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Die Situation in Südwestdeutschland

Date post: 17-Feb-2023
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beschränkt. Wer einen möglichst vielseitigen Speisezettel anstrebte, mußte deshalb die in der Umgebung wachsenden Wildpflanzen umfassend zu nut- zen wissen und die natürlichen Konservierungsarten kennen. Es liegt des- halb auf der Hand, daß die Nahrungsbeschaffung und -zubereitung damals äußerst zeitraubend war. MARION SILLMANN Die Situation in Südwestdeutschland Die derzeitigen Kenntnisse über Nahrungs- und Nutzpflanzen im hohen und späten Mittelalter beruhen in Südwestdeutschland auf der archäobotani- schen Untersuchung von Latrinen in 14 Städten (vgl. Tabelle Seite 294) und von Siedlungsgruben in weiteren 12 Städten oder Gemeinden. Da in Latri- nen die Getreide aufgrund der besonderen Ablagerungs- und Erhaltungsbe- Oben: Zwergweizen. Unten: Linse dingungen nicht optimal erfaßt werden können, stellen die Siedlungsgruben mit ihrem verkohlten Inhalt diesbezüglich ein gutes Regulativ dar. Die Zahl nachgewiesener Nutzpflanzen ftir die jeweiligen Städte, gegliedert in Nutzungsgruppen, geht aus Tabelle 1 hervor. Die daraus ersichtlichen gro- ßen Unterschiede sind in erster Linie eine Folge des Untersuchungsstands und der Qualität des untersuchten Materials. Erst in zweiter Linie dürften regionale Unterschiede in der Ernährungsweise durchschlagen. Dort, wo am meisten Bodenproben in gutem Erhaltungszustand untersucht wurden, wur- den auch die meisten Nutzpflanzen nachgewiesen. So steht Heidelberg mit 123 Nutzpflanzen, darunter 76 Nahrungspflanzen, an erster Stelle, gefolgt von Villingen mit 106 Nutzpflanzen, Tübingen mit 85 und Konstanz mit 76. Die flir die Kalorienversorgung wichtigste Gruppe der Nahrungspflanzen waren die Getreide. Von den zehn nachgewiesenen Getreidearten wurde in den Latrinen am häufigsten die Rispenhirse gefunden, gefolgt von Roggen und Dinkel. Hafer, Gerste und Einkorn wurden in knapp der Hälfte der Orte gefunden, Saatweizen und Emmer in einem Drittel. Kolbenhirse wurde an drei Orten, Reis nur in Heidelberg nachgewiesen. Stellt man Ergebnis die Untersuchungen an verkohltem Material aus Siedlungsgruben gegenüber, so ist dort Roggen mit Abstand am häufigsten, gefolgt von Gerste, Dinkel, Hafer und Saatweizen. Weniger wichtig waren Emmer und Einkorn, sehr sel- ten die Hirsen. Zwar dürfte dieses Ergebnis die tatsächliche Bedeutung der Getreidearten besser widerspiegeln, doch gilt dies leider nur ftir ländliche oder vorstädtische Verhältnisse, die nicht unbedingt mit denen der Städte identisch sein müssen. Als gemeinsamen Nenner kann man jedoch immer- hin festhalten, daß in Südwestdeutschland wie in den benachbarten Land- schaften Roggen das wichtigste Getreide war. Daneben hatten Gerste, Hafer und Dinkel eine große Bedeutung. Saatweizen und die altertümlichen Arten Einkorn und Emmer spielten nur eine untergeordnete Rolle. Solange indes nicht auch Latrinen aus ländlichen Gebieten und Siedlungs- gruben in den Städten untersucht sind, bleibt ungewiß, ob in den Städten mehr Hirse verzehrt wurde als auf dem Land. Reis kam erst im späten Mittel- alter als teure Delikatesse in Gebrauch und ist als Bestandteil der Nahrung machlässig bar. Die Versorgung mit pflanzlichen Fetten und Ölen stützte sich hauptsächlich auf Schlafmohn und Kulturlein sowie Rübsen. Ob als vierte Ölpflanze wie in Norddeutschland Leindotter angebaut wurde, ist aufgrund der geringen Zahl von Nachweisen sehr zweifelhaft, da dieser auch wild als Unkraut, unter anderem in Leinfeldern, vorkommen kann. Die Leinpflanze wurde wohl aber Jlauptsächlich zur Fasergewinnung angepflanzt, ebenso wie der Hanf, ftir den man aufgrundvon pollenanalytischen Untersuchungen einen großflächigen Anbau erst ab dem 12. Jahrhundert annehmen kann. Für die Versorgung mit pflanzlichem Eiweiß standen die Hülsenfrüchte Linse, Erbse und Ackerbohne zur Verfügung. Auffallenderweise wurde die in der Urnenfelderzeit und in römischer Zeit hier häufige Ackerbohne bislang nur in Konstanz gefunden. Für den Nachweis von Obst und Nüssen bieten Latrinen ideale Vorausset- zungen. Entsprechend breit ist hier die Palette mit insgesamt 52 Arten. Zwar ist die Entscheidung, ob es sich um Wild- oder Kulturobst handelt, im Einzel- 295
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beschränkt. Wer einen möglichst vielseitigen Speisezettel anstrebte, mußte deshalb die in der Umgebung wachsenden Wildpflanzen umfassend zu nut­zen wissen und die natürlichen Konservierungsarten kennen. Es liegt des­halb auf der Hand, daß die Nahrungsbeschaffung und -zubereitung damals äußerst zeitraubend war.

MARION SILLMANN

Die Situation in Südwestdeutschland

Die derzeitigen Kenntnisse über Nahrungs- und Nutzpflanzen im hohen und späten Mittelalter beruhen in Südwestdeutschland auf der archäobotani­schen Untersuchung von Latrinen in 14 Städten (vgl. Tabelle Seite 294) und von Siedlungsgruben in weiteren 12 Städten oder Gemeinden. Da in Latri-nen die Getreide aufgrund der besonderen Ablagerungs- und Erhaltungsbe- Oben: Zwergweizen. Unten: Linse dingungen nicht optimal erfaßt werden können, stellen die Siedlungsgruben mit ihrem verkohlten Inhalt diesbezüglich ein gutes Regulativ dar. Die Zahl nachgewiesener Nutzpflanzen ftir die jeweiligen Städte, gegliedert in Nutzungsgruppen, geht aus Tabelle 1 hervor. Die daraus ersichtlichen gro­ßen Unterschiede sind in erster Linie eine Folge des Untersuchungsstands und der Qualität des untersuchten Materials. Erst in zweiter Linie dürften regionale Unterschiede in der Ernährungsweise durchschlagen. Dort, wo am meisten Bodenproben in gutem Erhaltungszustand untersucht wurden, wur­den auch die meisten Nutzpflanzen nachgewiesen. So steht Heidelberg mit 123 Nutzpflanzen, darunter 76 Nahrungspflanzen, an erster Stelle, gefolgt von Villingen mit 106 Nutzpflanzen, Tübingen mit 85 und Konstanz mit 76. Die flir die Kalorienversorgung wichtigste Gruppe der Nahrungspflanzen waren die Getreide. Von den zehn nachgewiesenen Getreidearten wurde in den Latrinen am häufigsten die Rispenhirse gefunden, gefolgt von Roggen und Dinkel. Hafer, Gerste und Einkorn wurden in knapp der Hälfte der Orte gefunden, Saatweizen und Emmer in einem Drittel. Kolbenhirse wurde an drei Orten, Reis nur in Heidelberg nachgewiesen. Stellt man di~em Ergebnis die Untersuchungen an verkohltem Material aus Siedlungsgruben gegenüber, so ist dort Roggen mit Abstand am häufigsten, gefolgt von Gerste, Dinkel, Hafer und Saatweizen. Weniger wichtig waren Emmer und Einkorn, sehr sel­ten die Hirsen. Zwar dürfte dieses Ergebnis die tatsächliche Bedeutung der Getreidearten besser widerspiegeln, doch gilt dies leider nur ftir ländliche oder vorstädtische Verhältnisse, die nicht unbedingt mit denen der Städte identisch sein müssen. Als gemeinsamen Nenner kann man jedoch immer­hin festhalten, daß in Südwestdeutschland wie in den benachbarten Land­schaften Roggen das wichtigste Getreide war. Daneben hatten Gerste, Hafer und Dinkel eine große Bedeutung. Saatweizen und die altertümlichen Arten Einkorn und Emmer spielten nur eine untergeordnete Rolle. Solange indes nicht auch Latrinen aus ländlichen Gebieten und Siedlungs­gruben in den Städten untersucht sind, bleibt ungewiß, ob in den Städten mehr Hirse verzehrt wurde als auf dem Land. Reis kam erst im späten Mittel­alter als teure Delikatesse in Gebrauch und ist als Bestandteil der Nahrung

machlässig bar. Die Versorgung mit pflanzlichen Fetten und Ölen stützte sich hauptsächlich auf Schlafmohn und Kulturlein sowie Rübsen. Ob als vierte Ölpflanze wie in Norddeutschland Leindotter angebaut wurde, ist aufgrund der geringen Zahl von Nachweisen sehr zweifelhaft, da dieser auch wild als Unkraut, unter anderem in Leinfeldern, vorkommen kann. Die Leinpflanze wurde wohl aber Jlauptsächlich zur Fasergewinnung angepflanzt, ebenso wie der Hanf, ftir den man aufgrundvon pollenanalytischen Untersuchungen einen großflächigen Anbau erst ab dem 12. Jahrhundert annehmen kann. Für die Versorgung mit pflanzlichem Eiweiß standen die Hülsenfrüchte Linse, Erbse und Ackerbohne zur Verfügung. Auffallenderweise wurde die in der Urnenfelderzeit und in römischer Zeit hier häufige Ackerbohne bislang nur in Konstanz gefunden. Für den Nachweis von Obst und Nüssen bieten Latrinen ideale Vorausset­zungen. Entsprechend breit ist hier die Palette mit insgesamt 52 Arten. Zwar ist die Entscheidung, ob es sich um Wild- oder Kulturobst handelt, im Einzel-

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Oben: Lein. Unten: Erbse

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fall nicht immer einfach, doch kann man von 14 sicheren Arten von Kultur­obst ausgehen, während weitere 7 Arten vermutlich sowohl wild wuchsen als auch angebaut wurden. Ferner gab es zusätzlich 31 wildwachsende Arten, die gesammelt wurden. Was die Anteile der verschiedenen Arten betrifft, so läßt sich zunächst ein all­gemein üblicher Standard feststellen. Dazu gehören, geordnet nach Häufig­keit, Weintrauben, Birnen, Äpfel, Süßkirschen, Pflaumen, Sauerkirschen, Wal­nüsse, Feigen und Maulbeeren beim Kulturobst, sowie beim Wildobst Wald­Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Haselnüsse, Hagebutte Kratzbeeren, Schlehen und die Beeren des Schwarzen Holunders. Auch bei diesen allgemein verbreiteten Obstarten läßt sich eine Abhängigkeit der Häu­figkeit vom jeweiligen Naturraum feststellen, die für eine lokale Produktio spricht. So ist die Heidelbeere dort, wo in der Umgebung basenarmt Gesteine anstehen, beispielsweise in Heidelberg, Villingen und Freibu häufiger als. anderswo. An klimatisch weniger begünstigten Orten wie Villin­gen, Ulm, Kirchheim/Teck oder Rottweil ist die Maulbeere sehr selten oder fehlt ganz. Manche Arten wurden offenbar nur fakultativ als Wildobst genutzt und fehlen dadurch mancherorts. Dazu gehören Weißdorn, Judenkir· sehe (hier kann das Fehlen zum Teil auch klimatisch bedingt sein), Vogel­beere, Attich, Roter Hartriegel, Schneeball u. a. Andere Arten sind aufgrund der Größe ihrer Diasporen in den Latrinen untervertreten und waren vermut­lich weiter verbreitet, als die Fundsituation vermuten läßt. Dazu zählen Zwetschge, Gelber Hartriegel, Pfirsich, Eßkastanie, Mandel und Aprikose, Immerhin tauchen die vier letztgenannten vornehmlich dort auf, wo das Klima auch lokalen Anbau ermöglicht. Ausnahmen, wie Pfirsiche in Zürich und Kirchheim sowie Aprikosen in Villingen, bestätigen die Regel. Während die Pfirsiche unter Umständen vor Ort produziert worden sein können, ist dies bei Aprikosen auf derBaarnicht anzunehmen; hier muß es sich um importierte Früchte handeln. Als weitere sichere Belege für Obstimport kön­nen Feige und Granatapfel (Heidelberg, Konstanz und Villingen) angesehen werden. Einige der seltener gefundenen Obstarten bedürfen dennoch eines Kommentars: Stachel- und Johannisbeere (Nachweis in Beideiberg und Kon­stanz) wurden erst im späten Mittelalter kultiviert. Der Sanddom könnte in Beideiberg von natürlichen Vorkommen am Rhein stammen. In Tübingen dagegen ist an Import oder Anpflanzung zu denken. Bei Quitte und Mispel ist die geringere Zahl von Nachweisen vielleicht auf Probleme bei der Bestimmung zurückzuführen, und schließlich beschränken bei der Stech­palme das Areal und die vielleicht nur fakultative Nutzung ihr Vorkommen in Latrinen. Zusammenfassend kann beim Obst eine reiche und regional dif­ferenzierte Palette beobachtet werden, mit einem nicht zu unterschätzenden Anteil von wild gesammeltem Obst und nur wenigen importierten Arten. Bei Gemüse und Gewürzen sind die Forschungsergebnisse aufgrund schlech­terer Nachweischancen lückenhafter, doch kann auch hier ein allgemeiner Standard festgestellt werden, der mit Dill, Fenchel, Petersilie, Runkelrübe/ Mangold, Sellerie und Gurke Arten des Hausgartens umfaßt, die teilweise (Gurke) erst im Mittelalter in Gebrauch kamen, großenteils aber schon in römischer Zeit oder noch früher (Dill, Sellerie) Tradition hatten. Aber auch bei Kohl, Gelber Rübe, Senf, Bohnenkraut, Kümmel, Koriander, Hopfen, Wacholder, Beifuß, Gartenmelde, Brunnenkresse und Fuchsschwanz kann man aufgrund schlechter Nachweismöglichkeiten eine recht allgemeine Ver­breitung und Nutzung nur vermuten, zumal Gelbe Rübe, Kümmel, Hopfen, Wacholder, Beifuß und Brunnenkresse in mehr oder weniger großer Entfer­nung wildwachsend zur Verfugung standen. Die Palette wird vervollstän­digt durch seltener gefundene kultivierte Gemüse- oder Salatpflanzen wie etwa Rettich, Paprika (am Ende des Mittelalters), Gartenkresse, Schild­ampfer (bereits von den Römern eingeführt) und Spinat, und durch ange­pflanzte Gewürze wie Ysop, Basilikum, Raute und Winter-Bohnenkraut, ergänzt durch wild Gesammeltes wie Ackersalat, Portulak, Wilder Majoran, Pastinak und Bimbemell. Auch hier fallen Fernimporte wie Pfeffer kaum ins Gewicht. Die Gruppe der Heil- und Zierpflanzen ist schwierig abzugrenzen, da sie zahlreiche Wildpflanzen enthält, bei denen eine Nutzung naheliegt, die aber auch nur zufällig von ihrem nahegelegenen Standort in die Latrine gelangt sein könnten. Andererseits wurden zahlreiche Pflanzen nicht berücksichtigt,

bei denen eine Nutzung heutzutage nicht mehr üblich ist, die aber damals durchaus genutzt worden sein könnten. Es seien deshalb aus der langen Liste nur einige Arten herausgegriffen, die entweder überhaupt nicht wild oder jedenfalls nicht in städtischer Umgebung vorkommen, wodurch eine Nutzung sehr wahrscheinlich ist. Davon wurden die Ringelblume (Konstanz, Villingen), die Linde (Villingen, Kirchheim), das Christophskraut (Heidel­berg), die Tollkirsche (Villingen) und das Tausendgüldenkraut (Tübingen) wohl als Heilpflanzen genutzt, während Akelei, Gartennelke (Heidelberg, Konstanz), Primel (Freiburg, Tübingen, Zürich), Schleierkraut (Konstanz, Tübingen), Nachtviole, Blaustern und Hiobsträne (Konstanz) vor allem der Zierde dienten. Eine kleine, aber dennoch wichtige Gruppe von Nutzpflanzen in einer Zeit, als es noch keine Anilinfarben, aber dennoch einen Bedarf an bunten Tex­tilien gab, sind die Färbepflanzen. Die Färberkamille liefert einen gelben Farbstoff, der aus den Blüten gewonnen wird. Sie wurde in Konstanz und Zürich gefunden. In Zürich wurden bezeichnenderweise an der »Gerber­straße« gleich zwei Färbepflanzen aus der Familie der Rötegewächse nachge­wiesen, die echte Färberröte, aus welcher der bekannte rote Krapp-Farbstoff gewonnen wurde, und der Färber-Meister. In Heidelberg wurde der zum Gelb- oder Grünfärben verwendete Färberwau nachgewiesen. Als letztes sei eine Gruppe von Nutzpflanzen erwähnt, denen bisher oft keine Beachtung geschenkt wurde, obwohl sie gerade in Latrinen häufig vor­kommen, weil sie das damals ebenfalls noch nicht verfügbare Toilettenpapier ersetzten: Es sind dies Moose, von denen man bislang etwa 40 verschiedene Arten nachweisen konnte. Sprosse von Schachtelhalmen hingegen wurden vermutlich zum Polieren des Zinngeschirrs benutzt. Dieser knappe Überblick sollte zeigen, welche Erkenntnisse die Archäobota­nik aus Latrinen und Bodenschichten über die Ernährung im Mittelalter her­auszuziehen vermag, aber auch andeuten, daß man angesichts der reichen Quellen in Städten und Siedlungen mit diesen Bemühungen diesbezüglich eigentlich erst am Anfang steht.

MANFRED RöscH

Die Fleischküche

Aufschlüsse über die mittelalterlichen Wirtschafts- und Ernährungsgrundla­gen lassen sich im allgemeinen aus schriftlichen Quellen gewinnen. Durch die Untersuchung archäologischer Funde ist so dann eine Überprüfung dieser Überlieferungen und weiterer Informationen möglich. So geben die bei archäologischen Grabungen zutage geförderten Knochenreste bei sachgemä­ßer Untersuchung unter anderem Auskunft über die Landwirtschaft und die Tierhaltung in der damaligen Zeit, und darüber hinaus über das Konsumver­halten der Bevölkerung. In der Regel werden die Siedlungsabfälle an sich als Zeugnisse der wirtschaft­lichen Gegebenheiten einer bestimmten Zeit angesehen. Bei Grabungen im Umfeld mittelalterlicher Baubestände erfaßt man jedoch gelegentlich auch die zu einem Haus gehörenden Fäkaliengruben, die Latrinen. Diese für einen ganz bestimmten Zweck angelegte Grube diente ihren Benützern auch als willkommene Abfalldeponie: Man versenkte dort nicht nur zerscherbtes Koch- und Eßgeschirr, sondern auch anfallende Knochenabfälle. So lassen sich an einer Latrine in Konstanz (WEKA-S7) aufgrund der in den einzelnen Schichten deponierten Knochen die Eßgewohnheiten der verschiedenen Generationen von Hausbewohnern ablesen, die im Lauf der Zeit das Haus und die Latrine benutzt haben. Die Schichtbildung in der Latrine ist eine Folge der Ablagerung verschieden­artiger Füllmaterialien. Die Untersuchung der Knochenfunde belegt zwei von der Zusammensetzung der einzelnen Nahrungsmittel her unterschiedli­che Konsumverhalten: Während die unteren zwei Schichten (885 und 911) nur knapp 60 Prozent Reste von Haussäugerarten enthalten, sind aus den übrigen, darüberliegenden Schichten über 93 Prozent Knochen von Haussäu-

Oben: Kriechen. Unten: Zibaten

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Die vorliegende Publikation erscheint als Katalog zur Ausstellung »Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch - Die Stadt um 1300«

Stadtarchäologie in Baden-Württemberg und in der Nordostschweiz. Eine gemeinsame AusstellWlg des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Zürich.

Zürich, im Hof des Schweizerischen Landesmuseums 26. Juni bis 11. Oktober 1992

Stuttgart, im Haus der Wirtschaft Frühjahr 1993

Inhalt

Zum Geleit Die Lebenskreise JosefEstermann, Stadtpräsident Zürich 8 Dietmar Schlee, MdL Inneruninister des Landes Baden-Württemberg 9 Der städtische Hausbau 225

Der steinerne Wohnbau in Südwestdeutschland 225 MATTHIAS UNTERMANN Der mittelalterliche Steinbau in Zürich 239

Leihgeber 12 JüRG E. SCHNEIDER Sponsoren 12 Fachwerkbau 248 Konzept, Gestaltung 13 BURGHARD LOHRUM Autoren 13 Baumaterial 267

JüRG GüLL Heizanlagen im Bürgerhaus 280 MARIANNE DUMITRACHE

Einleitende Beiträge

Essen und Trinken 289 Die mittelalterliche Stadt als Forschungsfeld der Archäologie 14 Pflanzliche Ernährung 289 JUDITH ÜEXLE/JüRG E. SCHNEIDER Einführung 289 Der Beitrag der Stadtarchäologie aus der Sicht HANSJÖRG KüSTER des Historikers 26 Kultur- und Nutzpflanzen in Konstanz 292 JüRGEN SYDOW HANSJÖRG KüSTER Das Denkmalrecht in Baden-Württemberg und in Zürich 33 Nahrungspflanzen aus der Latrine 10 in Freiburg, RUDOLF HERMANNN/ROBERT IMHOLZ Gauchstrasse 293

MARION SILLMANN Die Situation in Südwestdeutschland 295 MANFRED RöSCH

Die Städteportraits Die Fleischküche 297 MOSTEFA KOKABI Glas 299

Das Werden einer Städtelandschaft 44 CHRISTINE PROHASKA-GROSS/ANDREA SOFFNER HELMUT MAURER Tischgerät aus Holz 311 Konstanz 53 ULRICH MüLLER JUDITH ÜEXLE Keramik 320 Zürich 69 Einführung 320 JüRG E. SCHNEIDER UWE GROSS Freiburg im Breisgau 93 Keramik im Breisgau 323 PETER SCHMIDT-THOMEIULRICH ECKER STEPHAN KALTWASSER Rottweil 109 Der Mittelneckarraum 328 CHRJSTIAN GILDHOFF/WJNFRIED HECHT UwE GRoss Wintertbur 127 Der Raum Oberschwaben 334 RENATA WINDLER DOROTHEE ADE-RADEMACHER Marbach am Neckar 135 Keramikgeschirr aus Konstanz 340 HARTMUT SCHÄFER MARJNA JUNKES Ravensburg 145 DOROTHEE ADE-RADEMACHER/PETER EITEL Regensberg 157 Stadt und Umwelt 347 ERWIN EUGSTER Ulm 165 Die Umwelt der mittelalterlichen Stadt 347 JUDITH ÜEXLE HANSJÖRG KüSTER Böblingen, Sindelfingen, Herrenberg 183 Wasser und Luft 350 BARBARA SCHOLKMANN HANSJÖRG KüSTER Glanzenberg 201 Versorgung und Entsorgung der mittelalterlichen Stadt 351 WALTER DRACK Versorgung und Entsorgung im Spiegel Zurzach 207 der Schriftquellen 351 HANS-RUDOLF SENNHAUSER MARTIN ILLIIEDGAR HöFLER

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Versorgung und Entsorgung nach dem archäologischen BefUnd JUDITH ÜEXLE

Stadt und Umland JUDITH ÜEXLE/BERND BECKER

Stadt und Mensch

Städte im Aufbruch und Wandel ERNST SCHUBERT

Minne en miniature -Kinderspiel im mittelalterlichen Konstanz JUDITH ÜEXLE

Handwerk und Handel

Töpfereien und ihr Absatzgebiet UWE GROSS

Ein Töpferofen aus Wintertbur PETER LEHMANN

Textilproduktion in der mittelalterlichen Stadt HILDEGARD STORZ-SCHUMM

Holzhandwerk in Konstanz und Freiburg ULRICH MüLLER

DasRind Das Rind als vielseitiger Rohstofflieforant MOSTEFA KOKABI

Horn-, Geweih- und Knochenverarbeitung MARIANNE SCHUCK

Gerber und Gerbereien Die Gerber im mittelalterlichen Schaffhausen BEATRIX R UCKSTUHL

Die Entwicklung des Gerberhauses am Beispiel des Hauses »Zur Gerbe« in Schaffhausen KURT BÄNTELI

Schuhe und Schuhhandwerk CHRISTIANE SCHNACK

Handel und Import von Nahrwigsmitteln HANSJORG KüSTER

Die Rolle des Geldes und die Geldformen HANSJÖRG BREM

Metallfunde aus Konstanzer Grabungen JUDITH ÜEXLE

364

374

381

381

392

397

397

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402

407

413 413

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Kirche und Frömmigkeit 437

Klöster, Stifte, Bettelordenshäuser, Beginen und Begarden 437 PETER EGGENBERGER/GEORGES DESCOEUDRES

Das Fallbeispiel Esslingen 451 BARSARA SCHOLKMANN

In der Festprozession durch die Stadt 463 CHRISTINE BARRAUD WIENER/PETER JEZLER

(MIT UNTERSTÜTZUNG DURCH HElD! LEUPPI)

Krankheit und Tod 469

Medizin und Gesundheitsfürsorge 469 ROGER SEILER

Sterben, Tod und Friedhof 471 MARTIN ILLI

Der anthropologische Befund 479 Der Heide/herger Spitalfriedhof 479 JOACHIM WAHL

Zur Bevölkerungsstruktur einer mittelalterlichen Stadt 485 ANDREAS CUENI

Ulm und die soziale Schichtung im Mittelalter 487 FRIEDRICH W. ROSING

Ein Notfriedhof im Klostergarten der Augustiner in Zürich 489 HANSUELI ETTER

Anhang 494

Dank der Herausgeber Erratum Bildnachweis Literaturverzeichnis

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