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Die Normativität des Rechts in interdisziplinärer Beobachtung

Date post: 05-Apr-2023
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Was bedeutet die „Normativität“ des Rechts in der postmodernen Gesellschaft? - Vorüberlegungen zur Beobachtung des Rechtssystems durch die Rechts- und die Politikwissenschaft - Von Karl-Heinz Ladeur, Bremen/Hamburg Überblick I. Vorbemerkung II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft – und deren Beobachtung 1. Was ist Recht? 2. Von der Rechtsanwendung zur Selbstbeobachtung der „Rechtsfortbildung“ im Rechtssystem 3. Insbesondere: dynamische „grundrechtliche Ausgleichspflichten“ und die Veränderung der Gewaltenteilung (zwischen Justiz und Legislative) 4. Verantwortung im „Gewährleistungsstaat“ 1
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Was bedeutet die „Normativität“ des Rechts in der

postmodernen Gesellschaft?

- Vorüberlegungen zur Beobachtung des Rechtssystems

durch die Rechts- und die Politikwissenschaft -

Von Karl-Heinz Ladeur,

Bremen/Hamburg

Überblick

I. Vorbemerkung

II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und

Rechtswissenschaft – und deren

Beobachtung

1. Was ist Recht?

2. Von der Rechtsanwendung zur

Selbstbeobachtung der „Rechtsfortbildung“

im Rechtssystem

3. Insbesondere: dynamische „grundrechtliche

Ausgleichspflichten“ und die

Veränderung der Gewaltenteilung (zwischen

Justiz und Legislative)

4. Verantwortung im „Gewährleistungsstaat“

1

5. Die Dynamisierung der Technik und der

Wandel der kognitiven Infrastruktur

des Rechts - der Aufstieg der

technischen Standards

6. Rechtsbindung ist nicht gleich

Rechtszwang!

7. Privatisierung des Rechts und der

Rechtsdurchsetzung (Schiedsgerichte)

8. Das Recht und seine kognitive

Infrastruktur – zur Verknüpfung von

Normativität und Normalität

III. „Law as Culture“

1. Das Recht und seine „soziale Epistemologie“ –

die Konstruktion von

Wirklichkeit durch Recht

2. Der Wandel der Realitätskonstruktion des

Rechts

3. Der Zerfall der „Einheit der Rechtsordnung“

als Problem der

gesellschaftlichen Selbstorientierung

IV. Die Evolution des Rechts seit dem Ende 19.

Jahrhunderts

1. Die Transformation des Rechtssystems und

seiner kognitiven Infrastruktur

2. Das Rechtssystem der „Die Gesellschaft

der Organisationen“

a. Der Wandel der kognitiven Infrastruktur: Die Dynamisierung des

2

Expertenwissens

b. Der Aufstieg der „Steuerungsgesetze“

c. Die gruppenbasierte Reflexion der Konstruktion

gesellschaftlicher

Wirklichkeit durch Recht – die Beispiele des Rundfunks, des

Sozialrechts

und des Planungsrechts

d. Umstellung des Rechts von der „Rechtsschutz- auf die

Steuerungsperspektive“?

3. Das Rechtssystem der „Gesellschaft der Netzwerke“

a. Die neue Transformation der Wissensordnung

b. Das „verflüssigte“ Individuum

c. Paradigmenwechsel im Vertragsrecht: Der Aufstieg der

„Netzverträge“

4. Zwischenresümee: Die Verflüssigung der

Grenzbegriffe

V. Die Frage nach der Stellung des Staates in der

globalisierten Rechtsordnung

1. Die EG als Staatenverbund und das

Erfordernis eines „Kollisionsrechts“

neuer Art

2. Nationale und europäische Grundrechte

3. Globales Verwaltungsrecht

4. Völkerrecht in einer globalen Rechtsordnung

VI. Ausblick: Prozeduralisierung jenseits der

„Legitimation durch Verfahren“

(N. Luhmann)

3

I. Vorbemerkung

Eine interdisziplinär informierte Rechtswissenschaft

(Leibfried/Möllers/Schmid/ Zumbansen 2006) und die das Recht

beobachtende Politikwissenschaft scheinen sich so nahe zu sein

– und sind einander doch so fern. Der SFB „Wandel der

Staatlichkeit“ verknüpft eine Reihe von Gegenständen des

Rechts, die teilweise – innerhalb eines durch die

Politikwissenschaft bestimmten übergreifenden Fragestellung

nach dem Wandel der Staatlichkeit – aus der Perspektive des

Rechts und teilweise aus der Perspektive der

Politikwissenschaft beschrieben werden. Dies betrifft die

Bildung des Rechts in der „supranationalen“ Rechtsordnung der

EG, die Transnationalisierung des Privatrechts („lex

mercatoria“ neuer Art, Teubner 1998: 565), das

Wirtschaftsvölkerrecht der WTO, die Herausbildung

transnationaler (insbesondere) (nichtstaatlicher)

umweltrechtlicher Normen, den Wandel der Sozialstaatlichkeit –

um nur die wichtigsten Gegenstände zu nennen. Dennoch scheinen

die beiden disziplinär bestimmten Herangehensweisen die

aufgeworfenen Fragestellungen bei aller Übereinstimmung im

Grundsätzlichen, der Frage nach der Rolle der Privatisierung

früher staatlicher Aufgaben (Wahl 2006: 76), den Phänomen und

Folgen der Globalisierung und der „Zerfaserung“ des Staates

4

nicht nur unterschiedlich zu bearbeiten – dies entspricht der

disziplinären Unterscheidung der beiden Wissenschaften, sondern

die Unterschiede zugleich nicht klar zu artikulieren. In

manchen Gegenstandsbereichen scheint das Recht (allg. Benz

2001: 105, 205: „Durchsetzung“ des staatlichen Willens) nur

eine Nebenrolle zu spielen (Sozialstaat), obwohl doch kaum ein

Gebiet so stark vom Recht geprägt wird wie der Sozialstaat

(Vgl. die Beiträge in Leibfried/Wagschal2000; aus

rechtswissenschaftlicher Sicht Stolleis 2003). Überdies

bedeutet die Entstehung des Sozialrechts einen grundlegenden

Bruch mit dem liberalen Rechtsparadigma, der nicht auf die

„Erweiterung“ von subjektiven Rechten reduziert werden kann,

weil die Erwartungen, die normativ stabilisiert werden, ganz

auf den Staat als Garanten der Kontinuität gesellschaftlicher

Normalität umgepolt werden.

In anderen Bereichen, in denen es explizit thematisiert wird

(durch Politikwissenschaftler, die sich mit der

Internationalisierung des Rechtsstaats – eines der

privilegierten Merkmale des „golden age“-Staates

(programmatisch Hurrelmann/Leibfried/Martens/Mayer 2008; Zangl

2007 ) wird die Frage, was Recht ist, unbeantwortet gelassen

und stattdessen dem Recht eine eher instrumentelle Funktion der

„Bindung“ zugeschrieben, die unter Bedingungen der

Globalisierung, die eben nicht zu einer vollständigen

staatsähnlichen Ordnung führt, die weitere Frage nach der

„Folgebereitschaft“ (compliance) gegenüber normativen Bindungen

aufwirft (Zürn/Neyer 2005: 183; vgl. auch aus

rechtswissenschaftlicher Perspektive Haltern 2005: Rnr. 298),

5

ohne dass das darin unterstellte Verständnis der

„Normativität“ näher ausgeführt würde.

Hier stellt sich ein Problem deshalb, weil das Recht,

rechtswissenschaftlich betrachtet, sicher (mindestens auch)

andere Merkmale aufweist – insbesondere die Unterstellung, dass

alle Argumente selbstreferentiell auf die Fortsetzung des

Rechts angelegt sind (und sein müssen) – als die, die aus der

Perspektive der Politikwissenschaft beobachtet werden. Aber

wieweit kann die Vernachlässigung der internen normativen

Bindung (die Anerkennung des Zwangs zur Selbstkontinuierung des

Rechtssystems in der Perspektive der Rechtswissenschaft) in

einer sozialwissenschaftlichen Beobachtung gehen (zum

„Weltrecht“ Albert/Schmalz-Bruns 2009: 57; Amstutz/Karavas

2009: 645), ohne dass das Recht sich ganz in Macht1, Ideologie

oder kulturellen Symbolen verflüchtigt? Die Frage kann und soll

nicht in einer abstrakten Form beantwortet werden. Stattdessen

soll an den entscheidenden Problemstellungen aus der Sicht der

Rechtswissenschaft versucht werden, die Funktionsweise der

Normativität des Rechtssystems in Vorüberlegungen so zu

erläutern, dass mehr Anschlussfähigkeit für eine paradoxe

politikwissenschaftliche Beobachtung der Faktizität des

Normativen ermöglicht wird– das sich eben von der

rechtsphilosophischen Normativität (der Bewertung von Normen an

letztlich außerrechtlichen Gerechtigkeitsvorstellungen)

unterscheidet.

1 Bei Benz (2006: 143, 161) wird das Recht in politikwissenschaftlicher Perspektive auf „Machtbegrenzung“ reduziert; dies ist charakteristisch für eine verbreitete Sichtweise, die das Recht und seine Funktionsweise von vornherein sehr eindimensional und nicht in seiner „internen“ Funktionsweise beobachtet.

6

Im folgenden soll zunächst unter II. abstrakt die Frage nach

der Eigenrationalität des Normativen in einer rechtsinternen

rechtstheoretischen Überlegung beobachtet werden. Im Anschluss

daran wird unter III. in einer Perspektive, die versucht, sich

für interdisziplinäre Beschreibungen der Leistung des Rechts zu

öffnen, Recht als „Kultur“ beschrieben, als Medium der

Konstitution von „Wirklichkeit“, die innerhalb der Normativität

verwendet werden kann. Unter IV. wird die Evolution des Rechts

seit dem 19. Jahrhundert mit dem Ziel skizziert, deren Selbst-

und Fremdbeobachtung des gegenwärtigen Rechts durch die Rechts-

und die Politikwissenschaft abzustützen. Es folgt dann (V.)

eine Überlegung zur Stellung des Staates und des globalen

Rechts innerhalb der pluralisierten Rechts- und

Institutionenordnung, die sich jenseits des nationalen und

diesseits des klassischen internationalen Rechts herausgebildet

hat.

II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und

Rechtswissenschaft – und deren

Beobachtung

1. Was ist Recht?

Für die Rechts- wie die Politikwissenschaft ist „Recht“ ein

privilegiertes Objekt der Beobachtung. Für die

Rechtswissenschaft versteht sich dies nur scheinbar von selbst,

weil sie sich in erster Linie als „praktische Wissenschaft“

versteht, d. h. sich weitgehend an den Anschlusszwängen und –

möglichkeiten orientiert, die die Rechtspraxis

7

selbstreferentiell durch ihre rechtsimmanenten Operationen

prozessiert und sich auf die Stelle der Beobachtung erster

Ordnung festlegt.2 „Was ist Recht?“ ist dann eine Frage, die

weitgehend vom „Rechtsfall“ (Christensen/Fischer-Lescano 2008:

131ff.), d. h. von der Anonymität der Konventionen einer

Rechtspraxis der Gerichte, der Kommentare, Interpretationen,

Dogmatiken beherrscht wird (dazu Descombes 2004: 464). Darüber

wird ein Netzwerk von Möglichkeiten innerhalb eines

Optionenraums generiert, dessen Voraussetzungen und Grenzen

selbst nicht beobachtet werden, wenn es um den nächsten „Fall“

oder - in der Dogmatik – um die Formulierung einer

Entscheidungsregel geht (Augsberg 2009: 134). Die Rechtspraxis

setzt stets schon voraus, dass Urteile über Recht innerhalb des

Rechtssystems getroffen werden (Reinhardt 2009: 42f.). Der

„Fall“ wird selbst immer schon durch das Recht konstituiert,

nicht aber ereignet sich zunächst ein „Fall“, der dann unter

eine allgemeine Rechtsregel subsumiert wird (Lefebvre 2008:

76).

Insofern ist die Beobachtung des Rechts durch die

Rechtswissenschaft selbst zunächst positivistisch, weil das

Recht selbst sich als positiv geltend definiert. Es wird noch

zu zeigen sein, dass sich aus dieser – systemtheoretisch

2 Deshalb wäre durchaus auch eine „Beobachtung zweiter Ordnung“ interessant,die politikwissenschaftlich die Beobachtung des Rechts durch die Rechtswissenschaft beobachtet; es wäre jedoch kaum plausibel zu machen, dass die Rechtswissenschaft ihrerseits an politischer Macht gewinnt durch die zunehmende Entformalisierung des Rechts, wie Maus (2006: 117) annimmt. Dabei wird jedoch ebenso problematisch unterstellt, dass die Rechtswissenschaft durch den Prozess der Kodifikation „enteignet“ worden wäre. Angesichts der Geschichte der neueren Dogmatik (vgl. den Überblick bei Möllers 2008) ist dies jedoch kaum zu belegen – die Entgegensetzung vonKodifizierung (= Demokratisierung) und Justizialisierung als Entparlamentarisierung und Stärkung der nichtparlamentarischen Apparate istviel zu einfach konstruiert.

8

gesprochen – autopoietischen Geschlossenheit des Rechtssystems

(Luhmann 1993: 39) ein Zwang (und eine Schwierigkeit) auch für

die politikwissenschaftliche Beobachtung von außen ergibt: das

Rechtssystem und die Rechtswissenschaft interessieren sich

nicht primär für die „Wirkungen“ oder „Folgen“ des

Entscheidens. Diese bestehen immer in Rechtswirkungen und

Rechtsfolgen, denen keine außerrechtliche Realität entsprechen

muss. Ob eine Entscheidung „wirksam“, rational, effizient,

gerecht ist, ist selbst keine Rechtsfrage, sondern nur die

Frage, ob sie sich in das „Gewebe“ der vorangegangenen

Entscheidungen einfügt (Luhmann 1993: 367). Recht und

Rechtsanwendung sind zirkulär verschleift: Dass jede

„Anwendung“ des Rechts zugleich eine Rechtsänderung ist, also

die Unterstellung des Normverstehens, dass sie nämlich auf

Rechtserkenntnis, nicht Rechtsetzung ziele, unterläuft

(Reinhardt 2009: 43), ist so richtig wie irrelevant für das

Rechtssystem, solange die Verschleifung invisibilisiert werden

kann. Dies geschieht durch die Abstützung der Ebene der

„Begründung“ von Rechtsentscheidungen durch die

Selbstfestlegung von Rechtsdiskursen auf die Form der

„Ableitung“: das Geltungssymbol setzt immer schon voraus, dass

es eine Norm gab, bevor sie angewendet wurde. „Die Rechtspraxis

operiert stets in einer Situation mit historisch gegebenem

Recht, denn anders könnte sie gar nicht auf die Idee kommen,

sich selbst als Praxis zu unterscheiden. Entsprechend gibt es,

historisch gesehen, keinen Anfang des Rechts, sondern nur

Situationen, in denen es plausibel war, „davon auszugehen, dass

auch schon früher nach Rechtsnormen verfahren worden ist“

(Luhmann 1993: 57).

9

Deshalb kann einerseits die bekannte Unterscheidung H. L. A.

Harts zwischen Regeln der ersten Stufe (insbesondere

Verhaltensregeln) und den Regeln der zweiten Stufe, auf der

erst eine Unterscheidung zwischen Recht und Nicht-Recht

(insbesondere Moral) durch Institutionen vorgenommen wird (Hart

1961: 229ff.), mit einem gewissen Vorbehalt, dass nämlich die

Regeln der zweiten Stufe über die Anerkennung von Regeln als

„Recht“ ihrerseits eher auf das Prozessieren des

Geltungssymbols durch Institutionen und nicht auf außerhalb

dieser Praxis existierende Regeln zurückzuführen sind, als auch

unter den Bedingungen der Postmoderne produktiv akzeptiert

werden. Dies gilt um so mehr, als Hart den Blick auf die

konstitutive Seite der Regeln eher als die limitative richtet:

Recht ist auf die regelhafte Integration des Verhaltens der

Individuen angelegt, nicht die (eher dem Staat vorzubehaltende)

Setzung von Freiheitsgrenzen (Lefebvre 2008: 10).

Während zu Zeiten des klassischen Rechtsstaats

Unterscheidungen an einfachen Grenzbegriffen vorgenommen werden

konnten und nur staatliches Recht als Recht anerkannt worden

ist, während das Mitlaufen von gesellschaftlichen Normen zwar

die Interpretation des staatlichen Rechts beeinflusst hat,

nicht aber explizit als Recht anerkannt waren. Die Auflösung

der Hierarchie als dem privilegierten Ordnungsmodell der

Staatlichkeit hat zu einer heterarchischen Vervielfältigung der

Rechtsquellen geführt und dementsprechend auch das

Geltungssymbol unscharf werden lassen.3 Ob man aber

insbesondere das transnationale Recht ganz von der Legitimation3 Vgl. auch zur Umstellung der Gesetzesbindung von der „Subsumtion“ auf die argumentative Konstruktion Christensen/Fischer-Lescano 2008: 46.

10

durch die staatlichen Anerkennungsregeln ablösen und eine

Selbstkonstitutionalisierung der Zivilgesellschaft jenseits des

Staates postulieren kann (Teubner 2003: 1), erscheint

zweifelhaft.

Das Prozessieren des Geltungssymbols selbst kann m. E. nicht

ganz „vergesellschaftet“ und vom Staat abgelöst werden.

Jedenfalls wird die Anerkennungsregel durch unterschiedliche

prozedurale Anforderungen je nach Transparenz, Beteiligung

privater und öffentlicher Akteure (explizite Setzung von

Standards, Beobachtung impliziter selbstorganisierter Regeln in

einzelnen Handlungsfeldern: z. B. mediengerechte

Konkretisierung der Grenzen von Öffentlichem und Privatem)

ausdifferenziert und ihrerseits pluralisiert (Kingsbury 2009:

20; Dyzenhaus 2008; Möllers/Voßkuhle/Walter 2007). Das

Geltungssymbol ist aber so sehr auf die Verschleifung von Recht

und Rechtsanwendung angelegt, dass die offene Prozedur der

Herstellung der Rechtsentscheidung keine Temporalisierung der

Abfolge von Normsetzung und Anwendung benötigt (dies ist eher

die Form der Darstellung, die im Futur II unterstellen muss,

dass die Rechtentscheidung das immer schon geltende Recht in

Anschlag bringt).

Dies ist der konstitutiven (impliziten4) Diskursordnung des

Rechts geschuldet: Man kann eine sich als bindend festlegende

Entscheidung nicht mit Aussicht auf Erfolg als Nicht-Recht, als

nicht geltend, mit dem Argument qualifizieren, dass es sich

4 Auch hier ergeben sich interdisziplinäre Perspektiven, wenn man die sozialwissenschaftliche Diskussion über die Bedeutung von impliziten „social practices“, die „open textured“ und zukunftsorientiert sind (Rouse 2007: 48ff.; Pritzlaff 2009; dies./Nullmeier 2009), in Betracht zieht. Demgegenüber ist vorherrschend der eher retrospektive „begründende“ Rekurs auf Regeln und Prinzipien (vgl. auch Brandom 1994: 19f.).

11

nicht um Rechtsanwendung handle, weil die Entscheidung nicht

aus einem Rechtssatz abgeleitet sei, sondern selbst Recht zu

setzen beanspruche. Dies ist auch dann nicht mit Aussicht auf

Erfolg möglich, wenn ein Gericht selbst eine einschlägige Norm

für nicht anwendbar erklärt (vgl. BGH, JZ 2009, H. 19 -

spickmich.de), solange die Richter an der konstitutiven Fiktion

festhalten, dass die Entscheidung „abgeleitet“ ist (dies kann

auch durch „Argumentation“ geschehen, solange explizit an der

Unterscheidung von Rechtsetzung und Rechtsanwendung

festgehalten wird; vgl. Christensen/Kudlich, 2001). Diese

Fiktion wird nicht einmal dadurch erschüttert, dass ein Gericht

wie das Bundesverfassungsgericht mehr oder weniger explizit ein

„neues Grundrecht“ entwickelt, also die Verfassung als oberste

Norm selbst ergänzt (BVerfGE 120, 274; Lepsius 2008). Den

normativen Anforderungen an die Prozessierung des

Geltungssymbols durch Anwendungsentscheidungen wird vor allem

im Common Law schon dadurch Genüge getan, dass ein neuer Fall

zum Anlass genommen wird – soz. im Futur II -, eine neue

Entscheidungsregel aufzustellen, die in künftigen

Entscheidungen als „entschiedener Fall“ in Bezug genommen kann

(Vermeule 2006: 54, 123ff.). Dass solche Phänomene einer

erheblich gelockerten Bindung nicht nur durch das Recht, das

durch „Interpretation“ als praktisches Normverstehen verändert

wird (vgl. Walsh 2008: 66), sondern auch durch das

Geltungssymbol selbst auch im kontinentalen Recht sehr

verbreitet sind, könnte sowohl für die als Rechtstheorie

operierende Rechtswissenschaft als auch für eine

politikwissenschaftliche Beobachtung des Rechts „von außen“ von

erheblicher Bedeutung sein.

12

2. Von der Rechtsanwendung zur Selbstbeobachtung der

„Rechtsfortbildung“ im

Rechtssystem

Die Rechtsfortbildung, die sich selbst als Rechtsänderung

ausweist, ist heute eine so ubiquitäre Leistung der Gerichte

(BVerfGE 34, 269 – Soraya; jetzt Möllers 2009a: 668; BGH JZ

2009 H. 19 – „spickmich.de“ m. Anm. Ladeur), dass sie vielfach

nicht einmal deutlich von der Rechtsauslegung unterschieden

wird. Dies ist nicht zuletzt der Doktrin der

„verfassungskonformen Auslegung“ geschuldet (BVerfGE 59, 360),

die es erlaubt, aus sehr allgemeinen Rechtsgrundsätzen,

insbesondere den Grundrechten, weitreichende Änderungen des

Gesetzesrechts als Rechtsanwendung „abzuleiten“ (zum Pendant

der „richtlininienkonforman Auslegung“ EuGH, Rs. 14/83 Slg.

1984, 1891 – Colson und Kamann). Damit geht eine grundlegende

Verschiebung der Gewichte zwischen Gesetzgeber und Justiz

einher: Der Verfassungsgeber hat einerseits die unmittelbare

Anwendung der Grundrechte (und damit auch der Geltung ihres

Vorrangs vor dem Gesetzesrecht) statuiert (Art. 1 Abs. 3 GG),

andererseits aber die Verwerfung eines Gesetzes als

verfassungswidrig beim Bundesverfassungsgericht konzentriert

(Art. 100 Abs. 1 GG: Prüfungskompetenz für alle Richter –

Verwerfungskompetenz nur für die Verfassungsgerichte). Diese

Norm hat zwar nach wie vor erhebliche Bedeutung, dennoch kann

man davon ausgehen, dass andere Formen der Argumentation

(Rechtsfortbildung, verfassungskonforme Auslegung etc.) die

Stellung der Gerichte gegenüber dem Gesetzgeber gestärkt haben.

13

Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass auch die

systematische und begriffliche Kopplung zwischen Rechtsnormen

durch die Gesetzgebungstechnik, Rechtsdogmatik und den

schnellen Wandel der tatsächlichen Wissensinfrastruktur des

Rechts sich auflöst. Während das Recht der 20er Jahre des

letzten Jahrhunderts für die Dynamisierung des Rechts5 noch

weitgehend auf die Analogie und die teleologische (sich vom

Willen des Gesetzgebers emanzipierende)6 Auslegung (gegenüber

den klassischen, an System und Wortlaut orientierten

Auslegungsmethoden vgl. Larenz 1991: 313: „Gesetzestext als

‚Träger’ des in ihm niedergelegten Sinn“; teleologisch: „das

Ganze des Rechts“ muss der Richter erst „gewinnen“; kritisch

dazu Christensen/Fischer-Lescano 2008) beschränkt war, ist das

Geltungssymbol heute so konturlos geworden, dass nicht zuletzt

durch die Konstruktion von „Grundrechtskollisionen“ (Fischer-

Lescano 2008) und die sich daran anschließende Notwendigkeit

des „Ausgleichs“ durch Abwägung (Dreier 1993; Lepsius 2006:

119; kritisch Jaume 2000: 343, 353; Böckenförde 2003; Ladeur

2004; Augsberg 2009: 95, 115: zur Kritik der diskursethischen

Überhöhung der nicht-hintergehbaren Pluralität des Rechts) das

geltende Recht einem kontinuierlichen Variationsprozess

unterworfen ist, ohne dass dadurch das Geltungssymbol als

solches seiner integrativen Wirkung entkleidet worden wäre. Das

Postulat der Gesetzesbindung verliert immer mehr an Bedeutung im

Verhältnis zur Rechtsprechung (anders nach der

5 Das auf Selbstorganisation angelegte Privatrecht wird mehr und mehr von „Zwecken“ überlagert, die durch die Orientierung an strategische handelndenprivaten oder öffentlichen Organisationen in das Recht einwandern, vgl. Nörr 1988: 4. 6 Vgl. auch zur Interpretation als Bestimmung eines „Rahmens“, der mehrere Möglichkeiten bietet, Kelsen 2008: 105ff.

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„Wesentlichkeitstheorie“ gegenüber der Verwaltung; BVerfGE 49,

89, 98, 218, 251f.; 101, 1, 34; v. Bogdandy 2000: 190ff.),

wenn gesetzgeberische Konzeptionen mit konkurrierenden eigenen

Überlegungen oder maßstabslosen Rechtsfortbildungen überspielt

werden (Möllers 2009: 668, 671 - strafprozessuales

Beweisrecht; Ladeur 2009). Zum Teil wird aus der

Konkretisierungsbedürftigkeit der Grundrechte geradezu eine

Pflicht des Gesetzgebers abgeleitet, Normen für die

„Rechtsfortbildung“ am Einzelfall offenzuhalten (Röthel 2004:

55ff.).

Ob und wieweit dadurch eine Leistung des Rechtssystems für

andere Teilsysteme sowie für Individuen und Organisationen

gefährdet wird, die noch von Luhmann stark gemachte

Erwartungssicherheit (1993: 129ff.) ist eine Frage, die zum

Gegenstand der Beobachtung des Rechts durch die

Rechtswissenschaft und die Politikwissenschaft werden kann.

Dabei ist aber einmal zu beachten, dass ein großer Teil des

Rechts heute öffentliches Recht ist. Die durch den Staat selbst

gestiftete Erwartungssicherheit im allgemeinen und der

Verwaltung im besonderen erscheint (wegen der

„Einschätzungsprärogative“ des Staates) offenbar weniger

schutzbedürftig als die privater Akteure untereinander.

Es ist zweifelhaft, ob die Luhmannsche Begriffs- und

Gedankenschärfe hier weiterhilft: „Jede auf den Sinn und die

Operationsweise (Unterscheidungsweise) von Operationen achtende

Systemtheorie muß deshalb hinnehmen, daß politisches System und

Rechtssystem getrennt operieren, daß sie verschiedene Systeme

sind – und dies selbst dann, wenn die Selbstbeschreibung der Systeme dem

widerspricht“ (Luhmann 2005b: 390 – H. i. O.). Das bedeutet

15

sicher nicht, dass beide Systeme nichts miteinander zu tun

hätten: Für Luhmann stellt sich hier die Frage nach der

strukturellen Kopplung, über die einzelne sich Systeme einander

wechselseitig und begrenzt vorgeordnete Ordnungselemente

einander zur Verfügung stellen. Der Staat wird als eine Form

der „strukturellen Kopplung“ angesehen, die über Zurechnung auf

eine „fiktionale Einheit“ von beiden Systemen benutzt wird

(391). Nach Luhmann besteht hier aber die Gefahr, dass der mit

dem Wechsel der Systemreferenz einhergehende

„Perspektivenwechsel“ übersehen wird, „wenn der Staat als

politisch-rechtliche Einheit“ beobachtet wird (391).

3. Insbesondere: dynamische „grundrechtliche

Ausgleichspflichten“ und die

Veränderung der Gewaltenteilung (zwischen Justiz und

Legislative)

Der Staat wird mit immer mehr (vor allem) grundrechtlichen

Ausgleichspflichten konfrontiert (Hoffmann-Riem 2006: 492), die

den Rechtsbildungsprozess in die Gerichte verlagern und die

Stabilität des Rechts zu Lasten staatlich-gesetzlicher

Selbstnormierung erschüttern. Dies ist aber nicht als Ausdruck

eines institutionellen Konflikts zwischen Parlament und Justiz

zu beschreiben, wie er etwa als Kollision

(sozial-)demokratischer Gesetzgebung und konservativer Justiz

(Korioth 2003: 705) in der Weimarer Republik entstanden ist.

Der zunehmenden Verrechtlichung der Politik, die oft als

Verlust parlamentarischer Entscheidungskompetenz interpretiert

wird (Bornemann 2007: 75; vgl. auch Kneip 2006; Maus 2006:

16

111), entspricht paradoxerweise eine Erweiterung der

staatlichen Entscheidungsmöglichkeiten insgesamt zu Lasten

insbesondere der wirtschaftlichen Grundrechte: die Erweiterung

der abwehrrechtlichen Dimension der Grundrechte um objektiv-

rechtliche Schutzpflichten zugunsten Dritter macht aus den

klassischen Grundrechtskonflikten (the man versus the state) in

zunehmendem Maße „mehrpolige Grundrechtsverhältnisse“, in die

z. B. die Arbeitnehmer eines Unternehmers einbezogen werden

(Ladeur 2009b: 543), der sich gegenüber dem Staat auf seine

Berufsfreiheit im privaten Arbeitsverhältnis beruft. Damit

geht auch eine Erweiterung der Entscheidungsmöglichkeiten der

Legislative und der Exekutive einher (BVerfGE 108, 282, 302 –

Kopftuch; 49, 89, 131ff. – technische Unsicherheit), weil der

Grundrechtseingriff sich zum staatlichen Ausgleich zwischen

mehreren Grundrechten und ihren Trägern wandelt. Dieser

Ausgleich wird eher kooperativ zwischen Legislative und

Exekutive auf der einen Seite und der Justiz auf der anderen

Seite vorgenommen.

Auch die daraus entstehende Ausbalancierung der

Machtverhältnisse zwischen den „politischen“ und den

justitiellen Entscheidern könnte ein Gegenstand der

kooperativen Beobachtung des Rechts durch Rechtswissenschaft

und Politikwissenschaft sein.7 Jedenfalls wäre aber die

Vorstellung einer einseitigen Gewichtsverlagerung zugunsten

Gerichte und zu Lasten der Politik verfehlt, zumal gerade das

Bundesverfassungsgericht nicht nur eine7 v. Komorowski/Bechtel (2006: 291) beobachten die Verrechtlichung der Politik durch die Verfassungsgerichtsbarkeit zwar differenzierter, aber eine neue Fragestellung für die interdisziplinäre Beobachtung des Phänomenswird letztlich nicht eröffnet.

17

Einschätzungsprärogative der Politik bei vielen „mehrpoligen

Grundrechtsverhältnissen“ anerkannt hat, sondern in der

faktischen Unsicherheit der einem Gesetz zugrunde zu legenden

tatsächlichen Annahmen (Augsberg/Augsberg 2007: 290),

insbesondere schneller gesellschaftlicher Wandel oder

technologische Komplexität (Scherzberg 2002, S. 113;

differenziert Wollenschläger 2009: 58), eine weitere

Legitimation für politische Einschätzungsspielräume (verbunden

mit vagen Nachbesserungspflichten) gesehen hat (BVerfGE 50,

290, 334). Verrechtlichung bedeutet deshalb vielfach die

Unterordnung des Privatrechts unter das öffentliche Recht,

nicht aber eine Begrenzung der politischen

Entscheidungsmöglichkeiten des Staates. Im Gegenteil! Sie läuft

zum erheblichen Teil auf eine rechtliche Kontrolle und

Begrenzung privater, bisher durch die abwehrrechtliche Dimension

der Grundrechte geschützter Entscheidungsfreiheit hinaus.

4. Verantwortung im „Gewährleistungsstaat“

Dies gilt auch und gerade im Angesicht der Privatisierung: in

der Rechtswissenschaft ist die diese, ihrerseits ambivalente

Tendenz ebenfalls zur Grundlage einer weitreichenden

staatlichen Verantwortung für „Privatisierungsfolgen“ geworden,

die z. B. in „Strukturschaffungspflichten“ ihr Konkretisierung

gefunden hat. Staatliche Verantwortung im

„Gewährleistungsstaat“ (Franzius 2009: 81: der

Gewährleistungsstaat ist der Staat der „Zivilgesellschaft“;

Schuppert 2005) hat als (verfassungs-)rechtliche z. T. weit

über den tatsächlichen Verlust staatlicher Kompetenzen hinaus

18

gewirkt und Grundrechtsvorbehalte (zugunsten Dritter)

kompensatorisch bis weit in das traditionelle Privatrecht

erstreckt (BVerfGE 81, 242- Handelsvertreter; 89, 214 –

Bürgschaft; Teubner 2000: 388; Fischer-Lescano 2008: 166;

Ladeur 2009: 543). Auch dies ließe sich in der Terminologie des

SFB als eine Erscheinungsform der „Ausfransung“ des Rechts des

Staates beschreiben: Zwar wird der Kreis der staatlichen

Aufgaben zur Selbstwahrnehmung eingeschränkt, zugleich wird

aber mithilfe eines expansiven Verständnisses „mehrpoliger

Grundrechtsverhältnisse“ der „ausgleichende“ Zugriff des

Staates auf privatrechtliche Beziehungen so stark erweitert,

dass im Bereich der wirtschaftlichen Grundrechte die (als

solche nicht mehr bezeichneten) „Eingriffsbefugnisse“ erheblich

erweitert werden.

Dies ist eine Form der Veränderung des Geltungssymbols des

Rechts: Veränderung, Anpassung, Konkretisierung des Rechts

(statt „Normverstehen“; vgl. nur Christensen/Kudlich 2001) wird

immer mehr zur Aufgabe der Gerichte, die ganz offen ausgewiesen

wird, während umgekehrt die parlamentarische Gesetzgebung oder

die administrative Gestaltung Züge eines Grundrechtsausgleichs

annimmt und damit das klassische liberale Rechtsdenken in

Grenzbegriffen (privat/öffentlich, staatlich/gesellschaftlich

etc.) grundlegend verändert.

Das Geltungssymbol bleibt zwar erhalten, doch verändert sich

das Verhältnis zwischen den klassischen Staatsgewalten ganz

erheblich: vor allem methodisch und systematisch wird

Rechtsänderung und Rechtskonkretisierung immer mehr zur Aufgabe

der Justiz, während in umgekehrter Richtung Gesetzgebung als

Ausgleich zwischen Rechten annimmt (Jaume 2000). Möglicherweise

19

ließe sich hier von einer internen „Zerfaserung“ des Staates

sprechen, die einem externen Pendant entspricht: Der Staat

zieht sich entgegen dem durch den Trend zur Privatisierung

gesetzten Anschein nicht linear zurück, sondern das Denken in

Grenzbegriffen wird durch eine heterogene Entwicklung

verdrängt, die Rückzug in der Wahrnehmung von Aufgaben durch

Expansion von Gewährleistungspflichten im allgemeinen und den

Ausgleich in „mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen“ (Hoffmann-

Riem 2006: 492) im besonderen nebeneinander stellt. Die

Referenz auf Schutzpflichten mag zunächst plausibel erscheinen,

sie erweist sich jedoch dann als ambivalent, wenn der Staat

dafür einen Gestaltungsspielraum kraft höheren Wissens (oder

gar paradoxerweise „kraft Nichtwissens“, vgl. unten Holzer/May

2005) in Anspruch nimmt.

Eine weitere neue Variante der Grundrechtsverhältnisse, die

schlecht mit dem bisherigen von den klassischen Grenzbegriffen

bestimmten Rechtsmodell (Kritik daran bei Schuppert 2008: 325;

dazu Genschel/Leibfried 2008: 359) in Übereinstimmung zu

bringen sind, ist das öffentlich-rechtliche

Versicherungsverhältnis, das sich jenseits der (mit dem

klassischen grundrechtlichen Abwehrmodell beschreibbaren)

Inklusion in den Status des gesetzlich Versicherten bei der

Ausgestaltung der Leistungen und ihren Beschränkungen entfaltet

(BVerfG, NJW 2006, 891 – Finanzierung nicht-konventioneller

Therapie): Da das Verhältnis grundsätzlich nicht von den

Grundsätzen einer dualen Leistungsbeziehung bestimmt sein kann,

bestehen erhebliche Schwierigkeiten bei der grundrechtlichen

Einordnung der Ausgestaltung, die das BVerfG aber grundsätzlich

20

für erforderlich hält (vgl. zur verfassungsrechtlichen

Gewährleistung Hase 2000: 217).

5. Die Dynamisierung der Technik und der Wandel der

kognitiven Infrastruktur des

Rechts (der Aufstieg der technischen Standards)

Ähnliches gilt für das Verwaltungsrecht, insbesondere das

Technik- und Umweltrecht, das nur in einem formalen Sinne und

nur auf einer der mehreren Entscheidungsebenen dem klassischen

Eingriffsverwaltungsrecht zuzuordnen ist (vgl. zu dessen

Entwicklung nur Wahl 2006: 12ff.; Stoll 2003) andererseits aber

bei komplexen Technologien eine ganze Infrastruktur aus

Standards (unterschiedlicher Rechtswirkung) voraussetzen, die

einen technologischen Entwicklungspfad abstützen und zugleich

die mittelbaren Auswirkungen auf Dritte (Nachbarn) in die

Entscheidung mit einbeziehen, während diese Ebene früher

grundsätzlich dem Privatrecht (Nachbarrecht) überlassen war

Stoll 2003: 326; Th. M. J. Möllers 1996: 21, 51, 73) und auf

den „Standard“ der „Ortsüblichkeit“ verwiesen hat (Quaas 2003:

37). Diese konnte aber schon durch einen einzigen Großbetrieb

verändert werden.

Auch diese Mehrebenenkonstellationen innerhalb des Rechts

müssten für eine politikwissenschaftliche Beobachtung des

Rechts von großer Bedeutung sein. Sie werden vor allem von der

Diskursanalyse vernachlässigt, die den klassischen

Universalitätsanspruch des Gesetzes in die Universalität von

Begründungsprozeduren überführen will. Aber erweist sich hier

nicht die folgende Beobachtung Georg Simmels (1968: 202) als

21

treffend, die jenseits des allgemeinen Gesetzes die Entstehung

von Verbindlichkeit „auf die gleitenden, fluktuierenden,

schwebenden Lebensinhalte oder – Situationen, für die es gar

keinen Begriff gibt“, zurückführt? Dieser situative Bezug ist

für das postmoderne Recht charakteristisch geworden. Das

Situative kann mit Waldenfels (1985: 129ff.) als ein Wirkungs-

und Anforderungszusammenhang bezeichnet werden, der nie ganz

von einem Subjekt beherrscht werden kann.

6. Rechtsbindung ist nicht gleich Rechtszwang!

Auf diesem Hintergrund erweist sich auch die positivistische

Vorstellung vom Recht und von der Entstehung von

Verbindlichkeit aus einer Willensordnung, die durch Sanktionen

abgestützt werden müssen, als problematisch (Vesting 2007: Rnr.

132 ff.; Lefebvre 2008: 10). Gerade diese einfache Beschreibung

von Verbindlichkeit als Fähigkeit zur Mobilisierung scheint in

der politikwissenschaftlichen Beobachtung eine große Rolle zu

spielen. Sie wird in der politikwissenschaftlichen Beobachtung

des internationalen oder des supranationalen europäischen

Rechts vor allem in den Untersuchungen über „compliance“

internationaler Akteure unter Bedingungen begrenzter

Sanktionierbarkeit des Rechts aufgenommen (Zürn/Neyer 2005).

Vor allem amerikanische Theoretiker der „international

relations“ haben versucht, das Vokabular des Rechts im Rekurs

auf politikwissenschaftliche Konzepte (neben „compliance“ auch

Legitimität8 und Governance) zu erneuern (Raustiala/Slaughter8 Vgl. zu dem Verhältnis von Legalität und Legitimität nur Wiesner u. a. (2006); ob die Wiederanknüpfung an diesen Gegensatz in der postmodernen Gesellschaft zu einem fruchtbaren Gegenstand interdisziplinärer Kooperationwerden kann, erscheint zweifelhaft.

22

2002; 2007: 1). Hier bietet sich eine Zusammenarbeit von

Rechts- und Politikwissenschaft an, die genauer das Recht nicht

als äußeren Zwang zur Entscheidung für bestimmte

Handlungsoptionen beobachtet sondern als konstitutiv für ein

regelhaftes Verhalten, das in eine Praxis eingeschrieben wird

und von Fall zu Fall Anschlussmöglichkeiten und –zwänge

prozessiert (Lefebvre 2008: 10f.).

Die positivistische Konstruktion der Rechtsbindung als

Verhaltens- und Willensbindung ist verbunden mit der

Entkopplung des Geltungssymbols von der Einbettung in lokale

und regionale Traditionen und der Selbstmobilisierung des

Rechts in der Moderne. Hier lässt sich eine Brücke zu

sozialwissenschaftlichen (hier: soziologischen) Konzeptionen

der Entscheidung und der „Entscheidungszumutung“ als

Alternative zur Bindung durch Tradition (Schimank 2005: 115).

Der Rechtszwang kann selbstverständlich nicht geleugnet werden,

aber dies ist eher der Notwendigkeit geschuldet, gegen

Regelverletzer vorzugehen, die parasitär die Wechselseitigkeit

der Rechtsbindung in Frage stellen. Im wesentlich muss das

Recht sich aber „von selbst“ reproduzieren, nicht durch Drohung

mit Sanktionen. Dies ist eine wichtige Annahme, die für die

Beobachtung neuer Formen der lex mercatoria erkenntnisleitend

sein kann: Die Annahme, dass selbstgeneriertes privates Recht

auch in der Lage ist, Interessen Dritter aufzunehmen und zu

berücksichtigen, ist nicht so fernliegend, dass dieses Phänomen

primär auf die antizipierende Vermeidung staatlicher Sanktionen

zurückgeführt werden müsste. Auch die Änderbarkeit des Rechts

23

und die Trennung von Rechtszwang und Befolgungsmotiv (Gephart

2006: 294f.) hat nichts mit der Souveränität des (staatlich

gesetzten) Rechts gegenüber dem Willen des einzelnen zu tun.

Sie ist vielmehr Ausdruck der Dynamik des Selbsttransformation

der Gesellschaft, die keine durch Tradition bestimmten Rechte

und Rechtsnormen anerkennen kann, und damit eine Form der

Steigerung der Autonomie des Rechts. Allerdings liegt eine

charakteristische Schwäche des transnationalen Rechts – wenn es

als solches und nicht nur als Bestand sozialer Normen anzusehen

ist – in der mangelnden Fähigkeit, die eigene Einheit durch

Entwicklung von internen (Interpretations-) und

Anwendungsregeln zu stabilisieren (Peters/de Kuyper/de Candolle

1995: 152ff.). Deshalb ist auch zu fragen, ob solche Normen

nicht eher für die Stabilisierung begrenzter

Beziehungsnetzwerke (ICANN, Medien, Sportverbände,

Transaktionen zwischen großen Unternehmen) geeignet sind.

Spricht nicht gerade die von G. Teubner (2002) apostrophierte

Selbsterzeugung des transnationalen Rechts über (insbesondere)

vertragliche Transaktionen dafür?

Recht ist jedenfalls nicht primär durch staatliche Sanktionen

zu charakterisieren (Rosen 2006: 22). Angesichts der

zunehmenden Durchlässigkeit der Grenze zwischen Gesetzgebung

und Justiz stellt sich vor allem in den USA die Frage nach der

Bestimmung des Verhältnisses zwischen den beiden Gewalten in

einer neuen institutionellen/prozeduralen Form: d. h. die Frage

wird von der Orientierung an Entscheidungsarten („output“)

umgestellt auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen

(insbesondere Zugang zu Wissen, Antragsabhängigkeit,

24

„Entscheidungstechniken“, Verfahren etc.) (Vermeule 2006: 63,

152; 2008 – zum Parlament als Wissensgenerator; Scalia 1997).

Dieser „institutional turn“ (für Deutschland: Lorz 2001: 433)

führt zur Akzentuierung vor allem der administrativen

Zugänglichkeit von komplexerem Wissen, das über den einzelnen

Fall hinausweist. Dementsprechend folgt daraus eine Begrenzung

des „judicial activism“ (Schuppert 1988: 1191). Diese Annahme

ist insofern ambivalent, als in die Grundrechte selbst eine

„soziale Epistemologie“ eingeschrieben ist, die auf die

Selbstorganisationsfähigkeit der bürgerlichen Gesellschaft,

also ein transsubjektives Moment der Normbildung zwischen Staat

und Individuum setzt (Ladeur 2000b). Das Wissen des Staates kann

demgegenüber nicht den Vorrang gegenüber der distribuierten,

durch die Grundrechte selbst abgesicherten Wissensordnung der

Gesellschaft beanspruchen (vgl. historisch Bohlender 2001: 247;

aktuell Collin/Horstmann 2004; Engel/Halfmann/Schulte 2002).

Diese Entwicklung ist nur zu verstehen auf dem Hintergrund der

– trotz Privatisierung – fortschreitenden Expansion des

Verwaltungsstaats, der die Prozesse der Selbstorganisation

praktischen Wissens in der Gesellschaft mehr und mehr in

Planungsverfahren, in Technik ermöglichendem Recht (Kloepfer

1997: 417; Winter 1988: 659), durch „Förderung“ der Individuen

wie der wirtschaftlichen Akteure beeinflusst und überlagert

(und dafür mehr „Gestaltungsspielräume“ in Anspruch nehmen

kann, BVerfGE 50, 60 – „Leistungsverwaltung“; 80, 137

(Planung); 57, 295, 321f. – Rundfunk; 49, 89, 110 -

Prognosespielraum bei technischen Entwicklungen; 88, 203, 254 –

„Schutzpflichten“; 99, 165, 178 - Abgrenzung des Kreises der

begünstigten Personen).

25

7. Privatisierung des Rechts und der

Rechtsdurchsetzung (Schiedsgerichte)

Unter institutionellen Gesichtspunkten ist auch die umgekehrte

Bewegung innerhalb des Rechtssystems (die sich gegen die

Tendenz zur Ausweitung des Verwaltungsstaats vollzieht) von

großer Bedeutung: nämlich die zunehmende Verlagerung der

rechtlichen/gerichtlichen Beobachtung des vor allem

transnationalen Rechtsverkehrs von den staatlichen Gerichten zu

den – substantiell - transnationalen Regeln der lex mercatoria

und anderer autonomer Rechtsordnungen sowie – prozedural – der

selbstorganisierten Schiedsgerichtsbarkeit (Calliess 2006:

255ff.). Auch hier geht es weniger um das kollusive

Zusammenwirken bei der Interessendurchsetzung großer

transnationaler Akteure unter Vermeidung der staatlich-

rechtlichen „neutralen“ Entscheidung sondern um Reaktion auf

die auch auf der Seite des transnationalen Rechts zunehmende

Komplexität des Rechts und die Sorge, dass ein von der

staatlichen Beobachtungslogik geprägtes Gericht (allg. J. C.

Scott 1999) viel zu wenig Flexibilität und Offenheit für die

Entscheidung in komplexen transnationalen Konflikten

bereithalten kann (vgl. die Beiträge in: Teubner 1996). Man

muss hier berücksichtigen, dass privatrechtliche

Vertragskonflikte zwischen wirtschaftlichen Akteuren, die

längerfristig und regelmäßig an rechtlichen Transaktionen

beteiligt sind, auch schon in der Vergangenheit nur in den

seltensten Fällen vor den staatlichen Gerichten ausgetragen

worden sind. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass

26

solche Akteure eher an der Erhaltung langfristig stabiler

Beziehungen zu ihren Vertragspartnern gelegen ist als an der

Durchsetzung der eigenen Rechte. Dies findet seine Erklärung

auch darin, dass sie daran gewöhnt sind, in wechselnden Rollen

(z. B. als Käufer wie als Verkäufer von Produkten, als

Hersteller wie als Abnehmer von Werken und Dienstleistungen)

aufzutreten und wegen der großen Zahl von Transaktionen, die z.

B. von multinationalen Unternehmen vorgenommen werden, die

übergreifenden Interessen an der Erhaltung eines produktiven

Ausgleichsverfahrens stärker wahrnehmen als Akteure, die stets

in der gleichen Rolle auftreten.

Durch diese Auslagerung von Rechtskonflikten aus dem Bereich

der staatlichen Gerichte auf die transnationalen

Schiedsgerichte – ein Prozess, der ebenfalls eine

Erscheinungsform der Privatisierung ist – setzt innerhalb der

staatlichen Gerichtsbarkeit eine nicht unproblematische

Entwicklung fort, die den Charakter des staatlichen Rechts und

der Formen seiner Durchsetzung dadurch verändert, dass die

staatlichen Gerichte einen großen Teil der das postmoderne

Recht charakterisierenden Rechtskonflikte um

Wirtschaftsleistungen nicht mehr verfolgen und aus ihnen auch

nicht mehr lernen könnten.

Dadurch könnte sich der Trend verstärken, das Recht um seine

Komponente der Selbstorganisation einer das Recht abstützenden

Infrastruktur aus Konventionen, Verhaltensmustern und

Praxisregeln zu verkürzen. Vor den staatlichen Gerichten würden

dann primär Streitigkeiten aus dem Recht der unerlaubten

Handlungen (z. B. Schadensersatzforderungen von Personen, die

27

nicht zu den Vertragspartnern der großen Unternehmen gehören)

oder eher ein Typus vertragsrechtlicher Konflikte zwischen

kleineren und mittleren Unternehmen ausgetragen (daneben

bleiben die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten). Durch

dieses Ungleichgewicht könnte sich auch die Tendenz

verstärken, das Privatrecht stärker dem von staatlichen

Schutzpflichten bestimmten öffentlichen, d. h. staatlichen

Recht i. e. S. anzunähern.

Dies könnte insofern bedenklich sein, als damit auch der

Bereich der privaten Normsetzung i. w. S. (Standards,

Konventionen etc.) weniger in seiner produktiven,

Anschlusszwänge und Koordinationsmöglichkeiten schaffenden

Funktion als primär in seinem (nicht zu leugnenden) Dritte

gefährdenden Potential beobachtet werden könnte.

8. Das Recht und seine kognitive Infrastruktur – zur

Verknüpfung von Normativität

und Normalität

Die Funktion der Gewährleistung von „orderliness“ (Rosen 2006:

22) des Rechts und damit seiner Eröffnung von Anschlüssen an

die Zukunft wird nur partiell durch das Recht i. e. S.

gewährleistet. Es bedarf vielmehr einer ausdifferenzierten

Infrastruktur des Rechts in der Gestalt der „anonymen

Souveränität der Konventionen“, ohne die Rechtsbeziehungen

nicht stabilisiert werden können (Descombes 2004: 429ff.). (Auf

diese Ebene der mehr und mehr in nicht-staatlichen Normen

explizierten Koordination zwischen den Akteuren diesseits des

28

Rechts i. e. S. soll weiter unten in der Akzentuierung der

Standardsetzung noch näher eingegangen werden.)

Neben der Funktion der Schaffung einer Infrastruktur aus

„faktischen Normen“, die über rechtliche Rezeptionsformeln in

das Recht einbezogen werden und ohne die Rechtsbeziehungen und

die Stabilisierung von Verhaltenserwartungen nicht möglich

wären, ist auch die Bedeutung des Rechts im Prozess der

Generierung von Regeln für die Kanonisierung von Wissen, seine

Anerkennung im Einzelfall, die Bereithaltung von Vermutungs-

und Beweisregeln von erheblicher Bedeutung (Scheffer/Hannken-

Illjes/ Kozin 2009: 183). Gerade im Angesicht von Ungewissheit

bedarf es vielfach solcher Regeln, die die Chancen der

Erzeugung „glaubhaften“ Wissens verteilen. Regeln z. B. über

die Beweislast bei der Auseinandersetzung um neue Risiken haben

unter Bedingungen von Ungewissheit vielfach das gleiche Gewicht

wie eine materiellrechtliche Regel über die Haftung für

technische Unfälle. Beweisregeln können vielfach sogar an die

Stelle von Regeln in der Sache treten, insbesondere dann, wenn

es nur sehr schwer möglich ist, der Beweislast gerecht zu

werden (Brüggemeier 2006: 612ff., 618ff.). Die Verknüpfung von

Wissen und Norm wäre ebenfalls ein Gegenstand polykontexturaler

Selbst- und Fremdbeobachtung durch die Politik- und die

Rechtswissenschaft: die kognitive Dimension der

Erwartungsbildung kann von der rechtlichen nicht getrennt

werden. Erwartungsbildung setzt ein gemeinsames Wissen voraus,

also ein Wissen, das von anderen geteilt wird. Diese Erwartung

(der Teilung mit anderen) wird selbst ein reflexiver Teil des

gemeinsamen Wissens, an das normativ angeknüpft werden kann

29

(vgl. allg. Schimank 2005: 431; Suk-Young Chwe 2001: 4, 13ff.).

Rechtliche Entscheidungen erhalten dann auch ein ritualisiertes

Moment der Erzeugung von „knowledge from an asserted authority“

an (Hardin 2009: 160) – dies zeigt, dass die normative und die

kognitive Dimension im Prozess der Rechtsbildung und des

rechtlichen Entscheidens nicht getrennt werden können. Dies ist

zugleich ein Indiz dafür, dass die Umstellung der Gesellschaft

auf Zukunftsorientierung statt Traditionsbindung nicht ohne

Ambivalenzen bleibt und keine lineare kontinuierliche

Zeitlichkeit erlaubt (Honig 2009: 48).

Aber auch von den Vermutungs- und Beweisregeln abgesehen,

bedarf es eines Bestandes von Regeln und Verfahren, die im

Streitfall dazu beitragen, Entscheidungswissen zu erzeugen, auf

die das Gericht (Schiedsgericht) seine Entscheidung stützen

kann und muss. Auch in dieser Hinsicht ist Anschlussfähigkeit

für künftige Fälle erforderlich, dies ist ein Aspekt der

Gewährleistung von Erwartungssicherheit. Die kognitive

Offenheit des Rechts (Luhmann 1993: 77) wird ihrerseits im Wege

des re-entry durch normative Such- und Selektionsregeln, die

aus dem Rechtssystem stammen, überdeterminiert. Das bedeutet,

dass das Recht selbst Fakten erzeugt (Rosen 2006: 129), aber

eben nicht isoliert von normativen Anschlussmöglichkeiten und

Verfahren.

Hier liegt die Bedeutung der Standards, die in verschiedenen

Versionen (von rein privaten DIN-Normen – an deren Setzung der

Staat durch einen Vertrag mit dem DIN allerdings heute auch

mittelbar beteiligt ist – bis zu Standards, die explizit als

staatliche Rechtsnormen gesetzt werden (vgl. am Beispiel der

30

Regulierung der Kapitalmärkte zu einer Typologie S. Augberg

2003: 124ff.). Das Lehrbuchbeispiel für eine Standardsetzung

durch Gesetz ist das - eine Ausnahme gebliebene -

Benzinbleigesetz, das den Bleigehalt von Benzin festlegt.

Dazwischen liegt die ganze Variationsbreite von technischen

Normen (i. w. S.), die in Rechtsverordnungen (z. B.

verschiedene Rechtsverordnungen zum BImSchG – Elektrosmog etc.)

unter Beteiligung von privatem und öffentlichem Sachverstand

festgelegt werden, oder Verwaltungsvorschriften (ohne

unmittelbare Wirkung nach außen). Für die letzteren bedarf es

der typischen Brückenbegriffe (Schutz der Umwelt, Vorsorge9

etc.), die es erlauben, z. B. Grenzwerten in

Verwaltungsvorschriften als Varianten der „Konkretisierung“ von

Rechtsnormen auf der Tatbestandsseite rechtliche Relevanz

zuzuerkennen. D. h. der Gesetzgeber setzt ein materielles

Schutzgebot (Schutz der Gesundheit (§ 5 BimSchG) und ermöglicht

(z.B. in § 48 S. 1 BImSchG) die Festlegung von Grenzwerten, die

als eine Art „antizipiertes Sachverständigengutachten“ (BVerwGE

55, 250, 256; Breuer 1978: 28, 34; Stoll 2003: 95ff.) den

Richter von der faktischen Seite (nicht unmittelbar durch

Rechtsgebot: Einhaltung eines bestimmten Grenzwerts) binden.

Auch private Standards können eine, wenngleich abgeschwächte

Bindung (möglicherweise nur negative als untere Grenze des

Schutzes Dritter) auf dem gleichen Wege der Rezeption in das

Recht von der Tatbestandsseite her (nicht als unmittelbare

Rechtsfolgenanordnung) entfalten, wenn bestimmte prozedurale

Vorkehrungen getroffen werden (Öffnung des Verfahrens für die

Berücksichtigung der Interessen Dritter, allg. Stoll 2003: 87).9 Vg. Zur Entwicklung der „Vorsorge“ als Rechtsbegriff Wahl 2006: 73f.; Scherzberg 2004: 214, 221ff.

31

Die Austauschbarkeit dieser Formen (unmittelbare Rechtsbindung

vs. mittelbare tatsächliche Bindung; Guéhenno, Jean-Marie

(1999), L’avenir de la liberté, Paris, S. 82) zeigt, warum die

transnational gesetzten Standards so wichtig geworden sind und

warum die Frage, ob es sich dabei um Rechtsnormen handelt,

gänzlich obsolet ist. Nur die rechtliche Konstruktion der

Rechtsbindung ist unterschiedlich, der Sache besteht kein

Unterschied. Der Aufstieg der Standards hat letztlich nur eine

Phänomen sichtbar gemacht, das immer schon existiert hat,

nämlich die Abhängigkeit der Funktion der Stabilisierung von

Verhaltenserwartungen durch das Recht von der Möglichkeit der

Bildung faktischer Normalitätserwartungen (Baecker 2006: 41)10

und der Zurechnung von Risiken auf individuelles Entscheiden

(Luhmann 2003: 13, 128f.). Dies ist nicht zuletzt davon

abhängig, dass z. B. der vertraglich (in seinem Verhalten)

gebundene Partner seinerseits die Erwartung haben kann, dass er

verlässliche Partner findet, die ihm die Vertragserfüllung

ermöglichen. Damit ist wieder auf ein Netzwerk von Personen und

– von der Seite der Dinge her – die Möglichkeit der Bildung von

Kausalitätserwartungen verwiesen, d. h. die Erwartung, dass die

Umwelt sich nicht grundsätzlich und unerwartet verändert und

eine Kontinuität der tatsächlichen Verknüpfungen unterstellt

werden kann.

10 Die Verknüpfung von Recht und der Faktizität der Durchsetzung von „Normalität“ lieget auch Foucaults Konzeption der „Disziplin“ zugrunde, dieallerdings ganz auf die Unmittelbarkeit der Unterwerfung der Subjekte im Gegensatz zur eher mittelbaren Anrufung der Individuen als Rechtssubjekte, deren forum internum dem Zugriff des Rechts entzogen bleibt; vgl. dazu S. Legrand 2007: 2, 154.

32

Dieses System von Unterstellungen ist äußerst

voraussetzungsvoll. Es verweist auch auf Individuen (Personen),

die die Rechtsbindung jenseits der Tradition akzeptieren und

sich ihr gegenüber nicht taktisch oder strategisch verhalten.

Dies impliziert auch die Ausbildung eines (Rechts-)Gewissens,

das Verantwortung ohne Interessenkalkül akzeptiert.

IV. „Law as Culture“

1. Das Recht und seine „soziale Epistemologie“ – die

Konstruktion von Wirklichkeit durch Recht

Die Vorstellung einer „Rechtsperson“, auf die Rechte und

Pflichten zugerechnet werden können, kann nicht nur als

Rechtsfiktion fungieren, sie muss auch in einer

Selbstabstraktion des Individuums ihre Befestigung finden. Der

Einzelne muss sich allgemein als Adressat von Rechten und

Pflichten wahrnehmen, sonst kann die rechtliche

Bindungsfähigkeit auch innerhalb des Rechtssystems nicht

operationalisierbar werden. Dem entspricht als Pendant in der

Umwelt der Individuen

die Möglichkeit und die Notwendigkeit, ein strukturiertes

Kausalitätskontinuum beobachten zu können – und zwar sowohl im

Hinblick auf Personen, die sich rational, nach Regeln und

Mustern handelnd, beobachten lassen, als auch im Hinblick auf

die Natur und deren Selbstreproduktion nach beobachtbaren

Kausalitätsmustern (Baecker 2006: 41). Nichts davon ist

selbstverständlich. Diese Bestandteile einer kognitiven

Infrastruktur der Gesellschaft werden auch durch den

Rechtsdiskurs prozessiert, der eine Vielzahl von Anschlüssen

33

innerhalb der Selbstwahrnehmung der Individuen als

(verantwortliche) Personen (Ladeur 2007: 61) und der „sozialen

Epistemologie“ der Beschreibung ihrer Umwelt stabilisieren

muss, damit überhaupt die normative Stabilisierung von

Erwartungen ihre Abstützung in der Infrastruktur des Rechts

finden kann. Dazu gehören insgesamt die o. a. Wissens-,

Vermutungs- und Beweisregeln. Diese legen – wie oben erwähnt -

fest, wie man innerhalb von Rechtsdiskursen, insbesondere

Rechtsverfahren, Argumente mit Anschluss an die „Wirklichkeit“

konstruieren, verknüpfen und für weitere Anschlusszwänge und -

möglichkeiten offen halten kann. Nicht zuletzt deshalb ist

schon der Beginn des westlichen Rechts im Römischen Reich von

der Herausbildung einer eigenen Gruppe von Menschen bestimmt,

die als „Juristen“ (Schiavone 2009) gerade die Autonomie des

Rechts zu ihrer Profession machen. Die Evolution der „Culture

of Fact“ in England hat B. J. Shapiro untersucht und die

„Kultur“ der Faktizität mit allen Beweis- und Vermutungsregeln

akzentuiert(2000: 189ff.).

So sind z. B. bestimmte kausale Verknüpfungsmöglichkeiten, die

wissenschaftlich nicht von der Hand zu weisen sind, als nicht

anschlussfähig für rechtliche Argumente und persönliche

Zurechnungen ausgewiesen („Restrisiko“ im Technikrecht, BVerfGE

49, 89, 137 – Kalkar; Stoll 2003: 152ff.; Wahl 2006: 75),

andere können nicht dazu herangezogen werden, eine Technologie

als „gefährlich“ zu qualifizieren. Sie können aber auf einer

sekundären Ebene zur Begründung von Maßnahmen der „Vorsorge“

herangezogen werden (Stoll 2003: 324), die ihrerseits eine

eigene Struktur benötigt, die nicht in der Verknüpfung von

Kausalitätsmustern bestehen kann. Lineare, rational

34

beschreibbare Kausalverläufe sind für das Gefahrenabwehrrecht

charakteristisch, Vorsorge kann theoretisch unendlich weit

reichen, deshalb ist sie in dieser Form für das Rechtssystem

nicht brauchbar (Gollier 2001: 303; ders./Treich 2000: 229).

Deshalb hat die Rechtsprechung die Notwendigkeit der

Konstruktion eines eigenständigen nicht-linearen

Verknüpfungsmodells für die Zurechnung von Vorsorgepflichten

postuliert. Dieses Konstruktion setzt auf die Formulierung

eines „Konzepts“, das nach Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit

die Regeln einer „relationalen Rationalität“ beachtet: das

bedeutet, dass vor allem nicht primär das der einzelnen Quelle

eines Risikos zuzurechnende Schadenspotential (Ausnahme: AKW)

von Bedeutung ist, sondern z. B. die Summierung von Emissionen

(jenseits des Risikos für Einzelne) einerseits und der mögliche

Gesamteffekt einer Belastung andererseits (z. B.

Schadstoffbelastung durch alle Kohlekraftwerke) heranzuziehen

und mit einer bestimmten Relation von (Vorsorge-)Aufwand und

möglichem Ertrag zu verknüpfen ist.

Dazu gehört auch der immanente Vergleich mehrerer Risiken

(Breuer 1990: 211): Welcher Aufwand wird für die Erhaltung von

Menschenleben auf verschiedenen technologischen Pfaden

betrieben? Lassen sich große Unterschiede (die tatsächlich zu

beobachten sind) rechtfertigen? Hier kommt es nicht darauf an,

die Dogmatik des neueren Umweltrechts nachzuzeichnen, sondern

es geht eher um die Folgen der zunehmenden Steigerung der

Komplexität der Umwelt des Rechts, die die Anforderungen an die

kognitive Infrastruktur des Rechts erheblich steigern, zunächst

aber eine Abhängigkeit erst sichtbar macht, die mit der

Beschreibung des Rechts als kognitiv offen (Luhmann 1993: 77)

35

nur unzulänglich beschrieben wird: Das Rechtssystem benötigt

seine eigene „soziale Epistemologie“ (Rheinberger 2005; 2007:

117; 2007a:), deren Selektivität ein Pendant bildet zu den

rechtlichen Abstraktionen der Person, der Handlung, des

Vertrages etc. Der Zurechnung von Handlungen auf Personen

(Luhmann 2005: 128; Vertrag, unerlaubte Handlung etc.)

entspricht zugleich eine Folgenentlastung: der Arbeitgeber kann

nicht verantwortlich sein für die Folgen der Arbeitslosigkeit

entlassener Arbeiter, die auch vom Verhalten (oder Unterlassen)

anderer abhängt. Man würde sonst überdies einen antizipierenden

Anreiz schaffen, möglichst wenig Personal zu beschäftigen. Die

Zurechnung von Schäden setzt nach den liberalen

Rechtskonstruktionen das Handeln einer Person und eine davon

bestimmte Selektivität der kognitiven Konstruktion von

Kausalitäten voraus, die so wenig von rechtlichen

Anschlusszwängen entkoppelt ist wie umgekehrt der Rechtsbegriff

der Sorgfaltspflichtsverletzung nicht von der Beobachtung der

sozialen Praktiken (die die Erfahrungen begründen) unabhängig

sein kann. Ein wenig beachtetes Beispiel für die Bedeutung

sozialer Konventionen zur Bindung von faktischer Ungewissheit

ist das Schulverhältnis: Während hier die Beurteilung der

Angemessenheit von Entscheidungen über Versetzungen,

disziplinarische Maßnahmen (einschließlich der faktischen

Richtigkeit der zugrunde liegenden Annahmen) trotz formal

ähnlicher rechtlicher Bindung des Staates zB in den sechziger

Jahren so gut wie nie Gegenstand verwaltungsgerichtlicher

Kontrolle geworden sind, weil dem Schulsystem von Eltern wie

Gerichten ein hohes Vertrauen entgegengebracht wurde, lässt

sich in den letzten Jahren eine inflationäre Zunahme von Klagen

36

vor Verwaltungsgerichten feststellen Rux 2002: 423; allg.

Niehues/Rux 2006). Selbst in Fällen, in denen die

Angemessenheit z. B. einer Sanktion (Verweisung von der Schule)

angesichts sich der Schwere des Verstoßes sich aufdrängt11,

wird von Eltern immer häufiger unter Berufung auf das

Persönlichkeitsrecht des Schülers eine individualisierte

„pädagogische“, d. h. nicht rechtlich formalisierte

„Behandlung“ unter Berufung auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip

verlangt oder die Feststellung des Sachverhalts bestritten,

weil der Wert der Zeugenaussage eines Lehrers in Frage gestellt

wird. (Auch hier zeigt sich die Ambivalenz der Verrechtlichung:

Hier handelt es sich eher um einen paradoxen Prozess, innerhalb

dessen das Recht des Einzelnen auf Durchsetzung seines

Verständnisses der Persönlichkeitsentfaltung gegen das Recht

der Institution in Stellung gebracht wird.)

Die Schule ist auch ein Konfliktfeld, an dem sich zeigen lässt,

wie durch eine neue Kommunikationstechnologie die Trennung von

Teilöffentlichkeiten und die Unterschiede ihrer

Kommunikationsregeln einer disruptiven Veränderung ausgesetzt

wird: In der Vergangenheit waren Lehrer (fast) grenzen- und

11 Vgl. etwa den Fall der Verweisung eines 17 –jährigen Schülers von der Schule (Gymnasium), der das Haus eines (wegen dieser Eigenschaft!) schon öfter – auch von ihm - „gehänselten“ jüdischen Mitschülers mit einer Horde betrunkener „Kameraden“ heimgesucht und dort randaliert hatte: dass die Eltern des Schülers diese Maßnahme vor dem Verwaltungsgericht unter Berufung auf die Unverhältnismäßigkeit angegriffen haben, da – trotz der Vorgeschichte! - nicht sicher gewesen sei, dass es sich um einen antisemitischen Vorfall gehandelt habe, ist kein Einzelfall, sondern eher charakteristisch für ein neues Denken der Eltern, das die Rechte der Institution Schule im Angesicht des Rechts auf Entwicklung ihrer Kinder negiert (der VGH Mannheim hat allerdings die Klage (erst in zweiter Instanz!) abgewiesen, Beschl. V. 4.8.2009 (Az. 9 S 1077/09 und 1078/09). Der Fall ist auch ein Beispiel für das Zusammenwirken der faktischen (Beweis?) und der rechtlichen Komponenten („Verhältnismäßigkeit“) rechtlichen Entscheidens.

37

schutzlos dem Klatsch ihrer Schüler ausgesetzt. Neuerdings

berufen sich Schüler, die sich in den „sozialen Netzwerken“ des

Internet – teilweise in äußerst brutaler Form – mit ihren

Lehrern auseinandersetzen auf ihr Recht auf „Datenschutz“, auch

wenn die Inhalte (relativ) frei zugänglich sind (vgl. Ladeur

2009): Hier wird ein Problem, das früher durch den Unterschied

von mündlicher und medialer Kommunikation entrechtlicht worden

ist, zu einem Rechtsproblem, während zugleich ein „common

knowledge“ für die hybride Form der Kommunikation im Internet

weder vorausgesetzt noch (wahrscheinlich) durch Recht als

„knowledge from asserted authority“ (Hardin 2009: 160)

stabilisiert werden kann. Recht kann hier nur ein „Management“

unterschiedlicher Regeln betreiben, ohne dass

Erwartungssicherheit eintritt. Dies gilt auch für viele andere

Konflikte im Bereich der Schule, in denen „Verrechtlichung“

eher auf den Versuch der Abspannung von unlösbaren Konflikten

zwischen individueller Selbstdarstellung und einer unsicheren

institutionellen Rationalität der Regeln hinausläuft.

Zusammenfassend könnte man mit L. Rosen (2006) unterstellen,

dass das Recht jenseits der Konstruktion von Rechten und

Pflichten einen „sense of orderliness“ (22) erzeugt und damit

die Möglichkeit der Zurechnung von Verantwortung jenseits der

engeren dogmatischen Konturierung von Rechten und Pflichten

durch Rechtsdogmatik durch eine Infrastruktur aus rechtlich

kanonisierten Kausalitäten, Wahrscheinlichkeitsannahmen,

Vermutungs- und Wissensregeln, Standards und Mustern abstützt.

2. Der Wandel der Realitätskonstruktion des Rechts

38

Damit wird auch ein bestimmtes Verhältnis der Individuen zur

Welt begründet: „The legal creation of facts thus summarizes

and stimulates our sense of reality“ (Rosen 2006: 93). Dies

führt noch einmal auf den Gegenstand der normativen Sicherung

von Verhaltenserwartungen zurück, der sich bei näherem Hinsehen

nicht als so stabil erweist, wie dies durch die Formulierung

nahegelegt werden könnte: denn „the ‚certainty’ of the law

depends on the ‚uncertainty’ of its basic concepts’ (Gluckman

2004: 206; Rosen 2006: 92). Die offene Textur des Rechts

erlaubt erst die Anpassungsfähigkeit unter den Bedingungen der

permanenten Selbsttransformation der Gesellschaft. Das Recht

ist deshalb eher eine Institution, durch die die Gesellschaft

die Anschlussfähigkeit ihrer sozialen Formen der Koordination

beobachtet. Wie Clifford Geertz formuliert hat, fungiert das

Recht „not so much as a device or mechanism to put things back

on track, when they have run into trouble, but as itself a

constructive element ‚within culture’, a style of thought,

which in conjunction with a lot of other things equally within

culture ... lays down the track in the first place“. (1996:

35). Eine der Möglichkeitsbedingungen der Moderne ist „a new

vocabulary of probability ..., one that spanned multiple

domains and, like any really powerful cultural concept, knit

those domains together in a distinctly ‚modern’ form of common

sense“ (Rosen 2006: 90; Shapiro 1983: 272). Das Recht ist stets

von der Ambivalenz der „Ordnungsorientierung“ der bürgerlichen

Lebensformen bestimmt, eine – letztlich unmögliche – Balance

zwischen „Grenzstabilisierung“ (z. B. die Referenz auf die

Normalität der Erfahrung und ihre Verknüpfung mit der

39

Stabilisierung der Erwartungen an das zukünftige Verhalten der

anderen mit der permanenten Bereitschaft zur

„Grenzüberschreitung“, die sich unter Bedingungen der

Ungewissheit (Heidbrink 2007) als unumgänglich erweist

(Reckwitz 2008: 208) und das scheinbar mit sich selbst

identische Individuum dazu anruft, im differentiellen Prozess

seiner Selbst- und Fremderzeugung zu navigieren (Kaufmann 2008:

51).

Die Infrastruktur des Rechts verändert sich nicht nur mit der

Entstehung und Verbreitung neuer Technologien (einschließlich

der Informationstechnologien) sondern auch mit der – davon

nicht unabhängigen – Globalisierung. Die transnationalen Normen

sind ein Ausdruck der Notwendigkeit, die „soziale

Epistemologie“ des Rechts an die Ubiquität der globalen

Rechtsbeziehungen anzupassen. Auch dieser Entwicklung wird eine

Fixierung der Politikwissenschaft auf „compliance“ (s. o.) in

globalen Rechtsverhältnissen (jenseits der

Sanktionsmöglichkeiten) nicht gerecht: Jenseits der

Möglichkeit, Qualitäts- und Leistungsmerkmale vergleichen zu

können, geht es auch um die globale Durchsetzung einer

rechtlichen Weltsicht, einer Infrastruktur aus Erwartungen,

Standards, Verhaltensmustern, die erst ein Weltrecht

ermöglichen kann. Die einseitige Fixierung auf die Durchsetzung

westlicher Interessen (insbesondere) gegenüber

Entwicklungsländern würde diesen grundsätzlichen Aspekt der

Durchsetzung allgemeiner Verantwortungs-, Zurechnungs- und

Wissensregeln verfehlen.

Die genauere Beobachtung des Verhältnisses des Rechts zu seiner

ausdifferenzierten kognitiven Infrastruktur eröffnet auch eine

40

neue Perspektive auf die Evolution des Rechts auf dem Weg von

der Moderne zur Postmoderne (dazu unten) sowie die Entwicklung

des Sozial- und Interventionsstaats insbesondere. Wenn jenseits

des klassischen liberalen „Ordnungsstaates“, der vor allem an

der Stabilisierung von Regeln, Verhaltensmustern und einer

stabilen „Wissensordnung“ orientiert war, „Zufälle“ durch die

Entwicklung von Statistiken, von Versicherungen, von

Finanzmärkten und ihren neuen Instrumenten und Institutionen

berechenbar erscheinen, muss diese Entwicklung auf der Seite

des Staates ihre Entsprechung darin finden, dass der einzelne

sich selbst und sein Leben im Hinblick auf die Folgen der

Selbsttransformation der Gesellschaft als „Versicherungsfall“

wahrnimmt und mit Ansprüchen auf Versicherungsleistungen dem

Staat gegenübertritt. Damit verändert sich auch die

Selbstwahrnehmung des einzelnen (Ladeur 2007: 61), der vom

Staat den Ausgleich der Kosten verlangt, die mit den Zwängen

zur Selbstveränderung verbunden sind. Während das Privatrecht

vom Einzelnen die Herausbildung einer abstrakten Person

verlangt, die auf das Prozessieren ihrer selbst in den

Netzwerken der Rechtsbeziehungen eingestellt ist, ermöglicht

die Entwicklung des Sozialstaats dem einzelnen die Einnahme

einer konträren Haltung, nämlich die Bereitschaft sich selbst

als Opfer der Gesellschaft und ihrer Zwänge zu definieren

(Gauchet 2009: 133). Dadurch entsteht eine widersprüchliche

Form der Individualität, die die Freiheit der Selbstbestimmung

als Selbstermächtigung zum Anspruch auf Hilfe ummünzt.

Dies spricht nicht gegen „Sozialleistungen“, aber vor allem die

Expansion des Sozialstaats auf der Zeitachse (mehrere

Generationen des Sozialrechts und seiner Abstimmung auf

41

insbesondere das Zivilrecht) und der Mechanismus der

umfassenden Reflexivität des Sozialrechts, das überall eine

Verantwortung des Staates für einen „Versicherungsfall“ sehen

kann (vom Lohnrisiko zur Kompensation für „schlechte

Leistungen“ in der Entwicklung der eigenen Person bis hin zum

„Widerstand“ gegen Hilfe als Gerechtigkeitsproblem). Damit

werden neue komplexe Kausalitäten aufgenommen, auf die das

Recht schlecht vorbereitet ist – wenn dies überhaupt mit dem

Recht kompatibel ist, das immer mit einer Fähigkeit zur

Selbstabstraktion von Traditionen oder neuen faktischen

Abhängigkeiten rechnen muss. Die schematische Entgegensetzung

der Freiheit des Individuums und der Vorstellung des

(Rechts-)Gesetzes als Grenze dieser Freiheit hat die Bedeutung

der nicht-rechtlichen Regeln als Träger des sozialen

Gedächtnisses (Kaufmann 2008: 80f., 88f.; Revault d’Allonnes

2006: 250ff; Ladeur 2007a: 391) zurücktreten lassen – und in

der postmodernen Gegenwart in der ahistorischen

individualisierenden Form der sozialen Rechte auf Anerkennung

und Hilfe zur Identitätsbildung der Individuen in Anschlag

gebracht (Rey 2006).

Der amerikanische New Deal hat sich auch in seiner

experimentellen Veränderung des liberalen Modells gerade dort

erwiesen, wo er durch neue Institutionen (basale

Sozialversicherung, Finanzmarktkontrolle etc.) mehr Optionen

für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber geschaffen hat und nicht

unmittelbar „Armut“ bekämpft hat (Kennedy 2009: 251, 254).

3. Der Zerfall der „Einheit der Rechtsordnung“ als

Problem der gesellschaftlichen

42

Selbstorientierung

Auch die verschiedenen Erscheinungsformen der Überkomplexität

des Rechts und seiner Bewältigung durch Aufgabe des Anspruchs

auf Erhaltung der „Einheit der Rechtsordnung“ (Felix 1998), ein

Topos, der ebenfalls auch der kognitiven Selbstorientierung des

Rechts durch Erhaltung multipler Anschlußmöglicheiten für neue

Rechtskonstruktionen dient, wären ein Gegenstand der rechts-

wie der politikwissenschaftlichen Beobachtung. Dieses Phänomen

ließe sich in der Terminologie des SFB auch als „Ausfransung“

des staatlichen Rechtssystems beschreiben. Das Recht leistet

seinen Beitrag zur Erhaltung der kulturellen Selbstorientierung

der gesellschaftlichen Akteure, indem es Sinn auch jenseits der

einzelnen Rechtsakte und Zurechnungen erzeugt und das Erleben

gesellschaftlicher Erfahrungen als rational geordnet und

konsistent erlaubt (Rosen 2006: 170 f.). Das Recht stabilisiert

nicht unmittelbar Erwartungen von Individuen sondern primär die

Möglichkeit der Bildung von Erwartungen als Voraussetzung des

strukturierten Lernens und der Bildung von Erfahrung (Lefebvre

2008: 15). Entscheidungen von Individuen und Organisationen

folgen nicht primär einem rationalen Kalkül von Interessen und

Ressourcen sondern bilden sich auf der Grundlage von

„collective digests of acquired experience – i.e. rules – and

by ‚devices’ which refer to cases where such rules are

temporarily or lastingly inscribed in particular objects and,

more generally, to all objectifications of conventions“

(Reynaud/Richebé 2009: 3, 8f.).

43

Eine staatliche Erscheinungsform der Pluralisierung des Rechts

ist von der Evolution des Rechts bestimmt: Der „Rechtsstaat“,

der den Staat des klassischen Liberalismus geprägt hat, hat

sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Dieser

Wandel hat dem Staat einen großen Teil seiner Stabilität

genommen12, zugleich aber seine Handlungsformen und -

möglichkeiten erheblich vermehrt. Vor allem der Übergang vom

Interventionsstaat, der die Selbstorganisation der

Gesellschaft, ihre spontane Normbildung, ihre „soziale

Epistemologie“ als Normalitätsrahmen vorausgesetzt und darauf

die Konturierung des Verwaltungsakts als (primär) Störungen als

Abweichungen von der sozialen Norm bezogen hatte, zum modernen

Leistungs- und Steuerungsstaat (Franzius 2006: 335; zur Kritik

O. Lepsius 1999; I. Augsberg 2009: 11) und schließlich zum

postmodernen „Gewährleistungsstaat“ (Schuppert 2008: 325; Wahl

2006: 83) hat auch die Rechtsstaatlichkeit so grundlegend

verändert, dass man auch den Begriff des „Rechtsstaats“ kaum

mehr als übergreifenden Begriff für die Beschreibung einer

Vielzahl heterogener Rechtsphänomene benutzen kann. Auch hier

stellen sich neue Probleme in einer Rechtsstruktur, die nicht

mehr den Eindruck von Einheit und Homogenität sondern der

Hybridisierung der Konstruktionen (die bisher Unvereinbares

miteinander verknüpfen) und der Pluralität der Rechtsordnung

erzeugen (nicht nur auf der Ebene der Globalisierung sondern

auch innerhalb des staatlichen Rechts).

Dieser grundlegende Wandel ist durch die

„Konstitutionalisierung“, d. h. durch die scheinbare12 Die „Stabilität“ des Rechtsstaats ist allerdings ihrerseits zunächst Gegenstand politischer Kontroversen gewesen – die Konfliktualität ist in den Begriff des Normalitätsrahmens von vornherein impliziert, vgl. historisch Ogorek 2008: 210.

44

Kontinuität der Grundrechtsbindung („Ergänzung“ der

abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte um weitere

„Dimensionen“ (objektiv-rechtliche, Leistungsdimension,

Schutzpflichten, vgl. Wahl 2006: 35f.) in der

Rechtswissenschaft überspielt worden, dies gilt vor allem für

den Wandel der „sozialen Epistemologie“: das Wissen des Staates

nimmt in einer neuen Form den Vorrang vor dem in der

Gesellschaft durch Selbstorganisation aggregierten Wissen an.

Der Staat wird damit letztlich selbst zum „Grundrechtsträger“

und nimmt damit eine Stellung ein, von der er nach den

klassischen rechtsstaatlichen Vorstellungen grundsätzlich

ausgeschlossen war.

Auch dieses Phänomen lässt sich mit dem Terminus „Zerfaserung“

durchaus angemessen beschreiben (Leibfried/Zürn 2006: 11,

12f.). Privatisierung und Globalisierung haben nicht die Zahl

der staatlichen Aufgaben verringert sondern sie im Gegenteil

einerseits vermehrt, andererseits aber die „soziale

Epistemologie“ des staatlichen Handelns, die kognitiven

Voraussetzungen und Erwartungen der staatlichen Gesetzgebung

erheblich komplexer werden lassen. Dies lässt sich am Beispiel

der Veränderung des allgemeinen Gesetzes zeigen: die

Allgemeinheit des Gesetzes zeigt sich nicht primär an der

Allgemeinheit des Adressatenkreises sondern vielmehr daran,

dass diese Gesetzesform die Allgemeinheit der Regeln der

Selbstorganisation der Gesellschaft voraussetzt: es zieht die

Schranken, die dem allgemeinen Nutzen der bürgerlichen

Freiheiten und der Selbstkoordination der Bürger durch die

selbstorganisierten Verkehrsregeln zur Durchsetzung verhelfen

(Jaume 2000). Die modernen und postmodernen Formen der

45

Gesetzgebung zeichnen sich demgegenüber nicht zuletzt dadurch

aus, dass sie mehr und mehr die Verwaltung als ihren Adressaten

haben (Jaume 2000: 343, 353f.). D. h. das von der Verwaltung

verfolgte Interesse stützt nicht mehr die soziale

Selbstorganisation und die spontane Koordination durch

gesellschaftliche Regeln ab sondern zielt darauf, diese Regeln

zu verändern oder die Verfolgung selbstgesetzter Ziele des

Staates zu ermöglichen. Dies ist das Element der

Staatsbeschreibung, das im SFB „Staatlichkeit im Wandel“ als

„Interventionsstaat“ beschrieben wird. Es wird noch zu zeigen

sein, dass diese Veränderung des Staates auch die Veränderung

der kognitiven Infrastruktur des Staates voraussetzt. Die

Eingriffstiefe steigt und wird zugleich von den neuen

Ressourcen privater Akteure abhängig, die durch den Aufstieg

der Organisationen erzeugt und verfügbar werden – die mehr und

mehr die Adressaten staatlichen Handelns werden. Die Stabilität

der Organisationen (große Unternehmen), die ihre Umwelt

strategisch überdeterminieren (anders als ein kleines

Unternehmen). Dies gilt etwa für die Sozialgesetzgebung, aber

auch für die Gesetzgebung zur Regulierung von Technologien und

die Generierung der dazu erforderlichen Wissensinfrastruktur

(zu den Grenzen der Ökonomisierung rechtlicher Regulierung der

Umweltnutzung Perez 2008).

Während die normalisierende Infrastruktur des Rechts, die aus

Konventionen und spontan erzeugten Regeln bestand, zunächst in

privaten Normierungen (allgemein anerkannte regeln der Technik

oder des Bauens) bestand, ein Phänomen, das auch als „club

government“ bezeichnet worden ist (Moran 2003: 33f.), hat sich

später „Regulierung“ – wiederum in mehreren Abstufungen

46

(Selbstregulierung, reulierte Selbstregulierung, staatliche

Regulierung) – entwickelt, die von vornherein auf einer

Kooperation wischen dem Staat und großen Organisationen bestand

(Ogus 2009, 337).

IV. Die Evolution des Rechts seit dem Ende 19.

Jahrhunderts

1. Die Transformation des Rechtssystems und seiner

kognitiven Infrastruktur

Nach der „Gesellschaft der Individuen“ (Elias 2007) die

„Gesellschaft der Organisationen“ (Ladeur 2006: 111 f.), nach

der „Gesellschaft der Organisationen“ die „Gesellschaft der

Netzwerke“ (Castells 2001)! So ließe sich zunächst

schlagwortartig die Selbsttransformation der Gesellschaft in

den westlichen Ländern der letzten 150 Jahre beschreiben. Daran

ließe sich auch eine Historisierung der Evolution des Rechts

anschließen, die diesem Strukturwandel entspräche. So wenig

diese Beschreibung die Verdrängung des einen Modells durch das

folgende nahe legt, so wenig gilt diese Annahme auch für die

Rechtsentwicklung: Es entsteht vielmehr ein komplexes

„Mehrebenensystem“, doch nicht nur das! Es geht in einer

normativen Perspektive um die sekundäre bzw. tertiäre

Remodellierung des Rechts der „Gesellschaft der Individuen“,

die zugleich nach komplexen „Kollisionsregeln“ (Fischer-

Lescano/Teubner 2006: 7 ff., 57 ff., 127 ff.; Joerges 2007:

719; Vesting 2004a: 66) verlangt, die die unterschiedlichen

Rechtsstrukturen und –schichten aufeinander abstimmen und

zugleich den Wiedereintritt (re-entry) von Regeln der ersten

47

Stufe in eines der Regimes der folgenden Stufe erlauben. So

gehört im Bereich des Staatsrechts das Parteienrecht nach Art.

21 GG dem Recht der „Gesellschaft der Organisationen“ zu,

während das freie Mandat des Abgeordneten eines der Regimes der

„Gesellschaft der Individuen“ ist, allerdings tritt es in der

Remodellierung des Parteienrechts der „Gesellschaft der

Organisationen“ als Variante des Minderheitenschutzes in das

Rechtsregime des Parteienstaates wieder ein. (BVerfGE 20: 56;

Grimm 1994: 429).

Das Paradigma des allgemeinen Gesetzes, das den

Handlungsmöglichkeiten des Bürgers Schranken setzt, bilden im

19. Jahrhundert paradoxerweise vor allem die Generalklausel des

Polizeirechts und die davon abgeleiteten ordnungsrechtlichen

Normen. Auch dies sind Normen, die alles andere als bestimmte

Verhaltenserwartungen formulieren. Im Gegenteil! Die beinahe

wortgleich gebliebenen Normen, die unter dem Absolutismus die

Präponderanz der „Polizeywissenschaft“, des besonderen

privilegierten staatlichen Wissens, die Ermächtigungsgrundlage

für Eingriffe in die Gesellschaft waren (Bohlender 2001: 247),

werden durch die Evolution der Rechtsprechung (auf der

Grundlage des politischen und gesellschaftlichen Wandels in der

liberalen Ordnung) umkodiert und dadurch grundlegend verändert:

Nach dem berühmten Kreuzberg-Urteil des preußischen

Oberverwaltungsgerichts (Preußisches OVG AS 9: 353) konnte als

„polizeiliche Gefahr“ nur noch die (schädliche) Abweichung von

einem „normalen (!) Bestand“ von Rechtsgütern angesehen werden.

Jedes dieser Worte ist beziehungsreich: Wichtig ist aber vor

allem die Vorstellung einer Normalität, die weitgehend von den

48

Erfahrungen und Erwartungen der Bürger, d.h. des „Verkehrs“ in

dem oben genannten Sinne bestimmt wird und sich vom

absolutistischen, staatsfixierten Wohlfahrtsdenken deutlich

unterschied. Die „Schadensgrenze“ (Urbinati 2002: 134, 168 f.),

die allgemein das Verhältnis von bürgerlicher Freiheit und

Staat determiniert und erst dadurch der Freiheit Konturen

verleihen konnte, wird ebenfalls auf ein Normalitätsverständnis

bezogen, das vor allem von der Gesellschaft selbst und ihren

Erfahrungen beherrscht wird. Das Recht als Bestand von expliziten

Normen benutzt einzelne Streitfälle nur dazu, die impliziten

Normen der bürgerlichen Gesellschaft zu beobachten und von Fall

zu Fall auf ihre Haltbarkeit, d.h. vor allem im Hinblick auf

die Erfahrungen und die Notwendigkeit des Lernens zu prüfen,

ggf. zu variieren und zu stabilisieren. Diese

Selbstorganisation des Erfahrungsaustauschs in verschiedenen

technischen und kommerziellen Feldern hat der Staat als

Verwaltung seinerseits ausdrücklich gefördert, insbesondere im

Interesse der Erweiterung des Lern- und Beobachtungsraumes über

die regionalen Selbstbegrenzungen hinaus durch Anregung zur

Bildung von „Vereinen“ (TÜV, VDI etc.), in denen ein

überregionaler Erfahrungsaustausch praktiziert worden ist

(Strecke 2002; Wolf 1986). Dies gilt insbesondere für Probleme

der technischen Sicherheit (welche Druckgefäße waren als

„gefährlich“ anzusehen? Welche Bauweisen, welche Baumaterialien

waren akzeptabel?).

2. Das Rechtssystem der „Die Gesellschaft der

Organisationen“

a. Der Wandel der kognitiven Infrastruktur: Die Dynamisierung des

49

Expertenwissens

Das Ordnungsmodell der „Gesellschaft der Individuen“, das auch

Organisationen als Sonderfall des Individuums behandelt hat

(z.B. Gesellschaftsrecht als Recht der „juristischen Person“)

ist durch das Recht der „Gesellschaft der Organisationen“ einem

Remodellierungsprozess unterworfen worden. Dieser Prozess

vollzieht sich über einen längeren Zeitraum mit der

Herausbildung von großen Unternehmen der Massenproduktion, von

Verbänden, die gemeinsame Interessen an den Staat adressieren

und systematisch gesellschaftliche Konventionen reformulieren

(Standards, AGB), neue Institutionen der Risikobewältigung

entwickeln (private und öffentliche Versicherungen),

staatliches Regulierungsrecht, das auf die Fragmentierung der

gesellschaftlichen Wissensgenerierung reagiert, die großen

technischen Systeme (Elektrizität, Verkehr, Telefon etc. (dazu

Hughes 1983), und schließlich die Entwicklung einer besonderen

„Sphäre des Öffentlichen“ (Rinken 1971; Preuß 1969), der Wandel

des Staates zum Sozialstaat als „gesellschaftlichem Staat“

(Ridder 1960; kritisch Forsthoff 1971).

Darauf soll hier nur in knapper Form eingegangen werden, weil

auch dies nur die Folie sein kann, auf der der Übergang zum

Recht der „Gesellschaft der Netzwerke“ Konturen gewinnen kann.

Charakteristisch für diese neue Rechtsschicht erscheint

innerhalb des hier unterstellten Evolutionsmodells, dass das

Wissen expliziert und seine Reproduktion stärker reflektiert

sowie organisiert wird (Vec 2006). Damit verändert sich auch

die kognitive Infrastruktur des Rechts. Das heißt, neue

Strategien des Staates, die Herausbildung private

50

Organisationen und Verbände sowie korporatistische privat-

öffentliche Formen der Kooperation steigern die Möglichkeiten

innerhalb des Variationspools der Gesellschaft. Die spontane

distribuierte gesellschaftliche Erfahrung, an der eine Vielzahl

von Akteuren beteiligt ist, wird mehr und mehr infolge einer

Dynamisierung der Wissensproduktion durch das Expertenwissen

überlagert, das systematisch in Organisationen (nicht mehr

spontan in der Gesellschaft) erzeugt wird. Dabei geht es

insbesondere um ein technologisches Wissen, aber auch um das

systematische Operieren mit statistischen

„Gruppenwahrscheinlichkeiten“ (Versicherungsmodelle; dazu Ewald

1993), die systematisch reflektiert werden, und die

Verwissenschaftlichung der Arbeitsteilung. Die Veränderung der

„sozialen Epistemologie“ , die mit dem Aufstieg der

Organisation (zu Lasten der Individuen und der klassischen

modernen „culture of fact“ (B. J. Shapiro) einhergeht , führt

auch zu einem „reframing of technology“ (Mandel 2005: 117,

176): die Organisation und die gesellschaftliche Gruppe als

Träger des technologischen Wissens bringen neue Verfahren, neue

Identitätsbildungen, neue Formen der Abgrenzung und der

sekundären Kompromissformen hervor. Dies geht verloren in der

Fixierung auf den technologischen Charakter des Sachverstands

einerseits und andererseits die darauf antithetisch bezogene

Forderung nach rationaler Deliberation, die die

Eigenrationalität des organisierten Wissens ignoriert. Weder

die Technologie noch die rationale Deliberation sind von den

Bedingungen der organisierten Wissensproduktion unabhängig.

b. Der Aufstieg der „Steuerungsgesetze“

51

In der Rechtsform schlägt sich diese Transformation des Rechts

in einer Vielzahl von „Schutzgesetzen“ des Arbeitsrechts, des

Wettbewerbsrechts, des Verbraucherschutzes (Zumbansen 2000)

sowie in einer Vielzahl von „Steuerungsgesetzen“ nieder, die

früher in Unterscheidung vom allgemeinen Gesetz

„Maßnahmegesetze“ (Hofmann 1995: 260; Menger/Wehrhahn 1957)

genannt wurden. Aber wie oben am Beispiel des allgemeinen

Gesetzes gezeigt worden ist, lassen sich das Recht und eine

Infrastruktur aus kognitiven Regeln, Praktiken,

Handlungsmustern, Erwartungen etc. nicht trennen. Das

allgemeine Gesetz ist weitgehend ein Mythos gewesen: Seine

Allgemeinheit wird nicht primär auf der Ebene der expliziten

Normativität bestimmt, sondern vielmehr über den

Verweisungszusammenhang mit der „anonymen Souveränität der

Konventionen“ (Descombes 2004: 429 ff.), die in den

gesellschaftlichen Selbstorganisationsprozessen hervorgebracht

werden. Mit der Auflösung der Stabilität des Verhältnisses von

Gesetz und Erfahrung vollzieht sich der Aufstieg von

Zweckgesetzen13, der deshalb auch genauer durch den

Zusammenhang mit dem Aufstieg des organisierten und

reflektierten Expertenwissens (Vec 2006; Théry 2001)

charakterisiert werden kann. Insbesondere der Aufstieg des

technologischen Wissens und der organisierten Massenproduktion

verändert den Charakter des Rechts, dadurch entwickelt sich ein

prägnanter Bezug des Rechts auf strategische

Handlungszusammenhänge und Handlungsketten organisierter13 In Niklas Luhmanns Terminologie handelt es sich um eine Variante der „Zweckprogrammierung“ statt der „konditionalen Programmierung“ (1993: 195 ff., 198 f.), obwohl beides nicht identisch sein muss: das „Maßnahmegesetz“kann seinem Wortlaut nach auch das wenn/dann-Muster reproduzieren.

52

Akteure, die längerfristig tragfähige Handlungsmuster und

Koordinationsformen entwickeln. Im Zivilrecht lässt sich das am

Beispiel der Haftung der Produzenten belegen: Komplexe

technische Produktionsprozesse (selbst bei relativ einfachen

Produkten) sind an einem einfachen Maßstab der Fahrlässigkeit

nicht mehr sinnvoll auf die Zurechenbarkeit von z. B.

gesundheitlichen Risiken zu beobachten und zu bewerten. Nach

den üblichen Wissens- und Beweisregeln müsste beinahe jeder

Anspruch wegen Verletzung der Gesundheit durch den Gebrauch

eines Produkts an Beweisproblemen scheitern. Dies war früher

anders, weil einfache Produktionsprozesse von außen, ggf. unter

Zuhilfenahme von Sachverständigen, relativ leicht beobachtbar

waren; übrig blieben „Zufälle“ (vgl. zu diesem Grenzbegriff

Meder 1993), die keine Haftung auslösen. Unter den veränderten

Produktionsbedingungen hat sich eine Ausdifferenzierung der

Haftung entwickelt, zunächst durch die Rechtsprechung, dann

durch Gesetz (Produkthaftungsgesetz), das die Intransparenz der

organisierten und spezialisierten Produktion für die allgemeine

Erfahrung insbesondere durch Beweislastumkehr berücksichtigt

(Brüggemeier 1999: 231 ff.). Daneben hatte die Rechtsprechung

die komplexeren Informationsverarbeitungsprozesse in modernen

Produktionsverfahren z.B. durch Warnpflichten erweitert (BGHZ

116: 60 - Milupa), denen die Annahme zugrunde liegt, dass

Unternehmen systematisch strukturierte Strategien der

Wissensgenerierung entwickeln müssen, um dem

Fahrlässigkeitsmaßstab zu genügen. Das heißt: hier lässt sich

beobachten, dass die normative Komponente der Bewertung ihres

„Verkehrs“ eine reflexive Dimension enthält und Pflichten zur

Erzeugung von Informationen formuliert werden, weil angesichts

53

der Fragmentierung der Produktionsprozesse und des

Produktionswissens nicht mehr davon ausgegangen werden kann,

dass eine geteilte gemeinsame Erfahrung der Bewältigung von

Risiken entstehen kann. Es entwickelt sich eine Spaltung des

praktischen Wissens in einen dynamischen organisierten Teil und

einen Teil, der nach wie vor von der Spontaneität der

distribuierten Erfahrung bestimmt wird. (Es liegt auf der Hand,

dass ein Kleinbetrieb keine systematische Beobachtung des

Marktes im Hinblick auf Risiken des Gebrauchs der erzeugten

Produkte betreiben kann.) Im öffentlichen Recht kann vor allem

das Sozialrecht genannt werden, das für typische „soziale

Lagen“ finanziellen Leistungen u.a. „Hilfen“ gewährt und damit

stillschweigend das Konzept der Subjektivität selbst verändert

(Kingreen 2003 ; Glazer 1990; Ladeur 2007).

Eine exemplarische Variante des technologisch bestimmten

Rechtswandels der „Gesellschaft der Organisationen“ bildet das

Umweltrecht, soweit es insbesondere technologische Standards

zur Spezifizierung eines „Vorsorgekonzepts“ setzt (Stoll 2003:

71 ff.; Godard 1997). Hier hat sich ebenfalls eine strategische

Komponente durchgesetzt, die das Recht auf die systematische

Generierung neuen Wissens einstellt, da das spontan entstehende

Erfahrungswissen für die Bewältigung neuer Umweltrisiken nicht

ausreicht. Dieses organisationsbezogene reflexive Recht muss

strategisch insofern mit der Möglichkeit der Selbstrevision

rechnen, da innerhalb und zwischen Organisationen ebenfalls auf

die Entstehung von Informationen eingewirkt werden kann. Die

Verknüpfung von Recht und kognitiver Infrastruktur wird

aufgespalten: Auf der einen Seite wird über die Formel des

54

„Standes der Technik“ (der Wissenschaft) das „fortschrittliche“

Wissen rezipiert (Vieweg 1982; Knoll/Heinze 2004: 212), während

daneben im Hinblick auf die Schadensgrenze nach wie vor das

distribuierte Erfahrungswissen von ausschlaggebender Bedeutung

ist.

Vor allem das Erfordernis des Rekurses auf ein „Konzept“

(BVerwGE 69, 37, 45, 67) für die Formulierung von

Vorsorgestrategien demonstriert, dass das Recht mehr und mehr

von einer substantiellen („ergebnisrichtigen“) Rationalität auf

eine prozedurale Rationalität umgestellt wird, die explizit mit

Rückkopplungsschleifen zu privatem Sachverstand operiert und

offen auf „countering of variety with variety“ setzt (Black

2002: 1, 9).

Die gesellschaftliche Selbstorganisation von Normen wird durch

eine offene, „Gestaltungsspielräume“ für den Staat in Anspruch

nehmende öffentliche Regulierung abgelöst (vgl. nur BVerfGE 49,

89, 131).

c. Die gruppenbasierte Reflexion der Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit

durch Recht – die Beispiele des Rundfunks, des Sozialrechts und des

Planungsrechts

Eine weitere, auf die Reproduktion der politischen

Öffentlichkeit bezogene Variante dieses Rechtstyps bildet das

Rundfunkrecht, das nach dem deutschen Modell darauf abzielt,

mit den Mitteln des öffentlichen Rechts Rundfunk in einer vom

Staat bereitgestellten Form (öffentlich-rechtliche Anstalt) zu

ermöglichen, die einen von den Gruppen geprägten Raum des

Öffentlichen (wieder) herstellen soll (Hoffmann-Riem 2000: 273

55

ff.; Ladeur 2000a: 442). Das Rundfunkrecht muss eine „positive

Ordnung“ gewährleisten, die Vielfalt der Meinungen durch ein

strukturiertes Verfahren ermöglicht und nicht auf die Emergenz

eines „Marktplatzes der Meinungen“ vertrauen darf (BVerfGE 12,

205, 262 f.) – ob und wieweit dieses Modell auch heute noch

funktioniert14, ist eine berechtigte Frage, die sich aber eben

erst zu einer Zeit stellt, in der das Paradigma der

„Gesellschaft der Organisationen“ seine Leistungsfähigkeit

mindestens partiell eingebüßt hat. Sicher ist aber, dass das

Modell eine Zeitlang durchaus der Eigenrationalität des

Öffentlichen zwischen der „Privatrechtsgesellschaft“ und dem

Staat einen strukturierten Raum gegeben hat.

In Bezug auf die Rechte des Einzelnen lässt sich ebenfalls eine

wichtige Veränderung beobachten: Das Individuum wird im Recht

der „Gesellschaft der Organisationen“ (und Gruppen) in weitaus

höherem Maße als in der Vergangenheit durch eine bestimmte

Gruppenzugehörigkeit oder einen funktional zugeschriebenen

Status (Verbraucher, Arbeitnehmer, Sozialstaatsklient)

bestimmt. Dies gilt für die Stellung als Arbeitsnehmer, als

Mieter, Verbraucher, als Träger sozialer Ansprüche gegenüber

öffentlichen Versicherungen oder den Trägern der Sozialhilfe

etc. Diese Statusverhältnisse sind weitgehend durch das

Arbeitsverhältnis vermittelt oder stehen in einem

akzessorischen Verhältnis zu diesem Status (Verbraucher,

Mieter). Daneben entwickelt sich ein Recht (das in der

Vergangenheit als „Fürsorgerecht“ eher dem Polizeirecht

zuzuordnen war, weil es nicht von den subjektiven Rechten des

Einzelnen beherrscht war, sondern von der Aufrechterhaltung der14 Vgl. zur Auflösung der Öffentlichkeit und ihrer Aufmerksamkeitsbindung nur Münker 2009: 191f.; Franck 1998; weiterführend Vesting 1997; 2001: 287.

56

„öffentlichen Ordnung“ (KG Berlin ZBlJugR 1929: 336), das

Sozial- und Jugendhilferecht (Ladeur 2009b, S. 159). Diese

Rechtsmaterien gehen nicht mehr vom Universalismus des

liberalen Ordnungsmodells aus, insbesondere der self-

fulfilling prophecy der Selbsteinweisung der Individuen in die

Stelle der abstrakten, sich selbst im „Spiegel der anderen“ (A.

Smith) beobachtenden und korrigierenden Person aus. Stattdessen

werden Individuen in Abhängigkeit von insbesondere durch

Gruppenzugehörigkeit bestimmten Situationen wahrgenommen und

zum Subjekt einer, idealtypischen Gruppenstandards

entsprechenden Hilfe angesehen, ein Evolutionsschritt, der

unmerklich von den an funktionalen Erfordernissen orientierten

gesellschaftlichen Erwartungen entlastet. Solange aber die

Integrationsleistung des Normalarbeitsvertrages einerseits und

des klassischen liberalen Rechts andererseits auch in der

sekundären Modellierung durch das Recht der „Gesellschaft der

Organisationen“ erhalten bleibt, kann dieses sozial reflexive,

auf die Stellung der Personen innerhalb bestimmter

Gruppenzugehörigkeiten bezogene Recht seine Leistung erbringen.

Es wird aber noch zu zeigen sein, dass das „strategische

Recht“, das nicht mehr mit bestimmten normativen Modellannahmen

(„die Person“) sondern mit faktischen Bedingungen der Erfüllung

dieser funktionalen Anforderungen der Gesellschaften durch die

Individuen rechnet, in einen destruktiven Zirkel geraten kann,

weil damit zugleich die Voraussetzungen des Funktionierens des

Rechtssystems zum Gegenstand einer Art von „relationalem

Vertrag“ zwischen Individuum und Staat erhoben werden.

Damit wird dem Individuum nicht mehr die abstrakte

Identifikation mit „den anderen“ sondern ein strategisches

57

Verhalten gegenüber den Regeln der kollektiven Ordnung

ermöglicht oder sogar nahe gelegt, das den Zwang zur Selbst-

und Fremdbeobachtung im Spiegel der Gesellschaft unterläuft (O.

Rey 2006; Melman 2002). Zugleich wird aber auch hier ein neuer

Wissenstypus Bestandteil der kognitiven Infrastruktur der

Gesellschaft der Organisationen: Das psychologische und

sozialarbeiterische Expertenwissen, das das allgemeine

Ordnungs- und Regelwissen ergänzt, das in abgewandelter Form

über die Gruppenzugehörigkeit (als Arbeitnehmer, als

Angestellter, als Mieter etc.) internalisiert wird (Théry

2001).

Eine andere Variante des Rechts der „Gesellschaft der

Organisationen“ ist das raum- und fachbezogene Planungsrecht,

das seit den 70er Jahren eine differenzierte eigenständige

Dogmatik der Prozeduralisierung und gestaltenden Abwägung

entwickelt hat (Wahl 2006: 45 ff.; Hoppe/Bönker/Grotefeld

2009: § 5): Es ist bezogen auf die großen „Fachprojekte“, den

Flughafenbau, die Verkehrswegeplanung oder die Gestaltung

größerer differenzierter Räume, die vor allem für die räumliche

Infrastrukturentwicklung von Bedeutung sind und darauf

basieren, dass gemeinsame Interessen von Wirtschaftsunternehmen

räumlich mit anderen Interessen, Verkehr, Wohnen, Natur

koordiniert werden müssen.15 Vor allem das ältere

Bauplanungsrecht hatte sich demgegenüber sehr viel stärker an

baulichen Konventionen (Fluchtlinien, Abstandsregeln etc.)

orientiert (vgl. zur Koordination öffentlichen und privaten

Wissens im Baurecht Strecke 2002; im Technikrecht Wolf 1986). 15 Vgl. zur Evolution des Planungsrechts und seiner eigenen Rationalität Wahl 2006: 45ff.

58

d. Umstellung des Rechts von der „Rechtsschutz- auf die

Steuerungsperspektive“?

Diese Entwicklung mag als Umstellung des Rechts von der

Rechtsschutz- auf die Steuerungsperspekive (Schuppert 1993: 65;

Möllers 2008: 98; I. Augsberg 2009: 11) und insbesondere das

Verwaltungsrecht als Komplex von „Verhaltensprogrammen“

(Franzius 2006; Schuppert 1993: 65) beschrieben werden

(kritisch Lepsius 1999). Allerdings ändert dies nichts daran,

dass das alte wie das „neue Verwaltungsrecht“ (vgl. Voßkuhle

2007: S. 1; kritisch Wahl 2006: 87; insbes. zur „Abwendung von

der Text- als Hinwendung zur Entscheidungswissenschaft“

Augsberg 2009: 19f.) an die in der Gesellschaft generierten

Wissens- und Handlungsregeln anknüpfen müssen. Dieser

Verweisungszusammenhang ist nur von einer sehr viel

komplexeren Architektur der gesellschaftlichen Wissensordnung

abhängig. Was als „Steuerung“ (Voßkuhle 2007: § 1 Rnr. 22ff.,

4) bezeichnet wird, ist Ausdruck einer gesteigerten

Reflexivität der Rechtserzeugung, die ihre eigenen

Voraussetzungen sehr viel stärker durch Kooperation und

Verfahren herstellen muss und in dem Anspruch auf „Steuerung“

eine Einheit der Regel unterstellt, die durch die Pluralität

der Beteiligten und ihrer Perspektiven zu einer Projektion auf

die Anwendungsprozesse wird. In diesen wird die Regel des

„Verhaltensprogramms“ erst konkretisiert, und zwar erstens in

der Rechtsprechung nach fall- und situationsbezogenen Meta-Regeln

der Abwägung und der Prüfung der Verhältnismäßigkeit, die aus

der hierarchischen Regel der erfahrungsbasierten stabilen Norm

59

ein relationales heterarchisches Netz der Anschlusszwänge und –

möglichkeiten macht, und zweitens durch die Verwaltung selbst,

die unter dem Schutz von „Beurteilungs- und

Normkonkretisierungsspielräumen“ vor der gerichtlichen

Kontrolle ihrer „Steuerungsaufgabe“ geschützt wird (Wahl 2006:

65f.). Mehr und mehr administrative und „Gestaltungsspielräume“

werden auch von der Rechtsprechung anerkannt (vgl. nur BVerfGE

49, 89, 132ff.). Diese Praxis muss schließlich die Frage

provozieren, ob hier nicht statt von kognitiver Steuerung

(anstelle der normativen, auf stabilen Erwartungen ruhenden

Verhaltensregelung) eher von der „Herrschaft kraft Nichtwissen“

die Rede sein sollte (Holzer/May 2005: 317).

Diese Verknüpfung von Normativität und proaktiver Bindung von

Ungewissheit durch Entscheiden als Konstruktion neuer

Möglichkeiten könnte ein mögliches Feld der produktiven

Kooperation von Rechts- und Sozialwissenschaften sein. Hier

geht es um Lernen, das auf zukünftige Effekte verweist:

„steuernde“ Rechtsnormen legitimieren sich im Rekurs auf die

Zukunft, die nicht nach dem gegenwärtig verfügbaren Wissen und

den darauf basierenden Kontinuitätserwartungen bewertet werden

können. Wenn Lernen möglich erscheint, kann sich eine

rechtliche Regulierung dadurch legitimieren, dass sie mehr

Möglichkeiten eröffnet, die einstweilen nicht abschätzbar sind

und erst in der Zukunft aufgrund neuen Wissens

operationalisierbar erscheinen (Listokin 2009: 480, 492, 499).

Deshalb ist die vielfach mit dem Vorsorgeprinzip verknüpfte

„Fehlerfreundlichkeit“ des Entscheidens (Schimank 2005: 298f.

m. w. N.) entgegen dem ersten Anschein durchaus ambivalent: Sie

kann auch gegen das „Neue“ gewendet werden, das eben mehr

60

Möglichkeiten eröffnet, die keineswegs alle offengehalten

werden können.

Erst in der jüngsten Zeit wird dieser Prozess in einer weiteren

Drehung der Selbstreferenz auch explizit im Rekurs auf das

Konzept der „Governance“ auch offen als Prozess konzipiert, in

dem Regelproduktion und Regelanwendung so miteinander

verschleift sind, dass Subjekt und Objekt der Steuerung nicht

mehr klar unterschieden werden (Mayntz 2008: 43;

Trute/Kühlers/Pilniok 2007: 240, 245; 2008: 173; Zumbansen

2007: 191). Vor allem angesichts der multiplen Verknüpfungen

unterschiedlicher faktischer und normativer Regeln,

Wahrscheinlichkeitsannahmen und Wissensbestände lässt sich der

Prozess der Rechtsbildung eher als komplexer Prozess eines

„management of rules“ beschreiben (Ladeur/Augsberg 2005: 143;

vgl. auch zur Verteidigung der eigenen Rationalität gegen

„Übergriffe“ anderer Systeme, Fischer-Lescano/Christensen 2005:

213), in dem es darum geht, funktionale Äquivalente zu

tradierten Funktionen des Rechts zu suchen und zu erproben, und

das Paradigma der „Einheit der Rechtsordnung“ (Felix 1998) auf

eine differentielle Relationierung von Experimenten und deren

Beobachtung nach prozeduralen Meta-Regeln umzustellen (Fischer-

Lescano/Christensen,2007; I. Augsberg 2009: 183).16

3. Das Rechtssystem der „Gesellschaft der Netzwerke“

a. Die neue Transformation der Wissensordnung

16 Ob diese Entwicklung allerdings als Instrumentalisierung des Rechts durchandere Systemrationalitäten charakterisiert werden kann, erscheint zweifelhaft (vgl. aber Teubner 2008; auch schon 2003).

61

Der Begriff des „Netzwerks“ wird auch von Niklas Luhmann

mehrfach in Bezug genommen. Ausdrücklich werden „Netzwerke“

genannt, die man als dysfunktional bezeichnen könnte, die also

die Zwänge der Ausdifferenzierung durch Phänomene der

Korruption i. w. S. unterlaufen (Luhmann 1997: 806, 810 f.). An

anderer Stelle werden sie als Äquivalente für organisationale

Erzeugung von Vertrauen oder als Formen der Verknüpfung

zwischen Organisationen oder genannt (Behörden/politische

Parteien, 2000: 408). In der „Sachdimension“ (jenseits des

Vertrauens) wird für rechtliches Entscheiden auch von einem

„Gewebe“ von Entscheidungsgesichtspunkten gesprochen (1993:

367; Augsberg 2007: 479). Auch dies ließe sich als „Netzwerk“

lesen, das eine Vielzahl von Anknüpfungsgesichtspunkten

mitführt. 17

Hier soll ein anderer Akzent gesetzt werden, ohne dass damit

diese Variante der Vernetzung als dauerhafte Begleiterscheinung

der Ausdifferenzierung von Systemen verworfen würde: Vielmehr

soll hier eine postmoderne Variante der Bildung hybrider

Netzwerke akzentuiert werden, die man als tertiäre

Remodellierung der Wissenserzeugung und ihrer rechtlichen

Beobachtung bezeichnen könnte. Sie sind durch die Tendenz zur

Überschreitung von Grenzen durch heterarchische Verknüpfungen

charakterisiert (zwischen Markt und Organisation), die

Beseitigung hierarchischer Ordnung (Telekommunikation, Noam17 Vgl. dazu auch Stichweh 2008: 329, 340, wo der Netzwerkbegriff ebenfalls sehr weit gefasst wird, andererseits aber die „Heterogenität der Netzwerkknoten“ akzentuiert wird, die über verschiedene „Relationierungsmuster“ lose oder fest verknüpft sind und als eine Art Residualgröße zur Generierung von Innovationen fungieren. Auch dieser Netzwerkbegriff bleibt aber letztlich sehr allgemein, wenngleich die auch an anderer Stelle betonte „Diversität“ der Optionsräume als Widerlager gegen das Einrasten in bestimmte sich selbst verstärkende Entwicklungstrajektorien sich auch in Netzwerken lokalisiert wird.

62

2001; Shapiro/Varian1998) oder die Aufhebung vertraglich

fixierter Rollen („Netzverträge“).

Der Evolutionsschritt zum Recht der „Gesellschaft der

Netzwerke“ in dem hier verstandenen Sinn lässt sich dadurch

charakterisieren, dass die traditionellen Grenzbegriffe des

Rechts und ihre Remodellierung durch das Recht der

„Gesellschaft der Organisationen“ an Unterscheidungskraft

einbüßen. Vor allem der Aufstieg von Information und Wissen zur

zentralen wirtschaftlichen Ressource verändert auch das

orientierungs- und ordnungsbildende Modell des Eigentums. Das

Sacheigentum wird zum Grenzfall des Eigentums, während das

„geistige Eigentum“ mit seiner großen Flexibilität für die

Bestimmung von Ausschluss- und Zuordnungseffekten des Eigentums

das Paradigma des Eigentums insgesamt wird (Ladeur/Vesting

2008). Dieses ist von vornherein auf den Zugang durch andere

angelegt (Rifkin 2000). Der Ausschlusseffekt des Eigentums

(Verfügungsrecht des Eigentümers) ist eher Bedingung der

Möglichkeit der Erfüllung und Dimensionierung des Zugangs für

andere geworden. Auch das „geistige Eigentum“ selbst wird durch

den mit dem Aufstieg des Wissens einhergehenden Funktionswandel

des Eigentums umgestaltet, da die Vielzahl der

Verknüpfungsmöglichkeiten selbst nach neuen Formen des

Managements von Wissen verlangen. Das „geistige Eigentum“ hat

seine Substanz immer weniger in abgrenzbaren und an

„Eigentümer“ zurechenbaren Verfahren und „Objekten“, es wird

vielmehr immer stärker fragmentiert in einzelne

Verfahrenselemente, die durch eine Kombinatorik in einem

Produktionsprozess erst Sinn erhalten: Für einen bestimmten

Fertigungsprozess benötigt man nicht mehr ein Patent für einen

63

bestimmten Gegenstand (ein in ein Auto eingebautes Teil)

sondern eine Vielzahl von Patenten, die an multifunktionalen

Komponenten bestehen und die unterschiedliche

Anschlussmöglichkeiten in Produktionsprozessen definieren

(Heller/Eisenberg 1998: 698). Besonders deutlich ist dies in

der Bio- und Computertechnologie, wo die Grenze zur

(ausgeschlossener) Patentierbarkeit von technologischen „Ideen“

und „Sprachformen“ fließend wird: Im Bereich der

Hochtechnologie wird es immer schwieriger, abzuschätzen, ob und

wie weit ein Patent legitimerweise Innovation schützt und wie

weit es Innovationen durch Dritte blockieren kann. Das heißt

die Grenze zwischen allgemeinem, nicht privat aneignungsfähigem

Wissen, das allenfalls gegen bestimmte Formen der Nachahmung

(„sklavische Nachahmung“) durch Wettbewerbsrecht geschützt ist

(Enstaler 2009: 278), und besonderem für Einzelne in Gestalt

von Patenten, Urheberrechten aneignungsfähigem Wissen verliert

ihre Konturen. Diese Trennung von allgemeinem und besonderem

Wissen, das für die Evolution des Rechts und seiner kognitiven

Infrastruktur von besonderer Bedeutung gewesen ist, führt auch

zur Herausbildung neuer Formen der hybriden Kombination von

Wissenskomponenten in der Entwicklung hochtechnologischer

Produkte: Während in der Vergangenheit das allgemeine Wissen

frei verfügbar war und in der Form der Erfahrungsbildung oder

des allgemeinen technischen Wissens ohne Verstoß gegen das

„geistige Eigentum“ nutzbar war und patentiertes „besonderes“

Wissen davon getrennt blieb, lässt sich die hierarchische

Stufung von Wissenstypen in den neuen Technologien nicht mehr

ohne weiteres beobachten (Ladeur/Vesting 2008).

Anwendungsorientierte Wissenschaft und Technologien werden

64

immer schneller in der Produktentwicklung miteinander

kombiniert. Dies führt zur Entwicklung neuer projektartiger

Verknüpfungen zwischen Produktionsprozessen, die wiederum auf

die Formen der Wissensentwicklung zurückwirken. Außerdem wird

die Verknüpfbarkeit von Wissen durch Computerisierung

erleichtert, auch dadurch werden bisherige rechtlich

abgestützte Grenzen (des Zugriffs auf Wissen) durch neue

hybride Verknüpfungsmodelle überwunden. Es bilden sich neue

„Kontroll-Regimes“ heraus (White 2008: 220 ff.), die Wissen

anders strukturieren und nutzen als dies mit herkömmlichen

Patenten denkbar war. Auch für den Bereich des öffentlichen

Entscheidens hat dies weitreichende Konsequenzen: „La

multiplication des autorités accompagne la fragmentation des

savoirs particuliers“ (Guéhenno 1999: 112).

b. Das „verflüssigte“ Individuum

Dem entspricht auch ein Paradigma der personalen

„Identitätsbildung“ in der sich entfaltenden „Gesellschaft der

Netzwerke“. Das Individuum der „Gesellschaft der Netzwerke“

muss sozusagen aktiv „Selbstmanagement“ betreiben (Ehrenberg

1999; Groys 2008: 7 ff.), es muss sich selbst nach wechselnden

Voraussetzungen und mit unterschiedlichen Versatzstücken

„sampeln“ und „ausprobieren“ (Bonz 2007: 243, 250). Während die

„Gesellschaft der Individuen“ relativ dauerhafte Formen der

Individualität hervorgebracht hat, ist die Gesellschaft der

Organisationen von standardisierten massenhaften

Gruppenidentitäten geprägt. Demgegenüber ist das Individuum der

„Gesellschaft der Netzwerke“ ein volatiles, von schnell

65

wechselnden Konstellationen bestimmtes „hybrides Projekt“, das

von sich von den „Möglichkeiten der Assoziation und

Kombination“ leiten lässt (Reckwitz 2008173; Melman 2002: 115;

zu dem sich daraus ergebenden Wandel des (Rechts-)Textes, der

selbst damit zum „Textlabyrinth“ mit einer offenen relationalen

(und nicht mehr auf Einheit und Systematik angelegten)

Rationalität wird (Augsberg 2009: 134ff., 183). Damit geht der

Aufstieg neuer ihrerseits „hybrider“ Rechte auf „Anerkennung“

von Identitätsbedürfnissen einher (Recht auf Datenschutz,

Persönlichkeitsrechte etc.), die gerade wegen ihres reflexiven

Charakters als Rechte auf Selbstbestimmung schwer einzugrenzen

sind. Sie haben anders als die früheren Rechte ihren Gegenstand

nicht mehr in einem auf das Handlungspotential des Individuums

eindeutig beziehbaren Gegenstand, sondern sind darauf angelegt,

dem Individuum konturlose Ansprüche auf Abstimmung von

Interessen und Rechten nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip

zuzuweisen. Die Individuen werden ihrerseits selbst zu „Texten“

umgepolt, die sich (Münker 2009: 162ff.; I. Augsberg 2009:

135 f.) eher als Prozess variabler Verknüpfungen innerhalb

eines „Textlabyrinths“ (re-)kombinieren und fortschreiben (vgl.

auch Christensen/Lerch 2005: 55; I. Augsberg 2009: 135) und

dadurch die „Medialität der Sprache“ zur Geltung bringen, die

die Vorstellung der Einheit der Person unterläuft (Krämer 2002:

323, 332; I. Augsberg 2009: 139).

In den neuen „social media“, Plattformen und elektronischen

Märkten des Internet bilden sich neue, wiederum als hybrid zu

bezeichnende Beziehungsnetzwerke (Zarsky 2008: 741) vermittelt

über „Avatare“ heraus, die Elemente individueller und

Massenkommunikation miteinander kombinieren (Cardon 2008: 96,

66

102; Taipale 2003: 1; 2004: 190f. für die staatliche

Sicherheitspolitik). Dies wirft wiederum neue Fragen nach den

Grenzen der grenzenlosen Kommunikation auf, die kaum noch

stabil ex ante zu bestimmen sind. Die Konturen eines neuen

Rechtstyps (Grimmelmann 2009: 1137), der auf die Bewältigung

der Hybridisierung von privater und öffentlicher Kommunikation

in Netzwerken eingestellt wäre, sind noch kaum zu erkennen

(Ladeur 2009). Sicher ist nur, dass das begriffslose „Abwägen“

von fallbezogenen Interessen dem tiefgreifenden Wandel des

Rechts in Netzwerken nicht gerecht werden kann.

Der Wandel des Rechts der „Gesellschaft der Netzwerke“ hat auch

weit reichende Rückwirkungen auf die Methoden der

Rechtskonstruktion und –anwendung. Während die Methoden des

liberalen Rechts vom Blick auf das Gesetz und vom Willen zur

Interpretation des Gesetzes bestimmt waren, entwickelt sich in

der „Gesellschaft der Organisationen“ die Methode der

„Konkretisierung“ des Rechts an Interessentenkonstellationen und

variablen Gerechtigkeitsüberlegungen (Esser 1972; Müller 1966;

Hesse 1995: 25 f.). Demgegenüber ist das Recht der

„Gesellschaft der Netzwerke“ von einem Aufstieg der Abwägung

von Fall zu Fall bestimmt (vgl. etwa BVerfGE 101: 361, 392;

Alexy 1996: 83, 516; ; kritisch Jaume 2000: 343, 353f.). Das

Gesetz tritt in den Hintergrund, das Verlangen nach Anerkennung

von variablen Identitätsansprüchen und das gesteigerte

Bedürfnis nach „Gerechtigkeit“ (vgl. die Beiträge in Teubner

2008) führen zum Aufstieg des „Verhältnismäßigkeitsprinzips“,

das sich an der Abstimmung offener Rechte und Interessen in

unterschiedlichen Fallkonstellationen orientiert.18 Stattdessen18 Vielfach wird die Ausbreitung des Verhältnismäßigkeitsprinzips – als deutscher „legal transplant“ auch in das Europarecht (...) – nur als

67

käme käme es darauf an, die kreative Dimension des Rechts in

der Zeit und die nicht hintergehbare Emergenz neuer Spannungen

und Kollisionen in Anschlag zu bringen (Lefebvre 2008: 113;

Fischer-Lescano 2008) und den Wechsel zwischen Öffnung und

Schließung des Rechtssystems im Angesicht des Wandels –

politikwissenschaftlich wie rechtstheoretisch - zu beobachten.

„With every new judgment the law grows and expands, and over

time it locally constructs a plane of immanence with ever more

parts able to be actualized in ever more judgments. ...The

judge, therefore is at the border between two kinds of

movements, simultaneously enacting a closed, spatial

displacement of parts and expressing a creative, open whole“

(Lefebvre 2008: 254). Daran geht ein Konzept der

„argumentativen Rationalität“ vorbei, das die intersubjektive

Koordination auf die Verständigung über gemeinsame (geteilte)

Werte zurückführt (Habermas, 1992, S. 138ff, 349ff., 492ff.;

für „Anwendungsdiskurse“ Günther 1988) und die Emergenz von

Werten und Regeln aus der Interaktion – und damit die

Untrennbarkeit von argumentativer und strategischer

Rationalität - vernachlässigt (Reynaud/Richebé 2009, 12). Hier

ließe sich weiter die These formulieren, die ebenfalls

Anschlüsse an die politikwissenschaftliche Beobachtung des

Rechts eröffnet, dass die Normen nicht nur mehr oder weniger

unvollständig sind, bevor sie angewendet werden, sondern sie

grundsätzlich keine unmittelbaren Zugang zur Praxis

Abweichung von einem älteren Modell der politischen Entscheidung und der demokratischen Gesetzgebung gesehen (Böckenförde 2003: 187, 190 – mehr unter Betonung der politischen Entscheidung; Maus 2006: 117 – eher unter dem Aspekt des Verlusts an demokratischer Selbstbestimmung) -, aber die interne Rationalität der Selbstveränderung des postmodernen relationalen Rechts nicht in den Blick genommen.

68

ermöglichen, diese vielmehr selbst ihr eigenes „Recht“ aus der

Kontingenz der Fälle erzeugt (Walsh 1997: 66).19

Auf diesem Hintergrund lässt sich eine Brücke schlagen zu der

Beschleunigung und Vervielfältigung der Öffnungsprozesse, die

sich in infolge der Globalisierung vollziehen – sie erlauben

auch im Rückblick die Bestätigung der Beobachtung, dass die

Pluralisierung des Rechts sich auch innerhalb des scheinbar

geschlosssenen Rechtssystems des Nationalstaats zur Geltung

gebracht hat.

Mit dem beschriebenen Aufstieg eines unstrukturierter Rechte

auf „Anerkennung“ geht auch ein Verfall der einheitsbildenden

Formen der „Öffentlichkeit“ einher. Es entstehen neue „Rechte“

auf Aneignung von Versatzstücken aus dem Leben „Prominenter“

und umgekehrt auf Schutz von Prominenz als „Eigentum“ (Ladeur

2007b). Auch diese Veränderung des Rechts ist ein potentieller

Damit ist zunächst ein allgemeiner Rahmen gesteckt, innerhalb

dessen das Recht der „Gesellschaft der Netzwerke“ sich

beschreiben lässt.

c. Paradigmenwechsel im Vertragsrecht: Der Aufstieg der „Netzverträge“

Ein Beispiel für das Wirtschaftsrecht der Gesellschaft der

Netzwerke bilden die explizit sogenannten Netzverträge (Teubner

19 In rechts- und politiktheoretischer Perspektive ließe sich wiederum die These anschließen, dass auch die Reduktion des Rechts auf rationale Begründung im intersubjektiven Diskurs die Nichthintergehbarkeit der Konstitution der Subjekte durch die notwendigerweise plurale, differentielle, auf Selbsttransformation durch „transsubjektive“ Effekte jenseits der Kommunikation und des Konsenses unterschätzt und damit das Verhältnis des Selbst zu sich als einem anderen jenseits einer stabilen Identität ausblendet; vgl. dazu Haysom 2009: 649, 656f.).

69

2004: 109 f.), ein Vertragstyp, der eine hybride Form zwischen

Austauschvertrag und Organisation durch Gesellschaftsvertrag

(i.w.S.) hervorbringt: Solche Netzwerke werden z.B. im

Verhältnis zwischen Franchisegebern und –nehmern oder

Vertragshändlernetzen und Automobilherstellern beobachtet. (Ein

ähnliches Phänomen zeigt sich auch in der seit längerem zu

beobachtenden Expansion der (Grund-)Rechte, die zu weiteren

Kollisionen führen und damit die „Abwägung“ als Form des

Ausgleichs nahezulegen scheinen. Was ist das Neue daran? Nach

außen treten die Beteiligten unter einer Marke auf, nach innen

handelt es sich aber nicht um eine einheitliche Gesellschaft

oder eine andere Form der Organisationsbildung, die im

Unterschied zum Austauschvertrag hierarchische

Weisungsverhältnisse vorsieht. Es fragt sich in einer solchen

Konstellation, ob und welche Elemente aus dem Bereich des

Gesellschaftsrechts und des Rechts des Austauschvertrages zu

einem atypischen Vertrag zusammengefasst werden können (dies

wäre für sich genommen alles andere als ungewöhnlich),

innerhalb deren je nach Konstellation das eine oder das andere

Element formbildend würde. Nach G. Teubner u.a. zeichnen sich –

die Konstruktion ist umstritten – Netzverträge dadurch aus,

dass sie wiederum hybride, eben Netzeffekte erzeugen, die

zwischen den einzelnen Vertragsbeteiligten entstehen, also z.B.

im Falle der Vertragshändler von Automobilherstellern. Ob diese

auch untereinander ggf. Rechte auf Schadensersatz haben, wenn

ein überwirkender Schaden bei einem Netzwerkunternehmen auf der

gleichen Hierarchieebene entsteht, ist streitig. Einen

„gemeinsamen Zweck“ gibt es grundsätzlich nur innerhalb des

Gesellschaftsverhältnisses, deshalb ist hier die Frage zu

70

stellen, ob es so etwas wie einen „Netzzweck“ geben kann, der

Pflichten innerhalb des Netzwerks erzeugen kann. Die

Konstruktion ist insgesamt umstritten, da bisher nur in den

klassischen Grenzbegriffen gedacht worden ist. Sie ist aber –

in rechtstheoretischer Perspektive gesehen – ein Beispiel

dafür, was als Netzwerkeffekt charakterisiert werden kann.

Insbesondere im Falle des Franchising zeigt sich auch die

Bedeutung der „Information“ (i. w. S.), das heißt hier der Wert

einer Marke: der Franchisegeber teilt dem Franchisenehmer

zwangsläufig viel Informationen mit, die früher als

Geschäftsgeheimnis zurückgehalten worden wären, heute aber

gegenüber dem Wert der Marke von weitaus geringerem Wert sind.

Die Imitationen der Produkte als solche, z. B. von McDonald’s,

ohne die Marke „McDonald’s“ wird auf dem Markt keine allzu

großen Erfolgsaussichten haben.

Ein weiteres Beispiel für Netzwerkeffekte im Zivilrecht bilden

die „Qualitätssicherungsverträge“ (Ensthaler u. a. 1996), in

denen Zulieferer und zum Beispiel Automobilhersteller

detaillierte Vereinbarungen treffen, die die Qualität der zu

liefernden Teile betreffen. Hier stellte sich früher für den

Hersteller die Alternative zwischen dem Abschluss eines

Austauschvertrages (Kaufvertrag über die zu liefernden Teile)

und der Integration des Zulieferers als Tochtergesellschaft in

den Konzern (dann haben die Beziehungen zwischen Mutter- und

Tochtergesellschaft keinen rechtlichen Charakter mehr, sondern

den Charakter von Weisungen). Beim Austauschvertrag wird eine

bestimmte Qualität der zu liefernden Teile vereinbart, während

die Gestaltung des Produkts selbst Sache des Produzenten

bleibt. Der Qualitätssicherungsvertrag ist eine für die

71

„Gesellschaft der Netzwerke“ charakteristische hybride Form,

die es dem Abnehmer erlaubt, bis ins Detail der Produktlinien

ausführliche Festlegungen zu treffen, ohne aber das

Unternehmerrisiko insgesamt zu übernehmen. Dies ist eine

charakteristische Form des Vertrages in der „Gesellschaft der

Netzwerke“. Sie ist auch eine Variante, die erst durch

Computerisierung der Informationsverarbeitung ermöglicht worden

ist: die für den Qualitätssicherungsvertrag typische tiefe

Koordination der Produktions- und Informationsprozesse zwischen

Zulieferbetrieb und Abnehmer ist nur möglich, wenn die

Informationsverarbeitungsvorgänge computerisiert werden und

deshalb ein detailliertes „Kontrollregime“ ermöglichen.

Ein weiteres Beispiel für einen Netzvertrag sei nur kurz

skizziert, nämlich der Filmvertrag (Caves 2003: 73;

DeFillipi/Arthur 1998: 186), wie er sich in Hollywood

entwickelt und verbreitet hat. In der Filmproduktion ist

(ähnlich übrigens wie bei Abschluss von High Tech-Verträgen

etwa in Silicon Valley (Patton/Kenney 2003) die Unterscheidung

zwischen einer Produktionsfirma und Angestellten und

selbständigen Kooperationspartnern immer weniger möglich: die

beteiligten Produktionseinheiten werden vielfach nur für den

einen Film gebildet und genutzt. Nach der Beendigung des

Projekts lösen sie sich wieder auf, um für das nächste Projekt

möglicherweise in einer neuen Form wieder „gesampelt“ zu

werden. Ähnliches gilt für die Rolle der Filmschauspieler: die

großen Stars sind mehr und mehr mit einer hohen Beteiligung am

Erfolg ausgestattet, während weniger bekannte Schauspieler nur

einen winzigen Bruchteil dieses Honorars als Lohn erhalten,

ohne aber Arbeitnehmer i. e. S. sein zu können (Goldberg 2005).

72

Diese Grenzen aufhebende Funktionsvermischung ist auch für die

Vertragsgestaltung in High Tech-Unternehmen charakteristisch:

eine eindeutige Trennung zwischen den „Stellen“ des

Arbeitgebers und des Arbeitnehmers ist kaum mehr möglich. Das

einzelne Projekt aggregiert bestimmte Leistungen auf der

Grundlage von vagen Vereinbarungen, die erst prozesshaft

konkretisiert und vor allem am Ergebnis orientiert sind. Für

die rechtliche Zuordnung des Produkts, das am Ende der

Kooperation steht, gilt Ähnliches: auch hier gibt es vielfach

keine klare Vereinbarung von Regeln darüber, wer zum Beispiel

Inhaber eines Patents wird oder wie die in einem gemeinsamen

Wissenspool generierten Informationen genutzt werden dürfen.

Die offene und flexible Orientierung an der Herstellung eines

„Produkts“ strukturiert die Kooperation und kompensiert die

Unsicherheit des rechtlichen Ordnungsrahmens und insbesondere

die Unberechenbarkeit der Relationierungen in heterarchischen

Netzwerken (vgl. Baecker 2006: 128).20 Es entstehen immer mehr

„epistemic communities“, die eigene Zwecke jenseits der

tradierten Austauschverhältnisse formulieren und verfolgen

(Cohendet/Llerena 2003). Daran lässt sich möglicherweise eine

Vermutung zur Entwicklung der destruktiven Dynamik der

Unsicherheit der Relationierung von Eigentümern, Managern und

„Arbeitnehmern“ in Investmentbanken anschließen: Bei manchen

Unternehmen lagen die „Bonus-Zahlungen“ an die „Arbeitnehmer“

in den Jahren vor dem Ausbruch der Krise höher als der

Gesamtwert des Unternehmens im Jahre 2008. D. h. es ließe sich

die Hypothese wagen, dass die Investmentbanker sich als „Lohn“20 Die dynamische, unberechenbare Seite des „Netzwerks“ wird mit Recht von Dirk Baecker betont (2006a: 128) – dies kann aber nur für die neuen „postmodernen“ Netzwerke gelten; vgl. auch zur internen Veränderung von Unternehmen durch den Einsatz von Informationstechnologien Foray 2004: 113.

73

für ihre „Arbeit“ (Bonus) einen großen Teil des „Gewinns“

ausgezahlt haben, der – wenn überhaupt - erst sehr viel später

realisiert werden konnte. Das Risiko lag deshalb ganz bei den

Eigentümern. Dies ließe sich als ein Fall des „Netzversagens“

beschreiben: die Volatilität des Wertes von „Finanzprodukten“,

die Diskrepanz der Zeiten der „Investition“ und des Ertrages

und deren Verknüpfung mit einer Vielzahl von sich überlagernden

Kausalitäten, sind in den nicht „netzwerkgerechten“ Verträgen

nicht angemessen verarbeitet worden (The Economist v.

7.2.2009). Umgekehrt wird man davon ausgehen müssen, dass das

Versagen eines solchen Netzwerks nur in sehr engen Grenzen zur

Haftung (wegen unterlassener Information über Risiken) für

einzelne Beteiligte führen wird, weil das Recht ein solches

distribuiertes Risiko nicht bewältigen kann.21

4. Zwischenresümee: Die Verflüssigung der Grenzbegriffe

In einem Zwischenschritt lässt sich festhalten, dass ein neues

Zivilrecht der Netzwerke entsteht, das vor allem durch die

Aufhebung der Grenzen zwischen außen und innen, Austausch- und

Gesellschaftsvertrag, Arbeits- und Werkvertrag, Selbständigkeit

und Unselbständigkeit bestimmt wird. Grundlage ist der Aufstieg

der „Information“, des Wissens als Produktionsressource. (vgl.

zur Auswirkung auf die Konstruktion des Eigentums

Ladeur/Vesting 2008: 123). Er ermöglicht sehr viel flexiblere

und komplexere Rechtsformen, die früher nicht denkbar gewesen

sind. Die Verfügung über Sacheigentum und die scharfe Trennung

21 Vgl. zum amerikanischen Recht Grundfest (2007) und (restriktiv) US Supreme Court zur „Mittäterhaftung“ („scheme liability“) bei komplexen Bankgeschäften, 552 US ___ (2008) – vom 15.1.2008, noch unveröffentlicht.

74

von Weisungs- und Ausführungsfunktionen sind im Angesicht der

flexiblen projektartigen Kombinatorik von Wissen und

Information dysfunktional für projektartige Produktionsprozesse

geworden. Den neuen flexiblen Produktionsformen entsprechen

flexible und komplexe Rechtsformen, die durch den

computerisierten Austausch von Informationen erleichtert

werden, mehr und mehr auch die Produktion von „Information“ (i.

w. S.) selbst zum Gegenstand haben (Filmvertrag). Sie können

als paradigmatisch für Netzverträge auch über diesen Bereich

hinaus gelten. Hier tritt die Abstimmung der Erwartungen

zwischen als getrennt unterstellten Personen und ihren Rechten

(Eigentümer, Leistungsverpflichteter, Leistungsberechtigter

etc.) zurück hinter eine - wie man mit N. Luhmann (1975: 51;

1993: 91 ff.) sagen könnte – kognitive Form der Koordination,

während die, normative Erwartungen ermöglichende Funktion sich

eher in der Vereinbarung allgemeiner Ziele und Vereinbarungen

über die Verteilung von Erträgen manifestiert. Hier besteht

eine Ähnlichkeit zum Gesellschaftsvertrag, der sich aber

ausdrücklich durch einen „gemeinsamen Zweck“ der Beteiligten von

den Netzverträgen und ihren hybriden einzelnen Bestandteilen

unterscheidet.

Es zeigt sich auch hier, dass die Funktion der Gewährleistung

von Erwartungssicherheit durch Recht auch schon für die

liberale Gesellschaft nicht überschätzt werden darf. Es ist

oben angemerkt worden, dass der Austauschvertrag nur dann seine

Funktion erfüllen kann, wenn er in einer verlässlichen

Infrastruktur der kognitiven und praktischen Regeln (die die

Qualität von Produkten oder die Berechenbarkeit des Verhaltens

von Personen betreffen) eine Abstützung findet. Die

75

Abhängigkeit des Rechts von dieser kognitiven Infrastruktur

wird unter den veränderten Bedingungen der Gesellschaft der

Netzwerke nur umso deutlicher. In der Gesellschaft der

Individuen ist die Infrastruktur in der Verlässlichkeit

allgemeiner Erfahrungsregeln (in der Sachdimension) und der

Bereitschaft zur Selbstbeobachtung im (allgemeinen) „Spiegel

der anderen“ (in der personalen Dimension) verankert. In der

„Gesellschaft der Netzwerke“ stellt sich diese Verknüpfung der

allgemeinen Möglichkeiten der Erwartungsbildung und eines

besonderen Vertrages in einer projektartigen komplexeren

Version her: das Netzwerk der Beteiligungen schafft seinerseits

eine allgemeine Bindungsbereitschaft, die zugleich eng mit dem

jeweiligen „Projekt“ verknüpft ist. Allgemeine Voraussetzung

und besonderer „Vertragsgegenstand“ können jedoch, anders als

bei einem klassischen Austauschvertrag, nicht stabil

voneinander getrennt werden. Dies ist die für das Recht der

Netzwerke charakteristische hybride Verschleifung von

Allgemeinem und Besonderem im Vertrag selbst. Vertragsrecht

funktioniert nach dem alten wie nach dem neuen Recht nicht ohne

Vertrauen. Das Maß an rechtlich institutionalisierten Bindungen und

Berechenbarkeit, das für die Wirtschaft erforderlich ist, darf

aber nicht überschätzt werden. Solange damit gerechnet werden

kann, dass die Mehrzahl der Projektpartner „kooperativ“ ist,

kann man mit der Unberechenbarkeit einer richterlichen

Entscheidung im Konfliktfall bei den hier skizzierten

atypischen Verträgen oder Vertragsgegenständen gut leben.

V. Die Frage nach der Stellung des Staates in der

globalisierten Rechtsordnung

76

1. Die EG als Staatenverbund und das Erfordernis eines

„Kollisionsrechts“ neuer Art

Die Besonderheit der Konstruktion eines „Staatenverbundes“ der

EG (BVerfGE 89, 155 – Maastricht) ist davon geprägt, dass es

ganz unterschiedliche Arten der Kollision von nationalem und

supranationalem Recht gibt und dafür auch keine allgemeine

Ausgleichsformel, wie der Rekurs auf die Einheit der

Rechtsordnung oder die Integrationsleistung einer Verfassung

wie im Bundesstaat zur Verfügung steht. Diese Konstellation

tritt etwa dann zutage, wenn europäisches Wettbewerbsrecht mit

nationalem Rundfunkverfassungsrecht zusammentrifft (Ladeur

2000, 965). Dieser Konflikt kann zwar auch auf der nationalen

Ebene im Bundesstaat auftreten, aber die Kompetenzverteilung

der nationalen Ebene etwa in Deutschland geht von der

Abgrenzung von Gegenständen des kompetenziellen Handelns aus,

während in der EG weithin die Kompetenzen von den Zielen des

Binnenmarktes bestimmt werden und dann sich die Frage stellt,

ob Organisation und Handeln z. B. von Rundfunkveranstaltern

als/wie wirtschaftliches Handeln bewertet und reguliert werden

kann. C. Joerges (1997, 374) und C. Schmid (2000: 155) haben

für solche Kollisionen die Bezeichnung „diagonal“

vorgeschlagen. Die Formel bringt eine Besonderheit von

Rechtskollisionen in der Europäischen Gemeinschaft treffend zum

Ausdruck. Hier kann weder das klassische internationale

Privatrecht oder die Kollisionsordnung des Verwaltungsrechts

bei territorial bestimmten „horizontalen“ Kollisionen und damit

eine Logik der Verweisungen zum Zuge kommen, noch passen die

Vorrangregeln der für das Bundesrecht (im Bundesstaat nach Art.

77

31 GG) und der EG selbst bei „vertikalen“ Kollisionen. Es

bedarf hier vielmehr neuer, allerdings ebenfalls

kollisionsrechtlich zu konzipierender Regeln der

wechselseitigen Abstimmung und Kooperation, die von einzelnen

Problemen und nicht von stabilen Abgrenzungen bestimmt sein

müssen.22 Diese Einordnung des beschriebenen Konflikttypus als

„diagonale“ Kollision erweist sich auch bei der dogmatischen

Konturierung der Grenzen der Bestandskraft von Verwaltungsakten

im europäisierten Verwaltungsrecht als anschlussfähig: auch

hier kommt es zu einer begrenzten Überlappung von allgemeinem

nationalen Verwaltungsrecht und besonderem Europäischen

Verwaltungsrecht, ohne dass dieses Problem mit einer einfachen

Vorrangregelung zu lösen wäre. Die Pflicht zur Gewährleistung

des „effet utile“ wird – zu recht – aus dem Kooperationsprinzip

(Art. 10 EGV) abgeleitet (Oppermann: 2005, Rn. 243).

Es hat seinen Gegenstand nicht in einer rein instrumentellen

Pflicht zur effektiven Durchsetzung der Gebote des besonderen

europäischen Verwaltungsrechts mithilfe des nationalen

allgemeinen Verwaltungsrechts und seiner Formen und Verfahren,

sondern es zielt – richtig verstanden – darauf, die allgemeinen

Rechtsformen des Zivilrechts und des Verwaltungsrechts

(möglicherweise auch des Strafrechts in Zukunft) durchlässig zu

machen für die Wahrnehmung der Besonderheiten einer

multipolaren Rechtsordnung, die bei der Anwendung und

Weiterentwicklung von Instituten des allgemeinen

Verwaltungsrechts die Wahrnehmung der Interessen der EG und

anderer Mitgliedstaaten oder von Bürgern dieser Staaten bei der

22 Daran ist allerdings das traditionelle Kollisionsrecht sowohl des öffentlichen als auch des Privatrechts orientiert, vgl. Ohler 2005; zum Privatrecht Michaels 2006: 195, 211; Wai 2005: 471, 472; Joerges 2007: 717.

78

Interpretation des „öffentlichen Interesses“ nicht ignorieren

darf. Eine Kooperationserwartung besteht allerdings auch in

umgekehrter Richtung, dies ist dem „diagonalen“ Charakter der

Kollision geschuldet, die keinen Vorrang zugunsten der einen

oder der anderen Rechtsordnung vorsieht (vgl. Ladeur 2000). Die

Kooperationserwartung ist daher nicht einseitig zu verstehen;

deshalb kann der „effet utile“ auch nicht auf die gänzliche

Außerkraftsetzung z. B. von Regeln über die Bestandskraft von

Verwaltungsakten zielen. Über das Prinzip des „effet utile“

darf nicht das höherrangige Prinzip der begrenzten

Einzelermächtigung unterlaufen werden.

Vertrauensschutz ist ein legitimer Grundsatz des allgemeinen

Verwaltungsrechtes, das in die Regelungskompetenz der

Mitgliedstaaten fällt. Darauf müssen die Anschlusserwartungen

des europäischen besonderen Verwaltungsrechts abgestimmt

werden. In diesem Bereich der kooperativen Abstimmung von

legitimen Durchsetzungserwartungen des europäischen Rechts und

ebenso legitimen konservierenden Überlegungen zur Erhaltung der

„Ordnungsidee“ des jeweiligen nationalen allgemeinen

Verwaltungsrechts (Schmidt-Aßmann 2004) bedarf es der

Entwicklung von fallbezogenen Entscheidungs-, Beweis- und

Abwägungsregeln, zu denen der EuGH in den hier diskutierten

Bereichen wenig Hilfreiches formuliert hat.23 Dies findet

seinen Niederschlag auch vielfach in der europarechtlichen

Literatur, in der schematisch drei Kategorien des allgemeinen

Verwaltungsrechts im Europäischen Mehrebenesystem unterschieden

werden: das allgemeine Verwaltungsrecht der Eigenverwaltung der23 Vgl. zur Bedeutung des Lernens des allgemeinen Verwaltungsrechts am Fallmaterial Harlow 1994; zum Lernen durch Entwicklung von „Ordnungsideen“ im Austausch zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht Schmidt-Aßmann/Dagron: 2007.

79

EG, das nationale allgemeine Verwaltungsrecht der

Mitgliedstaaten und das europäisierte nationale

Verwaltungsrecht, das der Durchsetzung des europäischen

besonderen Verwaltungsrechts dient (Kadelbach 2002).

Diese Neigung zu einer schematischen Unterscheidung hängt

möglicherweise zusammen mit einer in den Anfangszeiten durchaus

produktiven, in der jüngsten Zeit aber zunehmendem Maße

disruptiv wirkenden blinden Option für die Durchsetzung der

Suprematie des europäischen Rechts mithilfe eines

systematischen Durchgriffs in das nationale Recht (Ladeur

1996: 77). Allerdings löst die zunehmende Eingriffstiefe des

europäisierten besonderen Verwaltungsrechts (ähnliches gilt für

das Zivilrecht) in die allgemeinen Rechtsstrukturen der

Mitgliedstaaten immer mehr schwer zu bewältigende

Kollateralschäden aus. Ein Beispiel aus dem Zivilrecht bietet

die erweiternde Interpretation der Produkthaftungsrichtlinie

als umfassende Regelung aller Ansprüche wegen Schädigung durch

Produkte im Sinne der Richtlinie (EuGH, Slg. 2002, I-3901 -

González-Sanchez; Schmid 2006: 22ff.); damit werden alle

möglichen nationalen Regelungen haftungsausfüllender oder

haftungserweiternder Natur von der Anwendung auf europäisierte

Fallkonstellationen ausgeschlossen Joerges 2007: 736), während

sie zugleich für Sachverhalte, die ausschließlich vom

nationalen Recht zu bewerten sind, weiter Bestand haben. Dies

wird angenommen, obwohl diese Möglichkeit eines expansiven

Verständnisses der Richtlinie bei deren Verabschiedung gar

nicht bedacht worden ist (Joerges 2007: 717). Der EuGH müsste

im Zivil- wie im Öffentlichen Recht sehr viel stärker die

80

produktive Seite der multipolaren europäischen Rechtsordnung

beobachten (vgl. Möllers 2006) und weiterentwickeln und dabei

seinerseits auf materiell- und verfahrensrechtliche Kooperation

der Rechtsordnungen und der Gerichte der Mitgliedstaaten

setzen. Dabei ist v. a. zu berücksichtigen, dass die

Europäisierung des Rechts gerade durch ihre Intervention in

nationale Rechtsordnungen deren Einbettung in eine reichhaltige

Praxis, insbesondere aus Entscheidungen über eine Vielzahl von

Fällen und die daraus gewonnenen Erfahrungen und dogmatischen

Selbstbindungen unterbricht, ohne ihrerseits über eine

entsprechende Infrastruktur aus der Kenntnis von Fällen,

Verhaltens- und Erwartungsmustern, normativen Vorrang und

kognitiven Wissens-, Beweis- und Vermutungsregeln je verfügen

zu können. Die EG kann schon aufgrund ihrer Größe und der

Vielfalt ihrer politischen, kulturellen und rechtlichen

Traditionen und Erfahrungen niemals sinnvollerweise anstreben,

zu einem europäischen „Superstaat“ zu werden (Rosa: 2000). Der

EuGH scheint dies allerdings in seiner Überschätzung der

Bedeutung der Einheit des Rechts als Interpretationsprinzip

(Schmid 2007), das die Grenzen der Kompetenzverteilung zu

unterminieren droht, auch im Detail vielfach zu ignorieren.

Als Zwischenthese wäre auf der Grundlage der Überlegungen zur

Bestandskraft von Verwaltungsakten im europäisierten

Verwaltungsrecht festzuhalten, dass ein europäisches

allgemeines Verwaltungsrecht nicht nach dem einheitsbildenden

Muster der Systematisierungs- und Reflexionsleistungen des

traditionalen staatlichen allgemeinen Verwaltungsrechts

konzipiert werden kann. Es muss als Kollisionsrecht im Sinne

der Öffnung des nationalen allgemeinen Verwaltungsrechts für

81

die heterarchischen Rechtsverhältnisse in einem europäischen

multipolaren Rechtssystem entwickelt werden (Ladeur 2004a:

91).

In diesem Sinne muss ein europäisiertes allgemeines

Verwaltungsrecht kollisionsrechtlichen Prinzipien folgen und

kooperativ auf die Durchlässigkeit des nationalen Rechts für

die Wahrnehmung des Rechts oder der Interessen der

supranationalen Ebene wie des Rechts der anderen

Mitgliedstaaten angelegt sein. Ein solches Kollisionsrecht

folgt nicht mehr den klassischen, aber nicht alternativlosen

Regeln der Verweisung, sondern ist auf Durchlässigkeit für die

jeweils andere Rechtsordnung und auf Kooperation mit ihr zu

orientieren (insbesondere Michaels 2006: 212, 232; kritisch

Legrand: 1996, 45, 92; 2002, 133; Schwarze 1998, 191).

Im Hinblick auf die weiter unten noch einmal aufgeworfene

Problematik der „Kollisionsregeln“ neuer Art ist ein Hinweis

auf eine mögliche Ambivalenz des Konzepts des

„Kollisionsrechts“ erforderlich: Im Bereich des europäischen

„Mehrebenensystems“ – oder besser: des europäischen Netzwerks

überlappender Rechtsordnungen (Slaughter/Burke-White 2007) –

haben wir es auf der staatlichen Ebene mit stark

ausdifferenzierten Regelwerken zu tun, denen das europäische

Recht mit seinen Harmonisierungs- bzw. Vorrangansprüchen

gegenübertritt. Der hier evozierte Typus eines

„Kollisionsrechts“ neuer Art (das dem Denken in Hierarchiebenen

entgegengesetzt ist) ist anders zu konstruieren als die

„Kollisionsregeln“, die einmal für die Abstimmung

unterschiedlicher, aber nur partiell konkretisierter und

ausdifferenzierter völkerrechtlicher oder transnationaler

82

„Regimes“ (z. B. WTO und umweltrechtliche Regimes) und die sich

zum anderen – nach den Überlegungen von Fischer-Lescano und

Teubner (2006) – funktionsspezifisch (nicht, oder jedenfalls

nicht primär in einer territorialen Logik auf den Staat oder

klassische völkerrechtliche Regimes bezogen) spontan

„zivilgesellschaftlich“ entwickelt haben. Wie sich ein

Kollisionsrecht verstehen lässt, das darauf abgestimmt ist,

bedürfte weiterer Überlegungen, die ebenfalls interdisziplinäre

Beobachtungen erforderlich machen. Ein Kollisionsrecht, das auf

diese Typen von Regimes eingestellt wäre, müsste sich

unterscheiden von dem Typus, der für das europäisierte Recht

denkbar wäre. Wie lassen sich unvollständige trans- und

internationale Regimes und ihre Regeln in einem

kollisionsrechtlichen Denken beobachten? Handelt es sich bei

dem emergenten Recht der Regimes im Sinne von Fischer-Lescano

und Teubner überhaupt um Recht? Wie lassen sich die Regimes

abgrenzen?24 Wieweit lässt sich die „autopoietische Schließung

des Rechts im Völkerrecht beobachten (aus

politikwissenschaftlicher Sicht bejahend für das „Weltrecht“

Albert/Schmalz-Bruns 2009: 57; differenzierter Fischer-

Lescano/Liste, 2005, 209).

Nur anzumerken sei, dass das Urteil des BVerfG zum Vertrag von

Lissabon (BVerfG, NJW 2009, 2267; vgl. dazu die Kommentare in

GLJ 2009/Heft 8) in seiner Begrifflichkeit antiquiert

erscheinen mag, wenn es eine Art Substanz der Staatlichkeit24 Das für den territrial-staatlichen Bereich gegebene Beispiel der Begrenzung der expansiven Logik der Wissenschaft (Gentechnologie: Christensen/Fischer-Lescano 1998: 317f.) durch staatliches Verfassungsrecht(Gesetzesvorbehalt für neue Technologien) ist nicht recht plausibel, da hier nach h. M. einen Vorrang der Vermutung für die Freiheit der Grundrechtsbetätigung (also: die expansive Logik der Wissenschaft) gibt (Wahl/Masing 1990: 553).

83

gegen den Zugriffs des „Staatenverbundes“ der Europäischen

Gemeinschaft zu verteidigen scheint, doch entspricht dies

spiegelbildlich der Tendenz der supranationalen Organe der EG

(Kommission, EuGH), den europäischen Superstaat aufzubauen,

ohne ein Verständnis dafür zu zeigen, dass das Zeitalter der

Staatlichkeit vielleicht nicht zu Ende ist, aber deren

traditionelle, auf Hierarchie, Einheit und Homogenität

angelegten territoriale Ordnungsmuster auch nicht dadurch

wiederbelebt werden können, dass die Dimensionen der

Territorialität (Sassen 2008) erweitert werden. Die EG kann

nur nach dem neuen Paradigma eines heterarchischen Netzwerks

gedacht werden – anderenfalls wird sich die Krise der

traditionellen Staatlichkeit nur in einem größeren Maßstab

reproduzieren. Daran geht auch die Vorstellung vorbei, dass das

„Demokratiedefizit“ der EG beseitigt werden müsse (und könne)

(Ladeur 2008: 147). Die EG hat eher ein „Netzwerkdefizit“, ihr

mangelt es an einer produktiven „kollisionsrechtlichen“

Konzeption des Prozessierens von Vielfalt, Heterogenität und

Heterarchie. Dass die Krise des Staates nichts mit seiner Größe

zu tun hat (Rosa 1998), zeigt auch die Tatsache, dass gerade

die kleineren europäischen Staaten sich auf die Globalisierung

offenbar besser einstellen können als die großen.

2. Nationale und europäische Grundrechte

Probleme der Koordination pluraler Rechtsordnungen zeigen sich

in der Abstimmung von völkerrechtlichem, europäischem und

nationalem Grundrechtsschutz. Auch hier wird deutlich, dass das

hierarchische Denken im Angesicht der Globalisierung des Rechts

84

nicht mehr problemangemessen ist (Krisch 2006: 247; Schiff

Berman 2005). Kollidierender und überlappender

Grundrechtsschutz ist die Normalität, nicht die Ausnahme

(Krisch 2008: 183). Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen,

dass Einheit des Rechts nicht mehr das primäre

erkenntnisleitende Konstruktionsprinzip sein kann – weder im

nationalen Rechtsraum noch im transnationalen (Fischer-

Lescano/Teubner 2007: 37; 2006). Das Recht übernimmt so

vielfältige Formen, dass Einheit nicht mehr paradigmatisch

werden kann. Das schießt selbstverständlich nicht aus, dass es

Bereiche gibt, in denen Einheit ordnungsbildend werden kann

(für bestimmte marktbezogene Regeln, die einen einheitlichen

Markt ermöglichen sollen). Die europäische

Menschenrechtskonvention erkennt diesen Unterschied

ausdrücklich an, aber in einer verfehlten staatsfixierten Form,

wenn sie den Mitgliedstaaten einen „margin of appreciation“ für

Grundrechtsbeschränkungen einräumt (vgl. kritisch L. Favoreu

2004). Dies ist ein verfehlter Konstruktionsansatz, denn in den

zentralen Fragen geht es nicht um das Verhältnis von Staat und

Gesellschaft sondern die gesellschaftliche Bildung von

Konventionen, die die etwa die Bedeutung von

Kommunikationsrechten und ihres Verhältnis zu konkurrierenden

Rechten (Persönlichkeitsrechte) betreffen (Ladeur, in: Götting

u.a. 2008: § 22). Warum sollte es in Europa, wenn die medialen

Öffentlichkeiten weitgehend getrennt sind, nicht auch

unterschiedliche Regimes für die Abstimmung der kollidierenden

Grundrechte geben? Der Zugang über den staatlichen „margin of

appreciation“ führt in die falsche Richtung. Es geht um

unterschiedliche gesellschaftliche Wissens-, Regel- und

85

Wertbestände, die auf unterschiedliche Entwicklungspfade

gesellschaftlicher Normbildung zurückgehen. Die Vorstellung

einer Einheit der Rechtsordnung geht hier fehl. Dabei geht es

nicht um die Anerkennung der Eigenständigkeit der nationalen

Rechtsordnungen per se sondern um gesellschaftliche

Trajektorien – dies gilt um so mehr, als die Unterschiede

vielfach gerade nicht von primär nationalen Traditionen

bestimmt werden, sondern von unterschiedlichen transnationalen

Rechtskreisen, die auch früher schon Lernen zwischen

Gesellschaften ermöglicht und strukturiert haben.

So haben sich sowohl im Hinblick auf den Sozialstaat als auch

z. B. im Hinblick auf die Kommunikationsfreiheit mehrere

europäische Modelle herausgebildet, die miteinander

konkurrieren, sich wechselseitig beobachten, aber nicht

vereinheitlicht werden müssen. Interessanterweise erkennt der

EGMR Unterschiede des Grundrechtsschutzes gerade dort an, wo es

um unterschiedliche finanzielle Leistungsfähigkeit der

Mitgliedstaaten geht, also bei der Ausstattung von Gefängnissen

(zur Kritik Favoreu 2004: 789; vgl. zur Rechtsprechung

Schilling 2004: Rnr. 109ff.; zur Kooperation der Gerichte Oeter

2007). Dies erscheint als Einzelfall durchaus plausibel, die

Akzentuierung der Leistungsunterschiede zeigt aber, dass

Pluralität eher als Notlösung unter hier finanziellem Zwang

akzeptiert wird, während umgekehrt die Einsicht, dass

Pluralität des Grundrechtsschutzes kein Problem sondern die

Lösung für die Bewältigung der Vielfalt der Gesellschaften,

Werte, Regimes und Entwicklungspfade sein kann (Rosenfeld

2008). Die europäische Grundrechtskontrolle könnte dann eher

als ein prozeduraler Mechanismus der Reflexion

86

unterschiedlicher Standards und ggf. zur Ermöglichung von

Interventionen zum Zwecke des Aufbrechens von Lock-in-Effekten

sein, die entweder für die Entwicklung der jeweiligen

Gesellschaft schädlich sein können oder zur Externalisierung

von negativen Effekten auf andere Länder führen. Ein Beispiel

für die unterschiedlichen Standards zur Bestimmung des

Verhältnisses von Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz

bildet das Caroline-Urteil des EGMR (NJW 2004, 2647): Warum

sollte dieses Verhältnis in verschiedenen Ländern nicht

unterschiedlich sein können (vgl. auch Helfer/Slaughter 1997 zu

einer Differenzierung der Kriterien einer supranationalen

Homogenisierung des Rechts)? Der Sache nach hat der EGMR die

französische Variante (vgl. nur Cour d’Appel de Versailles v.

24.11.2005, Az. 05/05739 – Albert II v. Monaco) im Gegensatz

zur englischen (im Zweifel für die Pressefreiheit) und zum

deutschen Modell einer mittleren Linie für allgemein

verbindlich erklärt. Dies mag man unterschiedlich bewerten,

aber warum sollte der Unterschied als solcher nicht produktiv

sein können?

Jedenfalls muss die Koordination des Grundrechtsschutzes in

„Mehrebenensystemen“ zunächst bei den einzelnen Grundrechten

und der je spezifischen Frage der erforderlichen Reichweite der

Integration der Interpretation ansetzen und nicht bei einer

prozedural für die Urteilsbindung zwischen Gerichten – anders

zwischen Behörden (Ladeur/Möllers 2005; Slaughter/Zaring 2006)

- dogmatisch nur schwer zu konstruierenden

„Kooperationspflicht“25 (Pflicht zur „Berücksichtigung“, keine25 Die von Sauer 2008: 374ff., 504, konstruierte eine „Loyalitätspflicht“ zwischen Organen innerhalb eines Mehrebenensystems, die aber die unterschiedlichen Ebenen der Bindung (materielles Recht/prozedurale Bindung) ebenfalls nicht genau trennt. Die prozedurale Dimension könnte in

87

Ergebnisbindung) ansetzen (so aber BVerfGE 111, 307 – Görgülü;

dazu S. Graf Kielmannsegg 2008: 273, 300f.; kritisch Cremer,

EuGRZ 2004, 683).26 Dies ist verfahrensrechtlich ein für das

deutsche System der richterlichen Unabhängigkeit schwer zu

akzeptierendes und zu realisierendes Prinzip: eine Bindung von

Gerichten über den Einzelfall hinaus (so im Revisionsverfahren

bei Zurückverweisung an das Gericht der unteren Instanz) gibt

es sonst nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§ 31

Abs. 1 BVerfGG) bei Entscheidungen des

Bundesverfassungsgerichts. Einen Ansatz zu dieser neuen

transnationalen Koordination von Gerichten durch eine Pflicht

zur fallübergreifenden Berücksichtigung der Rechtsprechung

anderer Staaten im Interesse einer einheitlichen Praxis enthält

Art. 7 Abs. 1 der UN Convention for Contracts on International

Sale of Goods (CISG). In der Vergangenheit hat diese Bindung

zuletzt wegen unterschiedlicher methodischer Standards in den

Mitgliedstaaten offenbar wenig gefruchtet (Kilian 2001: 226).

Für die supranationale Gerichtsbarkeit mag dies partiell anders

zu bewerten sein – aber eben auch nur partiell.

Die europäischen Gerichte beachten hier zuwenig, dass einzelne

Grundrechtsregimes vielfach in jahrzehntelanger Koordination

von gesellschaftlicher Praxis, Gerichten und Rechtswissenschaft

herausgebildet worden sind, während sie selbst nur punktuell in

dieses Netzwerk der Rechtsbildung intervenieren können – und

einer (begrenzten) Analogie zu § 31 BVerfGG entfaltet werden. 26 Eine andere Variante der Kooperation und der Netzwerkbildung in der globalisierten Entscheidungspraxis der Gerichte besteht in der allerdings in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägten Bereitschaft, sich in der Begründung auf Gerichte anderer Länder zu beziehen, vgl. für die USA Slaughter/Zaring 2006a.

88

deshalb am Ende eher Konfusion in den jeweiligen nationalen

Rechtsregimes erzeugen. Ähnliches gilt auch für die

Entscheidungen des EuGH zur Drittwirkung der Marktfreiheiten im

Privatrecht (EuGH Rs. C-438/05, Slg. 2007, I-1077 Viking; Rs.

C-341/05, Slg. 2007, I-11767 Laval). Hier geht es eher um die

Kollision unterschiedlicher sozialstaatlicher Rechtsregimes –

wobei Sozialstaat in diesem Fall wörtlich zu nehmen ist als

„gesellschaftlicher Staat“ (Ridder 1960; dazu Hase 1999), die

aus einer Fülle von sozialen Konventionen, Entscheidungen,

staatlichen Regeln bestehen, in die das Gericht interveniert

(ähnliches gilt für den „Mangold-Fall“, EuGH, NJW 2005: 3695).

Dies mag durchaus im Interesse der Herausbildung eines

europäischen Rechtsraumes geschehen, aber es ist erforderlich

(Joerges/Rödl 2009, 1), das Problem komplexer zu fassen und

nicht als eine Frage der Durchsetzung einheitlicher

europäischer Grundsätze und Regeln – noch dazu gegenüber dem

auf Selbstorganisation angelegten Privatrecht - zu verstehen.

3. Globales Verwaltungsrecht

Jenseits des klassischen Nationalstaats und diesseits der

Formen des klassischen Völkerrechts (und des

„Eigenverwaltungsrechts“ der internationalen Organisationen)

hat sich inzwischen auch ein auf die öffentliche Verwaltung

bezogenes transnationales globales Recht herausgebildet

(Kingsbury/Krisch/Stewart 2005; Harlow 2006: 187; Auby 2003),

das nicht mehr im klassischen Sinne als „Öffentliches Recht“

bezeichnet werden kann (vgl. Möllers 2004: 329) aber in einem

Entsprechungsverhältnis zum transnationalen Privatrecht („lex

89

mercatoria“ neuer Art und andere Formen „neospontanen“ Rechts,

Teubner 2000a: 437) steht. Es ist nicht verwunderlich, dass

auch dieses Recht ähnlich wie das postmoderne innerstaatliche

Recht deutliche Erscheinungsformen der neuen Pluralität und

Heterogenität der Rechtsbildungsprozesse aufweist (Zumbansen

2002: 400; Calliess/Renner 2007; 2009). Das transnationale

Verwaltungsrecht hat keine leicht identifizierbaren

„Rechtsquellen“, seine Institutionen und Prozeduren sind

unterentwickelt, das Verhältnis von Öffentlichem und Privatem

ist vielfach intransparent. Ja, ob es überhaupt „Recht“ ist,

ist streitig (Kingsbury 2009; Dyzenhaus 2008). Die Abgrenzung

von öffentlichem und privatem Recht verliert ihre Bedeutung.

Umgekehrt stellt sich die Frage, ob und wie weit und in welcher

Form „sekundäre Normen“ (H. L. A. Hart) erforderlich sind, dami

überhaupt Recht von anderen Normen unterscheidbar wird. Dass

es sich um formelle Normen über die Setzung und Veränderung von

(primären) Normen handeln muss, erscheint in einem von

Pluralität geprägten „Weltrecht“ nicht zwingend.

Es zeigt sich, dass auch private transnationale Umweltstandards

öffentliche (Umwelt-)Interessen schützen können (Winter 2006;

Herberg 2007; Dilling/Herberg/Winter 2008; Fischer-Lescano

2008: 373).

Eine in Deutschland verbreitete begriffliche Akzentuierung als

internationales (im Gegensatz zum „globalen“) Verwaltungsrecht

verdankt sich nicht schon einer Engführung mit dem nationalen

Verwaltungsrecht und damit der Orientierung am Staat, von dem

aus bestimmte Materien des Verwaltungsrechts – ob national oder

international – unterschieden werden, während die Frage nach

90

dem „globalen Verwaltungsrecht“ diese Anknüpfung stärker

vernachlässigt und damit auch den Aufstieg der privaten Akteure

in den globalen Arenen stärker in den Blick nimmt. Der Staat

ist danach im Zeitalter der Globalisierung von vornherein

„fragmentiert“ in eine Vielzahl von Behörden und Agenturen, die

ihre Orientierung ihre Beteiligung an transnationalen

„Netzwerken“ erhalten (Möllers 2005: 351; zur Verantwortung

globaler transgouvernementaler Netzwerke Slaughter 2004;

Slaughter/Burke-White 2007), die sie zusammen mit anderen

öffentlichen und privaten Akteuren in bestimmten

Handlungsarenen bilden. Das „globale Verwaltungsrecht“ lässt

sich auf diesem Hintergrund mit der Vorstellung des

„disaggregated state“ (Slaughter 2004: 283;

2004a;Slaughter/Zaring 2006; allgemein Kettl 2002) verknüpfen,

der sich nicht auflöst, sich aber doch in ein Arrangement von

unterschiedlichen, vor allem durch Regulierungsaufgaben

zusammengehaltene „Netzwerke“ transformiert (Ladeur/Möllers

2005: 525), in denen es auch weniger um ein selektives

Entscheiden als um die Erreichung von relativ weit gefassten

Zielen geht (zur informationellen Seite des Verwaltungshandelns

Vesting 2004). Damit ist sicher ein wesentliches Merkmal des

„internationalen Verwaltungsrechts“ erfasst, dennoch wird sich

zeigen, dass auch ein Zusammenhang des „disaggregated state“

auf einer abstrakten Ebene erhalten und wieder hergestellt

werden muss, und wenn nur deshalb, weil die staatliche

Verwaltung im übrigen noch immer bestimmten

Organisationsprinzipien und Legitimationsanforderungen

unterworfen ist, die stärker auf die Zentralität des Staates

bezogen sind. Dies gilt vor allem für die Legitimation und

91

Verantwortung für staatliches Handeln (Held 1999, S. 84;

Cohen/Sabel 2006: 763). Die „globalen Netzwerke“ können sich

den damit aufgeworfenen Fragen nicht entziehen. Dieses Problem

wird auch in der Diskussion um das „global administrative law“

gesehen und mit der Frage nach der „accountability“ des

globalisierten öffentlichen und privaten Handelns diskutiert

(Raustiala/Slaughter 2002) Das „internationale

Verwaltungsrecht“ setzt den Akzent aber stärker bei dem, was

von der Einheit des Staates geblieben ist, und den Prinzipien,

die sich daran orientieren.

Auf den einzelnen Feldern eines „internationalen

Verwaltungsrechts“ muss jeweils gefragt, welche Gesichtspunkte

die untersuchte Materie als ein „Referenzgebiet“ für ein

allgemeines „internationales Verwaltungsrecht“ bieten kann.

Hier stellt sich ein methodisches Problem, das auch innerhalb

der europäischen Gemeinschaft immer noch nicht befriedigend

geklärt ist. Im europäisierten Verwaltungsrecht werden relativ

starr und vereinfacht drei Teile eines allgemeinen

Verwaltungsrechts unterschieden (Kadelbach 2002: 167): Das

Recht der europäischen Eigenverwaltung, das der nationalen

Eigenverwaltung und das allgemeine nationale Verwaltungsrecht,

das der Verwirklichung des besonderen europäischen

Verwaltungsrechts dient. Auch auf der internationalen Ebene

ließe sich ein funktionales Äquivalent zu dieser

Problemstellung finden: „global administrative law“ ist dann

eher das Recht der „Eigenverwaltung“ der als relativ

selbstständig zu betrachtenden Regulierungsnetzwerke, während das

„internationale Verwaltungsrecht“ dies zwar nicht

vernachlässigt, aber stärker die kooperative Verknüpfung mit

92

den Ordnungsideen des nationalen, und damit staatlichen

allgemeinen Verwaltungsrecht betont, soweit es um die

Beteiligung des Staates an den transnationalen Interaktionen

und Netzwerken geht.27 Das WTO-Recht ist als eigenständiger

Forschungsgegenstand etabliert28 und nimmt mehr und mehr die

Züge eines durch völkerrechtliche Delegation ermöglichten

„Eigenverwaltungsrechts“ an, das sich von den Rechtsmaterien

unterscheidet, in denen die institutionelle Ausdifferenzierung

der internationalen Kooperation keine vergleichbare

institutionelle Verdichtung erfahren hat (vgl. auch Zangl

2006).

Diese Fragmentierung des globalen Verwaltungsrechts und die

daraus folgende wechselseitige Durchlässigkeit der

verbleibenden territorialen Komponenten der neuen pluralen

Rechtsordnung schlägt sich auch prozessual in der Notwendigkeit

nieder, durch Gerichtsentscheidungen entgegen dem früheren

Rechtsgrundsatz „par in parem non habet iurisdictionem“, der

aus der Souveränität der Staaten folgt, eben doch aus

rechtsstaatlichen Gründen die administrative Kooperation der

Staaten nicht auf der Rechtsschutzebene wieder in die einzelnen

Entscheidungsschritte nationaler Behörden zerlegt werden kann –

mit der Folge, dass ein betroffener Bürger bei Verfahren im

Verwaltungsverbund (Visaerteilung gegenüber Angehörigen dritter

Staaten, die sich in der EG aufhalten und von einem in einen

anderen EG-Mitgliedstaat reisen wollen) z. B. sowohl gegen eine

nach außen adressierte Verwaltungsentscheidung des einen

Staates als auch gegen interne Zustimmungen, Warnungen etc.27 Vgl. zur Globalisierung als einer Form der Erweiterung der Möglichkeiten staatlichen Handelns Drezner 2007: insbes. S. 32ff.28 Vgl. zur Herausbildung neuer kontext- und effektivitätsbezogener Auslegungsregeln im WTO-Recht Van Damme 2009: inbes. S. 213ff., 287ff.

93

des anderen Staates gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch

nehmen müssten (anders mit Recht Conseil d’Etat, 9 June 1999,

No. 198344, Mme Hamssaoui.; vgl. auch für das Verhältnis

europäische Gerichte/UN-Entscheidungen Behrami and Behrami v

France, ECHR (Grand Chamber). Application Number 71412/01,

(2007) 45 EHRR SE 10; zust. Kingsbury 2009: S. 25 f.).

4. Völkerrecht in einer globalen Rechtsordnung

Für das Völkerrecht hat vor allem Koskenniemi die Dominanz des

Expertenwissens in fragmentierten „Regimes“, die nicht durch

ein hierarchisches System des Rechts integriert werden könnten,

als eine Variante des Zerfalls des Rechts kritisiert. Zwar

lässt sich in der Tat eine Parallele zwischen staatlich

interner und internationaler externer Auflösung der

traditionellen Staatlichkeit und ihrer Ablösung durch nicht-

territoriale Regimes beobachten, jedoch (Koskenniemi 2007)

greift eine Kritik zu kurz, die hier nur noch die Dominanz des

Expertenwissens diagnostizieren zu können meint, aber die

Veränderung der insbesondere kognitiven Infrastruktur des

Rechts im Übergang von der Gesellschaft der Individuen zur

Gesellschaft der Organisationen und zur Gesellschaft der

Netzwerke aus dem Blick verliert. Es ist auch weder auf der

staatlichen noch auf der völkerrechtlichen Ebene

ausgeschlossen, dass die Pluralität der Regimes durch neue

prozedurale Regeln der (Wollenschläger 2009) der Reflexion und

Evaluation des generierten Expertenwissens nicht ein

funktionales Äquivalent zu den klassischen Formen der

Integration des Rechts durch interne Systembildung zweiter

94

Ordnung (durch Metaregeln der Konsistenzprüfung) in der Gestalt

von Metaregeln eines neuen „Kollisionsrechts“ herausbilden

kann. Das Plädoyer für einen neuen Formalismus der Inklusion

der Ausgeschlossenen (Koskenniemi 2007) bedürfte demgegenüber

zunächst der Abstützung durch die Beobachtung der fundamentalen

Selbsttransformation des nationalen wie des internationalen

Rechts insbesondere durch den Aufstieg der Organisationen als

Akteure und die Dezentrierung des Rechts im Kontext der

gesellschaftlichen Wissens- und Regelbestände. Deshalb

erscheint auch die Annahme problematisch, dass die

Pluralisierung der „Regime“ im Rekurs auf einen neuen

Formalismus kompensiert werden kann (Koskenniemi 2007; Beckett

2006: 1045), der eher den Charakter eines quasi-religiösen

Bekenntnisses („faith“, Inklusion der Ausgeschlossenen)

annimmt, das die „de facto“ praktizierten Regeln in Frage

stellt. Das Völkerrecht sieht sich hier mit einer neuen

Erscheinungsform der Ungleichzeitigkeit konfrontiert, die vor

allem dadurch bestimmt wird, dass die Permeabilität des

nationalen und des internationalen Rechts die Folgen des

Scheiterns der internen Kompatibilisierung der Pluralität der

Regeln und Regelsysteme in den Ländern der dritten Welt nach

Außen leitet und die Formulierung neuer Kollisionsregeln

(Joerges 2007: 717; ders./F. Rödl 2009: 775; Vesting 2004a: 66)

für unterschiedliche Rechtsordnungen vor fast unlösbare

Probleme stellt – die jedenfalls nicht mit

Umverteilungsforderungen oder allgemeinen Forderungen nach

Inklusion, die sich im Angesicht steigender Pluralisierung der

„Governance“-Prozessse weder auf Individuen noch auf Staaten

beziehen könnten, zu bewältigen sind. Die Schwäche der internen

95

Governance-Struktur der Entwicklungsländer überträgt sich

zwangsläufig auf die Beteiligung an und in transnationalen

Rechtsregimes, abstrakte Appelle an die Aufladung eines

völkerrechtlichen Formalismus mit substantiellen,

ausgleichenden Rechten auf Beteiligung und die Reflexion der

westlichen „self-centredness“ (Koskenniemi 2006) könnte daran

nichts ändern. Die genauere Beobachtung der partiellen

Rechtsregime würde jedoch eine Suche nach je spezifischen

Kollisionsnormen erlauben, die etwa die unverhältnismäßige

innerstaatliche Abstützung der Rechtsstellung transnationaler

Unternehmen in Entwicklungsländern durch einen schwachen, seine

Schutzpflichten für die Interessen der einheimischen

Bevölkerung vernachlässigenden Staat durch die transnationale

Expansion nationaler Grundrechte mit Schutzwirkung zugunsten

(einheimischer) Dritter partiell kompensieren könnte

(Ladeur/Viellechner 2008: 42). Vor allem das Grundrecht der

Menschenwürde aus Art. 1 GG (in Deutschland und funktionale

Äquivalente in anderen westlichen Ländern) verpflichtet auch

private Unternehmen, elementare Rechte anderer Privater

(Arbeitnehmer, Nachbarn etc.) nicht zu verletzen. Diese

Verpflichtung wird primär durch das Privatrecht implementiert;

daneben steht der Schutz der Grundrechte gegen Interventionen

des Staates selbst sowie die das rechtliche Dreiecksverhältnis

Unternehmen – Staat – Dritte komplementierende Schutzpflicht

des Staates gegenüber den Bürgern im Hinblick auf neue oder

sonst durch das Privatrecht nicht zu bewältigende Risiken, die

von privaten Unternehmen ausgehen (Teubner 2006: 161). Ein

heterarchisches plurales Rechtsverständnis kann diese

Koordination unterschiedlicher Rechtsregeln, die ein

96

produktives Beziehungsnetzwerk z. B. um private Unternehmen

erhalten, nicht als feste Größe ohne Rücksicht auf veränderte

Funktionsbedingungen auf andere Länder mit der Folge

übertragen, dass private ausländische Unternehmen zwar ihre

privatrechtlichen Pflichten (ggf. bei Funktionsausfällen des

fremden nationalen Rechts nach dem „mitgebrachten“ eigenen

nationalen Recht) erfüllen müssen, aber rechtsstaatswidriges

Handeln oder Unterlassen des Staates ignorieren könnten

(Nigeria: Shell/Ken Saro Wiwa, FAZ.net v. 9.6.2009). Das kann

umgekehrt nicht dazu führen, dass die Funktionstrennung von

Staat und Wirtschaft ignoriert werden dürfte. Vielmehr muss das

Dreiecksverhältnis so justiert werden, dass dem privaten

Unternehmen aus dem Grundrecht der Menschenwürde die

kompensatorische Pflicht erwächst, im Rahmen des Möglichen

wenigstens auf den Staat mit dem Ziel einzuwirken, Verletzungen

der Menschenwürde innerhalb des privat-öffentlichen Netzwerks,

an dem das Unternehmen beteiligt ist, zu unterlassen. Dies wäre

ein Exempel dafür, dass die Eigenrationalität der emergenten

heterarchischen pluralen Rechtsordnung neue kollisionsrechtlich

zu konstruierende, auf Kooperationspflichten jenseits des

klassischen auf der Trennung von nationalen Rechtsordnungen

basierenden Kollisionsrechts (Ohler 2005) gewährleisten kann.

Diese Kooperationspflichten sind nicht auf die rechtsetzenden

Institutionen im klassischen Sinne (Staat, internationale

Organisationen) zu beschränken, sondern sind auch auf

„subjektlose“ spontane oder privat aggregierte transnationale

Normen zu erstrecken (Teubner/Korth 2009) Solche Konstruktionen

lassen sich jedenfalls an die Eigenrationalität des Rechts

besser anschließen als der abstrakte neue Formalismus, den M.

97

Koskenniemi (2007) in einer durchaus ambivalenten Form auf eine

quasi-religiöse Grundlage stellt. Es stellt sich aber die

Frage, ob und wann Normen als Rechtsnormen zu qualifizieren

sind und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind: Manche

Autoren gehen von der Möglichkeit der Emergenz eines autonomen

transnationalen Rechts aus; das Kriterium der Rechtsnormbildung

wird in der Existenz sekundärer Normen über das Verfahren und

die Kontrolle der Entstehung von Normen gesehen (so im

Anschluss an H. L. A. Hart Teubner/Korth 2009); Kingsbury

(2009a) verlangt eine Prüfung am Maßstab allgemeiner Prinzipien

der „publicness“ der Normbildung. Es wäre jedoch gerade in

einer grundrechtsbasierten Sichtweise auch die Möglichkeit der

Anerkennung bzw. Berücksichtigung auch von solchen Regeln zu

erwägen, die eher Ausdruck der Selbstorganisation eines

Handlungsfeldes (insbesondere der Wirtschaft, der Medien, der

Kunst etc.) sind, ohne dass ihnen der Status von Rechtsnormen

zukäme.

Andere Konzeptionen des postmodernen Völkerrechts, die wiederum

zu einer produktiven Kooperation von Rechts- und

Sozialwissenschaften führen könnten, knüpfen an die Beobachtung

(wiederum) unterschiedlicher Lesarten von

„Konstitutionalisierungsprozessen“ an (zum Begriff Wahl 2006:

97f.). Die eine Lesart betrachtet die zunehmende Dichte der

internationalen Rechtsakte als Ausdruck einer emergenten

„Weltstaatlichkeit“, die der „Weltgesellschaft“ eine neue

organisatorische Rechtsform jenseits des aus dem Willen des

Staates abgeleiteten internationalen Rechts zuschreibt

(Faßbender 1998: 529; Frowein 2000: 427;Möllers 2008: 92;

skeptischer die sozialwissenschaftliche Beobachtung durch

98

Leibfried/Zürn 2006: 19, 32ff.). Nach einem anderen

Verständnisentwickelt sich eine neue „Logik der Gemeinschaft“

der Bürger (Albert/Schmalz-Bruns 2009: 57, 64f.; Preuß 2006:

175, 188; Habermas 2004: 113) daraus, dass ein

„Verrechtlichungsprozess“ einsetzt, der Staaten dazu zwingt –

wie man formulieren könnte, das staatlich zentrierte

öffentliche Interesse von vornherein auf eine als

Öffentlichkeit von Weltbürgern zu verstehende offene

Gemeinschaft im Werden zu beziehen. Mit einer anderen

Nuancierung wird von Ch. Chwasczca (2007) die Staatlichkeit aus

ihrer Bindung an vorrechtliche Gemeinschaften gelöst und zu

einer offenen Form der Institutionalisierung von demokratischer

Willensbildung, die unterschiedliche Referenzen zulässt. Auch

die – ebenfalls – auf Menschenrechten gründende Konzeption

einer „Globalverfassung“ (Fischer-Lescano 2005) sucht ihre

Referenz nicht in einem (sich herausbildenden) „Weltsouverän“

sondern in einer Reihe von funktionsspezifischen „Regimes“, die

sich über Kollisionsregeln aufeinander abstimmen und

koordinieren lassen (vgl. auch ders./Teubner 2006; Teubner

2003: 1; skeptisch mangels basaler geteilter Werte Koskenniemi

2006). Über den mithilfe von Metaregeln der Transparenz

offengelegten Wettbewerb unterschiedlicher Institutionen könnte

auch eine neue Art der Verantwortung von heterarchischen

Netzwerken durch Kopplung an die staatsbasierten Rechtssysteme

erfolgen (vgl. dazu auch Guéhenno 1999: 112f.).

Auch der Begriff der „Konstitutionalisierung“ selbst bedürfte

einer interdisziplinären Beobachtung durch die

Rechtswissenschaft und sie Sozialwissenschaften. Manche

Lesarten des Konzepts gehen von einer einfachen Vorstellung der

99

Hierarchie internationaler Normen aus. Konstitutionalisierung

im rechtswissenschaftlichen Sinne kann nicht auf die Hierarchie

von Rechtsnormen (und die Übertragung dieses staatsbasierten

Prinzips auf das inter- und transnationale Recht) reduziert

werden. Selbst wenn eine Normenhierarchie unterstellt werden

könnte, folgt daraus noch nicht, dass es zu einem

Konstitutionalisierungsprozess kommen muss, der dem entspricht,

der sich – jedenfalls in Deutschland – auf der staatlichen

Ebene beobachten lässt. Konstitutionalisierung bedeutet schon

im staatlichen Rechtsraum nicht immer das gleiche.

Konstitutionalisierung verweist immer auf ein

Institutionengefüge, das zu einer mehr oder weniger

weitreichenden „Verdichtung“ des Rechtsstoffs“ führt (Möllers

200, 227, 265) und damit politische (Entscheidungs-)Prozesse

entsprechend der Akzeptanz von Verrechtlichungsprozessen durch

ein Verfassungsgericht und eine rechtszentrierte Öffentlichkeit

der politischen Kontroverse entzieht (vgl. auch zur

Abhängigkeit der Verfassungsinterpretation vom Selbst- und

Fremdverständnis der politischen Institutionen Vermeule 2006;

2008). Ein kollisionsrechtliches Verständnis des Verhältnisses

zwischen den Rechtsmaterien in einem heterarchischen trans- und

internationalen Netzwerk kann und muss die durch die

unterschiedlichen Institutionen und Relationierungen bestimmten

Selbstbegrenzungen der Konstitutionalisierungsprozesse

reflektieren.

Im Übrigen ist Verrechtlichung nicht notwendig mit

„Konstitutionalisierung“ gleichzusetzen (Möllers 2008: 92f.).

Eine andere Variante der Stärkung der internen Verknüpfungen

innerhalb eines fragmentierten Netzwerks internationaler und

100

transnationaler Normen ist die Setzung von Vorgaben für das

Verwaltungsverfahren auf der Grundlage völkerrechtlicher

Verträge. Dies führt zur Herausbildung eines „internationalen

Verwaltungsrechts“ (Möllers 2008: 94), das sich wegen seiner

Orientierung an der klassischen Staatlichkeit von der sich

davon stärker ablösenden Variante des globalen

Verwaltungsrechts unterscheidet. Daneben besteht eine weitere

Variante der „Hybridisierung“ in der Verknüpfung von

materiellen Bindungen mit (schwer implementierbaren)

Verpflichtungen zur finanziellen und technischen Hilfe

(Heyvaert 2009). Auch hier bietet sich ein Feld für die Selbst-

und Fremdbeobachtung von Rechtsbildungsprozessen durch die

Rechts- und die Sozialwissenschaften an.

Ein Gegenstand der wechselseitigen Beobachtung könnte auch das

Phänomen des sog. Soft law bilden (Abbott/Snidal 2009); dies

ist eine unbefriedigende Begriffsbildung, die sich an einem

problematischen Ideal („hard law“) orientiert und die

Verschleifung von normativen und faktischen Regeln, der

Verweisung auf künftige Konkretisierungen durch Praxis und

andere Erscheinungsformen des postmodernen globalen Rechts

nicht genauer in einer eigenständigen Begrifflichkeit sondern

eher als Abweichung von der früheren Regel beobachtet.

VI. Ausblick: Prozeduralisierung jenseits der „Legitimation

durch Verfahren“ (N. Luhmann)

Eine neue Form der Strukturbildung im Recht könnte in der

Prozeduralisierung (Verzeitlichung) von Risikoentscheidungen

bestehen (vgl. Dequech 2006: 109, 113): Strukturierte

101

Lernprozesse können mit den Entscheidungen selbst verknüpft

werden, wenn Teilentscheidungen für die Selbstbeobachtung des

zeitlich gestreckten Entscheidungsprozesses genutzt werden und

damit mehr kognitive Möglichkeiten eröffnet werden. Das heißt,

die Offenheit eines wissenschaftlichen Prozesses der Suche nach

„best practices“ (Zaring 2006: 294) wird abgestimmt auf den

nicht mehr in einer punktuellen Entscheidung zum Abschluss

kommenden Entscheidungsprozess selbst. Eine weitere Variante

der Prozeduralisierung könnte in der Konkretisierung und

Entfaltung eines Begriffs bestehen, den das

Bundesverfassungsgericht zwar mehrfach für die Kontrolle

komplexer Gesetzes- und Verwaltungsentscheidungen beschworen

hat, dem aber jede Kontur fehlt, nämlich der Pflicht zur

Beobachtung (Nachbesserung) von Entscheidungen (BVerfGE 49, 89,

139ff.; 50, 290, 332ff.). Dies könnte durchaus ein praktisches

Äquivalent zur klassischen Variante des Prozessierens der

Entscheidungen von Fall zu Fall sein: Dies ist das Ausprobieren

ex ante, während das Monitoring (kritisch zur Überschätzung der

„Evaluation“ von Entscheidungen Power 1999), die Beobachtung

der Haltbarkeit von Entscheidungen unter

Ungewissheitsbedingungen ex post bedeutet (Voßkuhle 2005: Rnr.

67, 73). Entscheidungen unter Ungewissheitsbedingungen bedürfen

häufig einer strukturierten Beobachtung, die nicht mehr über

die allgemeine Öffentlichkeit erfolgen kann, weil der Zugang zu

neuen Erfahrungen vielfach auf bestimmte Organisationen

begrenzt ist (zur Finanzmarktkrise Shiller 2004; 2008). Hier

bietet sich ein wichtiges Kooperationsfeld für

interdisziplinäre und rechtswissenschaftliche Forschung, die

auch auf die Ambivalenzen der Legalisierung und

102

Bürokratisierung von Risikomanagement sowie der internen

Prozesse von Unternehmen und Unternehmensnetzwerken eingestellt

sein muss (Power 2007).

Prozeduralisierung könnte nicht nur auf das Experimentieren mit

einzelnen Normen bezogen bleiben (Listokin 2009; Krohn 2008:

343), sondern auch die Abstimmung von Rechtsnormen und sozialen

Standards sowie die Kompatilisierung von rechtlichen Regimes

nach einem neuen Paradigma der heterarchischen relationalen

Rationalität umfassen. Sie kann auch eine der Formen der

Verknüpfung unterschiedlicher Regime innerhalb des globalen

Rechts sein, die etwa staatliche Entscheidungen mit

transnationalen Effekten nur dann zulassen, wenn dem

betroffenen Staat zuvor ein Beteiligungsrecht eingeräumt worden

ist (WTO App. Body 12.10.1998 (1999), 38 ILM, S. 121 – dazu

Kingsbury 2009: 18 - Shrimps-Fall).

103

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