Date post: | 05-Apr-2023 |
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Was bedeutet die „Normativität“ des Rechts in der
postmodernen Gesellschaft?
- Vorüberlegungen zur Beobachtung des Rechtssystems
durch die Rechts- und die Politikwissenschaft -
Von Karl-Heinz Ladeur,
Bremen/Hamburg
Überblick
I. Vorbemerkung
II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und
Rechtswissenschaft – und deren
Beobachtung
1. Was ist Recht?
2. Von der Rechtsanwendung zur
Selbstbeobachtung der „Rechtsfortbildung“
im Rechtssystem
3. Insbesondere: dynamische „grundrechtliche
Ausgleichspflichten“ und die
Veränderung der Gewaltenteilung (zwischen
Justiz und Legislative)
4. Verantwortung im „Gewährleistungsstaat“
1
5. Die Dynamisierung der Technik und der
Wandel der kognitiven Infrastruktur
des Rechts - der Aufstieg der
technischen Standards
6. Rechtsbindung ist nicht gleich
Rechtszwang!
7. Privatisierung des Rechts und der
Rechtsdurchsetzung (Schiedsgerichte)
8. Das Recht und seine kognitive
Infrastruktur – zur Verknüpfung von
Normativität und Normalität
III. „Law as Culture“
1. Das Recht und seine „soziale Epistemologie“ –
die Konstruktion von
Wirklichkeit durch Recht
2. Der Wandel der Realitätskonstruktion des
Rechts
3. Der Zerfall der „Einheit der Rechtsordnung“
als Problem der
gesellschaftlichen Selbstorientierung
IV. Die Evolution des Rechts seit dem Ende 19.
Jahrhunderts
1. Die Transformation des Rechtssystems und
seiner kognitiven Infrastruktur
2. Das Rechtssystem der „Die Gesellschaft
der Organisationen“
a. Der Wandel der kognitiven Infrastruktur: Die Dynamisierung des
2
Expertenwissens
b. Der Aufstieg der „Steuerungsgesetze“
c. Die gruppenbasierte Reflexion der Konstruktion
gesellschaftlicher
Wirklichkeit durch Recht – die Beispiele des Rundfunks, des
Sozialrechts
und des Planungsrechts
d. Umstellung des Rechts von der „Rechtsschutz- auf die
Steuerungsperspektive“?
3. Das Rechtssystem der „Gesellschaft der Netzwerke“
a. Die neue Transformation der Wissensordnung
b. Das „verflüssigte“ Individuum
c. Paradigmenwechsel im Vertragsrecht: Der Aufstieg der
„Netzverträge“
4. Zwischenresümee: Die Verflüssigung der
Grenzbegriffe
V. Die Frage nach der Stellung des Staates in der
globalisierten Rechtsordnung
1. Die EG als Staatenverbund und das
Erfordernis eines „Kollisionsrechts“
neuer Art
2. Nationale und europäische Grundrechte
3. Globales Verwaltungsrecht
4. Völkerrecht in einer globalen Rechtsordnung
VI. Ausblick: Prozeduralisierung jenseits der
„Legitimation durch Verfahren“
(N. Luhmann)
3
I. Vorbemerkung
Eine interdisziplinär informierte Rechtswissenschaft
(Leibfried/Möllers/Schmid/ Zumbansen 2006) und die das Recht
beobachtende Politikwissenschaft scheinen sich so nahe zu sein
– und sind einander doch so fern. Der SFB „Wandel der
Staatlichkeit“ verknüpft eine Reihe von Gegenständen des
Rechts, die teilweise – innerhalb eines durch die
Politikwissenschaft bestimmten übergreifenden Fragestellung
nach dem Wandel der Staatlichkeit – aus der Perspektive des
Rechts und teilweise aus der Perspektive der
Politikwissenschaft beschrieben werden. Dies betrifft die
Bildung des Rechts in der „supranationalen“ Rechtsordnung der
EG, die Transnationalisierung des Privatrechts („lex
mercatoria“ neuer Art, Teubner 1998: 565), das
Wirtschaftsvölkerrecht der WTO, die Herausbildung
transnationaler (insbesondere) (nichtstaatlicher)
umweltrechtlicher Normen, den Wandel der Sozialstaatlichkeit –
um nur die wichtigsten Gegenstände zu nennen. Dennoch scheinen
die beiden disziplinär bestimmten Herangehensweisen die
aufgeworfenen Fragestellungen bei aller Übereinstimmung im
Grundsätzlichen, der Frage nach der Rolle der Privatisierung
früher staatlicher Aufgaben (Wahl 2006: 76), den Phänomen und
Folgen der Globalisierung und der „Zerfaserung“ des Staates
4
nicht nur unterschiedlich zu bearbeiten – dies entspricht der
disziplinären Unterscheidung der beiden Wissenschaften, sondern
die Unterschiede zugleich nicht klar zu artikulieren. In
manchen Gegenstandsbereichen scheint das Recht (allg. Benz
2001: 105, 205: „Durchsetzung“ des staatlichen Willens) nur
eine Nebenrolle zu spielen (Sozialstaat), obwohl doch kaum ein
Gebiet so stark vom Recht geprägt wird wie der Sozialstaat
(Vgl. die Beiträge in Leibfried/Wagschal2000; aus
rechtswissenschaftlicher Sicht Stolleis 2003). Überdies
bedeutet die Entstehung des Sozialrechts einen grundlegenden
Bruch mit dem liberalen Rechtsparadigma, der nicht auf die
„Erweiterung“ von subjektiven Rechten reduziert werden kann,
weil die Erwartungen, die normativ stabilisiert werden, ganz
auf den Staat als Garanten der Kontinuität gesellschaftlicher
Normalität umgepolt werden.
In anderen Bereichen, in denen es explizit thematisiert wird
(durch Politikwissenschaftler, die sich mit der
Internationalisierung des Rechtsstaats – eines der
privilegierten Merkmale des „golden age“-Staates
(programmatisch Hurrelmann/Leibfried/Martens/Mayer 2008; Zangl
2007 ) wird die Frage, was Recht ist, unbeantwortet gelassen
und stattdessen dem Recht eine eher instrumentelle Funktion der
„Bindung“ zugeschrieben, die unter Bedingungen der
Globalisierung, die eben nicht zu einer vollständigen
staatsähnlichen Ordnung führt, die weitere Frage nach der
„Folgebereitschaft“ (compliance) gegenüber normativen Bindungen
aufwirft (Zürn/Neyer 2005: 183; vgl. auch aus
rechtswissenschaftlicher Perspektive Haltern 2005: Rnr. 298),
5
ohne dass das darin unterstellte Verständnis der
„Normativität“ näher ausgeführt würde.
Hier stellt sich ein Problem deshalb, weil das Recht,
rechtswissenschaftlich betrachtet, sicher (mindestens auch)
andere Merkmale aufweist – insbesondere die Unterstellung, dass
alle Argumente selbstreferentiell auf die Fortsetzung des
Rechts angelegt sind (und sein müssen) – als die, die aus der
Perspektive der Politikwissenschaft beobachtet werden. Aber
wieweit kann die Vernachlässigung der internen normativen
Bindung (die Anerkennung des Zwangs zur Selbstkontinuierung des
Rechtssystems in der Perspektive der Rechtswissenschaft) in
einer sozialwissenschaftlichen Beobachtung gehen (zum
„Weltrecht“ Albert/Schmalz-Bruns 2009: 57; Amstutz/Karavas
2009: 645), ohne dass das Recht sich ganz in Macht1, Ideologie
oder kulturellen Symbolen verflüchtigt? Die Frage kann und soll
nicht in einer abstrakten Form beantwortet werden. Stattdessen
soll an den entscheidenden Problemstellungen aus der Sicht der
Rechtswissenschaft versucht werden, die Funktionsweise der
Normativität des Rechtssystems in Vorüberlegungen so zu
erläutern, dass mehr Anschlussfähigkeit für eine paradoxe
politikwissenschaftliche Beobachtung der Faktizität des
Normativen ermöglicht wird– das sich eben von der
rechtsphilosophischen Normativität (der Bewertung von Normen an
letztlich außerrechtlichen Gerechtigkeitsvorstellungen)
unterscheidet.
1 Bei Benz (2006: 143, 161) wird das Recht in politikwissenschaftlicher Perspektive auf „Machtbegrenzung“ reduziert; dies ist charakteristisch für eine verbreitete Sichtweise, die das Recht und seine Funktionsweise von vornherein sehr eindimensional und nicht in seiner „internen“ Funktionsweise beobachtet.
6
Im folgenden soll zunächst unter II. abstrakt die Frage nach
der Eigenrationalität des Normativen in einer rechtsinternen
rechtstheoretischen Überlegung beobachtet werden. Im Anschluss
daran wird unter III. in einer Perspektive, die versucht, sich
für interdisziplinäre Beschreibungen der Leistung des Rechts zu
öffnen, Recht als „Kultur“ beschrieben, als Medium der
Konstitution von „Wirklichkeit“, die innerhalb der Normativität
verwendet werden kann. Unter IV. wird die Evolution des Rechts
seit dem 19. Jahrhundert mit dem Ziel skizziert, deren Selbst-
und Fremdbeobachtung des gegenwärtigen Rechts durch die Rechts-
und die Politikwissenschaft abzustützen. Es folgt dann (V.)
eine Überlegung zur Stellung des Staates und des globalen
Rechts innerhalb der pluralisierten Rechts- und
Institutionenordnung, die sich jenseits des nationalen und
diesseits des klassischen internationalen Rechts herausgebildet
hat.
II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und
Rechtswissenschaft – und deren
Beobachtung
1. Was ist Recht?
Für die Rechts- wie die Politikwissenschaft ist „Recht“ ein
privilegiertes Objekt der Beobachtung. Für die
Rechtswissenschaft versteht sich dies nur scheinbar von selbst,
weil sie sich in erster Linie als „praktische Wissenschaft“
versteht, d. h. sich weitgehend an den Anschlusszwängen und –
möglichkeiten orientiert, die die Rechtspraxis
7
selbstreferentiell durch ihre rechtsimmanenten Operationen
prozessiert und sich auf die Stelle der Beobachtung erster
Ordnung festlegt.2 „Was ist Recht?“ ist dann eine Frage, die
weitgehend vom „Rechtsfall“ (Christensen/Fischer-Lescano 2008:
131ff.), d. h. von der Anonymität der Konventionen einer
Rechtspraxis der Gerichte, der Kommentare, Interpretationen,
Dogmatiken beherrscht wird (dazu Descombes 2004: 464). Darüber
wird ein Netzwerk von Möglichkeiten innerhalb eines
Optionenraums generiert, dessen Voraussetzungen und Grenzen
selbst nicht beobachtet werden, wenn es um den nächsten „Fall“
oder - in der Dogmatik – um die Formulierung einer
Entscheidungsregel geht (Augsberg 2009: 134). Die Rechtspraxis
setzt stets schon voraus, dass Urteile über Recht innerhalb des
Rechtssystems getroffen werden (Reinhardt 2009: 42f.). Der
„Fall“ wird selbst immer schon durch das Recht konstituiert,
nicht aber ereignet sich zunächst ein „Fall“, der dann unter
eine allgemeine Rechtsregel subsumiert wird (Lefebvre 2008:
76).
Insofern ist die Beobachtung des Rechts durch die
Rechtswissenschaft selbst zunächst positivistisch, weil das
Recht selbst sich als positiv geltend definiert. Es wird noch
zu zeigen sein, dass sich aus dieser – systemtheoretisch
2 Deshalb wäre durchaus auch eine „Beobachtung zweiter Ordnung“ interessant,die politikwissenschaftlich die Beobachtung des Rechts durch die Rechtswissenschaft beobachtet; es wäre jedoch kaum plausibel zu machen, dass die Rechtswissenschaft ihrerseits an politischer Macht gewinnt durch die zunehmende Entformalisierung des Rechts, wie Maus (2006: 117) annimmt. Dabei wird jedoch ebenso problematisch unterstellt, dass die Rechtswissenschaft durch den Prozess der Kodifikation „enteignet“ worden wäre. Angesichts der Geschichte der neueren Dogmatik (vgl. den Überblick bei Möllers 2008) ist dies jedoch kaum zu belegen – die Entgegensetzung vonKodifizierung (= Demokratisierung) und Justizialisierung als Entparlamentarisierung und Stärkung der nichtparlamentarischen Apparate istviel zu einfach konstruiert.
8
gesprochen – autopoietischen Geschlossenheit des Rechtssystems
(Luhmann 1993: 39) ein Zwang (und eine Schwierigkeit) auch für
die politikwissenschaftliche Beobachtung von außen ergibt: das
Rechtssystem und die Rechtswissenschaft interessieren sich
nicht primär für die „Wirkungen“ oder „Folgen“ des
Entscheidens. Diese bestehen immer in Rechtswirkungen und
Rechtsfolgen, denen keine außerrechtliche Realität entsprechen
muss. Ob eine Entscheidung „wirksam“, rational, effizient,
gerecht ist, ist selbst keine Rechtsfrage, sondern nur die
Frage, ob sie sich in das „Gewebe“ der vorangegangenen
Entscheidungen einfügt (Luhmann 1993: 367). Recht und
Rechtsanwendung sind zirkulär verschleift: Dass jede
„Anwendung“ des Rechts zugleich eine Rechtsänderung ist, also
die Unterstellung des Normverstehens, dass sie nämlich auf
Rechtserkenntnis, nicht Rechtsetzung ziele, unterläuft
(Reinhardt 2009: 43), ist so richtig wie irrelevant für das
Rechtssystem, solange die Verschleifung invisibilisiert werden
kann. Dies geschieht durch die Abstützung der Ebene der
„Begründung“ von Rechtsentscheidungen durch die
Selbstfestlegung von Rechtsdiskursen auf die Form der
„Ableitung“: das Geltungssymbol setzt immer schon voraus, dass
es eine Norm gab, bevor sie angewendet wurde. „Die Rechtspraxis
operiert stets in einer Situation mit historisch gegebenem
Recht, denn anders könnte sie gar nicht auf die Idee kommen,
sich selbst als Praxis zu unterscheiden. Entsprechend gibt es,
historisch gesehen, keinen Anfang des Rechts, sondern nur
Situationen, in denen es plausibel war, „davon auszugehen, dass
auch schon früher nach Rechtsnormen verfahren worden ist“
(Luhmann 1993: 57).
9
Deshalb kann einerseits die bekannte Unterscheidung H. L. A.
Harts zwischen Regeln der ersten Stufe (insbesondere
Verhaltensregeln) und den Regeln der zweiten Stufe, auf der
erst eine Unterscheidung zwischen Recht und Nicht-Recht
(insbesondere Moral) durch Institutionen vorgenommen wird (Hart
1961: 229ff.), mit einem gewissen Vorbehalt, dass nämlich die
Regeln der zweiten Stufe über die Anerkennung von Regeln als
„Recht“ ihrerseits eher auf das Prozessieren des
Geltungssymbols durch Institutionen und nicht auf außerhalb
dieser Praxis existierende Regeln zurückzuführen sind, als auch
unter den Bedingungen der Postmoderne produktiv akzeptiert
werden. Dies gilt um so mehr, als Hart den Blick auf die
konstitutive Seite der Regeln eher als die limitative richtet:
Recht ist auf die regelhafte Integration des Verhaltens der
Individuen angelegt, nicht die (eher dem Staat vorzubehaltende)
Setzung von Freiheitsgrenzen (Lefebvre 2008: 10).
Während zu Zeiten des klassischen Rechtsstaats
Unterscheidungen an einfachen Grenzbegriffen vorgenommen werden
konnten und nur staatliches Recht als Recht anerkannt worden
ist, während das Mitlaufen von gesellschaftlichen Normen zwar
die Interpretation des staatlichen Rechts beeinflusst hat,
nicht aber explizit als Recht anerkannt waren. Die Auflösung
der Hierarchie als dem privilegierten Ordnungsmodell der
Staatlichkeit hat zu einer heterarchischen Vervielfältigung der
Rechtsquellen geführt und dementsprechend auch das
Geltungssymbol unscharf werden lassen.3 Ob man aber
insbesondere das transnationale Recht ganz von der Legitimation3 Vgl. auch zur Umstellung der Gesetzesbindung von der „Subsumtion“ auf die argumentative Konstruktion Christensen/Fischer-Lescano 2008: 46.
10
durch die staatlichen Anerkennungsregeln ablösen und eine
Selbstkonstitutionalisierung der Zivilgesellschaft jenseits des
Staates postulieren kann (Teubner 2003: 1), erscheint
zweifelhaft.
Das Prozessieren des Geltungssymbols selbst kann m. E. nicht
ganz „vergesellschaftet“ und vom Staat abgelöst werden.
Jedenfalls wird die Anerkennungsregel durch unterschiedliche
prozedurale Anforderungen je nach Transparenz, Beteiligung
privater und öffentlicher Akteure (explizite Setzung von
Standards, Beobachtung impliziter selbstorganisierter Regeln in
einzelnen Handlungsfeldern: z. B. mediengerechte
Konkretisierung der Grenzen von Öffentlichem und Privatem)
ausdifferenziert und ihrerseits pluralisiert (Kingsbury 2009:
20; Dyzenhaus 2008; Möllers/Voßkuhle/Walter 2007). Das
Geltungssymbol ist aber so sehr auf die Verschleifung von Recht
und Rechtsanwendung angelegt, dass die offene Prozedur der
Herstellung der Rechtsentscheidung keine Temporalisierung der
Abfolge von Normsetzung und Anwendung benötigt (dies ist eher
die Form der Darstellung, die im Futur II unterstellen muss,
dass die Rechtentscheidung das immer schon geltende Recht in
Anschlag bringt).
Dies ist der konstitutiven (impliziten4) Diskursordnung des
Rechts geschuldet: Man kann eine sich als bindend festlegende
Entscheidung nicht mit Aussicht auf Erfolg als Nicht-Recht, als
nicht geltend, mit dem Argument qualifizieren, dass es sich
4 Auch hier ergeben sich interdisziplinäre Perspektiven, wenn man die sozialwissenschaftliche Diskussion über die Bedeutung von impliziten „social practices“, die „open textured“ und zukunftsorientiert sind (Rouse 2007: 48ff.; Pritzlaff 2009; dies./Nullmeier 2009), in Betracht zieht. Demgegenüber ist vorherrschend der eher retrospektive „begründende“ Rekurs auf Regeln und Prinzipien (vgl. auch Brandom 1994: 19f.).
11
nicht um Rechtsanwendung handle, weil die Entscheidung nicht
aus einem Rechtssatz abgeleitet sei, sondern selbst Recht zu
setzen beanspruche. Dies ist auch dann nicht mit Aussicht auf
Erfolg möglich, wenn ein Gericht selbst eine einschlägige Norm
für nicht anwendbar erklärt (vgl. BGH, JZ 2009, H. 19 -
spickmich.de), solange die Richter an der konstitutiven Fiktion
festhalten, dass die Entscheidung „abgeleitet“ ist (dies kann
auch durch „Argumentation“ geschehen, solange explizit an der
Unterscheidung von Rechtsetzung und Rechtsanwendung
festgehalten wird; vgl. Christensen/Kudlich, 2001). Diese
Fiktion wird nicht einmal dadurch erschüttert, dass ein Gericht
wie das Bundesverfassungsgericht mehr oder weniger explizit ein
„neues Grundrecht“ entwickelt, also die Verfassung als oberste
Norm selbst ergänzt (BVerfGE 120, 274; Lepsius 2008). Den
normativen Anforderungen an die Prozessierung des
Geltungssymbols durch Anwendungsentscheidungen wird vor allem
im Common Law schon dadurch Genüge getan, dass ein neuer Fall
zum Anlass genommen wird – soz. im Futur II -, eine neue
Entscheidungsregel aufzustellen, die in künftigen
Entscheidungen als „entschiedener Fall“ in Bezug genommen kann
(Vermeule 2006: 54, 123ff.). Dass solche Phänomene einer
erheblich gelockerten Bindung nicht nur durch das Recht, das
durch „Interpretation“ als praktisches Normverstehen verändert
wird (vgl. Walsh 2008: 66), sondern auch durch das
Geltungssymbol selbst auch im kontinentalen Recht sehr
verbreitet sind, könnte sowohl für die als Rechtstheorie
operierende Rechtswissenschaft als auch für eine
politikwissenschaftliche Beobachtung des Rechts „von außen“ von
erheblicher Bedeutung sein.
12
2. Von der Rechtsanwendung zur Selbstbeobachtung der
„Rechtsfortbildung“ im
Rechtssystem
Die Rechtsfortbildung, die sich selbst als Rechtsänderung
ausweist, ist heute eine so ubiquitäre Leistung der Gerichte
(BVerfGE 34, 269 – Soraya; jetzt Möllers 2009a: 668; BGH JZ
2009 H. 19 – „spickmich.de“ m. Anm. Ladeur), dass sie vielfach
nicht einmal deutlich von der Rechtsauslegung unterschieden
wird. Dies ist nicht zuletzt der Doktrin der
„verfassungskonformen Auslegung“ geschuldet (BVerfGE 59, 360),
die es erlaubt, aus sehr allgemeinen Rechtsgrundsätzen,
insbesondere den Grundrechten, weitreichende Änderungen des
Gesetzesrechts als Rechtsanwendung „abzuleiten“ (zum Pendant
der „richtlininienkonforman Auslegung“ EuGH, Rs. 14/83 Slg.
1984, 1891 – Colson und Kamann). Damit geht eine grundlegende
Verschiebung der Gewichte zwischen Gesetzgeber und Justiz
einher: Der Verfassungsgeber hat einerseits die unmittelbare
Anwendung der Grundrechte (und damit auch der Geltung ihres
Vorrangs vor dem Gesetzesrecht) statuiert (Art. 1 Abs. 3 GG),
andererseits aber die Verwerfung eines Gesetzes als
verfassungswidrig beim Bundesverfassungsgericht konzentriert
(Art. 100 Abs. 1 GG: Prüfungskompetenz für alle Richter –
Verwerfungskompetenz nur für die Verfassungsgerichte). Diese
Norm hat zwar nach wie vor erhebliche Bedeutung, dennoch kann
man davon ausgehen, dass andere Formen der Argumentation
(Rechtsfortbildung, verfassungskonforme Auslegung etc.) die
Stellung der Gerichte gegenüber dem Gesetzgeber gestärkt haben.
13
Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass auch die
systematische und begriffliche Kopplung zwischen Rechtsnormen
durch die Gesetzgebungstechnik, Rechtsdogmatik und den
schnellen Wandel der tatsächlichen Wissensinfrastruktur des
Rechts sich auflöst. Während das Recht der 20er Jahre des
letzten Jahrhunderts für die Dynamisierung des Rechts5 noch
weitgehend auf die Analogie und die teleologische (sich vom
Willen des Gesetzgebers emanzipierende)6 Auslegung (gegenüber
den klassischen, an System und Wortlaut orientierten
Auslegungsmethoden vgl. Larenz 1991: 313: „Gesetzestext als
‚Träger’ des in ihm niedergelegten Sinn“; teleologisch: „das
Ganze des Rechts“ muss der Richter erst „gewinnen“; kritisch
dazu Christensen/Fischer-Lescano 2008) beschränkt war, ist das
Geltungssymbol heute so konturlos geworden, dass nicht zuletzt
durch die Konstruktion von „Grundrechtskollisionen“ (Fischer-
Lescano 2008) und die sich daran anschließende Notwendigkeit
des „Ausgleichs“ durch Abwägung (Dreier 1993; Lepsius 2006:
119; kritisch Jaume 2000: 343, 353; Böckenförde 2003; Ladeur
2004; Augsberg 2009: 95, 115: zur Kritik der diskursethischen
Überhöhung der nicht-hintergehbaren Pluralität des Rechts) das
geltende Recht einem kontinuierlichen Variationsprozess
unterworfen ist, ohne dass dadurch das Geltungssymbol als
solches seiner integrativen Wirkung entkleidet worden wäre. Das
Postulat der Gesetzesbindung verliert immer mehr an Bedeutung im
Verhältnis zur Rechtsprechung (anders nach der
5 Das auf Selbstorganisation angelegte Privatrecht wird mehr und mehr von „Zwecken“ überlagert, die durch die Orientierung an strategische handelndenprivaten oder öffentlichen Organisationen in das Recht einwandern, vgl. Nörr 1988: 4. 6 Vgl. auch zur Interpretation als Bestimmung eines „Rahmens“, der mehrere Möglichkeiten bietet, Kelsen 2008: 105ff.
14
„Wesentlichkeitstheorie“ gegenüber der Verwaltung; BVerfGE 49,
89, 98, 218, 251f.; 101, 1, 34; v. Bogdandy 2000: 190ff.),
wenn gesetzgeberische Konzeptionen mit konkurrierenden eigenen
Überlegungen oder maßstabslosen Rechtsfortbildungen überspielt
werden (Möllers 2009: 668, 671 - strafprozessuales
Beweisrecht; Ladeur 2009). Zum Teil wird aus der
Konkretisierungsbedürftigkeit der Grundrechte geradezu eine
Pflicht des Gesetzgebers abgeleitet, Normen für die
„Rechtsfortbildung“ am Einzelfall offenzuhalten (Röthel 2004:
55ff.).
Ob und wieweit dadurch eine Leistung des Rechtssystems für
andere Teilsysteme sowie für Individuen und Organisationen
gefährdet wird, die noch von Luhmann stark gemachte
Erwartungssicherheit (1993: 129ff.) ist eine Frage, die zum
Gegenstand der Beobachtung des Rechts durch die
Rechtswissenschaft und die Politikwissenschaft werden kann.
Dabei ist aber einmal zu beachten, dass ein großer Teil des
Rechts heute öffentliches Recht ist. Die durch den Staat selbst
gestiftete Erwartungssicherheit im allgemeinen und der
Verwaltung im besonderen erscheint (wegen der
„Einschätzungsprärogative“ des Staates) offenbar weniger
schutzbedürftig als die privater Akteure untereinander.
Es ist zweifelhaft, ob die Luhmannsche Begriffs- und
Gedankenschärfe hier weiterhilft: „Jede auf den Sinn und die
Operationsweise (Unterscheidungsweise) von Operationen achtende
Systemtheorie muß deshalb hinnehmen, daß politisches System und
Rechtssystem getrennt operieren, daß sie verschiedene Systeme
sind – und dies selbst dann, wenn die Selbstbeschreibung der Systeme dem
widerspricht“ (Luhmann 2005b: 390 – H. i. O.). Das bedeutet
15
sicher nicht, dass beide Systeme nichts miteinander zu tun
hätten: Für Luhmann stellt sich hier die Frage nach der
strukturellen Kopplung, über die einzelne sich Systeme einander
wechselseitig und begrenzt vorgeordnete Ordnungselemente
einander zur Verfügung stellen. Der Staat wird als eine Form
der „strukturellen Kopplung“ angesehen, die über Zurechnung auf
eine „fiktionale Einheit“ von beiden Systemen benutzt wird
(391). Nach Luhmann besteht hier aber die Gefahr, dass der mit
dem Wechsel der Systemreferenz einhergehende
„Perspektivenwechsel“ übersehen wird, „wenn der Staat als
politisch-rechtliche Einheit“ beobachtet wird (391).
3. Insbesondere: dynamische „grundrechtliche
Ausgleichspflichten“ und die
Veränderung der Gewaltenteilung (zwischen Justiz und
Legislative)
Der Staat wird mit immer mehr (vor allem) grundrechtlichen
Ausgleichspflichten konfrontiert (Hoffmann-Riem 2006: 492), die
den Rechtsbildungsprozess in die Gerichte verlagern und die
Stabilität des Rechts zu Lasten staatlich-gesetzlicher
Selbstnormierung erschüttern. Dies ist aber nicht als Ausdruck
eines institutionellen Konflikts zwischen Parlament und Justiz
zu beschreiben, wie er etwa als Kollision
(sozial-)demokratischer Gesetzgebung und konservativer Justiz
(Korioth 2003: 705) in der Weimarer Republik entstanden ist.
Der zunehmenden Verrechtlichung der Politik, die oft als
Verlust parlamentarischer Entscheidungskompetenz interpretiert
wird (Bornemann 2007: 75; vgl. auch Kneip 2006; Maus 2006:
16
111), entspricht paradoxerweise eine Erweiterung der
staatlichen Entscheidungsmöglichkeiten insgesamt zu Lasten
insbesondere der wirtschaftlichen Grundrechte: die Erweiterung
der abwehrrechtlichen Dimension der Grundrechte um objektiv-
rechtliche Schutzpflichten zugunsten Dritter macht aus den
klassischen Grundrechtskonflikten (the man versus the state) in
zunehmendem Maße „mehrpolige Grundrechtsverhältnisse“, in die
z. B. die Arbeitnehmer eines Unternehmers einbezogen werden
(Ladeur 2009b: 543), der sich gegenüber dem Staat auf seine
Berufsfreiheit im privaten Arbeitsverhältnis beruft. Damit
geht auch eine Erweiterung der Entscheidungsmöglichkeiten der
Legislative und der Exekutive einher (BVerfGE 108, 282, 302 –
Kopftuch; 49, 89, 131ff. – technische Unsicherheit), weil der
Grundrechtseingriff sich zum staatlichen Ausgleich zwischen
mehreren Grundrechten und ihren Trägern wandelt. Dieser
Ausgleich wird eher kooperativ zwischen Legislative und
Exekutive auf der einen Seite und der Justiz auf der anderen
Seite vorgenommen.
Auch die daraus entstehende Ausbalancierung der
Machtverhältnisse zwischen den „politischen“ und den
justitiellen Entscheidern könnte ein Gegenstand der
kooperativen Beobachtung des Rechts durch Rechtswissenschaft
und Politikwissenschaft sein.7 Jedenfalls wäre aber die
Vorstellung einer einseitigen Gewichtsverlagerung zugunsten
Gerichte und zu Lasten der Politik verfehlt, zumal gerade das
Bundesverfassungsgericht nicht nur eine7 v. Komorowski/Bechtel (2006: 291) beobachten die Verrechtlichung der Politik durch die Verfassungsgerichtsbarkeit zwar differenzierter, aber eine neue Fragestellung für die interdisziplinäre Beobachtung des Phänomenswird letztlich nicht eröffnet.
17
Einschätzungsprärogative der Politik bei vielen „mehrpoligen
Grundrechtsverhältnissen“ anerkannt hat, sondern in der
faktischen Unsicherheit der einem Gesetz zugrunde zu legenden
tatsächlichen Annahmen (Augsberg/Augsberg 2007: 290),
insbesondere schneller gesellschaftlicher Wandel oder
technologische Komplexität (Scherzberg 2002, S. 113;
differenziert Wollenschläger 2009: 58), eine weitere
Legitimation für politische Einschätzungsspielräume (verbunden
mit vagen Nachbesserungspflichten) gesehen hat (BVerfGE 50,
290, 334). Verrechtlichung bedeutet deshalb vielfach die
Unterordnung des Privatrechts unter das öffentliche Recht,
nicht aber eine Begrenzung der politischen
Entscheidungsmöglichkeiten des Staates. Im Gegenteil! Sie läuft
zum erheblichen Teil auf eine rechtliche Kontrolle und
Begrenzung privater, bisher durch die abwehrrechtliche Dimension
der Grundrechte geschützter Entscheidungsfreiheit hinaus.
4. Verantwortung im „Gewährleistungsstaat“
Dies gilt auch und gerade im Angesicht der Privatisierung: in
der Rechtswissenschaft ist die diese, ihrerseits ambivalente
Tendenz ebenfalls zur Grundlage einer weitreichenden
staatlichen Verantwortung für „Privatisierungsfolgen“ geworden,
die z. B. in „Strukturschaffungspflichten“ ihr Konkretisierung
gefunden hat. Staatliche Verantwortung im
„Gewährleistungsstaat“ (Franzius 2009: 81: der
Gewährleistungsstaat ist der Staat der „Zivilgesellschaft“;
Schuppert 2005) hat als (verfassungs-)rechtliche z. T. weit
über den tatsächlichen Verlust staatlicher Kompetenzen hinaus
18
gewirkt und Grundrechtsvorbehalte (zugunsten Dritter)
kompensatorisch bis weit in das traditionelle Privatrecht
erstreckt (BVerfGE 81, 242- Handelsvertreter; 89, 214 –
Bürgschaft; Teubner 2000: 388; Fischer-Lescano 2008: 166;
Ladeur 2009: 543). Auch dies ließe sich in der Terminologie des
SFB als eine Erscheinungsform der „Ausfransung“ des Rechts des
Staates beschreiben: Zwar wird der Kreis der staatlichen
Aufgaben zur Selbstwahrnehmung eingeschränkt, zugleich wird
aber mithilfe eines expansiven Verständnisses „mehrpoliger
Grundrechtsverhältnisse“ der „ausgleichende“ Zugriff des
Staates auf privatrechtliche Beziehungen so stark erweitert,
dass im Bereich der wirtschaftlichen Grundrechte die (als
solche nicht mehr bezeichneten) „Eingriffsbefugnisse“ erheblich
erweitert werden.
Dies ist eine Form der Veränderung des Geltungssymbols des
Rechts: Veränderung, Anpassung, Konkretisierung des Rechts
(statt „Normverstehen“; vgl. nur Christensen/Kudlich 2001) wird
immer mehr zur Aufgabe der Gerichte, die ganz offen ausgewiesen
wird, während umgekehrt die parlamentarische Gesetzgebung oder
die administrative Gestaltung Züge eines Grundrechtsausgleichs
annimmt und damit das klassische liberale Rechtsdenken in
Grenzbegriffen (privat/öffentlich, staatlich/gesellschaftlich
etc.) grundlegend verändert.
Das Geltungssymbol bleibt zwar erhalten, doch verändert sich
das Verhältnis zwischen den klassischen Staatsgewalten ganz
erheblich: vor allem methodisch und systematisch wird
Rechtsänderung und Rechtskonkretisierung immer mehr zur Aufgabe
der Justiz, während in umgekehrter Richtung Gesetzgebung als
Ausgleich zwischen Rechten annimmt (Jaume 2000). Möglicherweise
19
ließe sich hier von einer internen „Zerfaserung“ des Staates
sprechen, die einem externen Pendant entspricht: Der Staat
zieht sich entgegen dem durch den Trend zur Privatisierung
gesetzten Anschein nicht linear zurück, sondern das Denken in
Grenzbegriffen wird durch eine heterogene Entwicklung
verdrängt, die Rückzug in der Wahrnehmung von Aufgaben durch
Expansion von Gewährleistungspflichten im allgemeinen und den
Ausgleich in „mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen“ (Hoffmann-
Riem 2006: 492) im besonderen nebeneinander stellt. Die
Referenz auf Schutzpflichten mag zunächst plausibel erscheinen,
sie erweist sich jedoch dann als ambivalent, wenn der Staat
dafür einen Gestaltungsspielraum kraft höheren Wissens (oder
gar paradoxerweise „kraft Nichtwissens“, vgl. unten Holzer/May
2005) in Anspruch nimmt.
Eine weitere neue Variante der Grundrechtsverhältnisse, die
schlecht mit dem bisherigen von den klassischen Grenzbegriffen
bestimmten Rechtsmodell (Kritik daran bei Schuppert 2008: 325;
dazu Genschel/Leibfried 2008: 359) in Übereinstimmung zu
bringen sind, ist das öffentlich-rechtliche
Versicherungsverhältnis, das sich jenseits der (mit dem
klassischen grundrechtlichen Abwehrmodell beschreibbaren)
Inklusion in den Status des gesetzlich Versicherten bei der
Ausgestaltung der Leistungen und ihren Beschränkungen entfaltet
(BVerfG, NJW 2006, 891 – Finanzierung nicht-konventioneller
Therapie): Da das Verhältnis grundsätzlich nicht von den
Grundsätzen einer dualen Leistungsbeziehung bestimmt sein kann,
bestehen erhebliche Schwierigkeiten bei der grundrechtlichen
Einordnung der Ausgestaltung, die das BVerfG aber grundsätzlich
20
für erforderlich hält (vgl. zur verfassungsrechtlichen
Gewährleistung Hase 2000: 217).
5. Die Dynamisierung der Technik und der Wandel der
kognitiven Infrastruktur des
Rechts (der Aufstieg der technischen Standards)
Ähnliches gilt für das Verwaltungsrecht, insbesondere das
Technik- und Umweltrecht, das nur in einem formalen Sinne und
nur auf einer der mehreren Entscheidungsebenen dem klassischen
Eingriffsverwaltungsrecht zuzuordnen ist (vgl. zu dessen
Entwicklung nur Wahl 2006: 12ff.; Stoll 2003) andererseits aber
bei komplexen Technologien eine ganze Infrastruktur aus
Standards (unterschiedlicher Rechtswirkung) voraussetzen, die
einen technologischen Entwicklungspfad abstützen und zugleich
die mittelbaren Auswirkungen auf Dritte (Nachbarn) in die
Entscheidung mit einbeziehen, während diese Ebene früher
grundsätzlich dem Privatrecht (Nachbarrecht) überlassen war
Stoll 2003: 326; Th. M. J. Möllers 1996: 21, 51, 73) und auf
den „Standard“ der „Ortsüblichkeit“ verwiesen hat (Quaas 2003:
37). Diese konnte aber schon durch einen einzigen Großbetrieb
verändert werden.
Auch diese Mehrebenenkonstellationen innerhalb des Rechts
müssten für eine politikwissenschaftliche Beobachtung des
Rechts von großer Bedeutung sein. Sie werden vor allem von der
Diskursanalyse vernachlässigt, die den klassischen
Universalitätsanspruch des Gesetzes in die Universalität von
Begründungsprozeduren überführen will. Aber erweist sich hier
nicht die folgende Beobachtung Georg Simmels (1968: 202) als
21
treffend, die jenseits des allgemeinen Gesetzes die Entstehung
von Verbindlichkeit „auf die gleitenden, fluktuierenden,
schwebenden Lebensinhalte oder – Situationen, für die es gar
keinen Begriff gibt“, zurückführt? Dieser situative Bezug ist
für das postmoderne Recht charakteristisch geworden. Das
Situative kann mit Waldenfels (1985: 129ff.) als ein Wirkungs-
und Anforderungszusammenhang bezeichnet werden, der nie ganz
von einem Subjekt beherrscht werden kann.
6. Rechtsbindung ist nicht gleich Rechtszwang!
Auf diesem Hintergrund erweist sich auch die positivistische
Vorstellung vom Recht und von der Entstehung von
Verbindlichkeit aus einer Willensordnung, die durch Sanktionen
abgestützt werden müssen, als problematisch (Vesting 2007: Rnr.
132 ff.; Lefebvre 2008: 10). Gerade diese einfache Beschreibung
von Verbindlichkeit als Fähigkeit zur Mobilisierung scheint in
der politikwissenschaftlichen Beobachtung eine große Rolle zu
spielen. Sie wird in der politikwissenschaftlichen Beobachtung
des internationalen oder des supranationalen europäischen
Rechts vor allem in den Untersuchungen über „compliance“
internationaler Akteure unter Bedingungen begrenzter
Sanktionierbarkeit des Rechts aufgenommen (Zürn/Neyer 2005).
Vor allem amerikanische Theoretiker der „international
relations“ haben versucht, das Vokabular des Rechts im Rekurs
auf politikwissenschaftliche Konzepte (neben „compliance“ auch
Legitimität8 und Governance) zu erneuern (Raustiala/Slaughter8 Vgl. zu dem Verhältnis von Legalität und Legitimität nur Wiesner u. a. (2006); ob die Wiederanknüpfung an diesen Gegensatz in der postmodernen Gesellschaft zu einem fruchtbaren Gegenstand interdisziplinärer Kooperationwerden kann, erscheint zweifelhaft.
22
2002; 2007: 1). Hier bietet sich eine Zusammenarbeit von
Rechts- und Politikwissenschaft an, die genauer das Recht nicht
als äußeren Zwang zur Entscheidung für bestimmte
Handlungsoptionen beobachtet sondern als konstitutiv für ein
regelhaftes Verhalten, das in eine Praxis eingeschrieben wird
und von Fall zu Fall Anschlussmöglichkeiten und –zwänge
prozessiert (Lefebvre 2008: 10f.).
Die positivistische Konstruktion der Rechtsbindung als
Verhaltens- und Willensbindung ist verbunden mit der
Entkopplung des Geltungssymbols von der Einbettung in lokale
und regionale Traditionen und der Selbstmobilisierung des
Rechts in der Moderne. Hier lässt sich eine Brücke zu
sozialwissenschaftlichen (hier: soziologischen) Konzeptionen
der Entscheidung und der „Entscheidungszumutung“ als
Alternative zur Bindung durch Tradition (Schimank 2005: 115).
Der Rechtszwang kann selbstverständlich nicht geleugnet werden,
aber dies ist eher der Notwendigkeit geschuldet, gegen
Regelverletzer vorzugehen, die parasitär die Wechselseitigkeit
der Rechtsbindung in Frage stellen. Im wesentlich muss das
Recht sich aber „von selbst“ reproduzieren, nicht durch Drohung
mit Sanktionen. Dies ist eine wichtige Annahme, die für die
Beobachtung neuer Formen der lex mercatoria erkenntnisleitend
sein kann: Die Annahme, dass selbstgeneriertes privates Recht
auch in der Lage ist, Interessen Dritter aufzunehmen und zu
berücksichtigen, ist nicht so fernliegend, dass dieses Phänomen
primär auf die antizipierende Vermeidung staatlicher Sanktionen
zurückgeführt werden müsste. Auch die Änderbarkeit des Rechts
23
und die Trennung von Rechtszwang und Befolgungsmotiv (Gephart
2006: 294f.) hat nichts mit der Souveränität des (staatlich
gesetzten) Rechts gegenüber dem Willen des einzelnen zu tun.
Sie ist vielmehr Ausdruck der Dynamik des Selbsttransformation
der Gesellschaft, die keine durch Tradition bestimmten Rechte
und Rechtsnormen anerkennen kann, und damit eine Form der
Steigerung der Autonomie des Rechts. Allerdings liegt eine
charakteristische Schwäche des transnationalen Rechts – wenn es
als solches und nicht nur als Bestand sozialer Normen anzusehen
ist – in der mangelnden Fähigkeit, die eigene Einheit durch
Entwicklung von internen (Interpretations-) und
Anwendungsregeln zu stabilisieren (Peters/de Kuyper/de Candolle
1995: 152ff.). Deshalb ist auch zu fragen, ob solche Normen
nicht eher für die Stabilisierung begrenzter
Beziehungsnetzwerke (ICANN, Medien, Sportverbände,
Transaktionen zwischen großen Unternehmen) geeignet sind.
Spricht nicht gerade die von G. Teubner (2002) apostrophierte
Selbsterzeugung des transnationalen Rechts über (insbesondere)
vertragliche Transaktionen dafür?
Recht ist jedenfalls nicht primär durch staatliche Sanktionen
zu charakterisieren (Rosen 2006: 22). Angesichts der
zunehmenden Durchlässigkeit der Grenze zwischen Gesetzgebung
und Justiz stellt sich vor allem in den USA die Frage nach der
Bestimmung des Verhältnisses zwischen den beiden Gewalten in
einer neuen institutionellen/prozeduralen Form: d. h. die Frage
wird von der Orientierung an Entscheidungsarten („output“)
umgestellt auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen
(insbesondere Zugang zu Wissen, Antragsabhängigkeit,
24
„Entscheidungstechniken“, Verfahren etc.) (Vermeule 2006: 63,
152; 2008 – zum Parlament als Wissensgenerator; Scalia 1997).
Dieser „institutional turn“ (für Deutschland: Lorz 2001: 433)
führt zur Akzentuierung vor allem der administrativen
Zugänglichkeit von komplexerem Wissen, das über den einzelnen
Fall hinausweist. Dementsprechend folgt daraus eine Begrenzung
des „judicial activism“ (Schuppert 1988: 1191). Diese Annahme
ist insofern ambivalent, als in die Grundrechte selbst eine
„soziale Epistemologie“ eingeschrieben ist, die auf die
Selbstorganisationsfähigkeit der bürgerlichen Gesellschaft,
also ein transsubjektives Moment der Normbildung zwischen Staat
und Individuum setzt (Ladeur 2000b). Das Wissen des Staates kann
demgegenüber nicht den Vorrang gegenüber der distribuierten,
durch die Grundrechte selbst abgesicherten Wissensordnung der
Gesellschaft beanspruchen (vgl. historisch Bohlender 2001: 247;
aktuell Collin/Horstmann 2004; Engel/Halfmann/Schulte 2002).
Diese Entwicklung ist nur zu verstehen auf dem Hintergrund der
– trotz Privatisierung – fortschreitenden Expansion des
Verwaltungsstaats, der die Prozesse der Selbstorganisation
praktischen Wissens in der Gesellschaft mehr und mehr in
Planungsverfahren, in Technik ermöglichendem Recht (Kloepfer
1997: 417; Winter 1988: 659), durch „Förderung“ der Individuen
wie der wirtschaftlichen Akteure beeinflusst und überlagert
(und dafür mehr „Gestaltungsspielräume“ in Anspruch nehmen
kann, BVerfGE 50, 60 – „Leistungsverwaltung“; 80, 137
(Planung); 57, 295, 321f. – Rundfunk; 49, 89, 110 -
Prognosespielraum bei technischen Entwicklungen; 88, 203, 254 –
„Schutzpflichten“; 99, 165, 178 - Abgrenzung des Kreises der
begünstigten Personen).
25
7. Privatisierung des Rechts und der
Rechtsdurchsetzung (Schiedsgerichte)
Unter institutionellen Gesichtspunkten ist auch die umgekehrte
Bewegung innerhalb des Rechtssystems (die sich gegen die
Tendenz zur Ausweitung des Verwaltungsstaats vollzieht) von
großer Bedeutung: nämlich die zunehmende Verlagerung der
rechtlichen/gerichtlichen Beobachtung des vor allem
transnationalen Rechtsverkehrs von den staatlichen Gerichten zu
den – substantiell - transnationalen Regeln der lex mercatoria
und anderer autonomer Rechtsordnungen sowie – prozedural – der
selbstorganisierten Schiedsgerichtsbarkeit (Calliess 2006:
255ff.). Auch hier geht es weniger um das kollusive
Zusammenwirken bei der Interessendurchsetzung großer
transnationaler Akteure unter Vermeidung der staatlich-
rechtlichen „neutralen“ Entscheidung sondern um Reaktion auf
die auch auf der Seite des transnationalen Rechts zunehmende
Komplexität des Rechts und die Sorge, dass ein von der
staatlichen Beobachtungslogik geprägtes Gericht (allg. J. C.
Scott 1999) viel zu wenig Flexibilität und Offenheit für die
Entscheidung in komplexen transnationalen Konflikten
bereithalten kann (vgl. die Beiträge in: Teubner 1996). Man
muss hier berücksichtigen, dass privatrechtliche
Vertragskonflikte zwischen wirtschaftlichen Akteuren, die
längerfristig und regelmäßig an rechtlichen Transaktionen
beteiligt sind, auch schon in der Vergangenheit nur in den
seltensten Fällen vor den staatlichen Gerichten ausgetragen
worden sind. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass
26
solche Akteure eher an der Erhaltung langfristig stabiler
Beziehungen zu ihren Vertragspartnern gelegen ist als an der
Durchsetzung der eigenen Rechte. Dies findet seine Erklärung
auch darin, dass sie daran gewöhnt sind, in wechselnden Rollen
(z. B. als Käufer wie als Verkäufer von Produkten, als
Hersteller wie als Abnehmer von Werken und Dienstleistungen)
aufzutreten und wegen der großen Zahl von Transaktionen, die z.
B. von multinationalen Unternehmen vorgenommen werden, die
übergreifenden Interessen an der Erhaltung eines produktiven
Ausgleichsverfahrens stärker wahrnehmen als Akteure, die stets
in der gleichen Rolle auftreten.
Durch diese Auslagerung von Rechtskonflikten aus dem Bereich
der staatlichen Gerichte auf die transnationalen
Schiedsgerichte – ein Prozess, der ebenfalls eine
Erscheinungsform der Privatisierung ist – setzt innerhalb der
staatlichen Gerichtsbarkeit eine nicht unproblematische
Entwicklung fort, die den Charakter des staatlichen Rechts und
der Formen seiner Durchsetzung dadurch verändert, dass die
staatlichen Gerichte einen großen Teil der das postmoderne
Recht charakterisierenden Rechtskonflikte um
Wirtschaftsleistungen nicht mehr verfolgen und aus ihnen auch
nicht mehr lernen könnten.
Dadurch könnte sich der Trend verstärken, das Recht um seine
Komponente der Selbstorganisation einer das Recht abstützenden
Infrastruktur aus Konventionen, Verhaltensmustern und
Praxisregeln zu verkürzen. Vor den staatlichen Gerichten würden
dann primär Streitigkeiten aus dem Recht der unerlaubten
Handlungen (z. B. Schadensersatzforderungen von Personen, die
27
nicht zu den Vertragspartnern der großen Unternehmen gehören)
oder eher ein Typus vertragsrechtlicher Konflikte zwischen
kleineren und mittleren Unternehmen ausgetragen (daneben
bleiben die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten). Durch
dieses Ungleichgewicht könnte sich auch die Tendenz
verstärken, das Privatrecht stärker dem von staatlichen
Schutzpflichten bestimmten öffentlichen, d. h. staatlichen
Recht i. e. S. anzunähern.
Dies könnte insofern bedenklich sein, als damit auch der
Bereich der privaten Normsetzung i. w. S. (Standards,
Konventionen etc.) weniger in seiner produktiven,
Anschlusszwänge und Koordinationsmöglichkeiten schaffenden
Funktion als primär in seinem (nicht zu leugnenden) Dritte
gefährdenden Potential beobachtet werden könnte.
8. Das Recht und seine kognitive Infrastruktur – zur
Verknüpfung von Normativität
und Normalität
Die Funktion der Gewährleistung von „orderliness“ (Rosen 2006:
22) des Rechts und damit seiner Eröffnung von Anschlüssen an
die Zukunft wird nur partiell durch das Recht i. e. S.
gewährleistet. Es bedarf vielmehr einer ausdifferenzierten
Infrastruktur des Rechts in der Gestalt der „anonymen
Souveränität der Konventionen“, ohne die Rechtsbeziehungen
nicht stabilisiert werden können (Descombes 2004: 429ff.). (Auf
diese Ebene der mehr und mehr in nicht-staatlichen Normen
explizierten Koordination zwischen den Akteuren diesseits des
28
Rechts i. e. S. soll weiter unten in der Akzentuierung der
Standardsetzung noch näher eingegangen werden.)
Neben der Funktion der Schaffung einer Infrastruktur aus
„faktischen Normen“, die über rechtliche Rezeptionsformeln in
das Recht einbezogen werden und ohne die Rechtsbeziehungen und
die Stabilisierung von Verhaltenserwartungen nicht möglich
wären, ist auch die Bedeutung des Rechts im Prozess der
Generierung von Regeln für die Kanonisierung von Wissen, seine
Anerkennung im Einzelfall, die Bereithaltung von Vermutungs-
und Beweisregeln von erheblicher Bedeutung (Scheffer/Hannken-
Illjes/ Kozin 2009: 183). Gerade im Angesicht von Ungewissheit
bedarf es vielfach solcher Regeln, die die Chancen der
Erzeugung „glaubhaften“ Wissens verteilen. Regeln z. B. über
die Beweislast bei der Auseinandersetzung um neue Risiken haben
unter Bedingungen von Ungewissheit vielfach das gleiche Gewicht
wie eine materiellrechtliche Regel über die Haftung für
technische Unfälle. Beweisregeln können vielfach sogar an die
Stelle von Regeln in der Sache treten, insbesondere dann, wenn
es nur sehr schwer möglich ist, der Beweislast gerecht zu
werden (Brüggemeier 2006: 612ff., 618ff.). Die Verknüpfung von
Wissen und Norm wäre ebenfalls ein Gegenstand polykontexturaler
Selbst- und Fremdbeobachtung durch die Politik- und die
Rechtswissenschaft: die kognitive Dimension der
Erwartungsbildung kann von der rechtlichen nicht getrennt
werden. Erwartungsbildung setzt ein gemeinsames Wissen voraus,
also ein Wissen, das von anderen geteilt wird. Diese Erwartung
(der Teilung mit anderen) wird selbst ein reflexiver Teil des
gemeinsamen Wissens, an das normativ angeknüpft werden kann
29
(vgl. allg. Schimank 2005: 431; Suk-Young Chwe 2001: 4, 13ff.).
Rechtliche Entscheidungen erhalten dann auch ein ritualisiertes
Moment der Erzeugung von „knowledge from an asserted authority“
an (Hardin 2009: 160) – dies zeigt, dass die normative und die
kognitive Dimension im Prozess der Rechtsbildung und des
rechtlichen Entscheidens nicht getrennt werden können. Dies ist
zugleich ein Indiz dafür, dass die Umstellung der Gesellschaft
auf Zukunftsorientierung statt Traditionsbindung nicht ohne
Ambivalenzen bleibt und keine lineare kontinuierliche
Zeitlichkeit erlaubt (Honig 2009: 48).
Aber auch von den Vermutungs- und Beweisregeln abgesehen,
bedarf es eines Bestandes von Regeln und Verfahren, die im
Streitfall dazu beitragen, Entscheidungswissen zu erzeugen, auf
die das Gericht (Schiedsgericht) seine Entscheidung stützen
kann und muss. Auch in dieser Hinsicht ist Anschlussfähigkeit
für künftige Fälle erforderlich, dies ist ein Aspekt der
Gewährleistung von Erwartungssicherheit. Die kognitive
Offenheit des Rechts (Luhmann 1993: 77) wird ihrerseits im Wege
des re-entry durch normative Such- und Selektionsregeln, die
aus dem Rechtssystem stammen, überdeterminiert. Das bedeutet,
dass das Recht selbst Fakten erzeugt (Rosen 2006: 129), aber
eben nicht isoliert von normativen Anschlussmöglichkeiten und
Verfahren.
Hier liegt die Bedeutung der Standards, die in verschiedenen
Versionen (von rein privaten DIN-Normen – an deren Setzung der
Staat durch einen Vertrag mit dem DIN allerdings heute auch
mittelbar beteiligt ist – bis zu Standards, die explizit als
staatliche Rechtsnormen gesetzt werden (vgl. am Beispiel der
30
Regulierung der Kapitalmärkte zu einer Typologie S. Augberg
2003: 124ff.). Das Lehrbuchbeispiel für eine Standardsetzung
durch Gesetz ist das - eine Ausnahme gebliebene -
Benzinbleigesetz, das den Bleigehalt von Benzin festlegt.
Dazwischen liegt die ganze Variationsbreite von technischen
Normen (i. w. S.), die in Rechtsverordnungen (z. B.
verschiedene Rechtsverordnungen zum BImSchG – Elektrosmog etc.)
unter Beteiligung von privatem und öffentlichem Sachverstand
festgelegt werden, oder Verwaltungsvorschriften (ohne
unmittelbare Wirkung nach außen). Für die letzteren bedarf es
der typischen Brückenbegriffe (Schutz der Umwelt, Vorsorge9
etc.), die es erlauben, z. B. Grenzwerten in
Verwaltungsvorschriften als Varianten der „Konkretisierung“ von
Rechtsnormen auf der Tatbestandsseite rechtliche Relevanz
zuzuerkennen. D. h. der Gesetzgeber setzt ein materielles
Schutzgebot (Schutz der Gesundheit (§ 5 BimSchG) und ermöglicht
(z.B. in § 48 S. 1 BImSchG) die Festlegung von Grenzwerten, die
als eine Art „antizipiertes Sachverständigengutachten“ (BVerwGE
55, 250, 256; Breuer 1978: 28, 34; Stoll 2003: 95ff.) den
Richter von der faktischen Seite (nicht unmittelbar durch
Rechtsgebot: Einhaltung eines bestimmten Grenzwerts) binden.
Auch private Standards können eine, wenngleich abgeschwächte
Bindung (möglicherweise nur negative als untere Grenze des
Schutzes Dritter) auf dem gleichen Wege der Rezeption in das
Recht von der Tatbestandsseite her (nicht als unmittelbare
Rechtsfolgenanordnung) entfalten, wenn bestimmte prozedurale
Vorkehrungen getroffen werden (Öffnung des Verfahrens für die
Berücksichtigung der Interessen Dritter, allg. Stoll 2003: 87).9 Vg. Zur Entwicklung der „Vorsorge“ als Rechtsbegriff Wahl 2006: 73f.; Scherzberg 2004: 214, 221ff.
31
Die Austauschbarkeit dieser Formen (unmittelbare Rechtsbindung
vs. mittelbare tatsächliche Bindung; Guéhenno, Jean-Marie
(1999), L’avenir de la liberté, Paris, S. 82) zeigt, warum die
transnational gesetzten Standards so wichtig geworden sind und
warum die Frage, ob es sich dabei um Rechtsnormen handelt,
gänzlich obsolet ist. Nur die rechtliche Konstruktion der
Rechtsbindung ist unterschiedlich, der Sache besteht kein
Unterschied. Der Aufstieg der Standards hat letztlich nur eine
Phänomen sichtbar gemacht, das immer schon existiert hat,
nämlich die Abhängigkeit der Funktion der Stabilisierung von
Verhaltenserwartungen durch das Recht von der Möglichkeit der
Bildung faktischer Normalitätserwartungen (Baecker 2006: 41)10
und der Zurechnung von Risiken auf individuelles Entscheiden
(Luhmann 2003: 13, 128f.). Dies ist nicht zuletzt davon
abhängig, dass z. B. der vertraglich (in seinem Verhalten)
gebundene Partner seinerseits die Erwartung haben kann, dass er
verlässliche Partner findet, die ihm die Vertragserfüllung
ermöglichen. Damit ist wieder auf ein Netzwerk von Personen und
– von der Seite der Dinge her – die Möglichkeit der Bildung von
Kausalitätserwartungen verwiesen, d. h. die Erwartung, dass die
Umwelt sich nicht grundsätzlich und unerwartet verändert und
eine Kontinuität der tatsächlichen Verknüpfungen unterstellt
werden kann.
10 Die Verknüpfung von Recht und der Faktizität der Durchsetzung von „Normalität“ lieget auch Foucaults Konzeption der „Disziplin“ zugrunde, dieallerdings ganz auf die Unmittelbarkeit der Unterwerfung der Subjekte im Gegensatz zur eher mittelbaren Anrufung der Individuen als Rechtssubjekte, deren forum internum dem Zugriff des Rechts entzogen bleibt; vgl. dazu S. Legrand 2007: 2, 154.
32
Dieses System von Unterstellungen ist äußerst
voraussetzungsvoll. Es verweist auch auf Individuen (Personen),
die die Rechtsbindung jenseits der Tradition akzeptieren und
sich ihr gegenüber nicht taktisch oder strategisch verhalten.
Dies impliziert auch die Ausbildung eines (Rechts-)Gewissens,
das Verantwortung ohne Interessenkalkül akzeptiert.
IV. „Law as Culture“
1. Das Recht und seine „soziale Epistemologie“ – die
Konstruktion von Wirklichkeit durch Recht
Die Vorstellung einer „Rechtsperson“, auf die Rechte und
Pflichten zugerechnet werden können, kann nicht nur als
Rechtsfiktion fungieren, sie muss auch in einer
Selbstabstraktion des Individuums ihre Befestigung finden. Der
Einzelne muss sich allgemein als Adressat von Rechten und
Pflichten wahrnehmen, sonst kann die rechtliche
Bindungsfähigkeit auch innerhalb des Rechtssystems nicht
operationalisierbar werden. Dem entspricht als Pendant in der
Umwelt der Individuen
die Möglichkeit und die Notwendigkeit, ein strukturiertes
Kausalitätskontinuum beobachten zu können – und zwar sowohl im
Hinblick auf Personen, die sich rational, nach Regeln und
Mustern handelnd, beobachten lassen, als auch im Hinblick auf
die Natur und deren Selbstreproduktion nach beobachtbaren
Kausalitätsmustern (Baecker 2006: 41). Nichts davon ist
selbstverständlich. Diese Bestandteile einer kognitiven
Infrastruktur der Gesellschaft werden auch durch den
Rechtsdiskurs prozessiert, der eine Vielzahl von Anschlüssen
33
innerhalb der Selbstwahrnehmung der Individuen als
(verantwortliche) Personen (Ladeur 2007: 61) und der „sozialen
Epistemologie“ der Beschreibung ihrer Umwelt stabilisieren
muss, damit überhaupt die normative Stabilisierung von
Erwartungen ihre Abstützung in der Infrastruktur des Rechts
finden kann. Dazu gehören insgesamt die o. a. Wissens-,
Vermutungs- und Beweisregeln. Diese legen – wie oben erwähnt -
fest, wie man innerhalb von Rechtsdiskursen, insbesondere
Rechtsverfahren, Argumente mit Anschluss an die „Wirklichkeit“
konstruieren, verknüpfen und für weitere Anschlusszwänge und -
möglichkeiten offen halten kann. Nicht zuletzt deshalb ist
schon der Beginn des westlichen Rechts im Römischen Reich von
der Herausbildung einer eigenen Gruppe von Menschen bestimmt,
die als „Juristen“ (Schiavone 2009) gerade die Autonomie des
Rechts zu ihrer Profession machen. Die Evolution der „Culture
of Fact“ in England hat B. J. Shapiro untersucht und die
„Kultur“ der Faktizität mit allen Beweis- und Vermutungsregeln
akzentuiert(2000: 189ff.).
So sind z. B. bestimmte kausale Verknüpfungsmöglichkeiten, die
wissenschaftlich nicht von der Hand zu weisen sind, als nicht
anschlussfähig für rechtliche Argumente und persönliche
Zurechnungen ausgewiesen („Restrisiko“ im Technikrecht, BVerfGE
49, 89, 137 – Kalkar; Stoll 2003: 152ff.; Wahl 2006: 75),
andere können nicht dazu herangezogen werden, eine Technologie
als „gefährlich“ zu qualifizieren. Sie können aber auf einer
sekundären Ebene zur Begründung von Maßnahmen der „Vorsorge“
herangezogen werden (Stoll 2003: 324), die ihrerseits eine
eigene Struktur benötigt, die nicht in der Verknüpfung von
Kausalitätsmustern bestehen kann. Lineare, rational
34
beschreibbare Kausalverläufe sind für das Gefahrenabwehrrecht
charakteristisch, Vorsorge kann theoretisch unendlich weit
reichen, deshalb ist sie in dieser Form für das Rechtssystem
nicht brauchbar (Gollier 2001: 303; ders./Treich 2000: 229).
Deshalb hat die Rechtsprechung die Notwendigkeit der
Konstruktion eines eigenständigen nicht-linearen
Verknüpfungsmodells für die Zurechnung von Vorsorgepflichten
postuliert. Dieses Konstruktion setzt auf die Formulierung
eines „Konzepts“, das nach Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit
die Regeln einer „relationalen Rationalität“ beachtet: das
bedeutet, dass vor allem nicht primär das der einzelnen Quelle
eines Risikos zuzurechnende Schadenspotential (Ausnahme: AKW)
von Bedeutung ist, sondern z. B. die Summierung von Emissionen
(jenseits des Risikos für Einzelne) einerseits und der mögliche
Gesamteffekt einer Belastung andererseits (z. B.
Schadstoffbelastung durch alle Kohlekraftwerke) heranzuziehen
und mit einer bestimmten Relation von (Vorsorge-)Aufwand und
möglichem Ertrag zu verknüpfen ist.
Dazu gehört auch der immanente Vergleich mehrerer Risiken
(Breuer 1990: 211): Welcher Aufwand wird für die Erhaltung von
Menschenleben auf verschiedenen technologischen Pfaden
betrieben? Lassen sich große Unterschiede (die tatsächlich zu
beobachten sind) rechtfertigen? Hier kommt es nicht darauf an,
die Dogmatik des neueren Umweltrechts nachzuzeichnen, sondern
es geht eher um die Folgen der zunehmenden Steigerung der
Komplexität der Umwelt des Rechts, die die Anforderungen an die
kognitive Infrastruktur des Rechts erheblich steigern, zunächst
aber eine Abhängigkeit erst sichtbar macht, die mit der
Beschreibung des Rechts als kognitiv offen (Luhmann 1993: 77)
35
nur unzulänglich beschrieben wird: Das Rechtssystem benötigt
seine eigene „soziale Epistemologie“ (Rheinberger 2005; 2007:
117; 2007a:), deren Selektivität ein Pendant bildet zu den
rechtlichen Abstraktionen der Person, der Handlung, des
Vertrages etc. Der Zurechnung von Handlungen auf Personen
(Luhmann 2005: 128; Vertrag, unerlaubte Handlung etc.)
entspricht zugleich eine Folgenentlastung: der Arbeitgeber kann
nicht verantwortlich sein für die Folgen der Arbeitslosigkeit
entlassener Arbeiter, die auch vom Verhalten (oder Unterlassen)
anderer abhängt. Man würde sonst überdies einen antizipierenden
Anreiz schaffen, möglichst wenig Personal zu beschäftigen. Die
Zurechnung von Schäden setzt nach den liberalen
Rechtskonstruktionen das Handeln einer Person und eine davon
bestimmte Selektivität der kognitiven Konstruktion von
Kausalitäten voraus, die so wenig von rechtlichen
Anschlusszwängen entkoppelt ist wie umgekehrt der Rechtsbegriff
der Sorgfaltspflichtsverletzung nicht von der Beobachtung der
sozialen Praktiken (die die Erfahrungen begründen) unabhängig
sein kann. Ein wenig beachtetes Beispiel für die Bedeutung
sozialer Konventionen zur Bindung von faktischer Ungewissheit
ist das Schulverhältnis: Während hier die Beurteilung der
Angemessenheit von Entscheidungen über Versetzungen,
disziplinarische Maßnahmen (einschließlich der faktischen
Richtigkeit der zugrunde liegenden Annahmen) trotz formal
ähnlicher rechtlicher Bindung des Staates zB in den sechziger
Jahren so gut wie nie Gegenstand verwaltungsgerichtlicher
Kontrolle geworden sind, weil dem Schulsystem von Eltern wie
Gerichten ein hohes Vertrauen entgegengebracht wurde, lässt
sich in den letzten Jahren eine inflationäre Zunahme von Klagen
36
vor Verwaltungsgerichten feststellen Rux 2002: 423; allg.
Niehues/Rux 2006). Selbst in Fällen, in denen die
Angemessenheit z. B. einer Sanktion (Verweisung von der Schule)
angesichts sich der Schwere des Verstoßes sich aufdrängt11,
wird von Eltern immer häufiger unter Berufung auf das
Persönlichkeitsrecht des Schülers eine individualisierte
„pädagogische“, d. h. nicht rechtlich formalisierte
„Behandlung“ unter Berufung auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip
verlangt oder die Feststellung des Sachverhalts bestritten,
weil der Wert der Zeugenaussage eines Lehrers in Frage gestellt
wird. (Auch hier zeigt sich die Ambivalenz der Verrechtlichung:
Hier handelt es sich eher um einen paradoxen Prozess, innerhalb
dessen das Recht des Einzelnen auf Durchsetzung seines
Verständnisses der Persönlichkeitsentfaltung gegen das Recht
der Institution in Stellung gebracht wird.)
Die Schule ist auch ein Konfliktfeld, an dem sich zeigen lässt,
wie durch eine neue Kommunikationstechnologie die Trennung von
Teilöffentlichkeiten und die Unterschiede ihrer
Kommunikationsregeln einer disruptiven Veränderung ausgesetzt
wird: In der Vergangenheit waren Lehrer (fast) grenzen- und
11 Vgl. etwa den Fall der Verweisung eines 17 –jährigen Schülers von der Schule (Gymnasium), der das Haus eines (wegen dieser Eigenschaft!) schon öfter – auch von ihm - „gehänselten“ jüdischen Mitschülers mit einer Horde betrunkener „Kameraden“ heimgesucht und dort randaliert hatte: dass die Eltern des Schülers diese Maßnahme vor dem Verwaltungsgericht unter Berufung auf die Unverhältnismäßigkeit angegriffen haben, da – trotz der Vorgeschichte! - nicht sicher gewesen sei, dass es sich um einen antisemitischen Vorfall gehandelt habe, ist kein Einzelfall, sondern eher charakteristisch für ein neues Denken der Eltern, das die Rechte der Institution Schule im Angesicht des Rechts auf Entwicklung ihrer Kinder negiert (der VGH Mannheim hat allerdings die Klage (erst in zweiter Instanz!) abgewiesen, Beschl. V. 4.8.2009 (Az. 9 S 1077/09 und 1078/09). Der Fall ist auch ein Beispiel für das Zusammenwirken der faktischen (Beweis?) und der rechtlichen Komponenten („Verhältnismäßigkeit“) rechtlichen Entscheidens.
37
schutzlos dem Klatsch ihrer Schüler ausgesetzt. Neuerdings
berufen sich Schüler, die sich in den „sozialen Netzwerken“ des
Internet – teilweise in äußerst brutaler Form – mit ihren
Lehrern auseinandersetzen auf ihr Recht auf „Datenschutz“, auch
wenn die Inhalte (relativ) frei zugänglich sind (vgl. Ladeur
2009): Hier wird ein Problem, das früher durch den Unterschied
von mündlicher und medialer Kommunikation entrechtlicht worden
ist, zu einem Rechtsproblem, während zugleich ein „common
knowledge“ für die hybride Form der Kommunikation im Internet
weder vorausgesetzt noch (wahrscheinlich) durch Recht als
„knowledge from asserted authority“ (Hardin 2009: 160)
stabilisiert werden kann. Recht kann hier nur ein „Management“
unterschiedlicher Regeln betreiben, ohne dass
Erwartungssicherheit eintritt. Dies gilt auch für viele andere
Konflikte im Bereich der Schule, in denen „Verrechtlichung“
eher auf den Versuch der Abspannung von unlösbaren Konflikten
zwischen individueller Selbstdarstellung und einer unsicheren
institutionellen Rationalität der Regeln hinausläuft.
Zusammenfassend könnte man mit L. Rosen (2006) unterstellen,
dass das Recht jenseits der Konstruktion von Rechten und
Pflichten einen „sense of orderliness“ (22) erzeugt und damit
die Möglichkeit der Zurechnung von Verantwortung jenseits der
engeren dogmatischen Konturierung von Rechten und Pflichten
durch Rechtsdogmatik durch eine Infrastruktur aus rechtlich
kanonisierten Kausalitäten, Wahrscheinlichkeitsannahmen,
Vermutungs- und Wissensregeln, Standards und Mustern abstützt.
2. Der Wandel der Realitätskonstruktion des Rechts
38
Damit wird auch ein bestimmtes Verhältnis der Individuen zur
Welt begründet: „The legal creation of facts thus summarizes
and stimulates our sense of reality“ (Rosen 2006: 93). Dies
führt noch einmal auf den Gegenstand der normativen Sicherung
von Verhaltenserwartungen zurück, der sich bei näherem Hinsehen
nicht als so stabil erweist, wie dies durch die Formulierung
nahegelegt werden könnte: denn „the ‚certainty’ of the law
depends on the ‚uncertainty’ of its basic concepts’ (Gluckman
2004: 206; Rosen 2006: 92). Die offene Textur des Rechts
erlaubt erst die Anpassungsfähigkeit unter den Bedingungen der
permanenten Selbsttransformation der Gesellschaft. Das Recht
ist deshalb eher eine Institution, durch die die Gesellschaft
die Anschlussfähigkeit ihrer sozialen Formen der Koordination
beobachtet. Wie Clifford Geertz formuliert hat, fungiert das
Recht „not so much as a device or mechanism to put things back
on track, when they have run into trouble, but as itself a
constructive element ‚within culture’, a style of thought,
which in conjunction with a lot of other things equally within
culture ... lays down the track in the first place“. (1996:
35). Eine der Möglichkeitsbedingungen der Moderne ist „a new
vocabulary of probability ..., one that spanned multiple
domains and, like any really powerful cultural concept, knit
those domains together in a distinctly ‚modern’ form of common
sense“ (Rosen 2006: 90; Shapiro 1983: 272). Das Recht ist stets
von der Ambivalenz der „Ordnungsorientierung“ der bürgerlichen
Lebensformen bestimmt, eine – letztlich unmögliche – Balance
zwischen „Grenzstabilisierung“ (z. B. die Referenz auf die
Normalität der Erfahrung und ihre Verknüpfung mit der
39
Stabilisierung der Erwartungen an das zukünftige Verhalten der
anderen mit der permanenten Bereitschaft zur
„Grenzüberschreitung“, die sich unter Bedingungen der
Ungewissheit (Heidbrink 2007) als unumgänglich erweist
(Reckwitz 2008: 208) und das scheinbar mit sich selbst
identische Individuum dazu anruft, im differentiellen Prozess
seiner Selbst- und Fremderzeugung zu navigieren (Kaufmann 2008:
51).
Die Infrastruktur des Rechts verändert sich nicht nur mit der
Entstehung und Verbreitung neuer Technologien (einschließlich
der Informationstechnologien) sondern auch mit der – davon
nicht unabhängigen – Globalisierung. Die transnationalen Normen
sind ein Ausdruck der Notwendigkeit, die „soziale
Epistemologie“ des Rechts an die Ubiquität der globalen
Rechtsbeziehungen anzupassen. Auch dieser Entwicklung wird eine
Fixierung der Politikwissenschaft auf „compliance“ (s. o.) in
globalen Rechtsverhältnissen (jenseits der
Sanktionsmöglichkeiten) nicht gerecht: Jenseits der
Möglichkeit, Qualitäts- und Leistungsmerkmale vergleichen zu
können, geht es auch um die globale Durchsetzung einer
rechtlichen Weltsicht, einer Infrastruktur aus Erwartungen,
Standards, Verhaltensmustern, die erst ein Weltrecht
ermöglichen kann. Die einseitige Fixierung auf die Durchsetzung
westlicher Interessen (insbesondere) gegenüber
Entwicklungsländern würde diesen grundsätzlichen Aspekt der
Durchsetzung allgemeiner Verantwortungs-, Zurechnungs- und
Wissensregeln verfehlen.
Die genauere Beobachtung des Verhältnisses des Rechts zu seiner
ausdifferenzierten kognitiven Infrastruktur eröffnet auch eine
40
neue Perspektive auf die Evolution des Rechts auf dem Weg von
der Moderne zur Postmoderne (dazu unten) sowie die Entwicklung
des Sozial- und Interventionsstaats insbesondere. Wenn jenseits
des klassischen liberalen „Ordnungsstaates“, der vor allem an
der Stabilisierung von Regeln, Verhaltensmustern und einer
stabilen „Wissensordnung“ orientiert war, „Zufälle“ durch die
Entwicklung von Statistiken, von Versicherungen, von
Finanzmärkten und ihren neuen Instrumenten und Institutionen
berechenbar erscheinen, muss diese Entwicklung auf der Seite
des Staates ihre Entsprechung darin finden, dass der einzelne
sich selbst und sein Leben im Hinblick auf die Folgen der
Selbsttransformation der Gesellschaft als „Versicherungsfall“
wahrnimmt und mit Ansprüchen auf Versicherungsleistungen dem
Staat gegenübertritt. Damit verändert sich auch die
Selbstwahrnehmung des einzelnen (Ladeur 2007: 61), der vom
Staat den Ausgleich der Kosten verlangt, die mit den Zwängen
zur Selbstveränderung verbunden sind. Während das Privatrecht
vom Einzelnen die Herausbildung einer abstrakten Person
verlangt, die auf das Prozessieren ihrer selbst in den
Netzwerken der Rechtsbeziehungen eingestellt ist, ermöglicht
die Entwicklung des Sozialstaats dem einzelnen die Einnahme
einer konträren Haltung, nämlich die Bereitschaft sich selbst
als Opfer der Gesellschaft und ihrer Zwänge zu definieren
(Gauchet 2009: 133). Dadurch entsteht eine widersprüchliche
Form der Individualität, die die Freiheit der Selbstbestimmung
als Selbstermächtigung zum Anspruch auf Hilfe ummünzt.
Dies spricht nicht gegen „Sozialleistungen“, aber vor allem die
Expansion des Sozialstaats auf der Zeitachse (mehrere
Generationen des Sozialrechts und seiner Abstimmung auf
41
insbesondere das Zivilrecht) und der Mechanismus der
umfassenden Reflexivität des Sozialrechts, das überall eine
Verantwortung des Staates für einen „Versicherungsfall“ sehen
kann (vom Lohnrisiko zur Kompensation für „schlechte
Leistungen“ in der Entwicklung der eigenen Person bis hin zum
„Widerstand“ gegen Hilfe als Gerechtigkeitsproblem). Damit
werden neue komplexe Kausalitäten aufgenommen, auf die das
Recht schlecht vorbereitet ist – wenn dies überhaupt mit dem
Recht kompatibel ist, das immer mit einer Fähigkeit zur
Selbstabstraktion von Traditionen oder neuen faktischen
Abhängigkeiten rechnen muss. Die schematische Entgegensetzung
der Freiheit des Individuums und der Vorstellung des
(Rechts-)Gesetzes als Grenze dieser Freiheit hat die Bedeutung
der nicht-rechtlichen Regeln als Träger des sozialen
Gedächtnisses (Kaufmann 2008: 80f., 88f.; Revault d’Allonnes
2006: 250ff; Ladeur 2007a: 391) zurücktreten lassen – und in
der postmodernen Gegenwart in der ahistorischen
individualisierenden Form der sozialen Rechte auf Anerkennung
und Hilfe zur Identitätsbildung der Individuen in Anschlag
gebracht (Rey 2006).
Der amerikanische New Deal hat sich auch in seiner
experimentellen Veränderung des liberalen Modells gerade dort
erwiesen, wo er durch neue Institutionen (basale
Sozialversicherung, Finanzmarktkontrolle etc.) mehr Optionen
für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber geschaffen hat und nicht
unmittelbar „Armut“ bekämpft hat (Kennedy 2009: 251, 254).
3. Der Zerfall der „Einheit der Rechtsordnung“ als
Problem der gesellschaftlichen
42
Selbstorientierung
Auch die verschiedenen Erscheinungsformen der Überkomplexität
des Rechts und seiner Bewältigung durch Aufgabe des Anspruchs
auf Erhaltung der „Einheit der Rechtsordnung“ (Felix 1998), ein
Topos, der ebenfalls auch der kognitiven Selbstorientierung des
Rechts durch Erhaltung multipler Anschlußmöglicheiten für neue
Rechtskonstruktionen dient, wären ein Gegenstand der rechts-
wie der politikwissenschaftlichen Beobachtung. Dieses Phänomen
ließe sich in der Terminologie des SFB auch als „Ausfransung“
des staatlichen Rechtssystems beschreiben. Das Recht leistet
seinen Beitrag zur Erhaltung der kulturellen Selbstorientierung
der gesellschaftlichen Akteure, indem es Sinn auch jenseits der
einzelnen Rechtsakte und Zurechnungen erzeugt und das Erleben
gesellschaftlicher Erfahrungen als rational geordnet und
konsistent erlaubt (Rosen 2006: 170 f.). Das Recht stabilisiert
nicht unmittelbar Erwartungen von Individuen sondern primär die
Möglichkeit der Bildung von Erwartungen als Voraussetzung des
strukturierten Lernens und der Bildung von Erfahrung (Lefebvre
2008: 15). Entscheidungen von Individuen und Organisationen
folgen nicht primär einem rationalen Kalkül von Interessen und
Ressourcen sondern bilden sich auf der Grundlage von
„collective digests of acquired experience – i.e. rules – and
by ‚devices’ which refer to cases where such rules are
temporarily or lastingly inscribed in particular objects and,
more generally, to all objectifications of conventions“
(Reynaud/Richebé 2009: 3, 8f.).
43
Eine staatliche Erscheinungsform der Pluralisierung des Rechts
ist von der Evolution des Rechts bestimmt: Der „Rechtsstaat“,
der den Staat des klassischen Liberalismus geprägt hat, hat
sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Dieser
Wandel hat dem Staat einen großen Teil seiner Stabilität
genommen12, zugleich aber seine Handlungsformen und -
möglichkeiten erheblich vermehrt. Vor allem der Übergang vom
Interventionsstaat, der die Selbstorganisation der
Gesellschaft, ihre spontane Normbildung, ihre „soziale
Epistemologie“ als Normalitätsrahmen vorausgesetzt und darauf
die Konturierung des Verwaltungsakts als (primär) Störungen als
Abweichungen von der sozialen Norm bezogen hatte, zum modernen
Leistungs- und Steuerungsstaat (Franzius 2006: 335; zur Kritik
O. Lepsius 1999; I. Augsberg 2009: 11) und schließlich zum
postmodernen „Gewährleistungsstaat“ (Schuppert 2008: 325; Wahl
2006: 83) hat auch die Rechtsstaatlichkeit so grundlegend
verändert, dass man auch den Begriff des „Rechtsstaats“ kaum
mehr als übergreifenden Begriff für die Beschreibung einer
Vielzahl heterogener Rechtsphänomene benutzen kann. Auch hier
stellen sich neue Probleme in einer Rechtsstruktur, die nicht
mehr den Eindruck von Einheit und Homogenität sondern der
Hybridisierung der Konstruktionen (die bisher Unvereinbares
miteinander verknüpfen) und der Pluralität der Rechtsordnung
erzeugen (nicht nur auf der Ebene der Globalisierung sondern
auch innerhalb des staatlichen Rechts).
Dieser grundlegende Wandel ist durch die
„Konstitutionalisierung“, d. h. durch die scheinbare12 Die „Stabilität“ des Rechtsstaats ist allerdings ihrerseits zunächst Gegenstand politischer Kontroversen gewesen – die Konfliktualität ist in den Begriff des Normalitätsrahmens von vornherein impliziert, vgl. historisch Ogorek 2008: 210.
44
Kontinuität der Grundrechtsbindung („Ergänzung“ der
abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte um weitere
„Dimensionen“ (objektiv-rechtliche, Leistungsdimension,
Schutzpflichten, vgl. Wahl 2006: 35f.) in der
Rechtswissenschaft überspielt worden, dies gilt vor allem für
den Wandel der „sozialen Epistemologie“: das Wissen des Staates
nimmt in einer neuen Form den Vorrang vor dem in der
Gesellschaft durch Selbstorganisation aggregierten Wissen an.
Der Staat wird damit letztlich selbst zum „Grundrechtsträger“
und nimmt damit eine Stellung ein, von der er nach den
klassischen rechtsstaatlichen Vorstellungen grundsätzlich
ausgeschlossen war.
Auch dieses Phänomen lässt sich mit dem Terminus „Zerfaserung“
durchaus angemessen beschreiben (Leibfried/Zürn 2006: 11,
12f.). Privatisierung und Globalisierung haben nicht die Zahl
der staatlichen Aufgaben verringert sondern sie im Gegenteil
einerseits vermehrt, andererseits aber die „soziale
Epistemologie“ des staatlichen Handelns, die kognitiven
Voraussetzungen und Erwartungen der staatlichen Gesetzgebung
erheblich komplexer werden lassen. Dies lässt sich am Beispiel
der Veränderung des allgemeinen Gesetzes zeigen: die
Allgemeinheit des Gesetzes zeigt sich nicht primär an der
Allgemeinheit des Adressatenkreises sondern vielmehr daran,
dass diese Gesetzesform die Allgemeinheit der Regeln der
Selbstorganisation der Gesellschaft voraussetzt: es zieht die
Schranken, die dem allgemeinen Nutzen der bürgerlichen
Freiheiten und der Selbstkoordination der Bürger durch die
selbstorganisierten Verkehrsregeln zur Durchsetzung verhelfen
(Jaume 2000). Die modernen und postmodernen Formen der
45
Gesetzgebung zeichnen sich demgegenüber nicht zuletzt dadurch
aus, dass sie mehr und mehr die Verwaltung als ihren Adressaten
haben (Jaume 2000: 343, 353f.). D. h. das von der Verwaltung
verfolgte Interesse stützt nicht mehr die soziale
Selbstorganisation und die spontane Koordination durch
gesellschaftliche Regeln ab sondern zielt darauf, diese Regeln
zu verändern oder die Verfolgung selbstgesetzter Ziele des
Staates zu ermöglichen. Dies ist das Element der
Staatsbeschreibung, das im SFB „Staatlichkeit im Wandel“ als
„Interventionsstaat“ beschrieben wird. Es wird noch zu zeigen
sein, dass diese Veränderung des Staates auch die Veränderung
der kognitiven Infrastruktur des Staates voraussetzt. Die
Eingriffstiefe steigt und wird zugleich von den neuen
Ressourcen privater Akteure abhängig, die durch den Aufstieg
der Organisationen erzeugt und verfügbar werden – die mehr und
mehr die Adressaten staatlichen Handelns werden. Die Stabilität
der Organisationen (große Unternehmen), die ihre Umwelt
strategisch überdeterminieren (anders als ein kleines
Unternehmen). Dies gilt etwa für die Sozialgesetzgebung, aber
auch für die Gesetzgebung zur Regulierung von Technologien und
die Generierung der dazu erforderlichen Wissensinfrastruktur
(zu den Grenzen der Ökonomisierung rechtlicher Regulierung der
Umweltnutzung Perez 2008).
Während die normalisierende Infrastruktur des Rechts, die aus
Konventionen und spontan erzeugten Regeln bestand, zunächst in
privaten Normierungen (allgemein anerkannte regeln der Technik
oder des Bauens) bestand, ein Phänomen, das auch als „club
government“ bezeichnet worden ist (Moran 2003: 33f.), hat sich
später „Regulierung“ – wiederum in mehreren Abstufungen
46
(Selbstregulierung, reulierte Selbstregulierung, staatliche
Regulierung) – entwickelt, die von vornherein auf einer
Kooperation wischen dem Staat und großen Organisationen bestand
(Ogus 2009, 337).
IV. Die Evolution des Rechts seit dem Ende 19.
Jahrhunderts
1. Die Transformation des Rechtssystems und seiner
kognitiven Infrastruktur
Nach der „Gesellschaft der Individuen“ (Elias 2007) die
„Gesellschaft der Organisationen“ (Ladeur 2006: 111 f.), nach
der „Gesellschaft der Organisationen“ die „Gesellschaft der
Netzwerke“ (Castells 2001)! So ließe sich zunächst
schlagwortartig die Selbsttransformation der Gesellschaft in
den westlichen Ländern der letzten 150 Jahre beschreiben. Daran
ließe sich auch eine Historisierung der Evolution des Rechts
anschließen, die diesem Strukturwandel entspräche. So wenig
diese Beschreibung die Verdrängung des einen Modells durch das
folgende nahe legt, so wenig gilt diese Annahme auch für die
Rechtsentwicklung: Es entsteht vielmehr ein komplexes
„Mehrebenensystem“, doch nicht nur das! Es geht in einer
normativen Perspektive um die sekundäre bzw. tertiäre
Remodellierung des Rechts der „Gesellschaft der Individuen“,
die zugleich nach komplexen „Kollisionsregeln“ (Fischer-
Lescano/Teubner 2006: 7 ff., 57 ff., 127 ff.; Joerges 2007:
719; Vesting 2004a: 66) verlangt, die die unterschiedlichen
Rechtsstrukturen und –schichten aufeinander abstimmen und
zugleich den Wiedereintritt (re-entry) von Regeln der ersten
47
Stufe in eines der Regimes der folgenden Stufe erlauben. So
gehört im Bereich des Staatsrechts das Parteienrecht nach Art.
21 GG dem Recht der „Gesellschaft der Organisationen“ zu,
während das freie Mandat des Abgeordneten eines der Regimes der
„Gesellschaft der Individuen“ ist, allerdings tritt es in der
Remodellierung des Parteienrechts der „Gesellschaft der
Organisationen“ als Variante des Minderheitenschutzes in das
Rechtsregime des Parteienstaates wieder ein. (BVerfGE 20: 56;
Grimm 1994: 429).
Das Paradigma des allgemeinen Gesetzes, das den
Handlungsmöglichkeiten des Bürgers Schranken setzt, bilden im
19. Jahrhundert paradoxerweise vor allem die Generalklausel des
Polizeirechts und die davon abgeleiteten ordnungsrechtlichen
Normen. Auch dies sind Normen, die alles andere als bestimmte
Verhaltenserwartungen formulieren. Im Gegenteil! Die beinahe
wortgleich gebliebenen Normen, die unter dem Absolutismus die
Präponderanz der „Polizeywissenschaft“, des besonderen
privilegierten staatlichen Wissens, die Ermächtigungsgrundlage
für Eingriffe in die Gesellschaft waren (Bohlender 2001: 247),
werden durch die Evolution der Rechtsprechung (auf der
Grundlage des politischen und gesellschaftlichen Wandels in der
liberalen Ordnung) umkodiert und dadurch grundlegend verändert:
Nach dem berühmten Kreuzberg-Urteil des preußischen
Oberverwaltungsgerichts (Preußisches OVG AS 9: 353) konnte als
„polizeiliche Gefahr“ nur noch die (schädliche) Abweichung von
einem „normalen (!) Bestand“ von Rechtsgütern angesehen werden.
Jedes dieser Worte ist beziehungsreich: Wichtig ist aber vor
allem die Vorstellung einer Normalität, die weitgehend von den
48
Erfahrungen und Erwartungen der Bürger, d.h. des „Verkehrs“ in
dem oben genannten Sinne bestimmt wird und sich vom
absolutistischen, staatsfixierten Wohlfahrtsdenken deutlich
unterschied. Die „Schadensgrenze“ (Urbinati 2002: 134, 168 f.),
die allgemein das Verhältnis von bürgerlicher Freiheit und
Staat determiniert und erst dadurch der Freiheit Konturen
verleihen konnte, wird ebenfalls auf ein Normalitätsverständnis
bezogen, das vor allem von der Gesellschaft selbst und ihren
Erfahrungen beherrscht wird. Das Recht als Bestand von expliziten
Normen benutzt einzelne Streitfälle nur dazu, die impliziten
Normen der bürgerlichen Gesellschaft zu beobachten und von Fall
zu Fall auf ihre Haltbarkeit, d.h. vor allem im Hinblick auf
die Erfahrungen und die Notwendigkeit des Lernens zu prüfen,
ggf. zu variieren und zu stabilisieren. Diese
Selbstorganisation des Erfahrungsaustauschs in verschiedenen
technischen und kommerziellen Feldern hat der Staat als
Verwaltung seinerseits ausdrücklich gefördert, insbesondere im
Interesse der Erweiterung des Lern- und Beobachtungsraumes über
die regionalen Selbstbegrenzungen hinaus durch Anregung zur
Bildung von „Vereinen“ (TÜV, VDI etc.), in denen ein
überregionaler Erfahrungsaustausch praktiziert worden ist
(Strecke 2002; Wolf 1986). Dies gilt insbesondere für Probleme
der technischen Sicherheit (welche Druckgefäße waren als
„gefährlich“ anzusehen? Welche Bauweisen, welche Baumaterialien
waren akzeptabel?).
2. Das Rechtssystem der „Die Gesellschaft der
Organisationen“
a. Der Wandel der kognitiven Infrastruktur: Die Dynamisierung des
49
Expertenwissens
Das Ordnungsmodell der „Gesellschaft der Individuen“, das auch
Organisationen als Sonderfall des Individuums behandelt hat
(z.B. Gesellschaftsrecht als Recht der „juristischen Person“)
ist durch das Recht der „Gesellschaft der Organisationen“ einem
Remodellierungsprozess unterworfen worden. Dieser Prozess
vollzieht sich über einen längeren Zeitraum mit der
Herausbildung von großen Unternehmen der Massenproduktion, von
Verbänden, die gemeinsame Interessen an den Staat adressieren
und systematisch gesellschaftliche Konventionen reformulieren
(Standards, AGB), neue Institutionen der Risikobewältigung
entwickeln (private und öffentliche Versicherungen),
staatliches Regulierungsrecht, das auf die Fragmentierung der
gesellschaftlichen Wissensgenerierung reagiert, die großen
technischen Systeme (Elektrizität, Verkehr, Telefon etc. (dazu
Hughes 1983), und schließlich die Entwicklung einer besonderen
„Sphäre des Öffentlichen“ (Rinken 1971; Preuß 1969), der Wandel
des Staates zum Sozialstaat als „gesellschaftlichem Staat“
(Ridder 1960; kritisch Forsthoff 1971).
Darauf soll hier nur in knapper Form eingegangen werden, weil
auch dies nur die Folie sein kann, auf der der Übergang zum
Recht der „Gesellschaft der Netzwerke“ Konturen gewinnen kann.
Charakteristisch für diese neue Rechtsschicht erscheint
innerhalb des hier unterstellten Evolutionsmodells, dass das
Wissen expliziert und seine Reproduktion stärker reflektiert
sowie organisiert wird (Vec 2006). Damit verändert sich auch
die kognitive Infrastruktur des Rechts. Das heißt, neue
Strategien des Staates, die Herausbildung private
50
Organisationen und Verbände sowie korporatistische privat-
öffentliche Formen der Kooperation steigern die Möglichkeiten
innerhalb des Variationspools der Gesellschaft. Die spontane
distribuierte gesellschaftliche Erfahrung, an der eine Vielzahl
von Akteuren beteiligt ist, wird mehr und mehr infolge einer
Dynamisierung der Wissensproduktion durch das Expertenwissen
überlagert, das systematisch in Organisationen (nicht mehr
spontan in der Gesellschaft) erzeugt wird. Dabei geht es
insbesondere um ein technologisches Wissen, aber auch um das
systematische Operieren mit statistischen
„Gruppenwahrscheinlichkeiten“ (Versicherungsmodelle; dazu Ewald
1993), die systematisch reflektiert werden, und die
Verwissenschaftlichung der Arbeitsteilung. Die Veränderung der
„sozialen Epistemologie“ , die mit dem Aufstieg der
Organisation (zu Lasten der Individuen und der klassischen
modernen „culture of fact“ (B. J. Shapiro) einhergeht , führt
auch zu einem „reframing of technology“ (Mandel 2005: 117,
176): die Organisation und die gesellschaftliche Gruppe als
Träger des technologischen Wissens bringen neue Verfahren, neue
Identitätsbildungen, neue Formen der Abgrenzung und der
sekundären Kompromissformen hervor. Dies geht verloren in der
Fixierung auf den technologischen Charakter des Sachverstands
einerseits und andererseits die darauf antithetisch bezogene
Forderung nach rationaler Deliberation, die die
Eigenrationalität des organisierten Wissens ignoriert. Weder
die Technologie noch die rationale Deliberation sind von den
Bedingungen der organisierten Wissensproduktion unabhängig.
b. Der Aufstieg der „Steuerungsgesetze“
51
In der Rechtsform schlägt sich diese Transformation des Rechts
in einer Vielzahl von „Schutzgesetzen“ des Arbeitsrechts, des
Wettbewerbsrechts, des Verbraucherschutzes (Zumbansen 2000)
sowie in einer Vielzahl von „Steuerungsgesetzen“ nieder, die
früher in Unterscheidung vom allgemeinen Gesetz
„Maßnahmegesetze“ (Hofmann 1995: 260; Menger/Wehrhahn 1957)
genannt wurden. Aber wie oben am Beispiel des allgemeinen
Gesetzes gezeigt worden ist, lassen sich das Recht und eine
Infrastruktur aus kognitiven Regeln, Praktiken,
Handlungsmustern, Erwartungen etc. nicht trennen. Das
allgemeine Gesetz ist weitgehend ein Mythos gewesen: Seine
Allgemeinheit wird nicht primär auf der Ebene der expliziten
Normativität bestimmt, sondern vielmehr über den
Verweisungszusammenhang mit der „anonymen Souveränität der
Konventionen“ (Descombes 2004: 429 ff.), die in den
gesellschaftlichen Selbstorganisationsprozessen hervorgebracht
werden. Mit der Auflösung der Stabilität des Verhältnisses von
Gesetz und Erfahrung vollzieht sich der Aufstieg von
Zweckgesetzen13, der deshalb auch genauer durch den
Zusammenhang mit dem Aufstieg des organisierten und
reflektierten Expertenwissens (Vec 2006; Théry 2001)
charakterisiert werden kann. Insbesondere der Aufstieg des
technologischen Wissens und der organisierten Massenproduktion
verändert den Charakter des Rechts, dadurch entwickelt sich ein
prägnanter Bezug des Rechts auf strategische
Handlungszusammenhänge und Handlungsketten organisierter13 In Niklas Luhmanns Terminologie handelt es sich um eine Variante der „Zweckprogrammierung“ statt der „konditionalen Programmierung“ (1993: 195 ff., 198 f.), obwohl beides nicht identisch sein muss: das „Maßnahmegesetz“kann seinem Wortlaut nach auch das wenn/dann-Muster reproduzieren.
52
Akteure, die längerfristig tragfähige Handlungsmuster und
Koordinationsformen entwickeln. Im Zivilrecht lässt sich das am
Beispiel der Haftung der Produzenten belegen: Komplexe
technische Produktionsprozesse (selbst bei relativ einfachen
Produkten) sind an einem einfachen Maßstab der Fahrlässigkeit
nicht mehr sinnvoll auf die Zurechenbarkeit von z. B.
gesundheitlichen Risiken zu beobachten und zu bewerten. Nach
den üblichen Wissens- und Beweisregeln müsste beinahe jeder
Anspruch wegen Verletzung der Gesundheit durch den Gebrauch
eines Produkts an Beweisproblemen scheitern. Dies war früher
anders, weil einfache Produktionsprozesse von außen, ggf. unter
Zuhilfenahme von Sachverständigen, relativ leicht beobachtbar
waren; übrig blieben „Zufälle“ (vgl. zu diesem Grenzbegriff
Meder 1993), die keine Haftung auslösen. Unter den veränderten
Produktionsbedingungen hat sich eine Ausdifferenzierung der
Haftung entwickelt, zunächst durch die Rechtsprechung, dann
durch Gesetz (Produkthaftungsgesetz), das die Intransparenz der
organisierten und spezialisierten Produktion für die allgemeine
Erfahrung insbesondere durch Beweislastumkehr berücksichtigt
(Brüggemeier 1999: 231 ff.). Daneben hatte die Rechtsprechung
die komplexeren Informationsverarbeitungsprozesse in modernen
Produktionsverfahren z.B. durch Warnpflichten erweitert (BGHZ
116: 60 - Milupa), denen die Annahme zugrunde liegt, dass
Unternehmen systematisch strukturierte Strategien der
Wissensgenerierung entwickeln müssen, um dem
Fahrlässigkeitsmaßstab zu genügen. Das heißt: hier lässt sich
beobachten, dass die normative Komponente der Bewertung ihres
„Verkehrs“ eine reflexive Dimension enthält und Pflichten zur
Erzeugung von Informationen formuliert werden, weil angesichts
53
der Fragmentierung der Produktionsprozesse und des
Produktionswissens nicht mehr davon ausgegangen werden kann,
dass eine geteilte gemeinsame Erfahrung der Bewältigung von
Risiken entstehen kann. Es entwickelt sich eine Spaltung des
praktischen Wissens in einen dynamischen organisierten Teil und
einen Teil, der nach wie vor von der Spontaneität der
distribuierten Erfahrung bestimmt wird. (Es liegt auf der Hand,
dass ein Kleinbetrieb keine systematische Beobachtung des
Marktes im Hinblick auf Risiken des Gebrauchs der erzeugten
Produkte betreiben kann.) Im öffentlichen Recht kann vor allem
das Sozialrecht genannt werden, das für typische „soziale
Lagen“ finanziellen Leistungen u.a. „Hilfen“ gewährt und damit
stillschweigend das Konzept der Subjektivität selbst verändert
(Kingreen 2003 ; Glazer 1990; Ladeur 2007).
Eine exemplarische Variante des technologisch bestimmten
Rechtswandels der „Gesellschaft der Organisationen“ bildet das
Umweltrecht, soweit es insbesondere technologische Standards
zur Spezifizierung eines „Vorsorgekonzepts“ setzt (Stoll 2003:
71 ff.; Godard 1997). Hier hat sich ebenfalls eine strategische
Komponente durchgesetzt, die das Recht auf die systematische
Generierung neuen Wissens einstellt, da das spontan entstehende
Erfahrungswissen für die Bewältigung neuer Umweltrisiken nicht
ausreicht. Dieses organisationsbezogene reflexive Recht muss
strategisch insofern mit der Möglichkeit der Selbstrevision
rechnen, da innerhalb und zwischen Organisationen ebenfalls auf
die Entstehung von Informationen eingewirkt werden kann. Die
Verknüpfung von Recht und kognitiver Infrastruktur wird
aufgespalten: Auf der einen Seite wird über die Formel des
54
„Standes der Technik“ (der Wissenschaft) das „fortschrittliche“
Wissen rezipiert (Vieweg 1982; Knoll/Heinze 2004: 212), während
daneben im Hinblick auf die Schadensgrenze nach wie vor das
distribuierte Erfahrungswissen von ausschlaggebender Bedeutung
ist.
Vor allem das Erfordernis des Rekurses auf ein „Konzept“
(BVerwGE 69, 37, 45, 67) für die Formulierung von
Vorsorgestrategien demonstriert, dass das Recht mehr und mehr
von einer substantiellen („ergebnisrichtigen“) Rationalität auf
eine prozedurale Rationalität umgestellt wird, die explizit mit
Rückkopplungsschleifen zu privatem Sachverstand operiert und
offen auf „countering of variety with variety“ setzt (Black
2002: 1, 9).
Die gesellschaftliche Selbstorganisation von Normen wird durch
eine offene, „Gestaltungsspielräume“ für den Staat in Anspruch
nehmende öffentliche Regulierung abgelöst (vgl. nur BVerfGE 49,
89, 131).
c. Die gruppenbasierte Reflexion der Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit
durch Recht – die Beispiele des Rundfunks, des Sozialrechts und des
Planungsrechts
Eine weitere, auf die Reproduktion der politischen
Öffentlichkeit bezogene Variante dieses Rechtstyps bildet das
Rundfunkrecht, das nach dem deutschen Modell darauf abzielt,
mit den Mitteln des öffentlichen Rechts Rundfunk in einer vom
Staat bereitgestellten Form (öffentlich-rechtliche Anstalt) zu
ermöglichen, die einen von den Gruppen geprägten Raum des
Öffentlichen (wieder) herstellen soll (Hoffmann-Riem 2000: 273
55
ff.; Ladeur 2000a: 442). Das Rundfunkrecht muss eine „positive
Ordnung“ gewährleisten, die Vielfalt der Meinungen durch ein
strukturiertes Verfahren ermöglicht und nicht auf die Emergenz
eines „Marktplatzes der Meinungen“ vertrauen darf (BVerfGE 12,
205, 262 f.) – ob und wieweit dieses Modell auch heute noch
funktioniert14, ist eine berechtigte Frage, die sich aber eben
erst zu einer Zeit stellt, in der das Paradigma der
„Gesellschaft der Organisationen“ seine Leistungsfähigkeit
mindestens partiell eingebüßt hat. Sicher ist aber, dass das
Modell eine Zeitlang durchaus der Eigenrationalität des
Öffentlichen zwischen der „Privatrechtsgesellschaft“ und dem
Staat einen strukturierten Raum gegeben hat.
In Bezug auf die Rechte des Einzelnen lässt sich ebenfalls eine
wichtige Veränderung beobachten: Das Individuum wird im Recht
der „Gesellschaft der Organisationen“ (und Gruppen) in weitaus
höherem Maße als in der Vergangenheit durch eine bestimmte
Gruppenzugehörigkeit oder einen funktional zugeschriebenen
Status (Verbraucher, Arbeitnehmer, Sozialstaatsklient)
bestimmt. Dies gilt für die Stellung als Arbeitsnehmer, als
Mieter, Verbraucher, als Träger sozialer Ansprüche gegenüber
öffentlichen Versicherungen oder den Trägern der Sozialhilfe
etc. Diese Statusverhältnisse sind weitgehend durch das
Arbeitsverhältnis vermittelt oder stehen in einem
akzessorischen Verhältnis zu diesem Status (Verbraucher,
Mieter). Daneben entwickelt sich ein Recht (das in der
Vergangenheit als „Fürsorgerecht“ eher dem Polizeirecht
zuzuordnen war, weil es nicht von den subjektiven Rechten des
Einzelnen beherrscht war, sondern von der Aufrechterhaltung der14 Vgl. zur Auflösung der Öffentlichkeit und ihrer Aufmerksamkeitsbindung nur Münker 2009: 191f.; Franck 1998; weiterführend Vesting 1997; 2001: 287.
56
„öffentlichen Ordnung“ (KG Berlin ZBlJugR 1929: 336), das
Sozial- und Jugendhilferecht (Ladeur 2009b, S. 159). Diese
Rechtsmaterien gehen nicht mehr vom Universalismus des
liberalen Ordnungsmodells aus, insbesondere der self-
fulfilling prophecy der Selbsteinweisung der Individuen in die
Stelle der abstrakten, sich selbst im „Spiegel der anderen“ (A.
Smith) beobachtenden und korrigierenden Person aus. Stattdessen
werden Individuen in Abhängigkeit von insbesondere durch
Gruppenzugehörigkeit bestimmten Situationen wahrgenommen und
zum Subjekt einer, idealtypischen Gruppenstandards
entsprechenden Hilfe angesehen, ein Evolutionsschritt, der
unmerklich von den an funktionalen Erfordernissen orientierten
gesellschaftlichen Erwartungen entlastet. Solange aber die
Integrationsleistung des Normalarbeitsvertrages einerseits und
des klassischen liberalen Rechts andererseits auch in der
sekundären Modellierung durch das Recht der „Gesellschaft der
Organisationen“ erhalten bleibt, kann dieses sozial reflexive,
auf die Stellung der Personen innerhalb bestimmter
Gruppenzugehörigkeiten bezogene Recht seine Leistung erbringen.
Es wird aber noch zu zeigen sein, dass das „strategische
Recht“, das nicht mehr mit bestimmten normativen Modellannahmen
(„die Person“) sondern mit faktischen Bedingungen der Erfüllung
dieser funktionalen Anforderungen der Gesellschaften durch die
Individuen rechnet, in einen destruktiven Zirkel geraten kann,
weil damit zugleich die Voraussetzungen des Funktionierens des
Rechtssystems zum Gegenstand einer Art von „relationalem
Vertrag“ zwischen Individuum und Staat erhoben werden.
Damit wird dem Individuum nicht mehr die abstrakte
Identifikation mit „den anderen“ sondern ein strategisches
57
Verhalten gegenüber den Regeln der kollektiven Ordnung
ermöglicht oder sogar nahe gelegt, das den Zwang zur Selbst-
und Fremdbeobachtung im Spiegel der Gesellschaft unterläuft (O.
Rey 2006; Melman 2002). Zugleich wird aber auch hier ein neuer
Wissenstypus Bestandteil der kognitiven Infrastruktur der
Gesellschaft der Organisationen: Das psychologische und
sozialarbeiterische Expertenwissen, das das allgemeine
Ordnungs- und Regelwissen ergänzt, das in abgewandelter Form
über die Gruppenzugehörigkeit (als Arbeitnehmer, als
Angestellter, als Mieter etc.) internalisiert wird (Théry
2001).
Eine andere Variante des Rechts der „Gesellschaft der
Organisationen“ ist das raum- und fachbezogene Planungsrecht,
das seit den 70er Jahren eine differenzierte eigenständige
Dogmatik der Prozeduralisierung und gestaltenden Abwägung
entwickelt hat (Wahl 2006: 45 ff.; Hoppe/Bönker/Grotefeld
2009: § 5): Es ist bezogen auf die großen „Fachprojekte“, den
Flughafenbau, die Verkehrswegeplanung oder die Gestaltung
größerer differenzierter Räume, die vor allem für die räumliche
Infrastrukturentwicklung von Bedeutung sind und darauf
basieren, dass gemeinsame Interessen von Wirtschaftsunternehmen
räumlich mit anderen Interessen, Verkehr, Wohnen, Natur
koordiniert werden müssen.15 Vor allem das ältere
Bauplanungsrecht hatte sich demgegenüber sehr viel stärker an
baulichen Konventionen (Fluchtlinien, Abstandsregeln etc.)
orientiert (vgl. zur Koordination öffentlichen und privaten
Wissens im Baurecht Strecke 2002; im Technikrecht Wolf 1986). 15 Vgl. zur Evolution des Planungsrechts und seiner eigenen Rationalität Wahl 2006: 45ff.
58
d. Umstellung des Rechts von der „Rechtsschutz- auf die
Steuerungsperspektive“?
Diese Entwicklung mag als Umstellung des Rechts von der
Rechtsschutz- auf die Steuerungsperspekive (Schuppert 1993: 65;
Möllers 2008: 98; I. Augsberg 2009: 11) und insbesondere das
Verwaltungsrecht als Komplex von „Verhaltensprogrammen“
(Franzius 2006; Schuppert 1993: 65) beschrieben werden
(kritisch Lepsius 1999). Allerdings ändert dies nichts daran,
dass das alte wie das „neue Verwaltungsrecht“ (vgl. Voßkuhle
2007: S. 1; kritisch Wahl 2006: 87; insbes. zur „Abwendung von
der Text- als Hinwendung zur Entscheidungswissenschaft“
Augsberg 2009: 19f.) an die in der Gesellschaft generierten
Wissens- und Handlungsregeln anknüpfen müssen. Dieser
Verweisungszusammenhang ist nur von einer sehr viel
komplexeren Architektur der gesellschaftlichen Wissensordnung
abhängig. Was als „Steuerung“ (Voßkuhle 2007: § 1 Rnr. 22ff.,
4) bezeichnet wird, ist Ausdruck einer gesteigerten
Reflexivität der Rechtserzeugung, die ihre eigenen
Voraussetzungen sehr viel stärker durch Kooperation und
Verfahren herstellen muss und in dem Anspruch auf „Steuerung“
eine Einheit der Regel unterstellt, die durch die Pluralität
der Beteiligten und ihrer Perspektiven zu einer Projektion auf
die Anwendungsprozesse wird. In diesen wird die Regel des
„Verhaltensprogramms“ erst konkretisiert, und zwar erstens in
der Rechtsprechung nach fall- und situationsbezogenen Meta-Regeln
der Abwägung und der Prüfung der Verhältnismäßigkeit, die aus
der hierarchischen Regel der erfahrungsbasierten stabilen Norm
59
ein relationales heterarchisches Netz der Anschlusszwänge und –
möglichkeiten macht, und zweitens durch die Verwaltung selbst,
die unter dem Schutz von „Beurteilungs- und
Normkonkretisierungsspielräumen“ vor der gerichtlichen
Kontrolle ihrer „Steuerungsaufgabe“ geschützt wird (Wahl 2006:
65f.). Mehr und mehr administrative und „Gestaltungsspielräume“
werden auch von der Rechtsprechung anerkannt (vgl. nur BVerfGE
49, 89, 132ff.). Diese Praxis muss schließlich die Frage
provozieren, ob hier nicht statt von kognitiver Steuerung
(anstelle der normativen, auf stabilen Erwartungen ruhenden
Verhaltensregelung) eher von der „Herrschaft kraft Nichtwissen“
die Rede sein sollte (Holzer/May 2005: 317).
Diese Verknüpfung von Normativität und proaktiver Bindung von
Ungewissheit durch Entscheiden als Konstruktion neuer
Möglichkeiten könnte ein mögliches Feld der produktiven
Kooperation von Rechts- und Sozialwissenschaften sein. Hier
geht es um Lernen, das auf zukünftige Effekte verweist:
„steuernde“ Rechtsnormen legitimieren sich im Rekurs auf die
Zukunft, die nicht nach dem gegenwärtig verfügbaren Wissen und
den darauf basierenden Kontinuitätserwartungen bewertet werden
können. Wenn Lernen möglich erscheint, kann sich eine
rechtliche Regulierung dadurch legitimieren, dass sie mehr
Möglichkeiten eröffnet, die einstweilen nicht abschätzbar sind
und erst in der Zukunft aufgrund neuen Wissens
operationalisierbar erscheinen (Listokin 2009: 480, 492, 499).
Deshalb ist die vielfach mit dem Vorsorgeprinzip verknüpfte
„Fehlerfreundlichkeit“ des Entscheidens (Schimank 2005: 298f.
m. w. N.) entgegen dem ersten Anschein durchaus ambivalent: Sie
kann auch gegen das „Neue“ gewendet werden, das eben mehr
60
Möglichkeiten eröffnet, die keineswegs alle offengehalten
werden können.
Erst in der jüngsten Zeit wird dieser Prozess in einer weiteren
Drehung der Selbstreferenz auch explizit im Rekurs auf das
Konzept der „Governance“ auch offen als Prozess konzipiert, in
dem Regelproduktion und Regelanwendung so miteinander
verschleift sind, dass Subjekt und Objekt der Steuerung nicht
mehr klar unterschieden werden (Mayntz 2008: 43;
Trute/Kühlers/Pilniok 2007: 240, 245; 2008: 173; Zumbansen
2007: 191). Vor allem angesichts der multiplen Verknüpfungen
unterschiedlicher faktischer und normativer Regeln,
Wahrscheinlichkeitsannahmen und Wissensbestände lässt sich der
Prozess der Rechtsbildung eher als komplexer Prozess eines
„management of rules“ beschreiben (Ladeur/Augsberg 2005: 143;
vgl. auch zur Verteidigung der eigenen Rationalität gegen
„Übergriffe“ anderer Systeme, Fischer-Lescano/Christensen 2005:
213), in dem es darum geht, funktionale Äquivalente zu
tradierten Funktionen des Rechts zu suchen und zu erproben, und
das Paradigma der „Einheit der Rechtsordnung“ (Felix 1998) auf
eine differentielle Relationierung von Experimenten und deren
Beobachtung nach prozeduralen Meta-Regeln umzustellen (Fischer-
Lescano/Christensen,2007; I. Augsberg 2009: 183).16
3. Das Rechtssystem der „Gesellschaft der Netzwerke“
a. Die neue Transformation der Wissensordnung
16 Ob diese Entwicklung allerdings als Instrumentalisierung des Rechts durchandere Systemrationalitäten charakterisiert werden kann, erscheint zweifelhaft (vgl. aber Teubner 2008; auch schon 2003).
61
Der Begriff des „Netzwerks“ wird auch von Niklas Luhmann
mehrfach in Bezug genommen. Ausdrücklich werden „Netzwerke“
genannt, die man als dysfunktional bezeichnen könnte, die also
die Zwänge der Ausdifferenzierung durch Phänomene der
Korruption i. w. S. unterlaufen (Luhmann 1997: 806, 810 f.). An
anderer Stelle werden sie als Äquivalente für organisationale
Erzeugung von Vertrauen oder als Formen der Verknüpfung
zwischen Organisationen oder genannt (Behörden/politische
Parteien, 2000: 408). In der „Sachdimension“ (jenseits des
Vertrauens) wird für rechtliches Entscheiden auch von einem
„Gewebe“ von Entscheidungsgesichtspunkten gesprochen (1993:
367; Augsberg 2007: 479). Auch dies ließe sich als „Netzwerk“
lesen, das eine Vielzahl von Anknüpfungsgesichtspunkten
mitführt. 17
Hier soll ein anderer Akzent gesetzt werden, ohne dass damit
diese Variante der Vernetzung als dauerhafte Begleiterscheinung
der Ausdifferenzierung von Systemen verworfen würde: Vielmehr
soll hier eine postmoderne Variante der Bildung hybrider
Netzwerke akzentuiert werden, die man als tertiäre
Remodellierung der Wissenserzeugung und ihrer rechtlichen
Beobachtung bezeichnen könnte. Sie sind durch die Tendenz zur
Überschreitung von Grenzen durch heterarchische Verknüpfungen
charakterisiert (zwischen Markt und Organisation), die
Beseitigung hierarchischer Ordnung (Telekommunikation, Noam17 Vgl. dazu auch Stichweh 2008: 329, 340, wo der Netzwerkbegriff ebenfalls sehr weit gefasst wird, andererseits aber die „Heterogenität der Netzwerkknoten“ akzentuiert wird, die über verschiedene „Relationierungsmuster“ lose oder fest verknüpft sind und als eine Art Residualgröße zur Generierung von Innovationen fungieren. Auch dieser Netzwerkbegriff bleibt aber letztlich sehr allgemein, wenngleich die auch an anderer Stelle betonte „Diversität“ der Optionsräume als Widerlager gegen das Einrasten in bestimmte sich selbst verstärkende Entwicklungstrajektorien sich auch in Netzwerken lokalisiert wird.
62
2001; Shapiro/Varian1998) oder die Aufhebung vertraglich
fixierter Rollen („Netzverträge“).
Der Evolutionsschritt zum Recht der „Gesellschaft der
Netzwerke“ in dem hier verstandenen Sinn lässt sich dadurch
charakterisieren, dass die traditionellen Grenzbegriffe des
Rechts und ihre Remodellierung durch das Recht der
„Gesellschaft der Organisationen“ an Unterscheidungskraft
einbüßen. Vor allem der Aufstieg von Information und Wissen zur
zentralen wirtschaftlichen Ressource verändert auch das
orientierungs- und ordnungsbildende Modell des Eigentums. Das
Sacheigentum wird zum Grenzfall des Eigentums, während das
„geistige Eigentum“ mit seiner großen Flexibilität für die
Bestimmung von Ausschluss- und Zuordnungseffekten des Eigentums
das Paradigma des Eigentums insgesamt wird (Ladeur/Vesting
2008). Dieses ist von vornherein auf den Zugang durch andere
angelegt (Rifkin 2000). Der Ausschlusseffekt des Eigentums
(Verfügungsrecht des Eigentümers) ist eher Bedingung der
Möglichkeit der Erfüllung und Dimensionierung des Zugangs für
andere geworden. Auch das „geistige Eigentum“ selbst wird durch
den mit dem Aufstieg des Wissens einhergehenden Funktionswandel
des Eigentums umgestaltet, da die Vielzahl der
Verknüpfungsmöglichkeiten selbst nach neuen Formen des
Managements von Wissen verlangen. Das „geistige Eigentum“ hat
seine Substanz immer weniger in abgrenzbaren und an
„Eigentümer“ zurechenbaren Verfahren und „Objekten“, es wird
vielmehr immer stärker fragmentiert in einzelne
Verfahrenselemente, die durch eine Kombinatorik in einem
Produktionsprozess erst Sinn erhalten: Für einen bestimmten
Fertigungsprozess benötigt man nicht mehr ein Patent für einen
63
bestimmten Gegenstand (ein in ein Auto eingebautes Teil)
sondern eine Vielzahl von Patenten, die an multifunktionalen
Komponenten bestehen und die unterschiedliche
Anschlussmöglichkeiten in Produktionsprozessen definieren
(Heller/Eisenberg 1998: 698). Besonders deutlich ist dies in
der Bio- und Computertechnologie, wo die Grenze zur
(ausgeschlossener) Patentierbarkeit von technologischen „Ideen“
und „Sprachformen“ fließend wird: Im Bereich der
Hochtechnologie wird es immer schwieriger, abzuschätzen, ob und
wie weit ein Patent legitimerweise Innovation schützt und wie
weit es Innovationen durch Dritte blockieren kann. Das heißt
die Grenze zwischen allgemeinem, nicht privat aneignungsfähigem
Wissen, das allenfalls gegen bestimmte Formen der Nachahmung
(„sklavische Nachahmung“) durch Wettbewerbsrecht geschützt ist
(Enstaler 2009: 278), und besonderem für Einzelne in Gestalt
von Patenten, Urheberrechten aneignungsfähigem Wissen verliert
ihre Konturen. Diese Trennung von allgemeinem und besonderem
Wissen, das für die Evolution des Rechts und seiner kognitiven
Infrastruktur von besonderer Bedeutung gewesen ist, führt auch
zur Herausbildung neuer Formen der hybriden Kombination von
Wissenskomponenten in der Entwicklung hochtechnologischer
Produkte: Während in der Vergangenheit das allgemeine Wissen
frei verfügbar war und in der Form der Erfahrungsbildung oder
des allgemeinen technischen Wissens ohne Verstoß gegen das
„geistige Eigentum“ nutzbar war und patentiertes „besonderes“
Wissen davon getrennt blieb, lässt sich die hierarchische
Stufung von Wissenstypen in den neuen Technologien nicht mehr
ohne weiteres beobachten (Ladeur/Vesting 2008).
Anwendungsorientierte Wissenschaft und Technologien werden
64
immer schneller in der Produktentwicklung miteinander
kombiniert. Dies führt zur Entwicklung neuer projektartiger
Verknüpfungen zwischen Produktionsprozessen, die wiederum auf
die Formen der Wissensentwicklung zurückwirken. Außerdem wird
die Verknüpfbarkeit von Wissen durch Computerisierung
erleichtert, auch dadurch werden bisherige rechtlich
abgestützte Grenzen (des Zugriffs auf Wissen) durch neue
hybride Verknüpfungsmodelle überwunden. Es bilden sich neue
„Kontroll-Regimes“ heraus (White 2008: 220 ff.), die Wissen
anders strukturieren und nutzen als dies mit herkömmlichen
Patenten denkbar war. Auch für den Bereich des öffentlichen
Entscheidens hat dies weitreichende Konsequenzen: „La
multiplication des autorités accompagne la fragmentation des
savoirs particuliers“ (Guéhenno 1999: 112).
b. Das „verflüssigte“ Individuum
Dem entspricht auch ein Paradigma der personalen
„Identitätsbildung“ in der sich entfaltenden „Gesellschaft der
Netzwerke“. Das Individuum der „Gesellschaft der Netzwerke“
muss sozusagen aktiv „Selbstmanagement“ betreiben (Ehrenberg
1999; Groys 2008: 7 ff.), es muss sich selbst nach wechselnden
Voraussetzungen und mit unterschiedlichen Versatzstücken
„sampeln“ und „ausprobieren“ (Bonz 2007: 243, 250). Während die
„Gesellschaft der Individuen“ relativ dauerhafte Formen der
Individualität hervorgebracht hat, ist die Gesellschaft der
Organisationen von standardisierten massenhaften
Gruppenidentitäten geprägt. Demgegenüber ist das Individuum der
„Gesellschaft der Netzwerke“ ein volatiles, von schnell
65
wechselnden Konstellationen bestimmtes „hybrides Projekt“, das
von sich von den „Möglichkeiten der Assoziation und
Kombination“ leiten lässt (Reckwitz 2008173; Melman 2002: 115;
zu dem sich daraus ergebenden Wandel des (Rechts-)Textes, der
selbst damit zum „Textlabyrinth“ mit einer offenen relationalen
(und nicht mehr auf Einheit und Systematik angelegten)
Rationalität wird (Augsberg 2009: 134ff., 183). Damit geht der
Aufstieg neuer ihrerseits „hybrider“ Rechte auf „Anerkennung“
von Identitätsbedürfnissen einher (Recht auf Datenschutz,
Persönlichkeitsrechte etc.), die gerade wegen ihres reflexiven
Charakters als Rechte auf Selbstbestimmung schwer einzugrenzen
sind. Sie haben anders als die früheren Rechte ihren Gegenstand
nicht mehr in einem auf das Handlungspotential des Individuums
eindeutig beziehbaren Gegenstand, sondern sind darauf angelegt,
dem Individuum konturlose Ansprüche auf Abstimmung von
Interessen und Rechten nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip
zuzuweisen. Die Individuen werden ihrerseits selbst zu „Texten“
umgepolt, die sich (Münker 2009: 162ff.; I. Augsberg 2009:
135 f.) eher als Prozess variabler Verknüpfungen innerhalb
eines „Textlabyrinths“ (re-)kombinieren und fortschreiben (vgl.
auch Christensen/Lerch 2005: 55; I. Augsberg 2009: 135) und
dadurch die „Medialität der Sprache“ zur Geltung bringen, die
die Vorstellung der Einheit der Person unterläuft (Krämer 2002:
323, 332; I. Augsberg 2009: 139).
In den neuen „social media“, Plattformen und elektronischen
Märkten des Internet bilden sich neue, wiederum als hybrid zu
bezeichnende Beziehungsnetzwerke (Zarsky 2008: 741) vermittelt
über „Avatare“ heraus, die Elemente individueller und
Massenkommunikation miteinander kombinieren (Cardon 2008: 96,
66
102; Taipale 2003: 1; 2004: 190f. für die staatliche
Sicherheitspolitik). Dies wirft wiederum neue Fragen nach den
Grenzen der grenzenlosen Kommunikation auf, die kaum noch
stabil ex ante zu bestimmen sind. Die Konturen eines neuen
Rechtstyps (Grimmelmann 2009: 1137), der auf die Bewältigung
der Hybridisierung von privater und öffentlicher Kommunikation
in Netzwerken eingestellt wäre, sind noch kaum zu erkennen
(Ladeur 2009). Sicher ist nur, dass das begriffslose „Abwägen“
von fallbezogenen Interessen dem tiefgreifenden Wandel des
Rechts in Netzwerken nicht gerecht werden kann.
Der Wandel des Rechts der „Gesellschaft der Netzwerke“ hat auch
weit reichende Rückwirkungen auf die Methoden der
Rechtskonstruktion und –anwendung. Während die Methoden des
liberalen Rechts vom Blick auf das Gesetz und vom Willen zur
Interpretation des Gesetzes bestimmt waren, entwickelt sich in
der „Gesellschaft der Organisationen“ die Methode der
„Konkretisierung“ des Rechts an Interessentenkonstellationen und
variablen Gerechtigkeitsüberlegungen (Esser 1972; Müller 1966;
Hesse 1995: 25 f.). Demgegenüber ist das Recht der
„Gesellschaft der Netzwerke“ von einem Aufstieg der Abwägung
von Fall zu Fall bestimmt (vgl. etwa BVerfGE 101: 361, 392;
Alexy 1996: 83, 516; ; kritisch Jaume 2000: 343, 353f.). Das
Gesetz tritt in den Hintergrund, das Verlangen nach Anerkennung
von variablen Identitätsansprüchen und das gesteigerte
Bedürfnis nach „Gerechtigkeit“ (vgl. die Beiträge in Teubner
2008) führen zum Aufstieg des „Verhältnismäßigkeitsprinzips“,
das sich an der Abstimmung offener Rechte und Interessen in
unterschiedlichen Fallkonstellationen orientiert.18 Stattdessen18 Vielfach wird die Ausbreitung des Verhältnismäßigkeitsprinzips – als deutscher „legal transplant“ auch in das Europarecht (...) – nur als
67
käme käme es darauf an, die kreative Dimension des Rechts in
der Zeit und die nicht hintergehbare Emergenz neuer Spannungen
und Kollisionen in Anschlag zu bringen (Lefebvre 2008: 113;
Fischer-Lescano 2008) und den Wechsel zwischen Öffnung und
Schließung des Rechtssystems im Angesicht des Wandels –
politikwissenschaftlich wie rechtstheoretisch - zu beobachten.
„With every new judgment the law grows and expands, and over
time it locally constructs a plane of immanence with ever more
parts able to be actualized in ever more judgments. ...The
judge, therefore is at the border between two kinds of
movements, simultaneously enacting a closed, spatial
displacement of parts and expressing a creative, open whole“
(Lefebvre 2008: 254). Daran geht ein Konzept der
„argumentativen Rationalität“ vorbei, das die intersubjektive
Koordination auf die Verständigung über gemeinsame (geteilte)
Werte zurückführt (Habermas, 1992, S. 138ff, 349ff., 492ff.;
für „Anwendungsdiskurse“ Günther 1988) und die Emergenz von
Werten und Regeln aus der Interaktion – und damit die
Untrennbarkeit von argumentativer und strategischer
Rationalität - vernachlässigt (Reynaud/Richebé 2009, 12). Hier
ließe sich weiter die These formulieren, die ebenfalls
Anschlüsse an die politikwissenschaftliche Beobachtung des
Rechts eröffnet, dass die Normen nicht nur mehr oder weniger
unvollständig sind, bevor sie angewendet werden, sondern sie
grundsätzlich keine unmittelbaren Zugang zur Praxis
Abweichung von einem älteren Modell der politischen Entscheidung und der demokratischen Gesetzgebung gesehen (Böckenförde 2003: 187, 190 – mehr unter Betonung der politischen Entscheidung; Maus 2006: 117 – eher unter dem Aspekt des Verlusts an demokratischer Selbstbestimmung) -, aber die interne Rationalität der Selbstveränderung des postmodernen relationalen Rechts nicht in den Blick genommen.
68
ermöglichen, diese vielmehr selbst ihr eigenes „Recht“ aus der
Kontingenz der Fälle erzeugt (Walsh 1997: 66).19
Auf diesem Hintergrund lässt sich eine Brücke schlagen zu der
Beschleunigung und Vervielfältigung der Öffnungsprozesse, die
sich in infolge der Globalisierung vollziehen – sie erlauben
auch im Rückblick die Bestätigung der Beobachtung, dass die
Pluralisierung des Rechts sich auch innerhalb des scheinbar
geschlosssenen Rechtssystems des Nationalstaats zur Geltung
gebracht hat.
Mit dem beschriebenen Aufstieg eines unstrukturierter Rechte
auf „Anerkennung“ geht auch ein Verfall der einheitsbildenden
Formen der „Öffentlichkeit“ einher. Es entstehen neue „Rechte“
auf Aneignung von Versatzstücken aus dem Leben „Prominenter“
und umgekehrt auf Schutz von Prominenz als „Eigentum“ (Ladeur
2007b). Auch diese Veränderung des Rechts ist ein potentieller
Damit ist zunächst ein allgemeiner Rahmen gesteckt, innerhalb
dessen das Recht der „Gesellschaft der Netzwerke“ sich
beschreiben lässt.
c. Paradigmenwechsel im Vertragsrecht: Der Aufstieg der „Netzverträge“
Ein Beispiel für das Wirtschaftsrecht der Gesellschaft der
Netzwerke bilden die explizit sogenannten Netzverträge (Teubner
19 In rechts- und politiktheoretischer Perspektive ließe sich wiederum die These anschließen, dass auch die Reduktion des Rechts auf rationale Begründung im intersubjektiven Diskurs die Nichthintergehbarkeit der Konstitution der Subjekte durch die notwendigerweise plurale, differentielle, auf Selbsttransformation durch „transsubjektive“ Effekte jenseits der Kommunikation und des Konsenses unterschätzt und damit das Verhältnis des Selbst zu sich als einem anderen jenseits einer stabilen Identität ausblendet; vgl. dazu Haysom 2009: 649, 656f.).
69
2004: 109 f.), ein Vertragstyp, der eine hybride Form zwischen
Austauschvertrag und Organisation durch Gesellschaftsvertrag
(i.w.S.) hervorbringt: Solche Netzwerke werden z.B. im
Verhältnis zwischen Franchisegebern und –nehmern oder
Vertragshändlernetzen und Automobilherstellern beobachtet. (Ein
ähnliches Phänomen zeigt sich auch in der seit längerem zu
beobachtenden Expansion der (Grund-)Rechte, die zu weiteren
Kollisionen führen und damit die „Abwägung“ als Form des
Ausgleichs nahezulegen scheinen. Was ist das Neue daran? Nach
außen treten die Beteiligten unter einer Marke auf, nach innen
handelt es sich aber nicht um eine einheitliche Gesellschaft
oder eine andere Form der Organisationsbildung, die im
Unterschied zum Austauschvertrag hierarchische
Weisungsverhältnisse vorsieht. Es fragt sich in einer solchen
Konstellation, ob und welche Elemente aus dem Bereich des
Gesellschaftsrechts und des Rechts des Austauschvertrages zu
einem atypischen Vertrag zusammengefasst werden können (dies
wäre für sich genommen alles andere als ungewöhnlich),
innerhalb deren je nach Konstellation das eine oder das andere
Element formbildend würde. Nach G. Teubner u.a. zeichnen sich –
die Konstruktion ist umstritten – Netzverträge dadurch aus,
dass sie wiederum hybride, eben Netzeffekte erzeugen, die
zwischen den einzelnen Vertragsbeteiligten entstehen, also z.B.
im Falle der Vertragshändler von Automobilherstellern. Ob diese
auch untereinander ggf. Rechte auf Schadensersatz haben, wenn
ein überwirkender Schaden bei einem Netzwerkunternehmen auf der
gleichen Hierarchieebene entsteht, ist streitig. Einen
„gemeinsamen Zweck“ gibt es grundsätzlich nur innerhalb des
Gesellschaftsverhältnisses, deshalb ist hier die Frage zu
70
stellen, ob es so etwas wie einen „Netzzweck“ geben kann, der
Pflichten innerhalb des Netzwerks erzeugen kann. Die
Konstruktion ist insgesamt umstritten, da bisher nur in den
klassischen Grenzbegriffen gedacht worden ist. Sie ist aber –
in rechtstheoretischer Perspektive gesehen – ein Beispiel
dafür, was als Netzwerkeffekt charakterisiert werden kann.
Insbesondere im Falle des Franchising zeigt sich auch die
Bedeutung der „Information“ (i. w. S.), das heißt hier der Wert
einer Marke: der Franchisegeber teilt dem Franchisenehmer
zwangsläufig viel Informationen mit, die früher als
Geschäftsgeheimnis zurückgehalten worden wären, heute aber
gegenüber dem Wert der Marke von weitaus geringerem Wert sind.
Die Imitationen der Produkte als solche, z. B. von McDonald’s,
ohne die Marke „McDonald’s“ wird auf dem Markt keine allzu
großen Erfolgsaussichten haben.
Ein weiteres Beispiel für Netzwerkeffekte im Zivilrecht bilden
die „Qualitätssicherungsverträge“ (Ensthaler u. a. 1996), in
denen Zulieferer und zum Beispiel Automobilhersteller
detaillierte Vereinbarungen treffen, die die Qualität der zu
liefernden Teile betreffen. Hier stellte sich früher für den
Hersteller die Alternative zwischen dem Abschluss eines
Austauschvertrages (Kaufvertrag über die zu liefernden Teile)
und der Integration des Zulieferers als Tochtergesellschaft in
den Konzern (dann haben die Beziehungen zwischen Mutter- und
Tochtergesellschaft keinen rechtlichen Charakter mehr, sondern
den Charakter von Weisungen). Beim Austauschvertrag wird eine
bestimmte Qualität der zu liefernden Teile vereinbart, während
die Gestaltung des Produkts selbst Sache des Produzenten
bleibt. Der Qualitätssicherungsvertrag ist eine für die
71
„Gesellschaft der Netzwerke“ charakteristische hybride Form,
die es dem Abnehmer erlaubt, bis ins Detail der Produktlinien
ausführliche Festlegungen zu treffen, ohne aber das
Unternehmerrisiko insgesamt zu übernehmen. Dies ist eine
charakteristische Form des Vertrages in der „Gesellschaft der
Netzwerke“. Sie ist auch eine Variante, die erst durch
Computerisierung der Informationsverarbeitung ermöglicht worden
ist: die für den Qualitätssicherungsvertrag typische tiefe
Koordination der Produktions- und Informationsprozesse zwischen
Zulieferbetrieb und Abnehmer ist nur möglich, wenn die
Informationsverarbeitungsvorgänge computerisiert werden und
deshalb ein detailliertes „Kontrollregime“ ermöglichen.
Ein weiteres Beispiel für einen Netzvertrag sei nur kurz
skizziert, nämlich der Filmvertrag (Caves 2003: 73;
DeFillipi/Arthur 1998: 186), wie er sich in Hollywood
entwickelt und verbreitet hat. In der Filmproduktion ist
(ähnlich übrigens wie bei Abschluss von High Tech-Verträgen
etwa in Silicon Valley (Patton/Kenney 2003) die Unterscheidung
zwischen einer Produktionsfirma und Angestellten und
selbständigen Kooperationspartnern immer weniger möglich: die
beteiligten Produktionseinheiten werden vielfach nur für den
einen Film gebildet und genutzt. Nach der Beendigung des
Projekts lösen sie sich wieder auf, um für das nächste Projekt
möglicherweise in einer neuen Form wieder „gesampelt“ zu
werden. Ähnliches gilt für die Rolle der Filmschauspieler: die
großen Stars sind mehr und mehr mit einer hohen Beteiligung am
Erfolg ausgestattet, während weniger bekannte Schauspieler nur
einen winzigen Bruchteil dieses Honorars als Lohn erhalten,
ohne aber Arbeitnehmer i. e. S. sein zu können (Goldberg 2005).
72
Diese Grenzen aufhebende Funktionsvermischung ist auch für die
Vertragsgestaltung in High Tech-Unternehmen charakteristisch:
eine eindeutige Trennung zwischen den „Stellen“ des
Arbeitgebers und des Arbeitnehmers ist kaum mehr möglich. Das
einzelne Projekt aggregiert bestimmte Leistungen auf der
Grundlage von vagen Vereinbarungen, die erst prozesshaft
konkretisiert und vor allem am Ergebnis orientiert sind. Für
die rechtliche Zuordnung des Produkts, das am Ende der
Kooperation steht, gilt Ähnliches: auch hier gibt es vielfach
keine klare Vereinbarung von Regeln darüber, wer zum Beispiel
Inhaber eines Patents wird oder wie die in einem gemeinsamen
Wissenspool generierten Informationen genutzt werden dürfen.
Die offene und flexible Orientierung an der Herstellung eines
„Produkts“ strukturiert die Kooperation und kompensiert die
Unsicherheit des rechtlichen Ordnungsrahmens und insbesondere
die Unberechenbarkeit der Relationierungen in heterarchischen
Netzwerken (vgl. Baecker 2006: 128).20 Es entstehen immer mehr
„epistemic communities“, die eigene Zwecke jenseits der
tradierten Austauschverhältnisse formulieren und verfolgen
(Cohendet/Llerena 2003). Daran lässt sich möglicherweise eine
Vermutung zur Entwicklung der destruktiven Dynamik der
Unsicherheit der Relationierung von Eigentümern, Managern und
„Arbeitnehmern“ in Investmentbanken anschließen: Bei manchen
Unternehmen lagen die „Bonus-Zahlungen“ an die „Arbeitnehmer“
in den Jahren vor dem Ausbruch der Krise höher als der
Gesamtwert des Unternehmens im Jahre 2008. D. h. es ließe sich
die Hypothese wagen, dass die Investmentbanker sich als „Lohn“20 Die dynamische, unberechenbare Seite des „Netzwerks“ wird mit Recht von Dirk Baecker betont (2006a: 128) – dies kann aber nur für die neuen „postmodernen“ Netzwerke gelten; vgl. auch zur internen Veränderung von Unternehmen durch den Einsatz von Informationstechnologien Foray 2004: 113.
73
für ihre „Arbeit“ (Bonus) einen großen Teil des „Gewinns“
ausgezahlt haben, der – wenn überhaupt - erst sehr viel später
realisiert werden konnte. Das Risiko lag deshalb ganz bei den
Eigentümern. Dies ließe sich als ein Fall des „Netzversagens“
beschreiben: die Volatilität des Wertes von „Finanzprodukten“,
die Diskrepanz der Zeiten der „Investition“ und des Ertrages
und deren Verknüpfung mit einer Vielzahl von sich überlagernden
Kausalitäten, sind in den nicht „netzwerkgerechten“ Verträgen
nicht angemessen verarbeitet worden (The Economist v.
7.2.2009). Umgekehrt wird man davon ausgehen müssen, dass das
Versagen eines solchen Netzwerks nur in sehr engen Grenzen zur
Haftung (wegen unterlassener Information über Risiken) für
einzelne Beteiligte führen wird, weil das Recht ein solches
distribuiertes Risiko nicht bewältigen kann.21
4. Zwischenresümee: Die Verflüssigung der Grenzbegriffe
In einem Zwischenschritt lässt sich festhalten, dass ein neues
Zivilrecht der Netzwerke entsteht, das vor allem durch die
Aufhebung der Grenzen zwischen außen und innen, Austausch- und
Gesellschaftsvertrag, Arbeits- und Werkvertrag, Selbständigkeit
und Unselbständigkeit bestimmt wird. Grundlage ist der Aufstieg
der „Information“, des Wissens als Produktionsressource. (vgl.
zur Auswirkung auf die Konstruktion des Eigentums
Ladeur/Vesting 2008: 123). Er ermöglicht sehr viel flexiblere
und komplexere Rechtsformen, die früher nicht denkbar gewesen
sind. Die Verfügung über Sacheigentum und die scharfe Trennung
21 Vgl. zum amerikanischen Recht Grundfest (2007) und (restriktiv) US Supreme Court zur „Mittäterhaftung“ („scheme liability“) bei komplexen Bankgeschäften, 552 US ___ (2008) – vom 15.1.2008, noch unveröffentlicht.
74
von Weisungs- und Ausführungsfunktionen sind im Angesicht der
flexiblen projektartigen Kombinatorik von Wissen und
Information dysfunktional für projektartige Produktionsprozesse
geworden. Den neuen flexiblen Produktionsformen entsprechen
flexible und komplexe Rechtsformen, die durch den
computerisierten Austausch von Informationen erleichtert
werden, mehr und mehr auch die Produktion von „Information“ (i.
w. S.) selbst zum Gegenstand haben (Filmvertrag). Sie können
als paradigmatisch für Netzverträge auch über diesen Bereich
hinaus gelten. Hier tritt die Abstimmung der Erwartungen
zwischen als getrennt unterstellten Personen und ihren Rechten
(Eigentümer, Leistungsverpflichteter, Leistungsberechtigter
etc.) zurück hinter eine - wie man mit N. Luhmann (1975: 51;
1993: 91 ff.) sagen könnte – kognitive Form der Koordination,
während die, normative Erwartungen ermöglichende Funktion sich
eher in der Vereinbarung allgemeiner Ziele und Vereinbarungen
über die Verteilung von Erträgen manifestiert. Hier besteht
eine Ähnlichkeit zum Gesellschaftsvertrag, der sich aber
ausdrücklich durch einen „gemeinsamen Zweck“ der Beteiligten von
den Netzverträgen und ihren hybriden einzelnen Bestandteilen
unterscheidet.
Es zeigt sich auch hier, dass die Funktion der Gewährleistung
von Erwartungssicherheit durch Recht auch schon für die
liberale Gesellschaft nicht überschätzt werden darf. Es ist
oben angemerkt worden, dass der Austauschvertrag nur dann seine
Funktion erfüllen kann, wenn er in einer verlässlichen
Infrastruktur der kognitiven und praktischen Regeln (die die
Qualität von Produkten oder die Berechenbarkeit des Verhaltens
von Personen betreffen) eine Abstützung findet. Die
75
Abhängigkeit des Rechts von dieser kognitiven Infrastruktur
wird unter den veränderten Bedingungen der Gesellschaft der
Netzwerke nur umso deutlicher. In der Gesellschaft der
Individuen ist die Infrastruktur in der Verlässlichkeit
allgemeiner Erfahrungsregeln (in der Sachdimension) und der
Bereitschaft zur Selbstbeobachtung im (allgemeinen) „Spiegel
der anderen“ (in der personalen Dimension) verankert. In der
„Gesellschaft der Netzwerke“ stellt sich diese Verknüpfung der
allgemeinen Möglichkeiten der Erwartungsbildung und eines
besonderen Vertrages in einer projektartigen komplexeren
Version her: das Netzwerk der Beteiligungen schafft seinerseits
eine allgemeine Bindungsbereitschaft, die zugleich eng mit dem
jeweiligen „Projekt“ verknüpft ist. Allgemeine Voraussetzung
und besonderer „Vertragsgegenstand“ können jedoch, anders als
bei einem klassischen Austauschvertrag, nicht stabil
voneinander getrennt werden. Dies ist die für das Recht der
Netzwerke charakteristische hybride Verschleifung von
Allgemeinem und Besonderem im Vertrag selbst. Vertragsrecht
funktioniert nach dem alten wie nach dem neuen Recht nicht ohne
Vertrauen. Das Maß an rechtlich institutionalisierten Bindungen und
Berechenbarkeit, das für die Wirtschaft erforderlich ist, darf
aber nicht überschätzt werden. Solange damit gerechnet werden
kann, dass die Mehrzahl der Projektpartner „kooperativ“ ist,
kann man mit der Unberechenbarkeit einer richterlichen
Entscheidung im Konfliktfall bei den hier skizzierten
atypischen Verträgen oder Vertragsgegenständen gut leben.
V. Die Frage nach der Stellung des Staates in der
globalisierten Rechtsordnung
76
1. Die EG als Staatenverbund und das Erfordernis eines
„Kollisionsrechts“ neuer Art
Die Besonderheit der Konstruktion eines „Staatenverbundes“ der
EG (BVerfGE 89, 155 – Maastricht) ist davon geprägt, dass es
ganz unterschiedliche Arten der Kollision von nationalem und
supranationalem Recht gibt und dafür auch keine allgemeine
Ausgleichsformel, wie der Rekurs auf die Einheit der
Rechtsordnung oder die Integrationsleistung einer Verfassung
wie im Bundesstaat zur Verfügung steht. Diese Konstellation
tritt etwa dann zutage, wenn europäisches Wettbewerbsrecht mit
nationalem Rundfunkverfassungsrecht zusammentrifft (Ladeur
2000, 965). Dieser Konflikt kann zwar auch auf der nationalen
Ebene im Bundesstaat auftreten, aber die Kompetenzverteilung
der nationalen Ebene etwa in Deutschland geht von der
Abgrenzung von Gegenständen des kompetenziellen Handelns aus,
während in der EG weithin die Kompetenzen von den Zielen des
Binnenmarktes bestimmt werden und dann sich die Frage stellt,
ob Organisation und Handeln z. B. von Rundfunkveranstaltern
als/wie wirtschaftliches Handeln bewertet und reguliert werden
kann. C. Joerges (1997, 374) und C. Schmid (2000: 155) haben
für solche Kollisionen die Bezeichnung „diagonal“
vorgeschlagen. Die Formel bringt eine Besonderheit von
Rechtskollisionen in der Europäischen Gemeinschaft treffend zum
Ausdruck. Hier kann weder das klassische internationale
Privatrecht oder die Kollisionsordnung des Verwaltungsrechts
bei territorial bestimmten „horizontalen“ Kollisionen und damit
eine Logik der Verweisungen zum Zuge kommen, noch passen die
Vorrangregeln der für das Bundesrecht (im Bundesstaat nach Art.
77
31 GG) und der EG selbst bei „vertikalen“ Kollisionen. Es
bedarf hier vielmehr neuer, allerdings ebenfalls
kollisionsrechtlich zu konzipierender Regeln der
wechselseitigen Abstimmung und Kooperation, die von einzelnen
Problemen und nicht von stabilen Abgrenzungen bestimmt sein
müssen.22 Diese Einordnung des beschriebenen Konflikttypus als
„diagonale“ Kollision erweist sich auch bei der dogmatischen
Konturierung der Grenzen der Bestandskraft von Verwaltungsakten
im europäisierten Verwaltungsrecht als anschlussfähig: auch
hier kommt es zu einer begrenzten Überlappung von allgemeinem
nationalen Verwaltungsrecht und besonderem Europäischen
Verwaltungsrecht, ohne dass dieses Problem mit einer einfachen
Vorrangregelung zu lösen wäre. Die Pflicht zur Gewährleistung
des „effet utile“ wird – zu recht – aus dem Kooperationsprinzip
(Art. 10 EGV) abgeleitet (Oppermann: 2005, Rn. 243).
Es hat seinen Gegenstand nicht in einer rein instrumentellen
Pflicht zur effektiven Durchsetzung der Gebote des besonderen
europäischen Verwaltungsrechts mithilfe des nationalen
allgemeinen Verwaltungsrechts und seiner Formen und Verfahren,
sondern es zielt – richtig verstanden – darauf, die allgemeinen
Rechtsformen des Zivilrechts und des Verwaltungsrechts
(möglicherweise auch des Strafrechts in Zukunft) durchlässig zu
machen für die Wahrnehmung der Besonderheiten einer
multipolaren Rechtsordnung, die bei der Anwendung und
Weiterentwicklung von Instituten des allgemeinen
Verwaltungsrechts die Wahrnehmung der Interessen der EG und
anderer Mitgliedstaaten oder von Bürgern dieser Staaten bei der
22 Daran ist allerdings das traditionelle Kollisionsrecht sowohl des öffentlichen als auch des Privatrechts orientiert, vgl. Ohler 2005; zum Privatrecht Michaels 2006: 195, 211; Wai 2005: 471, 472; Joerges 2007: 717.
78
Interpretation des „öffentlichen Interesses“ nicht ignorieren
darf. Eine Kooperationserwartung besteht allerdings auch in
umgekehrter Richtung, dies ist dem „diagonalen“ Charakter der
Kollision geschuldet, die keinen Vorrang zugunsten der einen
oder der anderen Rechtsordnung vorsieht (vgl. Ladeur 2000). Die
Kooperationserwartung ist daher nicht einseitig zu verstehen;
deshalb kann der „effet utile“ auch nicht auf die gänzliche
Außerkraftsetzung z. B. von Regeln über die Bestandskraft von
Verwaltungsakten zielen. Über das Prinzip des „effet utile“
darf nicht das höherrangige Prinzip der begrenzten
Einzelermächtigung unterlaufen werden.
Vertrauensschutz ist ein legitimer Grundsatz des allgemeinen
Verwaltungsrechtes, das in die Regelungskompetenz der
Mitgliedstaaten fällt. Darauf müssen die Anschlusserwartungen
des europäischen besonderen Verwaltungsrechts abgestimmt
werden. In diesem Bereich der kooperativen Abstimmung von
legitimen Durchsetzungserwartungen des europäischen Rechts und
ebenso legitimen konservierenden Überlegungen zur Erhaltung der
„Ordnungsidee“ des jeweiligen nationalen allgemeinen
Verwaltungsrechts (Schmidt-Aßmann 2004) bedarf es der
Entwicklung von fallbezogenen Entscheidungs-, Beweis- und
Abwägungsregeln, zu denen der EuGH in den hier diskutierten
Bereichen wenig Hilfreiches formuliert hat.23 Dies findet
seinen Niederschlag auch vielfach in der europarechtlichen
Literatur, in der schematisch drei Kategorien des allgemeinen
Verwaltungsrechts im Europäischen Mehrebenesystem unterschieden
werden: das allgemeine Verwaltungsrecht der Eigenverwaltung der23 Vgl. zur Bedeutung des Lernens des allgemeinen Verwaltungsrechts am Fallmaterial Harlow 1994; zum Lernen durch Entwicklung von „Ordnungsideen“ im Austausch zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht Schmidt-Aßmann/Dagron: 2007.
79
EG, das nationale allgemeine Verwaltungsrecht der
Mitgliedstaaten und das europäisierte nationale
Verwaltungsrecht, das der Durchsetzung des europäischen
besonderen Verwaltungsrechts dient (Kadelbach 2002).
Diese Neigung zu einer schematischen Unterscheidung hängt
möglicherweise zusammen mit einer in den Anfangszeiten durchaus
produktiven, in der jüngsten Zeit aber zunehmendem Maße
disruptiv wirkenden blinden Option für die Durchsetzung der
Suprematie des europäischen Rechts mithilfe eines
systematischen Durchgriffs in das nationale Recht (Ladeur
1996: 77). Allerdings löst die zunehmende Eingriffstiefe des
europäisierten besonderen Verwaltungsrechts (ähnliches gilt für
das Zivilrecht) in die allgemeinen Rechtsstrukturen der
Mitgliedstaaten immer mehr schwer zu bewältigende
Kollateralschäden aus. Ein Beispiel aus dem Zivilrecht bietet
die erweiternde Interpretation der Produkthaftungsrichtlinie
als umfassende Regelung aller Ansprüche wegen Schädigung durch
Produkte im Sinne der Richtlinie (EuGH, Slg. 2002, I-3901 -
González-Sanchez; Schmid 2006: 22ff.); damit werden alle
möglichen nationalen Regelungen haftungsausfüllender oder
haftungserweiternder Natur von der Anwendung auf europäisierte
Fallkonstellationen ausgeschlossen Joerges 2007: 736), während
sie zugleich für Sachverhalte, die ausschließlich vom
nationalen Recht zu bewerten sind, weiter Bestand haben. Dies
wird angenommen, obwohl diese Möglichkeit eines expansiven
Verständnisses der Richtlinie bei deren Verabschiedung gar
nicht bedacht worden ist (Joerges 2007: 717). Der EuGH müsste
im Zivil- wie im Öffentlichen Recht sehr viel stärker die
80
produktive Seite der multipolaren europäischen Rechtsordnung
beobachten (vgl. Möllers 2006) und weiterentwickeln und dabei
seinerseits auf materiell- und verfahrensrechtliche Kooperation
der Rechtsordnungen und der Gerichte der Mitgliedstaaten
setzen. Dabei ist v. a. zu berücksichtigen, dass die
Europäisierung des Rechts gerade durch ihre Intervention in
nationale Rechtsordnungen deren Einbettung in eine reichhaltige
Praxis, insbesondere aus Entscheidungen über eine Vielzahl von
Fällen und die daraus gewonnenen Erfahrungen und dogmatischen
Selbstbindungen unterbricht, ohne ihrerseits über eine
entsprechende Infrastruktur aus der Kenntnis von Fällen,
Verhaltens- und Erwartungsmustern, normativen Vorrang und
kognitiven Wissens-, Beweis- und Vermutungsregeln je verfügen
zu können. Die EG kann schon aufgrund ihrer Größe und der
Vielfalt ihrer politischen, kulturellen und rechtlichen
Traditionen und Erfahrungen niemals sinnvollerweise anstreben,
zu einem europäischen „Superstaat“ zu werden (Rosa: 2000). Der
EuGH scheint dies allerdings in seiner Überschätzung der
Bedeutung der Einheit des Rechts als Interpretationsprinzip
(Schmid 2007), das die Grenzen der Kompetenzverteilung zu
unterminieren droht, auch im Detail vielfach zu ignorieren.
Als Zwischenthese wäre auf der Grundlage der Überlegungen zur
Bestandskraft von Verwaltungsakten im europäisierten
Verwaltungsrecht festzuhalten, dass ein europäisches
allgemeines Verwaltungsrecht nicht nach dem einheitsbildenden
Muster der Systematisierungs- und Reflexionsleistungen des
traditionalen staatlichen allgemeinen Verwaltungsrechts
konzipiert werden kann. Es muss als Kollisionsrecht im Sinne
der Öffnung des nationalen allgemeinen Verwaltungsrechts für
81
die heterarchischen Rechtsverhältnisse in einem europäischen
multipolaren Rechtssystem entwickelt werden (Ladeur 2004a:
91).
In diesem Sinne muss ein europäisiertes allgemeines
Verwaltungsrecht kollisionsrechtlichen Prinzipien folgen und
kooperativ auf die Durchlässigkeit des nationalen Rechts für
die Wahrnehmung des Rechts oder der Interessen der
supranationalen Ebene wie des Rechts der anderen
Mitgliedstaaten angelegt sein. Ein solches Kollisionsrecht
folgt nicht mehr den klassischen, aber nicht alternativlosen
Regeln der Verweisung, sondern ist auf Durchlässigkeit für die
jeweils andere Rechtsordnung und auf Kooperation mit ihr zu
orientieren (insbesondere Michaels 2006: 212, 232; kritisch
Legrand: 1996, 45, 92; 2002, 133; Schwarze 1998, 191).
Im Hinblick auf die weiter unten noch einmal aufgeworfene
Problematik der „Kollisionsregeln“ neuer Art ist ein Hinweis
auf eine mögliche Ambivalenz des Konzepts des
„Kollisionsrechts“ erforderlich: Im Bereich des europäischen
„Mehrebenensystems“ – oder besser: des europäischen Netzwerks
überlappender Rechtsordnungen (Slaughter/Burke-White 2007) –
haben wir es auf der staatlichen Ebene mit stark
ausdifferenzierten Regelwerken zu tun, denen das europäische
Recht mit seinen Harmonisierungs- bzw. Vorrangansprüchen
gegenübertritt. Der hier evozierte Typus eines
„Kollisionsrechts“ neuer Art (das dem Denken in Hierarchiebenen
entgegengesetzt ist) ist anders zu konstruieren als die
„Kollisionsregeln“, die einmal für die Abstimmung
unterschiedlicher, aber nur partiell konkretisierter und
ausdifferenzierter völkerrechtlicher oder transnationaler
82
„Regimes“ (z. B. WTO und umweltrechtliche Regimes) und die sich
zum anderen – nach den Überlegungen von Fischer-Lescano und
Teubner (2006) – funktionsspezifisch (nicht, oder jedenfalls
nicht primär in einer territorialen Logik auf den Staat oder
klassische völkerrechtliche Regimes bezogen) spontan
„zivilgesellschaftlich“ entwickelt haben. Wie sich ein
Kollisionsrecht verstehen lässt, das darauf abgestimmt ist,
bedürfte weiterer Überlegungen, die ebenfalls interdisziplinäre
Beobachtungen erforderlich machen. Ein Kollisionsrecht, das auf
diese Typen von Regimes eingestellt wäre, müsste sich
unterscheiden von dem Typus, der für das europäisierte Recht
denkbar wäre. Wie lassen sich unvollständige trans- und
internationale Regimes und ihre Regeln in einem
kollisionsrechtlichen Denken beobachten? Handelt es sich bei
dem emergenten Recht der Regimes im Sinne von Fischer-Lescano
und Teubner überhaupt um Recht? Wie lassen sich die Regimes
abgrenzen?24 Wieweit lässt sich die „autopoietische Schließung
des Rechts im Völkerrecht beobachten (aus
politikwissenschaftlicher Sicht bejahend für das „Weltrecht“
Albert/Schmalz-Bruns 2009: 57; differenzierter Fischer-
Lescano/Liste, 2005, 209).
Nur anzumerken sei, dass das Urteil des BVerfG zum Vertrag von
Lissabon (BVerfG, NJW 2009, 2267; vgl. dazu die Kommentare in
GLJ 2009/Heft 8) in seiner Begrifflichkeit antiquiert
erscheinen mag, wenn es eine Art Substanz der Staatlichkeit24 Das für den territrial-staatlichen Bereich gegebene Beispiel der Begrenzung der expansiven Logik der Wissenschaft (Gentechnologie: Christensen/Fischer-Lescano 1998: 317f.) durch staatliches Verfassungsrecht(Gesetzesvorbehalt für neue Technologien) ist nicht recht plausibel, da hier nach h. M. einen Vorrang der Vermutung für die Freiheit der Grundrechtsbetätigung (also: die expansive Logik der Wissenschaft) gibt (Wahl/Masing 1990: 553).
83
gegen den Zugriffs des „Staatenverbundes“ der Europäischen
Gemeinschaft zu verteidigen scheint, doch entspricht dies
spiegelbildlich der Tendenz der supranationalen Organe der EG
(Kommission, EuGH), den europäischen Superstaat aufzubauen,
ohne ein Verständnis dafür zu zeigen, dass das Zeitalter der
Staatlichkeit vielleicht nicht zu Ende ist, aber deren
traditionelle, auf Hierarchie, Einheit und Homogenität
angelegten territoriale Ordnungsmuster auch nicht dadurch
wiederbelebt werden können, dass die Dimensionen der
Territorialität (Sassen 2008) erweitert werden. Die EG kann
nur nach dem neuen Paradigma eines heterarchischen Netzwerks
gedacht werden – anderenfalls wird sich die Krise der
traditionellen Staatlichkeit nur in einem größeren Maßstab
reproduzieren. Daran geht auch die Vorstellung vorbei, dass das
„Demokratiedefizit“ der EG beseitigt werden müsse (und könne)
(Ladeur 2008: 147). Die EG hat eher ein „Netzwerkdefizit“, ihr
mangelt es an einer produktiven „kollisionsrechtlichen“
Konzeption des Prozessierens von Vielfalt, Heterogenität und
Heterarchie. Dass die Krise des Staates nichts mit seiner Größe
zu tun hat (Rosa 1998), zeigt auch die Tatsache, dass gerade
die kleineren europäischen Staaten sich auf die Globalisierung
offenbar besser einstellen können als die großen.
2. Nationale und europäische Grundrechte
Probleme der Koordination pluraler Rechtsordnungen zeigen sich
in der Abstimmung von völkerrechtlichem, europäischem und
nationalem Grundrechtsschutz. Auch hier wird deutlich, dass das
hierarchische Denken im Angesicht der Globalisierung des Rechts
84
nicht mehr problemangemessen ist (Krisch 2006: 247; Schiff
Berman 2005). Kollidierender und überlappender
Grundrechtsschutz ist die Normalität, nicht die Ausnahme
(Krisch 2008: 183). Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen,
dass Einheit des Rechts nicht mehr das primäre
erkenntnisleitende Konstruktionsprinzip sein kann – weder im
nationalen Rechtsraum noch im transnationalen (Fischer-
Lescano/Teubner 2007: 37; 2006). Das Recht übernimmt so
vielfältige Formen, dass Einheit nicht mehr paradigmatisch
werden kann. Das schießt selbstverständlich nicht aus, dass es
Bereiche gibt, in denen Einheit ordnungsbildend werden kann
(für bestimmte marktbezogene Regeln, die einen einheitlichen
Markt ermöglichen sollen). Die europäische
Menschenrechtskonvention erkennt diesen Unterschied
ausdrücklich an, aber in einer verfehlten staatsfixierten Form,
wenn sie den Mitgliedstaaten einen „margin of appreciation“ für
Grundrechtsbeschränkungen einräumt (vgl. kritisch L. Favoreu
2004). Dies ist ein verfehlter Konstruktionsansatz, denn in den
zentralen Fragen geht es nicht um das Verhältnis von Staat und
Gesellschaft sondern die gesellschaftliche Bildung von
Konventionen, die die etwa die Bedeutung von
Kommunikationsrechten und ihres Verhältnis zu konkurrierenden
Rechten (Persönlichkeitsrechte) betreffen (Ladeur, in: Götting
u.a. 2008: § 22). Warum sollte es in Europa, wenn die medialen
Öffentlichkeiten weitgehend getrennt sind, nicht auch
unterschiedliche Regimes für die Abstimmung der kollidierenden
Grundrechte geben? Der Zugang über den staatlichen „margin of
appreciation“ führt in die falsche Richtung. Es geht um
unterschiedliche gesellschaftliche Wissens-, Regel- und
85
Wertbestände, die auf unterschiedliche Entwicklungspfade
gesellschaftlicher Normbildung zurückgehen. Die Vorstellung
einer Einheit der Rechtsordnung geht hier fehl. Dabei geht es
nicht um die Anerkennung der Eigenständigkeit der nationalen
Rechtsordnungen per se sondern um gesellschaftliche
Trajektorien – dies gilt um so mehr, als die Unterschiede
vielfach gerade nicht von primär nationalen Traditionen
bestimmt werden, sondern von unterschiedlichen transnationalen
Rechtskreisen, die auch früher schon Lernen zwischen
Gesellschaften ermöglicht und strukturiert haben.
So haben sich sowohl im Hinblick auf den Sozialstaat als auch
z. B. im Hinblick auf die Kommunikationsfreiheit mehrere
europäische Modelle herausgebildet, die miteinander
konkurrieren, sich wechselseitig beobachten, aber nicht
vereinheitlicht werden müssen. Interessanterweise erkennt der
EGMR Unterschiede des Grundrechtsschutzes gerade dort an, wo es
um unterschiedliche finanzielle Leistungsfähigkeit der
Mitgliedstaaten geht, also bei der Ausstattung von Gefängnissen
(zur Kritik Favoreu 2004: 789; vgl. zur Rechtsprechung
Schilling 2004: Rnr. 109ff.; zur Kooperation der Gerichte Oeter
2007). Dies erscheint als Einzelfall durchaus plausibel, die
Akzentuierung der Leistungsunterschiede zeigt aber, dass
Pluralität eher als Notlösung unter hier finanziellem Zwang
akzeptiert wird, während umgekehrt die Einsicht, dass
Pluralität des Grundrechtsschutzes kein Problem sondern die
Lösung für die Bewältigung der Vielfalt der Gesellschaften,
Werte, Regimes und Entwicklungspfade sein kann (Rosenfeld
2008). Die europäische Grundrechtskontrolle könnte dann eher
als ein prozeduraler Mechanismus der Reflexion
86
unterschiedlicher Standards und ggf. zur Ermöglichung von
Interventionen zum Zwecke des Aufbrechens von Lock-in-Effekten
sein, die entweder für die Entwicklung der jeweiligen
Gesellschaft schädlich sein können oder zur Externalisierung
von negativen Effekten auf andere Länder führen. Ein Beispiel
für die unterschiedlichen Standards zur Bestimmung des
Verhältnisses von Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz
bildet das Caroline-Urteil des EGMR (NJW 2004, 2647): Warum
sollte dieses Verhältnis in verschiedenen Ländern nicht
unterschiedlich sein können (vgl. auch Helfer/Slaughter 1997 zu
einer Differenzierung der Kriterien einer supranationalen
Homogenisierung des Rechts)? Der Sache nach hat der EGMR die
französische Variante (vgl. nur Cour d’Appel de Versailles v.
24.11.2005, Az. 05/05739 – Albert II v. Monaco) im Gegensatz
zur englischen (im Zweifel für die Pressefreiheit) und zum
deutschen Modell einer mittleren Linie für allgemein
verbindlich erklärt. Dies mag man unterschiedlich bewerten,
aber warum sollte der Unterschied als solcher nicht produktiv
sein können?
Jedenfalls muss die Koordination des Grundrechtsschutzes in
„Mehrebenensystemen“ zunächst bei den einzelnen Grundrechten
und der je spezifischen Frage der erforderlichen Reichweite der
Integration der Interpretation ansetzen und nicht bei einer
prozedural für die Urteilsbindung zwischen Gerichten – anders
zwischen Behörden (Ladeur/Möllers 2005; Slaughter/Zaring 2006)
- dogmatisch nur schwer zu konstruierenden
„Kooperationspflicht“25 (Pflicht zur „Berücksichtigung“, keine25 Die von Sauer 2008: 374ff., 504, konstruierte eine „Loyalitätspflicht“ zwischen Organen innerhalb eines Mehrebenensystems, die aber die unterschiedlichen Ebenen der Bindung (materielles Recht/prozedurale Bindung) ebenfalls nicht genau trennt. Die prozedurale Dimension könnte in
87
Ergebnisbindung) ansetzen (so aber BVerfGE 111, 307 – Görgülü;
dazu S. Graf Kielmannsegg 2008: 273, 300f.; kritisch Cremer,
EuGRZ 2004, 683).26 Dies ist verfahrensrechtlich ein für das
deutsche System der richterlichen Unabhängigkeit schwer zu
akzeptierendes und zu realisierendes Prinzip: eine Bindung von
Gerichten über den Einzelfall hinaus (so im Revisionsverfahren
bei Zurückverweisung an das Gericht der unteren Instanz) gibt
es sonst nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§ 31
Abs. 1 BVerfGG) bei Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts. Einen Ansatz zu dieser neuen
transnationalen Koordination von Gerichten durch eine Pflicht
zur fallübergreifenden Berücksichtigung der Rechtsprechung
anderer Staaten im Interesse einer einheitlichen Praxis enthält
Art. 7 Abs. 1 der UN Convention for Contracts on International
Sale of Goods (CISG). In der Vergangenheit hat diese Bindung
zuletzt wegen unterschiedlicher methodischer Standards in den
Mitgliedstaaten offenbar wenig gefruchtet (Kilian 2001: 226).
Für die supranationale Gerichtsbarkeit mag dies partiell anders
zu bewerten sein – aber eben auch nur partiell.
Die europäischen Gerichte beachten hier zuwenig, dass einzelne
Grundrechtsregimes vielfach in jahrzehntelanger Koordination
von gesellschaftlicher Praxis, Gerichten und Rechtswissenschaft
herausgebildet worden sind, während sie selbst nur punktuell in
dieses Netzwerk der Rechtsbildung intervenieren können – und
einer (begrenzten) Analogie zu § 31 BVerfGG entfaltet werden. 26 Eine andere Variante der Kooperation und der Netzwerkbildung in der globalisierten Entscheidungspraxis der Gerichte besteht in der allerdings in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägten Bereitschaft, sich in der Begründung auf Gerichte anderer Länder zu beziehen, vgl. für die USA Slaughter/Zaring 2006a.
88
deshalb am Ende eher Konfusion in den jeweiligen nationalen
Rechtsregimes erzeugen. Ähnliches gilt auch für die
Entscheidungen des EuGH zur Drittwirkung der Marktfreiheiten im
Privatrecht (EuGH Rs. C-438/05, Slg. 2007, I-1077 Viking; Rs.
C-341/05, Slg. 2007, I-11767 Laval). Hier geht es eher um die
Kollision unterschiedlicher sozialstaatlicher Rechtsregimes –
wobei Sozialstaat in diesem Fall wörtlich zu nehmen ist als
„gesellschaftlicher Staat“ (Ridder 1960; dazu Hase 1999), die
aus einer Fülle von sozialen Konventionen, Entscheidungen,
staatlichen Regeln bestehen, in die das Gericht interveniert
(ähnliches gilt für den „Mangold-Fall“, EuGH, NJW 2005: 3695).
Dies mag durchaus im Interesse der Herausbildung eines
europäischen Rechtsraumes geschehen, aber es ist erforderlich
(Joerges/Rödl 2009, 1), das Problem komplexer zu fassen und
nicht als eine Frage der Durchsetzung einheitlicher
europäischer Grundsätze und Regeln – noch dazu gegenüber dem
auf Selbstorganisation angelegten Privatrecht - zu verstehen.
3. Globales Verwaltungsrecht
Jenseits des klassischen Nationalstaats und diesseits der
Formen des klassischen Völkerrechts (und des
„Eigenverwaltungsrechts“ der internationalen Organisationen)
hat sich inzwischen auch ein auf die öffentliche Verwaltung
bezogenes transnationales globales Recht herausgebildet
(Kingsbury/Krisch/Stewart 2005; Harlow 2006: 187; Auby 2003),
das nicht mehr im klassischen Sinne als „Öffentliches Recht“
bezeichnet werden kann (vgl. Möllers 2004: 329) aber in einem
Entsprechungsverhältnis zum transnationalen Privatrecht („lex
89
mercatoria“ neuer Art und andere Formen „neospontanen“ Rechts,
Teubner 2000a: 437) steht. Es ist nicht verwunderlich, dass
auch dieses Recht ähnlich wie das postmoderne innerstaatliche
Recht deutliche Erscheinungsformen der neuen Pluralität und
Heterogenität der Rechtsbildungsprozesse aufweist (Zumbansen
2002: 400; Calliess/Renner 2007; 2009). Das transnationale
Verwaltungsrecht hat keine leicht identifizierbaren
„Rechtsquellen“, seine Institutionen und Prozeduren sind
unterentwickelt, das Verhältnis von Öffentlichem und Privatem
ist vielfach intransparent. Ja, ob es überhaupt „Recht“ ist,
ist streitig (Kingsbury 2009; Dyzenhaus 2008). Die Abgrenzung
von öffentlichem und privatem Recht verliert ihre Bedeutung.
Umgekehrt stellt sich die Frage, ob und wie weit und in welcher
Form „sekundäre Normen“ (H. L. A. Hart) erforderlich sind, dami
überhaupt Recht von anderen Normen unterscheidbar wird. Dass
es sich um formelle Normen über die Setzung und Veränderung von
(primären) Normen handeln muss, erscheint in einem von
Pluralität geprägten „Weltrecht“ nicht zwingend.
Es zeigt sich, dass auch private transnationale Umweltstandards
öffentliche (Umwelt-)Interessen schützen können (Winter 2006;
Herberg 2007; Dilling/Herberg/Winter 2008; Fischer-Lescano
2008: 373).
Eine in Deutschland verbreitete begriffliche Akzentuierung als
internationales (im Gegensatz zum „globalen“) Verwaltungsrecht
verdankt sich nicht schon einer Engführung mit dem nationalen
Verwaltungsrecht und damit der Orientierung am Staat, von dem
aus bestimmte Materien des Verwaltungsrechts – ob national oder
international – unterschieden werden, während die Frage nach
90
dem „globalen Verwaltungsrecht“ diese Anknüpfung stärker
vernachlässigt und damit auch den Aufstieg der privaten Akteure
in den globalen Arenen stärker in den Blick nimmt. Der Staat
ist danach im Zeitalter der Globalisierung von vornherein
„fragmentiert“ in eine Vielzahl von Behörden und Agenturen, die
ihre Orientierung ihre Beteiligung an transnationalen
„Netzwerken“ erhalten (Möllers 2005: 351; zur Verantwortung
globaler transgouvernementaler Netzwerke Slaughter 2004;
Slaughter/Burke-White 2007), die sie zusammen mit anderen
öffentlichen und privaten Akteuren in bestimmten
Handlungsarenen bilden. Das „globale Verwaltungsrecht“ lässt
sich auf diesem Hintergrund mit der Vorstellung des
„disaggregated state“ (Slaughter 2004: 283;
2004a;Slaughter/Zaring 2006; allgemein Kettl 2002) verknüpfen,
der sich nicht auflöst, sich aber doch in ein Arrangement von
unterschiedlichen, vor allem durch Regulierungsaufgaben
zusammengehaltene „Netzwerke“ transformiert (Ladeur/Möllers
2005: 525), in denen es auch weniger um ein selektives
Entscheiden als um die Erreichung von relativ weit gefassten
Zielen geht (zur informationellen Seite des Verwaltungshandelns
Vesting 2004). Damit ist sicher ein wesentliches Merkmal des
„internationalen Verwaltungsrechts“ erfasst, dennoch wird sich
zeigen, dass auch ein Zusammenhang des „disaggregated state“
auf einer abstrakten Ebene erhalten und wieder hergestellt
werden muss, und wenn nur deshalb, weil die staatliche
Verwaltung im übrigen noch immer bestimmten
Organisationsprinzipien und Legitimationsanforderungen
unterworfen ist, die stärker auf die Zentralität des Staates
bezogen sind. Dies gilt vor allem für die Legitimation und
91
Verantwortung für staatliches Handeln (Held 1999, S. 84;
Cohen/Sabel 2006: 763). Die „globalen Netzwerke“ können sich
den damit aufgeworfenen Fragen nicht entziehen. Dieses Problem
wird auch in der Diskussion um das „global administrative law“
gesehen und mit der Frage nach der „accountability“ des
globalisierten öffentlichen und privaten Handelns diskutiert
(Raustiala/Slaughter 2002) Das „internationale
Verwaltungsrecht“ setzt den Akzent aber stärker bei dem, was
von der Einheit des Staates geblieben ist, und den Prinzipien,
die sich daran orientieren.
Auf den einzelnen Feldern eines „internationalen
Verwaltungsrechts“ muss jeweils gefragt, welche Gesichtspunkte
die untersuchte Materie als ein „Referenzgebiet“ für ein
allgemeines „internationales Verwaltungsrecht“ bieten kann.
Hier stellt sich ein methodisches Problem, das auch innerhalb
der europäischen Gemeinschaft immer noch nicht befriedigend
geklärt ist. Im europäisierten Verwaltungsrecht werden relativ
starr und vereinfacht drei Teile eines allgemeinen
Verwaltungsrechts unterschieden (Kadelbach 2002: 167): Das
Recht der europäischen Eigenverwaltung, das der nationalen
Eigenverwaltung und das allgemeine nationale Verwaltungsrecht,
das der Verwirklichung des besonderen europäischen
Verwaltungsrechts dient. Auch auf der internationalen Ebene
ließe sich ein funktionales Äquivalent zu dieser
Problemstellung finden: „global administrative law“ ist dann
eher das Recht der „Eigenverwaltung“ der als relativ
selbstständig zu betrachtenden Regulierungsnetzwerke, während das
„internationale Verwaltungsrecht“ dies zwar nicht
vernachlässigt, aber stärker die kooperative Verknüpfung mit
92
den Ordnungsideen des nationalen, und damit staatlichen
allgemeinen Verwaltungsrecht betont, soweit es um die
Beteiligung des Staates an den transnationalen Interaktionen
und Netzwerken geht.27 Das WTO-Recht ist als eigenständiger
Forschungsgegenstand etabliert28 und nimmt mehr und mehr die
Züge eines durch völkerrechtliche Delegation ermöglichten
„Eigenverwaltungsrechts“ an, das sich von den Rechtsmaterien
unterscheidet, in denen die institutionelle Ausdifferenzierung
der internationalen Kooperation keine vergleichbare
institutionelle Verdichtung erfahren hat (vgl. auch Zangl
2006).
Diese Fragmentierung des globalen Verwaltungsrechts und die
daraus folgende wechselseitige Durchlässigkeit der
verbleibenden territorialen Komponenten der neuen pluralen
Rechtsordnung schlägt sich auch prozessual in der Notwendigkeit
nieder, durch Gerichtsentscheidungen entgegen dem früheren
Rechtsgrundsatz „par in parem non habet iurisdictionem“, der
aus der Souveränität der Staaten folgt, eben doch aus
rechtsstaatlichen Gründen die administrative Kooperation der
Staaten nicht auf der Rechtsschutzebene wieder in die einzelnen
Entscheidungsschritte nationaler Behörden zerlegt werden kann –
mit der Folge, dass ein betroffener Bürger bei Verfahren im
Verwaltungsverbund (Visaerteilung gegenüber Angehörigen dritter
Staaten, die sich in der EG aufhalten und von einem in einen
anderen EG-Mitgliedstaat reisen wollen) z. B. sowohl gegen eine
nach außen adressierte Verwaltungsentscheidung des einen
Staates als auch gegen interne Zustimmungen, Warnungen etc.27 Vgl. zur Globalisierung als einer Form der Erweiterung der Möglichkeiten staatlichen Handelns Drezner 2007: insbes. S. 32ff.28 Vgl. zur Herausbildung neuer kontext- und effektivitätsbezogener Auslegungsregeln im WTO-Recht Van Damme 2009: inbes. S. 213ff., 287ff.
93
des anderen Staates gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch
nehmen müssten (anders mit Recht Conseil d’Etat, 9 June 1999,
No. 198344, Mme Hamssaoui.; vgl. auch für das Verhältnis
europäische Gerichte/UN-Entscheidungen Behrami and Behrami v
France, ECHR (Grand Chamber). Application Number 71412/01,
(2007) 45 EHRR SE 10; zust. Kingsbury 2009: S. 25 f.).
4. Völkerrecht in einer globalen Rechtsordnung
Für das Völkerrecht hat vor allem Koskenniemi die Dominanz des
Expertenwissens in fragmentierten „Regimes“, die nicht durch
ein hierarchisches System des Rechts integriert werden könnten,
als eine Variante des Zerfalls des Rechts kritisiert. Zwar
lässt sich in der Tat eine Parallele zwischen staatlich
interner und internationaler externer Auflösung der
traditionellen Staatlichkeit und ihrer Ablösung durch nicht-
territoriale Regimes beobachten, jedoch (Koskenniemi 2007)
greift eine Kritik zu kurz, die hier nur noch die Dominanz des
Expertenwissens diagnostizieren zu können meint, aber die
Veränderung der insbesondere kognitiven Infrastruktur des
Rechts im Übergang von der Gesellschaft der Individuen zur
Gesellschaft der Organisationen und zur Gesellschaft der
Netzwerke aus dem Blick verliert. Es ist auch weder auf der
staatlichen noch auf der völkerrechtlichen Ebene
ausgeschlossen, dass die Pluralität der Regimes durch neue
prozedurale Regeln der (Wollenschläger 2009) der Reflexion und
Evaluation des generierten Expertenwissens nicht ein
funktionales Äquivalent zu den klassischen Formen der
Integration des Rechts durch interne Systembildung zweiter
94
Ordnung (durch Metaregeln der Konsistenzprüfung) in der Gestalt
von Metaregeln eines neuen „Kollisionsrechts“ herausbilden
kann. Das Plädoyer für einen neuen Formalismus der Inklusion
der Ausgeschlossenen (Koskenniemi 2007) bedürfte demgegenüber
zunächst der Abstützung durch die Beobachtung der fundamentalen
Selbsttransformation des nationalen wie des internationalen
Rechts insbesondere durch den Aufstieg der Organisationen als
Akteure und die Dezentrierung des Rechts im Kontext der
gesellschaftlichen Wissens- und Regelbestände. Deshalb
erscheint auch die Annahme problematisch, dass die
Pluralisierung der „Regime“ im Rekurs auf einen neuen
Formalismus kompensiert werden kann (Koskenniemi 2007; Beckett
2006: 1045), der eher den Charakter eines quasi-religiösen
Bekenntnisses („faith“, Inklusion der Ausgeschlossenen)
annimmt, das die „de facto“ praktizierten Regeln in Frage
stellt. Das Völkerrecht sieht sich hier mit einer neuen
Erscheinungsform der Ungleichzeitigkeit konfrontiert, die vor
allem dadurch bestimmt wird, dass die Permeabilität des
nationalen und des internationalen Rechts die Folgen des
Scheiterns der internen Kompatibilisierung der Pluralität der
Regeln und Regelsysteme in den Ländern der dritten Welt nach
Außen leitet und die Formulierung neuer Kollisionsregeln
(Joerges 2007: 717; ders./F. Rödl 2009: 775; Vesting 2004a: 66)
für unterschiedliche Rechtsordnungen vor fast unlösbare
Probleme stellt – die jedenfalls nicht mit
Umverteilungsforderungen oder allgemeinen Forderungen nach
Inklusion, die sich im Angesicht steigender Pluralisierung der
„Governance“-Prozessse weder auf Individuen noch auf Staaten
beziehen könnten, zu bewältigen sind. Die Schwäche der internen
95
Governance-Struktur der Entwicklungsländer überträgt sich
zwangsläufig auf die Beteiligung an und in transnationalen
Rechtsregimes, abstrakte Appelle an die Aufladung eines
völkerrechtlichen Formalismus mit substantiellen,
ausgleichenden Rechten auf Beteiligung und die Reflexion der
westlichen „self-centredness“ (Koskenniemi 2006) könnte daran
nichts ändern. Die genauere Beobachtung der partiellen
Rechtsregime würde jedoch eine Suche nach je spezifischen
Kollisionsnormen erlauben, die etwa die unverhältnismäßige
innerstaatliche Abstützung der Rechtsstellung transnationaler
Unternehmen in Entwicklungsländern durch einen schwachen, seine
Schutzpflichten für die Interessen der einheimischen
Bevölkerung vernachlässigenden Staat durch die transnationale
Expansion nationaler Grundrechte mit Schutzwirkung zugunsten
(einheimischer) Dritter partiell kompensieren könnte
(Ladeur/Viellechner 2008: 42). Vor allem das Grundrecht der
Menschenwürde aus Art. 1 GG (in Deutschland und funktionale
Äquivalente in anderen westlichen Ländern) verpflichtet auch
private Unternehmen, elementare Rechte anderer Privater
(Arbeitnehmer, Nachbarn etc.) nicht zu verletzen. Diese
Verpflichtung wird primär durch das Privatrecht implementiert;
daneben steht der Schutz der Grundrechte gegen Interventionen
des Staates selbst sowie die das rechtliche Dreiecksverhältnis
Unternehmen – Staat – Dritte komplementierende Schutzpflicht
des Staates gegenüber den Bürgern im Hinblick auf neue oder
sonst durch das Privatrecht nicht zu bewältigende Risiken, die
von privaten Unternehmen ausgehen (Teubner 2006: 161). Ein
heterarchisches plurales Rechtsverständnis kann diese
Koordination unterschiedlicher Rechtsregeln, die ein
96
produktives Beziehungsnetzwerk z. B. um private Unternehmen
erhalten, nicht als feste Größe ohne Rücksicht auf veränderte
Funktionsbedingungen auf andere Länder mit der Folge
übertragen, dass private ausländische Unternehmen zwar ihre
privatrechtlichen Pflichten (ggf. bei Funktionsausfällen des
fremden nationalen Rechts nach dem „mitgebrachten“ eigenen
nationalen Recht) erfüllen müssen, aber rechtsstaatswidriges
Handeln oder Unterlassen des Staates ignorieren könnten
(Nigeria: Shell/Ken Saro Wiwa, FAZ.net v. 9.6.2009). Das kann
umgekehrt nicht dazu führen, dass die Funktionstrennung von
Staat und Wirtschaft ignoriert werden dürfte. Vielmehr muss das
Dreiecksverhältnis so justiert werden, dass dem privaten
Unternehmen aus dem Grundrecht der Menschenwürde die
kompensatorische Pflicht erwächst, im Rahmen des Möglichen
wenigstens auf den Staat mit dem Ziel einzuwirken, Verletzungen
der Menschenwürde innerhalb des privat-öffentlichen Netzwerks,
an dem das Unternehmen beteiligt ist, zu unterlassen. Dies wäre
ein Exempel dafür, dass die Eigenrationalität der emergenten
heterarchischen pluralen Rechtsordnung neue kollisionsrechtlich
zu konstruierende, auf Kooperationspflichten jenseits des
klassischen auf der Trennung von nationalen Rechtsordnungen
basierenden Kollisionsrechts (Ohler 2005) gewährleisten kann.
Diese Kooperationspflichten sind nicht auf die rechtsetzenden
Institutionen im klassischen Sinne (Staat, internationale
Organisationen) zu beschränken, sondern sind auch auf
„subjektlose“ spontane oder privat aggregierte transnationale
Normen zu erstrecken (Teubner/Korth 2009) Solche Konstruktionen
lassen sich jedenfalls an die Eigenrationalität des Rechts
besser anschließen als der abstrakte neue Formalismus, den M.
97
Koskenniemi (2007) in einer durchaus ambivalenten Form auf eine
quasi-religiöse Grundlage stellt. Es stellt sich aber die
Frage, ob und wann Normen als Rechtsnormen zu qualifizieren
sind und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind: Manche
Autoren gehen von der Möglichkeit der Emergenz eines autonomen
transnationalen Rechts aus; das Kriterium der Rechtsnormbildung
wird in der Existenz sekundärer Normen über das Verfahren und
die Kontrolle der Entstehung von Normen gesehen (so im
Anschluss an H. L. A. Hart Teubner/Korth 2009); Kingsbury
(2009a) verlangt eine Prüfung am Maßstab allgemeiner Prinzipien
der „publicness“ der Normbildung. Es wäre jedoch gerade in
einer grundrechtsbasierten Sichtweise auch die Möglichkeit der
Anerkennung bzw. Berücksichtigung auch von solchen Regeln zu
erwägen, die eher Ausdruck der Selbstorganisation eines
Handlungsfeldes (insbesondere der Wirtschaft, der Medien, der
Kunst etc.) sind, ohne dass ihnen der Status von Rechtsnormen
zukäme.
Andere Konzeptionen des postmodernen Völkerrechts, die wiederum
zu einer produktiven Kooperation von Rechts- und
Sozialwissenschaften führen könnten, knüpfen an die Beobachtung
(wiederum) unterschiedlicher Lesarten von
„Konstitutionalisierungsprozessen“ an (zum Begriff Wahl 2006:
97f.). Die eine Lesart betrachtet die zunehmende Dichte der
internationalen Rechtsakte als Ausdruck einer emergenten
„Weltstaatlichkeit“, die der „Weltgesellschaft“ eine neue
organisatorische Rechtsform jenseits des aus dem Willen des
Staates abgeleiteten internationalen Rechts zuschreibt
(Faßbender 1998: 529; Frowein 2000: 427;Möllers 2008: 92;
skeptischer die sozialwissenschaftliche Beobachtung durch
98
Leibfried/Zürn 2006: 19, 32ff.). Nach einem anderen
Verständnisentwickelt sich eine neue „Logik der Gemeinschaft“
der Bürger (Albert/Schmalz-Bruns 2009: 57, 64f.; Preuß 2006:
175, 188; Habermas 2004: 113) daraus, dass ein
„Verrechtlichungsprozess“ einsetzt, der Staaten dazu zwingt –
wie man formulieren könnte, das staatlich zentrierte
öffentliche Interesse von vornherein auf eine als
Öffentlichkeit von Weltbürgern zu verstehende offene
Gemeinschaft im Werden zu beziehen. Mit einer anderen
Nuancierung wird von Ch. Chwasczca (2007) die Staatlichkeit aus
ihrer Bindung an vorrechtliche Gemeinschaften gelöst und zu
einer offenen Form der Institutionalisierung von demokratischer
Willensbildung, die unterschiedliche Referenzen zulässt. Auch
die – ebenfalls – auf Menschenrechten gründende Konzeption
einer „Globalverfassung“ (Fischer-Lescano 2005) sucht ihre
Referenz nicht in einem (sich herausbildenden) „Weltsouverän“
sondern in einer Reihe von funktionsspezifischen „Regimes“, die
sich über Kollisionsregeln aufeinander abstimmen und
koordinieren lassen (vgl. auch ders./Teubner 2006; Teubner
2003: 1; skeptisch mangels basaler geteilter Werte Koskenniemi
2006). Über den mithilfe von Metaregeln der Transparenz
offengelegten Wettbewerb unterschiedlicher Institutionen könnte
auch eine neue Art der Verantwortung von heterarchischen
Netzwerken durch Kopplung an die staatsbasierten Rechtssysteme
erfolgen (vgl. dazu auch Guéhenno 1999: 112f.).
Auch der Begriff der „Konstitutionalisierung“ selbst bedürfte
einer interdisziplinären Beobachtung durch die
Rechtswissenschaft und sie Sozialwissenschaften. Manche
Lesarten des Konzepts gehen von einer einfachen Vorstellung der
99
Hierarchie internationaler Normen aus. Konstitutionalisierung
im rechtswissenschaftlichen Sinne kann nicht auf die Hierarchie
von Rechtsnormen (und die Übertragung dieses staatsbasierten
Prinzips auf das inter- und transnationale Recht) reduziert
werden. Selbst wenn eine Normenhierarchie unterstellt werden
könnte, folgt daraus noch nicht, dass es zu einem
Konstitutionalisierungsprozess kommen muss, der dem entspricht,
der sich – jedenfalls in Deutschland – auf der staatlichen
Ebene beobachten lässt. Konstitutionalisierung bedeutet schon
im staatlichen Rechtsraum nicht immer das gleiche.
Konstitutionalisierung verweist immer auf ein
Institutionengefüge, das zu einer mehr oder weniger
weitreichenden „Verdichtung“ des Rechtsstoffs“ führt (Möllers
200, 227, 265) und damit politische (Entscheidungs-)Prozesse
entsprechend der Akzeptanz von Verrechtlichungsprozessen durch
ein Verfassungsgericht und eine rechtszentrierte Öffentlichkeit
der politischen Kontroverse entzieht (vgl. auch zur
Abhängigkeit der Verfassungsinterpretation vom Selbst- und
Fremdverständnis der politischen Institutionen Vermeule 2006;
2008). Ein kollisionsrechtliches Verständnis des Verhältnisses
zwischen den Rechtsmaterien in einem heterarchischen trans- und
internationalen Netzwerk kann und muss die durch die
unterschiedlichen Institutionen und Relationierungen bestimmten
Selbstbegrenzungen der Konstitutionalisierungsprozesse
reflektieren.
Im Übrigen ist Verrechtlichung nicht notwendig mit
„Konstitutionalisierung“ gleichzusetzen (Möllers 2008: 92f.).
Eine andere Variante der Stärkung der internen Verknüpfungen
innerhalb eines fragmentierten Netzwerks internationaler und
100
transnationaler Normen ist die Setzung von Vorgaben für das
Verwaltungsverfahren auf der Grundlage völkerrechtlicher
Verträge. Dies führt zur Herausbildung eines „internationalen
Verwaltungsrechts“ (Möllers 2008: 94), das sich wegen seiner
Orientierung an der klassischen Staatlichkeit von der sich
davon stärker ablösenden Variante des globalen
Verwaltungsrechts unterscheidet. Daneben besteht eine weitere
Variante der „Hybridisierung“ in der Verknüpfung von
materiellen Bindungen mit (schwer implementierbaren)
Verpflichtungen zur finanziellen und technischen Hilfe
(Heyvaert 2009). Auch hier bietet sich ein Feld für die Selbst-
und Fremdbeobachtung von Rechtsbildungsprozessen durch die
Rechts- und die Sozialwissenschaften an.
Ein Gegenstand der wechselseitigen Beobachtung könnte auch das
Phänomen des sog. Soft law bilden (Abbott/Snidal 2009); dies
ist eine unbefriedigende Begriffsbildung, die sich an einem
problematischen Ideal („hard law“) orientiert und die
Verschleifung von normativen und faktischen Regeln, der
Verweisung auf künftige Konkretisierungen durch Praxis und
andere Erscheinungsformen des postmodernen globalen Rechts
nicht genauer in einer eigenständigen Begrifflichkeit sondern
eher als Abweichung von der früheren Regel beobachtet.
VI. Ausblick: Prozeduralisierung jenseits der „Legitimation
durch Verfahren“ (N. Luhmann)
Eine neue Form der Strukturbildung im Recht könnte in der
Prozeduralisierung (Verzeitlichung) von Risikoentscheidungen
bestehen (vgl. Dequech 2006: 109, 113): Strukturierte
101
Lernprozesse können mit den Entscheidungen selbst verknüpft
werden, wenn Teilentscheidungen für die Selbstbeobachtung des
zeitlich gestreckten Entscheidungsprozesses genutzt werden und
damit mehr kognitive Möglichkeiten eröffnet werden. Das heißt,
die Offenheit eines wissenschaftlichen Prozesses der Suche nach
„best practices“ (Zaring 2006: 294) wird abgestimmt auf den
nicht mehr in einer punktuellen Entscheidung zum Abschluss
kommenden Entscheidungsprozess selbst. Eine weitere Variante
der Prozeduralisierung könnte in der Konkretisierung und
Entfaltung eines Begriffs bestehen, den das
Bundesverfassungsgericht zwar mehrfach für die Kontrolle
komplexer Gesetzes- und Verwaltungsentscheidungen beschworen
hat, dem aber jede Kontur fehlt, nämlich der Pflicht zur
Beobachtung (Nachbesserung) von Entscheidungen (BVerfGE 49, 89,
139ff.; 50, 290, 332ff.). Dies könnte durchaus ein praktisches
Äquivalent zur klassischen Variante des Prozessierens der
Entscheidungen von Fall zu Fall sein: Dies ist das Ausprobieren
ex ante, während das Monitoring (kritisch zur Überschätzung der
„Evaluation“ von Entscheidungen Power 1999), die Beobachtung
der Haltbarkeit von Entscheidungen unter
Ungewissheitsbedingungen ex post bedeutet (Voßkuhle 2005: Rnr.
67, 73). Entscheidungen unter Ungewissheitsbedingungen bedürfen
häufig einer strukturierten Beobachtung, die nicht mehr über
die allgemeine Öffentlichkeit erfolgen kann, weil der Zugang zu
neuen Erfahrungen vielfach auf bestimmte Organisationen
begrenzt ist (zur Finanzmarktkrise Shiller 2004; 2008). Hier
bietet sich ein wichtiges Kooperationsfeld für
interdisziplinäre und rechtswissenschaftliche Forschung, die
auch auf die Ambivalenzen der Legalisierung und
102
Bürokratisierung von Risikomanagement sowie der internen
Prozesse von Unternehmen und Unternehmensnetzwerken eingestellt
sein muss (Power 2007).
Prozeduralisierung könnte nicht nur auf das Experimentieren mit
einzelnen Normen bezogen bleiben (Listokin 2009; Krohn 2008:
343), sondern auch die Abstimmung von Rechtsnormen und sozialen
Standards sowie die Kompatilisierung von rechtlichen Regimes
nach einem neuen Paradigma der heterarchischen relationalen
Rationalität umfassen. Sie kann auch eine der Formen der
Verknüpfung unterschiedlicher Regime innerhalb des globalen
Rechts sein, die etwa staatliche Entscheidungen mit
transnationalen Effekten nur dann zulassen, wenn dem
betroffenen Staat zuvor ein Beteiligungsrecht eingeräumt worden
ist (WTO App. Body 12.10.1998 (1999), 38 ILM, S. 121 – dazu
Kingsbury 2009: 18 - Shrimps-Fall).
103
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