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archithese 5.08 - Shopping Centers

Date post: 23-Mar-2016
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archithese Shoppingcenter auf Expansionskurs Auswirkungen innerstädtischer Shoppingcenter Malls am Stadtrand und Raumentwicklung Shoppingcenter in Nordamerika Der hohe Preis des tiefen Preises Daniel Libeskind: Westside, Bern Theo Hotz: Sihlcity, Zürich Holzer Kobler: EbiSquare, Ebikon EM2N Staataarchiv BL, Liestal Egli Roher Partner Wohnsiedlung In Wannen, Winterthur 5.2008 Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur International thematic review for architecture Shopping Centers
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architheseShoppingcenter auf Expansionskurs

Auswirkungen innerstädtischer Shoppingcenter

Malls am Stadtrand und Raumentwicklung

Shoppingcenter in Nordamerika

Der hohe Preis des tiefen Preises

Daniel Libeskind: Westside, Bern

Theo Hotz: Sihlcity, Zürich

Holzer Kobler: EbiSquare, Ebikon

EM2N Staataarchiv BL, Liestal

Egli Roher Partner Wohnsiedlung In Wannen, Winterthur

5.2008

Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur

International thematic review for architecture

Shopping Centers

Leserdienst 103

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2 archithese 5.2008

E d i t o r i a l

Shoppingcenter

Westside – das Einkaufs- und Erlebniszentrum von Daniel Libeskind, das dieser

Tage in Bern-Brünnen eröffnet wird – steht Pate für den schlagenden Erfolg einer

Geschäftsidee aus den Fünzigerjahren: der des Shoppingcenters. Unter einem

Dach vereinen seine Betreiber einen spezifischen Mix aus Waren und Dienstleis-

tungen und locken damit täglich mehrere 1000 bis 10000 Kunden an. Die Dimen-

sionen dieses Einkaufskonzepts sind auch räumlich gigantisch: In Stadtzentren

beläuft sich inzwischen die Fläche einer Shoppingmall ohne Weiteres auf 100000

Quadratmeter, Megamalls erreichen gar Ausmasse von bis zu einer Million.

Nicht nur aufgrund ihrer immensen Grösse fordern Shoppingcenter Aufmerk-

samkeit ein, die auch wir mit diesem Heft leisten. Wie mehrere Artikel unter je-

weils unterschiedlichen Blickwinkeln offenlegen, bleiben die Interventionen im

urbanen und sozialen Raum nie ohne Konsequenzen. Wo ein Shoppingcenter sei-

nen Betrieb aufnimmt, verändern sich Bodenpreise, Verkehrsaufkommen, städti-

sche Raum- und Nutzungsstrukturen und urbaner Charakter. Hinter diesen mehr

oder weniger gewünschten Effekten stehen gezielte wirtschaftliche Begehren:

Entwickler wittern lukrative Geschäfte, Grossverteiler können Präsenz markieren,

Gemeinderäte spekulieren auf «Standortvorteile», Arbeitsplätze und Steuergelder.

Der Weg zum Ziel führt über ausgefeilte Kalkulationen, die besonders auch die

Gestaltung tangieren. Zum einen soll das architektonische Gewand des Centers

entweder möglichst billig oder aber dann – Westside verspricht es – anspruchsvoll

entworfen sein. Zum anderen wird die innere Erlebniswelt mit allen erdenklichen

Mitteln kontrolliert: Oberflächen, Bilder, Geräuschkulissen, Düfte oder verschie-

dene Designobjekte wie Möbel und Leuchten sollen ein Gesamtambiente bieten,

welches das Publikum anlockt, verzückt und (zum Konsum und Einkauf) animiert.

Wieweit hier Gestalter auch experimentell und innovativ ans Werk gehen können,

zeigt das Beispiel von EbiSquare.

Learning from shopping centers … So spezifisch die Rahmenbedingungen beim

Bau eines Einkaufszentrums auch sein mögen, so sehr spiegeln sie doch eine Reihe

grundsätzlicher Aspekte wider, auf die man auch bei anderen Bauaufgaben trifft.

Die Überlegungen zu den Tendenzen im Bereich der Shoppingmalls sind ernst zu

nehmen – so oder so.

Redaktion

In eigener Sache: Bernadette Fülscher, die seit Januar 2008 als Redaktionsmitglied

bei uns tätig war, hat die archithese Ende August verlassen.

EbiSquare, Ebikon

Page 4: archithese 5.08 - Shopping Centers

34 archithese 5.2008

Text: Jochen Paul

Nachdem sie in den Neunzigerjahren die neuen Bundeslän-

der aufgerollt hatten, konzentrierten sich die Entwickler von

Shoppingcentern nach der Jahrtausendwende zunehmend

auf die noch jungen und ungesättigten Märkte in Mittel-, Süd-

und Osteuropa. Allein der Branchenprimus, die Hamburger

ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG, hat in dieser Re-

gion insgesamt 22 Center mit einer Verkaufsfläche zwischen

15 000 und 70 000 Quadratmetern realisiert; derzeit in Pla-

nung: drei in Bulgarien, sechs in Polen, eins in Rumänien,

zwei in Russland, drei in Tschechien, fünf in Ungarn sowie

je eines in Litauen und der Ukraine; die durchschnittliche

Verkaufsfläche liegt bei 45 000 Quadratmetern. In den kom-

Shoppingcenter und ihre Entwickler auf Expansionskurs Seit einigen Jahren erfreuen sich die Deve-

loper von Shoppingcentern an spektakulären Gewinnen insbesondere im erweiterten Europa und agieren

dort mit grossen Gesten. Auf die Kritik, die verschiedentlich an den Auswirkungen der Megamalls geübt

wird, reagieren die Entwickler gelassen bis selbstbewusst – und können dabei auf Unterstützung zählen.

«Lebendige MarktpLätze» für ganz europa

menden fünf Jahren will die ECE im Joint Venture mit der US-

amerikanischen Developers Diversified Realty Corporation

allein in Russland und der Ukraine bei einem Eigenkapital

von 225 Millionen bis zu einer Milliarde Euro investieren; die

österreichische ImmoEast erwarb für 450 Millionen Euro das

Moskauer Einkaufszentrum GoodZone und erhöhte damit ihr

Portfolio auf 17 Objekte mit insgesamt 750 000 Quadratme-

tern Verkaufsfläche.

Attraktives Südosteuropa

Neben Russland ist vor allem Südosteuropa trotz der einen oder

anderen politischen Krise für Investoren und Developer hoch

attraktiv: Die Nachfrage ist in allen Bereichen höher als das

Angebot; jedes neue Projekt, das auf den Markt kommt, fin-

det innerhalb kürzester Zeit seine Nutzer, die Mieten steigen

und es gibt so gut wie keine Leerstände. Meist noch dominie-

ren lokale Akteure die Aktivitäten ausserhalb der jeweiligen

Haupt- und Grossstädte, aber auch für internationale Deve-

loper werden regionale Oberzentren zusehends interessant.

Zum Beispiel die Ukraine: Hier entwickelt unter anderem die

italienische King Cross ein Projekt in Lviv (Lemberg), das

griechische Unternehmen Michaniki mehrere Einzelhandels-

projekte in Odessa und 1849 Plc. aus London zwei Shopping-

center in Kriwoi Rog und Chernivtsi (Tschernowitz). Obwohl

sich in Kiew das Fertigstellungsvolumen 2007 gegenüber

dem Vorjahr verdoppelt hat, besteht das Ungleichgewicht

von Angebot und Nachfrage substanziell weiter: Die meisten

Flächen, die auf den Markt kamen, waren vorab bereits an An-

kermieter vergeben, sodass kleinere Einzelhändler nach wie

vor Schwierigkeiten haben, zu expandieren. Weiteres Wachs-

tum und stabile Preise sind also gesichert. Nicht anders sieht

die Situation in Bulgarien aus: Das Wirtschaftswachstum lag

in den vergangenen Jahren bei konstant sechs Prozent, die

Einkommens- und die Unternehmensbesteuerung liegen bei

zehn Prozent; zudem erhält Bulgarien Fördermittel der Eu-

ropäischen Union, der Weltbank, des Internationalen Wäh-

rungsfonds und der Europäischen Investitionsbank. Dazu

hat Sofia im Januar 2007 einen Masterplan verabschiedet,

Baugenehmigungen werden zeitnah erteilt, und in Bezug

1 Phoenix-Center Hamburg-Harburg (Fotos: ECE)

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35

auf die Entwicklung westeuropäischer Shoppingcenter steht

die Stadt noch am Anfang: Aktuell kommt ein Quadratmeter

Einkaufsfläche auf 1000 Einwohner – der EU-Durchschnitt

liegt bei 171 Quadratmetern. Kein Wunder also, dass die

ECE zusammen mit der Wiener Sparkassen Immobilien AG

180 Millionen Euro in 35 000 Quadratmeter Büro- und 50 000

Quadratmeter Einzelhandelsfläche investiert. Weitere 500

Millionen Euro fliessen in den Bau des Europe Park und des

Europe Tower Sofia – mit 180 Metern Bulgariens höchstes

Bürogebäude; den Standort auf einem ehemaligen Fabrikge-

lände in der Innenstadt Sofias entwickelt die ECE zusammen

mit der Advance Properties Ltd.

Massnahmen gegen den härteren Wind zu Hause

Auch wenn die Zeit der «Pioniergewinne» allmählich zu

Ende geht, brummten Shoppingcenter – nicht zuletzt

wegen der zahlreichen internationalen Investmentfonds

– in den letzten Jahren derart, dass die grösste Sorge der

Branche war, ihr Geschäft könne sich zu kapitalmarkt-

orientiert entwickeln. Dabei sind Unternehmen aus

Westeuropa wegen ihrer Professionalität bei Objektent-

wicklung, Projekt- und Centermanagement gesuchte

Gesprächspartner der Städte und Kommunen: Viel mehr,

als Kontakte zu Entscheidungsträgern zu pflegen, braucht

es nicht. Im Gegensatz dazu sind die Heimatmärkte weit-

2 Galeria Baltychka, Danzig 3 Galeria Krakowska, Krakau

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46 archithese 5.2008

Theo Hotz: Sihlcity, Zürich Nur einen Kilometer vom Paradeplatz entfernt, ist auf dem Geländer der früheren

Sihl-Papierfabrik das Urban-Entertainment-Center Sihlcity entstanden. Stärker als anderswo behauptet sich hier

die Architektur als bestimmendes Element des Centers gegenüber der Welt des Kommerzes.

Starke GeSten

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Text: Hubertus Adam

Lange Zeit war in Zürich ungewiss, was mit dem Areal der

1977 stillgelegten Sihl-Papierfabrik geschehen solle. Erst ein

1999 gestartetes, zunächst «Sihlpark» genanntes Projekt

führte zum Erfolg; die städtebauliche und architektonische

Planung war Theo Hotz übertragen worden. Das Grundkon-

zept blieb bewahrt, auch wenn der Nutzungsmix und die

Formung einzelner Gebäudekörper im Verlauf der Planung

modifiziert wurden.

Das Sihlcity-Areal liegt zentrumsnah, an der Schnittstelle

der Zürcher Stadtkreise Wiedikon und Enge. Prägend für den

Ort waren die Altbauten der Papierfabrik, vor allem aber die

auf Stützen über der Sihl geführte Trasse der Autobahn. Ent-

sprechend den Charakteristika des Orts setzte Theo Hotz

auf grossmassstäbliche Strukturen und auf einen durchaus

industriellen Charakter und bezog somit eine dezidierte

1 Luftaufnahme von Süden

2 Blick vom Kalanderplatz Richtung Sihl (Fotos: Niklaus Spoerri, Zürich)

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60 archithese 5.2008

Text: Christian Schubarth und Tom Stettler

Ist das Shoppingcenter im suburbanen Raum vom Ausster-

ben bedroht? Seine Entstehung in der zweiten Hälfte des 20.

Jahrhunderts wird mit der Nähe zu Autobahnanschlüssen

in Verbindung gebracht. Damit haben Shoppingcenter – zu-

sammen mit den Einfamilienhäusern und der automobilen

Fortbewegung – eine emblematische Eigenschaft bei der

Beschreibung des suburbanen Raums. Dieser ist heute nach

wie vor populär, wird aber in Fachkreisen wegen seines

hohen Flächenbedarfs und seiner Umweltbelastungen als

problematisch angesehen. Shoppingcenter im Besonderen

sind hierbei Konsummaschinen, aus dem Kontext fallende,

schnell und billig erstellte Grossanlagen. Gemäss der Fach-

literatur haben Shoppingcenter in den letzten zehn Jahren

wieder vermehrt die Nähe von Stadtzentren gesucht.1 Dort

sind sie besser mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen

und verfügen dank städtebaulicher Planungen über höhere

Aufenthaltsqualitäten. Dieser Trend würde bedeuten, dass

Shopping keine eigentliche suburbane Handlung mehr wäre

und die Raumidentität von Shoppingcentern einer grundle-

genden Veränderung ausgesetzt würde.

Das Anfang der Achtzigerjahre eröffnete Avry Centre liegt

fünf Kilometer südlich vom Freiburger Stadtzentrum oberhalb

des Autobahnanschlusses Matran, an der A12 Bern – Vevey.

Es umfasst fünfzig Läden (Supermarkt, Do-it-Yourself, Möbel,

Bekleidung, Sportartikel, Telefone), zwei Banken, eine Post

und fünf Gastronomiebetriebe; eigentliche Freizeitangebote

wie Fitness oder Kegelbahn gibt es nicht. Abends ist es bis

19 Uhr geöffnet, am Freitag bis 21 Uhr. 2000 Gratis-Parkplätze

stehen zur Verfügung. Ein Vorortsbus bedient Avry Centre

stündlich, am Mittwochnachmittag fährt ein Gratisbus vom

Bahnhof Freiburg. Eine Haltestelle für den Regionalzug ist in

Planung. Die Fläche macht es zum drittgrössten, der Umsatz

zum zehntstärksten Shoppingcenter der Schweiz.

Die industrielle Massenproduktion von Waren für eine

breite Schicht der Bevölkerung bedingte eine entsprechende

Rationalisierung der Verteilung. Mit zunehmender Diversifi-

zierung von Angebot und Nachfrage wurden diese Prozesse

noch einmal komplizierter. Der Detailhandel hatte zwei Mög-

lichkeiten: die Beschleunigung der Stoffflüsse, sprich perso-

nalaufwendiges Nachfüllen der Regale, oder die Vergrösse-

rung der Verkaufsfläche. Dank des zur Verfügung stehenden

Landes am Stadtrand war die zweite Möglichkeit billiger. So

wurden Shoppingcenter zu strategischen Plattformen für die

Feinverteilung. Je disperser die Siedlungsentwicklung auf-

trat, desto konzentrierter behauptete sich die Versorgungs-

infrastruktur.

Auf einer übrig gebliebenen Parzelle unmittelbar beim

Eingang des Parkplatzes hat sich ungefähr zehn Jahre nach

der Eröffnung von Avry Centre ein Fast-Food-Drive-In ein-

Aspekte der Raumentwicklung zum Einkaufen am Stadtrand Was macht Shoppingcenter im suburbanen

Kontext zu problematischen Objekten der Raumentwicklung? Theoretische Überlegungen, empirische Beobach-

tungen in der Agglomeration Freiburg und dem westlichen Mittelland sowie Gedanken über bestehende und

zu erfindende regulierende Massnahmen in der Schweiz.

Die Qual Der Mall

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gerichtet. Der Tankstellen-Shop ist ausgebaut worden und

nun auch abends und am Sonntag offen. Direkt gegenüber

liegt das in den Neunzigerjahren gebaute Avry Bourg – eine

Anlage für Läden, Kleingewerbe und Nachbarschaftsdienst-

leistungen. Gleich beim Autobahnanschluss, auf dem Territo-

rium der Nachbargemeinde, ist vor zwei Jahren eine Aufrei-

hung von Fachmärkten entstanden. Wo vor dreissig Jahren

ein Einkaufszentrum als Einzelobjekt gebaut wurde, haben

parasitäre Nutzungen und sonstige Projekte im Lauf der Zeit

einen heterogenen und räumlich fragmentierten Konsum-

cluster generiert.

Für den Europäer Marc Augé zählen Shoppingcenter zu

den Nicht-Orten – einem Konzept, das er als bedeutend für

die aktuelle Zeit erachtet. Es sind für ihn «Räume, die für

gewisse Zwecke (Einkaufen) erstellt wurden», die im Ge-

gensatz zum «Ort» im anthropologischen Sinn aber keine

«organische Sozialität», sondern «vertragliche Einsamkeit»

generieren.2 Augés pessimistische Betrachtung ist stellver-

tretend für eine verbreitete Ablehnung von Shoppingcentern.

Demgegenüber wählt der US-Amerikaner Joël Garreau eine

positive Position. Auch für ihn sind Shoppingcenter struk-

turelle Fixpunkte der heutigen Raumordnung, doch sieht er

darin eine innovative Entwicklung.3 Andere amerikanische

Autoren stellen den Konsumenten ins Zentrum ihrer Über-

legungen und sehen in ihnen nicht Opfer von Marketingkal-

külen, sondern emanzipiert entscheidende Akteure, die im

Suburbanen ihre Lebensqualität gefunden haben.4

Matran ist der südlichste von vier Autobahnanschlüssen

innerhalb der 70 000 Einwohner zählenden Agglomeration

Freiburg. Beim Anschluss Freiburg-Süd befinden sich ein

sehr populäres Shoppingcenter und ein Fachmarkt. Sie sind

Teil einer grösseren Gewerbe- und Industriezone. Beim An-

schluss Freiburg-Nord haben sich quer zur Autobahn, entlang

der Murtenstrasse verschiedene publikumsintensive Ein-

richtungen angesammelt. Zuerst kommen die Eishalle und

das Fussballstadion, Einkaufszentren und Fachmärkte von

mittlerer Grösse, Tankstellen, Kleingewerbe, die Messehalle,

das Kasino und ein Hotel; dann, auf der anderen Seite der

Autobahn, noch eine Tankstelle, ein Fast-Food-Drive-In, noch

einmal ein Fachmarkt, ein Car-Sales-Center sowie Dienst-

leistungen, Verwaltung und ein Uni-Institut. Beim Anschluss

Düdingen, 7 Kilometer nördlich von Freiburg, dominiert die

Industrie. Bald werden dort Läden von zwei Discount-Ketten

eröffnet.

Auch regelmässige Kunden empfinden Shoppingcenter

nicht als ideale Orte. Sie schätzen die funktionalen Qualitä-

ten. Sie suchen sie nicht zu oft, aber dafür gezielt auf. Aus der

Sicht der Raumentwicklung hingegen gehören Shoppingcen-

ter aus den eingangs erwähnten Gründen zu den problema-

tischsten Objekten überhaupt. Im Zusammenhang mit dem

neuen Engagement für die Siedlungsentwicklung nach innen

werden Shoppingcenter an suburbanen Standorten kritisiert,

und es wird an regulierenden Massnahmen getüftelt.

In Avenches, auf halben Weg zwischen Stadtzentrum

und Autobahnanschluss an die A1 BernYverdon, wurde im

Jahr 2004 das Milavy Centre eröffnet. Es handelt sich um ein

mittelgrosses Shoppingcenter. Wer von Avenches aus ein

wirklich grosses Center besuchen will, war bisher in gut 20

Minuten im Avry Centre bei Freiburg, in knapp 30 Minuten

im Marin Centre bei Neuenburg oder in gut 30 Minuten im

Shoppyland Schönbühl bei Bern. Ab sofort ist er in knapp 20

Minuten im Westside am Berner Stadtrand.

1 Wegweiser bei Avry (FR) (Fotos und Skizzen: IC Infraconsult)

2 Aussicht vom Avry Centre (FR)

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No-Stop City

1 Ausstellungspla-kat, Archizoom und Superstudio, 1966 2–4 Archizoom Associati, No-Stop City, inszenierte Innenlandschaften, 1971

2

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«Superarchitektur ist …»

Archizoom und Superstudio, 1966

Text: Marc Angélil

In einer Ausstellung 1966 in Pistoia mit dem Titel SUPER-

ARCHITETTURA thematisierten zwei Gruppen junger Archi-

tekten, Archizoom Associati und Superstudio, die Frage der

potenziellen Auswirkungen der Konsumgesellschaft auf die

gebaute Umwelt. Mit einem Sinn für Humor, ohne jedoch die

Botschaft zu vereiteln, macht die Anzeige auf dem Ausstel-

lungsplakat deutlich, worum es geht: «Superarchitektur ist

die Architektur der Superproduktion, des Superkonsums, des

Superanreizes zu konsumieren, des Supermarkts, des Super-

man und des Superbenzins.»1 Was hier Umrisse anzunehmen

beginnt, ist ein Verständnis der Architektur als Kritik, nicht

mehr ausschliesslich als Fachgebiet in dienender Funktion,

sondern als gewandtes Mittel, um gesellschaftliche Entwick-

lungen hervorzuheben und zu hinterfragen. Hierin wird dem

architektonischen Projekt eine besondere Bedeutung zuge-

sprochen, insofern als der Entwurf Beobachtungen und Aus-

sagen in überspitzter Form unmittelbar zu vermitteln vermag.

Architektur wird als eine Art von Forschung verstanden, de-

ren Zweck darauf ausgerichtet ist, vorherrschende kulturelle,

ökonomische und politische Mechanismen in ihrem Kern zu

beleuchten.

In den darauf folgenden Jahren entwickelte Archizoom

unter der Leitung von Andrea Branzi eine Reihe von Projek-

ten, die unter dem Titel No-Stop City sich im Speziellen der

Entwicklung des urbanen Territoriums widmeten. Die ihnen

zugrunde liegende These beruht darauf, die zeitgenössische

Stadt als Produkt dominanter marktwirtschaftlicher Kräfte zu

verstehen. Im Aufsatz «Die Stadt als Fliessband der Gesell-

schaft», 1970 in der Zeitschrift Casabella veröffentlicht, wird

die Aussage gemacht, dass «die Stadt aus dem Kapital ge-

boren wird und sich innerhalb seiner Logik entwickelt»; das

kapitalistische System auferlegt der Stadt seine Ideologie,

«in der Form eines brutal funktionierenden Systems», des-

sen operative Prinzipien den Verfahren der Güterproduktion

entspringen und in der Folge die urbane Entwicklung leiten.2

Genauso wie Waren auf mechanische und serielle Art erstellt

werden, wird Stadt geschaffen, wobei auch hier nicht mehr

die Frage der Qualität im Vordergrund steht, sondern nur

Architektur als Kritik In den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren verglichen Archizoom und

Superstudio die Produktion der zeitgenössischen Stadt mit ökonomischen Bedingungen, wie sie sich

damals in Raumtypen wie den Shoppingmalls auf neue Weise manifestierten. Die Projekte, die aus ihrer

Analyse resultierten, lesen sich aus heutiger Sicht weniger utopisch denn realisiert.

3

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86 archithese 5.2008

A R c h i t e k t u R A k t u e l l

Dichte Packung

eM2N: StAAtSARchiv kANtoN BASel-lANd-

SchAft, lieStAl, 2000 –2007

Durch die Erweiterung wurde das Gebäude

des Staatsarchivs Liestal zu einem kompakten

Volumen, das von einem Belvedere gekrönt

wird. Den Architekten ist es gelungen, das

problematisch gelegene Gebäude zumindest

optisch mit dem Stadtzentrum zu verzahnen.

fährt man von Basel aus mit dem Zug Richtung

Sissach, olten und Zürich, so gerät kurz vor der

Bahnhofsdurchfahrt in liestal ein irritierendes Ge-

bäude ins Blickfeld: ein orthogonales, blockhaftes

volumen, das von einem gläsernen Aufsatz gekrönt

wird. ungewöhnliche wirkt aber nicht so sehr das

Gebäude selbst, ungewöhnlich wirkt vielmehr der

kontrast zur umgebung, die aus biederen einfami-

lienhäusern besteht.

Beim vorbeifahren erscheint es so, als sei hier

inmitten eines Wohngebiets ein Neubau entstanden.

doch in Wahrheit handelt es sich um einen radikalen

umbau. lange schon befand sich das Staatsarchiv

des kantons Basel-land gleichsam auf der falschen

Seite der Stadt, vom historischen kern durch die

auf einem damm geführte Bahntrasse getrennt. der

ursprüngliche Bau bestand aus einem quer zur Stras-

se orientierten Gebäudeteil mit den eigentlichen

Archivbereichen und einem im rechten Winkel daran

anschliessenden verwaltungstrakt. im laufe der Jah-

re aber war die bestehende einrichung zu klein ge-

worden: es bedurfte grösserer Archivflächen ebenso

wie zusätzlicher Büros und eines kulturgüterschutz-

raums, vor allem aber entsprachen die Publikumsbe-

reiche nicht mehr dem zunehmenden Nutzerverkehr.

daher schrieb der kanton Basel-landschaft im Jahr

2000 einen Wettbewerb für eine erweiterung aus,

den eM2N für sich entscheiden konnten.

die Zürcher Architekten negierten eine zentralen

forderung der Auslobung, nämlich die erweiterung

des Archivs in die fläche. Anstatt das ensemble aus

zwei Baukörpern durch weitere Zubauten horizontal

zu ergänzen plädierten sie exakt für die gegenteili-

ge Strategie, nämlich die komprimierung aller Nut-

zungsbereiche in ein blockhaftes volumen. erhalten

vom Baubestand blieb die Archivbox, das verwal-

tungsgebäude wurde abgerissen. das Rumpfgebäu-

de erhielt anschliessend neue Zubauten: Rückseitig,

also im Westen, entstand ein neuer verwaltungstrakt,

im Süden lagert sich an die längsseite eine Raum-

schicht an, welche neben neuen Magazinräumen

auch eine hausmeisterwohnung umfasst. die ent-

scheidende hinzufügung aber gelang eM2N mit dem

obersten Geschoss, das als ringsum verglastes Bel-

vedere ausgebildet ist und damit in denkbar grössten

kontrast zu dem blockhaft geschlossenen Sockel

tritt. hier, auf der obersten ebene, befinden sich die

neuen Publikumsbereiche – in form einer transpa-

renten, grosszügigen Raumstruktur. verschieden ge-

tönte Glasscheiben grenzen aus dem dreischiffigen

lesesaalbereich einige kompartimente aus, die als

Arbeitszone oder Besprechungszonen genutzt wer-

den, im Westen sind hinter einer trennwand weitere

Büros für die verwaltung angeordnet. durch die

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1 Blick von der Strasse auf das Archivgebäude (Fotos 1, 9, 11, 17: Hannes Henz) 2–8 Volumetrisches Konzept (Fotos: EM2N)


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