weg zu stadtrömischen Ämtern offen-stand53 und andererseits v. a. Ephesos als auf-strebende Metropolis Asiae für Zuwandereraus dem Westen attraktiv wurde54, erscheint esnatürlich, daß der Wunsch nach „ebenbürtiger

771DIE ANFÄNGE RÖMISCHER MOSAIKKUNST IN WESTKLEINASIEN

Abb. 10 – Milet : a, Hofhaus beim Athenatempel : Musterschemata des jüngeren Umgangsmosaiks (aus v. GERKAN 1925);b, Peristylgebäude am Südmarkt : Musterschemata des Hallenmosaiks (aus KNACKFUSS 1924, Taf. VII).

772 VERONIKA SCHEIBELREITER

55 Für die öffentliche Bautätigkeit des 2. Jahrhundertsvgl. STROCKA 1988, S. 299.

56 Vgl. z. B. J. BALTY, «La tradition hellénistique dansla mosaïque du Proche-Orient», in : BALTY 1995, S. 170 f.

57 STROCKA 1988, S. 297. Um Mißverständnissen vorzu-beugen, seien hier Kontext und genauer Wortlaut wieder-gegeben : „Diese Aufzählung muß genügen, um die neueQualität der kleinasiatischen Bauornamentik zu beschrei-

ben, die an der Fassade der Celsusbibliothek um 113/114 alsDirektimport aus Rom schlagartig auftritt : Sie macht sofortSchule, z. B. am 117 geweihten Kleinen Hadrianstempel vonEphesos und weit darüber hinaus, schwächt sich allerdingsim Laufe der folgenden Jahrzehnte wieder ab, nicht ohne wieein aufgepfropftes Reis den Geschmack der einheimischenTradition wenigstens für einige Zeit verändert zu haben“.

Teilnahme an der hauptstädtischen Kultur undihre bewußte Demonstration in der Heimat“55

seinen Niederschlag auch im Wohnbereich ge-funden hat. Wie sehr Schwarzweißmosaikenaber auch direkter Ausdruck des baulichenEhrgeizes im öffentlichen Bereich waren, zeigtder Fall des ephesischen Vediusgymnasiums,dessen Stifter Publius Vedius Antoninus sichmit der Verlegung von Schwarzweißmosaikenan aktuellen hauptstädtischen Strömungenorientiert hat.

Im Zusammenhang mit dem Auftreten vonSchwarzweißmosaiken in der Osthälfte desImperiums fällt auf, daß sich gerade der We-sten Kleinasiens vielerorts den neuen, römi-schen Kunstformen öffnete, während man imSüdosten Anatoliens sowie in der Levante ander aus dem Hellenismus überkommenenTradition der Bildmosaiken im wesentlichenfesthielt. Genausowenig wie man die kata-strophale politische und wirtschaftliche Si-tuation zu Beginn der Provinz Asia für einenNiedergang des Kunstschaffens bzw. eine Zäsur verantwortlich machen darf, kann ein po-litisches Argument hier als unmittelbare Er-klärung dienen : Die großen Städte der klein-asiatischen Südküste sowie der Levante wa-ren nämlich ebenso romanisiert bzw. einemregen Austausch mit der westlichen Mittel-meerwelt unterworfen wie Westkleinasien.Dennoch gibt es weder Signina noch reineSchwarzweißmosaiken. Vielleicht ist diesesPhänomen durch die lokal unterschiedlicheTraditionsgebundenheit der Werkstätten zu

erklären. Da gerade die Schwarzweißmosai-ken aus Ephesos, Metropolis, Klazomenai, Ia-sos, Milet und aus dem nahegelegenen Samosnicht nur über ein sehr ähnliches Mus-terrepertoire verfügen, sondern einander auchvielfach in der Ausgestaltung der Details glei-chen, erhalten derartige Überlegungen ein so-lideres Fundament.

Ein Ausblick auf die weitere Entwicklungder Mosaikkunst in Westkleinasien zeigt, daßdas mit den Schwarzweißtessellaten (und imgeringeren Maße schon mit den Signinumpa-vimenten) eingeführte Kompositionsprinzipder Flächenbetonung und – Vereinheitlichungdurch Musterrapporte große Bedeutung er-langte und während der ersten drei nach-christlichen Jahrhunderte dominierend blieb(Abb. 10a-b). Dabei kam es zu lokal unter-schiedlichen Entwicklungen hinsichtlich derAusgestaltung von Einzelmotiven, der Verwen-dung von Farben und Füllornamenten.

Es darf behauptet werden, daß die west-kleinasiatische Mosaikkunst besser auf die an-ikonischen Dekorprogramme des 4. Jahrhun-derts n. Chr. vorbereitet war als das imSüdosten Anatoliens der Fall war56. InAbwandlung einer von Volker Michael Strockafür die Architekturdekoration getroffenen Aus-sage mag zum Abschluß für die römische Mo-saikkunst des westlichen Kleinasiens gelten,daß ein „Direktimport aus Rom“ „Schulemacht“ und als „aufgepfropftes Reis den Ge-schmack der einheimischen Tradition“ weitge-hend „verändert“ hat57.

Veronika SCHEIBELREITER

773DIE ANFÄNGE RÖMISCHER MOSAIKKUNST IN WESTKLEINASIEN

DISCUSSION

Klaus-Dieter DORSCH : Ich habe nur eine Ver-ständnisfrage : Bei dem zweiten Signinumbodenmit Rautenrapport aus Pergamon schien es mir aufdem Foto so, als ob auch die dunklen Teile des Bo-dens aus Mosaiksteinchen bestünden. Damit würdees sich dort nicht um ein Opus Signinum, sondernum einen Mosaikboden handeln.

Veronika SCHEIBELREITER : Das mag aufgrundder Qualität des Fotos so scheinen. Tatsächlich han-delt es sich um ein opus-signinum-Paviment.

Werner JOBST : Die Beobachtungen auf dem Ge-biet der Mosaikkunst werden z. B. durch die Ergeb-nisse der Forschungen an der Celsusbibliothek be-stätigt. Die Werkstätte des Trajansforums wurdezur Ausführung der Fassade der Celsusbibliothekbeauftragt. Außerdem wird der Einfluß Roms inEphesos auch auf dem Gebiet der Wandmalerei be-stätigt.

Veronika SCHEIBELREITER : Vielen Dank für die-sen ergänzenden Hinweis.

ABKÜRZUNGEN

BALTY 1981 : J. BALTY, «La mosaïque au Proche-Orient I. Des origines à la Tétrarchie», in :ANRW, II 12, 2, Berlin, New York, 1981, S. 422-425.

BALTY 1995 : J. BALTY, Mosaïques antiques du Pro-che-Orient, Paris, 1995 (Annales littéraires de l’u-niversité de Besançon, 551).

BERTI 1983 : F. BERTI, “I mosaici di Iasos”, in :CMGR, III, S. 235-246.

BINGÖL 1997 : O. BINGÖL, Malerei und Mosaik derAntike in der Türkei, Mainz am Rhein, 1997.

BRUNEAU 1970 : PH. BRUNEAU, Recherches sur lescultes de Délos à l’époque hellénistique et à l’épo-que impériale, Paris, 1970 (BEFAR, 217).

BRUNEAU 1982 : PH. BRUNEAU, «Pavimenta Poeni-ca», MEFRA, 94, 1982, S. 639-655.

DONDERER 1987 : M. DONDERER, „Die antiken Pavi-menttypen und ihre Benennungen (zu Plinius,Naturalis Historia 36, 184-189)“, JDAI, 102,1987, S. 377.

GERKAN 1922 : A. VON GERKAN, Der Nordmarkt undder Hafen an der Löwenbucht, Berlin, Leipzig,1922 (Milet, I, 6).

GERKAN 1925 : A. VON GERKAN, Kalabaktepe, Athen-atempel und Umgebung, Berlin, 1925 (Milet, I,8).

JOBST 1977 : W. JOBST, Römische Mosaiken ausEphesos I. Die Hanghäuser des Embolos, Wien,1977 (Forschungen in Ephesos, VIII/2).

JOYCE 1979 : H. JOYCE, “Form, function and techni-que of the pavements of Delos and Pompeji”,AJA, 83, 1979, S. 253-263.

KNACKFUSS 1924 : H. KNACKFUSS, Der Südmarktund die benachbarten Bauanlagen. Mit epigraphi-

schem Beitrag von Albert Rehm, Berlin, 1924 (Mi-let, I, 7).

KOESTER 1995 : H. KOESTER (ed.), Ephesos – Metro-polis of Asia. An Interdisciplinary Approach to itsArchaeology, Religion and Culture, Valley Forge,1995 (Harvard Theological Studies, 41).

PERNICE 1938 : E. PERNICE, Pavimente und figürli-che Mosaiken, Berlin, 1938 (Die hellenistischeKunst in Pompeji, VI).

PINKWART, STAMNITZ 1984 : D. PINKWART, W. STAM-NITZ, Peristylhäuser westlich der Unteren Agora,Berlin, 1984 (Altertümer von Pergamon, XIV).

RADT 1980 : W. RADT, „Vorbericht über die Kampa-gne 1979“, AA, 1980, S. 400-422.

SALZMANN 1991 : D. SALZMANN, „Mosaiken und Pa-vimente in Pergamon. Vorbericht der Kampag-nen 1989 und 1990“, AA, 1991, S. 433-456.

STROCKA 1988 : V. M. STROCKA, „Wechselwirkungender stadtrömischen und kleinasiatischen Archi-tektur unter Trajan und Hadrian“, IM, 38, 1988,S. 291-307.

TRÜMPER 1998 : M. TRÜMPER, Wohnen in Delos.Eine baugeschichtliche Untersuchung zum Wan-del der Wohnkultur in hellenistischer Zeit, Rah-den Westf., 1998 (Internationale Archäologie,46).

TUCHELT 1984 : K. TUCHELT, „Bericht über die Ar-beiten der Jahre 1980-1983“, IM, 34, 1984,S. 193-124.

WAELKENS 1987 : M. WAELKENS, “The adoption ofRoman building techniques in the architectureof Asia Minor”, in : S. MACREADY, F. H. THOMP-SON (ed.), Roman Architecture in the GreekWorld, London, 1987, S. 94-105.


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