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Glienke. Eine slawische Burg des 9. und 10. Jahrhunderts im östlichen Mecklenburg.

Date post: 01-Mar-2023
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Glienke Eine slawische Burg des 9. und 10. Jahrhunderts im östlichen Mecklenburg
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GlienkeEine slawische Burg des 9. und 10. Jahrhunderts

im östlichen Mecklenburg

R Ö M I S C H - G E R M A N I S C H E K O M M I S S I O NDES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS, FR ANKFURT A. M.

Frühmittelalterliche Archäologiezwischen Ostsee und Mittelmeer

Band 5

Herausgegeben von

Sebastian Brather, Claus von Carnap-Bornheim,Hauke Jöns, Christian Lübke, Friedrich Lüth,Michael Müller-Wille & Karl-Heinz Willroth

R Ö M I S C H - G E R M A N I S C H E K O M M I S S I O NDES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS, FR ANKFURT A. M.

GlienkeEine slawische Burg des 9. und 10. Jahrhunderts

im östlichen Mecklenburg

Von

Sebastian Messal

mit Beiträgen vonAlmuth Alsleben & Ralf-Jürgen Prilloff

Mit 115 Textabbildungen, 19 Tabellen, 120 Tafeln und 11 Beilagen

Reichert Verlag Wiesbaden

Herausgeber: Sebastian Brather Claus von Carnap-Bornheim Hauke Jöns Christian Lübke Friedrich Lüth Michael Müller-Wille Karl-Heinz Willroth

Redaktion: Sebastian Messal Susanne Sievers Nadine Baumann Umschlag: Silke Berg (Römisch-Germanische Kommission), Sebastian Messal (Deutsches Archäo- logisches Institut) und Sabine Suhr (Landesamt für Kultur und Denkmalpfl ege Mecklen- burg-Vorpommern). Grabungsplan sowie Fundmaterial des Burg-Siedlungskomplexes von Glienke

Satz & Herstellung: LINDEN SOFT Verlag e. K., Aichwald

Verlag: Reichert Verlag, Wiesbaden

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie;

detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

© 2015 Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts, Frankfurt a. M.Alle Rechte vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfi lmung, Einspeicherung und Ver-arbeitung in elektronischen Systemen nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Deutschen Archäologischen Instituts.

ISBN 978-3-89500-074-9

- V -

Inhaltsverzeichnis

Danksagung XIAbkürzungsverzeichnis XI

Einleitung 1Gegenstand der Untersuchung 1Naturräumliche Gegebenheiten 3Zum Stand der Burgenforschung in Mecklenburg-Vorpommern 4Der Fundplatz – Forschungsgeschichte und Ausgrabungsverlauf 8

Forschungsgeschichte 8Voruntersuchung 8Hauptuntersuchung 9Bemerkungen zur Grabungstechnik und Dokumentation 10Bemerkungen zur Fundverteilung des archäologischen Fundmaterials 11Einführende Bemerkungen zur Keramik 12

Die steinzeitliche Besiedlung 13Die steinzeitlichen Befunde 13Das steinzeitliche Fundmaterial 13

Keramik 13Flintartefakte 15

Abschläge 15Klingen und Mikroklingen 15Kernsteine 15Klingengeräte 16Abschlagsgeräte 16Pfeilspitzen 17Kerbreste 17Flintspitze 17

Äxte und Beile aus Felsgestein 17Reibsteine und -kugeln, Unterlieger 18

Zusammenfassende Beurteilung der steinzeitlichen Besiedlung im Bereich des Fundplatzes 18

Die slawische Besiedlung 21Die slawischen Befunde 21

Vorbemerkungen 21Zur Lage und Befestigung des Burgwalls 21

Lage und Grundriss 21Befestigungskonstruktion 24

Die erste Befestigungsphase 27Die zweite Befestigungsphase 27Die dritte Befestigungsphase 31Die vierte Befestigungsphase 31

Torkonstruktion 33Zur Datierung der Burg 34

- VI -

Zur Lage und Befestigung der Vorburgsiedlung 35Lage und Ausdehnung 35Befestigung 36

Siedlungsbefunde 37Gruben 38Siedlungsschichten 39

Burgwall 40Vorburgsiedlung 41

Steinsetzungen 41Lehmpackungen 42Feuerstellen 43

Einfache Feuerstellen 43Ofenanlagen 43Lehmplatte 43

Pfostengruben 44Brunnen und Zisterne 44

Brunnen 44Zisterne 46

Gräben 48Burgwall 48Vorburgsiedlung 48

Die Innenbebauung des Burgwalls 50Hausbau 50

Hausbefunde 52Hauskonstruktionen 55Zusammenfassung 56

Siedlungs- und Wirtschaftsgruben 57Technische Anlagen/Schachtofen 59Wasserversorgung 61Zusammenfassende Beurteilung der Innenbebauung im Burgwall von Glienke 63

Zur Siedlungsstruktur der Vorburgsiedlung 65Hausbau 65

Hausgruben 65Steinpfl aster 66Grubenhäuser 67Hauskonstruktionen 67Siedlungsstruktur und Zusammenfassung 67

Siedlungsgruben 68Technische Anlagen/Werkareale 70Wasserversorgung 72Zäune und Gräben 73

Zäune 73Gräben 73

Zusammenfassende Beurteilung der Struktur der Vorburgsiedlung von Glienke 74Das slawische Fundmaterial 75

Keramik 75Das Material 75

Der Feldberger Typ 77Der Menkendorfer Typ 78Der Sukower Typ 79Weitere Keramiktypen 79Teller, Schalen und Deckel 80

- VII -

Bodenscherben 80Importmaterial 81

Das Verhältnis zwischen den Keramiktypen in Burg und Vorburgsiedlung 81Zur Datierung der Keramik 82Keramik vom Typ Glienke 84

Material 84Vergleiche 86Einfl üsse 89Deutung 92Zusammenfassung 93

Landwirtschaft und Fischfang 94Sicheln und Sensen 94Spatenbeschlag 95Hölzerne Spaten und Schaufeln 96Lehmwannen 97Angelhaken 97

Werkzeuge und handwerkliche Geräte 97Hammer 97Zieheisen 98Feile 99Punze/Durchschlag 100Meißel 101Schleifstein 101Dechsel 102Löff elbohrer 103Zugmesser 103Säge 104Webgewichte 104Spinnwirtel 106Scheren 111Glättsteine 111Eisenpfrieme 112Knochenpfrieme 113„Marlspieker“ 114Knochennadeln 114Nadeln aus Eisen und Bronze 116Teer 117Tiegel 117

Rohmaterial, Halbfabrikate und Produktionsabfälle 117Barren, Halbfabrikate 117Eisenschlacken 118Geweihe 119

Haushalt 120Messer 120Messerscheidenbeschläge 122Geweihmuff en 123Holzgefäße 124Eimerbeschläge 125Ketten und Kettenglieder 127Wetz- und Schleifsteine 128Mühlsteine 130Schlossfeder 132

- VIII -

Transport und Handel 132Gewicht 132Waagschale 133Eisenschüssel vom „schlesischen Typ“ 133Schlittknochen 135

Spiel 137Halbkugelförmiger Stein 137Geweihscheibe 137

Waff en sowie Reit- und Zaumzeug 137Schwertknaufkrone 137Dolchknauf 139Pfeilspitzen 140

Blattförmige Pfeilspitzen mit Tülle 141Blattförmige Pfeilspitzen mit Schaftdorn 141Widerhakenpfeilspitzen mit Tülle 143

Geweihspitzen mit ausgehöhlter Basis 144Lanzen- und Speerspitzen 145Sporen 145

Nietplattensporen 146Hakensporn 147

Trensen 148Kreuzförmiger Riemenbeschlag 150Riemendurchzug 152Riemenschlaufe/Sporn/Sattelbeschlag? – Fragment mit unbekannter Funktion 153Hufeisen 155

Tracht- und Körperschmuck 155Perlen 155Ringfi bel 157Anhänger aus Bernstein 158Armring 159Schmuckstein 159Riemenzungen 160Schnallen 162Schließhaken 162Haken mit tordiertem Schaft und S-förmiger Schleife 164Nadeln mit tordiertem Schaft und S-förmiger Schleife 165Kämme 166

Konstruktionselemente 170Eisenringe 170Eisenstifte 171Krampen und Klammern 172Nägel 172

Sonstige Funde 174Beschläge 174Tonscherbe mit Loch 175Menschlicher Knochen 175Sonstige Holzfunde 176

Fundstücke mit unbekannter Funktion 176Unbestimmte Funktion, Metall 176

Varia 176Haken 178Draht 178Eisenbänder 178

- IX -

Eisenbleche und -platten 178Fragmente 178

Geweihartefakte mit unbekannter Funktion 179Der Burg-Siedlungskomplex von Glienke 179

Zum Besiedlungsablauf in Burg und Vorburgsiedlung 179Landwirtschaftliche Tätigkeiten in Burg und Vorburgsiedlung 181

Das archäologische Material 181Das archäozoologische Material 181Das archäobotanische Material 181Die Organisation der landwirtschaftlichen Tätigkeiten in Burg und Vorburgsiedlung 182

Nichtagrarische Produktion in Burg und Vorburgsiedlung 182Eisengewinnung und Eisenbearbeitung 182Bunt- und Edelmetallverarbeitung 184Werkstätten bzw. -areale der Metallverarbeitung 184Holzbearbeitung 185Knochen- und Geweihverarbeitung 186Textilherstellung 186Lederherstellung 187Teer- und Holzkohleerzeugung 187Töpferei 187Bearbeitung von Gesteinen 188Zur Organisation der nichtagrarischen Produktion in Glienke 188Zur Struktur der nichtagrarischen Produktion in Burg und Vorburgsiedlung 189

Handel und Fernkontakte 190Zum Nachweis von Handel 190Handel oder Austausch – Weitere Fremdgüter aus Glienke 190Zum Umfang von Handel und Austausch in Glienke 191

Die Funktionen der Gebäude im Burgareal 192Zur herrschaftlichen und wirtschaftlichen Funktion der Burg von Glienke 193Der Burgbezirk von Glienke und die früh- und mittelslawische Besiedlung im Umfeld 195Die Ursachen des slawischen Burgenbaus und die kulturhistorische Einordnung der Burg von Glienke 199

Die Ursachen des slawischen Burgenbaus im Laufe des 9. Jahrhunderts 199Zur kulturgeschichtlichen Einordnung der Burg von Glienke 200

Die fränkisch-sächsisch-slawischen Auseinandersetzungen im 9. und 10. Jahrhundert 200Die slawischen Stämme des 9. und 10. Jahrhunderts im östlichen Mecklenburg 201Die „redarischen Burgen“ – Zur kulturgeschichtlichen Einordnung der Burg von Glienke 202

Zusammenfassende Beurteilung der slawischen Besiedlung in Glienke 204

Die spätmittelalterliche und neuzeitliche Nutzung 205Die spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Befunde 205Das spätmittelalterliche und neuzeitliche Fundmaterial 206

Keramik 206Hufeisen und Hufnägel 207Murmeln 207Leder 208Netzsenker 209

Zusammenfassende Beurteilung der nachslawenzeitlichen Nutzung des Fundplatzes 209

Zusammenfassung 211

Summary 213

Резюме 215

- X -

Die naturwissenschaftlichen Untersuchungen – von Almuth Alsleben, Ralf-Jürgen Prilloff und Sebastian Messal 217

Untersuchungen fossiler Pfl anzenreste aus der slawischen Burg Glienke, Lkr. Mecklenburg-Strelitz – von Almuth Alsleben 217

Material und Methode 217Die fossilen Pfl anzenfunde – Nutzpfl anzen 218Die fossilen Pfl anzenfunde – Wildpfl anzen 219Die Pfl anzenspektren der unterschiedlichen Siedlungsbereiche 220Abschließende Bemerkungen 222

Archäozoologische Untersuchung der frühmittelalterlichen Tierknochen aus Burg und Vorburg Glienke – von Ralf-Jürgen Prilloff 224

Fundanteile der Haus- und Wildtiere (KnZ und KnG) 224Haustiere 224Wildtiere 224

Altersgliederung 225Zahlenverhältnis der Geschlechter 227Spuren der Tierkörperzerlegung 228Körpergröße der Haustiere 231Kultur- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte 231

Dendrochronologische Untersuchungen – von Sebastian Messal 234Daten 235Interpretation der Jahrringdaten 237

Geomagnetische Untersuchungen – von Sebastian Messal 237Die Messungen östlich der Burg (1999) 237Die Messungen südlich der Burg (2001) 238Zusammenfassung 239

Literaturverzeichnis 241

Katalog 261Anmerkungen zum Katalog und Tafelteil 261Befundkatalog 262Fundkatalog 307

Tafeln 365

Beilagen 1–11

- XI -

Die von Dr. Volker Schmidt geleiteten Ausgrabungen in Glienke zählen zweifelsohne zu den bedeutendsten Unter-suchungen von slawischen Befestigungsanlagen in Meck-lenburg-Vorpommern. Die vorliegende Aufarbeitung, Aus-wertung und Vorlage der Grabungsergebnisse verdankt ihre Anregung meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Hauke Jöns, der mir diese nicht immer einfache Aufgabe als Dissertationsschrift überließ und die Arbeit mit ungebro-chenem Interesse begleitet hat. Für das entgegengebrachte Vertrauen und die vielfältige Unterstützung bin ich ihm zu großem Dank verpfl ichtet.

Herrn Prof. Dr. Friedrich Lüth möchte ich ausdrück-lich für die umfassende Förderung und Unterstützung während der letzten Jahre herzlichst danken, beginnend bei der Überlassung der Grabungsunterlagen und des archäo-logischen Fundmaterials von Glienke, über die Bereitstel-lung von zusätzlichen Ressourcen hinweg bis zur Aufnah-me der Arbeit in die vorliegende Monographienreihe. Den Mitarbeitern des Landesamtes für Kultur und Denkmal-pfl ege Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere Dr. Detlef Jantzen, Hildegard Gräfi n von Schmettow, Sabine Suhr und Michael Wagner, sei für die vielfältig gewährten Hilfe-stellungen gedankt; besonderer Dank geht an Dr. Jens-Peter Schmidt für die umfangreichen Diskussionen, Tipps und Hilfestellungen, die häufi g weit über das Fachliche hinausgingen. Darüber hinaus übernahm er, zusammen mit Dr. Regina Ströbl, das sicherlich mühevolle Korrektur-lesen der Arbeit. Dafür sei beiden herzlichst gedankt.

Von größter Bedeutung für das Verständnis des Siedlungskomplexes sind die Ergebnisse der archäobo-tanischen und archäozoologischen Untersuchungen, die von Dipl.-Biol. Almuth Alsleben und Dr. Ralf-Jürgen Prilloff dankenswerterweise vorgestellt werden. Zahlrei-che Diskussionen, fachliche Hinweise und den Zugang zu teilweise unpublizierten Material verdanke ich weiterhin Dr. Torsten Kempke, Th omas Kind, Dr. Harald Lübke, Dr. Dietrich Meier, Dr. Axel Pollex, Dr. Heiko Schäfer, Beatrix Schmidt, Jens Ullrich, Dr. Frank Wietrzichowski und Bernd Wollschläger. Herzlicher Dank gebührt PD

Dr. Felix Biermann für die umfassenden und konstrukti-ven Diskussionen des Befestigungsbefundes.

Die Befund- und Fundzeichnungen wurden von Mit-arbeitern des Landesamtes für Kultur und Denkmalpfl ege und der Römisch-Germanischen Kommission angefertigt. Sabine Dolereit, Annette Behrendt und Katrin Spalkhaver sei an dieser Stelle stellvertrendend für viele gedankt; tech-nische Unterstützung bei der Erstellung der Grabungspläne erhielt ich von Anja Szbresny und Dipl.-Ing. Christian Hartl-Reiter.

Die Drucklegung erfolgte unter Federführung von Prof. Dr. Susanne Sievers. Für den engagierten Einsatz gebührt ihr großer Dank. Zudem möchte ich Nadine Bau-mann für die redaktionelle Bearbeitung des Manuskriptes sowie Silke Berg für die graphische Umsetzung und Gestal-tung der Textabbildungen und Tafeln danken.

Den größten Dank schulde ich meinen Eltern. Lei-der konnte mein Vater die Drucklegung des vorliegenden Bandes nicht mehr erleben; ihm ist diese Arbeit gewidmet.

Abkürzungsverzeichnis

Abb. = AbbildungAnm. = AnmerkungBef. = BefundBeil. = BeilageKap. = KapitelKat.-Nr. = KatalognummerLaKD = Landesamt für Kultur und Denkmalpfl ege

Mecklenburg-Vorpommern, SchwerinLkr. = LandkreisOa LaKD = Ortsakten des Landesamtes für Kultur und

Denkmalpfl ege Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

Tab. = TabelleTaf. = Tafel

Danksagung

- 1 -

Gegenstand der Untersuchung

Die größte Infrastrukturmaßnahme der letzten Jahrzehnte in Mecklenburg-Vorpommern – die Ostseeautobahn A 20, die das Bundesland auf einer Strecke von etwa 280 km in Ost-West-Richtung durchquert – bedingte umfangreiche Erdarbeiten, die auch die Zerstörung der im Trassenverlauf liegenden Bodendenkmale nach sich zogen 1. Ein Erhalt dieser Denkmale vor Ort war nicht möglich, so dass das Landesamt für Bodendenkmalpfl ege (heute: Landesamt für Kultur und Denkmalpfl ege, Abteilung Archäologie und Denkmalpfl ege) bestrebt sein musste, möglichst viele der betroff enen Fundstellen im Vorfeld der Baumaßnahmen wissenschaftlich zu untersuchen und so für die Nachwelt zu erhalten. Dies hatte zahlreiche archäologische Ausgrabun-gen zur Folge, bei denen ein Höchstmaß an Informationen der ur- und frühgeschichtlichen Besiedlung in den betrof-fenen Regionen gewonnen werden sollte 2.

Eine der größten archäologischen Untersuchungen im Verlauf der Autobahn A 20 fand zwischen März 1999 und März 2001 bei Glien ke, Lkr. Mecklenburg-Strelitz, östlich von Neubrandenburg statt (Abb. 1). Auf einer Gesamtfl äche von etwa 33.000 m 2 wurden seinerzeit ein bis dahin unbe-kannter slawischer Burgwall des 9. und 10. Jahrhunderts vollständig sowie größere Areale der umgebenen Vorburg-siedlung unter Leitung von Dr. Volker Schmidt (†) unter-sucht 3. Die Ausgrabungen waren notwendig, da das be-treff ende, im Verlauf der zukünftigen nördlichen Auf- und Abfahrttrasse der Anschlussstelle Neubrandenburg/Ost gelegene Bodendenkmal durch die geplanten Erdeingriff e nahezu komplett zerstört werden würde (Abb. 2; Taf. 1). Der Fundplatz ist heute weitgehend vollständig überbaut.

Die Auswertung der Grabungsergebnisse des Burg-Siedlungskomplexes von Glien ke ist nicht nur für die regio-nale Besiedlungsgeschichte im östlichen Mecklenburg, für die der entdeckte Burgwall einen überaus hohen Erkennt-

niszuwachs bedeutet 4, sondern auch für die Erforschung der westslawischen Kultur zwischen Elbe und Oder von größter Bedeutung. Vor allem die vollständige Freilegung des Burgwalles ermöglicht detaillierte und kaum vergleich-bare Einblicke in die Siedlungsstruktur einer mittelsla-wischen Burganlage 5. Darüber hinaus lassen sich sowohl strukturelle als auch politische und wirtschaftliche Unter-schiede zwischen dem Burgwall und der Vorburgsiedlung näher beleuchten. Dies ist insofern von Belang, da sich dadurch auch die Gesellschaftsstruktur der damaligen Be-völkerung ansatzweise refl ektieren dürfte.

Der plötzliche Tod von Dr. V. Schmidt verhinderte die von ihm geplante wissenschaftliche Auswertung der Grabungsergebnisse, die ihm sehr am Herzen lag 6. Diese wurde daraufhin vom Verfasser übernommen und wird mit dem vorliegenden Band vorgelegt. Der Verfasser konnte auf die vollständige Grabungsdokumentation und das inventa-risierte Fundmaterial sowie auf einen vorläufi gen Befund-katalog zurückgreifen. Auf dieser Grundlage erfolgten eine Überprüfung der Befundansprache, gegebenenfalls auch eine Neuinterpretation der Befunde sowie die Bearbeitung des Fundmaterials unter funktionellen und chronologi-schen Fragestellungen.

In der vorliegenden Arbeit werden sowohl die Baube-funde als auch das umfangreiche und zum Teil äußerst qua-litätsvolle Fundmaterial der Grabung in Glien ke vorgestellt und ausgewertet. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt in einer detaillierten Betrachtung der Siedlungsstrukturen in Burg und Vorburgsiedlung sowie im Vergleich beider Siedlungskomponenten miteinander. Darüber hinaus soll das Fundgut hinsichtlich der Funktion, Herkunft und Zeitstellung überprüft und analysiert werden. Die Keramik als zahlenmäßig größte Fundgattung wird in Katalogform vorgelegt. Eine Bearbeitung des gesamten keramischen Ma-terials erfolgte nicht, allerdings konnten im Rahmen einer Stichprobe wesentliche Aspekte der Keramikentwicklung

Einleitung

1 Zusammenfassend Lüth / Schmidt 2005; Schmidt 1995a.2 Zu den Ergebnissen vgl. Jöns et al. 2005a.3 Vgl. Kurze Fundberichte 1999, 466; Messal / Schmidt 2004;

Messal 2005a; 2007. Die dort angegebene Gesamtfl äche von 5,5 ha beruht auf den in der Grabungsdokumentation angegebenen, jedoch zu großen Zahlen.

4 Vgl. S. 199 ff .5 Vollständig freigelegte Burgwälle aus dem westslawischen Raum:

Parchim-Löddigsee, Lkr. Parchim: Paddenberg 2000a; 2004; Tor-now (Brandenburg): Herrmann 1966; Schönfeld (Brandenburg): Wetzel 1985; Raddusch (Brandenburg): Ulrich 2000.

6 Grabungsdokumentation Glien ke (Nachlass Dr. V. Schmidt).

- 2 -

in Glien ke herausgestellt werden. Sowohl die Befunde als auch das Fundmaterial werden abschließend in Form eines Kataloges vorgelegt.

Von besonderem Interesse sind die naturwissenschaft-lichen Begleituntersuchungen. Es kamen archäozoologi-sche, archäobotanische, dendrochronologische und geophy-sikalische Methoden zur Anwendung. Sie sind vor allem für die Datierung des Burg-Siedlungskomplexes von Glien ke, aber auch für die Ergründung der Nahrungsmittelressour-cen der ehemaligen Bevölkerung von größter Bedeutung. Darüber hinaus beleuchten diese Methoden zahlreiche Aspekte der slawischen Wirtschaftsweise, die sich aus den archäologischen Quellen nur teilweise erschließen und beurteilen lassen. Die Besprechung der dendrochronolo-gischen und geomagnetischen Untersuchungen erfolgte durch den Verfasser. Die Ergebnisse der archäozoologischen und archäobotanischen Untersuchungen werden von den wissenschaftlichen Bearbeitern Dr. R.-J. Prilloff , Wolmir-stedt, und Dipl.-Biol. A. Alsleben, Kiel, jeweils in Form von Einzelbeiträgen vorgestellt.

Auf Grundlage der archäologischen und naturwissen-schaftlichen Quellen wird zudem das Verhältnis zwischen Burgwall und Vorburgsiedlung beurteilt. Dabei stehen die

Struktur, Organisation und Verteilung von agrarischer und nichtagrarischer Produktion im Vordergrund, aus denen sich die herrschaftlichen und wirtschaftlichen Funktionen des Burg-Siedlungskomplexes von Glien ke bzw. der in der Burg wohnhaften Bevölkerung ableiten lassen. Darüber hinaus wird der Frage nach der Reichweite dieser Funktio-nen über den Burg-Siedlungskomplex von Glien ke hinaus nachgegangen. Abschließend sollen die Ursachen für den Burgenbau im 9. und 10. Jahrhundert in weiten Teilen des slawischen Siedlungsgebietes diskutiert werden und es erfolgt eine kulturgeschichtliche Einordnung des Burg-Siedlungskomplexes von Glien ke in seinen historischen und besiedlungsgeschichtlichen Rahmen. Dabei liegt der Schwerpunkt der Ausführungen auf dem slawischen Bur-genbau im östlichen Mecklenburg, vor allem der Region zwischen Tollensesee und Uecker, das dem Stammesgebiet der slawischen Redarier entsprechen dürfte und in dem sich der Burgwall von Glien ke befi ndet 7.

Abb. 1. Verlauf der Autobahn A 20 und Lage des Fundplatzes Glien ke, Lkr. Mecklenburg-Strelitz, Fundplatz 2. Ohne Maßstab.

7 Zum Stammesgebiet der Redarier vgl. Schmidt 1999b, 36; 2001b, 203.

Einleitung


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