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Khrushkova Liudmila, Geschichte der Christlichen Archäologie in Russland vom 18. bis ins 20....

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ISSN 0035-7812 IM AUFTRAG des Priesterkollegs am Campo Santo Teutonico in Rom und des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft IN VERBINDUNG MIT Wolfgang Bergsdorf, Thomas Brechenmacher, Jutta Dresken-Weiland, Michael Durst, Rudolf Schieffer, Andreas Sohn und Günther Wassilowsky HERAUSGEGEBEN VON Dominik Burkard, Hans-Peter Fischer und Stefan Heid BAND 109, HEFT 1–2 2014 HERDER ROM FREIBURG WIEN
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RQ 1/14 / p. 1 / 25.7.

ISSN 0035-7812

IM AUFTRAG

des Priesterkollegs am Campo Santo Teutonico in Romund des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft

IN VERBINDUNGMIT

Wolfgang Bergsdorf, Thomas Brechenmacher,Jutta Dresken-Weiland, Michael Durst,

Rudolf Schieffer, Andreas Sohn und Günther Wassilowsky

HERAUSGEGEBEN VON

Dominik Burkard, Hans-Peter Fischerund Stefan Heid

BAND 109, HEFT 1–2

2014

HERDER

ROM FREIBURG WIEN

RÖMISCHEQUARTALSCHRIFT·BAND109(2014)HEFT1–2

In allen Buchhandlungen oder unter www.herder.de

Gründlich aufgearbeitet –übersichtlich dokumentiert

Römische Quartalschrift, Supplementband 62

Die Römische Inquisition steht für eine neue Ära des Papsttums und des Katholizismus. Für spätere römische Behörden sollte die erste, im Jahre 1542 gegründete Kongregation Vorbild werden. Deren Mitwirkende, die meist auch der 1571 gegründe-ten Index-Kongregation angehörten, stellt der Band aufgrund neuer Quellen in über dreihun-dert Personenprofilen vor. Sie illustrieren für die ersten sechzig Jahre des Bestehens dieses Amtes den harten Kern der römi-schen Gegenreformation bis 1600.

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Herman H. Schwedt (Hg.) Die Anfänge der Römischen InquisitionKardinäle und Konsultoren 1542-1600296 Seiten | Leinen€ 88,– / SFr 119.– / € [A] 90,50ISBN 978-3-451-27144-1

Geschichte der Christlichen Archäologie in Russlandvom 18. bis ins 20. Jahrhundert

(5. Folge)*

Von LIUDMILA G. KHRUSHKOVA

Abstract: A history of Christian Archaeology in Russia from the 18th to the 20th century –The Author describes the history of Christian Archaeology after the Second World War inRussia. Included topics are Byzantine art, old Russian art, archaeology in Crimea and in theCaucasus.

IV. Christliche und byzantinische Archäologie in der UdSSR (1917–1991) undin nachsowjetischer Zeit einschließlich Ukraine und Kaukasus

2. Nach dem Zweiten Weltkrieg

a. Die russisch-orthodoxe Kirche

Während des Zweiten Weltkriegs änderte sich die Politik der Sowjetregierunggegenüber der russisch-orthodoxen Kirche. Zu Beginn, am 3. Juli 1941, begannStalin (Iosif Džugašvili, 1879–1953) seine erste Radioansprache mit „LiebeFreunde, Brüder und Schwestern […]!“ statt mit der sowjetischen Standardfor-mel „Liebe Kameraden“. Der Ausdruck „Brüder und Schwestern“, der nichtzum kommunistischen Vokabular zählte, war Stalin aber doch seit seiner Zeit,als er sich noch auf die Priesterlaufbahn vorbereitete, geläufig. Er absolvierteseine zehnjährigen Studien (1889–1899) zunächst an der Geistlichen Schule inGori, dann im russisch-orthodoxen Seminar von Tiflis in Georgien. Auch wenner seine Ausbildung abbrach, so besaß er doch keine andere. Zweifellos war erunter den Sowjetchefs der mit der größten Kompetenz in Kirchenfragen. Am4. September 1943 empfing Stalin denMetropoliten Sergij (IvanNikolaevič Stra-gorodskij, 1867–1944)1, Stellvertreter des Patriarchatsverwesers (mestobljustitel’patriaršego prestola), und zwei Metropoliten, um die Frage der OrthodoxenKirche und der Wiederherstellung des Moskauer Patriarchats zu behandeln.Bei der Besprechung waren auch der Minister für auswärtige AngelegenheitenVjačeslav Michajlovič Molotov und Georgij Grigor’evič Karpov, Oberst desMinisteriums für Staatssicherheit. Karpov war bekannt für sein hartes Vorgehen

* Aus dem Französischen übersetzt von Stefan Heid. Transliteration des Russischen vonAlberto Gerosa. Die ersten vier Folgen sieheL. G. Khrushkova, in: RQ 106 (2011) 229–252;107 (2012) 74–119, 202–248; 108 (2013) 254–287. Abkürzungen:Heid, Dennert = S. Heid,M. Dennert (Hg.), Personenlexikon zur Christlichen Archäologie 1–2 (Regensburg 2012).1 Er absolvierte die Geistliche Akademie von Sankt Petersburg. Seine Magisterthese lautete:Pravoslavnoe učenie o spasenii [Die orthodoxe Lehre über die Erlösung] (Sergiev Posad1895, Kazan’ 21898). Seit 1901 war er Rektor der Geistlichen Akademie von Sankt Petersburgund Bischof von Jamburg, seit 1911 Mitglied des Heiligen Synod.

gegen den Klerus, der sich seit den 1930er Jahren zum größten Teil in Gefäng-nissen und Lagern befand. Er wurde der erste Präsident des am 8. Oktober 1943eingerichteten Rats für die Angelegenheiten der Russisch-Orthodoxen Kirchebei der Regierung. Zur selben Zeit wurde für alle anderen Konfessionen derSowjet (Rat) für religiöse Kultangelegenheiten gegründet, um das religiöse Le-bens in der UdSSR zu kontrollieren. 1966 wurden beide Einrichtungen in denRat für Religionsangelegenheiten überführt (Sovet po delam religij). Das Netz-werk dieses Rats umspannte alle Länder und bestand bis zum Ende des Sowjet-systems. Am 8. September 1943 wählte die Bischofssynode den 12. Patriarchender russisch-orthodoxen Kirche: Sergij stand den sowjetischen Machthabernloyal gegenüber; das war eine Überlebensfrage für die Kirche2. Die Kirchen-gebäude, von denen manche bereits profaniert und geplündert worden waren,öffneten wieder der sowjetischen Bevölkerung ihre Tore, damit sie dort für ihreFamilienangehörigen im Krieg, für den militärischen Sieg und für Stalin betenkonnten3. Aber das geschah im Hinterland, so dass die wachsamen Kommissareder Roten Armee ihren Soldaten nicht erlaubten, kleine Halskreuze zu tragenoder das Kreuzzeichen zu schlagen.Im selben Jahr (im September 1943) erschien nach achtjährigerUnterbrechung

wieder die Zeitschrift des Patriarchats Moskau (Žurnal Moskovskoj patriar-chii)4. Nach dem Tod des Patriarchen Sergij am 4. Februar 1945 wurde derMetropolit von Leningrad Aleksij (Simanskij) inthronisiert5. 1939 besaß die or-thodoxe Kirche nur noch rund 400 funktionierende Kirchen in einem so immen-

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2 Izvestija Sovetov deputatov trudjaščichsja SSSR [Bulletin der Sowjets der Deputierten derArbeiter der UdSSR], 9 Sept. 1943, Nr. 213, 2; V. A. Cypin, Istorija russkoj Cerkvi [Ge-schichte der russischen Kirche]. 1917–1997, Ergänzungsband:Makarij (Bulgakov), Istorijarusskoj Cerkvi [Geschichte der russischen Kirche] 9 (Moskau 1997) 293–315: Russkaja pra-voslavnaja Cerkov’ pri patriarche Sergii (Stragorodskom) (1943–1944) [Die russisch-ortho-doxe Kirche unter dem Patriarchen Sergij (Stragorodskij) (1943–1944)].3 Zu den politischen Motiven dieser Entscheidung nur soviel: In den von deutschen Truppenbesetzten Gebieten waren die Kirchen geöffnet. Im südrussischen Gebiet von Krasnodarwaren z.B. 229 Kirchen geöffnet, vor dem Krieg hingegen nur sieben: N. Ju. Belikova,Dejatel’nost’ Russkoj Pravoslavnoj Cerkvi v gody Velikoj Otečestvennoj vojny. Na materia-lach Krasnodarskogo kraja [Das Wirken der russisch-orthodoxen Kirche während des gro-ßen vaterländischen Krieges. Nach Materialien der Gegend von Krasnodar], in: Aleksij(Smirnov), M. Mozdor, E. Šiškin (Hg.), Aktual’nye voprosy istorii christianstva na Sever-nom Kavkaze. Materialy V Meždunarodnych Svjato-Ignatievskich čtenij, g. Stavropol’, 14maja 2013 g. [Aktuelle Fragen zur Geschichte des Christentums im Nordkaukasus. Materia-lien der 5. Internationalen Vorlesung zu Ehren von St. Ignatius, Stavropol’, 14. Mai 2013](Stavropol’ 2013) 126–132. Einige Zahlen: Die Kiewer Eparchie zählte 1913 1.710 Pfarreien,vor dem Zweiten Weltkrieg nur noch 2 und während der deutschen Besatzung 708 (Cypin[Anm. 2] 287).4 A. S. Buevskij, I. N. Sudosa (Hg.), Žurnal Moskovskoj patriarchii. 1931–1935 i 1943–1983: Sistematičeskij bibliografičeskij ukazatel’ [Zeitschrift des Moskauer Patriarchats1931–1935 und 1943–1983: Systematischer bibliographischer Index] 1–3 (Moskau 1984).5 Cypin (Anm. 2) 316–425; M. V. Škarovskij, Russkaja prvoslavnaja cerkov’ pri Staline iChruščeve. Gosudarstvenno-cerkovnye otnošenija v SSSR v 1939–1964 gg. [Die russisch-orthodoxe Kirche unter Stalin und Chruščev. Die Beziehungen zwischen Staat und Kirchein der UdSSR 1939–1964] (Moskau 2005).

sen Land, aber 1949 waren es schon wieder 14.500 Kirchen und 75 Klöster, zweiGeistliche Akademien und acht Seminare. 1944 wurde das religiöse Bildungs-system wiederhergestellt. 1947 wurde die Geistliche Akademie von Moskau indie Lavra der Dreifaltigkeit und des hl. Sergius verlegt, die im Jahr zuvor wiedergeöffnet worden war6. Dennoch behielt der Ort der Lavra seinen sowjetischenNamen „Zagorsk“ („Stadt hinter den Bergen“) an Stelle des alten Toponyms„Sergiev Posad“ (Sergiusburg). Das archäologische Kabinett der Akademie wur-de 1950 eröffnet und umfasste Mitte der 1960er Jahre etwa 5.000 Objekte7. Kon-servator war P. Sergij Golubcov, Sohn des Aleksandr Petrovič Golubcov (1862–1911), der als Professor für Kirchenarchäologie an der Geistlichen Akademievon Moskau tätig war8.

b. Byzantinische Studien

Stalins neue Politik wirkte sich gerade auch auf die Byzantinistik aus. 1947wurde die Zeitschrift „Vizantijskij Vremennik“ wiederaufgenommen. Der ersteBand der neuen Serie war der Hundertjahrfeier Fedor Ivanovič Uspenskijs(1845–1928) gewidmet. Abgesehen davon unterlag der stalinistische „Liberalis-mus“ genauer Kontrolle. Die Byzantinisten mussten sich klug verhalten, umnicht in diese oder jene „Häresie“ zu verfallen. Weder durfte man an die „bour-geoise“ Tradition der russischen Wissenschaft vor 1917 anknüpfen noch Thesenwestlicher Forscher aufgreifen, da man darin eine „Anbiederung an denWesten“sah. Offiziell der „Anbiederung“ bezichtigt zu werden, war schwerwiegend undbesonders gefährlich auf dem Höhepunkt der Kampagne gegen den „Kosmo-politismus“, der letzten Welle stalinistischer Repressalien am Ende der 1940erJahre. Unter „Kosmopolitismus“ konnte vieles verstanden werden: zuweileneine gute Kenntnis der westlichen Kultur oder schlicht eine Sympathie für denWesten, zuweilen die Bekanntschaft mit ausländischen Gelehrten, die in jedemFall nur sporadisch sein konnte und streng reglementiert wurde. Zuweilen warder Vorwurf des „Kosmopolitismus“ eine schwache Maskerade für den offiziel-len Antisemitismus9.1947 erschien die grundlegende „Geschichte der byzantinischen Malerei“ von

Viktor Nikitič Lazarev (1897–1976)10, einem herausragenden Kenner der byzan-

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6 A. K. Svetozarskij,Moskovskie duchovnye školy v 1917–1964 godach [Die GeistlischenSchulen in Moskau 1917–1964], in: E. Verejskij (Hg.), Moskovskoj duchovnoj Akademii325 let. Jubilejnyj sbornik statej 1,2. Istorija Moskovskoj Duchovnoj Akademii. 1685–1995[325 Jahre Geistliche Akademie von Moskau. Eine Sammlung von Beiträgen zum Jubiläum1,2. Geschichte der Geistlichen Akademie von Moskau 1685–1995] (Sergiev Posad / Moskau2010) 249–278.7 N. B. Eršova, Cerkovno-istoričeskij kabinet. Istorija, eksposicija i fondy [Kirchlich-his-torisches Kabinett. Geschichte, Ausstellung, Bestände] in: Verejskij (Anm. 6) 309–321.8 L. G. Khrushkova, Aleksandr Petrovič Golubcov, in:Heid, Dennert 1, 590.9 S. A. Ivanov, Byzance rouge. La byzantinologie et les communistes (1928–1948), in:M.-F.Auzépy (Hg.), Byzance en Europe (Saint-Dénis 2003) 57–60.10 V. N. Lazarev, Istorija vizantijskoj živopisi [Die Geschichte der byzantinischen Malerei]1–2 (Moskau 1947–1948), 2. vermehrte Aufl. in ital. Übers.: Storia della pittura bizantina

tinischen, altrussischen und italienischen Kunstgeschichte11. Als Student derUniversität Moskau trat er 1916 ins zaristischeHeer ein, um dann seinenMilitär-dienst in der Roten Armee fortzusetzen. Zu seinen Lehrern in byzantinischerund russischer Kunstgeschichte zählte der Moskauer UniversitätsprofessorAleksej Ivanovič Nekrasov (1885–1950), Erforscher der altrussischen Malereiund Architektur. Nach Kondakovs Tod 1925 veröffentlichte Lazarev eine Bro-schüre zu Ehren des großen Gelehrten12. In diesem Gedenkheft umriss er auchsein eigenes Programm zur Erforschung der byzantinischen Bildkunst, das starkvon der „ikonographischenMethode“ Kondakovs abwich.Nach Lazarev „liebteKondakov die Kunst, verstand sie aber nicht immer“; er unterschätzte „die reinkünstlerischen Faktoren“, und hatte wenig Verständnis für theoretische Proble-me. In dem besagten Gedenkheft erklärte der junge Forscher seine Absicht, eineneue byzantinische Kunstgeschichte auf der Grundlage der „Formalanalyse“ desStils und der „besonderen Eigenheit des ästhetischen Phänomens“ zu schaffen,um auf diese Weise die byzantinische Kunst in den Kontext der allgemeinenKunstgeschichte einzufügen. Nicht zufällig geht Lazarev auf den Einfluss Dmi-trij V. Ajnalovs ein, der sich von allen Schülern Kondakovs nun gerade mit Stil-fragen befasste.Allerdings ließ sich Lazarevs Projekt weder schnell noch problemlos umset-

zen. Die Sowjetzeit begünstigte eher die italienische Kunstgeschichte, vor allemder Renaissance. 1924 legte Lazarev seine erste These über „Die Ursprünge desPorträts in der italienischen Kunst“ vor und machte 1925–1926 die Grand TourdurchDeutschland,Österreich, Holland, Belgien, Frankreich, Italien, Griechen-land und die Türkei. Für sowjetische Forscher wurden solche Auslandsreisenimmer seltener. Auf der anderen Seite unternahm Lazarev zahlreiche Reisen indie altrussischen Städte und zu den Museen Russlands und des Kaukasus. 1945repräsentierte er die Akademie der Wissenschaften der UdSSR in der sowjeti-schen Delegation auf den Konferenzen in Berlin und Potsdam, wo es auch umden Schutz der Kunstgüter ging. Lazarev machte eine steile Karriere in der Ver-waltung und besetzte wichtige Posten in der Akademie der Schönen Künste undder Akademie der Wissenschaften. Daneben hatte er eine Professur an der Uni-versität Moskau, wo er die einflussreichste Schule der byzantinischen und alt-russischen Kunstgeschichte in der UdSSR und im nach-sowjetischen Russlandschuf.In den 1930er Jahren veröffentlichte Lazarev nur Weniges zur byzantinischen

Kunst, aber als sich die politische Situation nach dem Krieg veränderte, erschiensein Hauptwerk. Darin ordnete er die Werke der byzantinischen Malerei nachkünstlerischen und ästhetischen Gesichtspunkten chronologisch von der Spät-antike bis zum letzten Aufschwung der Kunst unter den Paläologen. Er bestandauf der führenden Rolle Konstantinopels, das während aller Jahrhunderte die

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(Torino 1967). Es gibt als Taschenbuch die 2. russ. Auflage, kommentiert von G. I. Vzdor-nov (Moskau 1986).11 L. G. Khrushkova, Viktor Nikitič Lazarev, in:Heid, Dennert 2, 799–801.12 V. N. Lazarev,Nikodim Pavlovič Kondakov (1844–1925) (Moskau 1925).

Traditionen der hellenistischen Kunst bewahrt habe. Er erforschte insbesondereden konstantinopolitanischen Stil, die Kunstströmungen in Ost und West unddie Kunstbeziehungen zwischen Italien und Byzanz. Dabei zeigte er die Bildungnationaler Schulen und ihre Beziehungen zur byzantinischen Hauptstadt auf.Lazarev versuchte, die Stiländerungen an der geistigen undmentalitätsgeschicht-lichen Entwicklung der Byzantiner festzumachen. Nach Stalins Tod konnteLazarev zahlreiche Reisen nach Europa (Italien, England, Frankreich, Öster-reich, Holland, Belgien, Albanien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Polen, Jugo-slawien) und in die Türkei durchführen. Er verfassste annähernd 250 Veröffent-lichungen einschließlich einer Reihe von Monographien, von denen die meistenin mehrere europäische Sprachen übersetzt wurden13. Von seinen wenigen ar-chäologischen Publikationen behandelt eine das byzantinische Templon14.Ein Resultat des nach-stalinistischen Wiederauflebens der byzantinischen

Studien war die „Geschichte von Byzanz“, eine Gemeinschaftsarbeit in dreiBänden, die erste marxistische byzantinische Geschichte überhaupt15. Diesewichtige Veröffentlichung bildete die Grundlage der dreibändigen „Kultur vonByzanz“, ebenso eine Gemeinschaftsarbeit. Die drei Bänden folgen den dreiGeschichtsepochen: der protobyzantinischen, mittelbyzantinischen und paläo-logischen. Alle Bände enthalten ausführliche Kapitel über die Architektur16, dieBildkunst17 und die angewandte Kunst18. Diese kompetenten Arbeiten bezeugendie Vitalität der russischen Byzantinistik, die den stalinistischen Terror über-

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13 V. N. Graščenkov, Viktor Nikitič Lazarev: žizn’, tvorčestvo, naučnoe nasledie [V. N.Lazarev. Leben, Tätigkeit, wissenschaftliches Erbe] in: Drevnerusskoe Iskusstvo. Vizantija,Rus’, Zapadnaja Evropa: iskusstvo i kul’tura. Posvjaščaetsja 100-letiju so dnja roždenija V. N.Lazareva (1897–1976) [Die altrussische Kunst. Byzanz, Russland, Westeuropa. Kunst undKultur. Zur Hundertjahrfeier V. N. Lazarev (1897–1976)] (Sankt Petersburg 2002) 8–32.14 V. N. Lazarev, Trois fragments d’épistyles peintes et le templon byzantine, in: Deltion tesChristianikes Archaiologikes Etaireias 4,4,3 (1964) 117–143. Russ. Fassung in: VV 28 (1967)162–196.15 Z. V.Udal’cova (Hg.), Istorija Vizantii [Die Geschichte von Byzanz] 1–3 (Moskau 1967).16 A. I. Komeč, Architektura [Architektur], in: Kul’tura Vizantii. IV – pervaja polovina VIIv. [Die Kultur von Byzanz. 4. Jh.–1. Hälfte 7. Jh.] (Moskau 1984) 573–595; A. L. Jakobson,Architektura [Architektur], in: Kul’tura Vizantii. Vtoraja polovina VII–XII в. [Die Kulturvon Byzanz. 2. Hälfte 7. Jh.–12. Jh.] (Moskau 1989) 496–519; ders., Vizantijskoe zodčestvoepochi Paleologov [Die byzantinische Architektur der Paläologenzeit], in: Kul’tura Vizantii.XIII – pervaja polovina XV v. [Die Kultur von Byzanz. 13. Jh.–1. Hälfte 15. Jh.] (Moskau1991) 484–508.17 O. S. Popova, Izobrazitel’noe iskusstvo [Die Bildkunst], in: Kul’tura Vizantii. IV – per-vaja polovina VII v. (Anm. 16) 546–572; V. D. Lichačeva, Izobrazitel’noe iskusstvo [DieBildkunst], in: Kul’tura Vizantii. Vtoraja polovina VII–XII в. (Anm. 16) 470–495; dies.,Izobrazitel’noe iskusstvo Vizantii v epochu Paleologov [Die byzantinische Bildkunst derPaläologenzeit], in: Kul’tura Vizantii. XIII – pervaja polovina XV v. (Anm. 16) 447–483.18 A. V. Bank, Prikladnoe iskusstvo [Angewandte Kunst], in: Kul’tura Vizantii. IV – pervajapolovina VII v. (Anm. 16) 596–613; V. P. Darkevič, Prikladnoe iskusstvo [AngewandteKunst], in: Kul’tura Vizantii. Vtoraja polovina VII–XII в. (Anm. 16) 520–556; V. G. Pucko,Prikladnoe iskusstvo Vizantii XIII–XV vv. [Die angewandte Kunst in Byzanz 13.–15. Jh.], in:Kul’tura Vizantii. XIII – pervaja polovina XV v. (Anm. 16) 509–527. Ein Teil dieser Bändewurde neu veröffentlicht: A. A. Čekalova, V. P. Darkevič, Kul’tura Vizantii IV – XII vv.

stand und unzählige Schwierigkeiten der Kriegs- und Friedenszeit zu überwin-den vermochte.Ein Zeichen der nach-stalinistischen Erholung war die erneute Teilnahme

sowjetischer Forscher an den internationalen Kongressen für byzantinische Stu-dien. Im August 1991, gerade noch vor dem Fall der UdSSR, fand in Moskau der18. Kongress statt19. Dort wurde aus diesem Anlass eine Ausstellung für kopti-sche Kunst im Museum der Schönen Künste (Gosudarstvennyj Muzej izobrazi-tel’nych iskusstv imeni A. S. Puškina) organisiert20, eine weitere Ausstellungarchäologischer Exponate aus Chersonesos in Moskau21 und eine dritte Ausstel-lung im RussischenMuseum in Leningrad. Für den Kongress wurde eine Biblio-graphie der byzantinischen Studien in der UdSSR während des letzten Jahr-zehnts (1981–1991) zusammengestellt22.Man kann in der byzantinischen und altrussischen Kunstgeschichte im We-

sentlichen zwei Forschungsrichtungen unterscheiden. Während man sich inMoskau hauptsächlich mit Stilfragen der byzantinischen und altrussischen Bild-kunst befasste, verfolgte man in Leningrad einen eher historisch-archäologi-schen Ansatz. Diese Divergenz lässt sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfol-gen23. Alisa Vladimirovna Bank (1906–1984), eine Schülerin von Beneševič undAjnalov24, war während eines halben Jahrhunderts Kuratorin der byzantinischen

Geschichte der Christlichen Archäologie in Russland 139

Byt i nravy. Prikladnoe iskusstvo [Die Kultur von Byzanz vom 4. bis 12. Jh. Lebensart undSitten. Angewandte Kunst] (Moskau 2010).19 XVIII-yj Meždunarodnyj kongress vizantinistov, Moskva, 8–15 avg. 1991, Rezjume[18. Internationaler Kongress der Byzantinisten, Moskau, 8.–15. August 1991, Zusammen-fassungen] 1–3 (Moskau 1991); K. K. Akent’ev, Liturgija, architektura i iskusstvo vizan-tijskogo mira. Trudy XVIII Meždunarodnogo kongressa vizantinistov (Moskva, 8–15 avg.1991) i drugie materialy posvjaščennye pamjati o. Ioanna Mejendorfa [Liturgie, Architekturund Kunst der byzantinischenWelt. Arbeiten des 18. Internationalen Kongresses der Byzan-tinisten, Moskau, 8.–15. August 1991, und andere Materialien, dem Andenken von P. Johan-nes von Meyendorff gewidmet] (Sankt Petersburg 1995).20 O. E. Etingof, Iskusstvo koptskogo Egipta: iz sobranij Gosudarstvennogo Ermitaža iGosudarstvennogo muzeja izobrazitel’nych iskusstv im. A. S. Puškina [Die Kunst des kop-tischen Ägypten. Die Sammlungen der staatlichen Ermitage und des Staatsmuseum der Schö-nen Künste A. S. Puškin], in: VV 56 [81] (1995) 370 f.21 I. S. Čičurov (Hg.), Vizantijskij Cherson. Katalog vystavki [Das byzantinische Cherson.Ausstellungskatalog] (Moskau 1991).22 Vizantinovedenie v SSSR: sostojanie i perspektivy issledovanij za 10 let [ByzantinischeStudien in der UdSSR. Stand und Perspektiven der Forschungen aus zehn Jahren] (Moskau1991).23 Jurij A. Pjatnickij, byzantinischer Kunsthistoriker (Petersburg), beschrieb die Divergenzso: „The St. Petersburg school has always been more rational, i. e. academic, while the Mos-cow school preferred the aesthetical, and often aesthetic (i. e. the more literary, verging [!]even to the journalistic) approach“ (J. A. Pjatnickij,An Imperial Eye to the Past. ByzantineExhibitions in the State Hermitage Museum, 1861–2006, in: Tyragetia. Istorie, Muzeologie S.N. 5 [20] (2011) 86; www.scribd.com/doc/72786047/5–Pyatnitsky.24 Bibliographie Bank: VV 46 (1986) 287–290; L. G.Khrushkova,Alisa Vladimirovna Bank,in:Heid, Dennert 1, 113. Die neuen Archivmaterialien siehe J. A. Pjatnickij, „Dobro i zlovse stalo ten’ju“ [Das Gute und das Böse, alles hat sich in Schatten verwandelt], in: V. N.Zalesskaja, J. A. Pjatnickij (Hg.), Balkanskij sbornik. K XXII Meždunarodnomu Kon-

Sammlungen der Ermitage (1934–1984). Seit 1940 leitete sie die Abteilung By-zanz und VordererOrient derOrientsektion. 1947 legte sie ihre Dissertation vor,die sich den kulturellen Austausch zwischen Byzanz und dem Vorderen Orientwidmete. In ihren wichtigsten Arbeiten befasste sie sich mit der byzantinischenKleinkunst25. Die byzantinischen Sammlungen der Ermitage und weiterer Mu-seen der UdSSRwurden dank der von Alisa V. Bank auf Russisch und in anderenSprachen veröffentlichten Kataloge weltweit bekannt26. 1975–1976 wurde unterBanks Leitung die große Ausstellung „Die byzantinische Kunst in den Museender UdSSR“ in der Ermitage und im Moskauer Museum der Schönen KünstePuškin organisiert. Die Ausstellung war historisch aufgebaut und sollte ver-schiedene Aspekte des Lebens in Byzanz und dessen Beziehungen zur übrigenWelt beleuchten27. Der Erfolg war außergewöhnlich und überschritt bei weitemdie Grenzen des Fachpublikums. Es war ein kleines Zeichen, dass die christlicheKultur in der offiziell atheistischen Gesellschaft noch nicht vergessen war.Bank bemühte sich um die Wiederaufnahme und Ausdehnung der Kontakte

zu den westeuropäischen Forschern und besuchte viele internationale Tagungen.Seit Ende der 1950er Jahre, als sich die UdSSR etwas öffnete, nahm die Ermitagean mehreren internationalen Ausstellungen teil. Die erste war die Ausstellungvon Meisterwerken der byzantinischen Kunst in Edinburg und London 195828.Engere Beziehungen bestanden zu den Berliner Museen. 1979 fand in den Ost-berliner Staatsmuseen eine Ausstellung spätantiker und protobyzantinischer Sil-berarbeiten aus der Ermitage statt29. Umgekehrt beherbergte 1982 die Ermitagedie Ausstellung „Byzantinische Skulptur“ mit Objekten aus den OstberlinerStaatsmuseen30. Bank trug in Leningrad – ähnlich wie Lazarev in Moskau – viel

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gressu vizantinistov, Sofija, 22–27 Avgust 2011 (Trudy Gosudarstvennogo Ermitaža 57)(Sankt Petersburg 2011) 205–225.25 Habilitation: A. V. Bank, Prikladnoe iskusstvo Vizantii IX–XII vv. [Die angewandteKunst von Byzanz 9.–12. Jh.] (Moskau 1978).26 A. V. Bank, Iskusstvo Vizantii v sobranii Ermitaža [Die byzantinische Kunst in denSammlungen der Ermitage] (Leningrad 1960); dies., Vizantijskoe iskusstvo v sobranijachSovetskogo Sojuza [Die byzantinische Kunst in den Sammlungen der Sowjetunion] (Lenin-grad / Moskau 1966) = L’art byzantin dans les musées de l’Union Soviétique (Leningrad1977) = Byzantine Art in the Collections of Soviet Museums (Leningrad 1977; 1985; NewYork 1978).27 A. V. Bank u. a. (Hg.), Iskusstvo Vizantii v sobranijach SSSR. Katalog vystavki [Die Kunstvon Byzanz in den Sammlungen der UdSSR. Ausstellungskatalog] 1–3 (Moskau 1977).28 Masterpieces of Byzantine art [Ausstellungskatalog] (London 1958); A. V. Bank,Meždunarodnaja vystavka vizantijskogo iskusstva v Edinburge – Londone [Die internatio-nale Ausstellung byzantinischer Kunst in Edinburgh-London], in: VV 17 (1960) 366–372;Pyatnitsky (Anm. 23) 83–84.29 A. Effenberger, B. Maršak, V. Zalesskaja, I. Zaseckaja, Spätantike und frühbyzanti-nische Silbergefäße aus der Staatlichen Ermitage (Leningrad / Berlin 1979). Historiographi-scher Beitrag: A. V.Bank,Die Erforschung der frühbyzantinischenGegenstände in Russland(8–13).30 Pamjatniki vizantijskoj skul’ptury iz sobranij GosudarstvennychMuzeev Berlina. Katalogvystavki [Byzantinische Skulpturen aus den Sammlungen der Berliner Staatsmuseen. Aus-stellungskatalog] (Leningrad 1982). Einleitung: A. V. Bank (7–12).

dazu bei, dass die russische Byzantinistik unter den sowjetischen Bedingungenfortlebte. Unter den Archäologen und Kunsthistorikern Russlands zählten vielezu ihren Schülern.Gute Voraussetzungen hatten an der Ermitage die koptischen Studien auf-

grund der reichen Sammlungen, die Vladimir G. Bock (1850–1899) und andereForscher und Sammler aufgebaut hatten. Aleksandr Jakovlevič Kakovkin, seit1973 Konservator der koptischen Sammlungen, hat einige historiographischeund bibliographische Überblicke veröffentlicht31. In Leningrad veröffentlichteVera Dmitrievna Lichačeva (1937–1981) eingehende Studien zu den byzanti-nischen Miniaturen32, während Konstanin K. Akent’ev in seinen Arbeiten überdie Mosaiken der Hagia Sophia in Konstantinopel und in Kiew einen fächer-übergreifenden Ansatz vertritt, der die Kunstgeschichte, Philologie und Theo-logie miteinschließt33.In Moskau besitzt das Staatsmuseum der Schönen Künste A. S. Puškin eine

bedeutende koptische Sammlung, deren Kern die Sammlung von Vladimir S.Goleniščev bildet. Die Stoffe bilden den wichtigsten Bestand34. Einige Ikonen,Manuskripte, Objekte der Kleinkunst und bestickte Stoffe für die Liturgie fin-

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31 A. Ja. Kakovkin (Hg.), COPTICAHERMITAGIANA. Sbornik materialov. K 100-letijukoptskoj kollekcii Ermitaža [COPTICA HERMITAGIANA. Materialsammlung zur 100-Jahrfeier der koptischen Sammlung der Ermitage] (Sankt Petersburg 2000), kommentierteBibliographie 114–158; Personalien 106–113; Ausstellungen 175–178; ders., Izučenie kopts-kogo iskusstva učenymi Rossii [Studien der Forscher Russlands zur koptischen Kunst](Sankt Petersburg 2005), zur Sowjetzeit 9–26; ders., Dopolnenija k bibliografičeskim ukaza-teljam po koptologii [Supplemente zum bibliographischen Index der Koptologie], in: Naro-dy Afriki i Azii 3 (1990) 199–202; ders., Egyptian monuments of the Late Antique andCoptic Periods in the Collection of V. S. Golenishtchev in St. Petersburg, in: Göttinger Mis-zellen. Beiträge zur ägyptologischen Diskussion 153 (1996) 57–65; Siehe auchW. A.Kamme-rer, Coptic Bibliography (Ann Arbor 1950) mit Veröffentlichungen von V. G. Bok, B. A.Turaev, N. L. Kryžanovskaja, K. S. Ljapunova, M. E. Mat’e; P.Nagel,Koptologische Studi-en in der UdSSR, in: J. Irmscher u.a., Byzanz und Byzantinischer Orient in der Sowjeti-schen Wissenschaft (Halle / Wittenberg 1968) 25–38; ders., Bibliographie zur russischenand sowjetischen Koptologie (Halle 1978) mit 403 Titeln vor 1976; E. S. Bogoslovsky,Egyptology in the UdSSR, in: Göttinger Miszellen. Beiträge zur ägyptologischen Diskussion36 (1979) 7–12.32 V. D. Lichačeva, Iskusstvo knigi. Konstantinopol’. XI vek [Die Buchkunst. Konstanti-nopel. 11. Jh.] (Moskau 1976); dies., Vizantijskaja miniatjura. Pamjatniki vizantijskoj miniat-jury IX–XV vv. v sobranijach Sovetskogo Sojuza [Byzantinische Miniaturen. ByzantinischeMiniaturdenkmäler des 9.–15. Jh. in den Sammlungen der Sowjetunion] (Moskau 1977).33 K. K. Akent’ev, Nekotorye itogi issledovanij mozaik konstantinopol’skoj Sv. Sofii i vo-prosy metodologii istoriko – chudožestvennych rekonstrukcij [Einige Ergebnisse der For-schungen an den Mosaiken der Hagia Sophia in Konstantinopel und Fragen zu den Metho-den der historischen und künstlerischen Rekonstruktion], in: VV 44 (1983) 158–181; ders.,Mozaiki galerej konstantinopol’skoj Sv. Sofii [DieMosaiken derGalerien derHagia Sophia inKonstantinopel], in: VV 45 (1984) 140–167.34 R. Šurinova, Koptskie tkani. Sobranie Gosudarstvennogo Muzeja izobrazitel’nych is-kusstv imeni A. S. Puškina. Moskva. Sostavlenie, vstupitel’naja stat’ja i katalog [Die kopti-schen Stoffe. Sammlung des Staatsmuseums der Schönen Künste A. S. Puškin. Moskau. Edi-tion, Einleitung und Katalog] (Leningrad 1967). Der Katalog ist russ. und engl. abgefasst.

den sich in den Museen des Kreml35 einschließlich der Waffenkammer36. Dabeihandelt es sich sowohl um religiöse wie um profane Objekte37.Was die byzantinische Architektur betrifft, so litten die Forschungen stark

unter den Reisebeschränkungen ins Ausland und den Schwierigkeiten, vor Ortzu arbeiten: Solche Gelegenheiten ergaben sich nur höchst selten. Der MoskauerUniversitätsprofessor Nikolaj Ivanovič Brunov (1898–1971)38 richtete sein Inte-resse auf die Besonderheiten der mittelbyzantinischen Architektur39. Als ersterrussischer Historiograph schrieb er eine Geschichte der byzantinischen Archi-tektur, die im Rahmen eines Gemeinschaftswerks über die allgemeine Architek-turgeschichte erschien40. Oft verfolgten Architekturstudien eher theoretischeAnsätze. So arbeitete Kirill Nikolaevič Afanas’ev (1909–2002), Architekt, Archi-tekturhistoriker und Gründungsmitglied der Architektenvereinigung derUdSSR, der amMoskauer Architekturinstitut (Moskovskij architekturnyj insti-tut) lehrte, über die Proportionen vor allem der altrussischen Architekturdenk-mäler41. Nach dieser Methode analysierte er auch die Hagia Sophia in Konstan-tinopel42. Der Archäologe und Architekturhistoriker Anatolij Leopol’dovičJakobson (1906–1984)43 sah allgemeine Entwicklungsgesetze der frühchrist-lichen und mittelalterlichen Architektur in den Ländern der byzantinischenWelt. Darüber verfasste er zwei Bücher, die einzig dastehen in der russischenHistoriographie der sowjetischen und nach-sowjetischen Zeit44.

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35 A.Majasova, Srednevekovoe licevoe šit’e. Vizantija, Balkany, Rus’ [Figürliche Stickereides Mittelalters. Byzanz – Balkanländer – Russland] (Moskau 1991).36 L. V. Pisarskaja, Pamjatniki vizantijskogo iskusstva V–XV vv. v GosudarstvennojOružejnoj Palate [Die Denkmäler der byzantinischen Kunst 5.–15. Jh. in der StaatlichenWaffenkammer] (Leningrad / Moskau 1964).37 V. P. Darkevič, Svetskoe iskusstvo Vizantii. Proizvedenija vizantijskogo chudožestven-nogo remesla v Vostočnoj Evrope [Die Profankunst in Byzanz. Byzantinisches Kunsthand-werk in Osteuropa] (Moskau 1975).38 Zu Brunov siehe Khrushkova, in: RQ 108 (2013) 280 f.39 N. I. Brunov, Architektura Konstantinopolja X–XII vv. [Die Architektur Konstantino-pels 10.–12. Jh.], in: VV 2 (1949) 153–169; ders., Zum Problem der Kreuzkuppelkirche, in:Jahrbuch der Österreichischen Byzantinisitik 16 (1967) 245–261; ders., K voprosu o sredne-vekovoj architekture Konstantinopolja [Fragen zur mittelalterlichen Architektur Konstanti-nopels], in: VV 28 (1968) 159–191.40 N. I. Brunov, Architektura Vizantii [Byzantinische Architektur] in: Vseobščaja istorijaarchitektury [Universalgeschichte der Architektur] 3 (Moskau 1966) 16–160.41 K. N.Afanas’ev,Opyt proporcional’nogo analiza [Studie zur Analyse der Proportionen](Moskau 1998); ders., Postroenie architekturnoj formy drevnerusskimi zodčimi [Entwurfder Architekturform durch die altrussischen Architekten] (Moskau 2002). Siehe auch K. N.Afanas’ev, Ideen – Projekte – Bauten. Sowjetische Architektur 1917/32 (Dresden 1973).42 K. N. Afanas’ev, Geometričeskij analiz chrama sv. Sofii v Konstantinopole [Geometri-sche Analyse der Kirche Hagia Sophia in Konstantinopel], in: VV 5 (1952) 207–215.43 A. J. Kakovkin, A. L. Jakobson (1906–1984), in: VV 46 (1986) 282–285 (Veröffent-lichungsliste: 283–285); A. E. Musin / V. Tsamakda, Anatolij Leopol’dovič Jakobson, in:Heid, Dennert 1, 676 f.44 A. L. Jakobson, Zakonomernosti v razvitii rannesrednevekovoj architektury [Die all-gemeinen Entwicklungsgesetze der Architektur des Mittelalters] (Leningrad 1983); ders.,Zakonomernosti v razvitii srednevekovoj architektury. IX–XV vv. Vizantija, Grecija,

Die Zeitschrift „Vizantijskij Vremennik“ veröffentlichte einige Beiträge zurArchitektur Konstantinopels undMailands von Sof’ja A. Kaufmann45 und einigebibliographische Überblicke und Rezensionen von derselben Verfasserin, diedem sowjetischen Leser einen gewissen Einblick in die fremdsprachige Literaturboten46. Einige Urteile waren zu scharf. So sah Kaufmann in der „ArcheologiaCristiana“ von Pasquale Testini ein Beispiel „ultra-katholischer“ Archäologie,die den Primat der römischen Kirche archäologisch bestätigen wolle47. Immer-hin war dies nach Jahrzehnten des Schweigens die erste eingehende Rezensioneiner wichtigen Veröffentlichung der römischen Christlichen Archäologie.Da die stalinistische Zeit lange nachwirkte, fehlen in der hochoffiziellen fünf-

bändigen „Geschichte der Geschichtswissenschaft in der UdSSR“ die Studienzur byzantinischen Geschichte48. Der Herausgeber der Bände 2 bis 5, das Aka-demiemitgliedMilica Vasil’evnaNečkina (1901–1985), leitete 1961–1985 den Ratfür die Geschichte der Geschichtswissenschaft bei der Akademie der Wissen-schaften. Auf der einen Seite spielte dieser 1958 gegründete Rat eine wichtigeRolle für die historiographischen Forschungen in der UdSSR. Insbesondere be-gann man Untersuchungen über die großen russischen Historiker des 19. Jahr-hunderts. Auf der anderen Seite war die Tätigkeit des Rats zutiefst ideologischgeprägt.

c. Altrussische Denkmäler

Das ideologische Klima änderte sich nach dem Krieg deutlich: Das russischeMittelalter wurde nicht mehr als „klerikale Kultur“ abgetan, das dem Sowjetvolknichts bringe, es wurde vielmehr im patriotischen Sinne als Teil der nationalenKultur geschätzt. Noch vor Kriegsende brachte Lazarev das Projekt einer 13-bändigen „Geschichte der russischen Kunst“ auf den Weg, ein kollektives

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Južnoslavjanskie strany, Rus’, Zakavkaz’e [Die allgemeinen Entwicklungsgesetze der Archi-tektur des Mittelalters 9.–15. Jh. Byzanz, Griechenland, die südslawischen Länder, Russland,Transkaukasien] (Leningrad 1987).45 S. A. Kaufmann, Iz istorii Sofii Konstantinopol’skoj [Die Geschichte der Sophia in Kon-stantinopel], in: VV 14 (1958) 200–233; dies., Milanskij kompleks centričeskich zdanij [DerBaukomplex mit Zentralplan in Mailand], in: VV 15 (1959) 278–294.46 S. A. Kaufmann, Architektura srednevekov’ja v trudach jugoslavskich učenych [Die Ar-chitektur des Mittelalters in den Arbeiten der jugoslawischen Gelehrten], in: VV 22 (1963)324–337; dies., Rez. A. Khatchatrian, Les baptistères paléochrétiens (Paris 1962), in: VV25 (1964) 249–257; dies., Rez. The Great Palace of the Byzantine Emperors (London 1958),in: VV 21 (1962) 233–252.47 S. A. Kaufmann, Rannechristianskaja archeologija v ul’trakatoličeskom osveščenii [Diealtchristliche Archäologie aus ultra-katholischer Sicht] (Rez. P. Testini,Archeologia Cristia-na, Roma, New York 1958–1959), in: VV 24 (1964) 229–241.48 M. V. Nečkina (Hg.), Očerki istorii istoričeskoj nauki v SSSR 5 [Studien zur Geschichteder historischen Wissenschaft in der UdSSR] (Moskau 1985): Fast die Hälfte des 5. Bandeswidmet sich der Sowjetzeit und der kommunistischen Partei.

Grundlagenwerk. Die ersten drei Bände über die altrussische Kunst wurden insDeutsche übersetzt49.Die enormen Zerstörungen und Verluste des Kulturerbes im Zweiten Welt-

krieg50 warfen drängende Fragen des Denkmalschutzes und der Restaurierungauf. Am 14. Oktober 1948 promulgierte der Ministerrat der UdSSR ein Dekretzum Denkmalschutz. Gegen Ende der 1950er Jahre wurden die Museen der alt-russischen Städte in Kulturreservate umgewandelt. Die 1960er Jahre sahen dieWiedereinrichtung von nicht-Regierungsorganisationen, die in der stalinisti-schen Zeit fast verschwunden waren. Mit dem Dekret der russischen Regierungvom 23. Juli 1965 wurde die Gesellschaft zum Schutz der Geschichts- und Kul-turdenkmäler Russlands (Vserossijskoe Obščestvo ochrany pamjatnikov istorii ikul’tury – VOOPIiK) gegründet, die im darauffolgenden Jahr ihre konstituie-rende Versammlung abhielt51. Seit 1980 erschien in unregelmäßiger Folge ihrOrgan „Heimatdenkmäler“ (Pamjatniki Otečestva). Die Aktivitäten angesehe-ner Vertreter und Förderer der Kunst- und Kulturforschung traten mehr undmehr ins Bewusstsein derÖffentlichkeit. Man sprach von „Kulturökologie“ und„Kulturlandschaft“. In solchenNeologismen drückte sich ein neues Denken aus.Viele Intellektuelle nicht allein der Geisteswissenschaften, sondern auch Physi-ker, Ingenieure, Mediziner und andere interessierten sich für Kunstgeschichte,Archäologie und Philologie.Spezialwerke über Fresken, Miniaturen und Ikonen fanden ihren Platz in den

bescheidenen Regalen der Buchliebhaber – neben Romanen von Marcel Proust,Albert Camus und Franz Kafka oder den russischen Dichtern des „silbernenZeitalters“. Dies alles wurde in bescheidenen Auflagen gedruckt, stets argwöh-nisch kontrolliert und gierig von den interessierten Lesern umlagert. Es war diewohl einmalige Epoche, in der seriöse Literatur über mittelalterliche Kunst aufdem Schwarzmarkt zu unerschwinglichen Preisen gehandelt wurde. Da es keinoffenes politisches Leben gab, suchte sich das von der Staatspropaganda gelang-weilte Volk andere Möglichkeiten, seinen Interessen nachzugehen. So konnteman anhandmittalterlicher Denkmäler undQuellen über nicht-kommunistischeund nicht-sowjetische geistig-moralische Werte sprechen und Probleme der na-tionalen Geschichte diskutieren, aber auch aktuelle Themen darin finden. DieseBewegung war non-konformistisch gegenüber der Staatsideologie. Die Jugend

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49 I.Grabar u. a. (Hg.), Istorija russkogo iskusstva 1–13 [Geschichte der russischenKunst 1–13] (Moskau 1953–1964). Bd. 1: N. N. Voronin, Iskusstvo Novgoroda. Iskusstvo Pskova[Die Kunst von Novgorod. Die Kunst von Pskov]. Bd. 2: V. N. Lazarev, Iskusstvo sredner-usskich knjažestv XIII–XV vv. [Die Kunst der zentralrussischen Fürstentümer 13.–15. Jh.].Bd. 3: ders., Iskusstvo velikoknjažeskoj Moskvy. Iskusstvo russkogo centralizovannogo go-sudarstva [Die Kunst Moskaus zur Zeit des Großfürstentums. Die Kunst russischen Zentral-staats] = Geschichte der russischen Kunst 1–5 (Dresden 1957–1970).50 Pamjatniki iskusstva razrušennye nemeckimi zachvatčikami v SSSR [Die von den deut-schen Angreifern zerstörten Kunstdenkmäler der UdSSR] (Moskau 1948).51 A. A. Formozov,Russkie archeologi v period totalitarizma. Istoriografičeskie očerki [Dierussischen Archäologen im Totalitarismus. Eine historiographische Studie] (Moskau 2006)303 f., 307.

und die Studierenden waren für solche Ideen besonders aufgeschlossen. Geradediese aufgeschlossene Generation war es, die Gorbačev und El’cin begeistertunterstützt hat und die sich in der nach-sowjetischen Zeit am tiefsten enttäuschtsah.Eine der bekanntesten öffentlichen Figuren war der Professor für altrussische

Literaturgeschichte an der Universität Leningrad (1946–1953) Dmitrij SergeevičLichačev (1906–1999)52. Er vermittelte einem breiten Publikum, dass die russi-sche Kultur allen und jedem gehöre53. In Moskau konnte der Archäologe undSpezialist für die mittelalterliche russische Architektur Nikolaj Nikolaevič Vor-onin (1904–1976) sein Ansehen für die Interessen des Denkmalschutzes einset-zen54. Später war es der Erforscher der russischen und byzantinischen Architek-tur Aleksej Il’ič Komeč (1936–2007), 1994–2005 Direktor des MoskauerStaatsinstituts für Kunststudien (Gosudarstvennyj institut iskusstvoznanija)55und Verfasser diverser Arbeiten über die altrussische Architektur56, der sichnoch bis in die nach-sowjetische Zeit mit großer Energie für den Erhalt derDenkmäler einsetzte57.Die 1960er bis 1980er Jahre waren ertragreich und wohl die ruhigste Zeit in

der Geschichte der Sowjetunion: Es herrschten politische und soziale Stabilitätund bescheidene, aber im Vergleich zur Nachkriegszeit hinreichend gehobeneLebensverhältnisse, ein wenig Freiheit, wenn auch kontrolliert. Das genügte fürdurchaus ansehnliche Fortschritte. Mehrere Museen – Museen des Kreml, dasMuseum für altrussische Kunst Andrej Rublev, die Galerie Tret’jakov inMoskauund das Russische Museum in Leningard – besaßen bedeutende Sammlungen

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52 V. P. Adrianova-Perec, M. A. Salminova, Dmitrij Sergeevič Lichačev (Moskau 1977);V. P. Adrianova-Perec, Dmitrij Sergeevič Lichačev (Moskau 1989).53 D. S.Lichačev, Pamjatniki kul’tury – vsenarodnoe dostojanie [Die Kulturdenkmäler sindöffentliches Gut], in: Istorija SSSR 1 (1964) 3–12.54 A. A. Formozov, Rol’ N. N. Voronina v zaščite pamjatnikov kul’tury Rossii [Die Rollevon N. N. Voronin für den Schutz der Kulturdenkmäler Russlands], in: Rossijskaja Archeo-logija 2 (2004) 173–180; Materialy zasedanija Drevnerusskogo seminara kafedry istorii is-kusstva Sankt-Peterburgskogo gosudarstvennogo universiteta, posvjaščennogo pamjatiN. N. Voronina [Materialien der Sitzung des Seminars Alt-Russland bei der Abteilung fürKunstgeschichte der Universität Sankt Petersburg, zum Andenken an N. N. Voronin], in:Archeologičeskie Vesti 15 (2008) 163–192.55 O. S. Popova, A. I. Komeč, in: VV 92 (2008) 313–317.56 A. I. Komeč, Drevnerusskoe zodčestvo konca Х – načala ХII v. [Die altrussische Archi-tektur Ende 10. Jh.–Anfang 12. Jh.] (Moskau 1987); ders., Old Russian Cities (London1991) = Antiche città russe. Novgorod e Pskov (Napoli 2002).57 A. I. Komeč, Kul’turnyj landšaft Rossii – do osnovanija, a zatem [Kulturlandschaft Russ-land – ganz und gar und dann], in: NašeNasledie 56 (2002) 51–56. DieWorte „do osnovanija,a zatem …“ sind ein verkürztes Zitat aus der „Internationale“, die damit die völlige Vernich-tung der alten Welt und den Bau einer völlig neuen Welt verspricht. Chefredakteurin derZeitschrift „Naše Nasledie“ [Unser Erbe], neu gegründet unter Michail Gorbačev, war RaisaMaksimovna Gorbačeva (1932–1999). Die Zeitschrift war liberal im sowjetischen Sinn undrichtete sich an ein intellektuelles Publikum. Sie brachte viele Beiträge zur altrussischen undbyzantinischen Kultur.

mittelalterlicher russischer Kunst, die als Grundlage weiterer Forschungendienten.Das Staatsinstitut für Kunststudien mit seiner besonders reichen Abteilung

für altrussische Kunst entwickelte sich zu einem der wichtigen Forschungszen-tren. 1963 begann es die Veröffentlichungsreihe „Altrussische Kunst“ (Drevne-russkoe iskusstvo), in der sich Spezialisten aus Moskau, Leningrad, Georgien,Armenien und anderen Zentren trafen (inzwischen 30 Bände). Hier seien nureinige Namen von Kunsthistorikern aus Moskau und einige der charakteris-tischsten Arbeiten der Moskauer Schule genannt, die sich auf Lazarev zurück-führt. Diese Arbeiten – von Ol’lga I. Podobedova58, Engelina S. Smirnova59,Ol’ga S. Popova60, Georgij V. Popov61, Gerol’d I. Vzdornov62 und viele andere– drehen sich vornehmlich um Malerei. Podobedova gründete eine weitere mo-nographische Reihe unter dem Titel „Zentren der Kunstkultur im mittelalter-lichen Russland“63.Neben solchen Arbeiten auf der traditionellen Linie Lazarevs gab es ein

besonderes Interesse für die Bildsprache – ein besonderer Aspekt der mittel-alterlichen russischen Malerei – und für die umgekehrte Perspektive. Hier kames zu Berührungen mit anderen Fächern wie der Optik, der projektiven Geo-metrie und Semiotik64. Auch wenn die umgekehrte Perspektive keine neue Idee

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58 O. M. Podobedova,Miniatury russkich istoričeskich rukopisej: k istorii russkogo licevo-go letopisanija [Miniaturen historischer russischer Handschriften. Die Geschichte der russi-schen Bildchroniken (Moskau 1965).59 E. S. Smirnova, V. K. Laurina, V. A. Gordienko,Živopis’ VelikogoNovgoroda. XV vek[Die Malerei von Groß Novgorod. 15. Jh.] (Moskau 1982); E. S. Smirnova, Centry chu-dožestvennoj kul’tury srednevekovoj Rusi. Živopis’ Velikogo Novgoroda. Seredina XIII –načalo XV veka [Die Zentren der künstlerischen Kultur im mittelalterlichen Russland. DieMalerei von Groß Novgorod. Mitte 13.–Anfang 15. Jh.] (Moskau 1988); dies., Moskovskajaikona XIV–XVII vekov. Al’bom [Die IkonenMoskaus 14.–17. Jh. Album] (Leningrad 1988).60 O. S. Popova, Iskusstvo Novgoroda i Moskvy pervoj poloviny XIV veka. Ego svjazi sVizantiej [Die Kunst Novgorods undMoskaus aus der 1. Hälfte des 14. Jh. Ihre Beziehungenzu Byzanz] (Moskau 1980).61 G. V. Popov, Živopis’ i miniatura Moskvy serediny XV – načala XVI vekov [Malerei undMiniaturen aus Moskau Mitte 15.–Anfang 16. Jh.] (Moskau 1975).62 G. I. Vzdornov Freski Feofana Greka v cerkvi Spasa Preobraženija v Novgorode: K 600-letiju suščestvovanija fresok, 1378–1978 [Fresken von Theophanes dem Griechen in der Ver-klärungskirche in Novgorod. 600 Jahre Fresken 1378–1978] (Moskau 1976); ders., KievskajaPsaltir’ 1397 goda: Issledovanie o Kievskoj Psaltiri [Der Psalter von Kiew von 1397. Studiezum Kiew-Psalter] 1–2 (Moskau 1980); ders., Iskusstvo knigi v Drevnej Rusi: Rukopisnajakniga Severo-Vostočnoj Rusi XII – načala XV vekov [Die Buchkunst in Altrussland. Hand-schriften in Nordost-Russland 12.–Anfang 15. Jh.] (Moskau 1980); ders., Volotovo: Freskicerkvi Uspenija na Volotovom Pole bliz Novgoroda [Volotovo. Fresken der Entschlafungs-kirche in Volotovo Pole bei Novgorod] (Moskau 1986).63 G. V. Popov,Ol’ga Il’inična Podobedova (1912–1999), in: S. O. Šmidt (Hg.), Archeogra-fičeskij ežegodnik za 1999 g. [Archäographisches Jahrbuch 1999] (Moskau 2000) 384–385.64 P. A. Florenskij,Obratnaja perspektiva [Umgekehrte Perspektive], in: Trudy po znakov-ym sistemam [Semiotische Arbeiten] 3 (Tartu 1967); diese Arbeit erschien 30 Jahre nachP. Pavel A. Florenskijs Tod. L. F. Žegin, Jazyk živopisnogo proizvedenija. Uslovnost’

war65, hat sie im Umfeld der 1960er Jahre in der UdSSR ein besonderes Interes-se gefunden: Man versuchte die Ansätze und Methoden der mittelalterlichenKunstforschung wiederzubeleben. Man beobachtete sozusagen einen kos-mischen Geist: Naturwissenschaftler, vor allem theoretische Physiker und Ma-thematiker, interessierten sich für Kunst und umgekehrt befassten sich Geistes-wissenschaftler mit Problemen der theoretischen Physik, Mathematik, nicht-euklidischen Geometrie.Die Erforschung der altrussischen Architektur nahm dank großflächiger Aus-

grabungen von Städten, Befestigungen, Profangebäuden und Kirchen sichtbarenAufschwung. In Russland nannte man diesen Zweig der Archäologie „Architek-turarchäologie“ – der Begriff „christliche Archäologie“ war nicht gebräuchlich.Zu den Begründern dieser Richtung gehörten Michail Konstantinovič Karger(1903–1976) in Leningrad undNikolaj N. Voronin inMoskau. Karger veröffent-lichte grundlegende Arbeiten über die Kiewer Architektur, nachdem er dazubereits vor dem Krieg Grabungen begonnen hatte66, ferner über die Architekturder russischen Städte Novgorod und Smolensk67. Voronin hingegen arbeitetenach dem Studienabschluss an der Universität Leningrad am ArchäologischenInstitut von Moskau. Er erforschte kirchliche und profane Architekturdenk-mäler im Nordosten Russlands, in Vladimir, Rostov, Suzdal’, Pereslavl’-Zaless-kij und Bogoljubovo68. Voronin machte sich um die Entwicklung genauer Gra-bungsmethoden verdient. Ausgezeichnet wurde er dafür mit den angesehenstenStaatspreisen der UdSSR: dem Stalin- (1952) und Leninpreis (1965). VoroninsArbeiten spielten eine besondere Rolle bei der „Rehabilitierung der Kirchen-altertümer“69. Man erforschte nicht nur die materielle, sondern auch die geist-liche Kultur70. Seit den 1960er Jahren erscheint ein großes Sammelwerk, das

Geschichte der Christlichen Archäologie in Russland 147

drevnego iskusstva [Sprache der Malerei. Der konventionelle Charakter der alten Kunst](Moskau 1970), mit einem Vorwort von B. A. Uspenskij: 4–34.65 O.Wulff, Die umgekehrte Perspektive und die Niedersicht, in: KunstwissenschaftlicheBeiträge A. Schmarsow gewidmet (Leipzig 1907).66 M. K.Karger,Archeologičeskie issledovanija Drevnego Kieva. Otčety i materialy (1938–1947) [Die archäologischen Forschungen in Alt-Kiew. Berichte und Materialien 1938–1947](Kiew 1951); ders., Drevnij Kiev. Pamjatniki kievskogo zodčestva X–XIII vv. [Alt-Kiew.Kiewer Architekturdenkmäler 10.–13. Jh.] (Moskau / Leningrad 1961).67 M. K. Karger, Novgorod Velikij [Groß Novgorod] (Moskau / Leningrad 1961); ders.,Zodčestvo drevnego Smolenska (XII–XIII vv.) [Die Architektur von Alt-Smolensk 12.–13. Jh.] (Leningrad 1964).68 N. N. Voronin, Pamjatniki Vladimiro-Suzdal’skogo zodčestva XI–XIII vv. [Die Archi-tekturdenkmäler von Vladimir und Suzdal’ 11.–13. Jh.] (Moskau 1945); ders., ZodčestvoSevero-Vostočnoj Rusi XII–XV vv. [Die Architektur des nordöstlichen Russland 12.–15. Jh.]1–2 (Moskau 1965).69 N. A. Makarov, A. E. Leont’ev,N. N. Voronin i archeologičeskoe izučenie Severo-Vos-točnoj Rusi [N. N. Voronin und die archäologischen Forschungen in Nordost-Russland], in:Kratkie Soobščenija Instituta Archeologii 221 (2007) 3–5.70 B. D. Grekov, M. I. Artamonov (Hg.), Istorija kul’tury Drevnej Rusi [Geschichte derKultur Altrusslands] 1–2 (Moskau / Leningrad 1948–1951); Bd. 1: N. N. Voronin u. a.(Hg.), Domongol’skij period. Material’naja kul’tura [Vormongolische Zeit. Materielle Kul-

einzeln die Regionen des gesamten Landes behandelt: „Corpus der Architektur-denkmäler“71.Ein Buch über die mittelalterliche Architektur von Smolensk veröffentlichte

Voronin in Zusammenarbeit mit seinem Schüler Pavel Aleksandrovič Rappoport(1913–1988)72, der sich zu einem Fachmann auf dem Gebiet der Architektur-archäologie in der UdSSR entwickelte. Rappoport vermochte die Architektur-archäologie in eine multi-disziplinäre Forschung zu überführen, die sich aufdurchorganisierte Grabungen, genaueste Messungen, auf Technik-, Form- undStilanalysen der Denkmäler einerseits und auf genaue Kenntnis der Textquellensowie den historischen Zugang stützte. Dies alles geschah in enger Abstimmungmit Theorie und Praxis der Restaurierung73. Letzteres ist bis heute besonderswichtig, da sich der Denkmalschutz mit neuen, noch schwierigeren Problemenkonfrontiert sieht74.Der Facharchitekt Rappoport arbeitete jahrzehntelang in der Leningrader

Filiale des Archäologischen Instituts. 1975 organisierte er eine Architektur-und Archäologieexpedition durch Zentralrussland, die Ukraine und Weißruss-land, auf der mehrere Archäologen unterschiedlicher Provenienz zusammen-arbeiteten. Er formulierte die Grundprinzipien seines Fachs75, die er an seineneigenen Grabungen und Forschungen erprobt hatte. Er studierte minutiös tech-nische, konstruktive und materielle Besonderheiten, um eine exakte Chronolo-gie der Denkmäler aufstellen und die verschiedenen Bauhütten und die jeweili-gen Eigenheiten der Architekturschulen der russischen Provinzen unterscheidenzu können. Seine Kenntnisse und Erfahrungen vermochte er an eine große Schü-lerzahl weiterzugeben, die bis heute in Russland, der Ukraine, in Weißrusslandund Abchasien arbeiten.Der Schüler Valentin Aleksandrovič Bulkin (Universität von Sankt Peters-

burg) erforschte Kirchen in Polock, Pskov, Rostov Velikij, Tver’ und anderenalten Städten76. Liturgische Fragestellungen spielten für die sowjetischen Erfor-

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ture]; Bd. 2: N. N. Voronin, M. K. Karger (Hg.), Domongol’skij period. Obščestvennyjstroj i duchovnaja kul’tura [Vormongolische Zeit. Sozialordnung und Geisteskultur].71 Zuletzt G. K. Smirnov (Hg.), Svod pamjatnikov architektury Tverskoj oblasti [Das Cor-pus der Architekturdenkmäler der Region Tver’] 3 (Moskau 2013).72 N. N. Voronin, P. A. Rappoport, Zodčestvo Smolenska XII–XIII вв.[Die Architekturvon Smolensk 12.–13. Jh.] (Leningrad 1979).73 O. M. Ioannisjan, Žizn’ i tvorčeskoe kredo učenogo [Leben und Schaffen des Gelehrten],in: P. A. Rappoport, Architektura Srednevekovoj Rusi. Izbrannye stat’i [Architektur desmittelalterlichen Russland. Ausgewählte Aufsätze] (Sankt Petersburg 2013) 3–34. DieseSammlung zur Hundertjahrfeier Rappoports enthält seine wichtigsten Aufsätze und einevollständige Publikationsliste (über 200 Titel): 303–309, dazu Archivalien im Institut für dieGeschichte der materiellen Kultur (archäologische Berichte, Fotos u.a.): 311–322.74 O. M. Ioannisjan,Nasledie P. A. Rappoporta i problemy našich dnej [Das Erbe von P. A.Rappoport und Fragestellungen unserer Tage], in: Rappoport (Anm. 73) 233–251.75 P. A. Rappoport, O metodike izučenija drevnerusskogo zodčestva [Zu den Forschungs-methoden der altrussischen Architektur], in: Sovetskaja Archeologija 3 (1988) 118–129; wie-derabgedruckt in: Rappoport (Anm. 73) 47–60.76 T. V. Roždestvenskaja u. a. (Hg.), Seminarium Bulkinianum. K 60-letiju Valentina Alek-

scher der mittelalterlichen Architektur Russlands keine zentrale Rolle. Abernicht zufällig war es Rappoport mit seinem toleranten, für Neues offenen Geist,der die These von Tat’jana Aleksandrovna Čukova (1954–2005) über den Altar-raum und seine liturgischen Einrichtungen in russischen Kirchen betreute(1992). Eine solche äußerst seltene Themenstellung spiegelte die atmosphäri-schen Veränderungen der Perestrojka77. Aleksandr Nikolaevič Fedorov, ebensoSchüler Rappoports, reichte eine These zur Raumsymbolik altrussischer Städteein (1990)78.Die Schule Rappoports verbesserte wesentlich die Technik und zeichnerische

Dokumentation der Grabungen. Er selbst griff maßgeblich in die schwierige undlebhafte Diskussion um die Rolle der byzantinischen Tradition in der russischenArchitektur ein79. Die Frage der „Einflüsse“ war insofern besonders delikat, alses unter Stalin darum ging, überall die russisch-nationalen Ursprünge zu suchen.Die Ideologie wollte unbedingt die Formen und Konstruktionsweisen der rus-sischen Kuppelkirchen auf die russische Holzarchitektur zurückführen.Rappoports Katalog russischer Kirchen aus vormongolischer Zeit zählt über

200 Denkmäler auf, wenn auch die Zahl der relativ gut erhaltenen Kirchen kaum30 erreicht. Alle anderen wurden archäologisch entdeckt und erforscht80. CyrilMango bemerkt in seinem Vorwort zur englischen Ausgabe von RappoportsBuch über die Baumethoden, dass die russischen Archäologen trotz ihrer Iso-lation in der Sowjetzeit die Forschungen zur russischen Architektur weiter vo-rangetrieben haben, als es ihre westlichen Kollegen hinsichtlich der byzanti-nischen Architektur zu leisten vermochten81.Der Architekt, Restaurator und Architekturforscher Grigorij Michajlovič

Štender (1927–1992) verfolgte einen ähnlichen Ansatz wie Rappoport bei seinenArbeiten über die Architektur vonNovgorod und vor allem über die Bautechnikder mittelalterlichen Bauhütten82. Georgij Karlovič Vagner (1908–1995) ver-

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sandroviča Bulkina. Sbornik statej [Seminarium Bulkinianum. Zum 60-jährigen Jubiläumvon V. A. Bulkin. Artikelsammlung] (Sankt Peterburg 1999), Publikationsliste: 11–22.77 T. A. Čukova, Altar’ drevnerusskogo chrama konca X – pervoj treti XIII v.: osnovnyearchitekturnye elementy po archeologičeskim dannym [Der Altarraum der altrussischen Kir-chen Ende 10.–1. Drittel 13. Jh. Die architektonischen Hauptelemente aufgrund der archäo-logischen Befunde] (Sankt Petersburg 2004).78 P(ère) Aleksandr (Fedorov), Obrazno-simvoličeskaja sistema kompozicii drevneruss-kogo goroda [Das Bild- und Symbolsystem der altrussischen Städtetopographie] (Sankt Pe-tersburg 1999).79 P. A. Rappoport,Vnešnie vlijanija i ich rol’ v razvitii drevnerusskoj architektury [ÄußereEinflüsse und ihre Wirkung auf die Entwicklung der altrussischen Architektur], in: Vizantijai Rus’ (Moskau 1989) 70–75; wiederabgedruckt in: Rappoport (Anm. 73) 70–75.80 P. A. Rappoport, Russkaja architektura X–XIII vv. [Die russische Architektur 10.–13. Jh.] = Svod archeologičeskich istočnikov Е 1–47 (Leningrad 1983); ders., Drevnerusskajaarchitektura [Die altrussische Architektur] (Sankt Petersburg) 1993.81 C.Mango, Foreword, in: P. A. Rappoport, Building the Churches of Kievan Russia(London 1995) 14. Das russ. Original: Stroitel’noe proizvodstvo Drevnej Rusi X–XIII vv.[Die Bautechnologien in Alt-Russland 10.–13. Jh.] (Sankt Petersburg 1994). Liste der Ar-beitsberichte: 148–153.82 G. M. Štender, Drevnjaja stroitel’naja technika kak metod izučenija russkogo zodčestva

öffentlichte wichtige Studien über den Skulpturenschmuck der Kirchenfassadender Regionen von Vladimir und Suzdal’83. Auch er war Betroffener der stali-nistischen Repressionen: 1937 wurde er verschleppt und musste fünf JahreZwangsarbeit in Ostsibirien leisten84. Glücklicherweise konnte er zurückkehrenund seine Forschungen amArchäologischen Institut vonMoskauwiederaufneh-men. Aus seiner Feder stammten mehrere theoretische Studien, die für die da-malige sowjetische Historiographie neu und originell waren. Vagner behandelteFragen von Motiven und Stil der altrussischen Bildkunst85 und arbeitete dieAbhängigkeit der Bauweisen und Bautypen von der unterschiedlichen Nutzungder christlichen Architekturdenkmäler heraus86. Die religiöse wie profane Holz-skulptur, die vor allem imNorden Russlands verbreitet ist, bilden eine besondereObjektgruppe der mittelalterlichen russischen Kunst87.Die Archäologen führten ihre vor dem Krieg begonnenen ausgedehnten Ar-

beiten in den altrussischen Städten fort. Regelmäßig erschienen Gemeinschafts-publikationen mit den grundlegenden Ergebnissen. Dazu zählen vier Bände zurArchäologie Moskaus anlässlich seiner 800-Jahrfeier; der vierte Band behandeltdie Altertümer des Kreml88. Die Bände erschienen in der wichtigen Sammlung„Materialien und Forschungen zur Archäologie der UdSSR“ (Materialy i iss-ledovanija po archeologii SSSR), die vom Institut für die materielle Kultur be-gründet worden war. Die „Kulturgeschichte von Alt-Russland“ in zwei Bändenwertete vor allem archäologisches Material aus89.InNovgorod, wo die Grabungen einige Jahrzehnte lang unter der Leitung von

Artemij Vladimirovič Arcichovskij (1902–1978) standen, erforschten die Ar-chäologen die Kirchenarchitektur im Kontext der mittelalterlichen Stadtkultur.Zu den bemerkenswertesten Funden gehörte eine zuvor unbekannte Objekt-gruppe, nämlich in Birkenrinde eingeschnittene Inschriften, die aus dem 11. bis

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[Die alte Bautechnik sowie eine Untersuchungsmethode der russischen Architektur], in: Ar-chitekturnoe nasledie i restavracija [Architekturerbe und Restauration] (Moskau 1986) 9–31.83 G. K. Vagner, Mastera drevnerusskoj skul’ptury. Rel’efy Jur’ev-Pol’skogo [Die Meisterder altrussischen Skulptur. Reliefs von Jur’ev-Pol’skij] (Moskau 1966); ders., Skul’pturaDrevnej Rusi XII v. Vladimir. Bogoljubovo [Die altrussische Skulptur 12. Jh. Vladimir. Bo-goljubovo] (Moskau 1969).84 I. L. Kyzlasova, Istorija otečestvennoj nauki ob iskusstve Vizantii i Drevnej Rusi. 1920–1930 gody. Po materialam archivov [Die Geschichte der nationalen Wissenschaft zur Kunstvon Byzanz und Altrussland. 1920–30er Jahre. Nach den Archivalien] (Moskau 2000) 391–397.85 G. K. Vagner, Kanon i stil’ v drevnerusskom iskusstve [Kanon und Stil in der altrussi-schen Kunst] (Moskau 1987).86 G. K. Vagner, Problema žanrov v drevnerusskom iskusstve [Gattungsprobleme der alt-russischen Kunst] (Moskau 1974); ders., Iskusstvo myslit’ v kamne. Opyt funkcional’nojtipologii pamjatnikov drevnerusskoj architektury [Die Kunst in Stein zu denken. Studie zurFunktionstypologie der altrussischen Architekturdenkmäler] (Moskau 1990).87 N. Pomerancev, Russkaja derevjannaja skul’ptura [Russische Holzskulptur] (Moskau1967), auf Russisch und Englisch.88 A. V. Arcichovskij (Hg.), Materialy i issledovanija po archeologii Moskvy [Materialienund Forschungen zur Archäologie Moskaus] 1–4 (Moskau 1947–1971).89 S. oben Anm. 70.

15. Jahrhundert datierten (berestjanye gramoty). Man fand davon Hunderte. Siestellen eine reiche historische Quelle aus verschiedenen Textgattungen dar, da-runter Privatbriefe der bürgerlichen Mittelschicht90. Diese annähernd vollstän-digen Grabungsdokumentationen zählen zu den bleibenden Leistungen derSowjetzeit.Die Archäologen haben auch ihren Anteil an den vermehrten Studien über die

christliche Kunstproduktion. In den russischenMuseen häufen sich Objekte derKleinkunst: kleine Steinikonen91, bronzene Brustkreuze, die zum Teil mit Reli-quien ausgestattet sind (Enkolpien), liturgische Geräte, aber auch paganeSchmuckstücke und Amulette92. Die Grabungen in Novgorod und Tver’, Kiewund Rjazan’, Cherson auf der Krim und anderen Zentren haben die Sammlungenbeträchtlich vermehrt. Der Bestand der kleinen Steinikonen wurde in der vomArchäologischen Institut in Moskau herausgegebenen Reihe „Korpus der ar-chäologischen Quellen“ (Svod archeologičeskich istočnikov) herausgegeben93.Eine besondere Gruppe stellen die monumentalen Holzkreuze aus Nordruss-land dar94.In Südrussland, in den Ausläufern des Kaukasus, erlebten die 1970er Jahre

einen Aufschwung christlich-archäologischer Forschungen, besonders im mit-telalterlichen Alanien (heute Karačaevo-Čerkessija). Es handelt sich dort umeine Gruppe von Kirchen, um bronzene Brustkreuze u.a. Es war wieder Pras-kov’ja S. Uvarova, die auf den starken byzantinischen Einfluss in dieser Region

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90 A. V. Arcichovskij, Archeologičeskoe izučenie Novgoroda. Trudy Novgorodskoj ar-cheologičeskoj ekspedicii [Die archäologische Erforschung Novgorods. Arbeiten der ar-chäologischen Expedition von Novgorod] = Materialy i issledovanija po archeologii SSSR 1(Moskau 1956); Artemij Vladimirovič Arcichovskij. Bibliografičeskij ukazatel’ [A. V. Arci-chovskij. Bibliographischer Index] (Moskau 1973).91 A. V. Ryndina,Drevnerusskaja melkaja plastika. Novgorod i Central’naja Rus’. XIV–XVvv. [Die altrussischen kleinen Reliefs. Novgorod und Zentralrussland 14.–15. Jh.] (Moskau1978]; dies., Prikladnoe iskusstvo i plastika [Angewandte Kunst und Plastik], in: G. V. Po-pov, A. V. Ryndina, Živopis’ i prikladnoe iskusstvo Tveri XIV–XVI vv. [Malerei und ange-wandte Kunst aus Tver’ 14.–16. Jh.] (Moskau 1979).92 G. F.Korzuchina,Russkie klady IX–XIII vv. [Russische Schätze des 9.–13. Jh.] (Moskau/ Leningrad 1954); A. L. Mongait, Chudožestvennye sokrovišča Staroj Rjazani [Kunst-schätze aus Alt-Rjazan’] (Moskau 1967); G. N. Bočarov, Prikladnoe iskusstvo NovgorodaVelikogo [Angewandte Kunst aus GroßNovgorod] (Moskau 1969); B. A.Rybakov,Russkoeprikladnoe iskusstvo X – XIII vekov [Russische angewandte Kunst 10.–13. Jh.] (Leningrad1971) (russ. und engl.).93 T. V. Nikolaeva, Drevnerusskaja melkaja plastika iz kamnja XI–XV vv. [AltrussischeKleinplastiken aus Stein 11.–15. Jh.] = Svod archeologičeskich istočnkov Е1–60 (Moskau1983).94 O. V. Ovsjannikov, T. A. Čukova,Krest v kul’ture Russkogo Severa XIII– načala XX vv.[Das Kreuz in der Kultur Nordrusslands 13.–Anfang 20. Jh.], in: Semantika i kul’tura [Se-mantik und Kultur] (Archangel’sk 1989) 60–77; O. V. Ovsjannikov, M. Jasinski, O de-revjannych krestach russkogo Severa [Holzkreuze ausNordrussland], in: Reznye ikonostasyi derevjannaja skul’ptura russkogo Severa [Geschnitzte Ikonostasen und Holzskulpturen ausNordrussland] (Archangel’sk 1995) 26–74.

hinwies, da die Eparchie Alanien vom 10. bis zum 14. Jahrhundert vom Kon-stantinopeler Patriarchat abhing95.Die Regierungszeit von Nikita Sergeevič Chruščev (1894–1971) ging als „Tau-

wetter“ nach dem langen stalinistischen Winter in die Geschichtsbücher ein.Dennoch änderte sich, um im Bild zu bleiben, das Klima nicht. Anfang der1960er Jahre setzte Nikita S. Chruščev ein breit angelegtes Programm des „anti-religiösenKampfes“ um. In der Folge wurde die Zahl der Pfarreien der Russisch-Orthodoxen Kirche erheblich reduziert: Zum 1. Januar 1961 gab es davon11.571, von denen zum 21. August 1963 8.314 verblieben. Das traf vor allemRussland: Auf dem immensen Territorium Russlands bestanden nur noch 2.093Pfarreien, in der Ukraine immerhin noch 5.114. In Weißrussland war die Politiknoch rigoroser: 1945 gab es dort 1.250 funktionierende orthodoxe Kirchen,während es 1965 kaum noch 450 waren. Die Autoritäten hatten es vor allemauf die Großstädte und christlichen Zentren abgesehen: In Kiew verblieben achtKirchen, in Minsk 2 und in Novgorod eine einzige. Hunderte von Kirchen undKlöstern wurden geschlossen oder zerstört. 1964 gab es in der UdSSR nur noch18 Klöster. Im selben Jahr wurde in Kiew die hochangesehene Lavra von Pečerybei Kiew (Kievo-Pečerskaja) geschlossen. Gleichermaßen zerstörte man Ikonenund liturgische Geräte. Klerus und Mönche erfuhren Verfolgungen aller Art:Gefängnis, Exil und Lagerhaft96. In der Mitte der 1960er Jahre begannen dieSowjets wieder mit dem Verkauf von Ikonen und anderen Kunstgütern ans Aus-land (USA, Schweiz, Griechenland, Dänemark u. a.), um an Devisen zu kom-men97.1991, gegen Ende der Sowjetzeit, nahmen die russischen Archäologen wieder

ihre Teilnahme an den Internationalen Kongressen für Christliche Archäologiewieder auf; der zwölfte fand damals in Bonn statt. Bis dahin hatte Fedor I.Uspenskij, der Direktor des Russischen Archäologischen Instituts in Konstan-tinopel, am zweiten Kongress 1900 in Rom teilgenommen. Der Kongress inBonn war der erste und letzte während der Sowjetzeit, denn zum Ende desJahres 1991 bestand die UdSSR nicht mehr98.

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95 V. A. Kuznecov, Alanija v X – XIII vekach [Alanien 10.–13. Jh.] (Ordžonikidze 1971);ders., Zodčestvo feodal’noj Alanii [Die Architektur des feudalen Alanien] (Ordžonikidze1977).96 Cypin (Anm. 2) 397–405.97 Ju. A. Pjatnickij, Drevnerusskie ikony i antikvarnyj mir Zapada [Die altrussischen Iko-nen und der westliche Antiquitätenmarkt], in: V. N. Zalesskaja (Hg.), Vyzantija v kontekstemirovoj kul’tury [Byzanz im Kontext der universalen Kultur] (Trudy GosudarstvennogoErmitaža 69) (Sankt Petersburg 2013) 354f.98 L. G.Khrushkova, Pitiunt et le littoral oriental de la Mer Noire à l’époque paléochrétien-ne, in: Actes du XIe Congrès International d’Archéologie Chrétienne 3 (Rom 1989) 2657–2686.

d. Krim

Die Krim war und bleibt ein vorrangiges Gebiet der byzantinischen sowieklassischen Archäologie der UdSSR. Für die Stadt Chersonesos hat Vitalij Mi-chajlovič Zubar’ (1950–2009)99 eine genaue Grabungschronik verfasst, die dieZeit von 1914 bis 2005 abdeckt100. Die wichtigsten Werke protobyzantinischerund mittelalterlicher Archäologie und Architektur der Krim wurden von Ana-tolij Leopol’dovič Jakobson (1906–1984) veröffentlicht101. Er stammte aus derPetersburger Schule: Zu seinen Lehrern an der Leningrader Universität gehörtenD. V. Ajnalov, F. I. Šmit, N. Ja. Marr und I. A. Orbeli. Seit 1930 arbeitete Jakob-son ohne Unterbrechung – abgesehen vom Zweiten Weltkrieg – an der Staats-akademie für materielle Kulturgeschichte (GAIMK, später Filiale des Archäo-logischen Instituts von Leningrad). Krim und Kaukasus waren seine bevorzug-ten Forschungsgebiete. Seine erste wissenschaftliche Arbeit behandelte dasbyzantinische Chersonesos (1941). Seine Hauptschriften „Chersonesos imFrühmittelalter“102, „Mittealterliches Cherson“103 und „Die mittelalterlicheKrim“104 markieren epochale Wissensfortschritte für diese Stadt der byzanti-nischen Peripherie. Die Architektur der Befestigungsanlagen, die profane, pri-vate und kirchliche Architektur, die alltägliche und materielle Kultur von Cher-sonesos fanden ihre historische Einordnung. Es ist einzigartig für die Ge-schichtsschreibung der Krim, wie hier Kirchenarchitektur, Marmordekor vonder Prokonnes und Mosaikfußböden in profunder Weise zusammen dargestelltwerden. Ein weiterer Beitrag Jakobsons zur Erforschung der materiellen Kulturbehandelte die mittelalterliche Keramik der Krim, ihre Typen und ihre Herstel-lung. Auch wenn heute manche seiner Datierungen präzisiert werden kann undneue Fundobjekte vorliegen, behalten Jakobsons Einsichten ihre Bedeutung.Derrussische Historiker und Archäologe Gleb S. Lebedev hatte Recht, wenn ermeinte, dass in der Sowjetzeit Bank und Jakobson „ein hauchdünner Fadenwaren, der die russische Byzantinistik fortführte“105.Diverse Expeditionen und Kampagnen haben die materielle Quellenbasis zur

Geschichte von Chersonesos erheblich erweitert: jene der Ermitage 1979–1991unter Leitung von Jurij P. Kalašnik, jene der Staatsuniversität des Ural (1969–

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99 L. G. Khrushkova, Vitalij Michajlovič Zubar’, in:Heid, Dennert 2, 1348 f.100 V. M. Zubar’, Letopis’ archeologičeskich issledovanij Chersonesa-Chersona i ego okrugi[Chronik der archäologischen Forschungen in Chersonesos-Cherson und Umgebung] 1–2(Simferopol’ 2009).101 Zu A. L. Jakobson s. oben Anm. 43, 44.102 A. L. Jakobson, Rannesrednevekovyj Chersones: očerki istorii materal’noj kul’tury[Chersonesos im Frühmittelalter. Studien zur Geschichte der materiellen Kultur] =Materialyi issledovanija po archeologii SSSR 63 (Moskau / Leningrad 1959).103 A. L. Jakobson, Srednevekovyj Chersones. XII–XIV vv. [Chersonesos im Mittelalter12.–14. Jh.] =Materialy i issledovanija po archeologii SSSR 17 (Moskau / Leningrad 1950).104 A. L. Jakobson, Srednevekovyj Krim. Očerki istorii i istorii material’noj kul’tury [Stu-dien zur Geschichte und materiellen Kulturgeschichte] (Moskau / Leningrad 1964).105 G. S. Lebedev, Istorija otečestvennoj archeologii 1700–1917 [Geschichte der nationalenArchäologie 1700–1917] (Sankt Petersburg 1992) 426. Zitat übersetzt.

2002) unter Leitung von Alla Il’inična Romančuk106, jene der UniversitätChar’kov unter Leitung von Vladimir Ivanovič Kadeev (1927–2012)107 und jenedes Archäologischen Instituts von Moskau unter Leitung von Sergej AlekseevičBeljaev108. Hinzu kommen die Grabungen der Ortskräfte, darunter der Archäo-loge Stanislav G. Ryžov, der Kunsthistoriker und Restaurateur Oleg IvanovičDombrovskij (1914–1994)109 und andere Fachgelehrte110. Die römischen undfrühchristlichen Friedhöfe wurden von V. Zubar’ erforscht111. Die Stadt Cherso-nesos ist insbesondere bekannt für ihre überaus reichen Münzfunde112.Die Exploration der inneren Krim, auf dem Mangup-Plateau, in Čufut-Kale

und anderenorts, wurde von Evgenij Vladimirovič Vejmarn (1905–1990) betrie-ben. Er richtete in Bachčisaraj ein archäologisches Zentrum zur Erforschung dersogennanten Höhlenstädte der Krim ein. Vejmarn ergrub die ausgedehnte spät-antike Nekropole von Skalistoe113. In den 1960er Jahren wurden die Grabungenin Mangup von Aleksandr Germanovič Gercen fortgeführt. Zu den wichtigendortigen Komplexen gehört der Palast. Die Ergrabung einer 1890 entdecktengroßen Basilika wurde wiederaufgenommen, ist jedoch noch nicht abgeschlos-sen. Die Datierung bleibt umstritten, weist aber in justinianische Zeit114.In Kerč gibt es eine mittelalterliche Kirche byzantinischen Stils, die wahr-

scheinlich auf oder neben Resten einer protobyzantinischen Basilika errichtetwurde, die prokonnesische Kapitelle und ein Baptisterium besaß. Wie häufigbei Denkmälern der Krim schwankt die Datierung der jüngeren Kirche zwi-

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106 A. I. Romančuk, Chersones XII–XIV vv. Istoričeskaja topografija [Chersonesos 12.–14. Jh. Historische Topographie] (Krasnojarsk 1986); Zubar’ (Anm. 100) 206–210.107 Zubar’ (Anm. 100) 212–215; Pamjati Vladimira Ivanoviča Kadeeva [In Memoriam V. I.Kadeev] in: Vestnik Drevnej Istorii 3 (2013) 236 f.108 S. A. Beljaev, Peščernyj chram na glavnoj ulice Chersonesa. Opyt interpretacii i rekon-strukcii [Die Höhlenkirche auf der Hauptstraße von Chersonesos. Versuch einer Interpreta-tion und Rekonstruktion], in: Vizantija i Rus’ (Moskau 1989) 26–55; ders., „Bazilika nacholme“ v Chersonese i „cerkov’ na gore“, postroennaja knjazem Vladimirom [„Basilikaauf demHügel“ und „Kirche auf demBerg“, erbaut von Fürst Vladimir] in: Byzantinorussika1 (1994) 7–47; Zubar’ (Anm. 100) 246–253.109 O. I. Dombrovskij, Freski srednevekovogo Kryma [Fresken der mittelalterlichen Krim](Kiew 1966); ders., Očerki o drevnostjach Kryma [Studien über die Altertümer der Krim](Kiew 1969). L. G. Khrushkova,Oleg Ivanovič Dombrovskij, in:Heid, Dennert 1, 431.110 V. M. Zubar’ (Anm. 100) 73–327.111 V. M. Zubar’, Nekropol’ Chersonesa Tavričeskogo I – IV vv. n. e. [Nekropole des tauri-schen Chersonesos 1.–4. Jh. n.Chr.] (Kiew 1982).112 V. A. Anokhin, The Coinage of Chersonesus: IV century B.C. – XII century A.D. (Ox-ford 1980).113 Die Materialien wurden nach Vejmarns Tod publiziert: E. V. Vejmarn, A. I. Ajbabin,Skalistinskij mogil’nik [Die Nekropole von Skalistoe] (Kiew 1993).114 A. G.Gercen,Archeologičeskie issledovanijaMangupa v 1967–1977 gg. [ArchäologischeForschungen von Mangup 1967–1977], in: E. B. Petrova (Hg.), Chersonesskij kolokol.Sbornik naučnych statej, posvjaščennyj 70-letiju so dnja roždenija E. V. Vejmarna i 50 letijunaučnoj dejatel’nosti V. N. Danilenki [Glocke von Chersonesos. Sammlung wissenschaftli-cher Beiträge zum 70. Jubiläum von E. V. Vejmarn und zur 50-jährigen wissenschaftlichenTätigkeit von V. N. Danilenko] (Simferopol’ 2008) 305–320.

schen dem 7. und 14. Jahrhundert115. Bis heute gehört die chronologische Fragezu den Hauptproblemen der Krim-Archäologie116.Die Sammlungen des Museums von Chersonesos wurden während des Zwei-

ten Weltkriegs nach Ekaterinburg im Ural evakuiert. Nach dem Krieg wurdendie byzantinischen Säle vollständig neu organisiert (Abb. 1).

e. Kaukasus

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnte das Institut für georgische Kunst-geschichte, das Giorgi Nikolaevič Čubinašvili seit 1941 (1885–1973)117 bis zuseinem Tod leitete, seine eigentliche Arbeit aufnehmen. Čubinašvili interessiertesich vor allem für die Architektur118. In der „Universalgeschichte der Architek-tur“ ordnete er die georgische Architektur in die allgemeine Architektur-geschichte ein119. In der UdSSR war man bestens über die Reichtümer der ge-orgischen Kultur des Mittelalters im Bilde, da Čubinašvili und andere diemeisten ihrer Publikationen auf Russisch verfassten. Čubinašvili veröffentlichte

Geschichte der Christlichen Archäologie in Russland 155

115 T. I. Makarova, Archeologičeskie raskopki v Kerči okolo cerkvi Ioanna Predteči [Ar-chäologische Grabungen in Kerč bei der Kirche Johannes’ des Vorläufers], in: Materialy poarcheologii istorii i etnografii Tavrii 6 (1998) 345–363. Zur Forschungsgeschichte zu dieserKirche siehe L. Ju. Ponomarev u. a., Cerkov’ Ioanna Predteči v Kerči v istočnikach i istorio-grafii XIV–XX vv. [Die Kirche Johannes’ des Vorläufers in Kerč in den Quellen und derHistoriographie des 14.–20. Jh.], in: Sacrum et Profanum 4. Religia v žizni čeloveka iobščestva (Sevastopol’ 2009) 129–142.116 Weitere Einzelheiten siehe L. G. Khrushkova, Krim (Chersonesus Taurica), in: RAC 22(2007) 75–125 (mit Lit.).117 A. Plontke-Lüning, Giorgi Chubinashvili, in: Heid, Dennert 1, 313f.; L. G.Khrushkova, in: RQ 108 (2013) 283f. Eine vollständige Bibliographie siehe V. V. Beridze,G. N. Čubinašvili (1885–1973). Biobibliografija (Tbilisi 1977).118 G. N. Čubinašvili, Pamjatniki tipa Džvari. Issledovanie po istorii gruzinskogo iskusstva.Pamjatniki obmeril s natury i ispolnil N. P. Severov [Denkmäler des Typs von Džvari. EineStudie zur georgischen Kunstgeschichte. Vermessungen und Zeichnungen der DenkmälerdurchN. P. Severov] (Tbilisi 1948) = I momumenti del tipo di Ğvari (Ricerca sull’architetturaGeorgiana 14) (Milano [1975]); ders., Architektura Kachetii. Issledovanie razvitija architek-tury v vostočnoj provincii Gruzii v IV–XVIII vv. [Die Architektur von Kacheti. Erforschungder Architekturentwicklung in der Ostprovinz Georgiens 4.–18. Jh.] 1–2 (Tbilisi 1956 [Ta-feln], 1959 [Text]); ders., Cromi. Iz istorii gruzinskoj architektury pervoj treti VII v. [Cromi.Zur georgischen Architekturgeschichte des ersten Drittels des 7. Jh.] (Tbilisi 1969); ders.,Razyskanija po armjanskoj architekture [Forschungen zur armenischen Architektur (Tbilisi1967). Dieses Buch, das sich mit Strzygowski und anderen Erforschern der armenischenArchitektur polemisch auseinandersetzt, löste eine Diskussion aus: A. L. Jakobson, Rez.,in: Sovetskaja Archeologija 3 (1968) 262–270; G. Tchubinachvili, Réponse aux critiquesrelatives à mon ouvrage „Recherches sur l’architecture arménienne“, in: Bedi Kartlisa 28(1970) 50–67; A. L. Jakobson, Les rapports et les correlations des architectures arménienneet géorgienne au Moyen Âge, in: Revue des Études Arméniennes 8 (1971) 229–249.119 G.Čubinašvili,Architektura Gruzii [Die Architektur Georgiens], in: Vseobščaja istorijaarchitektury (Anm. 40) 300–370.

zudem über die Bildkunst, etwa über getriebene Silberikonen120 und über dieHöhlenklöster von David Garedža mit ihren Wandmalereien, den ältesten Ge-orgiens121. Ein Foto zeigt ihn im Alter von 85 Jahren inmitten einer Gruppe von19 Personen122, die alle seine Schüler und Mitglieder des Instituts waren, dasheute seinen Namen trägt – ein erfülltes Leben.Die Schule Čubinašvilis war tatsächlich eine verschworene Gruppe, die sich

für dieselben Ideale begeisterte; eher noch war sie eine Familie, für die die Auto-rität ihrers Meisters maßgeblich war. Leitidee dieser Schule war es, mittels ge-nauer Analyse jedes einzelnen Denkmals und Objekts die allgemeinen Regelnder Stilentwicklung der georgischen Nationalkunst zu ermitteln. Die Zeit vonden 1960er Jahren und dem Ende der 1980er Jahre war das Goldene Zeitalterdieser Forschungsrichtung mit einer ganzen Reihe von Studien zu allen Zweigen

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Abb. 1 Museum von Chersonesos 1949

120 G. N. Čubinašvili,Gruzinskoe čekannoe iskusstvo [Die georgische Ziselierkunst] (Tbi-lisi 1959).121 G. N.Čubinašvili, Peščernye monastyri David Garedži. Očerk po istorii iskusstva Gru-zii [Die Höhlenklöster von David Garedža. Studie zur Kunstgeschichte Georgiens] (Tbilisi1948).122 G. N. Čubinašvili, Iz istorii srednevekovogo iskusstva Gruzii. Izbrannye trudy [Die mit-telalterliche Kunstgeschichte Georgiens. Ausgewählte Arbeiten] (Moskau 1990) Taf. IX.

der georgischen Kunst des Mittelalters: über Architektur123, Wandmalerei124,Buchmalerei125, Fassaden-126 und Stelenskulptur127 und Emaillearbeiten des Mu-seums der Künste Georgiens128. Seit 1948 veröffentlicht das Institut für georgi-sche Kunstgeschichte der Akademie der Wissenschaften die Zeitschrift „ArsGeorgica / Kartuli Chelovneba“ auf Georgisch und Russisch.Forschungen zu liturgischen Fragen waren selten, aber zwei innovative Bü-

cher sind zu nennen. Eines stammt von Rene Oskarovna Šmerling (1904–1967),die sich in ihren Publikationen mit der georgischen Architektur, Skulptur undOrnamentik befasste129. In ihrem Werk „Kleinformen in der Architektur desmittelalterlichen Georgien“, dessen Titel den eigentlichen Inhalt eher verdeckt,sammelte Šmerling reiches Material über Schrankenplatten in georgischen Kir-chen und verband hier liturgische und stilistische Fragestellungen miteinan-der130. Das andere Buch stammte von Nikolaj (Niko) Georgievič Čubinašvili

Geschichte der Christlichen Archäologie in Russland 157

123 R.Mepisašvili, Architekturnyj ansambl’ Gelati [Das Architekturensemble von Gelati)(Tbilisi 1966); V. Beridze, Architecture géorgienne paléochrétienne (IVe–VIIe s.), in: Corsodi cultura sull’arte ravennate e bizantina 20 (1973) 63–111, als Broschüre auf Russisch: Gru-zinskaja architektura „rannechristianskogo“ vremeni IV–VII vv. (Tbilisi 1974); R. Mepi-sašvili, V. Cincadze, Architektura nagornoj časti istoričeskoj provincii Gruzii – Šida Kartli[Die Architektur der Gebirgsregion einer historischen Provinz Georgiens, Šida Kartli] (Tbi-lisi 1975); V. Beridze, Mesto pamjatnikov Tao-Klardžeti v istorii gruzinskoj architektury /Monuments de Tao-Klardjetie dans l’histoire de l’architecture géorgienne (Tbilisi 1981) (russ.und franz.); R. Mepisašvili, D. Tumanišvili, Chram Bana. Voprosy issledovanija i rekon-strukcii / Banas tadzari. Šescavlisa da rekonstrukciis sakitchebi / The Church of Bana. Pro-blems of Research and Reconstructon (Tbilisi 1989) (russ., georg. und engl.).124 A. Vol’skaja, Rospisi srednevekovych trapeznych Gruzii [Malereien der mittelalterli-chen Refektorien in Georgien] (Tbilisi 1974); I. G. Lordkipanidze,Rospis’ Nabachtevi [DieMalerei von Nabachtevi] (Tbilisi 1973); G. V. Alibegašvili, Svetskij portret v gruzinskojsrednevekovoj monumental’noj živopisi [Das Laienporträt in der georgischen mittelalterli-chen Monumentalmalerei] (Tbilisi 1979); E. L. Privalova, Timotesubani [Timotesubani](Tbilisi 1980); N. Aladašvili, G. Alibegašvili, A. Vol’skaja, Živopisnaja škola Svaneti[Die Malschule von Svaneti] (Tbilisi 1983); T. S. Ševjakova, Monumental’naja živopis’ ran-nego srednevekov’ja Gruzii [Die Monumentalmalerei des Hohen Mittelalters in Georgien](Tbilisi 1983); I.Mamaišvili, Rospis’ Tabakini. Narodnaja struja v monumental’noj živopisipozdnego srednevekov’ja [DieMalerei von Tabakini. Volkstümliches in der georgischenMo-numentalmalerei aus spätmittelalterlicher Zeit] (Tbilisi 1991).125 R. Šmerling, Chudožestvennoe oformlenie gruzinskoj rukopisnoj knigi IX–XI vekov[Die Kunstform des georgischen Handschriftenkodex 9.–11. Jh.] 1–2 (Tbilisi 1967–1979);G. V. Alibegašvili, Chudožestvennyj princip illustrirovanija gruzinskoj rukopisnoj knigi[Kunstprinzip des Dekors der illuminierten georgischen Handschrift] (Tbilisi 1973).126 N. A. Aladašvili, Monumental’naja skul’ptura Gruzii. Sjužetnye rel’efy V–XI vekov[Die Monumentalskulptur Georgiens. Bildreliefs 5.–11. Jh.] (Moskau 1977).127 Niko Čubinašvili,Chandisi. Problema rel’efa na primere odnoj gruppy gruzinskich stelposlednej četverti V veka, VI i pervoj poloviny VII veka [Das Reliefproblem amBeispiel einerGruppe georgischer Reliefstelen des letzten Viertels des 5., 6. und der ersten Hälfte des 7. Jh.](Tbilisi 1972).128 L. Chuskivadze,Gruzinskie emali [Georgische Emails] (Tbilisi 1981).129 G. Čubinašvili, Pamjati Rene Šmerling [In Memoriam Rene Šmerling], in: Ars Georgica7 (1971) 7–10.130 R. O. Šmerling,Malye formy v architecture srednevekovoj Gruzii [Kleinformen in der

(1908–1993), dem Sohn des Akademiemitglieds Giorgi Čubinašvili. Als aus-gebildeter Architekt, Restaurator, Architektur- undKunsthistoriker untersuchteNiko Čubinašvili die Kirchenarchitektur einschließlich der Nebenräume undderen liturgischer Funktion131.Ein anderes wichtiges Forschungszentrum zur georgischen Kunst ist das 1923

gegründeteMuseum der Künste Georgiens (Sak’art’velos chelovnebis muzeumi)in Tbilisi (Tiflis), heute das Amiranašvili Museum der Bildende Künste Ge-orgiens; seit 2004 bildet es einen Teil des Georgischen Nationalmuseums. Seindrei Jahrzehnte lang amtierender Direktor war Šalva Jasonovič Amiranašvili(1899–1975), bekannt besonders für seine Schriften zur mittelalterlichenMalereiGeorgiens132.Die archäologischen Feldstudien an den christlichen Denkmälern erstreckten

sich über alle Provinzen Georgiens133. Als Beispiel soll eine besonders erfolg-reiche Grabung dienen: Der Architekt und Restaurator Vakhtang Geront’evičCincadze / Wachtang Zinzadze (1915–1993)134 entdeckte unter dem Fußboden-niveau der großen Kathedrale Sveti Cxoveli in Mcxeta bei Tiflis (11. Jahrhun-dert) eine Basilika des 5. Jahrhunderts135. An der östlichen Schwarzmeerküsteerschlossen dieGrabungen in römischen und byzantinischen Städten und andereörtliche Explorationen regelrecht eine neue Provinz christlich-byzantinischerArchäologie im Kaukasus. Die Akademie der Wissenschaften der Sowjetrepu-blik Georgien nahm Grabungen in Pityus (Pityunt, heute Picunda) auf; sie stan-

158 Liudmila G. Khrushkova

Architektur des mittelalterlichenGeorgien] (Tbilisi 1962). Ein Charakteristikum der Epoche:Da Zitate aus liturgischen Quellen nicht erlaubt waren, fand Šmerling eine gute Lösung: siezitierte (Malye formy 19–20) den Text aus einemWerk von Nikolaj Vasil’evič Gogol’ (1809–1852), da solche klassischen Werke ideologisch annehmbar waren. Der große russischeSchriftsteller beschreibt die orthodoxe Eucharistiefeier sehr genau: N. V. Gogol’, Raz-myšlenija o božestvennoj liturgii [Gedanken über die Göttliche Liturgie], in: Sobraniesočinenij [Gesammelte Werke] 8 (Sankt Petersburg 1900) 63–76.131 [T. Todria], N. Čubinašvili, Šašianis Sameba. Kompozicija zal’noj cerkvi, osložnennojvspomogatel’nymi pomeščenijami [Šašianis Sameba. Die Komposition der Saalkirche mitNebenräumen] (Tbilisi 1988); der Beitrag von Tengiz Todria beschreibt die historische Geo-graphie dieser Provinz, 5–19.132 Š. J. Amiranašvili, Istorija gruzinskoj monumental’noj živopisi [Geschichte der georgi-schen Monumentalmalerei] 1 (Tbilisi 1957); Ch. Amiranachvili, Les émaux de Géorgie(Paris 1962); Š. J. Amiranašvili, Istorija gruzinskogo iskusstva [Geschichte der georgischenKunst] (Moskau 1963); ders., Gruzinskaja miniatjura [Georgische Miniaturen] (Moskau1966); ders., Gruzinskij chudožnik Damiane [Der georgischeMaler Damiane] (Tbilisi 1974).133 R. M. Ramišvili, Gruzija [Georgien], in: T. I. Makarova, S. A. Pletneva (Hg.), Krym,Severo-Vostočnoe Pričernomor’e i Zakavkaz’e v epochu srednevekov’ja. IV–XIII veka [DieKrim, der Nordosten des Schwarzen Meeres und Transkaukasien im Mittelalter. 4.–13. Jh.](Moskau 2003) 270–320 (lückenhafter Überblick, besonders bzgl. Westgeorgien und Abcha-sien).134 A. Plontke-Lüning, Vakhtang Cincadze, inHeid, Dennert 1, 318.135 V. Cincadze, Nekotorye osobennosti bazilik rannechristianskoj Gruzii i architekturabaziliki V veka Sveti Cxoveli v Mcxeta [Einige Besonderheiten der Basiliken des frühchrist-lichen Georgien und der Architektur der Basilika des 5. Jh. Sveti Cxoveli in Mcxeta], in: ArsGeorgica A 10 (1991) 17–50.

den unter der Leitung von Andrej Melitonovič Apakidze136. Man legte dorteinen Komplex frei, dessen älteste Kirche wahrscheinlich die Bischofskirche vonStratophilos war, der am Konzil von Nizäa 325 teilnahm. Eine jüngst entdeckteKirche wies ein Baptisterium und Fußbodenmosaike auf137. Von Pityus strahltedas Christentum bis zur Nordostküste des Schwarzen Meeres aus, wie die inAlachadzy entdeckten Basiliken belegen138. Vadim Aleksandrovič Lekvinadze(1931–1992)139 ging der küstennahen Bautätigkeit (Kirchen und Festungen) imKontext der byzantinischen Politik nach140. In den 1970–80er Jahren wurdenprotobyzantinische Kirchen sowohl in den Städten wie Archeopolis (heute No-kalakevi)141, Candripš (Gantiadi)142, Gyenos (Cyanes in römischer Zeit, bei derStadtOčamčira)143, Sebastopolis (heute Suchum)144 als auch in den Festungen der

Geschichte der Christlichen Archäologie in Russland 159

136 A. M. Apakidze (Hg.), Velikij Pitiunt / Didi Pitiunti [Groß Pitiunt] 1–3 (Tbilisi 1975–1978) (georg. und russ., mit Resüme: Great Pitiunt. Archaeological excavations in Pitsunda:1, 569–580; 3, 257–267; The Great Pitiunt. Archaeological Discoveries in Pitsunda: 2, 409–418).137 I. Cicišvili, Bičvintis sakulto nagebobata kompleksi / Kompleks cerkovnych sooruženijv Picunde [Der Kirchengebäudekomplex in Picunda], in: Velikij Pitiunt 2 (Anm. 136) 83–119(georg. und russ.); L. G.Khrushkova,Les baptistères paléochrétiens du littoral oriental de lamer Noire, in: Recueil des travaux de l’Institut d’Études Byzantines 20 (1981) 15–24.138 Z. V. Agrba, G. A. Lordkipanidze, Raskopki rannesrednevekovoj baziliki v s. Alachad-zy Gagrskogo rajona [Grabungen der Basilika aus hochmittelalterlicher Zeit im Dorf Ala-chadzy im Distrikt Gagra], in: Macne 3 (1972) 149–160; L. G. Khrushkova, Zaveršenie iss-ledovanija architekturnogo kompleksa v sele Alachadzy [Abschluss der Erforschung desArchitekturkomplexes im Dorf Alachadzy], in: Archeologičeskie Otkrytija v Abchazii1986–1987 (Tbilisi 1990) 45–50.139 A. Plontke-Lüning, Vadim Lekvinadze, in:Heid, Dennert 2, 812f.140 V. A. Lekvinadze, Gantiadskaja bazilika [Die Basilika von Gantiadi], in: Sovetskaja Ar-cheologija 3 (1970) 162–174; ders., O drevnejšej bazilike Pitiunta i ee mozaikach [Die ältesteBasilika von Pitiunt und ihre Mosaiken], in: Vestnik Drevnej Istorii 2 (1970) 174–193; ders.,Rannesrednevekovye pamjatniki Vašnari [Die hochmittelalterlichen Denkmäler in Vašnari],in: Sovetskaja Archeologija 3 (1972) 309–323; ders., Bazilika Archeopolisa [Die Basilika vonArcheopolis], in: Vestnik Gosudarstvennogo Museja Gruzii 30B (1974) 113–119; ders., ODrandskom chrame [Die Kirche von Dranda], in: Vizantija i Kavkaz 5 (1982) 201–216; ders.,Monumental’nye pamjatniki Zapadnoj Gruzii. Avtoreferat dissertacii [Architekturdenk-mäler Westgeorgiens. Resüme der Doktoratsthese (Habil.)] (Moskau 1973).141 T. Kapanadze,Nokalakevisa da misi „kveknis“ sakulto nagebobebi [Kultgebäude in No-kalakevi und Umgebung], in: P. Zakaraja, T. Kapanadze, Cichegodži – Archeopolis – No-kalakevi (Tbilisi 1991) 165–232 (georg., russ. Resüme: 266–267).142 L. G.Khrushkova,Candripš. Materialy po rannechristianskomu stroitel’stvu v Abchazii[Candripš. Materialien zur Erforschung der frühchristlichen Bautätigkeit in Abchasien] (Su-chumi 1985) 15–59.143 B. S. Kobachija, L. G. Khrushkova, S. M. Šamba, Novaja rannechristianskaja cerkov’na gorodišče Gyenos [Die neuentdeckte frühchristliche Kirche von Gyenos], in: VestnikDrevnej Istorii 2 (1987) 126–146.144 L. G. Khrushkova, Novaja oktogonal’naja cerkov’ v Sevastopolise i ee liturgičeskoeustrojstvo [Die neuentdeckte oktogonale Kirche von Sebastopolis und ihre liturgischen Ein-richtungen], in: Akent’ev (Anm. 19) 201–235.

Gebirgszone in Chašupsa145 und Cebel’da entdeckt und untersucht146. Alle dieseGebäude gehören unterschiedlichen Architekturtypen an147 und waren in nach-sowjetischer Zeit Gegenstand zusammenfassender Studien148.Eine Gruppe großer mittelalterlicher Kirchen der Zeit des Königreichs Ab-

chasien (Ende 8.–Ende 10. Jh.) kam an der östlichen Schwarzmeerküste zu Ta-ge149. In den 1980er Jahren erschienen Arbeiten zurmittelalterlichenMalerei undzum Architekturschmuck in Abchasien150: zu importierten Marmorproduktender Prokonnes und Platten mit Skulpturenschmuck, die vor Ort gearbeitet wur-den151.In Armenien erschienen seit den 1950er Jahren überblicksartige Bücher zur

Architektur aus der Feder von Anatolij L. Jakobson152, Nikolaj Michajlovič To-karskij (1892–1977)153, Murad Michailovič Hasratjan (Asratjan, Hasrat’yan)154

160 Liudmila G. Khrushkova

145 Khrushkova (Anm. 142) 68.146 L. G.Khrushkova, Tri cerkvi v gornoj Abchazii (raskopki 1977–1979 gg.) [Drei Kirchenim Gebirge Abchasiens (Ausgrabungen 1977–1979)], in: VV 43 (1982) 147–177. Zur For-schungsgeschichte der Region Cebel’da siehe Ju.N. Voronov,Drevnjaja Apsilija. Istočniki,istoriografija, archeologija [Das antike Apsilija. Quellen, Geschichte, Archäologie] (Suchum1998) 85–256.147 L. G. Khrushkova, Rannechristianskie sooruženija Vostočnogo Pričernomor’ja (os-obennosti i mesto v kontekste christianskoj archeologii). Avtoreferat dissertacii [Frühchrist-liche Gebäude der Ostküste des Schwarzen Meeres. Eigenheiten und Kontext der christli-chen Architektur. Resüme der Doktoratsthese (Habil.)] (Leningrad 1990); L. G.Khrushko-va, Les édifices paléochrétiens en Transcaucasie Occidentale, in: Byzantion 59 (1989) 88–127.148 L. G. Khrushkova, Rannechristianskie pamjatniki Vostočnogo Pričernomor’ja. IV–VIIveka [Abstract: Early ChristianMonuments in the Eastern Black Sea Coast Region: 460–482](Moskau 2002), historiographischer Überblick: 12–30. Rezensionen: S. Ristow, in: BonnerJahrbücher 202–203 (2002–2003) 656–658; N. Thierry, in: CAr 51 (2003–2004) 196–198;W. Seibt, in: JÖB 54 (2004) 355–356; E. Badstübner, in: OrChr 89 (2005) 283–285.149 L. D. Rčeulišvili, Kupol’naja architektura VIII–X vekov v Abchazii [Die Kuppelarchi-tektur 8.–10. Jh. in Abchasien] (Tbilisi 1988); hier werden fünf Kirchen genannt, heute sindweitere bekannt. Die Kirche von Lychny, wichtiges Zentrum der Herrscher Abchasiens, ge-hörte zu einem Palastkomplex. Die Materialien der Grabungen 1981–1984 wurden publi-ziert: L. G. Khrushkova, Lychny, rednevekovyj dvorcovyj kompleks v Abchazii (Moskau1998) [Abstract: Likhni. The medieval palatial complex at Abkhazia: 96–105). Rezension:W. Seibt, in: JÖB 50 (2000) 416–417; A. Plontke-Lüning, in: ByZ 94 (2001) 289–291.150 L. A. Šervašidze, Srednevekovaja monumental’naja živopis’ v Abchazii [Die Wandmale-rei des Mittelalters in Abchasien] (Tbilisi 1980).151 L. G. Khrushkova, Skul’ptura rannesrednevekovoj Abchazii. V–X veka [Die SkulpturAbchasiens im frühen Mittelalter. 5.–10. Jh.] (Tbilisi 1980); Rez.: A. Grabar, in: CAr 33(1985) 182–183.152 A. L. Jakobson,Očerki istorii zodčestva Armenii. V–XVII vv. [Studien zur Architektur-geschichte Armeniens 5.–17. Jh.] (Leningrad 1950).153 N. M. Tokarskij,Architektura drevnej Armenii [Die Architektur Altarmeniens] (Erevan1946); überarbeitete Fassung: ders., Architektura Armenii IV–XIV vekov [Die ArchitekturArmeniens 4.–14. Jh.] (Erevan 1961); H.Hakobyan, Nikolaj Michajlovič Tokarskij, in:Heid, Dennert 2, 1237 f.154 M. Asratjan (=Hasratjan), Očerk armjanskoj architektury / Essai sur l’architecturearménienne (Moskau 1985) (russ. und franz.).

und Stepan Chačaturovič Mnacakanjan (1917–1994)155. Oganes ChačaturovičChalpachč’jan (1907–1996)156, der ein Dutzend Bücher und insgesamt über 350Veröffentlichungen vorlegte157, redigierte über einen langen Zeitraum die gelehr-te Moskauer Zeitschrift „Architekturnoe Nasledstvo“ [Architekturerbe], in dereine ganze Reihe Artikel zum Kaukasus erschien. Anatolij M. Vysockij (1941–2006)158 und Sergej A. Mailov159, beide Architekturhistoriker in Moskau, befass-ten sich mit der armenischen und byzantinischen Architektur der Frühen Kircheund des Mittelalters160.Die Kirchen des Kaukasus weisen im Gegensatz zu Byzanz einen reichen

Fassadendekor auf. In Armenien bilden die kreuzförmigen Stelen (chačkar,Steinkreuz) eine besondere Gruppe monumentaler Skulptur161. Eine besonderswertvolle SammlungmittelalterlicherHandschriften befindet sich im Institut füralte Handschriften in Maštoc (Matenadaran: Institut drevnich rukopisej imeniMaštoca) in Erevan162. Zu den über 11.000 Stücken gehört ein Evangeliar aus

Geschichte der Christlichen Archäologie in Russland 161

155 S. Ch.Mnacakanjan, Pamjatnik armjanskogo zodčestva VI–VII vekov [Ein armenischesArchitekturdenkmal des 6.–7. Jh.] (Moskau 1971); ders., Krestovokupol’nye kompozicii Ar-menii i Vizantii V–VII vv. [Der Typ der Kreuz- und Kuppelkompositionen in Armenien undByzanz 5.–7. Jh.] (Еrevan 1989).156 E. A. Tigranjan,Oganes Chalpachčjan: žizn’ i tvorčestvo [Oganes Chalpachčjan: Lebenund Tätigkeit] (Dušanbe 1995).157 O. Ch. Chalpachčjan, Architektura Armenii IV–XIX vv. [Die Architektur Armeniens4.–19. Jh.], in: Vseobščaja istorija architektury (Anm. 40) 197–296; ders., Architekturnyeansambli Armenii VIII v. do n. e. – XIX v. n. e. [Die Architekturensembles Armeniens 8. Jh.v.Chr.–19. Jh.] (Moskau 1980); ders., Srednevekovoe zodčestvo Armenii i ego značenie vistorii mirovoj architektury [Die mittelalterliche Architektur Armeniens und ihre Bedeutungfür die universale Architekturgeschichte] (Moskau 2007).158 A. M. Vysockij, Strany Zakavkaz’ja i Iran: paralleli v architekture v epochu sasanidov[Transkaukasien und Iran: Architekturvergleiche der Sassanidenzeit], in: Iskusstvo i archeo-logija Irana. II Vsesojuznaja konferencija 2 [Kunst und Architektur des Iran. 2. Konferenzder Sowjetunion 2] (Moskau 1976) 33–49; A. M. Vysockij, F. V. Šelov-Kovedjaev,Martirijv Nise po opisaniju Grigorija Nisskogo i ego značenie dlja izučenija rannesrednevekovojarchitektury stran Zakavkazja [Das Martyrium von Nyssa nach der Beschreibung Gregorsvon Nyssa und seine Bedeutung für die Erforschung der hochmittelalterlichen ArchitekturTranskaukasiens], in: Kavkaz i Vizantija 5 (1987) 82–114; A. Kazarjan, Pamjati AnatolijaMichajloviča Vysockogo [In Memoriam A. M. Vysockij] in: VV 63 (2004) 324–328, Ver-öffentlichungsliste: 326–328.159 S. A. Mailov, Zakonomernosti razvitija architekturno-prostranstvennych system. Naprimere srednevekovych sooruženij Zakavkazja [Die Entwicklungsgesetze der Architektur-und Raumsysteme. Der Fall der mittelalterlichen Gebäude Transkauskasiens. Avtoreferatdissertacii] [Architekturdenkmäler Westgeorgiens. Resüme der These], (Moskau 1981).160 Eine neuere historiographische Übersicht über Forschungen zur frühchristlichen Archi-tektur Kaukasiens s. A. Kazarjan,Cerkovnaja architektura stran Zakavkaz’ja VII veka [DieKirchenarchitektur der transkaukasischen Länder im 7. Jh.] 1 (Moskau 2013) 41–78.161 N. S. Stepanjan, A. S. Čakmakčjan, Dekorativnoe iskusstvo srednevekovoj Armenii(Leningrad 1971) = N. S. Stepanian, A. S. Tchakmaktchian, L’art décoratif de l’Arméniemédiévale (Leningrad 1971).162 T. A. Izmajlova, Armjanskaja miniatura XI veka [Die armenische Miniatur des 11. Jh.](Moskau 1979); V. O. Kazarjan, S. S. Manukjan,Matenadaran 1. Armjanskaja rukopisnajakniga VI–XIV vekov [Matenadaran 1. Armenische Handschriften 6.–14. Jh.] (Moskau 1991).

dem 9.–10. Jahrhundert: Es ist das berühmteste Manuskript, einst von GrafAleksej S. Uvarov in der Sakristei der Kirche von Ečmiadzin entdeckt163 undspäter von Josef Strzygowski veröffentlicht164. Die Kunsthistorikerin, Restaura-torin und Malereikopistin Lidija Aleksandrona Durnovo (1885–1963) hat we-sentlich zum besseren Verständnis der Mittelaltermalerei Armeniens beigetra-gen165.Was das heutige Gebiet von Azerbaïdžan betrifft, so weist im kaukasischen

Albanien eine Gruppe von Kirchen vom 6. bis zum 8. Jahrhunderts eine eigen-tümliche zentrale oder dreischiffige und einschiffige Architektur auf166.In den 1970–80er Jahren waren die internationalen Symposien zur georgi-

schen und armenischen Kunst die Motoren der Kaukasusforschung. Sie fandenabwechselnd in Georgien, Armenien und Italien statt. Zur damaligen Zeit öff-nete sich die UdSSR etwas. Dieser Prozess begann an der Peripherie, nicht inMoskau oder Leningrad, wo es keine derartigen großen internationalen Treffenmit Hunderten von Teilnehmern gab. Die Initiative dazu ging von italienischenForschern aus. Die ersten Treffen fanden 1974 und 1975 in Bergamo statt. Diesowjetischen Teilnehmer waren gering an Zahl. Die Gegentreffen im Kaukasuswaren hingegen bedeutend größer. In Tbilisi (Tiflis) fanden zwei Symposienstatt: 1977 (2.) und 1983 (4.), zwei weitere Treffen fanden in Erevan 1978 (2.)und 1985 (4.) statt. Bei diesen Treffen nahmen viele Byzantinisten aus demWes-ten die Gelegenheit wahr, die zahlreichen Denkmäler zu besichtigen und ihresowjetischen Kollegen persönlich kennenzulernen, von denen sehr viele nie eineGelegenheiten hatten, den Westen zu besuchen. Die starke Unterstützung sei-tens der Regierung garantierte einen perfekten Verlauf. Alle Tagungsbeiträge von1977 in Tbilisi wurden neben der Originalsprache in Russisch und in einer west-lichen Sprache in ungebundenen Broschüren veröffentlicht167. Die Tagungs-berichte von 1978 in Erevan wurden als Sammlung publiziert168. Die Veröffent-

162 Liudmila G. Khrushkova

163 P. S.Uvarova,Kavkaz. Putevye zametki [Reisenotizen] 1 (Moskau 1887) 226. A. S.Uva-rov, Ečmiadzinskaja biblioteka [Die Bibliothek von Echmiadzin], in: Trudy Podgotovi-tel’nogo komiteta po Tiflisskomu s"ezdu (Drevnosti. Trudy Moskovskogo Archeolo-gičeskogo obščestva. Pribavlenija k t. 8 i 9) [Arbeiten des Vorbereitungskomites desKongresses in Tiflis (Altertümer. Arbeiten der Archäologischen Gesellschaft in Moskau.Supplemente zu den Bänden 8–9)] (Moskau 1881) 350–357.164 J. Strzygowski, Das Etchmiadzin-Evangeliar. Beiträge zur Geschichte der armenischen,ravennarischen und syro-ägyptischen Kunst (Wien 1891).165 L. A. Durnovo, Drevnearmjanskaja miniatura (Erevan 1953, 21969) (armen., russ.,franz.) = Miniatures arméniennes (Paris 1960) = The Armenian Miniature (New York 1961);dies., Očerki izobrazitel’nogo iskusstva srednevekovoj Armenii [Studien zur Bildkunst desmittelalterlichenArmenien] (Moskau 1979); N. N. Stepanjan,OL. A.Durnovo [Über L. A.Durnovo], in: ebd. 7–16; Veröffentlichungsliste von Durnovo: ebd. 324.166 A. A.Karachmedova,Christianskie pamjatniki Kavkazskoj Albanii. Alazanskaja dolina[Christliche Denkmäler des kaukasischen Albanien. Alazan-Tal] (Baku 1986).167 Hier nur ein Beispiel: F. W. Deichmann, Zur Entwicklung der Pfeilerbasilika. Die Basi-lika Sion von Bolnissi (Tbilisi 1977).168 II Meždunarodnyj symposium po armjanskomu iskusstvu. Sbornik dokladov 1–2 [2. In-ternationales Symposium zur armenischen Kunst. Zusammenstellung der Berichte] 1–2 (Ere-van 1981).

lichung der späteren Symposien 1983 und 1985 fiel bescheidener aus169 – dieökonomische Situation der UdSSR gegen Ende der Sowjetzeit war angespannt,so dass große internationale Veranstaltungen nicht mehr möglich waren.Die aus den Symposien entstandenen Kontakte trugen Früchte in Form von

Koproduktionen und wichtigen Überblickswerken. Das Gemeinschaftswerkvon Adriano Alpago Novello (1932–2005), Vachtang Beridze (1914–2000) undJacqueline Lafontaine-Dosogne (1928–1995)170 umfasste Bildkunst und Archi-tektur einschließlich eines Katalogs der georgischen Architektur171. Zu dieserZeit erschienen auch zwei albumartige Werke der Eheleute Vachtang Zinzadseund Rusudan Mepisašvili (1913–2002)172, beide Architekten und Restaurateure,mit Photographien von Rolf Schrade173. Diese georgisch-deutsche Kooperationwar durch die engen Beziehungen zwischen der UdSSR und DDR möglich174.Die Kleinkunstschätze, etwa die georgischen und byzantinischen Emaille dergeorgischen Museen, wurden so dem westlichen Publikum immer besser er-schlossen175.Eine besondere Rolle in der Kaukasusforschung gebührte den italienischen

Architekturforschern. In den 1970–80er Jahren betrieben sie ein Studienpro-gramm in der Osttürkei, im Nordwesten des Iran und im Kaukasus, vor allemin Armenien. Es kam zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit den Vertreternder Akademien der Wissenschaften der Sowjetrepublik Armenien und Geor-gien176. Das „Centro Studi di architettura caucasica“ am Mailänder Politech-nikum veröffentlichte die Sammlung „Documenti di architettura armena“ mitkleineren Monographien177.

Geschichte der Christlichen Archäologie in Russland 163

169 IV Meždunarodnyj symposium po gruzinskomu iskusstvu, 23.V.–2.VI.1983. Sbornikdokladov 1–2 [4. Internationales Symposium für georgische Kunst. Zusammenstellung derBerichte] 1–2 (Tbilisi 1989); IVMeždunarodnyj symposium po armjanskomu iskusstvu, Ere-van, 10–16 sentjabrja 1985, Rezjume [4. Internationales Symposium zur armenischen Kunst,10.–16. Sept. 1985, Zusammenfassungen] (Erevan 1985).170 S. Buonaguro, Adriano Alpago Novello, in Heid, Dennert 1, 70; A. Plontke-Lü-ning, Vakhtang Beridze, in ebd. 162 f.;M. Dennert, Jacqueline-Lucie Lafontaine-Dosogne,in ebd. 2, 778.171 A. Alpago Novello, V. Beridze, J. Lafontaine-Dosogne, Art and Architecture inMedieval Georgia (Louvain-la-Neuve 1980).172 A. Plontke-Lüning,Vakhtang Cincadze, inHeid, Dennert 1, 318; dies., RusudanMe-pisashvili, in ebd. 2, 901.173 R. Mepisaschwili, V. Zinzadze,Die Kunst des alten Georgien (Leipzig 1977) = L’art dela Géorgie ancienne (Leipzig 1978) = The Arts of Ancient Georgia (New York 1979); R. Me-pisaschwili, V. Zinzadze, Aufnahmen von R. Schrade, Georgien. Wehrbauten und Kir-chen (Leipzig 1986).174 E.Neubauer, Altgeorgische Baukunst (Leipzig 1976); W. Beridze, E. Neubauer, DieBaukunst des Mittelalters in Georgien (Berlin 1980).175 V. Beridze, G. Alibegašvili, A. Volskaja, L. Xuskivadze, The Treasures of Georgia(London 1984).176 Zum italienischen Beitrag zur Armenienforschung siehe Ch. Maranci,Medieval Arme-nian Architecture: Construction of Race and Nation (Leuven 2001) 208–219.177 Eine Auswahl: P. Paboudjian, A. Alpago-Novello, Ererouk (Documenti di architet-tura armena 9) (Milano 1977); F. Gandolfo, A. Zarian, Ptgni, Aroudch (Doc. di arch. arm.

Ebenso am Mailänder Polytechnikum richtete Adriano Alpago Novello das„Centro Studi per l’Architettura Georgiana“ ein. Die dortige Reihe „Ricercasull’architettura Georgiana“ veröffentlichte eines der Hauptwerke von GiorgiČubinašvili178. Eine internationale Forschungsgruppe publizierte eine Bibliogra-phie zur armenischen und georgischen Architektur bis 1971179.Der Architekt und Architekturhistoriker Paolo Cuneo (1936–1995)180 initiier-

te in Rom das „Centro Studi di architettura armena“. Hier veröffentlichte erunter der Ägide der römischen Universität „La Sapienza“ die Reihe „Studi diarchitettura medioevale armena“ beim Nationalen Forschungsrat181. Zu denwichtigeren Veröffentlichungen Cuneos zählt das Kompendium „ArchitetturaArmena“ (über 900 Seiten) mit einem Katalog von etwa 400 Denkmälern undvorzüglichen Abbildungen; es handelte sich um eine italienisch-armenische Ge-meinschaftsarbeit182. 1973 referierten Fernanda diMaffei, Paolo Cuneo, Tomma-so Breccia Fratadocchi und Armen Zarian beim 20. „Corso di cultura sull’arteravennata e bizantina“ über die armenische Architektur183. Demselben interna-tionalen Ambiente enstammten die kaukasischen Arbeiten des Ehepaars Nicoleund Michel Thierry184.

So waren die 1960–80er Jahre und davon besonders die zweite Hälfte in dergesamten Sowjetunion eine besonders fruchtbare Phase für die Studien zurGeschichte der christlichen Künste und der Archäologie. Die Schulen der tradi-

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16) (Milano 1986); P. Cuneo, M.-A. Lala Comneno, S. Manukian, Gharabagh (Doc. diarch. arm. 19) (Milano 1988).178 čhubinašvili (Anm. 118).179 V. Beridze, A. Alpago Novello, F. Bianchi (Hg.), Bibliografia (Ricerca sull’architet-tura georgiana 9 (Milano [1973]); A. Zarian, A. Alpago Novello, H. Vahramian (Hg.),Bibliografia (Ric. sull’arch. arm. 3) (Milano [1970]).180 S. Buonaguro, Paolo Cuneo, inHeid, Dennert 1, 348 f.181 Zu den frühchristlichen Denkmälern: T. Breccia Fratadocchi, La chiesa di S. Ejmiacina Soradir (Studi di architettura medioevale armena 1) (Roma 1971); F. Gandolfo, Chiese ecapelle armene a navata semplice dal IV al VII secolo (Studi di arch. med. arm. 2) (Roma1973); ders., Le basiliche armene. IV–VII secolo (Studi di arch. med. arm. 5) (Roma 1982);M. D’Onofrio, Le chiese di Dvin (Studi di arch. med. arm. 3) (Roma 1973).182 P. Cuneo, Architettura Armena dal quattro al diciannovesimo secolo, con testi e contri-buti di T. Breccia Fratadocchi, M. Hasrat’yan, M. A. Lala Comneno, A. Zarian 1–2 (Roma1988); H.Hakobyan, Armen Kostani Zarian, in:Heid, Dennert 2, 1340 f.183 F. De Maffei, Rapporti tra l’architettura urartea e l’architettura armena, in: Corsi di cul-tura sull’arte ravennate e bizantina 20 (1973) 275–286; dies, L’origine della cupola armena, in:ebd. 287–307; P. Cuneo, Le basiliche paleocristiane armene, in: ebd. 217–239; ders., Le chie-se paleocristiane armene a pianta centrale, in: ebd. 241–262; T. Breccia Fratadocchi, Lacattedrale di S. Giovanni a Mastara, in: ebd. 179–193; ders., Le basiliche armene a tre navatee cupola, in: ebd. 159–178; A. Zarian, Formazione e sviluppo della „sala a cupola“, in: ebd.467–481.184 J.-M. Thierry, P. Donabédian, N. Thierry, Les arts arméniens (Paris 1987) = J.-M.Thierry, Armenische Kunst (Freiburg 1988); N. Thierry, Essai de définition d’un atelierde sculpture du Moyen-Âge en Gogarène, in: Revue de Études Géorgiennes et Caucasiennes1 (1985) 169–223; A. Plontke-Lüning, Jean-Michel Thierry (de Crussol) in: Heid, Den-nert 2, 1229f.

tionellen Forschungszentren in Leningrad und Moskau sowie die nationalenSchulen Georgiens und Armeniens konnten sich mit ihren jeweiligen Speziali-sierungen etablieren. Sie hatten sich zweifellos bereits ein internationales An-sehen erworben.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Wissenschaftliches Archiv, Zapovednik. „Chersones Tavričeskij“

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