Einführung in die...

Post on 21-Jul-2020

1 views 0 download

transcript

1

Einführung in die Wissenschaftsphilosophie

Prof. Dr. Martin Kusch

2

Themen 10 & 11: Die Soziologie wissenschaftlichen

Wissens und der Relativismus

3

(I) Shapin über die Phrenologie

(II) Collins zu Weber und dem Regress der ExperimentatorInnen

(III) Bloors Programmatik

(IV) Bloor und Barnes zum Relativismus

(V) Laudans Kritik

(VI) Bloors Antwort auf Laudan

4

(I) Shapin über die Phrenologie

(II) Collins zu Weber und dem Regress der ExperimentatorInnen

(III) Bloors Programmatik

(IV) Bloor und Barnes zum Relativismus

(V) Laudans Kritik

(VI) Bloors Antwort auf Laudan

5

Steven Shapin (1943 -) ‘Homo Phrenologicus’ (1979) (with S. Schaffer), Leviathan and the Air-pump, 1985 A Social History of Truth, 1994 The Scientific Revolution, 1996 The Scientific Life: A Moral History of a Late Modern Vocation, 2008

6

(1) Interessen in der Anthropologie (a) Wie verhält sich wissenschaftliches Wissen zur Gesellschaft und zu sozialen Interessen? (b) Anthropologen haben drei Arten von Interessen identifiziert, welche im Erwerb und in der Benutzung von Wissen wichtig

sind:

7

(i) Interesse an Vorhersage und Kontrolle

Vorschriftliche Kosmologien lassen sich als analog zu un- seren wissenschaftlichen Theorien verstehen.

D.h. diese Kosmologien sind Antworten auf technisch-in-

strumentale Interessen.

Soziale Begriffe und Analogien sind in solchen Kosmolo- gien oft zentral.

Die soziale Ordnung wird als ein Modell und Ressource

genommen, um die Natur zu verstehen.

8

(ii) Zwei Arten von sozialen Interessen: (a) Ein Interesse an sozialem Management und sozialer

Kontrolle: Kosmologien werden benutzt, um die soziale Ordnung zu legitimieren, zu rechtfertigen, oder zu schwächen.

9

(b) Ein Interesse, die eigene Lebenserfahrung und -situation zu verstehen und mit ihr fertig zu werden: D.h. ein Interesse, für die eigene (soziale und nicht-soziale) Lebenssituation einen symbolischen Ausdruck zu finden. Das Ziel ist eine Repräsentation der sozialen Welt, die “psy- chischen Balsam” gibt.

10

(2) Anwendung dieser Ideen auf die Phrenologie in Edinburgh 19. Jh. (A) Allgemeines zur Phrenologie Franz Joseph Gall (1758-1828) Johann Caspar Spurzheim (1776-1832)

11

Sie waren in Frankreich am Ende des 18. und am Beginn des 19. Jahrhunderts tätig.

Ihre Ideen waren insbes. in den U.S.A. und Grossbritannien erfolgreich.

12

Wichtig: der Edinburgher Rechtsanwalt: George Combe (1788-1858)

In Edinburgh gab es in den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts viele Kontroversen um die Phrenologie.

13

(B) Grundannahmen der Phrenologie Menschen haben 27-35 separate und angeborene geistige Fähigkeiten (z.B. Sprachvermögen, Liebesdrang, musikali- sches Verständnis).

Jede dieser Fähigkeiten ist in einem anderen Organ des Ge- hirns lokalisiert.

14

Der Grad, zu dem man eine Fähigkeit besitzt, korreliert mit der Grösse des jeweiligen Gehirnorgans.

Man kann am Schädel einer Person "ablesen”, welche Fähig- keiten sie zu welchem Grad besitzt.

D.h. die Form des Schädels folgt der Form der Grosshirnrinde.

15

Die Umwelt kann das Wachtum der verschiedenen Fähigkeiten modifizieren und stimulieren.

Soziale Werte und Gefühle sind bestimmt durch die Interaktion von den z.T. angeborenen psychischen Fähigkeiten der Indivi- duen und den Institutionen einer bestimmten Gesellschaft.

16

17

18

(C) Wie die Phrenologie in Edinburgh benutzt wurde

Zur Erklärung von Persönlichkeitsunterschieden ...

Zum Verständnis und Stabilisierung der sozialen Ordnung ...

Die Phrenologie versprach Arbeitgebern geeignete Arbeitskräfte zu finden, und bei der Suche von passenden GattInnen zu helfen.

19

20

(D) Interesse an Vorhersage und Kontrolle

Sehr detailliertes Wissen über die Windungen des Grosshirns.

Graue und weiße Gehirnmaterie hat verschiedene Funktionen.

Die Hauptmasse des Gehirns besteht aus Fasern.

21

22

(E) Soziale Interessen

Die Edinburgher Phrenologen kamen aus der Bourgeoisie und dem Kleinbürgertum.

23

Zunehmende Arbeitsteilung und Spezialisierung der Produktion. Traditionelle soziale Hierarchien und Formen der sozialen Kon- trolle begannen sich aufzulösen. Wirtschaftliche Interessen wurden stärker. Die traditionelle Elite verlor ihre Machtstellung und die Mittel- schicht war auf dem Vormarsch.

24

(a) Interesse an symbolischem Ausdruck

Die Phrenologie erhöhte die Anzahl der Fähigkeiten.

Die sechs Fähigkeiten der alten Philosophie konnte nicht die neue Vielfalt der Berufe erklären.

Die Phrenologie zeigte, dass die neue Arbeitsteilung natür- lich war.

Und sie erklärte die neue soziale Realität von Wettbewerb und Auseinandersetzung: die Fähigkeit der “Gewissenhaftigkeit”.

25

Die Phrenologie machte auch die Erfahrung der zusammen- brechenden Hierarchien verständlich.

Der phrenologische Kosmos kannte keine strengen Grenzen zwischen Geist und Körper. Das Gehirn was das Organ des Geistes.

26

(b) Interesse an Manipulation und Kontrolle Die Phrenologie erlaubte es der aufstrebenden Bourgeoisie, sich von der Hegemonie der traditionellen Eliten zu befreien.

27

(I) Shapin über die Phrenologie

(II) Collins zu Weber und dem Regress der ExperimentatorInnen

(III) Bloors Programmatik

(IV) Bloor und Barnes zum Relativismus

(V) Laudans Kritik

(VI) Bloors Antwort auf Laudan

28

Der Regress der Experimentatoren Harry Collins (1943 -) Changing Order: Replication and Induction in Scientific Practice, 1985 (& T. Pinch), The Golem: What Everyone Should Know about Science, 1993 (& M. Kusch), The Shape of Actions: What Humans and Machines Can Do, 1998 (& R. Evans), Rethinking Expertise, 2009 Tacit and Explicit Knowledge, 2010 Gravity's Shadow: The Search for Gravitational Waves, 2004

29

(a) Lernexperiment: Ergebnis bekannt Handfertigkeit oder Instrument unbekannt (b) Experiment in der normalen Wissenschaft: Ergebnis unbekannt Handfertigkeit bekannt (c) Experiment in der „cutting-edge“ Wissenschaft: Ergebnis und Handfertigkeit unbekannt

30

Soziale Variante des Regresses

A B

X?

31

Soziale Variante des Regresses

A B

X?

X-Detektor

T+

D+

32

Soziale Variante des Regresses

A B

X?

“X-Detektor”

T-

D-

33

Soziale Variante des Regresses

A B

X?

X-Detektor “X-Detektor”

T+ T-

D+ D-

Replikation??

34

Der Regress

Die beiden Seiten können sich nicht auf die Detektoren einigen, denn sie können sich nicht auf die Existenzannahme einigen; … und sie können sich nicht auf die Existenzannahme einigen, denn sie können sich nicht auf die Detektoren einigen.

35

Empirische Be- obachtungen

Empirische Be- obachtungen

Theorie T1 Theorie T2

iden-tisch

Unterbestimmtheit

T1 und T2 postulieren verschiedene theoreti-sche (nicht beobacht-bare) Entitäten.

inkom- patibel

36

Daten und Instrumente

Daten und Instrumente

Theorie T1 Theorie T2

Regress der Experimentatoren

T1 und T2 postulieren verschiedene theoreti-sche (nicht beobacht-bare) und verschie-dene beobachtbare und messbare Enti-täten.

inkom- patibel

inkom- patibel

37

Die Fallstudie (a) Gravitationswellen Einsteins GTR / ART sagt vorher, dass massive Körper Gravitationswellen

produzieren.

Explodierende Supernovae, Schwarze Löcher, Zwillingssterne sollten erheb-liche Mengen solche Wellen hervorrufen.

38

(b) The Standardverfahren um 1970

Entwickelt von Professor Joseph Weber (1919-2000) von der Uni- versity of Maryland.

Er suchte nach Veränderungen in der Länge eines massiven Alu- minium-Barrens, Veränderungen, die auf die Schwankungen in der Gravitationsanziehung zwischen den Bestandteilen des Barrens zurückgehen.

Der Weber-Barren:

39

40

41

42

Das Problem des Signal/Rausch Verhältnisses:

Auf dem Diagrammblatt ständig Wellen und Wellenberge.

Entscheidung: Wann ist ein Wellenberg ein Signal?

Wie viele zufällige Wellenberge kann es geben, die nur auf Rauschen zurückgehen?

43

(c) Webers Behauptungen und ihre Rezeption

1969 behauptete Weber jeden Tag mehrere Wellenberge beob- achtet zu haben, die sich nur als Gravitationswellen interpretieren ließen. Seine Ergebnisse widersprachen den kosmologischen Theorien.

Er fand Gravitationswellen mit großer Flussdichte.

44

45

Was überzeugend aussah:

gleichzeitige Signalrezeption auf verschiedenen Barren, mehr als 1.000 km voneinander entfernt;

eine Periodizität der Signale, relativ auf die Galaxie und nicht auf die Sonne.

46

Der Regress der Experimentatoren

Die Wissenschaftler stritten sich, wer die guten, und wer die schlechten Detektoren hatte.

Wege, den Regress zu durchbrechen

Warum Wissenschaftler Weber oder seinen Gegnern glaubten:

47

Glaube an die experimentellen Fähigkeiten und Ehrlichkeit, beruhend auf einer früheren Zusammenarbeit

Persönlichkeit und Intelligenz des Experimentators

Ruf als Leiter eines großen Labors

Ob der Wissenschaftler in der Industrie oder in der Uni- versität gearbeitet hat

48

Geschichte der Fehlschläge

'Inside information'.

Stil und Präsentation der Resultate

Psychologischer Zugang zum Experiment

Größe und Prestige der Herkunftsuniversität

Integration in verschiedene wissenschaftliche Netzwerke

Nationalität

49

“… the definition of what counts as a good gravity wave detector, and the resolution of the question of whether gravity waves exist, are congruent social processes. They are the social embodiment of the experimenters' regress. ..."

50

Ab 1975 wurden Webers Behauptungen nicht mehr geglaubt … ... aber aus ganz verschiedenen Gründen …

51

Der Fehler im Computerprogramm …

Die Analyse des Hintergrundrauschens …

Der Fehler im Vergleich der Daten der beiden Detektoren …

Das Signal-Rausch-Verhältnis wurde nicht besser …

Die ihm widersprechenden Versuche der anderen … aber mit einer Ausnahme wurden diese Versuche auch von anderen kritisiert ….

52

Eine aggressive Intervention: Garwin “acted as though he did not think that the simple presen- tation of results with only a low key comment would be sufficient to destroy the credibility of Weber’s results.”

53

Die Episode der Kalibrierung:

Die Barren lassen sich hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit verglei- chen: u.z. durch elektrostatische Impulse bekannter Stärke. Hintergrundannahme: elektrostatische Impulse und Gravitäts- wellen haben die gleiche Wirkung auf den Barren. Als Weber schließlich einwilligte, seinen Barren derart zu kalibrie- ren, erwies sich dieser als weniger empfindlich als die anderen.

54

(I) Shapin über die Phrenologie

(II) Collins zu Weber und dem Regress der ExperimentatorInnen

(III) Bloors Programmatik

(IV) Bloor und Barnes zum Relativismus

(V) Laudans Kritik

(VI) Bloors Antwort auf Laudan

55

Das radikale Programm David Bloor (1941 -)

Knowledge and Social Imagery, 1976/1991 Wittgenstein: A Social Theory of Knowledge, 1983 Wittgenstein, Rules and Institutions, 1997

56

Radikale (“strong”) und moderate (“weak”) Programme In der Soziologie wissenschaftlichen Wissens: (I) Erster Gegensatz von radikal und moderat:

Moderat: Soziologische Analysen lassen sich nur im Falle der Sozialwissenschaften und der Geisteswissenschaften geben.

Radikal: Sie sind für alle Wissenschaften möglich.

57

(II) Zweiter Gegensatz von moderat und radikal:

… die Rolle von rationalen und sozialen Faktoren:

58

Wissen- schaft

Wahrheit

Falschheit

Rationale Faktoren

Soziale Faktoren

Das „moderate Programm”

59

Wissen- schaft

[Wahrheit]

[Falschheit]

Rationale Faktoren

Soziale Faktoren

Das „radikale Programm”

=

60

David Bloor in Knowledge and Social Imagery (1976) … „.... Die Soziologie wissenschaftlichen Wissens sollte sich an die folgenden vier Grundsätze halten ...”

61

1. Es ist kausal, d.h. es beschäftigt sich mit den Bedingungen, die Überzeugungen oder Wissenszustände hervorbringen. Natürlich gibt es auch andere Typen von Ursachen—neben den sozialen—welche ihren Beitrag zur Verursachung von Überzeugungen leisten.

62

2. Es ist unparteiisch gegenüber Wahrheit und Falschheit, Rationalität und Irrationalität, Erfolg und Misserfolg. Beide Seiten dieser Dichotomien verlangen nach Erklärung.

63

3. Es ist symmetrisch in seinem Erklärungsstil. Die gleichen Typen von Ursachen würden z.B. wahre und falsche Über-

zeugungen erklären.

64

4. Es ist reflexiv. Im Prinzip wäre sein Erklärungsmuster auch auf die Soziologie selbst anwendbar. … sonst wäre die Soziologie die Widerlegung ihrer eigenen Theorien.

65

Weitere zentrale Elemente

SSK ersetzt nicht die Psychologie ... Natürlich haben Indivi- duen ihre Sinneserfahrungen der natürlichen Welt.

Aber Sinneserfahrungen bedürfen eines Rahmens, in dem sie interpretiert werden. Und dieser Rahmen ist sozial.

Das Wissen unserer Kultur ist vor allem Wissen, das geteilt wird, und über das hinausgeht, was Individuen (für sich ge- nommen) wissen.

66

Wissenschaftliches Wissen ist vor allem “theoretisch”. Aber Theorien sind

uns nicht in unserer Sinneserfahrung gegeben. Sie geben den Erfahrungen ihre Bedeutung und Zusammenhang.

Das heißt nicht, dass sie nicht auch durch Erfahrungen verändert werden können.

“Die theoretische Komponente des Wissens ist eine soziale Komponente,

und sie ist ein notwendiger Teil der Wahrheit, nicht ein Zeichen bloßen Irrtums.”

67

Der Empirizismus hat recht, wenn er behauptet, dass unsere Physiologie

sicherstellt, dass unsere Wahrnehmungen unserer materiellen Umwelt konstant und geteilt sind.

Unsere Sinneswahrnehmung trifft auf unsere bereits existierenden Über-zeugungen. Und sie führt oft zu einer Veränderung dieser Überzeugungen.

Aber wie die bereits existierenden Überzeugungen verändert werden, ist

nicht schon durch die Sinneswahrnehmung selbst bestimmt.

68

Das Paralellogramm der Kräfte:

Erfahrung

Frühere Annahme

Resultierende Annahme

69

Die soziale Komponente ist irreduzibel, soll die Erfahrung eine be-

stimmte Wirkung haben. In allem Wissen eine soziale Komponente. SSK beinhaltet eine Version des Empirizismus, eine psychologische

Theorie. “... unsere Wahrnehmungen beeinflussen unser Denken mehr als

umgekehrt.”

70

SSK setzt voraus, dass wir, durch unsere Erfahrung, systematisch auf

die Welt reagieren, d.h. kausal mit ihr interagieren.

“Materialismus und die Zuverlässigkeit der Sinneswahrnehmung

werden von der Wissenssoziologie vorausgesetzt ...”

71

(I) Shapin über die Phrenologie

(II) Collins zu Weber und dem Regress der ExperimentatorInnen

(III) Bloors Programmatik

(IV) Bloor und Barnes zum Relativismus

(V) Laudans Kritik

(VI) Bloors Antwort auf Laudan

72

Barry Barnes & David Bloor: “Relativism, Rationalism and the Sociology of Knowledge” (1982)

Barry Barnes David Bloor

73

Elemente des Relativismus:

(a) Es gibt verschiedene Überzeugungen über ein bestimmtes Gebiet. (b) Welche dieser Überzeugungen sich in einem bestimmten Kontext finden, hängt von den Umständen der Benutzer ab. (c) Symmetrie oder Äquivalenz Postulat(e):

74

(c) Symmetrie oder Äquivalenz Postulat(e):

(c1) Alle Annahmen sind gleichermaßen wahr. (c2) Alle Annahmen sind gleichermaßen falsch.

(c3) Alle Annahmen sind sich hinsichtlich der Ursachen ihrer Glaub- würdigkeit gleich. Ihre Glaubwürdigkeit hat immer spezifische, lokale Ursachen. Und diese muss die SoziologIn finden.

75

(I) Shapin über die Phrenologie

(II) Collins zu Weber und dem Regress der ExperimentatorInnen

(III) Bloors Programmatik

(IV) Bloor und Barnes zum Relativismus und Realismus

(V) Laudans Kritik

(VI) Bloors Antwort auf Laudan

Laudans Kritik am Symmetrie-Prinzips (1984) „... in welcher Wissenschaft wird angenommen, dass alle Ereignisse mit

derselben Art kausaler Mechanismen erklärt werden müssen?“ „Besonders wenn es um den Unterschied zwischen rationalen und irra-

tionalen Annahmen geht”, scheint es falsch, sich nicht auf verschiedene Ursachen zu berufen.

76

• Einfaches Handungsmodell:

Ein rational Handelnder hat verschiedene Ziele und Überzeu- gungen über die Welt.

Seine Rationalität besteht darin, dass er sich auf einen Prozess

der Überlegens einlässt um herauszufinden, zu welchen Hand- lungen ihn seine Ziele und Überzeugungen verpflichten.

77

Damit eine Überzeugung rational akzeptiert wird, muss der Handelnde

Gründe (...) angeben können, in deren Licht die Akzeptanz dieser Über- zeugung der Akzeptanz ihres Gegenteil vorzuziehen ist. Dies ist eine kausale Theorie der Rationalität …

Und dennoch werden nach diesem Modell rationale und irrationale Überzeugungen verschieden erklärt.

Und die Erklärung durch rationale Gründe unterscheidet sich prinzipiell

von Erklärungen durch soziale Interessen.

78

Bloor scheint zu verneinen, dass Rationalität kausal wirksam ist.

Der Unterschied von rational / irrational zeigt sich auch bei Gruppen: Vgl. eine Gruppe rationaler Handelnder mit einer Gruppe von epistemischen Anarchisten. In der letzteren Gruppe orientiert man sich nicht an epistemischen Prinzipien.

79

Der „Fehlschluss der teilweisen Beschreibung“: Die Wissenschaft ist eine soziale Aktivität, daher wird sie am besten mittels der Soziologie erforscht. Das wäre nur dann wahr, wenn die Wissenschaft ausschließlich ein soziales Phänomen wäre.

80

81

(I) Shapin über die Phrenologie

(II) Collins zu Weber und dem Regress der ExperimentatorInnen

(III) Bloors Programmatik

(IV) Bloor und Barnes zum Relativismus und Realismus

(V) Laudans Kritik

(VI) Bloors Antwort auf Laudan

Bloors‘ Antwort: Laudans Modell der Rationalität ist zunächst eine Beschreibung

„natürlicher“ Rationalität, eines psychologischen Faktums.

Kontra Laudan: SSK verlangt nicht, die detaillierte kausale Ge-schichte müsse gleich sein, egal ob diese „rationale Maschine“ funktioniert oder nicht.

Stimmt nicht! Nur die gleichen Typen von kausalen Faktoren.

82

Experimentelle Psychologen untersuchen natürliche Rationalität.

Z.B. Gregorys Wahrnehmungspsychologie gibt die gleichen Typen von Erklärungen für korrekte und inkorrekte Wahrnehmung.

Und psychologische Lerntheorie benutzt ganz ähnliche Modelle wie das von Laudan. Auch hier ohne Bewertung.

83

Aber Laudan will die verschiedenen Gruppen (die normalen und die Anarchisten) bewerten! Das ist nicht mehr natürliche, das ist normative Rationalität.

84

Kritiker machen die Unterscheidung:

Epistemische Faktoren Soziale Faktoren experimentelle Daten Gruppenzugehörigkeit theoretische Annahmen Klasseninteressen logische Bewertungen metaphysische Prinzipien logische Schlüsse

85

Aber diese Gegenüberstellung ist falsch!

Epistemische Faktoren sind ebenfalls soziale Faktoren.

86

87