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Ambulante Psychotherapie in Deutschland aus Sicht der Patienten – Teil 2: Wirksamkeit

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51 Psychotherapeut 1 · 2011 | Redaktion M. Cierpka, Heidelberg Psychotherapeut 2011 · 56:51–60 DOI 10.1007/s00278-010-0779-y Online publiziert: 22. Oktober 2010 © Springer-Verlag 2010 Cornelia Albani 1 · Gerd Blaser 2 · Michael Geyer 3 · Gabriele Schmutzer 4 · Elmar Brähler 4 1 SINOVA-Kliniken Verbund des Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg, Schussental-Klinik gGmbH, Aulendorf 2 Psychotherapeutische Praxis, Bad Schussenried 3 Akademie für Psychotherapie, Erfurt 4 Selbstständige Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Leipzig Ambulante Psychotherapie in Deutschland aus Sicht der Patienten Teil 2: Wirksamkeit Originalien Hintergrund und Fragestellung Um unter den sich verändernden Rah- menbedingungen im deutschen Gesund- heitssystem (Z. B. zunehmende Ökono- misierung und Merkantilisierung, demo- grafische Veränderungen bei Patienten und Behandlern etc.) konkrete Lösungen für eine verbesserte Patientenversorgung und dementsprechend auch für eine ad- äquate Berufsausübung der Leistungser- bringer zu ermitteln, sind verstärkt Initi- ativen und Projekte im Bereich der Ver- sorgungsforschung im Sinne „der wissen- schaftlichen Untersuchung des Versor- gungsgeschehens von Einzelnen und der Bevölkerung mit gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen unter Alltagsbedingungen“ (Scriba u. Fuchs 2010, S. B709) notwendig. Versorgungs- forschung in der Psychotherapie und Psy- chosomatik, für die derzeit noch ein Defi- zit an empirischen Daten zur Realversor- gung v. a. im ambulanten Bereich zu kon- statieren ist, sollte u. a. die Versorgungs- situation bezüglich psychosomatischer und psychischer Störungen beschreiben und Versorgungskonzepte unter realen Bedingungen evaluieren (Rabe-Menssen et al. 2010). Diese Forderung wird einer- seits durch die zunehmende volkswirt- schaftliche Bedeutung psychischer Stö- rungen bestärkt – beispielhaft werden An- gaben der Barmer GEK (2010) aufgeführt: Psychische und Verhaltensstörungen ver- ursachten 18% aller Arbeitsunfähigkeits- (AU-)Fälle (2008: 17%) und sind damit zweithäufigste Krankheitsart für AU nach Muskel- und Skeletterkrankungen, die 23% aller AU-Fälle verursachten (2008: 24%); es folgen Erkrankungen des At- mungssystems 16% (2008: 15%) sowie Ver- letzungen und Vergiftungen 8,0% (2008: 8%). Für psychische und Verhaltensstö- rungen ergab sich folgende Steigerung der Erkrankungsdauer: 2007: 35,3 Tage, 2008: 39,1 Tage, 2009: 40,5 Tage (Erkrankungs- dauer 2009 bei Muskel- und Skelett-Er- krankungen: 21,9 Tage, bei Krankheiten des Kreislaufsystems: 21,8 Tage). Das Krankengeld, das die Barmer GEK aufgrund psychischer und Verhaltensstö- rungen ihrer Mitglieder aufwenden muss- te, steigerte sich von 2006 bis 2009 von EUR 153 Mio. auf 200 Mio./Jahr. Zum anderen ergibt sich für psycho- therapeutisch tätige Behandler auch aus berufspolitischer Perspektive eine Not- wendigkeit der empirischen Fundierung des psychotherapeutischen Leistungsge- schehens: Beispielsweise beklagt Melchin- ger (2008, S. B2090) für die psychiatrisch/ psychotherapeutische Versorgung eine „Irrationalität der Ressourcenallokation“, die dazu führe, dass ärztliche und psycho- logische Psychotherapeuten Z. B. in Ba- yern nur 25% aller ambulanten psychiat- risch/psychotherapeutischen Fälle behan- deln, dafür aber 65% der Gesamtausgaben der psychiatrischen Versorgung der Kas- senärztlichen Vereinigung erhielten (zit. nach Melchinger 2008, S. B2090) und dementsprechend die Hilfsmöglichkeiten für schwer psychisch Erkrankte unzurei- chend seien, während „für leichter ge- störte Patienten, die auch ein halbes Jahr auf einen Therapieplatz warten können … ein differenziertes und umfängliches psy- chotherapeutisches Angebot zur Verfü- gung“ stehe (Melchinger 2008, S. B2090/ B2091). Die Forderung, allen von psy- chischen Erkrankungen jeglicher Art Be- troffenen, eine angemessene und ausrei- chende Behandlung zur Verfügung zu stel- len, kann nur unterstrichen werden. Eine „Neid- und Konkurrenzdebatte“ inner- halb der Fachgruppen der psychiatrisch/ psychotherapeutisch tätigen Behandler zu schüren, erscheint aber wenig zielfüh- rend und in keinster Weise im Sinne der Patienten. Angesichts der „Randposition“, die die „Psy-Fächer“ in der Medizin ins- gesamt und bei der Verteilung der Res- sourcen im Gesundheitssystem im Be- sonderen haben, sind gemeinsame poli- tische Anstrengungen und empirisch be-
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51Psychotherapeut 1 · 2011 |

RedaktionM. Cierpka, Heidelberg

Psychotherapeut 2011 · 56:51–60DOI 10.1007/s00278-010-0779-yOnline publiziert: 22. Oktober 2010© Springer-Verlag 2010

Cornelia Albani1 · Gerd Blaser2 · Michael Geyer3 · Gabriele Schmutzer4 · Elmar Brähler4

1 SINOVA-Kliniken Verbund des Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg, Schussental-Klinik gGmbH, Aulendorf2 Psychotherapeutische Praxis, Bad Schussenried3 Akademie für Psychotherapie, Erfurt4 Selbstständige Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Leipzig

Ambulante Psychotherapie in Deutschland aus Sicht der PatientenTeil 2: Wirksamkeit

Originalien

Hintergrund und Fragestellung

Um unter den sich verändernden Rah-menbedingungen im deutschen Gesund-heitssystem (Z. B. zunehmende Ökono-misierung und Merkantilisierung, demo-grafische Veränderungen bei Patienten und Behandlern etc.) konkrete Lösungen für eine verbesserte Patientenversorgung und dementsprechend auch für eine ad-äquate Berufsausübung der Leistungser-bringer zu ermitteln, sind verstärkt Initi-ativen und Projekte im Bereich der Ver-sorgungsforschung im Sinne „der wissen-schaftlichen Untersuchung des Versor-gungsgeschehens von Einzelnen und der Bevölkerung mit gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen unter Alltagsbedingungen“ (Scriba u. Fuchs 2010, S. B709) notwendig. Versorgungs-forschung in der Psychotherapie und Psy-chosomatik, für die derzeit noch ein Defi-zit an empirischen Daten zur Realversor-gung v. a. im ambulanten Bereich zu kon-statieren ist, sollte u. a. die Versorgungs-situation bezüglich psychosomatischer und psychischer Störungen beschreiben und Versorgungskonzepte unter realen Bedingungen evaluieren (Rabe-Menssen et al. 2010). Diese Forderung wird einer-seits durch die zunehmende volkswirt-schaftliche Bedeutung psychischer Stö-

rungen bestärkt – beispielhaft werden An-gaben der Barmer GEK (2010) aufgeführt: Psychische und Verhaltensstörungen ver-ursachten 18% aller Arbeitsunfähigkeits- (AU-)Fälle (2008: 17%) und sind damit zweithäufigste Krankheitsart für AU nach Muskel- und Skeletterkrankungen, die 23% aller AU-Fälle verursachten (2008: 24%); es folgen Erkrankungen des At-mungssystems 16% (2008: 15%) sowie Ver-letzungen und Vergiftungen 8,0% (2008: 8%). Für psychische und Verhaltensstö-rungen ergab sich folgende Steigerung der Erkrankungsdauer: 2007: 35,3 Tage, 2008: 39,1 Tage, 2009: 40,5 Tage (Erkrankungs-dauer 2009 bei Muskel- und Skelett-Er-krankungen: 21,9 Tage, bei Krankheiten des Kreislaufsystems: 21,8 Tage).

Das Krankengeld, das die Barmer GEK aufgrund psychischer und Verhaltensstö-rungen ihrer Mitglieder aufwenden muss-te, steigerte sich von 2006 bis 2009 von EUR 153 Mio. auf 200 Mio./Jahr.

Zum anderen ergibt sich für psycho-therapeutisch tätige Behandler auch aus berufspolitischer Perspektive eine Not-wendigkeit der empirischen Fundierung des psychotherapeutischen Leistungsge-schehens: Beispielsweise beklagt Melchin-ger (2008, S. B2090) für die psychiatrisch/psychotherapeutische Versorgung eine „Irrationalität der Ressourcenallokation“,

die dazu führe, dass ärztliche und psycho-logische Psychotherapeuten Z. B. in Ba-yern nur 25% aller ambulanten psychiat-risch/psychotherapeutischen Fälle behan-deln, dafür aber 65% der Gesamtausgaben der psychiatrischen Versorgung der Kas-senärztlichen Vereinigung erhielten (zit. nach Melchinger 2008, S. B2090) und dementsprechend die Hilfsmöglichkeiten für schwer psychisch Erkrankte unzurei-chend seien, während „für leichter ge-störte Patienten, die auch ein halbes Jahr auf einen Therapieplatz warten können … ein differenziertes und umfängliches psy-chotherapeutisches Angebot zur Verfü-gung“ stehe (Melchinger 2008, S. B2090/B2091). Die Forderung, allen von psy-chischen Erkrankungen jeglicher Art Be-troffenen, eine angemessene und ausrei-chende Behandlung zur Verfügung zu stel-len, kann nur unterstrichen werden. Eine „Neid- und Konkurrenzdebatte“ inner-halb der Fachgruppen der psychiatrisch/psychotherapeutisch tätigen Behandler zu schüren, erscheint aber wenig zielfüh-rend und in keinster Weise im Sinne der Patienten. Angesichts der „Randposition“, die die „Psy-Fächer“ in der Medizin ins-gesamt und bei der Verteilung der Res-sourcen im Gesundheitssystem im Be-sonderen haben, sind gemeinsame poli-tische Anstrengungen und empirisch be-

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Originalien

gründete Sachargumentationen notwen-dig, die Ausdruck einer rationalen und für die Versorgung aller Patienten verantwor-tungsbewussten Haltung sind.

Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse einer Befragung von 1212 Pa-tienten zu ihren Erfahrungen mit ambu-lanter Psychotherapie vorgestellt, die sich an der Methode von Seligmans „Con-sumer-Reports-Studie“ (Seligman 1995) orientierte. Auskunft über ihre Erfah-rungen gaben 7000 Leser des US-ame-rikanischen Verbrauchermagazins Con-sumer Reports, die „in den letzten drei Jahren zu irgendeinem Zeitpunkt Stress oder andere psychische Problemsituati-onen erlebt hatten, zu deren Bewältigung Sie sich an eine der folgenden Gruppen wandten: Verwandte, Pfarrer, professio-nelle Psychologen oder Psychiater, Hau-särzte oder Selbsthilfegruppe“. Professio-nelle Beratung oder Therapie wurde ins-gesamt als sehr hilfreich bewertet, wobei Behandlungen durch professionelle Hel-fer als wirksamer eingeschätzt wurden als die Unterstützung durch Selbsthilfegrup-pen. Es schätzten 80% der befragten Pa-tienten die professionelle Behandlung als hilfreich ein und waren sehr zufrieden da-mit. Dabei war der Behandlungserfolg bei längeren Behandlungen durch Hausärzte und Berater niedriger als der von Psy-chiatern, Psychologen und psychothera-peutisch tätigen Sozialarbeitern. Es erga-ben sich keine Wirksamkeitsunterschiede zwischen verschiedenen psychotherapeu-tischen Verfahren, wohl aber für die Dau-er der Behandlungen: Länger als 2 Jahre dauernde Behandlungen wurden als wirk-samer eingeschätzt (bei Kontrolle von Art und Schwere der Symptomatik bei Be-handlungsbeginn).

Hartmann (2006) ermittelte bei der Replikation dieser Studie in Deutschland über die Zeitschrift Stiftung Warentest bei 1426 Befragten, die während der letzten 6 Jahre wegen seelischer Probleme Hil-fe gesucht hatten, dass 76% der Patienten mit ihrer psychotherapeutischen Behand-lung absolut oder sehr zufrieden wa-ren. Die psychotherapeutische Behand-lung führte nicht nur zu einer Verbesse-rung der Zielsymptomatik, sondern auch der Allgemeinfunktionen (z. B. Arbeits-fähigkeit, Beziehungsfähigkeit, körper-liches Wohlbefinden). Die Besserungs-

raten korrelierten positiv mit der Länge der Behandlung. Zwischen den verschie-denen psychotherapeutischen Behand-lungsformen (Verhaltenstherapie, tiefen-psychologisch fundierte Therapie, Psy-choanalyse) zeigten sich bezüglich der Wirksamkeit kaum Unterschiede (Hart-mann u. Zepf 2004).

Über strukturelle Aspekte der ambu-lanten psychotherapeutischen Versor-gungssituation (z. B. Zugang zur Psycho-therapie, Art der Behandlung, Merkmale der Behandler) anhand der vorgestell-ten Erhebung sowie sozioökonomische Merkmale der Befragten und Angaben zum Therapieanlass wurde in einer vo-rangegangenen Arbeit berichtet (Albani et al. 2011).

Nachfolgend wird die Wirksamkeit der Behandlungen anhand der Einschät-zungen der Befragten zu ihren Erfah-rungen mit ambulanter Psychotherapie analysiert.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Die Datenerhebung erfolgte im Auftrag der Universität Leipzig von dem Mei-nungsforschungsinstitut USUMA GmbH, Berlin.

Im Rahmen bevölkerungsrepräsen-tativer Erhebungen bei über 18-jährigen Deutschen wurden in der Zeit von Ju-ni 2008 bis September 2009 insgesamt 46.686 Screening-Interviews zur Fra-ge nach einer ambulanten Psychothera-pie innerhalb der vergangenen 6 Jahre durchgeführt. Letztlich konnten insge-samt 1212 Personen, die im Zeitraum der letzten 6 Jahre in ambulanter psychothe-rapeutischer Behandlung waren (698 Be-fragte) oder derzeit noch in ambulanter Psychotherapie sind (n=514) telefonisch zu ihren Erfahrungen mit ihrer ambu-lanten psychotherapeutischen Behand-lung befragt werden. Das standardisier-te Telefoninterview enthielt Fragen des „Consumer Reports“ (deutsche Version von Hartmann (2006) und wurde durch weitere Fragen zum Inanspruchnahme-verhalten und zur Bewertung der Psycho-therapie ergänzt. (Für ausführliche Anga-ben zu Design, Methode und Stichprobe: Albani et al. 2011).

Ergebnisse

Angaben zum Behandlungssetting

Detaillierte Ausführungen zu der fol-genden kurzen Übersicht zum Behand-lungssetting finden sich bei Albani et al. (2011). Die Mehrheit der Behandler waren weibliche Therapeutinnen (57%) und von Beruf Psychologen (71%). Von den Be-fragten nannten 47% Verhaltenstherapie, 41% tiefenpsychologisch fundierte The-rapie und 5% psychoanalytische Thera-pie als Behandlungsmethode, die bei 91% als Einzelpsychotherapie durchgeführt wurde. Die 698 Probanden mit einer ab-geschlossen Therapie hatten im Mittel 48 Sitzungen (SD ±68,6). Bei 43% aller Be-fragten handelte es sich nicht um die erste ambulante Psychotherapie. Über die am-bulante Psychotherapie hinaus nahmen 56% der Befragten für ihre Beschwerden weitere Behandlungen und Unterstützung in Anspruch (z. B. 33% Hausarzt, 19% Psy-chiater, 11% Heilpraktiker, 18% stationäre psychosomatische, 18% stationäre psychi-atrische Behandlung). Medikamente zur Behandlung ihrer seelischen Probleme nahmen 55% aller Befragten ein.

Anlass und Wirksamkeit

Die absoluten und relativen Häufigkeiten der als Behandlungsanlass angegebenen Beschwerden sowie die Verteilungen der Antworten auf die 5 Kategorien der Frage, in welchem Ausmaß die Behandlung be-züglich der Probleme, die den Befragten in die Behandlung geführt hatten, gehol-fen hat, sind in . Tab. 1 zusammenge-fasst.

Betrachtet man nur die einzelnen Be-schwerden (ohne die 4 Hauptkategorien und ohne „andere Probleme“) wurden im Mittel 5,11 Beschwerden (SD ±2,86) ge-nannt. Es gaben 9% der Befragten 1 Be-schwerde, 25% 2 Beschwerdegruppen, 41% 3, 21% 4 und 4% 5 Beschwerdegruppen an. Im Mittel wurden 1,63 „andere Probleme“ (SD ±1,37) genannt.

Für die Einschätzung der allgemeinen seelischen Verfassung, als die Befragten wegen der Probleme Hilfe suchten, auf ei-ner 5-stufigen Skala von „1: sehr schlecht“ bis „5: sehr gut“ ergab sich ein Mittelwert von 1,72 (SD ±0,80). Es schätzen 84%

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der Befragten ihren Zustand als „sehr schlecht“ oder „schlecht“ ein.

Insgesamt wurde deutlich, dass die Befragten ihre ambulante Psychotherapie als sehr wirksam bezüglich der Beschwer-den zu Therapiebeginn einschätzten. Die „Besserungsraten“ („viel“ und „etwas bes-ser“) betrugen durchweg über 50%, au-ßer bei Übergewicht (37%) und sexuel-len Funktionsstörungen (44%). Die „Ver-schlechterungsraten“ lagen durchweg un-ter 5%, außer bei Übergewicht (10%) und „anderen Süchten“ (Spiel-, Kaufsucht 7%). Besonders hoch ist der Anteil der Be-fragten, die eine Besserung angaben, die wegen folgender Beschwerden eine am-bulante Psychotherapie in Anspruch nah-men: generelle Ängste (86%), Panikatta-cken (82,4%), depressive Beschwerden, Traurigkeit (83%), schlechte Stimmung, Gereiztheit (80%), Trauer über den Ver-lust einer geliebten Person (72%), Suizi-dalität/Selbstmordgedanken (80%), Alko-hol- oder Drogenprobleme (75%), Mager-sucht (86%), Ess-Brech-Sucht (82%) und Zwangshandlungen/-gedanken (78%). Bei nur wenigen Beschwerden gab ein höherer Anteil der Befragten zwar keine Verschlechterung, aber auch keine Besse-rung an: Prüfungsangst (40%), Überge-wicht (54%) und sexuelle Funktionsstö-rungen (53%).

Eine Rangreihe der von den Pati-enten eingeschätzten Behandlungsergeb-nisse jeweils bezogen auf die einzelnen Beschwerden und Probleme (Skala 1–5) zeigt . Tab. 2. Es wird deutlich, dass aus Sicht der Patienten ein hohes Maß an Bes-serung bei allen Beschwerden und Proble-men durch die ambulante psychothera-peutische Behandlung erreicht wurde. Als besonders erfolgreich behandelt schätzten die Befragten Magersucht, Suizidalität, Ess-Brech-Sucht, Panikattacken und ge-nerelle Ängste ein. Am „unteren Ende“ bezüglich des Behandlungserfolgs stehen Prüfungsangst, andere Süchte (Spielen, Kaufen …), sexuelle Probleme/Konflikte und sexuelle Funktionsstörungen sowie Übergewicht.

Einfluss auf verschiedene Lebensbereiche

Die Probanden wurden gebeten, auf einer fünfstufigen Skala (1: viel schlechter bis 5:

Zusammenfassung · Abstract

Psychotherapeut 2011 · 56:51–60 DOI 10.1007/s00278-010-0779-y© Springer-Verlag 2010

Cornelia Albani · Gerd Blaser · Michael Geyer · Gabriele Schmutzer · Elmar Brähler

Ambulante Psychotherapie in Deutschland aus Sicht der Patienten. Teil 2: Wirksamkeit

ZusammenfassungIn einer naturalistischen Studie wurde die Versorgungssituation bezüglich ambulanter Psychotherapie in Deutschland analysiert. Te-lefonisch gaben 1212 Personen, die im Zeit-raum der letzten 6 Jahre in ambulanter psy-chotherapeutischer Behandlung waren oder derzeit noch in ambulanter Psychotherapie sind, zu ihren Erfahrungen mit ihrer ambu-lanten psychotherapeutischen Behandlung Auskunft. Die ambulante Psychotherapie, die aufgrund vielfältiger und zahlreicher Be-schwerden aufgenommen wurde, wurde als sehr wirksam eingeschätzt. Die Besserungsra-ten betrugen für alle Beschwerden mehr als 50%, außer bei Übergewicht (37%) und se-xuellen Funktionsstörungen (44%). Die „Ver-schlechterungsraten“ lagen durchweg unter 8%. Die Behandlung wirkte sich nicht nur auf die Zielsymptomatik, sondern auch auf wei-

tere, relevante Lebensbereiche sehr positiv aus. Fast 90% der Befragten gaben an, dass sie mit ihrem Therapeuten zufrieden waren, was sich auch in hohen Zustimmungsraten für differenziertere Aussagen über eine po-sitive therapeutische Beziehung, ein stabiles Arbeitsbündnis, das Erleben von Autonomie der Patienten in der Therapie und über Kom-petenz sowie ethisches Verhalten der Thera-peuten bestätigte. Die Patienten stellten ih-ren Psychotherapeuten hervorragende Beur-teilungen aus und waren in hohem Maß zu-frieden mit den durch die psychotherapeu-tische Behandlung erzielten Veränderungen.

SchlüsselwörterAmbulante Psychotherapie · Wirksamkeit · Versorgungsforschung · Deutschlandweite Erhebung

Outpatient psychotherapy in Germany from the patient’s point of view. Part 2: Effectiveness

AbstractThis study analyzed the provision of outpa-tient psychotherapy services in Germany in standard practice settings. A total of 1,212 subjects who received or were still receiving outpatient psychotherapy during the past 6 years provided information about their ex-periences via a telephone survey. Outpatient psychotherapy was sought for many differ-ent conditions and was rated as highly ef-fective. The improvement rates for all com-plaints were higher than 50%, except for obe-sity (37%) and sexual dysfunctions (44%). Pa-tient ratings of worsening were less than 8% throughout. Treatment had very positive re-sults not only for target symptoms but al-

so for other aspects of patients’ lives. Al-most 90% of those questioned stated that they were satisfied with their therapist. High agreement ratings were reported specifical-ly with respect to positive therapeutic rela-tionship, stable working alliance, experience of autonomy during therapy and therapists’ competency and ethical conduct. Patients gave their psychotherapists excellent eval-uations and were highly satisfied with the changes achieved through treatment.

KeywordsOutpatient psychotherapy · Effectiveness · Health research · German Survey

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Originalien

viel besser) einzuschätzen, wie die psy-chotherapeutische Behandlung neben der Symptomatik, die Anlass der Thera-pie war, verschiedene Lebensbereiche be-einflusste (. Tab. 3).

Es zeigten sich für alle erfassten Le-bensbereiche hohe Besserungsraten (viel

und etwas besser). Für die folgenden Be-reiche war die Zustimmung, dass durch die Behandlung eine Besserung erzielt wurde, besonders hoch: „Umgang mit alltäglichem Stress“ (70%, im Mittel 3,9), körperliches Wohlbefinden (67%, im Mittel 3,9), Lebensfreude (74%, im Mittel

4,1), Selbstwertgefühl/-vertrauen (69%, im Mittel 3,9), Besserung der gedrückten Stimmungslage (79%, im Mittel 4,1). Zir-ka 50% der Befragten gaben an, dass sich durch die Psychotherapie ihre Arbeitsfä-higkeit und -produktivität gebessert ha-ben. Ähnlich hoch wurde die Besserung

Tab. 1 Anlass der ambulanten Psychotherapie und Behandlungsergebnis (n=1212)

Beschwerden Welche Beschwerden ver-anlassten Sie, therapeu-tische Hilfe zu suchen?a

In welchem Ausmaß half Ihnen die Behandlung bezüglich der Probleme, die Sie in Behandlung führten?

Anzahl (n) Anteil (%) der Be-fragten

Es wurde viel besser

Es wurde et-was besser

Alles blieb un-verändert

Es wurde etwas/viel schlimmer

Ich bin nicht si-cher/weiß nicht

Anteil (%)

Anzahl (n)

Anteil (%)

Anzahl (n)

Anteil (%)

Anzahl (n)

Anteil (%)

Anzahl (n)

Anteil (%)

Anzahl (n)

Angstzustände 767 63,3

Generelle Ängste 595 49,1 42,6 253 43,6 259 11,8 70 1,5 9 0,5 3

Panikattacken 333 27,5 50,6 167 31,8 105 14,8 49 2,4 8 0,3 1

Phobien 106 8,7 31,4 33 39,0 41 25,7 27 1,0 1 2,9 3

Prüfungsangst 69 5,7 24,6 16 24,6 16 40,0 26 1,5 1 9,2 6

Krankheitsängste 252 20,8 30,2 76 39,3 99 26,6 67 3,2 8 0,8 2

Gedrückte oder schwankende Stimmung

1032 85,2

Depressive Beschwerden, Trau-rigkeit

929 76,7 39,6 367 43,4 402 14,8 137 2,0 18 0,2 2

Schlechte Stimmung, Gereiztheit 536 44,2 33,9 181 46,4 248 17,2 92 2,4 13 – –

Trauer über den Verlust einer ge-liebten Person

394 32,5 32,4 127 40,1 157 25,0 98 1,8 7 0,8 3

Suizidalität/Selbstmordgedanken 297 24,4 58,8 174 21,6 64 16,9 50 2,4 7 0,3 1

Süchtiges Verhalten 164 13,5

Alkohol- oder Drogenprobleme 116 9,6 49,6 57 26,1 30 22,6 26 1,8 2 – –

Andere Süchte (Spielen, Kaufen …) 56 4,6 29,1 16 32,7 18 30,9 17 7,3 4 – –

Essstörungen 312 25,8

Magersucht 91 7,5 56,2 50 30,3 27 7,9 7 4,5 4 1,1 1

Ess-Brech-Sucht 45 3,7 51,1 23 31,1 14 15,6 7 2,2 1 –

Essanfälle 93 7,7 33,3 31 31,2 29 33,3 31 1,1 1 1,1 1

Übergewicht 126 10,4 15,2 19 21,6 27 53,6 67 9,6 12 – –

Weitere Beschwerden

Zwangshandlungen/-gedanken 199 16,4 41,1 81 36,5 72 16,8 33 3,5 7 2,0 4

Psychosomatische Beschwerden 655 54,0 30,4 199 38,5 252 26,9 176 3,7 24 0,5 3

Sexuelle Funktionsstörungen 143 11,8 17,0 24 27,0 38 53,2 75 2,8 4 – –

Probleme, mit körperlicher Erkran-kung fertig zu werden

364 30,0 24,0 87 39,1 142 32,5 118 3,6 13 0,8 3

Traumatisches Ereignis im Leben 629 51,9 30,4 191 43,9 276 23,1 145 1,7 11 1,0 6

Persönlichkeitsstörungen 169 13,9 38,1 64 36,3 61 23,2 39 2,4 4 – –

Andere Probleme

Probleme mit Kindern/Angehö-rigen

496 40,9 28,7 141 39,5 194 26,1 128 4,5 22 1,2 6

Sexuelle Probleme/Konflikte 202 16,7 17,3 34 31,6 62 49,0 96 1,5 3 0,5 1

Konflikte/Probleme in der Partner-schaft

498 41,1 36,0 166 33,0 152 26,2 121 3,3 15 1,5 7

Lern- und/oder Arbeitsstörungen 386 31,8 28,8 108 40,8 153 26,4 99 2,6 10 1,3 5

Probleme am Arbeitsplatz 396 32,7 30,9 105 34,7 118 27,4 93 6,2 21 0,9 3aMehrfachnennungen möglich.

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der sozialen Fähigkeiten und Beziehun-gen bewertet (Fähigkeit, sich auf zwi-schenmenschliche Beziehungen einzu-lassen 58%; Verständnis für andere Men-schen 53%; Umgang mit anderen Men-schen 56%).

Die Zustimmung zu den Kategorien „es wurde etwas oder viel schlechter“ be-trug für alle Bereiche weniger als 5%. Of-fen bleibt, ob die Zustimmung zur Kate-gorie „es blieb alles unverändert“ bedeu-tet, dass dieser Lebensbereich tatsächlich unverändert oder für den Befragten nicht relevant war (z. B. wenn die Eltern nicht mehr leben, was nicht erfragt wurde).

Wirksamkeit und Dauer

Für alle Befragten mit abgeschlossener Behandlung (n=698, mittlere Therapie-dauer 48 Sitzungen, SD ±68,6) wurde ein „mittlerer Besserungswert“ anhand der Einschätzungen der Betroffenen über die Besserung, Unverändertheit oder Ver-schlechterung aller angegebenen Be-schwerden, die ICD-Diagnosen entspre-chen (z. B. Panikattacken, generelle Äng-ste, Magersucht …), gebildet (. Tab. 4).

Abgesehen von den 6 offensichtlich gescheiterten, eher länger dauernden Be-handlungen (bzw. ggf. Behandlungsver-suchen), für die eine Verschlechterung der Beschwerden und Probleme ange-geben wurde, ergaben sich Hinweise auf einen Zusammenhang von Anzahl der Therapiestunden und Therapieerfolg. Be-fragte, die eine Besserung ihrer Beschwer-den und Probleme sowie positivere Aus-wirkungen der Psychotherapie auf weitere Lebensbereiche angaben, hatte im Mittel ca. 50–56 Behandlungsstunden, während Befragte, die ihren Zustand als unverän-dert einschätzten, im Mittel 35 Therapie-stunden in Anspruch genommen hatten.

Inanspruchnahme anderer medizinischer Leistungen

Es gaben 52% der Befragten (n=632) an, dass die psychotherapeutische Behand-lung ihre körperliche Gesundheit im Sinne einer Besserung beeinflusst hat. Eine Ver-schlechterung benannten 2% der Proban-den (n=24), und 46% meinten, dass die Psychotherapie keinen Einfluss auf ihre körperliche Gesundheit hatte.

In . Tab. 5 sind Angaben zur Inan-spruchnahme anderer medizinischer Leistungen seit Beginn der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung dar-gestellt. Knapp ein Viertel der Befragten gab an, seltener Termine bei anderen Ärz-ten und Krankschreibungen in Anspruch zu nehmen, 8 bzw. 5% häufiger. Ein Fünf-tel der Befragten hatte seit Beginn der Therapie seltener Klinikaufenthalte, 4% häufiger.

Einschätzung der Therapeuten aus Sicht der Patienten

Auf die allgemeine Frage nach der Zufrie-denheit mit dem Therapeuten antworte-ten 55% (n=672), dass sie „sehr zufrieden“, und 34% (n=406), dass sie „zufrieden“ waren. Es waren 8% der Befragten (n=92)

„etwas unzufrieden“ und 3% (n=40) „sehr unzufrieden“.

Den Probanden wurden Aussagen über ihren Psychotherapeuten vorgelegt; in . Tab. 6 ist der Anteil der Befragten, der diesen Aussagen zustimmte, darge-stellt. Es zeigten sich sehr hohe Zustim-mungsraten über alle Items, die ein po-sitives Arbeitsbündnis bzw. die Voraus-setzungen dafür beschreiben (unterstüt-zendes, vertrauenswürdiges, zugewandtes, engagiertes Verhalten der Therapeuten, das Gefühl der Selbstbestimmtheit bezüg-lich der Themen aufseiten der Patienten). Nur jeweils 0,2% der Befragten stimmten der Aussage zu, dass der Therapeut sexu-elle Annäherungsversuche oder unange-messene sexuelle Bemerkungen machte.

Tab. 2 Behandlungsergebnisse bezüglich der Beschwerden und Probleme, die in die ambulante Psychotherapie geführt hatten

Beschwerden und Probleme Ma SD Minimum Maximum Anzahl (n)

Magersucht 4,39 0,86 1 5 88

Suizidalität/Selbstmordgedanken 4,36 0,88 1 5 295

Ess-Brech-Sucht 4,31 0,82 2 5 45

Panikattacken 4,30 0,83 1 5 329

Generelle Ängste 4,27 0,75 1 5 591

Alkohol- oder Drogenprobleme 4,23 0,89 1 5 115

Depressive Beschwerden, Traurigkeit 4,20 0,79 1 5 924

Zwangshandlungen/-gedanken 4,17 0,87 1 5 193

Schlechte Stimmung, Gereiztheit 4,11 0,80 1 5 534

Persönlichkeitsstörungen 4,08 0,89 1 5 168

Traumatisches Ereignis im Leben 4,04 0,79 1 5 623

Phobien 4,03 0,83 1 5 102

Trauer über den Verlust einer geliebten Person

4,03 0,84 1 5 389

Konflikte/Probleme in der Partnerschaft 4,01 0,94 1 5 454

Essanfälle 3,98 0,85 2 5 92

Krankheitsängste 3,96 0,87 1 5 250

Lern- und/oder Arbeitsstörungen 3,96 0,83 1 5 370

Psychosomatische Beschwerden 3,95 0,87 1 5 651

Probleme mit Kindern/Angehörigen 3,92 0,90 1 5 485

Probleme am Arbeitsplatz 3,90 0,95 1 5 337

Probleme, mit körperlicher Erkrankung fer-tigzuwerden

3,84 0,84 1 5 360

Prüfungsangst 3,80 0,87 2 5 59

Andere Süchte (Spielen, Kaufen …) 3,78 1,07 1 5 55

Sexuelle Probleme/Konflikte 3,64 0,81 1 5 195

Sexuelle Funktionsstörungen 3,57 0,82 1 5 141

Übergewicht 3,40 0,92 1 5 125M Mittelwert, SD Standardabweichung. aFünfstufige Skala: 5 Es wurde viel besser. 4 Es wurde etwas besser. 3 Alles blieb unverändert. 2 Es wurde etwas schlimmer. 1 Es wurde viel schlimmer.

56 | Psychotherapeut 1 · 2011

Originalien

Diskussion

Die vorgestellte Erhebung untersuch-te unter Praxisbedingungen die Versor-gungssituation in der ambulanten Psy-chotherapie anhand der telefonischen Be-fragung von 1212 Patienten, die innerhalb der letzten 6 Jahre in ambulanter Psycho-therapie waren oder noch sind. Neben Be-handlungsanlässen, -formen, -setting und

-dauer wurden die Einschätzungen der Patienten zur Wirksamkeit und zum Be-handlungsergebnis der ambulanten Psy-chotherapie sowie Bewertungen zu den Behandlern erfasst.

Trotz kritischer Einwände bezüglich der Methode (Albani et al. 2011) ziel-te das gewählte Studiendesign auf maxi-male Anonymität der Befragten. Es wur-den auf einer sehr breiten Datenbasis die

Selbstauskünfte der Patienten über die in der Praxis tatsächlich stattfindenden psy-chotherapeutischen Behandlungen und deren Ergebnisse erfasst – ohne äußeren Druck oder Verzerrung durch Interes-sen von Kostenträgern, Behandlern, Pa-tienten, Forschern. Es erfolgte keine vor-herige definierte Zuweisung von Patien-ten, manualisierte Behandlung oder eine standardisierte Behandlungsdauer. Aber es bestand die Möglichkeit zu „Korrek-tur und Ergänzung“ (56% gaben „weitere Unterstützung“ neben der Psychotherapie an), wenn eine bestimmte therapeutische Technik oder Methode versagte oder sich als nichtausreichend erwies.

Multimorbidität (zahlreiche und viel-fältige Behandlungsanlässe und Pro-bleme) und komplexe (auch auf andere Lebensbereiche ausstrahlende) und chro-nische Störungen (Vorbehandlungen, sta-tionäre Therapie während der ambulan-tern Behandlung) von Patienten kenn-zeichnen im Gegensatz zu „kontrollierten Laborstudien“ den klinischen Versor-gungsalltag und bestätigen die Kritik be-

Tab. 4 „Besserungsmittelwert“ pro Befragtem über alle angegebenen ICD-relevanten Beschwerden

Mittlere Anzahl der Therapiestunden

Besserung

Es wur-de viel schlechter

Es wurde et-was schlechter

Alles blieb unverändert

Es wurde et-was besser

Es wurde viel besser

Mittelwert – 60,1 35,5 50,3 56,1

Standardabweichung – ±84,5 ±46,7 ±61,2 ±72,7

Range – 10–280 2–350 2–500 2–600

Anzahl (n) der Befragten – 9 106 298 245Mittelwert aus allen Antworten auf die Fragen: „In welchem Ausmaß hat Ihnen die Behandlung bezüglich der Probleme, die Sie in die Behandlung führten geholfen (begrenzt auf nur die Beschwerden, die ICD-10-Diagnosen entsprechen!). Bitte nutzen Sie für die Beurteilung des Ausmaßes der Behandlung folgende Skala: 1 = es wurde viel besser 2 = es wurde etwas besser 3 = alles blieb unverändert 4 = es wurde etwas schlimmer 5 = es wurde viel schlimmer.“

Tab. 3 Einfluss der ambulanten Psychotherapie auf verschiedene Lebensbereiche (n=1212)

Wie beeinflusste die Behandlung die folgenden Lebensbereiche?

Lebensbereiche 5 4 3 2+1 Mb SD Anzahl (n)Es wurde viel

besserEs wurde etwas besser

Alles blieb unver-ändert

Es wurde etwas/viel schlechter

Ich bin nicht sicher/weiß nicht

Antei-la (%)

Anzahl (n)

Antei-la (%)

Anzahl (n)

Anteila (%)

Anzahl (n)

Antei-la (%)

Anzahl (n)

Antei-la (%)

Anzahl (n)

Fähigkeit, sich auf zwischen-menschliche Beziehungen einzulassen

22,5 271 35,9 431 38,9 467 2,0 24 0,7 9 3,8 ±0,82 1193

Arbeitsproduktivität 20,5 235 31,4 361 44,2 508 3,1 36 0,8 9 3,7 ±0,85 1140

Arbeitsfähigkeit 23,1 275 29,5 351 42,9 510 4,0 48 0,4 5 3,7 ±0,89 1184

Umgang mit alltäglichem Stress

25,1 303 45,8 552 27,0 326 1,9 23 0,2 2 3,9 ±0,78 1204

Körperliches Wohlbefinden 26,9 325 40,6 490 27,7 334 4,3 51 0,5 6 3,9 ±0,88 1200

Lebensfreude 33,4 403 41,3 499 21,6 261 2,9 35 0,8 10 4,1 ±0,84 1198

Verständnis für andere Men-schen

25,6 307 27,8 333 44,7 536 1,4 16 0,7 8 3,8 ±0,85 1192

Umgang mit anderen Men-schen

21,6 259 34,1 409 42,2(506 1,7 20 0,5 6 3,8 ±0,81 1194

Selbstwertgefühl/-vertrauen 26,8 324 41,9 506 27,9 337 3,2 38 0,2 3 3,9 ±0,84 1205

Besserung der gedrückten Stimmungslage

33,2 398 45,4 544 19,0 228 1,6 19 0,7 8 4,1 ±0,77 1189

Beziehung zum Partner 17,5 166 25,7 244 51,9 493 4,0 38 0,8 8 3,6 ±0,86 941

Beziehung zu den Eltern 12,5 113 20,7 187 61,9 559 4,3 39 0,6 5 3,4 ±0,80 898

Soziale Beziehungen im be-ruflichen Umfeld

17,4 165 23,5 223 56,7 537 1,8 17 0,5 5 3,6 ±0,80 942

M Mittelwert, SD Standardabweichung. aJeweils bezogen auf die Anzahl der Befragten, die das Item beantworteten, unterschiedlicher Anteil an Probanden, die „keine An-gabe“ machten. b“Range“ 1–5 für alle Items.

57Psychotherapeut 1 · 2011 |

züglich der unzureichenden externen Va-lidität dieser als „Goldstandard“ geltenden Untersuchungen.

Die von den Befragten genannten „an-deren Probleme“ liefern Hinweise darauf, dass psychische Erkrankungen vielfältige Auswirkungen auf weitere Lebensbereiche haben – nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für die Familien, das soziale Umfeld und nicht zuletzt bezüg-lich der Arbeitsproduktivität. Inwieweit die angegebenen Probleme mit Kindern, Familienangehörigen bzw. am Arbeits-platz ursächlich für die Entwicklung ei-ner psychischen Erkrankungen und/oder deren Folge waren, lässt sich anhand der vorgestellten Untersuchung nicht klären.

Von den hier befragten Patienten wur-de die ambulante Psychotherapie insge-samt als äußert wirksam eingeschätzt. Nicht nur für psychische Beschwerden zeigten sich durchweg sehr positive Ergeb-nisse. Es gaben 30% der Befragten an, dass Probleme mit einer körperlichen Erkran-kung fertigzuwerden, Behandlungsanlass für die Psychotherapie war, und 63% der diesbezüglich Betroffenen gaben eine Bes-serung dieser Problematik an. Dieser Be-fund verdeutlicht eindrucksvoll die Be-deutung ambulanter Psychotherapie auch für die Krankheitsbewältigung und Com-pliance somatischer Erkrankungen.

Die hier erfassten positiven Ergebnisse der ambulanten Psychotherapie stehen im Einklang mit Befunden zur Wirksamkeit von Psychotherapie bei Depression, für die in Metaanalysen kontrollierter Studien Effektstärken (ES) von 0,82–1,13 ermittelt wurden (Lambert u. Ogles 2004). Nach Cohen (1988) entsprechen ES>0,20 einem schwachen, ES>0,50 einem mittleren und ES>0,80 einem starken Effekt. Zum Ver-gleich sollen Befunde medikamentöser Behandlungen bei Depression aufgeführt werden: Die durchschnittliche ES für anti-depressive Medikamente, die bei der US Food and Drug Administration (FDA) zugelassen wurden, betrug 0,31 – z. B. für Fluoxetin (Prozac) ES=0,26, Sertralin (Zoloft) ES=0,26, Citalopram ES=0,24, Escitalopram ES=0,31, Duloxetin ES=0,30 (Turner et al. 2008). Eine in der renom-mierten Cochrane Library publizierte Metaanalyse (Moncrieff et al. 2004) zur Wirksamkeit trizyklischer Antidepressi-va im Vergleich zu einem „aktiven Place-

bo“ ergab eine ES von 0,17. (Bei einer rei-nen Placebogabe ist häufig anhand der Nebenwirkungen für Behandler und Pa-tient deutlich, ob es sich um das Verum-medikament oder Placebo handelt; „akti-ve Placebos“ reduzieren diesen Effekt. Da-mit entspricht man dem Anspruch „dop-pelblind“ zu testen stärker. Die Effektstär-ken reduzieren sich dann üblicherweise um 50%.) Dementsprechend wird in der Nationalen VersorgungsLeitlinie Unipola-re Depression (DGPPN et al. 2009) zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Depressionen ausdrücklich Psychothera-pie empfohlen.

Die ambulante psychotherapeutische Behandlung wirkte sich nicht nur auf die Zielsymptomatik, sondern auch auf wei-tere, relevante Lebensbereiche sehr positiv aus. Die Mehrzahl der Befragten gab eine Besserung der körperlichen Gesundheit, der Stimmung, des Selbstwertgefühls, der Arbeitsfähigkeit und -produktivität so-wie der Lebensfreude an. Darüber hin-

aus hatte die Behandlung auch positive Auswirkungen auf die zwischenmensch-lichen Beziehungen der Befragten. Das mitunter geäußerte Klischee, Psychothe-rapie zerstöre Ehen und die Beziehung zu den Eltern, ließ sich in dieser Untersu-chung nicht bestätigen. Diese Ergebnisse bezüglich der Auswirkung der ambulan-ten Psychotherapie auf weitere Lebensbe-reiche unterschätzen möglicherweise die tatsächlichen Effekte, da sich diese Frage an alle Befragten (d. h. auch an die, deren Behandlungen noch nicht abgeschlossen waren) richtete.

Inwieweit die Kategorie „alles blieb un-verändert“ Ausdruck dafür war, dass di-ese Beschwerden bzw. dieser Lebensbe-reich insgesamt nicht beeinträchtigt wa-ren, mithilfe der Behandlung zumindest ein „Status quo“ erhalten werden konn-te oder aber trotz Behandlung keine Ver-besserung erzielt werden konnte, lässt sich anhand der vorgestellten Daten nicht klä-ren. Es soll aber gerade auch bezüglich der

Tab. 5 Auswirkungen der ambulanten Psychotherapie auf die Inanspruchnahme ande-rer medizinischer Leistungen (n=1212)

Hatte die psychotherapeutische Behandlung Auswirkungen auf Ihre Inanspruchnahme ande-rer medizinischer Leistungen? Verglichen mit der Zeit vor der Psychotherapie, haben Sie seit Beginn der Psychotherapie …

Seltener Gleich häufig Häufiger

Anteil (%)

Anzahl (n)

Anteil (%)

Anzahl (n)

Anteil (%)

Anzahl (n)

Termine bei anderen Ärzten 23,6 285 68,4 825 8,0 97

Krankschreibungen 23,2 241 72,2 749 4,6 48

Klinikaufenthalte 20,0 233 75,7 884 4,3 50

Tab. 6 Generelle Meinung über die Psychotherapeuten

Welche der folgenden Aussagen treffen im Bezug auf Ihren Therapeuten zu?

Befragte, die zustimmten

Anteil (%) Anzahl (n)

Ihr Therapeut war generell beruhigend und unterstützend 92,3 1111

Sie konnten bestimmen, welche Themen in der Therapie zu besprechen sind

Ja: 81,8Teilweise: 13,2

Ja: 989Teilweise: 159

Es war leicht, Ihrem Therapeuten zu vertrauen Ja: 86,7Teilweise: 6,9

Ja: 1051Teilweise: 84

Ihr Therapeut ging Ihren Problemen auf den Grund 89,1 1068

Ihr Therapeut kritisierte und kontrollierte Sie zu viel 3,3 40

Ihr Therapeut machte unangemessene sexuelle Bemerkungen 0,2 3

Ihr Therapeut machte sexuelle Annäherungsversuche 0,2 2

Ihr Therapeut ist zu sehr mit dem Geldverdienen beschäftigt 2,6 31

Ihr Therapeut reagiert abweisend auf Kritik oder Fragen 4,8 58

Ihr Therapeut ist zu wenig engagiert 8,3 100

Ihr Therapeut versuchte, Ihnen etwas einzureden 6,4 78

Oder störte Sie nichts? 73,8 895

58 | Psychotherapeut 1 · 2011

Originalien

Einschätzung des Therapieergebnisses an dieser Stelle ausdrücklich auf die Psycho-therapierichtlinien (Gemeinsamer Bun-desausschuss 2009) verwiesen werden, die neben der Linderung von Krankheitsbe-schwerden auch in der Verhinderung von Verschlimmerung eine ausdrückliche In-dikation für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung benennen (Psychotherapierichtlinien § 1, Abs. 2).

Weder die Therapieergebnisse noch Diagnosen konnten mit standardisierten Instrumenten erhoben werden, was die Vergleichbarkeit und Reliabilität der Er-gebnisse einschränkt. Aber es wird ein eindrucksvolles Maß an menschlichem Leid deutlich, wenn die Vielzahl der Sym-ptome, der Beeinträchtigungen in zahl-reichen unterschiedlichen Lebensbe-reichen und die schlechte seelische Ver-fassung der Betroffenen, die Ausgangs-punkt der Behandlung waren, in Betracht gezogen werden. Die ambulante Psycho-therapie wurde von den hier Befragten in einem umfassenden Sinn für ihre Be-schwerden und Probleme als sehr erfolg-reich und hilfreich eingeschätzt. Debat-ten, die der psychotherapeutischen Ver-sorgung „Wellness-Leistungen“ für „YAR-VIS“-Patienten („young, attractive, rich, verbal, intelligent, successful“) unterstel-len, können angesichts der vorgestellten Ergebnisse als offenkundig rein interes-sengeleitet entlarvt werden. Ebenso sind jegliche Diskussionen um die durch Psy-chotherapie vermeintlich für „leicht Kran-ke“ fehlallozierten Ressourcen zurückzu-weisen.

Die hier Befragten schätzten Psycho-therapie als hoch wirksam ein. Verände-rungen durch Psychotherapie benötigen Zeit. Die ermittelte Tendenz, dass stär-kere Besserung mit einer längeren Thera-piedauer einherging, bedarf weiterer Un-tersuchungen. Auffallend waren die groß-en Streuungen in allen „Besserungsgrup-pen“, die der klinischen Erfahrung ent-sprechen, dass es lange, aber weniger hilf-reiche Therapien und kürzere, aber sehr wirksame Behandlungen gibt. Im Rah-men der vorgestellten Untersuchung sind keine kausalen Aussagen dazu möglich. Näher zu überprüfen wären beispielswei-se Patienten- sowie Behandlermerkmale, die „Passung“ zwischen Patient und The-

rapeut sowie die therapeutische Interakti-on und Beziehung. Die hier Befragten äu-ßerten sich in der großen Mehrzahl ins-gesamt und unabhängig von der Behand-lungsdauer sehr zufrieden mit ihrem The-rapeuten und stellten ihren Psychothera-peuten hervorragende Beurteilungen aus. Inwieweit die therapeutische Beziehung eine Funktion der Dauer der Therapie, des Therapieerfolgs oder anderer Faktoren ist, bleibt genauer zu untersuchen.

Angesichts der derzeitigen medialen Aufmerksamkeit für sexuelle Übergriffe in psychotherapeutischen Behandlungen soll der Befund, dass die hier Befragten sexuelle Belästigungen und/oder Über-griffe zu einem viel geringeren Prozent-satz angaben, als zu erwarten wäre, her-vorgehoben werden, womit aber keiner-lei Verharmlosung dieses vorbehaltlos zu verurteilenden Problems getroffen wer-den soll.

Die vorgestellte Studie kann keine Aus-sagen zu Kosten-Nutzen- bzw. Kosten-Ef-fektivität-Relationen machen. Die von den Befragten angegebene reduzierte Inan-spruchnahme anderer medizinischer Leis-tungen bzw. verringerten Krankschrei-bungen infolge der ambulanten Psycho-therapie deuten auf direkte Kosteneinspa-rungen durch die psychotherapeutischen Behandlungen hin. Ökonomische Fak-toren sollten künftig stärker in Wirksam-keitsuntersuchungen von Psychotherapie einbezogen werden, wobei sich allerdings das Problem stellt, dass sich nur ein Teil des „Nutzens“ psychotherapeutischer Be-handlungen in Geldeinheiten ausdrücken lässt (Schmidt 2004). Der Nutzen durch eine verbesserte Arbeitsfähigkeit und -produktivität oder besseres körperliches Wohlbefinden oder der Nutzen durch Kosteneinsparung durch Verhinderung von Chronifizierungen lässt sich nicht in einfachen Eurobeträgen messen. Die hier ermittelten hohen Zustimmungsraten bei „weiteren Problemen“ verweisen auf den hohen Stellenwert der „indirekten Kosten“ durch krankheitsbedingt eingeschränkte Leistungsfähigkeit sowohl im Beruf als auch im privaten Umfeld, die in gesund-heitsökonomischen Untersuchungen häu-fig nur unzureichend einbezogen werden und die auch nur eingeschränkt zu erfas-sen sind. Ebenso sind die langfristigen, negativen Auswirkungen auf die Kinder

psychisch belasteter Eltern bzw. der „Ge-winn“ einer erfolgreichen Behandlung für die Kinder Betroffener zu analysieren.

Schlussfolgerungen

Ambulante psychotherapeutische Be-handlungen erwiesen sich in den Ein-schätzungen der befragten Patienten als hoch wirksam. Aus den Bewertungen der hier befragten Psychotherapiepatienten geht hervor, dass für diejenigen, die ei-ne Therapie erhalten, ein angemessenes psychotherapeutisches Angebot zur Ver-fügung stand [im Sinne des Sozialgesetz-buches (SGB) V, § 12, Abs. 1: „Die Leis-tungen müssen ausreichend, zweckmä-ßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschrei-ten.“]. Jegliche Leistungseinschränkungen im Bereich der ambulanten Psychothera-pie im Leistungskatalog der Krankenver-sicherungen sind zurückzuweisen.

Die vorgestellten Befunde bezüglich der ausgeprägten Komorbiditäten, Chronifi-zierungen und Komplexität psychischer Beschwerden und Probleme reflektieren einen Versorgungsbedarf und eine Ver-sorgungsrealität, wie sie im aktuellen Wis-senschaftsparadigma der randomisierten klinischen Untersuchungen nicht abgebil-det wird und auch nicht abbildbar ist. Die daraus resultierenden Konsequenzen so-wohl für die Behandlungen wie auch für Forschung und die Ausbildung sind bis-her nur unzureichend beachtet. Behand-lungen im klinischen Alltag sind kompli-zierter als „Labortherapien“ und stellen erhöhte Anforderungen an die Behand-ler, aber auch an die klinischen Konzepte und Behandlungsrichtlinien. Es bleibt kri-tisch zu hinterfragen, ob vorrangige Stö-rungsspezifität ein sinnvolles Paradigma und ein hinreichendes Kriterium für die Differenzierung therapeutischen Vorge-hens ist.

Fazit

Verstärkte Bemühungen in der Psycho-therapieforschung und im medizinischen sowie auch im öffentlichen, gesellschaft-lichen Diskurs sind notwendig, damit Psychotherapie nicht mehr wie bisher noch immer als tabuisiertes gesellschaft-liches Randphänomen, sondern als aner-

59Psychotherapeut 1 · 2011 |

Preis „Wissenschaft interaktiv“ 2011Teams aus Forschern und PR-Experten können sich mit Ideen zum Thema Ge-sundheit bewerbenDer Stifterverband für die Deutsche Wissen-

schaft und Wissenschaft im Dialog (WiD)

loben zum vierten Mal den mit 10.000 Euro

dotierten Preis „Wissenschaft interaktiv“ aus –

diesmal zum Thema Gesundheitsforschung.

Teams aus jungen Wissenschaftlern und PR-

Experten ihrer jeweiligen Einrichtung sind

aufgerufen, Ideen für Konzepte zur Wissen-

schaftsvermittlung einzureichen. Ausdrück-

lich sind alle Disziplinen aufgefordert, sich zu

beteiligen – von Natur- oder Ingenieurwis-

senschaften über Sozial- und Geisteswissen-

schaften bis hin zur Medizin. Die Bewerber

können technologische, gesellschaftliche,

soziale oder auch ethische Fragestellungen

zum Thema Gesundheit und Gesundheitsfor-

schung aufgreifen.

Eingereicht werden können Ideen für die

Gestaltung interaktiver Exponate, Erklärsta-

tionen, spielerische Wettbewerbe oder Tanz

und Theater – Hauptsache, wissenschaftliche

Zusammenhänge werden anschaulich und

interessant für ein Laienpublikum erklärt.

Aus allen Projektskizzen wählt eine Jury die

drei interessantesten Vorschläge aus. Für

deren Umsetzung erhalten die Teams jeweils

8.000 Euro.

Im Rahmen des Wissenschaftssommers in

Mainz vom 4. bis zum 9. Juni 2011 werden

sich die ausgewählten Teams dem Publikum

präsentieren. Hier entscheiden die Mainzer

per Abstimmung, welches Projekt gewinnt.

Der Preis soll die Zusammenarbeit zwischen

Wissenschaftlern und der Presse- und Öf-

fentlichkeitsarbeit ihrer Institution fördern

und neue Formen der Wissenschaftskom-

munikation anregen. Insbesondere jungen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern

ermöglicht der Wettbewerb, ihre Forschung

und deren Ergebnisse der Öffentlichkeit zu

vermitteln.

Der Preis wird von WiD und Stifterverband

ausgeschrieben und durch die Schering

Stiftung gefördert. Die Ausschreibungsunter-

lagen sowie weitere Informationen stehen

zum Download bereit auf

www.wissenschaft - interaktiv.de

Quelle: Preis Wissenschaft interaktv 2011

Fachnachrichten

kannte und aufgrund ihrer hohen Wirk-samkeit geschätzte Behandlungsmetho-de akzeptiert wird. Nach wie vor ist da-von auszugehen, dass die in unserem Versorgungssystem bestehende Versor-gungsrealität dazu führt, dass ein groß-er Teil der Patienten, für die eine Indi-kation zu einer Psychotherapie besteht, nicht den Weg in eine psychotherapeu-tische Behandlung findet. Angesichts der hohen Wirksamkeit psychotherapeu-tischer Behandlungen ist dies nicht nur unter ökonomischen, sondern auch un-ter ethischen Aspekten ausgesprochen fragwürdig.

KorrespondenzadresseProf. Dr. Cornelia AlbaniSINOVA-Kliniken Verbund des Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg, Schussental-Klinik gGmbHSafranmoosstr. 5, 88326 [email protected]

Danksagung. Herrn Martin Liebau von der USU-MA GmbH, Berlin, danken wir für seine konzeptionelle Mitarbeit und Unterstützung bei der Umsetzung der Befragung, den Kollegen der USUMA GmbH für die Durchführung der Interviews.Für Hinweise zum Fragebogen danken wir folgenden Kollegen recht herzlich: Frau Dipl.-Psych. C. Leien- decker, Herrn Prof. M. Beutel, Herrn Prof. N. Grulke, Herrn Prof. M. Hautzinger, Herrn Dr. M. Hirsch, Herrn Prof. F. Leichsenring, Herrn Prof. W. Rief und Herrn Dr. H. Bailer.

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

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