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Soziale Kämpfe und politische Normativität in Axel Honneths »Das Recht der Freiheit«

Date post: 29-Nov-2023
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5 INHALTSVERZEICHNIS Michael Haus und Sybille De La Rosa Einleitung: Politische Theorie und Gesellschaftstheorie: Zwischen Erneuerung und Ernüchterung ................................................... 9 I. THEORIEHISTORISCHE PERSPEKTIVEN EINER VERHÄLTNISBESTIMMUNG VON POLITISCHER THEORIE UND GESELLSCHAFTSTHEORIE Klaus von Beyme Erneuerung und Ernüchterung der Politikwissenschaft ........................... 41 Heinz Bude Die Erbschaft des Neoliberalismus für die Gesellschaftstheorie .............. 71 II. GESELLSCHAFTSTHEORIE, POLITIKBEGRIFF UND LEGITIMITÄT Uwe Schimank Differenzierung – Ungleichheit – Kultur – und Kapitalismus: Perspektiven soziologischer Gesellschaftstheorie auf politische Gesellschaftsgestaltung und politische Legitimität .................................. 91 Hans-Jörg Sigwart Das Ganze der Gesellschaft und das Politische: Zum Problem einer Theorie gesamtgesellschaftlicher Integration ......... 115 Michael Hirsch Kritische Theorie der Politik und emanzipatorische Gesellschaftstheorie ................................................................................ 145 Alexander Weiß Left after Luhmann? Emanzipatorische Potenziale in Luhmanns Systemtheorie und ihre Anwendung in der Demokratietheorie .............. 165
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INHALTSVERZEICHNIS

Michael Haus und Sybille De La Rosa Einleitung: Politische Theorie und Gesellschaftstheorie: Zwischen Erneuerung und Ernüchterung ................................................... 9

I. THEORIEHISTORISCHE PERSPEKTIVEN EINER VERHÄLTNISBESTIMMUNG VON POLITISCHER THEORIE UND GESELLSCHAFTSTHEORIE

Klaus von Beyme Erneuerung und Ernüchterung der Politikwissenschaft ........................... 41

Heinz Bude Die Erbschaft des Neoliberalismus für die Gesellschaftstheorie .............. 71

II. GESELLSCHAFTSTHEORIE, POLITIKBEGRIFF UND LEGITIMITÄT

Uwe Schimank Differenzierung – Ungleichheit – Kultur – und Kapitalismus: Perspektiven soziologischer Gesellschaftstheorie auf politische Gesellschaftsgestaltung und politische Legitimität .................................. 91

Hans-Jörg Sigwart Das Ganze der Gesellschaft und das Politische: Zum Problem einer Theorie gesamtgesellschaftlicher Integration ......... 115

Michael Hirsch Kritische Theorie der Politik und emanzipatorische Gesellschaftstheorie ................................................................................ 145

Alexander Weiß Left after Luhmann? Emanzipatorische Potenziale in Luhmanns Systemtheorie und ihre Anwendung in der Demokratietheorie .............. 165

Inhaltsverzeichnis

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III. GESELLSCHAFTSDIAGNOSTIKEN, SOZIALE IMAGINATIONEN UND DIE KONSTITUTION VON POLITISCHER MACHT

Grit Straßenberger »Demokratie ohne Demokraten« Ralf Dahrendorf über das Führungsproblem in der »Post-Demokratie« .......................................... 191

Hartmut Rosa Warum wir leben, wie wir leben – Zur Philosophie, Soziologie und Politologie der Lebenspraxis ........................................................... 215

Sybille De La Rosa Die neoliberale Rationalität oder die Kolonialisierung der Lebenswelt und des Politischen .............................................................. 245

Daniel Baron Politisches Handeln in der Zweiten Moderne. Zu einer Diskussion zwischen Arendts Theorie des Politischen und Becks Theorie reflexiver Modernisierung ...................................................................... 269

Matthias Spekker Friedrich August von Hayek und die politische Theorie des Wirtschaftsliberalismus – Über die bewusstlose Affirmation der gesellschaftlichen Verkehrung und ihre Folgen .................................... 289

Markus Baum, Sebastian Weirauch und Maike Weißpflug Soziale Kämpfe und politische Normativität in Axel Honneths »Das Recht der Freiheit« ........................................................................ 313

Inhaltsverzeichnis

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IV. GLOBALISIERUNG, INTERKULTURALITÄT UND WELTGESELLSCHAFT

Oliver Eberl und David Salomon Politische Theorie in der postdemokratischen Konstellation .................. 335

Holger Zapf Vom Eurozentrismus der Gesellschaftstheorie zur Dezentrierung der Politischen Theorie ........................................................................... 359

Jörn Knobloch Sinnübergänge in der Weltgesellschaft und die Möglichkeit einer transkulturellen Politischen Theorie .............................................. 383

AUTORENVERZEICHNIS ................................................................... 409

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Soziale Kämpfe und politische Normativität in Axel Honneths »Das Recht der Freiheit«

Markus Baum, Sebastian Weirauch und Maike Weißpflug

1. Ein Ergänzungsvorschlag

Axel Honneths jüngste Schrift »Das Recht der Freiheit« bewegt sich zwi-schen einer Ernüchterung gegenüber politischer Theorie und dem Versuch ihrer Erneuerung. Honneth zufolge besteht der Mangel vieler politischer Theorien in ihrer »Abkopplung von der Gesellschaftsanalyse« (Honneth 2010: 14) und darin, gerechtigkeitstheoretische Fragen ohne Rückbezug auf Gesellschaftstheorie zu erörtern. Da Konzeptionen wie die von Rawls davon absehen, ihre Theorie der Gerechtigkeit auf das Fundament einer Gesellschaftsanalyse zu stellen, fehle es ihnen an jeglichem »Informa-tionswert für die Praxis der politischen Repräsentanten oder sozialen Be-wegungen« (Honneth 2010: 52). Diese »Mängel der theoretischen Bemü-hungen« (ebd.) bedingten die zunehmende Distanz zwischen gerechtig-keitstheoretischen Überlegungen und politischem Handeln. Daher ist für Honneths eigenen Entwurf einer Gerechtigkeitstheorie die Annahme lei-tend, dass jede gerechtigkeitstheoretische Konzeption auf die soziale Wirk-lichkeit und deren faktische Strukturen bezogen sein müsse (vgl. Honneth 2010: 9). Dieses Anliegen einer Erneuerung der politischen Theorie durch die Integration von Gesellschaftstheorie und Politischer Theorie zielt auf die Skizzierung eines gerechten »Grundrisses einer demokratischen Sitt-lichkeit«, der die intersubjektiven Voraussetzungen einer vitalen Demo-kratie benennt (vgl. Honneth 2009: 183) und zugleich Orientierung für die politische Praxis bieten soll.

Im Folgenden rekonstruieren wir die zentralen methodologischen, be-gründungstheoretischen und gesellschaftstheoretischen Überlegungen Honneths. Seine methodisch geleitete Darstellung der durch soziale Kämp-fe vorangetriebenen historischen Entwicklung moderner Gesellschaften werden wir in zweifacher Hinsicht problematisieren: − Erstens zeigen wir, dass Honneth die in sozialen Kämpfen formulier-

ten normativen Anforderungen zu Idealtypen formt und auf diesem Wege derart vereinheitlicht, dass die Widersprüche in und zwischen

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unterschiedlichen Anforderungen zugunsten der Sieger_innen der Ge-schichte nivelliert werden.

− Zweitens bleiben in Honneths Darstellung des historischen Telos euro-päischer Gesellschaften diejenigen Momente unberücksichtigt, die den Rahmen einer fortschrittlichen Erzählung der sukzessiven Entfaltung von Freiheitspotentialen sprengen würden.

Ausgehend von dieser Analyse der blinden Flecken in Honneths normati-ver Rekonstruktion schlagen wir eine Ergänzung von Honneths gesell-schaftstheoretischem Ansatz vor. Wir greifen dabei auf eine weitere – wenn auch methodisch ganz anders verfahrende – gegenwärtige Reaktua-lisierung und Neuinterpretation Hegels zurück. Susan Buck-Morss hat in ihrem Buch »Hegel und Haiti« (2011) gezeigt, dass Hegel möglicherweise auch die Peripherie der Weltgeschichte im Blick hatte, als er die »Genea-logie des Geistes« und die »Grundlinien der Philosophie des Rechts« ver-fasste – so die Revolution der schwarzen Sklav_innen in Haiti. Buck-Morss argumentiert auf Grundlage dieser historischen Spekulation, dass Freiheit nicht nur als Ziel, sondern als Moment auch derjenigen sozialen Kämpfe zu verstehen sei, deren normative Ansprüche nicht siegreich aus der Ge-schichte hervor- bzw. in sie eingegangen sind. An diesen ephemeren Mo-menten der Freiheit kann die politische Theorie eine zweite, ergänzende Form normativer Orientierung finden.

Honneth und Buck-Morss ist die Hegelsche Haltung eigen, die Norma-tivität ihrer Konzepte aus der sozialen Realität selbst zu rekonstruieren – das verbindet beide und macht sie zu Hegelianer_innen. Jedoch stehen sie zum einen aufgrund unterschiedlicher Deutungen Hegels, zum anderen aufgrund des Aspekts, dass sich in Aktualisierungen Momente der eigenen wie der aktualisierten Theorie verschlingen, in einer Differenz zueinander, die wir produktiv nutzen wollen. Da in der Perspektive Buck-Morssʼ sys-tematische Probleme und blinde Flecken der Theorie Honneths erkennbar werden – was ebenfalls umgekehrt gilt –, schlagen wir vor, beide Perspek-tiven in ein Konzept zu integrieren, mittels dessen Geschichte und soziale Kämpfe in komplementärer Weise betrachtet werden können. Wird die Geschichte sozialer Kämpfe um die Gestaltung von Institutionen einmal aus der Perspektive Honneths, das andere Mal aus derjenigen Buck-Morssʼ erzählt, können beide Perspektiven wechselseitig als Korrektiv für die jeweiligen blinden Flecken der anderen dienen.

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2. Die normative Rekonstruktion

In »Das Recht der Freiheit« unternimmt Honneth den Versuch einer Reak-tualisierung der »Grundlinien der Philosophie des Rechts« Hegels.135 Er interpretiert Hegels Vorgehen als eine normative Rekonstruktion derjeni-gen Institutionen, die sich vernünftigerweise in der Geschichte herausge-bildet haben. Denn für die normative Rekonstruktion zeigen sich spezifi-sche Institutionen moderner Gesellschaften136 als Ausdruck normativer An-sprüche nach wechselseitiger Anerkennung und daher als Garanten gelin-gender Identitätsbildung, die von Honneth durch Selbstachtung und -ver-trauen gekennzeichnet ist (vgl. Honneth 1994: Kap. II, 4, Kap. II, 5). In seiner Konzeption einer zeitgenössischen Theorie der Gerechtigkeit folgt Honneth der zentralen Intention Hegels, diese Institutionen in ihrer histo-rischen Genese zu rekonstruieren und die »Vernunft als die Rose im Kreu-ze der Gegenwart zu erkennen« (Hegel 1970: 26). Dabei basiert seine Dar-stellung auf vier Prämissen.

Parsons und Durkheims normativ-funktionalistischen Überlegungen folgend nimmt Honneth an, dass die rekonstruierten Institutionen von Akteur_innen reproduziert und als legitim anerkannt werden, weil sich in ihnen intersubjektiv geteilte Werte ausdrücken (vgl. Honneth 2011: 18ff.). Politiktheoretisch rechtfertigen lassen sich die Institutionen, wenn sie den jeweiligen Wert umfassender ausdrücken als die ihnen historisch voraus-gehenden gesellschaftlichen Organisationsformen (vgl. Honneth 2011: 111f., 120).

Als den gesellschaftsimmanenten Maßstab der eigenen Gerechtigkeits-theorie weist die normative Rekonstruktion den Wert der Institutionen, die konstitutiv für die Reproduktion der Gesellschaft sind, aus (vgl. Honneth 2011: 20-24).

In der Gesellschaftsanalyse übernehmen die erschlossenen normativen Gehalte die Rolle, das empirische Material zu strukturieren: Das Bild der sozialen Realität steht nicht bereits fest, sondern ergibt sich durch die

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135 Bereits in »Leiden an Unbestimmtheit« (Honneth 2001), eine Schrift, die als Vorstudie zu »Das Recht der Freiheit« verstanden werden kann, prüft Honneth die Aktualität der Rechtsphilosophie, um sich bestimmte von Hegel entfaltete Gedanken für seine Konzeption anzueignen.

136 Es gibt in »Das Recht der Freiheit« einige Hinweise, dass Honneth speziell mo-derne europäische Gesellschaften und die US-amerikanische Gesellschaft behan-delt, da fast alle empirischen Beispiele für Praktiken sozialer Freiheit aus der Ent-wicklung dieser Gesellschaften stammen (vgl. Honneth 2011: 206, 218, 252-257).

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Bestimmung derjenigen gesellschaftlichen Institutionen, die auf die für die gesellschaftliche Reproduktion konstitutiven Werte bezogen werden kön-nen (vgl. Honneth 2011: 24-27).

Die immanent verfahrende Kritik der normativen Rekonstruktion kon-frontiert die existierenden Institutionen mit den in ihnen verkörperten Werten und analysiert, ob sie die Werte unvollständig oder nur verzerrt oder unzureichend ausdrücken (vgl. Honneth 2011: 27-31).137

Bereits nach diesen grundlegenden methodologischen und begrün-dungstheoretischen Überlegungen lässt sich ein spezifisches Bild der Be-ziehung von Politischer Theorie, Gesellschaftstheorie und -analyse zeich-nen. Die Politische Theorie kann nach Honneth die Legitimität von Insti-tutionen nur prüfen durch die gesellschaftsanalytisch unternommene Re-konstruktion der in diesen Institutionen ausgedrückten Werte, die wiede-rum gerechtfertigt werden müssen. Diese Werte tragen die Last der Be-gründung des eigenen normativen Maßstabs. Analyse und Kritik sind hier nicht zu trennen. In der Tradition von Hegel und Marx vollzieht die Dar-stellung der institutionell ausgedrückten Werte zugleich eine Kritik an denjenigen Institutionen, die diese Werte nicht vollends repräsentieren. Die in der Analyse vorgenommene Fokussierung spezifischer Institutionen basiert auf gesellschaftstheoretischen Annahmen darüber, welche Institu-tionen konstitutiv für die Reproduktion der Gesellschaft sind. In Marx-scher Tradition – und das ist ein bisher nicht erwähntes Moment – werden soziale Kämpfe handlungs- und akteurstheoretisch als Motor der histori-schen Entwicklung ausgewiesen. Den Kampf um Anerkennung begreift Honneth als zentrales Motiv für die sozialen Kämpfe, die durch den Ein-satz »materieller, symbolischer oder passiver Gewalt« (Honneth 1994: 261) zur Herausbildung der zentralen Institutionen moderner Gesellschaf-ten führten (vgl. Honneth 1994: Kap. 8). Die Darstellung dieser Kämpfe soll in dem Sinne Orientierung für die politische Praxis leisten, dass sozia-le Akteur_innen sich auf die rekonstruierten Werte beziehen und so sich und ihre Ansprüche umfassender verstehen können.

Zentral für die normative Rekonstruktion Honneths ist die begriffliche Bestimmung desjenigen Wertes, der sich ihm zufolge in den wesentlichen

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137 Vgl. Honneth 2004 für eine kritische Kontrastierung von normativer Rekonstruk-tion und dem Kantianischen Konstruktivismus eines Rawls, dessen Methode laut Honneth derart von den sozialen Bedingungen abstrahiert, dass die Rawlssche Konzeption der Gerechtigkeit keine Überzeugungskraft gegenüber ihren Adres-sat_innen entwickeln kann.

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Institutionen dieser Gesellschaften ausdrückt: die soziale Freiheit. Grund-legend für die Figur der sozialen Freiheit ist die Erfahrung von Anerken-nung, in deren Vollzug sich die Akteur_innen wechselseitig als jemand wahrnehmen, der für die Realisierung der eigenen Ziele konstitutiv ist (vgl. Honneth 2011: 85ff.). Soziale Freiheit wird als Resultat »einer koope-rativen Beziehung gedacht, die die Selbstverwirklichung eines jeden von der reziproken Wertschätzung aller anderen abhängig macht« (Habermas 2009: 3). Dies bedeutet, dass Beziehungen wechselseitiger Anerkennung die Voraussetzung der sozialen Freiheit darstellen: Wenn die zentralen Institutionen einer Gesellschaft durch Beziehungen wechselseitiger Aner-kennung gekennzeichnet sind, dann ist diese Gesellschaft für Honneth eine gerechte Gesellschaft, weil sie soziale Freiheit gewährt.138 In moder-nen Gesellschaften seien es die Bereiche der persönlichen Beziehungen, der Freundschaft, Liebe und Familie, des marktwirtschaftlichen Handelns und der demokratischen Willensbildung, die durch Strukturen wechselsei-tiger Anerkennung konstituiert sind. Auch den Bereichen des Rechts und der Moral weist Honneth ihren Platz im gesellschaftlichen Gefüge zu: Während das Recht die institutionalisierte Form negativer Freiheit darstellt, ist die Moral der Bereich des Vollzuges reflexiver Freiheit. Beide Freihei-ten, negative wie reflexive, grenzt er jedoch in einer theoriegeschichtlichen Auseinandersetzung von der sozialen Freiheit ab, sodass Recht und Moral nicht zum Gegenstand der normativen Rekonstruktion werden.139

Nach diesen methodologischen, begründungs-, gesellschafts- und poli-tiktheoretischen sowie ideengeschichtlichen Überlegungen folgt erst die konkrete Analyse des empirisch-geschichtlichen Materials durch die nor-mative Rekonstruktion. Dieses argumentationsstrategische Vorgehen, die Empirie der begrifflichen Bestimmung folgen zu lassen, werden wir im Folgenden problematisieren. Unter dem Titel »Die Wirklichkeit der Frei-____________________

138 Vgl. Honneth 1986 und Honneth 2000 für eine Kritik der diskursethischen Über-legungen Habermas’, die Honneth zufolge die sozialen Voraussetzungen unbe-rücksichtigt lassen, derer freie Diskurse bedürfen.

139 »Während die erste, negative Idee davon ausgeht, daß es zur individuellen Frei-heit nur einer rechtlich geschützten Sphäre bedarf, in der das Subjekt nach nicht weiter geprüften Präferenzen schalten und walten kann, macht die zweite, reflexi-ve Idee diese Freiheit von der Erbringung intellektueller Leistungen abhängig, die allerdings als Normalvollzüge jedes kompetenten Subjekts gedacht werden; erst mit der dritten, der sozialen Idee von Freiheit, kommen nun zusätzlich gesell-schaftliche Bedingungen ins Spiel, weil der Vollzug von Freiheit an die Voraus-setzung eines entgegenkommenden, das eigene Ziel bestätigenden Subjekts ge-bunden wird« (Honneth 2010: 123).

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heit« werden die drei Sphären der sozialen Freiheit, die persönlichen Be-ziehungen, das marktwirtschaftliche Handeln und die demokratische Wil-lensbildung in ihrer historischen Genese rekonstruiert. Statt Honneth auf diesen dichten Pfaden detailliert zu folgen, konzentrieren wir uns im Wei-teren auf die Auslassungen, sprich auf die Momente der Geschichte und diejenigen normativen Anforderungen, die außerhalb des Blicks der nor-mativen Rekonstruktion verbleiben.

3. Die blinden Flecken der normativen Rekonstruktion

Anhand zweier Beispiele lassen sich zwei grundlegende Probleme der methodologischen und gesellschaftstheoretischen Überlegungen Honneths darstellen.

1) Das gerade für die sogenannte westliche Welt prägende Menschheits-verbrechen der Shoa und die totalitäre Herrschaft des Nationalsozialismus nehmen in Honneths Darstellung der Geschichte eine eigentümliche Rolle ein. Sie werden als etwas beschrieben, das in die Geschichte der Mensch-heit »hineinbrechen sollte« (Honneth 2011: 445). In Honneths Formulie-rung schwingt die Implikation mit, dass die Genese moderner Gesellschaf-ten ein (mit einigen Rückschritten versehener) fortschrittlicher Prozess war, der in sich selbst nicht das Potential trug, die Grausamkeiten des NS und der Shoa hervorzubringen. Explizit drückt sich diese Annahme in der von Honneth eingeführten begrifflichen Differenz zwischen sozialen Pa-thologien und Fehlentwicklungen aus. Während eine Vielzahl sozialer Praktiken und Einstellungen pathologische Formen annehmen können, deren Ursprung in den Praktiken und Einstellungen selbst liegt, zeichnet sich der Bereich sozialer Freiheit gerade dadurch aus, dass Entwicklungen, die die Freiheit einschränken, nicht selbst in dem Bereich der sozialen Freiheit gründen. Fehlentwicklungen, so Honneth, lassen sich zwar auch im Bereich sozialer Freiheit identifizieren. Jedoch liegen deren Ursachen außerhalb derjenigen Institutionen und Praktiken, die konstitutiv für die soziale Freiheit sind (vgl. Honneth 2011: 230f.), sprich: Die von einer fortschrittlichen Entwicklung (hin zu mehr realisierter Freiheit) abwei-chenden Momente entspringen nicht der Geschichte der Institutionen so-zialer Freiheit selbst. Zwar fördert Honneths Analyse des empirischen Ma-terials Rückschläge und Fehlentwicklungen zu Tage – einzig die privaten Beziehungen scheinen sich sukzessive dem Ideal sozialer Freiheit angenä-hert zu haben, während die Beziehungen marktwirtschaftlichen Handelns

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und demokratischer Willensbildung durch die Erosion sozialer Freiheit, den Zerfall der Arbeiter_innenbewegung oder den Verlust parlamentari-scher Einflussnahme auf politikökonomische Prozesse, gekennzeichnet sind. Doch diesen empirischen Analysen stehen die methodologischen Überlegungen gegenüber. Dort expliziert Honneth die Notwendigkeit, einen Fortschritt in der Geschichte anzunehmen. Denn, so Honneth, soll die normative Rekonstruktion den Maßstab einer immanent verfahrenden Kri-tik, die Idee sozialer Freiheit aus der Analyse gesellschaftlicher Institutionen gewinnen, so muss vorausgesetzt werden, dass diese Institutionen fort-schrittlicher sind und mehr soziale Freiheit ermöglichen als diejenigen, die ihnen historisch vorausgehen (vgl. Honneth 2011: 110ff., 119ff.). Durch die Vorstellung einer fortschrittlichen Entwicklung moderner Gesellschaf-ten werden Prozesse und Phänomene zudem überhaupt erst als Rückschläge identifizier- und kritisierbar. Daher präformieren die methodologischen Überlegungen Honneths eine Geschichte der Genese moderner Gesellschaf-ten, die trotz aller Rückschläge fortschrittlich ausgerichtet ist.

So überzeugend Honneths Rekonstruktion für die Entwicklung des in-stitutionellen Gefüges demokratischer Gesellschaften auch ist, so sehr irri-tiert seine Auffassung mit Blick auf die gewaltförmigen Phasen und Mo-mente im 20. und 21. Jahrhundert. Es erscheint problematisch, diese Mo-mente bereits aufgrund des methodologischen Zuschnitts der Theorie aus der Rekonstruktion der sozialen Freiheit auszublenden. Wir plädieren an dieser Stelle dafür, an der von Walter Benjamin formulierten und für die ältere kritische Theorie konstitutiven Einsicht in den Charakter geschicht-licher Entwicklung festzuhalten, dass kein »Dokument der Kultur« exis-tiert, das nicht zugleich »ein solches der Barbarei« ist (Benjamin 1977: 254).140 In der Nachfolge Benjamins und in Reaktion auf die Unfassbar-keit der deutschen Verbrechen entwickelten Adorno und Horkheimer in ihrer gemeinsam verfassten »Dialektik der Aufklärung« bekanntlich die

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140 Diese Einsicht wird auch durch die Untersuchungen Zygmunt Baumanns ge-stützt, der in seinen Arbeiten zur »Dialektik der Ordnung« und zu »Ambivalenz und Moderne« materialreich darlegt, wie die Entwicklung der bürgerlichen Ge-sellschaft, die Gründung der modernen Staatssysteme, und auch die Ausdifferen-zierung von sozialen Sphären, in denen Freiheit möglich ist, mit Imperativen der Eindeutigkeit und mit einer enormen bürokratischen Normierung verbunden ge-wesen sind, die bis heute nachwirken und denen ein Potenzial zur gewaltförmi-gen Unterordnung des Fremden und Anderen konstitutiv eingeschrieben ist (vgl. Baumann 2005: 81-91, 92-124, 247-254). ‒ Vergleiche hierzu auch unsere späteren Ausführungen zur Debatte um die Geflüchteten an den europäischen Grenzen.

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These, dass dem Zivilisationsprozess die Dialektik von Fortschritt und Regression konstitutiv eingeschrieben sei und NS und Shoa nicht als Aus-nahmen der Geschichte, sondern als Kulminationspunkt des Zivilisations-prozesses begriffen werden sollten. Hier sollen jedoch nicht die Thesen der älteren Kritischen Theorie gegen Honneth in Anschlag gebracht wer-den, und es geht uns auch nicht darum, den Gegenentwurf der älteren Kritischen Theorie aufzugreifen und Geschichte nicht mehr am Leitfaden des Fortschritts, sondern am Leitfaden der Regression nachzuzeichnen. Wir verweisen lediglich auf die dadurch hervorgerufene Irritation, dass Honneths Form kritischer Gesellschaftstheorie zu dem Menschheitsver-brechen der Shoa kaum etwas zu sagen hat. Honneth selbst gesteht ein, dass er die systematischen Verbrechen des zwanzigsten Jahrhunderts nicht in seine Darstellung integrieren kann:

»[Der] Zeitraum der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft [bleibt] stets das nicht zu integrierende Andre […] an ihm muß sich eine am Leitfaden der sozialen Verwirklichung von individueller Freiheit orientierte Fortschrittsgeschichte immer wieder vor Augen führen, wie brüchig, dünn und zerreißbar der Faden ist, den sie durch alle Fehlentwicklungen hindurch zu ziehen versucht« (Honneth 2011: 598).

Aus diesem Hinweis auf die Fragilität des Fortschritts zieht er jedoch keine weiteren Konsequenzen für seine Theorie. Die historischen Ereig-nisse des Nationalsozialismus und der Shoa, welche die Annahme eines Fortschritts fragwürdig erscheinen lassen könnten, schließt er aus seiner Geschichte aus und immunisiert auf diese Weise seinen theoretischen Entwurf gegenüber fortschrittskritischen Einwänden.

2) In Honneths Darstellung der Geschichte wird mehrfach die Arbeiter_in-nenbewegung als wichtiger Faktor bei der Etablierung marktwirtschaft-licher und demokratischer Institutionen identifiziert. Zwei ihrer zentralen Ziele scheinen sich Honneth zufolge realisiert zu haben: die sozialstaat-liche Absicherung und die Möglichkeit demokratischer Mitbestimmung. Ein Blick abseits der Perspektive der normativen Rekonstruktion auf die Geschichte offenbart jedoch, dass innerhalb der Arbeiter_innenbewegung unterschiedliche normative Ansprüche und Selbstverständnisse formuliert wurden, die zwar jeweils die existierenden Institutionen nicht vollends in-frage stellten, aber dennoch unvereinbar koexistierten. Statt einer parla-mentarisch verfassten Demokratie hätte sich die Geschichte ebenso der Forderung nach einer Rätedemokratie fügen können; statt einer sozialen Marktwirtschaft wäre eine wirtschaftsdemokratisch verfasste Güterpro-duktion eine realisierbare Option gewesen. Die normative Rekonstruktion nimmt die Widersprüche zwischen verschiedenen konfligierenden norma-

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tiven Anforderungen nur ungenügend zur Kenntnis. In ihrer Darstellung erscheinen diejenigen Ansprüche, die sich nicht in Institutionen nieder-schlagen konnten, nicht als Teil einer Geschichte der Entfaltung sozialer Freiheit. Weil sie nicht Teil davon zu sein scheinen, können sie leicht in den Verdacht geraten, nicht dem Maßstab einer normativ-rekonstruktiv verfahrenden Gerechtigkeitstheorie zu genügen. In diesem Fall muss sich Honneth den Vorwurf gefallen lassen, eine Geschichte der Sieger_innen zu schreiben.

Dieses Problem lässt sich auf Honneths methodisches Vorgehen zu-rückführen, die aufgespürten normativen Ansprüche idealtypisch in ein Konzept sozialer Freiheit zu überführen (vgl. Honneth 2011: 107). Ideal-typen sind widerspruchsfreie Konstrukte, mittels derer der Sinn unter-schiedlicher Handlungsweisen und -motivationen erfasst werden soll. Sie stellen Abstraktionen und Vereinheitlichungen dar und werden

»gewonnen durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluss einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weni-ger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen ein-seitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedankengebilde« (Weber 1991: 73).

Im Falle von »Das Recht der Freiheit« werden aufgrund des idealtypisch formulierten Konzepts sozialer Freiheit die der Arbeiter_innenbewegung inhärenten Widersprüche getilgt und somit wirkmächtige Ansprüche (nach einer Rätedemokratie oder einer wirtschaftsdemokratischen Güterproduk-tion) nicht als Forderungen nach sozialer Freiheit wahrgenommen und begriffen. Der Vorteil der Annahme eines fortschrittlichen Geschichts-verlaufs, Regressionsprozesse und Rückschläge als solche wahrzunehmen und kritisieren zu können, gerät paradoxerweise dann zum Nachteil, wenn die Legitimität derjenigen normativen Anforderungen infrage gestellt werden soll, die aufgrund der idealtypisierenden Vorgehensweise nicht zum Maßstab der Gerechtigkeitstheorie erhoben worden sind.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass historische Katastrophen in die Darstellung der normativen Rekonstruktion nicht integrierbar sind, weil ihr die Annahme einer fortschrittlichen Entwicklung der Gesellschaft inhärent ist. Die methodisch angeleitete Idealtypenbildung glättet zudem die widersprüchlichen moralischen Ansprüche innerhalb sozialer Kämpfe. Aus der an einer fortschrittlichen Entwicklung orientierten Perspektive der Gegenwart werden nur diejenigen moralischen Ansprüche als vernünftig rekonstruiert und zum Idealtypus wechselseitiger Anerkennung erklärt, die sich im Kampf durchgesetzt haben.

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Dennoch ist es weiterhin möglich, Honneths hegelianischer Integration von Gesellschaftstheorie und Politischer Theorie zu folgen. In einem letz-ten Schritt argumentieren wir mit Buck-Morss, dass dafür jedoch zum einen der Fokus verstärkt auf historische Brüche gerichtet werden muss; und dass zum anderen die Verbindung von sozialem Kampf und Freiheit anders zu verstehen ist.

4. Kämpfe und Freiheit

Susan Buck-Morss legt in ihrem Buch »Hegel and Haiti« (2011) ebenfalls eine Aktualisierung von Hegels Philosophie vor, doch sie verfährt dabei auf ganz andere Weise als Axel Honneth. Während dieser in der Ge-schichte primär nach einem normativen Konzept sozialer Freiheit sucht, das den Ansprüchen der Anerkennungstheorie genügt, interessiert sich Buck-Morss für die aktualen Momente von Freiheit, die in die Praktiken sozialer Kämpfe selbst eingeschrieben sind. Da sie Freiheit nicht als etwas begreift, das sich als Resultat von Kämpfen um Geltung in sozialen Insti-tutionen niedergeschlagen hat, ermöglicht Buck-Morssʼ Ansatz den Blick auf die Normativität derjenigen Kämpfe, deren Ansprüche sich im Laufe der Geschichte nicht haben durchsetzen und institutionalisieren können.

Buck-Morss geht von der – allerdings nur mit Hilfe philologischer Indi-zien zu erhärtenden – Annahme aus, dass Hegel beim Schreiben der »Phä-nomenologie des Geistes« und der »Grundlinien der Philosophie des Rechts« von den Ereignissen der Revolution der Sklav_innen in Haiti inspiriert und beeinflusst war. Es ist bekannt, dass Hegel die Zeitschrift »Minerva«, in der über die Revolution in Haiti intensiv berichtet wurde, regelmäßig las. Er war also über die Ereignisse in der Karibik gut infor-miert. Buck-Morss nimmt an, dass der Aufstand der Haitianischen Sklav_innen Hegel zu seiner Metapher des Kampfes von Herr und Knecht inspiriert habe. Doch aufgrund der in Preußen vorherrschenden Ableh-nung der Revolution zog er es vor, diesen Bezug nicht explizit in seiner Schrift zu erwähnen oder gar einer systematischen Analyse zu unterzie-hen. Vor dem Hintergrund dieses philologischen Wissens widmet sich Buck-Morss (wie viele zuvor) dem in Hegels Schriften enthaltenen Begriff der Geschichte. Die Interpretation und Bedeutung von Geschichte, die sie aus ihrer Deutung Hegels entwickelt, ist jedoch in einem entscheidenden Punkt gegen Hegels eigene geschichtsphilosophische Überzeugung (und die vieler Interpret_innen) gerichtet – Buck-Morss bürstet hier Hegels Text gegen den Strich: Auf der Folie der Haitianischen Revolution spürt

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sie Bedeutungsgehalte und realgeschichtliche Bezüge in Hegels Texten auf, die vorher nicht gesehen oder als marginal abgetan wurden und denen kein systematischer Stellenwert zugesprochen wurde. In den Ober- und Untertönen des Denkens erschließt sie einen Resonanzraum für eine ande-re Interpretation des Hegelschen Geschichtsbegriffs, der dennoch einen stimmigen Klang ihrer eigenen Gedanken erlaubt. Mit der Entdeckung Haitis im Werk Hegels gibt Buck-Morss der Theorie Hegels auf diesem Wege eine Benjaminsche Wendung. Geschichte schreibt sich in dieser Lesart nicht gradlinig im Sinne einer beständigen, schrittweisen Entwick-lung fort, sondern unerwartet und sprunghaft. Und sie ereignet sich häufig gerade dort, wo man es am wenigsten erwartet: an den Rändern der Welt, an der Peripherie von Kulturen oder von Gesellschaften. Man kann mit einiger Berechtigung fragen, inwiefern ein solcher Ansatz überhaupt noch hegelianisch zu nennen ist. Was von Hegel bei Buck-Morss bleibt, ist letztlich der Anspruch, eine – wenn auch stark modifizierte – Universalge-schichte zu formulieren. Die Leistung Hegels besteht in ihren Augen da-rin, die Sklav_innen auf Haiti in ihrem Kampf um Anerkennung zu »akti-ven Agenten der Weltgeschichte« (Buck-Morss 2011: 27) gemacht zu haben. Der Widerstand und die Kämpfe, die von den »Rändern der Gesell-schaft« ausgehen und von Menschen initiiert wurden, die nicht selbstver-ständlich als Akteur_innen der Geschichte gelten, werden so zum norma-tiven Fokus einer solchen Erzählung.

Neben der Auffassung über den Ort der Freiheit divergieren auch Hon-neths und Buck-Morssʼ Verständnisse sozialer Kämpfe. Während Honneth Kämpfe eher als Durchgangsmoment in der Institutionalisierung von Be-ziehungen wechselseitiger Anerkennung deutet, interpretiert Buck-Morss sie als Ausdruck eines universalen Bestrebens, frei zu sein. Jedoch ist die in den Kämpfen zum Ausdruck gelangende Freiheit Buck-Morss zufolge nur ein fragiles Moment, das jederzeit wieder aus der Geschichte ver-schwinden kann und damit zugleich im Prozess der Institutionalisierung unberücksichtigt bleibt oder unterliegt.

Buck-Morss zufolge zeigen sich diese Momente der Freiheit zumeist in historischen Brüchen und Phasen des Umbruchs – und gerade dort, wo man es vielleicht nicht erwartet. Zu erkennen, dass Hegel sich auf Haiti bezog, als er seine wichtigsten Werke schrieb, bedeutet, seinen Blick für die weltgeschichtliche Bedeutung dieser an der Peripherie stattfindenden und von ganz unwahrscheinlichen Akteur_innen gemachten Revolution anzuerkennen. Für Buck-Morss ist die haitianische Revolution von 1791 ein Beispiel eines Kampfes für Freiheit, der zwar von Hegel in seiner Reichweite gesehen, aber keinen Eingang ins allgemeine Bewusstsein

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gefunden hat, da er sich nur schwerlich in eine Erzählung des Fortschritts fügen lässt. Hätte Hegel offenlegen können, dass sich seine historisch-politische Einbildungskraft auch auf Haiti bezieht, wäre die Geschichte möglicherweise anders geschrieben worden. Doch hatte Hegel, wie Buck-Morss rekonstruiert, zur Zeit der Abfassung der Phänomenologie weder das Standing, noch das Geld oder den Wagemut, solche politischen Bot-schaften in die Welt zu setzen – zumal Napoleon, der den Tod des Revo-lutionsführers Toussaint-LʼOuverture befohlen hatte, in diesem Moment just vor den Toren Jenas stand (Buck-Morss 2011: 37f.).

Buck-Morss idealisiert den Aufstand der Sklav_innen Haitis gegen die französische Kolonialmacht jedoch nicht zu einem heroischen Ereignis der Erringung universeller Gleichheits- und Freiheitsrechte; sie erwähnt das enorme Ausmaß der Gewalt, die ca. eine halbe Millionen Menschen das Leben kostete, und betont, dass die Revolution zwar zur Unabhängigkeit Haitis, nie aber zu solchen Institutionen der Freiheit führte, die Honneth zufolge den Bereich sozialer Freiheit charakterisieren. So wurden bei-spielsweise unmittelbar nach dem Erreichen der Unabhängigkeit alle von einer »schwarzen Identität« abweichenden Menschen als Vertreter_innen einer minderen Art betrachtet. Nach der Revolution wurde Haiti interna-tional isoliert und gezwungen, Reparationszahlungen im zweistelligen Millionenbereich (Gold-Franc) an Frankreich zu zahlen. Und auch gegen-wärtig gilt Haiti – formell eine präsidentielle Republik – bei aller berech-tigten Kritik am Begriff als »failed state«, der in den letzten Jahrzehnten von Staatsstreichen, der Verletzung der Menschenrechte oder wirtschaftli-cher Instabilität und Hungersnöten gezeichnet wurde.

Gerade das kurze Aufblitzen von Freiheit als Moment des sozialen Kampfes, einer Freiheit, die nie ihren Weg in die gefestigten Institutionen sozialer Freiheit fand, interessiert Buck-Morss als ein historisches Ereig-nis, von dem es sich zu erzählen lohnt. Dabei geht es darum, die in einer bestimmten Situation formulierten normativen Ansprüche vor dem Ver-gessen zu bewahren und daran zu erinnern, was Freiheit in einem ganz konkreten Moment der Geschichte einmal bedeutet hat – auch wenn sie sich in unvollkommener, krummer Gestalt zeigt und sich nicht dauerhaft realisiert hat. Heute ist weitgehend in Vergessenheit geraten, welchen Aufruhr die Selbstbefreiung der Haitianischen Sklav_innen in Europa einmal ausgelöst hat. Schwarze Plantagenarbeiter_innen eigneten sich den Anspruch der Aufklärung nach Gleichheit und Freiheit an und erhoben die Frage radikaler Gleichheit im Namen der Aufklärung. Diese Geschichte ließ sich nur schwer in das europäische Selbstbild integrieren – auch Hegel plädierte für die Aufrechterhaltung der Sklaverei und tat sich schwer da-

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mit, Schwarze als Menschen mit gleichen Rechten anzuerkennen. Obwohl die Haitianische Revolution in Gewalt versank und ihre Ideen nicht in Institutionen der Freiheit mündeten, plädiert Buck-Morss dafür, sich an diese Geschichte zu erinnern:

»Wenn wir die Erfahrung eines historischen Bruchs als einen (notwendigerweise vergänglichen) Moment der Klarheit begreifen, dann besteht nicht die Gefahr, die weltgeschichtliche Bedeutung der Sklaven von Saint-Domingue aus den Augen zu verlieren, die darin liegt, die Idee der Abschaffung der Sklaverei in einer Form angestrebt zu haben, die weit über das Denken der europäischen Aufklärung hin-ausging« (Buck-Morss 2011: 202).

Tatsächlich war die von Revolutionsführer Toussaint-L’Ouverture 1801 geschriebene Verfassung die zu diesem Zeitpunkt fortschrittlichste in der Anerkennung menschlicher Gleichheit. Es war die erste Verfassung, in der die Menschen- und Bürgerrechte für alle Menschen in dem Augenblick galten, in dem diese ihren Geltungsbereich, also das Territorium Haitis, betraten.141 Es gelang in Haiti jedoch nicht, dieses Ideal politisch umzu-setzen und zu verwirklichen.142

Dieser weniger auf die gesellschaftliche Entwicklung, sondern sich auf historische Momente stützende normative Zugang zur Geschichte ermög-licht es vielleicht auch, NS und Shoa als Teil einer Geschichte europäischer Gesellschaften zu verstehen, deren Erzählung konflikthaft und wider-spruchsreich ist. Denn der Blick auf das Flüchtige, nur in Brüchen Wahr-nehmbare der Geschichte kann auch in der Zeit des NS, dem es selbst an jeglichen emanzipativen Potentialen mangelt, Freiheit entdecken, und zwar an den Rändern und Bruchstellen der Geschichte. So lässt sich der jüdische Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 ebenso als Kritik an der menschenverachtenden totalitären Herrschaft des NS und als freiheitlicher Kampf benennen, wie der kommunistische oder anarchistische Wider-stand, obwohl sie nicht in Institutionen sozialer Freiheit mündeten.

Dieses Wandeln an den Grenzen »unserer Geschichte« steigert den In-formationswert für kämpfende Akteur_innen – ein Anspruch, den Honneth ja durchaus auch hegt –, weil sich dadurch Geschichten erschließen lassen, die verschieden sind von derjenigen Honneths und an denen andere Ak-teure, die sich in Honneths Narrativ nicht wiederfinden, Anteil haben kön-

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141 »In Haiti erstreckte sich die Freiheit nicht nur auf afrikanische Schwarze, sondern auch auf amerikanische Indianer, Polen und andere.« (Buck-Morss 2011: 202, FN 167)

142 Zum Scheitern der Haitianischen Revolution vgl. Buck-Morss 2011: 129ff.

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nen. So erscheinen die sogenannten Boatpeople, die Geflüchteten, die auf die Küsten Europas zusteuern, in der Perspektive Buck-Morss ebenfalls als Teil des europäischen Narrativs. Die Boatpeople des Mittelmeers füh-ren die Aktualität einer Perspektive vor Augen, die auch die Ansprüche der Akteur_innen an den Grenzen Europas in den Blick nimmt. Die aus Afrika, Asien und aus dem Nahen Osten stammenden Geflüchteten sowie internationale Organisationen wie PRO ASYL, Brot für die Welt oder medico international fordern nichts anderes ein, als Anerkennung der Ge-flüchteten auf der Grundlage der Menschenrechte und der humanitären Maßstäbe, die in den europäischen Industrienationen längst den institutio-nalisierten Standard einer menschenwürdigen Existenz ausmachen (vgl. BMS 2013). Als universell ausgewiesene Maßstäbe bleiben die Men-schenrechte den Geflüchteten in Wirklichkeit vorenthalten, ohne dass europäische Regierungen die Universalität des Rechts und der Mensch-lichkeit einschränken würden.143 Stattdessen bedient man sich fragwürdi-ger Instrumente wie der EU-Organisationen FRONTEX oder EUROSUR, um die Geflüchteten daran zu hindern, europäischen Boden zu betreten, wo sie ihre Rechte auf Freiheit und auf Anerkennung geltend machen könnten. Wie beispielsweise der Untergang eines der Menschen-Trans-portschiffe vor der Küste Lampedusas am 3. Oktober 2013 mit über vier-hundert Toten (vgl. DPA 2013) und die bis heute steigende Zahl ertrunke-

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143 Die aktuelle Broschüre »Im Schatten der Zitadelle. Der Einfluss des europäischen Migrationsregimes auf Drittstaaten« der Organisationen Brot für die Welt, PRO ASYL sowie von medico international dokumentiert ausführlich die Konfliktlage an den europäischen Grenzen sowie die fragwürdigen Maßnahmen der europäi-schen Regierungen, die Ansprüche von Geflüchteten zu umgehen. Generell wird bemängelt, dass die »Wahrung von Menschenrechten« zwar im »Selbstverständ-nis der Europäischen Union ganz weit oben« stehe, diese aber durch Zusammen-arbeit mit diktatorischen Regimen in Tunesien oder Mauretanien sowie durch il-legale Maßnahmen gegen die Geflüchteten in Europa zu reinen »Lippenbekennt-nissen« verkommen (BMS 2013: 8). Es sind hier vor allem die so genannten »Schmutzigen Zurückweisungen«, an denen die Diskrepanz zwischen institutio-nalisierten Ansprüchen auf Freiheit und Teilhabe und der gefährdeten Situation der Geflüchteten zum Ausdruck kommt: »Die Folge der ausgehandelten Rück-übernahmeabkommen sind Rückschiebungen und Zurückweisungen von Mig-rant_innen und Flüchtlingen, oft ohne dass Schutzbedürftigkeit geprüft wird, und ohne in Betracht zu ziehen, was in den Anrainerstaaten mit diesen Flüchtlingen geschieht. Frontex koordiniert Push-back Operationen, in denen Flüchtlinge und Migrant_innen unterschiedslos an die Küsten von Drittstaaten zurückgetrieben werden. Das Verbot solcher Push-backs durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird [...] ignoriert« (BMS 2013: 11).

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ner Flüchtlinge vor Augen führt, ist es dringend notwendig, den im euro-päischen Narrativ vergessenen und ausgeschlossenen Opfern Gerechtig-keit widerfahren zu lassen. Denn die Geflüchteten an den Küsten Europas klagen verzweifelt das ein, was Honneth zufolge bereits erreicht wurde: die Partizipation an Institutionen sozialer Freiheit.

Aus der Perspektive der normativen Rekonstruktion erscheinen solche Kämpfe nur als transitorischer Schritt in der Entwicklung der normativen Architektur Europas. Das Handeln der Geflüchteten an Europas Grenzen enthält aus der zweiten, Buck-Morssʼschen Perspektive eine ganz andere, eigenständige und gewissermaßen utopische – da in ihrer aktualen Dring-lichkeit ortlose – Bedeutung. Denn obgleich nicht absehbar ist, ob und wie die Ansprüche der Geflüchteten auf Anerkennung ihrer Freiheit sich durchsetzen werden, d.h., welche institutionellen Formen das Recht auf Migration annehmen wird, ist dieses Recht als Keim im Handeln der Ge-flüchteten bereits angelegt. Honneths Perspektive erinnert uns daran, wel-chen Stand der Freiheit wir in Europa bisher erreicht haben und auf wel-che normativen Ressourcen wir – und dieses zweite Wir schließt mögliche künftige Europäer_innen mit ein – uns bei der Kritik und Weiterentwick-lung unserer etablierten Institutionen berufen können. Zusammenfassend lässt sich sagen: Während wir mit Honneth gewissermaßen auf das feste, aus geronnenen Kämpfen entstandene institutionelle Setting unserer Ge-sellschaft blicken, bewegen wir uns mit Buck-Morss an deren fluiden Rändern, an den Orten, die primär durch Antagonismen und Widersprüche geprägt sind und keinen Halt in einem gesicherten Verlauf der Geschichte gewähren.

5. Jenseits einer »Geschichte der Sieger«

Abschließend wollen wir überlegen, welche konzeptionellen Konsequen-zen sich für die Theorie von Honneth und generell für die Beziehung von Politischer Theorie und Gesellschaftstheorie in Anbetracht der bisher for-mulierten Kritik ergeben. Sinnvoller als Buck-Morss gegen Honneth aus-zuspielen, ist es, beide Ansätze in ein theoretisches Konzept zu integrie-ren, in dem sie wechselseitig als Korrektiv verstanden werden können.

In der Perspektive Honneths wird ersichtlich, dass es Buck-Morssʼ Be-zugnahme auf die Artikulation normativer Forderungen an einem gesell-schaftstheoretisch geschulten Blick für die Bedingung der Möglichkeit der langfristigen Etablierung einer freiheitlichen Gesellschaft fehlt: Während Buck-Morss einzig den fragilen Moment hervorhebt, in dem Ansprüche

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aufblitzen, erinnert uns Honneth daran, dass nicht allein die Erinnerung an diese Ansprüche ausreicht, um sie in das Fundament einer Gesellschaft zu überführen, die erst auf diesem Wege als gerechte Gesellschaft identifi-zierbar wird. Zur Überführung der Ansprüche bedarf es ihrer dauerhaften Etablierung – und zwar in Form der Institutionalisierung. Denn nur stabile Institutionen, so Honneth, können dauerhaft Strukturen (sozialer) Freiheit, in denen normative Ansprüche realisiert sind, gewährleisten.

Mit Honneth lassen sich soziale Kämpfe gesellschaftstheoretisch als wesentliche Faktoren der Herausbildung von Institutionen begreifen. Die Gesellschaftsanalyse kann feststellen, ob, inwiefern und wie sich die in ihnen formulierten normativen Ansprüche in Institutionen niederschlagen, und Institutionen kritisieren, wenn sie die ihnen eingeschriebenen Werte unzureichend ausdrücken. Doch wird die Erzählung Honneths über die Genese moderner Gesellschaften in einer weiteren Reflexionsschleife in der Perspektive von Buck-Morss betrachtet, so werden zudem diejenigen normativen Ansprüche sichtbar und vor dem Vergessen gerettet, die nicht in Institutionen geronnen sind. Die Integration der zweiten Perspektive in das Konzept bewahrt davor, Geschichte am Leitfaden historischen Fort-schritts zu rekonstruieren und sich vor den Wagen der Sieger_innen der Geschichte spannen zu lassen, indem sie die Widersprüche und Kraft-asymmetrien zwischen verschiedenen historischen normativen Ansprü-chen betont. Auf diesem Wege gewinnt die Politische Theorie weitere nor-mative Orientierungspunkte. Die Frage, welche Ansprüche und Werte ge-nerell legitim sind, kann jedoch nicht mehr ausschließlich mit Blick auf die bereits in Institutionen etablierten Ansprüche beantwortet werden. Diese von uns vorgeschlagene Erweiterung des Blicks kann ihr gesell-schaftskritisches Potential jedoch nur voll entfalten, wenn die Theorie Bezü-ge nicht nur zu historischen, sondern auch zu gegenwärtigen Ereignissen und Situationen, in denen Menschen um ihre Freiheit kämpfen, herstellt.

Anstatt die normativen Ansprüche, die in diesen Kämpfen ihren Aus-druck finden, entlang einer historischen Abfolge derart zu rekonstruieren, als bauten historisch jüngere Ansprüche auf älteren auf, um sukzessive mehr Freiheit einzufordern, gilt es, diese Ansprüche als disparate Momen-te im Kontext konkreter Konfliktlinien zu begreifen. Freiheit wird so nicht mehr allein als ein in Institutionen etabliertes Resultat verstanden, sondern zudem als etwas, das sich immer in konkreten Ereignissen, Situationen, Kämpfen aktualisiert. Dieser doppelte Begriff der Freiheit – in ihrer insti-tutionalisierten und akuten Gestalt – kann ebenso kritisch das Gefestigte der Institutionen fokussieren, wie die Impulsivität und das Momenthafte sozialer Kämpfe.

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Gewiss, Politische Theorie und Gesellschaftstheorie in dieser Haltung zu betreiben, bedeutet, die sichere Orientierung an einer kontinuierlich fortschreitenden Geschichte aufzugeben. Zugleich heißt dies nicht, dass die institutionalisierten Formen der Freiheit nicht verteidigenswert sind. Mit Axel Honneth gelingt es, den Wert der sozialen Freiheit überhaupt zu erkennen und einen Maßstab zu gewinnen, der uns hilft, diese Institutio-nen intern zu kritisieren und vor ihrem Verfall zu bewahren. Doch droht diese Perspektive – wenn sie die einzige Quelle bleibt, aus der sich Gesell-schaftskritik noch speisen kann –, die Ausschließung nicht realisierter nor-mativer Potentiale in der Vergangenheit festzuschreiben und in der Gegen-wart zu wiederholen. Diese normativen Potentiale lassen sich jedoch nicht methodisch erschließen, sondern vielleicht nur durch eine andere ethische Haltung, einen Blick für das Andere, für das Geschehen an den Rändern unserer Gesellschaften, für bislang nicht wahrgenommene Artikulationen normativer Ansprüche. Die Suche nach nicht realisierten Freiheitsmomen-ten in der Geschichte stellt eine Übung und Sensibilisierung dafür dar, solche Momente in der Gegenwart, die immer schwerer zu verstehen ist als die Vergangenheit, überhaupt zu erkennen und zu deuten. Hegel no-tierte in den Jenaer Jahren, als die Sklav_innen in Haiti sich im Namen der Französischen Revolution gegen ihre Herren erhoben:

»Das Zeitungslesen des Morgens früh ist eine Art von realistischem Morgensegen. Man orientiert seine Haltung gegen die Welt an Gott oder an dem, was die Welt ist. Jenes gibt dieselbe Sicherheit, wie hier, daß man wisse, wie man daran sei« (Hegel, zit. nach Buck-Morss 2011: 74).

Dieses Interesse an der Welt, an der Gegenwart sollte auch heute die erste Orientierung von politischer Theorie und Gesellschaftskritik sein. Doch scheint gerade das Anknüpfen an Hegels Gesellschaftstheorie in Gestalt der normativen Rekonstruktion Honneths diesen Anspruch zu erschweren, da nur die normativen Ansprüche in ihr Berücksichtigung finden, die sich historisch bereits behauptet haben. Denn möglicherweise passen die sozia-len Kämpfe der Gegenwart ebensowenig in seine Erzählung wie der Skla-venaufstand von Haiti in die Erzählung der Aufklärung. Darum ist es not-wendig, den Blick auf diese Bruchstellen der Geschichte und der Gegen-wart zu richten. Die Geschichte, die wir dann über uns und die Genese der normativen Architektur unserer Gesellschaften erzählen, wird dann mehr der Prosa Thomas Pynchons gleichen als einem gradlinig verlaufenden Historienfilm, in dem das Gute zuletzt siegt.

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Literatur

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